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Finanzkrise: Ursachen, Auswirkungen, Bekämpfung
Dr. Heike Joebges30. Sept. 2009
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Verlauf der Finanzmarktkrise
Ursachen der Finanzkrise
Auswirkungen auf die Realwirtschaft
Rettungspakete für Banken
Rettungspakete für die Konjunktur
Regulierungsbedarf
Fazit
Gliederung
3
Auslöser 2006: der US-Immobilienmarkt bricht ein...
Quelle: Ecowin, Berechnungen des IMK
US ImmobilienmarktQuartalsdaten
0.5
1.0
1.5
2.0
2.5
1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008-25
-20
-15
-10
-5
0
5
10
15
20
%Mio.
Hausbaubeginne (LS)
Hauspreise (Case/Shiller) national, gg. Vj. (RS)
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Finanzmarktkrise: Auslöser und Verbreitung
Subprime Krise
Verbriefungen
Vertrauenskrise wg. Kreditfinanzierung
Auslöser
Systematischer Risikotransport
Globales Problem
5
Panikwellen am Interbankenmarkt
Quelle: Ecowin, Berechnungen des IMK
0
50
100
150
200
Mai. 07 Sep. 07 Jan. 08 Mai. 08 Sep. 08 Jan. 09 Mai. 09 Sep. 09
IKB verkündet Verluste
Quartals-berichte
Jahresbilanzen
Lehman Brothers:Antrag auf Gläubigerschutz
Zinsdifferenz am InterbankenmarktEuribor (unbesichert) minus Eurepo (besichert); in Basispunkten (100=1%)
US Rettungspaket
Banken-Rettungspaket Konjunkturpaket I
Konjunkturpaket II
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Verlauf der Finanzmarktkrise
Ursachen der Finanzkrise
Auswirkungen auf die Realwirtschaft
Rettungspakete für Banken
Rettungspakete für die Konjunktur
Regulierungsbedarf
Fazit
Gliederung
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HauptursacheFalsche Regulierung der Finanzmärkte [USA: Deregulierung]
…aus dem Glauben an die Selbstregulierung der Märkte
Verstärkende FaktorenZunahme der Einkommensungleichheit
Globale Handelsungleichgewichte
Staatliche Förderung von Finanzinvestitionen
Staatlich geförderte Kurzfristorientierung der Unternehmen
Aber nicht: Zu niedrige Leitzinsen
Ursachen der Finanzkrise
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Zu geringe Eigenkapitalausstattung
Prozyklizität von Bilanzierungsregeln und Ratingagenturen
Risikounterschätzung auch durch Ratingagenturen
Intransparenz bei Finanzprodukten sowie über deren Handel
Unzureichende Finanzaufsicht, vor allem bei grenzüberschreitenden Transaktionen
Hauptursache: Falsche Regulierung der Finanzmärkte
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Verstärkender Faktor: steigende Ungleichheit in Industrieländern
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Untere Einkommen Mittelschicht Hohe Einkommen
% d
er P
rivat
haus
halte
1996 2006
Quelle : SOEP, aus : Grabka, M./Frick, J.: Schrumpfende Mittelschicht – Anzeichen einer dauerhaften Polarisierung de Einkommen ? DIW-Wochenbericht 10/2008.
Beispiel Deutschland
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Verstärkender Faktor: Globale Ungleichgewichte
Leistungsbilanzdefizit(USA, Spanien, UK)
Leistungsbilanzüberschuss (Deutschland,Japan,China)
Global wachsende Ungleichgewichte
Konsumbasiertes Wachstum,Kreditfinanzierung
Exportbasiertes Wachstum,Unterbewertungsstrategie
Globales Problem
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Verstärkender Faktor (ff): Globale Ungleichgewichte
RU: Russland; SA: Saudi Arabien; DE: Deutschland; JP: Japan; CN: China; ES: Spanien. *Rest Überschussländer: Schweiz, Norwegen, Niederlande, Kuwait, Singapur; *Rest Defizitländer: Australien, Griechenland, Italien, Türkei, Frankreich, Rumänien, Portugal.Quelle: Reuters Ecowin – Eurostat und nationale Statistikämter; Berechnungen des IMK.
Leistungsbilanzsalden in Mrd. US-Dollar
US
CN
JPDE
RUSA
ESUK
Rest*
Rest*
-1500
-1000
-500
0
500
1000
1500
2000
2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008
Überschüsse
Defizite
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Steuerliche Förderung von Finanzinnovationen gegenüber Realinvestitionen
Unternehmenssteuersenkung bei gleichzeitiger Abschaffung der degressiven AfA (Absetzung für Abnutzungen)
Verstärkte Anreize für private AltersvorsorgeRiester-Rente, Rürup-Rente (bzw. Basis-Rente)
Anreize für private GeldvermögensbildungAbgeltungssteuer
Verstärkender Faktor: Staatliche Förderung von Finanzinvestitionen
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Umsetzung der weltweiten Corporate GovernanceBewegung (KonTraG*, TransPuG* …)
Shareholder Value OrientierungShareholder Value = Marktwert des Eigenkapitals
Ziel: Steigerung des Marktwertes des Unternehmens (= der Aktien)
Zielgruppe: Eigentümer (statt „Stakeholder“: Mitarbeiter, Manager, Eigentümer, Gläubiger…)
Vierteljährlicher Berichtszeitraum
Verstärkender Faktor: Staatlich geförderte Kurzfristorientierung
KonTraG: Gesetz zur Kontrolle & Transparenz im Unternehmensbereich (1998); TransPuG: Transparenz-und Publizitätsgesetz (2002)
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Historisch: Finanzkrisen erfolgten nach real hohen ZinsenTheorie: (zu) niedrige Zinsen erklären weder Hauspreisblasen (allenfalls Inflation aller Vermögenspreise) noch riskantere Kreditvergabe von Banken (im Gegenteil)Theorie: Niedrigerer Kreditzins führt bestenfalls zu höherem Immobilienpreisniveau, aber nicht zu einer BlaseUS-Realität: beschleunigter Immobilienpreisanstieg in den USA parallel zu Zinsanhebungen der Fed ab 2004Entscheidend für Bankgeschäfte: nicht Zinsniveau, sondern Zinsstruktur (Verhältnis von kurz- & langfristigen Zinsen)Differenz zwischen Kurzfristzins und US-Staatsanleihen war während Niedrigzinspolitik so hoch wie lange nicht!
keine (!) Krisenursache: Niedrigzinspolitik
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Verlauf der Finanzmarktkrise
Ursachen der Finanzkrise
Auswirkungen auf die Realwirtschaft
Rettungspakete für Banken
Rettungspakete für die Konjunktur
Regulierungsbedarf
Fazit
Gliederung
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Erschwerte Unternehmensfinanzierung (weltweit!)Restriktivere Kreditvergabe der Banken
Höhere Risikoaufschläge bei Anleihen
Aktienmarkteinbrüche
Wegbrechen der ExportmärkteNachfrageausfall von Ländern mit Immobilienpreisrückgängen
… und solchen, deren Wachstum von Auslands-Kapital abhängt
Erschwerte Finanzierung von grenzüberschreitenden Geschäften
Abwärts-Spiralen
Auswirkungen auf die Realwirtschaft
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Deutschland besonders betroffen vom BIP-Einbruch
Deutschland: BIP Jahresdaten, preisbereinigt, Wachstum gegenüber Vorjahr in %
-6
-4
-2
0
2
4
6
8
10
1961 1965 1969 1973 1977 1981 1985 1989 1993 1997 2001 2005 2009
Subprime-Krise
Internetblase & 9/11
Rezession USA
2. Ölpreis-krise
1. Ölpreis-krise
Quelle: Reuters-Ecowin; Berechnungen des IMK.
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Deutschland besonders betroffen vom BIP-Einbruch
Quelle: Reuters-Ecowin: Eurostat; Berechnungen des IMK.
BIP-Entwicklungpreisbereinigt, 2008 Q1 =100; fett: Länder mit Konsumwachstum > 2% (2007); sonst gestrichelt
90
92
94
96
98
100
102
Mrz 08 Jun 08 Sep 08 Dez 08 Mrz 09 Jun 09
US UK ES FR JP DE IT
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… aber bisher nicht auf dem Arbeitsmarkt
Quelle: Reuters-Ecowin – Eurostat und nationale Statistikämter; Berechnungen des IMK.
Entwicklung der Arbeitslosen2008 Q1=100
80
100
120
140
160
180
200
220
Mrz 08 Jun 08 Sep 08 Dez 08 Mrz 09 Jun 09 Sep 09
US UK ES FR DE JP IT
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Finanzierung teurer & erschwertInvestitionen Wachstum Kreditausfälle
vorsichtigere Kreditvergabe durch Banken…
Wachstum Kurse Finanzaktiva
Wertberichtigungen bei Banken
vorsichtigere Kreditvergabe durch Banken…
Finanzkrise verstärkt Konjunkturabschwächung
… und umgekehrt!!!
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Droht eine Kreditklemme?
Quelle: Reuters-Ecowin – Eurostat und nationale Statistikämter; Berechnungen des IMK.
Buchkredite an inländische Unternehmen (ohne Finanzsektor)montlich, Veränderung gegenüber Vorjahr
-2
0
2
4
6
8
10
12
14
16
Jan. 04 Jan. 05 Jan. 06 Jan. 07 Jan. 08 Jan. 09
Deutschland Euroraum
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Verlauf der Finanzmarktkrise
Ursachen der Finanzkrise
Auswirkungen auf die Realwirtschaft
Rettungspakete für Banken
Rettungspakete für die Konjunktur
Regulierungsbedarf
Fazit
Gliederung
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Rekapitalisierung mit staatlicher Hilfe(Commerzbank, Aareal Bank, HRE)
„Grundsätzlich“ höchstens 10 Mrd. pro Bank
Auslagerung risikobehafteter Finanzprodukte=> BAD BANK (bisher nur beantragt von WestLB)
Bis zu 5 Mrd. pro Bank
Staatliche Garantien (Schuldverschreibungen)(Commerzbank, HSH Nordbank, BayernLB, IKB, Aareal Bank,
HRE)
Für bis zu 400 Mrd., Laufzeit bis zu 5 Jahren
Rettungspaket für Banken(Bund)
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Positiv:richtige Maßnahmenkombination
Keine Staatshilfe ohne Gegenleistung
Negativ:Ungenügende europäische Koordination
Freiwilligkeitsprinzip lässt Banken zögern
Transparenz wird nicht gefördert
Staat ohne Einfluss auf Geschäftspolitik
Rettungspaket für Banken(Bund)
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Verlauf der Finanzmarktkrise
Ursachen der Finanzkrise
Auswirkungen auf die Realwirtschaft
Rettungspakete für Banken
Rettungspakete für die Konjunktur
Regulierungsbedarf
Fazit
Gliederung
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Konjunkturpakete: zu gering, spät wirksam & wenig zielgerichtet
Quelle: Eicker-Wolf/Niechoj/Truger: In gemeinsamer Verantwortung, Metropolis-Verlag, 2009, S. 53.
in Mrd. Euro 2009 2010Konjunkturpaket I Erhöhung und Unterstützung von Investitionen 1,3 1,4steuerliche Entlastung für private Haushalte 0,4 1,0steuerliche Entlastung für Unternehmen 2,2 4,7Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit 0,3 0,5Kosten insgesamt 4,2 7,6 Konjunkturpaket II Zukunftsinvestitionen der öffentlichen Hand 4,0 12,0Innovationsförderung des Bundes 0,5 0,5Stärkung der Pkw-Nachfrage — „Abwrackprämie“ 5,0 0,0Neuregelung Kfz-Steuer 0,1 0,2Forschungsförderung im Bereich Mobilität 0,3 0,3Beschäftigungssicherung 3,0 4,0Senkung der Einkommensteuer 2,9 6,1Senkung der Beiträge zur GKV 3,0 6,0Familien- oder kinderbezogene Leistungen 2,0 0,3Kosten insgesamt 20,7 29,2Konjunkturpakete I & II & Pendlerpauschale 30,7 39,1
ca. 1,3% bzw. 1,7% des BIP
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Verlauf der Finanzmarktkrise
Ursachen der Finanzkrise
Auswirkungen auf die Realwirtschaft
Rettungspakete für Banken
Rettungspakete für die Konjunktur
Regulierungsbedarf
Fazit
Gliederung
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Vorherrschende ökonomische Theorie:
Märkte regulieren sich selbst am besten
Risiken können separiert und berechnet werden
Falsche Erwartung:
Im Finanzsektor könnten auch langfristig höhere Renditen erzielt werden als in der Realwirtschaft
Folge:
Deregulierung im Finanzsektor, falsche Bankregulierung
Problem: nicht regulierbar
Re-Regulierung:Ansatzpunkte?
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Prozyklizität von Bilanzierungsregeln & Ratings
Anreizprobleme bei Ratings
Anreizprobleme in Banken durch Vergütung
durch Deregulierung (Wettbewerbsdruck)
durch Weiterverkauf von Risiken
Mangelnde Transparenz von Finanzprodukten bzw. über deren Handel
Re-Regulierung:Ansatzpunkte !
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Bilanzierungsregeln & Ratings: Variable, ausreichende & antizykl. EigenkapitalausstattungRegulierung von Ratingagenturen; Finanz-TÜV
Anreizprobleme in Banken Reduzierung der Kurzfristorientierung der VergütungVerringerung der Kurzfristorientierung der GeschäftspolitikSelbstbehalt bei Kreditverkäufen
Transparenz von Finanzprodukten: StandardisierungVerbörslichungBilanzierung
Re-Regulierung: Vorschläge
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Ziele:
Förderung realer Investitionen statt Finanzinvestitionen
Verringerung spekulativer Übertreibungen
Beteiligung des Finanzsektors an den Krisenkosten
Instrument (u.a.):
Finanztransaktionssteuer
Re-Regulierung des Finanzmarktes
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EU-Ebene (EU-Kommission): EU-Aufsichtsbehörden für Banken, Versicherer und Wertpapiermärkte*
…aufbauend auf bisherigen Ausschüssen*
Europäischer Rat für Systemrisiken (ESRB); angesiedelt bei der EZB; für Warnungen an nationale Behörden*
Hedge-Fonds-Manager: Zulassungspflicht (verw. Vermögen>100Mio. Euro); Offenlegungspflichten
Aber: unzureichende Regulierung von Ratingagenturen (Juli 09)
Verbriefungen: Selbstbehalt von 5%
Re-Regulierung:Was ist zu erwarten?
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Re-Regulierung:G20-Treffen in Pittsburgh
Quelle: FAZ vom 26.09.09
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Eigenkapitalausstattung: mehr & „hochwertiger“; Begrenzung des Hebels*
antizyklische Liquiditätspuffer, stärkere Differenzierung nach Risiko*
Bilanzierung: Basel II alle G20-Staaten bis 2011; internationale, anspruchsvolle Standards, weniger außerbilanzielle Geschäfte
Vergütung: stärkere Ausrichtung an langfristigen Erfolgen, variabler Anteil: Begrenzung; verzögerte Auszahlung; Rückforderung möglich
Clearing-Stellen für außer-börslichen Derivate-Handel
System-relevante Banken: schärfere, grenzüberschreitende Regulierung; Banken benötigen „Testament“ (bis Okt. 2010)
Bekämpfung von Steueroasen? (Konkretes bis Mrz. 2010)
Re-Regulierung:G20-Treffen in Pittsburgh
*(bis Ende 2010; Umsetzung 2012)
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Kritik:
Sehr lange Zeiträume bis zur Umsetzung
Bisher: kaum konkrete Regelungen
Nicht thematisiert: Regulierung von Ratingagenturen
Nur als IMF-Forschungsaufgabe: Beteiligung des Finanzsektors an den Kosten
„We task the IMF to prepare a report for our next meeting with regard to the range of options countries have adopted or are considering as to how the financial sector could make a fair and substantial contribution toward paying for any burdens associated with government interventions to repair the banking system.“*
Re-Regulierung:G20-Treffen in Pittsburgh
*Quelle: Leader‘s Statement: The Pittsburgh Summit, September 24-25, 2009
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Verlauf der Finanzmarktkrise
Ursachen der Finanzkrise
Auswirkungen auf die Realwirtschaft
Rettungspakete für Banken
Rettungspakete für die Konjunktur
Regulierungsbedarf
Fazit
Gliederung
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Finanzkrise und Rezession verstärken sich gegenseitig. Rettungspakete für Banken und für die Konjunktur waren daher notwendig & richtig.
Bei beiden sind Nachbesserungen erforderlich.
Problem: Ohne bessere Regulierung der Finanzmärkte ist die nächste Krise nur eine Frage der Zeit.
Bisherige Re-Regulierung der Finanzmärkte: zu langsam – Zeitfenster bald geschlossen?
Re-Regulierung sichert kein nachhaltiges Wachstum; Abbau der globalen Handelsungleichgewichte und der Einkommensungleichgewichte nötig
Fazit
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Vielen Dank!
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