Forschungsmethoden der Psychologie
Tutorium 6
1. Informationsverarbeitungsmodelle
2. Signal-Entdeckungstheorie (SET)
3. Theorie der kognitiven Entwicklung von Siegler
Übersicht
Verhalten
Behaviorismus Neobehaviorismus z.B. SET oder Siegler
S R S R
nicht unmittelbar Beobachtbar; z.B. Pawlow, Skinner
O S R
V1V2V...
Intervenierende Variablen, die durch Beobachtbare Referenzoperationen operationalisierbar sind.
Intervenierende Variablen
Edward Tolman (1937) fing seine wissenschaftliche Karriere als Behaviourist an und wollte mit rein operational definierten Konstrukten erreichen, dass in seiner Theorie auf nicht beobachtbare Größen wie Persönlichkeitseigenschaften, Bewusstseinsinhalte, Wünsche, Einstellungen usw. verzichtet werden kann. Er hat aber den Weg für Neobehaviorismus vorbereitet und den Begrief intervenierende Variable eingeführt.
Intervenierende Variable ist ein hypothetischer innerlicher Zustand, der zum Erklären von Beziehungen zwischen beobachtbaren unabhängigen und abhängigen Variablen benutzt wird.
Bsp: Motivation, Intelligenz, Erwartungen…
Quelle: http://www.lifecircles-inc.com/Learningtheories/behaviorism/Tolman.html
S-O-R
Einführung in SET• Der erste Anstoß zu dieser Forschung – der nicht vom Radar erkannte
japanische Luftangriff auf Pearl Harbor im Dezember 1941.
• Die SET kann bei jeder Art von Diagnostik zur Anwendung kommen; einige ihrer Anwendungsfelder sind: Medizin (u. a. Beurteilung von Röntgenbildern, Labortests usw.); Qualitätsmanagement; Gepäckkontrolle (z.B. in Flughäfen)
• Psychologie: wie die Menschen die Entscheidungen unter Bedingung der Ungewissheit treffen (z.B. Wahrnehmen der Distanz im Nebel; Erkennen von zuvor gelernten Wörtern; Erkennung von Signale/Geräusche)
• Die SET wurde von John A. Swets und David M. Green entwickelt und erstmals 1966 in ihrem Buch Signal Detection Theory and Psychophysics vorgestellt. (Signal/Geräusch Originalexperiment)
Beispiel 1
• Zwei Medizinstudenten sollen je 20 Röntgenaufnahmen begutachten, von denen, was sie aber nicht wissen, 10 einen Tumor zeigen.
• Student A möchte möglichst nichts übersehen und entscheidet sich bei 13 Aufnahmen für die Diagnose „Tumor“. Davon sind 9 richtig erkannt und 4 falsch.
• Student B hingegen möchte sich ganz sicher sein und entscheidet sich bei 7 Aufnahmen für „Tumor“. Davon sind 6 richtig und 1 falsch.
• Beide haben also die gleiche Leistung (9 – 4 = 6 – 1), nur dass Student A ein liberaleres Antwortkriterium als B hat.
Beispiel 2
• Die Teilnehmer versuchen zu erkennen, ob die Wörter bekannt sind oder nicht (alt/neu).
• Uns interessieren: Bekanntheitsdifferenz (d`) und Entscheidungsstrategie (ß)
Tatsächlich ‚alt‘ Tatsächlich ‚neu‘
Man sagt ‚alt‘ Treffer Fehlalarm
Man sagt ‚neu‘ Verpasst Korrekte Ablehnung
Tatsächlich ‚alt‘ Tatsächlich ‚neu‘
Man sagt ‚alt‘ 40 5
Man sagt ‚neu‘ 10 45
Insgesamt 50 50
1. Trefferquote (man sagte ‚alt‘ für ‚alte‘ Wörter) ist 40/50 oder p= .80.Fehlalarmquote (man sagte ‚alt‘ für neue Wörter) ist 5/50 oder p= .10.
2. Jetzt machen wir z-transformation von p Werte (keine Panik, es gibt eine Tabelle!)
3. d' = z(FA) - z(T)4. ß= z-Score von Fehlalarmquote
Beispiel 2
• Larger absolute values of d' mean that a person is more sensitive to the difference between the Signal Present and Signal Absent distributions. d' values near zero indicate chance performance.
• A larger value of the Criterion ß implies that the respondent requires stronger evidence before saying that the signal is present.
How to find out the truth?
Beispiel 3
SET: Struktureller Theoriekern
Fünf Axiome1. Jedes Wort hat einen Bekanntheitsgrad
2. Bekanntheitsgrade der präsentierten Wörter sind normalverteilt
3. Lernen einer Wörterliste erhöht den Bekanntheitsgrad dieser Wörter um den selben Betrag
4. Wörter werden als bekannt bezeichnet, wenn Bekanntheitsgrad den Wert ß übersteigt
Fehlalarmquote = prob(Y>=ß) = 1- Ф ßTrefferquote = (prob X>=ß) = 1- Ф(ß-d`)
5. Kriteriumswert ß ist inter- u. intraindividuell verschieden – Entscheidungsstrategie der Vpn
Modellvorstellung
Kempf, 2006, S.296
Signal –BekanntheitsgradStrategie –Kriterium
SET: Struktureller Theoriekern
•Hat selbst keinen empirischen Gehalt(bei SET nur teilw./empir. gehaltvolle Zusatzannahmen wie Normalverteilung des Bekanntheitsgrads)•Kann deshalb auch nicht an der Erfahrung scheitern•Wenn eine Prognose sich als falsch erweist, wird nicht der strukturelle Theoriekern falsifiziert, sondern nur die daraus abgeleitete Hypothese
SET: Empirische Prognosen
Lerndurchgänge erhöhen d‘, beeinflussen (Trefferquote , Fehlalarmquote bleibt gleich)
Androhung von Strafpunkten für Fehlalarme führen zur Änderung der Strategie = restriktiver (Trefferquote , Fehlalarmquote )
Empirische Annahmen:
SETNormalverteilungs-Annahme
• Normalverteilungsannahme erlaubt genauere empirische Prognosen, ist aber beliebig und rein technischer Natur
Kempf, 2006, S.298
Struktureller TheoriekernMit Intentionalem Erklärungsmodell erklärt:
Das System verfolgt das Ziel, auf eingehende Informationen (input) angemessen zu reagieren (output)
Als Mittel dienen dazu bestimmte Info-Verarbeitungsstrategien
Also produziert System jenen output, der aus den Strategien resultiert
Fragen
Sehr gute Übungen zur SEThttp://wise.cgu.edu/sdtmod/index.asp
Einführung zur Sieglers Theorie der kognitiven Entwicklung
Robert Siegler,
* 1949
Experiment!
Sechs Aufgabetypen
Erste Entwicklungsstufe
Zuerst wissen die Kinder lediglich, dass das Verhalten der Balkenwaage etwas mit Gewichten zu tun hat. Das größere Gewicht entscheidet (Stufe 1)
Zweite Entwicklungsstufe
Dritte Entwicklungsstufe
Dritte Entwicklungsstufe
Vierte Entwicklungsstufe
Am Ende haben sie den richtigen Algorithmus gefunden und bewältigen auch die Konflikt-Aufgaben, indem sie das Drehmoment (=Produkt aus Gewicht x Distanz) berechnen (Stufe 4)
Erste schlussfolgerungen
Struktureller Theoriekern:• Jede Entwicklungsstufe baut auf der
vorhergehenden auf
Empirischer Anteil:
• Wechsel von einer Stufe zur nächsten ist erfahrungsbedingt(kann man im Experiment testen)
Zum Nachlesen
Siegler, Robert. 1976. Three aspects of cognitive development. Cognitive psychology 8, 481-520.
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1. Empirische Reduktion
2. Pragmatische Evaluation
3. Genetische Rekonstruktion
Methoden der Prüfung der Theorie von Siegler
Von Antwort der Person auf Entwicklungsstufe, auf der sie steht, schließen = empirische Reduktion
Dazu verschiedene Aufgabentypen:
1. Gewichte gleich, Distanz gleich
2. Distanz gleich, Gewichte verschieden
3. Gewichte gleich, Distanz verschieden
4. Gewicht und Distanz gegenläufig (Konflikt)
- höheres Gewicht überwiegt Distanz.....
Empirische Reduktion
1. Kind mit Aufgaben konfrontieren, die an gegenwärtigen Wissensstand anknüpfen
2. Feedback über Verhalten der Waage
Annahme: Kind will Verhalten der Waage korrekt voraussagen
Scheitern der pragmatischen Evaluation
Auch von Siegler gemacht!
Narratives Erklärungsmodell
t1 = 1. Stufe: nur Gewichte werden beachtet
t3 = 2. Stufe: Gewichte und Distanz werden beachtet
1. Erfahrung, dass bei Aufgabe (D) trotz gleicher Gewichte die Waage kippt.
2. Suche nach Ursache
3. Erkennen, dass D verändert
4. Vermutung, dass D = Ursache
5. Erkennen, dass Seite mit größerer D runtergeht
t2
Wechsel von Stufe 1 zu Stufe 2
Die genetische Rekonstruktion
Typischer Entwicklungsverlauf / kulturelle Rahmenbedingungen
Wechsel von Stufe 3 zu Stufe 4
t1 = Kind auf Stufe 3 rät nur
t3 = Kind auf Stufe 4 löst Aufgaben durch Berechnung
1. Kind sucht nach Verrechnungsalgorhythmus um bei Konflikt-aufgaben G und D zu verrechnen
2. Kind vermutet, dass Produkt (GxD)
t2
Die genetische Rekonstruktion
Stufe 3a mit Algorhythmus G+D lässt sich aus Sieglers Theorie nicht konstruieren!
Dazu neue Aufgaben von May entwickelt
Die genetische Rekonstruktion
Sieglers Theorie der kognitiven Entwicklung Erweiterung durch May (1979)
• Sprung bei Wechsel von Stufe 3 auf 4
• Stufe 3: Verwirrung
• Stufe 4: korrekter Lösungsalgorithmus
Stufe 3a: Summe aus G + D
Kempf, 2006, S.303
G = Waage geht nach unten, wo höheres Gewicht ist
B = Balance
D = Waage geht runter, wo größere Distanz ist
= richtig gelöst
= falsch gelöst
Kempf, 2006, S.303
G = Waage geht nach unten, wo höheres Gewicht ist
B = Balance
D = Waage geht runter, wo größere Distanz ist
= richtig gelöst
= falsch gelöst
Sagt uns nichts über die Entwicklungsstufe aus
Sieglers Theorie der kognitiven Entwicklung
• 6 verschiedene Aufgabentypen• 4 Entwicklungsstufen • Stufenentwicklung der Intelligenz• Intelligenzsprünge• Sukzessiver Wissenszuwachs
Entwicklungspsychologische Regelmäßigkeiten:
= Empirische Regelmäßigkeiten
Naturgesetze i. S. des D-N-Modells
= statistische Regelmäßigkeiten, die sich aufgrund struktureller Gesetzmäßigkeiten aus empirischen Randbedingungen ergeben
Statistische Regelmäßigkeit des Entwicklungsverlaufs
Als strukturelle Gesetzmäßigkeiten kommen 1) intentionale Erklärungsmodell, 2) die Entwicklungslogik der Informationsverarbeitungsstrategien zum Tragen.
Empirische Randbedienungen sind z.B. Motivation der Probanden, kulturelle Umfeld, u.s.w.
Aufgabenart Links Rechts Entwicklungs-Stufen
G D G D 1 2 3 3a 4
Distanz 3 2 3 3 B D D D D
Konflikt Distanz-Distanz
1 4 3 1 G G ? D D
Konflikt Balance-Balance
3 6 5 4 G G ? B B
Abb. 3.6.5
Lebensalter
Lösu
ngsw
ahrs
chei
nlic
hkei
t
Kempf, 2006, S.306
Aufgabenart Links Rechts Entwicklungs-Stufen
G D G D 1 2 3 3A 4
Konflikt Gewicht-Distanz
1 6 3 3 G G Raten D G
Konflikt Gewicht-Balance
3 6 5 4 G G Raten B G
Abb. 3.6.8
Lebensalter
Lösu
ngsw
ahrs
chei
nlic
hkei
t
Kempf, 2006, S.307
Unterschiede zwischen SET Siegler‘s Theorie:
• Verzicht auf empirisch gehaltvolle „technische“ Zusatzannahmen
• Handlungstheoretische Begründbarkeit
- Empirische Reduktion- Genetische
Rekonstruktion- Pragmatische Evaluation
• Erlaubt eine empirische Reduktion der Informationsverarbeitungsstrategien auf das Antwortverhalten der Vpn
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