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Page 1: Donnerstag, 7. März 2019 74. Jahrgang/Nr. 56 … · Netzgemeinde in Aufruhr Spontandemos in mehreren Städten gegen EU-Urheberrechtsreform Berlin.InmehrerendeutschenStädtenhaben

Netzgemeinde in AufruhrSpontandemos in mehreren Städten gegen EU-Urheberrechtsreform

Berlin. In mehreren deutschen Städten habenam Dienstagabend Tausende gegen eine EU-Urheberrechtsreform protestiert. Spontanwurden noch im Laufe des Nachmittags vonder Initiative »Save the Internet« (Rettet dasInternet) Proteste in Berlin, München, Stutt-gart, Frankfurt und Köln angemeldet, einenTag später in Hamburg und Hannover. DieKundgebungen fanden hauptsächlich vorCDU-Parteizentralen statt.Die EU-Abgeordneten Julia Reda (Piraten-

partei) und Tiemo Wölken (SPD) hatten zuvorDokumente auf sozialen Netzwerken veröf-fentlicht. Diese sollen zeigen, dass Abgeord-

nete der Europäischen Volkspartei (EVP), zuder auch CDU und CSU gehören, offenbar einefür Ende März geplante Abstimmung vorzie-hen und bereits kommende Woche entschei-den wollten. Die Gegner der Reform befürch-ten, dass die EVP und ihr Fraktionschef Man-fred Weber (CSU) damit geplanten Protestenam 23. März zuvorkommen wollten.Diese Drohung ist nun jedoch scheinbar

vom Tisch. »Die Abstimmung über dieses Ur-heberrecht findet Ende März statt, so wie ge-plant, und wird auch nicht geändert wer-den«, sagte Weber am Mittwoch gegenüberder ARD. Voraussichtlich werden die Abge-

ordneten damit Ende März über den zwi-schen den EU-Staaten erzielten Kompromissabstimmen.Artikel 13 der Urheberrechtsreform sieht

vor, dass Plattformen wie Youtube oder Face-book zukünftig selber sicherstellen sollen, dasskeine urheberrechtlich geschützten Werke beiihnen hochgeladen werden. Dazu müssten siesogenannte Uploadfilter einrichten. Kritikerbefürchten, dass durch dieseMaßnahmeKunst-und Meinungsfreiheit eingeschränkt werden.Verschiedene Organisationen rufen weiterhinfür den 23. März zu europaweiten Großde-monstrationen auf. nd Seite 4

Artikel 13 regelt, dass auf Online-Plattformen nichts urheberrechtlich Geschütztes hochgeladen werden darf. Foto: imago/IPON/Stefan Boness

STANDPUNKT

PolitisierunghochgeladenMarkus Drescher über Protestegegen die Urheberrechtsreform unddie anstehenden Europawahlen

Die EU ist an allem SchlechtenSchuld. Jahrelang diente die euro-päische Staatengemeinschaft allenmöglichen Politikern auch abseitsrechtspopulistischer Europagegnerals Mistabladeplatz. Jetzt, da nichtnur ihr Ruf ruiniert ist, sondernauch ihre Existenz nicht mehr ga-rantiert scheint und die anstehen-den Europawahlen nichts Gutesverheißen, steht Europa ganz obenauf der politischen Agenda. Viel istnun von den doch vorhandenenVorzügen die Rede, von Reformen,davon, dass die EU bürgernähergemacht werden muss.Just in diesem Krisenmoment

macht sich die EU nun aber geradebei vielen jungen Menschen, die eseigentlich gilt, für die europäischeIdee zu begeistern, besonders un-beliebt. Mit der Urheberrechtsre-form, der Kritiker das Potenzialzur Zerstörung des Internets wiewir es bisher kennen – und wie esfür Junge zum festen Bestandteilihres Lebens gehört – attestieren,agiert die EU derzeit geradezu so,als wolle sie den endgültigen Be-weis antreten, dass sie tatsächlichnur Schlechtes gebiert. Beratungs-resistent, lobbyistengesteuert, denBürger arrogant austricksend undahnungslos, wenn es ums Internetgeht – wenige Wochen vor derEuropawahl wiegen derartige An-schuldigungen schwer. Und habendoch ihr Gutes. Denn noch kanndas Europaparlament den Gegen-beweis antreten, die Proteste ernstnehmen und die Reform stoppen.Und zumindest wurde eine or-dentliche Portion Politisierung inKreise hochgeladen, die sich bishervielleicht überhaupt nicht für Poli-tik interessierten.

UNTEN LINKS

Verschwörungstheorien kommenin der unübersichtlichen und un-sicheren neuen Weltlage zuneh-mend in Mode. Ist es etwa Rachedes Stromkonzerns Vattenfall,dass an dem Tag, an dem bekanntwird, dass ihm der Betrieb desStromnetzes entzogen werdensoll, im Roten Rathaus der Stromausfällt? Möglicherweise. Genau-so gut könnte in dieser Logik auchder Senat Sabotage geübt haben,um zu unterstreichen, wieschlecht es ist, wenn Private sen-sible Infrastruktur betreiben. ImSinne der Dialektik oder so. Wo-bei, so privat ist das Unternehmenja gar nicht, es gehört schließlichdem schwedischen Staat. Schwie-rig. So geht es fröhlich von einemWiderspruch zum nächsten. Odermal recherchieren. Dafür ist leiderin den zusammengesparten Me-dien viel zu wenig Zeit. Eine gerngewählte Lösung für das Problemsind Ratgebertexte. Verbrauchersollten für solche Fälle immerKerzen vorrätig haben. Ob es lan-deseigene Kerzenwerke gebensollte, klären wir in der nächstenFolge. nic

Schlechte Ernte inNordkoreaUN-Koordinator Mishra spricht vongroßer »Lebensmittel-Lücke«

Seoul. Die Vereinten Nationen haben ange-sichts der schlechtesten Ernte in Nordkoreaseit mehr als einem Jahrzehnt Alarm ge-schlagen. Laut einem am Mittwoch vorge-stellten UN-Bericht ging die Gesamternte-menge im vergangenen Jahr um 500 000Tonnen auf 4,95 Millionen Tonnen zurück.UN-Nordkorea-Koordinator Tapan Mishrawarnte, dadurch sei eine große »Lebensmit-tel-Lücke« entstanden. Als Gründe für dieschlechte Ernte werden Naturkatastrophen,ein Mangel an landwirtschaftlich nutzbaremLand und ineffiziente Landwirtschaft ange-führt.Unterdessen hat ein US-Institut erklärt, es

hätten auf einer nordkoreanischen Raketen-anlage neue Aktivitäten ausgemacht. Lautdem in Washington ansässigen Zentrum fürstrategische und internationale Studien lie-fern Satellitenaufnahmen vom Sohae-Gelän-de im Westen des Landes Hinweise darauf,dass Pjöngjang die Anlage wieder aufbauenwolle. AFP/nd Kommentar Seite 8

Anstieg rechterGewalt in BerlinOpferverbände legen Zahlen für dieHauptstadt und Brandenburg vor

Berlin. Die Zahl der extrem rechten, rassisti-schen und antisemitischen Angriffe in Berlinist im vergangenen Jahr wieder angestiegen,in Brandenburg verbleibt sie auf hohem Ni-veau. Die Berliner Opferberatungsstelle Re-ach Out registrierte 309 Angriffe – 42 mehrals im Jahr davor. Mehr als die Hälfte der An-griffe waren rassistisch motiviert. Die Berli-ner Registerstellen erfassten 3405 generelleVorfälle aus dem Spektrum, ein Plus von 605Fällen. In Brandenburg zählte der Verein Op-ferperspektive im vergangenen Jahr mit 174rechten Attacken ähnlich viele Fälle wie imJahr davor. 86 Prozent der Fälle waren ras-sistisch motiviert, so viele wie noch nie seitBeginn der Registrierung 2001. mfr Seite 11

ISSN 0323-3375

Frauen feiern, Frauen kämpfen, Frauen streikenDem Internationalen Frauentag widmet sich »nd« auf vielen Seiten. Von Kipping-Kolumne bisFrauenfußballfilm, von Außenpolitik bis Literatur. Und dazu noch mit einem ExtrablattFoto: dpa/Jens Büttner

Erster Frauenstreik nach 25 JahrenAuch Journalistinnen initiieren Aufruf für bessere Arbeitsbedingungen

Bundesweit sollen am 8. März inmehr als 40 Städten Frauen-streiks stattfinden. Dies nehmenknapp 100 Journalistinnen zumAnlass, um gegen Missstände inder Medienbranche zu kämpfen.

Von Alexander Isele

Es ist das erste Mal seit einemVierteljahrhundert, dass Frauen inDeutschland am 8. März wiederbundesweit streiken wollen.Während beispielsweise in Polenoder Spanien in den vergangenenJahren große Frauenstreiks statt-fanden, ist es hier 25 Jahre her:Am 8. März 1994 beteiligten sichcirca eine Million an dem bun-desweiten Frauenstreik. Wie vieleMenschen sich am Freitag betei-ligen werden, ist nicht abzuse-hen; unter dem Slogan »Wenn wirdie Arbeit niederlegen, steht dieWelt still« sind Aktionen in mehrals 40 Städten angekündigt.Dabei geht es den Initiator*in-

nen nicht nur darum, dass be-

zahlte Arbeit niedergelegt wird,sondern auch jene, die Frauentäglich unentlohnt und oft un-sichtbar leisten, etwa Sorge-,Haus- oder Erziehungsarbeit.Deshalb wollen Frauen und

Queers am Freitag den »globalenAufschrei« auch in Deutschlandsicht- und vor allem spürbar ma-chen. Unter anderem sind De-monstrationen, kämpferische Mit-tagspausen, Spülstreiks, ein bun-desweiter Stuhlsitzstreik um 11.55Uhr geplant.Auch Journalist*innen beteili-

gen sich und kämpfen für Verän-derungen in der Medienbranche.Am Dienstag veröffentlichtenFrauen, darunter auch Mitarbei-terinnen des »nd«, einen Journa-listinnen-Aufruf, in dem sie bes-sere Arbeitsbedingungen für Frau-en in der Medienbranche, ein En-de von Lohndiskriminierung, dieDurchsetzungder Tarifbindung füralle Journalist*innen und Wieder-eingliederung ausgelagerter Teil-bereiche der Verlagsunternehmen

fordern. In dem Aufruf heißt esauch, dass man sich für umfas-sende Transparenz bei Gehalts-und Honorarverhandlungen ein-setze, »sowohl für Festangestelltein unterschiedlichen Positionen als

auch für freiberufliche Journalis-tinnen«.Initiiert wurde der Aufruf un-

ter anderem von Journalist*innendes »nd«, der Monatszeitung»analyse & kritik«, der »Latein-

amerika Nachrichten« und der ös-terreichischen »an.schläge«. Un-ter den knapp 100 Unterzeichne-rinnen sind neben vielen Freibe-ruflerinnen weitere Journa-list*innen der »taz«, des »Tages-spiegels«, von »Zeit Online«, »Edi-tion F«, des NDR, der DeutschenWelle und anderen Medien. Siefordern den Ausbau von Struktu-ren, die guten Journalismus er-möglichen. Einen Journalismus,der Schluss machen müsse mit»Geschlechterstereotypen undDesinteresse gegenüber Proble-men, die Frauen betreffen«. Ge-fordert wird ein Ende von »Ein-zelkämpfertum« und »elitäremJournalismus«. Man unterstützezudem die Forderungen des bun-desweiten Frauen*streiks.Am 7. und 8. März werden in

Deutschland im Rahmen diesesStreiks zahlreiche Proteste undAktionen stattfinden. Mitarbeite-rinnen des »nd« werden sich da-ran beteiligen und bereits am7. März die Arbeit niederlegen.

»Schluss mitder inhaltlichenVerflachung. GegenIgnoranz undEinzelkämpfertum,gegen elitärenJournalismus.«Aufruf von Journalistinnenzum Frauentag am 8. März

Donnerstag, 7. März 2019 74. Jahrgang/Nr. 56 Einzelverkaufspreis 1,80 € www.neues-deutschland.de

Am 8. März erscheint wegen desneuen Berliner Feiertags das »nd« nichtin der Hauptstadt. »nd.DieWoche« amSamstag gibt es wieder für alle.

Venezuela weistBotschafter ausEmpfang Guaidós durch deutschenDiplomaten als Einmischung gewertet

Caracas. Die venezolanische Regierung vonPräsident Nicolás Maduro hat den deutschenBotschafter des Landes verwiesen. DanielKriener habe sich in die inneren Angelegen-heiten Venezuelas eingemischt und werdedeshalb zur unerwünschten Person erklärt,teilte das Außenministerium am Mittwochauf seiner Internetseite mit. Der Diplomatmüsse das südamerikanische Land deshalbinnerhalb von 48 Stunden verlassen.»Venezuela sieht es als inakzeptabel an,

dass ein ausländischer Diplomat sich in sei-nem Territorium wie ein politischer Führerverhält, in Übereinstimmung mit der Ver-schwörungsagenda der extremistischen Sek-toren der venezolanischen Opposition«, hießes in der Erklärung des Außenministeriums.Kriener hatte am Montag mit anderen Dip-lomaten den selbst ernannten Interimsprä-sidenten Juan Guaidó am Hauptstadtflug-hafen Maiquetía erwartet. Damit wollten sieverhindern, dass er bei seiner Rückkehr insLand festgenommen wird. dpa/nd Seite 5