Diagnostik der Demenz nach Leitlinien inkl. Biomarker I
Leichte kognitive Störung und Alzheimer Krankheit
Lutz FrölichAbteilung für Gerontopsychiatrie
Zentralinstitut für Seelische GesundheitMedizinische Fakultät Mannheim,
Universität Heidelberg
Baden-Baden, 13.10.2012
Hinweise für:kognitive Leistungsbeeinträchtigung u/o
Alltagsbeeinträchtigungen u/oPersönlichkeitsveränderungen
EigenanmaneseFremdanamnese
Psychopathologischer BefundKörperl. Untersuchung
Kognitiver Kurztest (z.B. MMST)
Demenzdiagnose, inkl. Schweregrad
DepressionDelir,etc.
Spezifische Diagnostik und
Therapie
Blutlabordiagnostik Standard + ggf. spez. ZusatzuntersuchungenCerebrale Bildgebung
Spezifische Befunde (z.B. Hypothyreose, subdurales
Hämatom)
Spezifische Diagnostik und
Therapie
Ätiologische Differenzierung(AD, VD, FTD, PDD, LBD, andere)
Liquordiagnostik
PET/SPECT
EEG
Doppler/Duplex
Syndromale und ätiologische Diagnose
Aufklärung und Beratung des Erkrankten und der Angehörigen
Erweiterte Neuropsychologie
Humangenetik
Erweiterte Diagnostik erforderlich
Verdacht auf autosomaldominante
Erkrankung
Diagnostik-Pfad bei Demenzenim Überblick
1)
2)
3) Ätiologische Zuordnung
Syndrom-Diagnose
Ausschluss sekundärer Demenzen
1. Syndromdiagnose „Demenz“
S3 – Leitlinie DemenzDGPPN / DGN
DEFINITION: Demenzsyndrom ICD-10 (F00 - F03)
• 1. Störung höherer kortikaler Funktionen, einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache, Sprechen, Urteilsvermögen
• 2. Dauer der Symptome 6 oder mehr Monate (auch anamnestisch belegbar)
• 3. Beeinträchtigung der Alltagsfunktionen• 4. Keine Störung des Bewusstseins• 5. Störungen des Sozialverhaltens oder der Motivation können
auftreten
Demenzen - Beeinträchtigung einzelner Funktionen über den Krankheitsverlauf
Kognition
Stimmungsveränderung
Verhaltensstörungen
Motorik
leichte Demenz mittelgradige Demenz schwere Demenz
ApathieIrritabilität / Depression
AgitierheitWahn
Halluzinationen Aggressivität
Angst
UnruheStereotypien
Tag-Nacht Umkehr„Wandern“
Devanand et al 1997, Holtzer et al. 2003
• Bereits bei Erstdiagnose sollte bei jedem Patienten eine Quantifizierung der kognitiven Leistungseinbuße erfolgen
– z.B. MMST, DemTect, TFDD (Test zur Früherkennung von Demenzen mit Depressionsabgrenzung) und Uhrentest
– Sensitivität bei leichtgradiger und fraglicher Demenz […] begrenzt und zur Differenzialdiagnostik […] nicht geeignet
• Neben den kognitiven Symptomen sollten die nicht-kognitiven (psychischen und Verhaltens-) Symptome erfasst werden
Empfehlungsgrad B, Leitlinienadaptation NICE 2007
S3 – Leitlinie DemenzDGPPN / DGN
Nicht-kognitive Symptome Fazit für die Praxis
• Apathie ist das häufigste nicht-kognitive Symptom bei Demenz, oft unklarer Krankheitswert
• Im Krankenhaus ist auch die Abgrenzung der Demenz von einem akuten Verwirrtheitszustand/deliranten Syndrom häufig und von großer klinischer Relevanz. Komorbidität von Delir und Demenz ist sehr häufig.
• Die Differenzialdiagnose Depression = Demenz ist praktisch besonders wichtig und manchmal sehr schwierig.
1. Eine (subsyndromale) Depression ist eine häufige Begleitsymptomatik bei Demenz.
2. Eine Depression im Alter kann auch einen Risikofaktor für eine spätere AD darstellen (unabhängiger Risikofaktor)
2. Diagnose „sekundärer“, potentiell reversibler Demenzursachen
S3 – Leitlinie DemenzDGPPN / DGN
Prävalenz: ca. 9%, Clarfield et al., 2003
State of the art: Labordiagnostik bei Demenz
• Meta-Analyse (39 Studien)• Prävalenz potenziell reversibler Demenzursachen: 9%,
nur 0.6% vollständig rückgebildet
• Basisdiagnostik: Blutbild, Elektrolyte (Na, K, Ca), Nüchtern-Blutzucker, TSH, BSG oder CRP, GOT, Gamma-GT, Kreatinin, Harnstoff, Vitamin B12
• Ergänzend (klinisch unklare Situationen, Verdachtsdiagnosen):z.B.: Differenzial-Blutbild, BGA, Phosphat, HBA1c, Homocystein, fT3, fT4, SD-Antikörper, Kortisol, Parathormon, Coeruloplasmin, Vitamin B6, Lues, Borrelien, Pb, Hg, Cu, Lues, HIV, Drogenscreening, Urinteststreifen, Folsäure
Good clinical practice, Expertenkonsens
71 Jahre, seit einem Jahr antidementive Behandlung wegen „Altersdemenz“. Bisher keine Bildgebung.
MMSE 8 Punkte, keine fokal-neurologischen Defizite
T2 T1, mit KMT1, mit KM
Fallbeispiel: Warum Bildgebung bei langsam progredienter Demenz ?
3. Ätiologische Zuordnung der
zur Demenz führenden Erkrankung
Ätiologische Differenzierung(AD, VD, FTD, PDD, LKD, andere)
Liquordiagnostik
PET/SPECT
EEG
Doppler/Duplex
Syndromale und ätiologische Diagnose
Aufklärung und Beratung des Erkrankten und der Angehörigen
Erweiterte Neuropsychologie
Humangenetik
Erweiterte Diagnostik erforderlich
Verdacht auf autosomaldominante
Erkrankung
S3 – Leitlinie DemenzDGPPN / DGN
State of the art:Neuroimaging Marker bei AD und MCI
Im Vergleich zu altersentsprechenden Kontrollen beträgt die mittlere Volumenreduktion des Hippocampus bei MCI ca. 12%, und bei AD doppelt so viel (24%).
Die mittlere jährliche hippocampale Atrophierate war 4.66% bei AD gegenüber 1.41% bei Kontrollen
Barnes et al. Neurobiol Aging 2009; 30(11): 1711–1723.
• Bei vorliegendem Demenzsyndrom soll eine konventionelle cCT odercMRT zur Differenzialdiagnostik durchgeführt werden
Kommentar:5% neuroradiologisch feststellbare Ursachen einer sekundären Demenz
• Der Beitrag der strukturellen MRT in der DD der AD oder FTD von anderen neurodegenerativen Demenzen ist bisher nicht ausreichend gesichert
• Für eine Diagnose der vaskulären Demenz sollte neben der BildgebungAnamnese, klinischer Befund und neuropsychologisches Profil herangezogen werden
Strukturelle Bildgebung
Empfehlungsgrad A, Leitlinienadaptation NICE 2007
S3 – Leitlinie DemenzDGPPN / DGN
Empfehlungsgrad B, Leitlinienadaptation NICE 2007
• Eine Notwendigkeit für eine cMRT-Untersuchung zur routinemäßigen Verlaufskontrolle besteht im Regelfall nicht
Ausnahme: Einzelfälle mit ungewöhnlichen klinischen VerläufenEmpfehlungsgrad C, Evidenzebene IV
Strukturelle Bildgebung
S3 – Leitlinie DemenzDGPPN / DGN
Imaging bei Alzheimer Krankheit (1)
Barthel et al. Lancet Neurol. 2011 May;10(5):424-35.
18F-Flutemetamol-PET 93% Sensitivität und 93% Spezifität gegenüber Normal, äquivalenteMessgenauigkeit vs. 11C-Pib-PET = hohe Test-Retest-Reliabilität
Vandenberghe et al. Ann Neurol 2010;68(3):319-29
2-5
Herholz & Ebmeier Lancet Neurology 2011;10:667-70
Clark et al. JAMA 2011;305(3):275-83
Amyloid -
Biomarker der Neurodegeneration:18F-Desoxy-Glucose - PET
Falsch positive Zuordnung = 1- Spezifität
Spezifität 93%
Alle AD Fälle = 93%
Nur leichte AD Fälle = 84%
Richtig positive Z
uordnung = S
ensitivität
0 0,5 10
1
0,5
Imaging bei Alzheimer Krankheit (2)
Funktionelle Bildgebung
• FDG-PET und HMPAO-SPECT können bei Unsicherheit in der Differenzialdiagnostik von Demenzen (AD, FTD, VD) zur Klärung beitragen. Ein regelhafter Einsatz in der Diagnostik wird nicht empfohlen
• Ein β-CIT-SPECT (DatScan) ist in klinisch unklaren Fällen für die Differenzialdiagnose einer Lewy-Körperchen-Demenz vs. Nicht-Lewy-Körperchen-Demenz hilfreich
Statement
Kommentar: Dopamintransporter-Reduktion im Striatum: Sensitivität 78%, Spezifität 90%
Empfehlungsgrad A, Leitlinienadaptation NICE 2007
S3 – Leitlinie DemenzDGPPN / DGN
State of the art: Evidenz für Liquorbasierte Diagnostik der AD
• Ätiologische Liquor-Diagnostik mithilfe von Neurodegenerations- und Alzheimer-typischen Markern:– -Amyloid 1-42– Tau-Protein (Gesamt-Tau, t-Tau) – Phosphoryliertes Tau-Protein (phospho-Tau, p-Tau)
• Diagnostik - Metaanalyse: AD versus Gesund: Sensitivität (92%) & Spezifität (89%)
• Prädiktion - Multi-Center-Studien: MCI -> AD: zufriedenstellende prognostische Sensitivität (84%) & Spezifität (72-86%)
Alzheimer-typische CSF-Biomarker in der Differentialdiagnose der Demenzen
Schoonenboom et al. Cerebrospinal fluid markers for differential dementia diagnosis in a large memory clinic cohort. Neurology. 2012 Jan 3;78(1):47-54.
N = 275
N = 512
N = 144
N = 52
N = 34
N = 16
N = 6
N = 20
N = 135
10
• Die liquorbasierte Demenzdiagnostik unterstützt die Differenzierung zwischen primär neurodegenerativen Demenzen und anderen Ursachen demenzieller Syndrome.
• Die kombinierte Bestimmung der Parameter -Amyloid1-42, Gesamt-Tau & Phospho-Tau ist der Bestimmung nur eines einzelnen Parameters überlegen und wird empfohlen.
• Kommentar: Die Prädiktion einer AD bei Patienten mit MCI anhand der liquorbasierten Demenzdiagnostik erscheint zwar wahrscheinlich, ist aber bisher nicht als evidenzbasiert anerkannt.
Empfehlungsgrad B, Evidenzebene Ib
Empfehlungsgrad B, Evidenzebene Ib
Liquordiagnostik
S3 – Leitlinie DemenzDGPPN / DGN
• Ein EEG ist bei bestimmten Verdachtsdiagnosen indiziert(Anfallsleiden, Delir, Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung).
• Das EEG kann zur Abgrenzung von neurodegenerativen und nicht-neurodegenerativen Erkrankungen beitragen, ist jedoch zur Differenzialdiagnose von neurodegenerativen Demenzerkrankungen von geringem Wert.
• Ein regelhafter Einsatz in der ätiologischen Zuordnung von Demenzerkrankungen wird nicht empfohlen.
Empfehlungsgrad B, Leitlinienadaptation NICE 2007
EEG-Diagnostik
S3 – Leitlinie DemenzDGPPN / DGN
• Bei Verdacht auf eine monogen vererbte Demenzerkrankung (z.B. bei früh beginnender Demenz in Verbindung mit einer richtungsweisenden Familienanamnese) soll eine genetische Beratung angeboten werden.
• Im Rahmen der Beratung muss daraufhin hingewiesen werden, dass sich aus der molekulargenetischen Diagnostik keine kausale Therapie oder Präventionder klinischen Manifestation ergibt, und das Wissen um eine genetisch determinierte Demenz Konsequenzen für die Angehörigen bedeuten kann.
• Nach erfolgter Beratung kann eine molekulargenetische Diagnostik angeboten werden.
Empfehlungsgrad B, Leitlinienadaptation NICE 2007
• Vor einer prädiktiven genetischen Diagnostik bei gesunden Angehörigen von Patienten mit monogen vererbter Demenzerkrankung, die von den Angehörigen gewünscht wird, sind die Vorgaben der humangenetischen prädiktiven Diagnostik einzuhalten.
Good clinical practice, Expertenkonsens
Molekulargenetische Untersuchungen
S3 – Leitlinie DemenzDGPPN / DGN
Modell der zeitlichen Dynamik der Biomarker bei Alzheimer Krankheit und MCI
8-9
Initiale Schädigung ? = AmyloidpathologieSynaptische Dysfunktion = Tau-mediierte Pathologie
Neurodegeneration = Hirnatrophiekognitive Funktion
NEUE DIAGNOSTISCHE KRITERIEN DER ADNational Institute on Aging & the Alzheimer’s Association workgroup (NIA-AA)
1. Wahrscheinliche AD - Schleichender Beginn über Monate bis Jahre- Eindeutige Verschlechterung der Symptome im Verlauf - A) Amnestischer Typ [dominierende Lern- und Abrufstörung]
zzgl. weiterer kognitiver Einschränkung- B) Nicht-amnestische Typen
[Sprachdominanter Typ][Visuospatialer Typ][Exekutiver Dysfunktions-Typ]
2. Wahrscheinliche AD mit erhöhter Sicherheit
- Belegter kognitiver Abbau (durch Fremdanamnese oder wiederholte kognitive Testung)
- Träger einer kausativen genetischen Mutation [PSEN1, PSEN2, APP]
3. Wahrscheinliche AD mit Evidenz für AD –Pathophysiologie
- Marker für erhöhte Hirn-Amyloid Last (CSF ATracer-Uptake im Amyloid-
- Neurodegenerations-Marker[CSF t-Tau, p- -temporale + parietale Atrophie; temporoparietaler FDG-
+
+
McKhann et al. (2011) Alzheimer‘s & Dementia
Modell der zeitlichen Dynamik der Biomarker bei Alzheimer Krankheit und MCI
8-9
Initiale Schädigung ? = AmyloidpathologieSynaptische Dysfunktion = Tau-mediierte Pathologie
Neurodegeneration = Hirnatrophiekognitive Funktion
State of the Art: MCI (leichte kognitive Störung) - Kriterien
Winblad et al. (2004). J Intern Med. 256: 240-246.
1. Subjektive kognitive Leistungsabnahme (Selbst- oder Fremdanmanese)
2. Objektives kognitives Defizit (< -1.5 SD gegenüber der Norm
in neuropsychologischen Tests)
3. Normales allgemeines Intelligenzniveau
4. Keine Einbussen in basalen ADLs, diskrete Einbußen in komplexen IADLs möglich
5. keine Demenz
MCI kann hilfsweise als ICD F06.7 diagnostiziert und verschlüsselt werden.
State of the Art: MCI (leichte kognitive Störung) - Verlaufsformen
Daten aus AgeCoDe Studie
Verlaufsformen (N = 357)
remittierend unstabilStabil nicht-progredient
progredient
Sub-TypzuBeginn
single nonmemory MCI 53% 24% 14% 10% 100%
multidomain non-amnestic MCI 29% 18% 18% 34% 100%
amnestic MCI 35% 13% 11% 41% 100%
multidomain amnestic MCI 11% 21% 20% 48% 100%
gesamt 42% 21% 15% 22% (100%)357
Leichte kognitive Störung (MCI) – Klinik + Therapie
• MCI als klinisches Syndrom ist uneinheitlich definiert. Bei Hinweisen auf Vorliegen von Gedächtnisstörungen sollten diese objektiviert werden.
• Aufgrund des erhöhten Risikos für Demenz bedürfen Patienten mit MCI im weiteren Verlauf erhöhter Aufmerksamkeit.
• Mögliche Ursachen eines MCI sollten mit angemessenen diagnostischen Maßnahmen geklärt werden.
Good clinical practice, Expertenkonsens
Es gibt keine Evidenz für eine wirksame Pharmakotherapie oder nicht-pharmakologische Therapie zur Risikoreduktion des Übergangs von MCI zu einer Demenz.
Evidenzebene Ib, Evidenzebene IV
Es sollten daher die Maßnahmen zur Demenzprävention empfohlen werden, z.B. regelmäßige körperliche Bewegung und ein aktives geistiges und soziales Leben.
Empfehlungsgrad B, Leitlinienadaptation NICE 2007
NEUE DIAGNOSTISCHE KRITERIENNational Institute on Aging &
the Alzheimer’s Association workgroup (NIA-AA)
9, 14
Klinische und kognitive Kriterien, danach erst Biomarker-Kriterien1. Beschwerden über nachlassende kognitive Leistung 2. Objektive Defizite in Tests, möglichst Nachweis eines Abbaus 3. Keine Beeinträchtigung in ADL Funktionen, nicht dement4. Ausschluss relevanter körperlicher Ursachen
Präklinische Stadien der Alzheimer Krankheit
NEUE DIAGNOSTISCHE KRITERIEN DER AD
National Institute on Aging &the Alzheimer’s Association workgroup (NIA-AA)
16
Aktuelle Bewertung zum Umgang mit den neuen Diagnosekriterien & Biomarkern für die Praxis
Lancet Neurol. 2011 Jul;10(7):598-601.
• Bei Patienten, die die Kernkriterien für eine wahrscheinliche AD erfüllen, oder mit MCI (aber nicht prä-symptomatisch) können Biomarker die Diagnose-Sicherheit für eine Alzheimer-Erkrankung erhöhen
• Biomarkerbestimmungen können aber derzeit noch nicht für den flächen-deckenden Routineeinsatz in der Praxis empfohlen werden, weil:
• offene methodische Unsicherheiten: Prä-analytik, Aufbewahrung, Transport, Analytik, Normwerte, Interpretation
• Phase 3 - Biomarker-Standardisierung & Harmonisierung der Liquor-und Hippocampus-Analyse-Protokolle noch nicht abgeschlossen aktuell laufen weltweite multi-zentrische Reliabilitäts- und Qualitätskontroll-Studien
• Anwendung nur in spezialisierten Experten-Kernzentren, mit ausreichend methodischer Expertise
Frisoni & Hampel et al. (2011) Lancet Neurology
Fazit: Alzheimer Krankheit ohne Demenz• Erstmals für ein Krankheitsbild der Psychiatrie werden biologische Marker zur
Grundlage einer Diagnosestellung am einzelnen Patienten gemacht.
• Die neuen Konsensuskriterien für die AD-Diagnostik, zunächst für Forschungszwecke, stellen einen Paradigmen-Wechsel dar (Demenz-Syndrom zur Diagnosestellung der AD nicht mehr erforderlich, Diagnose ohne Ausschlussdiagnostik)
• Alzheimer-Biomarker-“Signatur” in Liquor plus MRT oder PET: Ab42, tau, P-tau & HC-Atrophie & FDG- & Amyloid-PET
– Biomarkerveränderungen sind diagnostisch & prädiktiv in AD-MCI Stadien,
– detektierbar bereits Jahre zuvor im prä-symptomatischen Stadium
• Leitlinien & Diagnostik-Manuale inkorporieren zunehmend die Biomarker-Evidenz z.B. ICD-11, DSM-5, IWG-Dubois, EFNS-Leitlinie, DGN/DGPPN S3-Leitlinie (in Überarbeitung)
• Diagnostische Kriterien für asymptomatisches Stadium der AD in Entwicklung, ebenso Validierung der Biomarker im Blut
• Recht auf Aufklärung und Beratung der Kranken & Angehörigen (individuelle Lebensplanung)
• Recht auf Entwurf eines langfristig angelegten, individuell abgestimmten Versorgungsplanes
• Frühstmöglicher & dauerhafter Einsatz zugelassener, spezifisch wirksamer Medikamente & Interventionen
• Perspektive: Krankheitsmodifikation mit innovativen Medikamenten
Bedeutung der Früherkennungfür die (Alzheimer) Demenz-Patienten
State of the ArtBehandlung der Demenzen
Wirksamkeit der Antidementiva bei AD / VD / PDDnach Demenz – Stadium: Leicht mittelschwer schwer
Wirksamkeitskriterium Donepezil Donepezil Donepezil kognitive Funktionen Galantamin Galantamin Galantamin
(+ Alltagsaktivitäten) Rivastigmin Rivastigmin
Memantine Memantine
S3 – Leitlinie DemenzDGPPN / DGN
Fazit für die Praxis
000
• Acetylcholinesterase-Hemmer werden bei der leichten bis mittelschweren Alzheimer-Demenz empfohlen.
Empfehlungsgrad B, Leitlinienadaptation NICE-SCIE 2007
• Memantine wird bei Patienten mit moderater bis schwerer Alzheimer-Demenz empfohlen.
Empfehlungsgrad B, Evidenzebene Ia
• Eine Behandlung von Patienten mit leichter Alzheimer-Demenz mit Memantin wird nicht empfohlen.
Empfehlungsgrad A, Evidenzebene Ib
• Weil es keine überzeugende Evidenz für die Wirksamkeit ginkgo-haltiger Präparate gibt, wird der Einsatz von Ginkgo biloba Extrakt bei AD nicht empfohlen.
Empfehlungsgrad A, Evidenzebene Ia, Leitlinienadaptation MOH 2007
S3-Leitlinie: Antidementive Pharmakotherapie bei Alzheimer-Demenz
State of the ArtChE Inhibitoren bei AD: Verträglichkeit
Placebo Donepezil Galantamin Rivastigmin5–10 mg 16 or 24 mg 6–12 mg
Übelkeit 6 -12 % 14% 24% 47%Erbrechen 3 - 6 % 8% 13% 31%Diarrhoe 4 -11% 12% 9% 19%
Bradykardie, Synkopensignifikant häufigere Krankenhaus-Aufnahme unter AChE-Inhibitoren
wegen Synkope (Risikoerhöhung: 1.76)wegen Bradykardie (Risikoerhöhung: 1.69)
ebenfalls ein leicht erhöhtes Risiko für Herzschrittmacherimplantation und Schenkelhalsfrakturen
Gastrointestinale Stimulation
Gill SS, et al.2009 Arch Intern Med 169: 867-73
Lopez et al. 2009, JNNP 80: 600-607
Nutzen der Antidementiva Klinischer Endpunkt: Zeit bis zur Pflegeheimeinweisung
Fazit für die PraxisS3-Leitlinie: Antidementive Pharmakotherapie bei AD
Anwendung + Therapiedauer
• AChE-I können bei guter Verträglichkeit im leichten bis mittelschweren Stadium fortlaufend gegeben werden.
Empfehlungsgrad B, Leitlinienadaptation SIGN 2006
• Die Wirkung […] ist dosisabhängig. […]
• Donepezil ab 5 mg, Galantamin ab 16 mg, Rivastigmin ab 6 mg oral und 9,5 mg/24h als Pflasterapplikation
• Es soll die höchste verträgliche Dosis angestrebt werden. Empfehlungsgrad A, Evidenzebene Ia
• Eine Entscheidung, ob eine Behandlung bei einem individuellen Patienten wirksam ist oder nicht, kann [...] nicht getroffen werden; […] eine begründete Entscheidung zum Absetzen eines Medikamentes wg. fehlender Wirkung kann nicht getroffen werden.
• Eine Add-on-Behandlung mit Memantine bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz (MMST: 10-22 Punkte), die bereits einen Acetylcholinesterase-Hemmer erhalten, […] wird nicht empfohlen.
Empfehlungsgrad B, Evidenzebene Ib
• Eine Add-on-Behandlung mit Memantin bei Patienten, die Donepezil erhalten, […] bei schwerer Alzheimer-Demenz (MMST: 5-9 Punkte) […] kann erwogen werden. (Cave: off-label für Donepezil)
Empfehlungsgrad C, Evidenzebene Ib
Fazit für die PraxisS3-Leitlinie: Antidementive Kombinationstherapie bei AD
Vor dem Absetzen von Antidementiva sollte folgendes geklärt sein:
• Wurde die höchste verträgliche Dosis erreicht und genügend lange gegeben?
• Ist ein Substanzwechsel erwogen worden?
• Gibt es eine relevante Komorbidität, die einen Abfall der kognitiven Leistungsfähigkeit verursacht haben könnte?
• Absetzen als individualisierter Prozess unter Einbezug von Angehörigen und Pflegepersonen
Evidenzbewertung der Studienlage zu Ginkgo biloba - WFSBP Leitlinie
Kanowski et al. 1996
Le Bars et al.2000 (1997)
Schneider et al.2005
Napryeyenkoet al. 2007
Ihl et al.2010
Yancheva et al. 2009
Location Germany USA USA Ucraine Ucraine BulgariaN 222 309 513 395 410 94
Donepezil comparator
n.a. n.a. n.a. n.a. n.a. yes
Duration [month] 6 12 6 6 6 6Study centers 41 (5) 6 (51.5) 44 (11.6) 14 (28.2) 20 (20.5) 4 (23.5)
Diagnoses AD, VD AD, VD AD, VD NPS in AD and VD
NPS in AD and VD
AD
NINCDS/ADRDA DSM III R ICD-10/ DSM III R
+ + + +
NINDS/AIREN DSM III R ICD-10/ DSM III R
+ + + n.a.
Age >54 >44 >59 >49 n.a.MMSE 13-25 9-26 10-24 (14-25) n.a. n.a.
DropoutsEGb %Placebo %
2520
5363
2023
2022
86
Ihl, Frölich et al. World J Biol Psychiatr. 2011
Antipsychotika bei Alzheimer Demenz –mangelnde Wirksamkeit + erhöhtes Risiko
“dementia antipsychotic withdrawal” Studie (DART-AD)1.) RCT (128 Patienten): keine Unterschiede in SIB (Kognition) oder NPI (neuropsychiatrische Störungen) nach 6 + 12 Monaten. … withdrawal of neuroleptics had no overall detrimental effect on functional and cognitive status. Neuroleptics may have some value in the maintenance treatment of more severe neuropsychiatric symptoms, …weighed against the side effects …
Ballard et al. PLoS Med 2008
2.) Langzeit follow-up: erhöhte Mortalität (24-Monate Überleben 46%(NL) vs 71% (Plc); 36-Monate Überleben 30% (NL) vs 59% (Plc)
Ballard et al. Lancet Neurol 2009
ähnliche Ergebnisse wie CATIE-AD Studie (421 Patienten)1.) RCT: Besserung nach 12 Wochen ohne Unterschiede zwischen den Gruppen (OLA, QUE, RIS, Plc). Schneider et al. NEJM 20062.) 1 Jahr follow-up: …In CATIE-AD, atypical antipsychotics were associated with worsening cognitive function at a magnitude consistent with 1 year's deterioration compared with placebo… Vigen et al. Am J Psychiatry 2011
Therapie psychotischer Phänomene bei Alzheimer Demenz - Wirksamkeit der ChE - Hemmer
Donepezil Stichprobe sign. WirksamkeitFeldman2001 282 mittelschwer jaGauthier2002 201 jaWinblad2001 286 -Tariot2001 206 -Holmes2004 284 nur 12 Wochen jaBlack2007 343 schwer -Winblad2006 248 schwer -Homma 2008 325 schwer -
GalantaminBrodarty2005 906 -Erkinjuntti2002 257 gemischte Demenzen -Tariot2000 899 nur16-24 mg jaRivastigminCummings2005 173 mittelschwer ja
Gauthier S, et al. Int J Geriatr Psychiatry. 2005;20:459-64.
P<.05
Memantine
Placebo
1.0 0.5 0 -0.5
P<.05
DelusionsHallucinations
Depression/Dysphoria
Agitation/Aggression
Night-time Behaviour
Anxiety
Aberrant Motor Behaviour
Elation/Euphoria
Irritability/Lability
Apathy/Indifference
Disinhibition
Appetite/Eating Change
Memantine bei AD-Patienten mit psychotischen Phänomenen
Antidepressiva bei Alzheimer Demenz –mangelnde Wirksamkeit, aber gute Wirksamkeit
von EKT (?)
Sertralin und Mirtazapin bei depressiven Patienten mit DemenzHTA-SADD Studie (218 Patienten):ohne Wirksamkeit bei erhöhtem NW Risiko gegenüber Placebo.
Banerjee et al. Lancet 2011
EKT bei depressiven Patienten mit Demenz und MCIoffene Studie (43 Patienten): Gute Wirksamkeit ohne langfristige kognitive Nebenwirkungen
Hausner … Frölich. J Clin Psychiatry 2011
HAMD- Wert MMSE- Wert
Die Zukunft der symptomatischen Antidementiva
Ab Mitte 2012 Generika für AChE-I verfügbar• Dann wahrscheinlich breite(re) Anwendung auch durch
Allgemeinärzte für die Indikation: „Alzheimer Demenz“
• Differenzierte Beurteilung der Ansprechwahrscheinlichkeit und des Therapieerfolgs am einzelnen Patienten - Biomarker
• Anwendung zunächst bei allen Patienten für einen „Testzeitraum“? - Fortführen nur bei „Erfolg“ (wie definiert?)
• Kontinuierliche Behandlung bis in schwere Demenzstadien ? (CAVE: Kontraindikation, Nebenwirkungen, Antipsychotika)
• Kombination mit neuen krankheitsmodifizierenden Therapien in klinischen Studien ?
Konsequenzen für die nervenärztliche Praxis:
Amyloid und tau Pathologie im Gehirn
Kognitive Leistung
100 %
Pathophysiologische Veränderungen im Gehirn Manifeste Symptomatik
15 - 30 Jahre 5 - 10 Jahre
Die Krankheitsentwicklung der AD und therapeutische Interventionen
Erste Symptome
momentanestherapeutisches
FensterErweiterung
in MCI - Stadien ?
S3-Leitlinie Demenzen: Leichte kognitive Störung (MCI) –Therapie
Es gibt keine Evidenz für eine wirksame Pharmakotherapie oder nicht-pharmakologische Therapie zur Risikoreduktion des Übergangs von MCI zu einer Demenz. Evidenzebene Ib, Evidenzebene IV
Es sollten daher die Maßnahmen zur Demenzprävention empfohlen werden, z.B. regelmäßige körperliche Bewegung und ein aktives geistiges und soziales Leben.
Empfehlungsgrad B, Leitlinienadaptation NICE 2007
Early Mild-to-moderate Severe
echteFrüh-Diagnosemit Biomarkern
Ko
gn
ition
Neues Behandlungsziel:Verlaufsmodifizierung
Prodromal AD
i.v. IgG
Cholesterin-SenkerSTATINE
Immunisierung
Die Zukunft der Antidementiva:Krankheits-modifizierende Therapieansätze
Aktive + passiveImmunisierung
Anti-TauSubstanzen
G-Sekretase-hemmer
Latrepirdine
B-Sekretase-hemmer
RAGE-Inhibitors
Neurotrophic drugs
X
X
(X)
(X)
(X)
Überlebenszeit Zeit bis schwere Demenz
„Although the plaques were gone, cognition was gone, too…“
Anti-A-beta Antikörper, welche(noch) in Phase II / III der klinischen
Entwicklung sindAlles sind humanisierte monoklonale Antikörper
• Bapineuzumab (murin: 3D6) Manufacturer: Pfizer / JanssenAlzheimer Immunotherapy Alliance, development phase: III for i.v.application, clinical status: trial analysis completed
• Solanezumab (murin: m266.3) Manufacturer: Eli Lilly Co., development phase: III i.v. Anwendung clinical status: trials under analysis
• Crenezumab (MABT5102A) Manufacturer: Genentech/Roche/AC Immune, development phase: III der i.v. Anwendung clinical status: trialrecruiting in „mild-to-moderate AD“
• Gantenerumab (RO4909832) Manufacturer: Roche, development phase: III der i.v. Anwendung clinical status: trial recruiting in „prodromal AD“
46 Patienten mit leichter-mäßiger AD (19 Placebo, 27 Bapineuzumab)
Phase II of the Bapineuzumab development program in “mild-to-moderate AD”
Blennow K, et al. for the AAB-001 201/202 Investigators. Arch Neurol. 2012 Aug 1;69(8):1002-1010
2 Studien:a. „Fixed Dose“ (0.5 - 1 - 2 mg/kg)b. „Ascending dose“ (0.5 -> 2
mg/kg)
Dauer: 54 (78) Wochen
Outcome: CSF Parameter
Kohorte: Alter: 66.5 / 64.8 JahreMMSE: 17 / 12APO E4: 59% / 58%
Behandlung mit AChE-I / Memantine 100%
Farlow M et al. Safety and biomarker effects of solanezumab in patients with Alzheimer's disease.Alzheimer’s & Dementia 2012 8(4): 261-271.
Phase II of the Solanezumab development program in “mild-to-moderate AD”
52 Patienten mit leichter-mäßiger AD (10 Placebo, 4 x 10/11 Solanezumab)
1 Studie:a. „multiple Dose“ (0.5 - 1 - 2
mg/kg) mit 4 Dosisstufen
Dauer: 12 Wochen (mit follow-up 1 Jahr)
Outcome: CSF Parameter
Kohorte: Alter: 71,2 JahreMMSE: 20,2APO E4: 64,1%
Behandlung mit AChE-I / Memantine erlaubt
Phase III of the Bapineuzumab development program in “mild-to-
moderate AD” (18 months duration trials)
ADAScog in APO E4 non-carriers DAD in APO E4 non-carriers
ADAScog in APO E4 carriers DAD in APO E4 carriers
Sperling et al. 2012, Farlow et al. 2012 EFNS Stockholm May 2012
Phase III of the Solanezumab development program with 2 clinical
studies in >2,050 patients with “mild-to-moderate AD” (18 months duration)
INDIANAPOLIS, Aug. 24, 2012 /PRNewswire/ -- Eli Lilly and Company today announced that the primary endpoints, both cognitive and functional, were not met in either of the two Phase 3, double-blind, placebo-controlled solanezumab EXPEDITION trials in patients with mild-to-moderate Alzheimer's disease. However, a pre-specified secondary analysis of pooled data across both trials showed statistically significant slowing of cognitive decline in the overall study population of patients with mild-to-moderate Alzheimer's disease. In addition, pre-specified secondary subgroup analyses of
pooled data across both studies showed a statistically significant slowing of cognitive decline in patients with mild Alzheimer's disease, but not in patients with moderate Alzheimer's disease.
Adverse events with an incidence of at least 1 percent that occurred statistically significantly more in the solanezumab group than in the placebo group were lethargy, rash and malaise (in EXPEDITION1) and angina (in EXPEDITION2).
Aktive und passive Immunisierungen, die derzeit bei “prodromal AD” in Phase II getestet werden
Agent Demographics Inclusion criteria Biomarker inclusion
Duration/Endpoints
RocheGantenerumab
Age 50-80N-36062 sites
MMSE>24Episodic memory complaint
PET used as incl/excl for substudy
2 yr10 CDR-SB20 assess amyloid reduction; change in ADAS; Function
Rekrutierungbeendet
GSK/AffirisAFFITOPE(AChEI/Memantine allowed)
Age 50-80N=42022 sites
MMSE>20Episodic memory complaint
vMRI; hippocampal atrophy
12 months10 ADAS-cog and ADCS-ADL20 CDR, NPI, vMRI, Cognitive
ACC-001 Age 50-80N=10820 sites
MMSE>25CDR=0.5subjective memory complaint
Amyloid PET 2 year10 assess amyloid reduction20 change in biomarkers, cognition/function; health outcomes
Schlussfolgerungen und Fazit
• Die derzeitige symptomatische antidementive Therapie wird immer noch unzureichend umgesetzt. – Zukunftsperspektive: Generika für AChE-I
• Innovative Therapieansätze sind noch in der Entwicklung.– Zukunftsperspektive: in den nächsten 3 Jahren nicht verfügbar– Zukunftsperspektive: Kombinationstherapie mit AChE-I
• Nicht-medikamentöse Therapien sind sinnvoll, erfordern aber bessere Wirksamkeitsbelege.
• Kosten-Effektivitätsfragen + Versorgungs- und Präventionsforschung werden erheblich an Bedeutung gewinnen, bisher zu wenig Daten– Zukunftsperspektive: klinische Studien zu Multi-Modalen
Präventionsstudien, derzeit in Finnland und Frankreich.
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