Dr. Claude Gengler
Geschäftsführer
Stiftung Forum EUROPA
(Luxemburg)
Wichtige Vorbemerkungen
Diese Fallstudie untersucht keine “klassische“ Mobilitäts-, Immigrations- und
Integrationsfragen. Es geht um die grenzüberschreitende Wohnmobilität
zwischen Luxemburg und seinen Nachbarregionen im Rahmen der Großregion
SaarLorLux/Rheinland-Pfalz/Wallonien.
Das Phänomen ist an sich nicht neu, allerdings hat es sich in den letzten Jahren
sprunghaft entwickelt und es stellt die Zielgemeinden vor große Herausforderungen.
Außerdem betrifft es alle europäischen Binnengrenzregionen.
“Klassische“ Integrationsprobleme (u.a. bedingt durch sprachliche Probleme oder
kulturelle Unterschiede) gibt es weniger, dafür aber Auswirkungen wie Zersiedlung,
Probleme auf dem Immobilienmarkt, höheres Verkehrsaufkommen, Schrumpfung
der Lebensqualität, Bedrohung der sozialen Kohäsion (Ghettobildung) usw..
Auf die Grenzgemeinden kommt immer mehr Arbeit zu, wobei die Entwicklung
durchaus gewollt, gesteuert und manchmal regelrecht angefeuert wird, nach
dem Motto: Komm doch zu uns!
Die Großregion SaarLorLux/Rheinland-
Pfalz/Wallonien - Kurze Einführung
4
Wallonien
Lothringen
Rheinland-Pfalz
Luxemburg
Saarland
5 Teilgebiete
4 Länder
3 Sprachen
2 Kulturen
1 Kooperationsraum
Die Großregion… mit ihrer Kernzone
Französische Gemeinschaft Belgiens
Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens
Kernzone Fläche: 65.400 km²
Einwohner: 11,32 Mio
BIP: 310 Mia €
Arbeitslose: 510.000
5
77.000
39.000 30.000
9.000
200
300 150
50
20.700
4.200
22.700
12.400
1.000 150
130
1.900
120
150
500
Die Grenzgänger: Der Zement, der alles zusammenhält…
Sämtliche Teilgebiete betroffen
Sehr ungleichmäßige Verteilung
Inter- und intranationale Bewegungen
RLP SL : >22.000
SL RLP : >12.000
Starke Polarisierung auf Luxemburg
Einseitigkeit der Ströme
LUX : 155.000
LUX : <1.000
Nota bene :
Ein Grenzgänger aus Frankreich ist nicht
automatisch ein französischer Grenzgänger !
Das Forschungsprojekt
“Die grenzüberschreitende Wohnmobilität
zwischen Luxemburg und seinen
Nachbarregionen”
Hintergrund und Methode
Die grenzüberschreitende Wohnmobilität war zum größten Teil unerforscht
quantitativ Zahl der Auswanderer
Herkunfts- und Zielorte
sozio-demografische Merkmale der Betroffenen
qualitativ Gründe/Motivationen des Wegziehens
Auswirkungen auf Wohn- und Lebensqualität
Daten: Inspection générale de la sécurité sociale - IGSS
(vollständige Datenbank aller Sozialversicherten in Luxemburg)
Zeitraum: 2001-2007 (sieben Jahre)
Kriterien: (1) Zielgebiet: Großregion.
(2) Man muss vor und nach dem Wohnungswechsel in
Luxemburg gearbeitet…
(3) und wenigstens sechs Monate im Ausland gelebt haben.
Größenordnung
Insgesamt haben 7.715 aktive Personen das Land zwischen 2001 und 2007 verlassen.
Da z. T. ganze Familien auswandern, wird die Gesamtzahl auf wenigstens 15.000
Personen geschätzt.
Karte ©: Ceps/Instead, 2008
Daten: IGSS
Autor: Samuel Carpentier
Wallonien
Lothringen
Zahl der aktiven Personen,
zwischen 2001 und 2007
Luxemburg verlassen haben,
um sich im nahen Grenzgebiet
niederzulassen
Gesamtzahl : 7.715 Personen
Darunter : 1.900 Franzosen (25%)
1.842 Luxemburger (24%)
1.645 Belgier (21%)
637 Portugiesen (8%)
575 Deutsche (7%)
1.116 Andere (15%)
WER zieht weg, und WOHIN?
Rheinland-Pfalz
und
Saarland
2.608 (33,8%)
2.074 (26,9%)
3.033 (39,3%)
Herkunftsgemeinden in Luxemburg
Aktive Personen, die zwischen 2001 und 2007
Luxemburg verlassen und sich im Grenzraum
niedergelassen haben, nach Herkunftsgemeinden
.
Luxemburg-Stadt
Petingen
Differdingen
Esch/Alzette Düdelingen
Zielorte in der Großregion
Aktive Personen, die zwischen 2001 und 2007 Luxemburg verlassen
und sich im Grenzraum niedergelassen haben, nach Zielortgemeinden
Trier (237)
Perl (304)
Arlon (527)
Athus (306)
Villerupt (225)
Thionville (246)
89%
3% 8%
Belges
4%
93%
3%
Allemands 12%
4%
84%
Français
20%
56%
24%
Luxembourgeois
32%
9% 59%
Portugais
Belgique
Allemagne
FranceD
F
Zielländer nach Nationalität
Belgier Deutsche Franzosen
Luxemburger Portugiesen
Belgien
Deutschland
Frankreich 59%
56%
60%
40%
1%
37% 39%
16%
6%
Struktur nach Geschlecht und Alter
Fazit: - mehr Männer als Frauen
- mehr Junge als Alte
12% der Personen (insgesamt 926), die Luxemburg zwischen 2001 und 2007
verlassen haben, leben inzwischen (2008) wieder dort.
Portugiesen (20%) und Luxemburger (18%) zieht es eher zurück als Franzosen (9%),
Deutsche (9%) und Belgier (6%)… und jüngere “Auswanderer” eher als ältere.
Wer kommt zurück?
"Heimkehrer" in Prozent
Aus Belgien Aus Frankreich Aus Deutschland
Einige Ergebnisse der Untersuchung vor Ort
0
10
20
30
40
50
60
Die wichtigsten Gründe, um wegzuziehen…
Es gibt finanzielle (66%), familiäre (19%), kulturelle (5%)
und andere (10%) Gründe.
Hauptgrund (Immobilienpreise):
- Luxemburger und Portugiesen (56%-58%)
mehr betroffen als andere (40%-48%)
- junge Menschen (< 30 Jahre: 58%) mehr betroffen
als ältere (> 50 Jahre: 40%)
Veränderung der Wohnverhältnisse (1)
Vor dem Umzug (Luxemburg): 67% Mieter
20% Eigentümer
13% umsonst Wohnende
Nach dem Umzug (Großregion): 37% Mieter
58% Eigentümer
5% umsonst Wohnende
Entwicklung: Mieter: -30 Pkte
Eigentümer: +38 Pkte.
umsonst Wohnende: -8 Pkte.
Veränderung der Wohnverhältnisse (2)
53%
+30Pkte. 34%
-34Pkte.
Art des Hauses (Einfamilien- oder Reihenhaus bzw. Appartement)
6.2 5.5 6.6
13.2
17.5 20.4
30.6
Veränderung der Wohnverhältnisse (3)
Entwicklung der Zimmerzahl
68,5%
9.9 7.3
14.1
23.7
45.0
Veränderung der Wohnverhältnisse (4)
Entwicklung der Wohnfläche 68,7%
10.7 11.3
78.0
66.3
22.1
11.7 6.0
36.2
57.8
10.2
22.2
67.6
Wohnung Mobilität
Kaufkraft
Lebensqualität
Zufriedenheitsquote (nach dem Umzug)
26.7
57.8
11.0
4.4
très satisfait satisfait insatisfait très insatisfait
Allgemeine Zufriedenheit (in %)
sehr zufrieden zufrieden unzufrieden sehr unzufrieden
84,5%
Zusatzfrage 1:
Wären Sie gerne in Luxemburg geblieben?
1. Portugiesen: 85,9%
2. Luxemburger: 78,9%
3. Franzosen: 78,5%
4. Deutsche: 72,1%
5. Belgier: 68,9%
Zusatzfrage 2:
Erwägen Sie eine Rückkehr nach Luxemburg?
Ja: 16,9%
Nein: 83,1%
Auswirkungen
- auf Aktivitätsräume
- und Lebensmittelpunkte
Aktivitätsräume vor dem Umzug
Arztbesuche
Einkaufsverhalten
Freizeit und Sport
Kultur
Soziale Kontakte
Aktivitätsorte vor dem Umzug
Aktivitätsorte nach dem Umzug größere Streuung
der Aktivitätsorte
Luxemburg (Stadt)
bleibt wichtig
(u.a. für Restaurant-
und Arztbesuche)
Veränderung des
Einkaufverhaltens
mehr Veränderungen
bei D, F und B als
bei anderen Gruppen
Aktivitätsräume nach dem Umzug
Lebensmittelpunkte vor dem Umzug
Zentrale Orte vor dem Umzug
Das Luxemburger
“Zentrale Orte“-
System ist ziemlich
dominant.
Gemeinden und
Städte der nahen
Grenzregionen
spielen fast keine
Rolle.
Zentrale Orte nach dem Umzug
Die Bedeutung
der ausländischen
Grenzgemeinden
wächst.
Es gibt gewisse
“Inertien”, aber
der Wohnort
spielt eine ganz
bedeutende Rolle.
Lebensmittelpunkte nach dem Umzug
“Nachgehakt”…
in Wincheringen und Konz
Wincheringen
Ortsgemeinde Wincheringen: knapp 1.800 Einwohner, an der Obermosel gelegen
(Grenzlage), Teil der Verbandsgemeinde Saarburg im Kreis Trier-Saarburg
Bevölkerungsentwicklung: 2000: 1.383 Einw.
2011: 1.772 Einw. (+389 Einw./ +28%)
Durchschnittliches Wachstum seit 2000: 37 Pers./Jahr
Neuankömmlinge 2010: 132 (45 aus Luxemburg)
Nationalitäten (17.2.11): Einwohner: 1.756
Deutsche: 1.414 (80%)
Luxemburger: 202 (11%)
Franzosen: 26 (2%)
Portugiesen: 14 (1%)
Andere: 100 (6%)
Arbeitsmarkt: 548 Arbeitnehmer, davon 245 in Luxemburg beschäftigt (45%)
(Stand 2004, heute “deutlich über 50%“)
Wincheringen
Was macht Wincheringen so anziehend? - gute Infrastruktur
- ansprechende Dorfentwicklung
- Sanierung des Dorfkerns
- viele Grünflächen
- Image als “vitales Dorf“
- Familienfreundlichkeit
- Baulandangebot, viele Neubaugebiete
- Nähe zu Luxemburg
- Grenzbrücke
Positiv: - die allgemeine “Entwicklung des Dorfbildes”
- die “offene, internationale” Bevölkerung
Negativ: Entwicklung der Immobilien- und Grundstückspreise
Interessant: Die Zuzüge verursachen Mehraufwand, allerdings sind
die Neuankömmlinge im Vergleich zur “Urbevölkerung”
anscheinend leichter zufrieden zu stellen!
Konz
Stadt Konz: 18.600 Einwohner, an der Saar-Mosel-Mündung gelegen (Grenzlage),
Sitz der Verbandsgemeinde Konz
Bevölkerungsentwicklung: 2000: 17.418 Einw.
2011: 18.607 Einw. (+1.189 Einw./ +7%)
Seit 2000: Gesamtbevölkerung +1.189 / +7%
Deutsche: +366 / +2%
Ausländer: +823 / +111%
Luxemburger: +96 / +343%
Prozentual: - Deutsche: 96% 92% (-4 Pkte.)
- Ausländer: 4% 8% (+4 Pkte.)
Anteil Luxemburger / Ausländer: 4% 8% (Verdoppelung)
Arbeitsmarkt: keine Zahlen vorhanden!
Konz
Was macht Konz so anziehend? - Grenznähe
- gute Infrastruktur
- Familienfreundlichkeit
- Einkaufsmöglichkeiten
- angemessene Boden- und Mietpreise
Gezielte Strategie? - Ausweisung von Bauland
- Ausbau der sozialen Infrastruktur
- Wohnumfeldverbesserungen
- Verkehrsinfrastruktur (Verkehrsberuhigung)
- Verbesserung der Einkaufsmöglichkeiten
Positiv: - das Stadtleben ist “vielfältiger” geworden
- Konz leidet nicht unter dem demografischen Wandel
- man profitiert vom luxemburgischen Arbeitsmarkt
- negative Aspekte sieht man nicht
Interessant: - jeder Neuankömmling bekommt eine “Willkommens-Brochüre”
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