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Sport Rallye Dresden-Breslau 2008

� Klaus-P. Kessler

Das war eine verrückte Situation. Dasniederländische Toyota-Team aus Val-kenburg wartete im Zielraum auf dieKonkurrenten, zitterte um den mögli-chen Gesamtsieg. Dabei parkte der Ge-samtsieger schon geraume Zeit nebendem gelben Geländewagen. Es war einLastwagen! Damit hatte niemand ge-rechnet.

Allen auf und davon gefahrenOkay, der graue Unimog-Prototyp derdeutschen Hellgeth-Brüder war vonAnfang an schnell, kam teilweise mitmehr als drei Stunden Vorsprung vordem nächsten Artgenossen ins Etappen-ziel. Aber dass er so «sauschnell» seinkönnte, um neben 49 Trucks auch alle148 Geländewagen zu «verblasen», da-mit hat dann doch niemand gerechnet.Am Ende war der Doppelturbo-Mittel-motor-Unimog sogar eine Stunde schnel-ler als der schnellste Personenwagen undsatte vier Stunden und 55 Minutenschneller als der nächste Truck.

Afrika-Feeling hochgekommenDer Truck-Gesamtsieg bei der 14. RallyeBreslau, die in diesem Jahr zum zweitenMal vor der weltberühmten Barock-kulisse von Dresden startete, war derkrönende Abschluss einer starken Wo-che. Viel versprechend schon der Prolog.Für ihn hatten die Planer ein Areal amMessegelände von Dresden auserkorenund einen Rundkurs gestaltet, der es insich hatte. Steilkurven, Verschränkungs-und Wasserlöcher liessen die vielen Tau-send Zuschauer jubeln. Verrückt: einStreckenteil führte durch eine alte Halle.«Rein geht ja noch. Aber wenn du dadrin bist, siehst du die Ausfahrt nur alshellen, kleinen Punkt und hast Schiss,dass der Truck da überhaupt durch-passt», beschreibt ein Starter das mul-

mige Gefühl, Vollgas durch das unge-wohnte Halbdunkel zu jagen. Es passte –und auch der Showstart vor erneut zahl-losen Fans auf der historischen Augus-tusbrücke über der Elbe war wiederein passender Rahmen für eine tolle Ver-anstaltung. Von hier aus ging es gerade-wegs in die Tropen. Das sind von Dres-den aus gerade mal 130 Kilometer.Sponsor Tropical Islands in Brandenburgwar Gastgeber eines Rundkurses, der an-gesichts der knallenden Sonne und dessandigen Terrains bei vielen Teilnehmernechte Afrika-Gefühle wachrief. Das ver-stärkte sich noch beim abendlichen Be-such der Tropen-Freizeitlandschaft inEuropas grösser freitragender Halle.

Voll in die Radarfalle gelaufen ...Doch damit war auch der letzte touristi-sche Teil der Rallye Breslau vorerst been-det. Hardcore war angesagt: Von hieraus ging es nach Polen, wo die allseitsgefürchteten Pisten und Schlammlöcherwarteten. Dabei hatten die Strecken-scouts für die 14. Auflage der Rallye ei-nige neue Abschnitte erschlossen – undneue Akzente gesetzt. So führte erst-mals ein Teil einer Wertungsprüfungdurch die Stadt Zagan. Pikante Note: Die

Polizei hatte ein Radar installiert, blitztejeden Starter. Das hinterliess mulmigeGefühle, waren sich die meisten Akteurenicht sicher, ob sie hier nun schnellfahren durften oder nicht. Die Aufklä-rung gab’s am Abend im Camp, als eineoffizielle Abordnung den Teams die Blitz-fotos überreichte und die jeweilsSchnellsten jeder Klasse sogar mit einemPokal auszeichnete. Bei den Trucks wardas Team Niedergesäss mit dem Scaniamit 117 km/h der schnellste Stadt-Sprin-ter. Gelungener Gag!

Spannende DuelleWeniger spassig die sumpfigen Wiesen,die jetzt auf die Teams warteten. Wohldem, der Erfahrungen im Umgang mitWinde und Seil hatte. Hinter dem späte-ren Gesamtsieger Hellgeth ging es knappzu. Da ist entscheidend, wie schnell sichein Team über oder durch ein Hinderniswinchen kann und wie schnell das Seilaus der Winde aus- und wieder einge-fahren werden kann.Lange schien es, als würde das Dauer-Duell der letzten Jahre zwischen demletztjährigen Sieger Ostaszewski und des-sen «Vorgänger im Amt», Udo Heiden-reich, eine weitere Neuauflage erfahren.

Das ist der Hammer: Ein Truck ist schnellerals alle Geländewagen – und das bei der här-testen Rallye Europas!

EIN UNIMOGSCHLÄGT ALLE

Gesamtsieger! Andreas und Jürgen Hellgeth besiegten alle Trucksund Geländewagen

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Doch dann fiel der Deutsche Unimog-Pilot zuerst wegen einer abgerissenenFahrerhaus-Aufhängung zurück unddann mit Lenkungsbruch aus. Nun lau-tete das Duell Hellgeth versus Ostas-zewski, wobei sich der graue «Raketen-Unimog» rasch vom polnischen Ural mitVolvo-Technik absetzen konnte. In dieRolle des Herausforderers schlüpfte nundas Team Niedergesäss mit dem Scaniaund führte das Duell zeitweilig Türgriffan Türgriff. Als einmal auf einer langenGeraden Peter N. das Lenkrad verschlugmeinte Ostaszewski, der Cottbuser wolle

ihm Platz machen, setzte zum Überholenan. Dabei übersah er eine Bodenwelle,krachte in einen Birkenwald, und eineabgebrochene Birke setzte sich auf derUral-Haube fest. So zeitweilig erblindet,übersah der polnische Tiefflieger, dassdie Strecke nach links abbog und knallteVollgas weiter geradeaus. Wieder ein-mal machten sich Vater und Sohn Nie-dergesäss im wahrsten Sinne des Wortesaus dem Staub. Dahinter machte Leonde Wit, Truck-Dealer aus dem niederlän-dischen Kolhorn am Ijsselmeer, mitseinemMercedes-Benz SK richtig Dampf,

verpasste das Podium in der Klasse über7,5 Tonnen am Ende nur um knappefünf Minuten.

Voll in die Gewehrmündunggeguckt ...Eine Begegnung ganz anderer Art hattendie Zweitplatzierten Geschwister Brau-wers, als sie plötzlich in den Lauf einerMaschinenpistole blickten. Sie waren aufdem Truppenübungsgelände leicht vomKurs abgekommen, was einen unerfah-renen, jungen Soldaten zu erhöhterNervosität trieb. Brauwers traten darauf-

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Sport Rallye Dresden-Breslau 2008

1 Vater und SohnNiedergesässsiegten in dergrossen Klasse.

2 Das sächsischeMZB-Team«schwamm» aufPlatz drei.

3–10Impressionen vomganz alltäglichenWahnsinn.

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hin den taktischen Rückzug an. Wäh-rend die Hellgeths an der Spitze in einereigenen Liga spielten, wurde es bei dengrossen Trucks am Ende noch einmalrichtig eng. Zur letzten Etappe hatte dasTeam Niedergesäss einen stattlichen Vor-sprung auf Ostaszewski herausgefahren.Doch kurz vor einer fünf Kilometer lan-gen Kompass-Passage fiel im Scania dasGPS aus und die Ostdeutschen verfuhrensich in den nordpolnischen Wäldern. AmEnde war der Vorsprung bis auf 33 Mi-nuten geschmolzen, der Sieg bei den«Dickschiffen» aber gerettet.

Unlautere Methoden?Seltsam: Bei einigen Teams liessen Tabel-len-Position und Verschmutzungsgradnach der einen oder anderen Etappe Ver-mutungen über Abkürzungen und Hilfevon Aussen entstehen, während andereTeams sich strikt und fair an die Road-book-Vorgaben hielten, auch wenn daserhebliche Zeitverluste bedeutete. Derleimögliche unsportliche Machenschaftenhat auch der neue polnische Organisati-onschef der Rallye nicht entkräften kön-nen. Er will dem ab dem nächsten Jahrmit einem GPS-gestützten Kontroll- und

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Wertungssystem entgegenwirken. Daswäre eine gute und Vertrauen bildendeMassnahme. Dann könnte sichergestelltwerden, diese besondere Mischung ausHochleistungssport, Familientreffen undParty auch für die Zukunft zu erhalten.Vielleicht auch wieder einmal mit LW-Startern aus der Schweiz. Die Zeit zwi-schen dem letzten Samstag im Juni unddem ersten Samstag im Juli 2009 istjedenfalls in vielen Kalendern schon wie-der fest vorgemerkt – für die 15. Auflagedieser einzigartigen Kult-Rallye! �

11 Mehrfach-sieger Heiden-reich machteregelrecht Kopf-stände – aberheuer wurdees nix.

12 Etappe inden «Tropen» –Rund um Tropi-cal Islands inBrandenburg.