Download - Frédéric-Auguste Bartholdi, Die Basler Freiheitsstatue

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Ab auf die InselCorvo. Die kleinste bewohnte Azoren-Insel hat kaum mehrals 17 Quadratkilometer Fläche und 450 Einwohner.Eine wunderbare Destination für Naturliebhaber. Seite 25| Montag, 8. September 2014 | Seite 19

Kultur. Erfolgreiches TheaterfestivalHöhepunkt und Bilanz. Mit Béla Pintérs grossartigemStück «Unsere Geheimnisse» ging das Theaterfestivalzu Ende. Das Festival zieht eine positive Bilanz. Seite 20

Die Basler FreiheitsstatueStrassburger Denkmal wird nächstes Jahr 120 Jahre alt: Zur Entstehung eines Monuments

Goldener Löwefür AnderssonPreise des Filmfestivals Venedig

Der schwedische Film «A Pigeon Sat ona Branch Reflecting on Existence» vonRoy Andersson ist mit dem GoldenenLöwen der 71. Internationalen Filmfest-spiele von Venedig ausgezeichnet wor-den. Das gab die Jury unter Vorsitz desfranzösischen FilmmusikkomponistenAlexandre Desplat am Samstagabendbekannt.

Eine Taube, die die Existenz bedenktund die Menschen beobachtet, steht imMittelpunkt von Anderssons Film, derzu den Favoriten des Filmfestivalsgezählt hatte. Anderssons Wettbe-werbsbeitrag ist der abschliessende Teileiner Trilogie, die sich mit der Fragebefasst, was es bedeutet, Mensch zusein. Der Film setzt sich aus Episodenzusammen. Manche sind mehrteilig inden Film eingefügt, andere als Einzel-stücke.

Massaker in IndonesienDer Grosse Preis der Jury ging an

Joshua Oppenheimers Dokumentarfilm«The look of silence». Dieser Film zählteebenfalls von Anfang an zu den Favori-ten des Festivals. Der US-Regisseur wid-met sich in seinem Werk den Opfernvon Massakern in Indonesien in denJahren 1965 und 1966.

Im Mittelpunkt des Films steht derOptiker Adi, der seinen Bruder durchGräueltaten verloren hat und nun Klar-heit über die damaligen Geschehnisseverlangt. Das Werk ist eine Fortsetzungvon Oppenheimers «The Act of Killing»,bei dem sich der Regisseur vor allem aufdie noch lebenden und nicht bestraftenTäter hinter den Massakern konzen-triert hatte. Den Goldenen Löwen fürden besten Schauspieler erhielt AdamDriver, verzweifelter Vater im Film desitalienischen Regisseurs SaverioCostanzo «Hungry Hearts». In demsel-ben Film spielt die Italienerin AlbaRohrwacher, die als beste Schauspiele-rin gekürt wurde. «Hungry Hearts»kreist um den Kampf zwischen zweiEheleuten um die Ernährung des einzi-gen Sohnes.

Iranisches PanoramaDer deutsch-türkische Film «Sivas»

wurde mit dem Spezialpreis der Juryausgezeichnet. Das Werk des in Berlinlebenden Kaan Müjdeci handelt voneinem Buben und dessen Kampfhund ineinem türkischen Dorf.

Für das beste Drehbuch wurde«Ghesseha» (Tales) der iranischen Regis-seurin Rakhshan Bani-Etemad ausge-zeichnet. «Das ist ein riesiges Geschenkfür alle Iraner, die den Film lieben», kom-mentierte die Regisseurin bei der Preis-verleihung. Bani-Etemad bietet in ihremWerk ein breites Panorama der moder-nen Gesellschaft in ihrem Land an. DieFilmemacherin konzentriert sich dabeiauf Frauenfiguren. Einem vom Westenerwarteten Klischee – das der unterwür-figen Frau – begegnet man im Film aller-dings nicht. SDA

ANzEIGE ANzEIGE

Von Claude Cueni

Sie ist da und man sieht sie doch nicht.Man fährt jeden Morgen an ihr vorbeiund achtet nur auf das Rotlicht. Schüt-zend hält sie ein Schild über eine ver-zweifelte Frau und einige verstörte Kin-der. Das tut sie schon seit 1895. Seit 119Jahren trotzt sie nicht mehr den Preus-sen, sondern Luftverschmutzung undTemperaturschwankungen: die Helve-tia im Strassburger Denkmal, dasgegenwärtig restauriert wird und voneiner Schutzplane umhüllt ist.

Das Denkmal stammt vonFrédéric-Auguste Bartholdi (1834–1904). Der Bildhauer besuchte die Schu-len in Paris. Zur gleichen Zeit studierteein anderer Junge im Internat vis-à-vis:Gustave Bönickhausen dit Eiffel, der spä-ter seinen Namen in Gustave Eiffel abän-derte, um wegen der deutsch-französi-schen Spannungen die Akzeptanz fürseinen geplanten Turm zu erhöhen.

Beide reisten, wie es damals fürKünstler üblich war, nicht mehr nach Ita-lien, sondern in den Orient, und liessensich inspirieren. Beim Anblick der monu-mentalen Pyramiden und der gewalti-gen Sphinx erwachte in ihnen der Ehr-geiz, Gigantisches zu erschaffen unddadurch Unsterblichkeit zu erlangen. ImGegensatz zu den meisten Künstlern des19. Jahrhunderts brachten sie nicht dieSyphilis (maladie franÇaise) nachHause, sondern pralle Skizzenblöcke,Zeichnungen und erste Fotografien.

Gegensätzliche CharaktereWährend Gustave Eiffel zum genia-

len Ingenieur, zum Eisenmagier avan-cierte, verlor sich Bartholdi in giganti-sche Projekte: Einen neuen Koloss vonRhodos wollte er de Lesseps für dieEröffnung des Suezkanals verkaufen.Die zahlreichen Entwürfe einer Bedui-nin, die mit ihrer Fackel die Welterleuchtet, sind noch heute im Geburts-haus von Bartholdi, dem heutigenMuseum Bartholdi in Colmar, zubesichtigen.

Eiffel und Bartholdi wurden Riva-len. Eiffel war der Nachfahre einerDynastie von sieben Generationen vonTapezierern. Er wollte nicht verkleiden,sondern freilegen, damit die nackteIngenieurskunst zum Vorschein kam.Bartholdi, der Besessene mit italieni-schen Wurzeln, wollte Patriotismus inStein hauen, die Herzen der Menschenberühren, aber vor allem das Herz sei-ner Mutter. Gegensätzlicher hätten diebeiden Charaktere nicht sein können,doch die Freimaurerloge Grand Orientde France zwang sie schliesslich zurZusammenarbeit an der Freiheitssta-tue, denn für das innere Gerüst brauchteBartholdi den besten Ingenieur derdamaligen Zeit.

Der plötzliche Ausbruch desDeutsch-Französischen Krieges 1870unterbrach ihre Karrieren. Die fehler-

hafte und gekürzte Übersetzung einerDepesche hatte den gekränkten KaiserNapoleon veranlasst, den Preussen denKrieg zu erklären. Bartholdi, der heiss-blütige Patriot, zog in den Krieg.

Die Preussen setzten den Strassbur-gern übel zu und erweckten das Mitleidder Schweizer. Abordnungen aus Basel,Bern und Zürich erbarmten sich ihrerund erhielten nach zähen Verhandlun-gen von der badischen Regierung dieErlaubnis, 1400 Frauen, Kinder undGreise aus der schwer belagerten Stadt,in die Schweiz zu bringen. Der BaronHervé de Gruyer, ein glühender Strass-burger Patriot, wollte der Schweiz späteraus Dankbarkeit ein Denkmal schenken.

Die Monumente sind fertig1895 war es so weit. Bartholdi war

mit seiner Freiheitsstatue weltberühmtgeworden und sein Konterfei zierteselbst Wein- und Käseetiketten in denNew Yorker Spirituosenläden. GustaveEiffel hatte gegen den Widerstand vontout Paris seinen Eisenturm pünktlichzur Weltausstellung fertiggestellt,obwohl ihn einige für die Phallus-Fan-tasien eines narzistisch Verhaltensge-störten hielten. Sogar Victor Hugo undÉmile Zola unterschrieben die Petition,die in ganzseitigen Inseraten publiziertwurde; der Turm sei die «Kathedraleder Alteisenhändler», Alexandre Dumasattestierte diesem Eisenskelett, das sich«wie der Tod über Paris erhob», gar eine«frappierende Hässlichkeit». Eiffelwagte sich an ein noch grösseres Pro-jekt, den Panamakanal, doch die Mala-riamücken brachten ihn zu Fall, eingigantischer Finanzskandal vor Gericht,und dann krachte auch noch die vonihm konstruierte Brücke in München-stein in die Birs und riss 73 Menschen inden Tod.

Auch das Strassburger Denkmal warkeine einfache Geburt. In einem Rap-port vom September 1891, an die feder-führende Fachkommission des Innen-departementes, wird festgehalten, dass«die Figuren Anlass zu gewissen Beob-

achtungen» geben. Kein Detail ist zuklein, um nicht erörtert zu werden.Bemängelt wird u. a. dass die Körper-haltung des Kindes zu sehr der Körper-haltung des Engels gleicht, die einenwollen ein Knie ändern, die andern eineFussstellung, Bartholdi war bestimmtnicht zu beneiden. Aber wie üblich hatBartholdi das Projekt zu Ende gebracht.

Das Strassburger Denkmal stehtimmer noch auf dem Centralbahnplatzbeim Bahnhof SBB. Die Figurengruppestellt eine Frau mit Kindern dar, die voneinem Engel und einer Helvetiabeschützt werden. Doch die Frauensta-tuen sind bei Bartholdi nie, was sie vor-geben zu sein. Die Helvetia ist ein weite-rer Avatar der Göttin Minerva-Athena, eine abgewandelte Kopie derersten Entwürfe der Freiheitstatue.

Das Strassburger Denkmal aus Car-rara-Marmor, das Bartholdi damals fürrund 125.00 Francs in Rechnung stellte,wird bis Ende Oktober für 300 000Franken restauriert.

Denkmäler sind manchmal beliebt,manchmal nicht, oft sind sie anfangsumstritten oder gar unerwünscht (wiedie Freiheitsstatue) oder gar verhasst(wie der Eiffelturm), dann mutieren siezum Wahrzeichen einer Stadt, einesLandes oder gar zu einem Symbol.

Das Strassburger Denkmal steht fürdie zweite Hälfte des zweiten 19. Jahr-hunderts, für die atemberaubende Epo-che der Gründerzeit, dem Zeitalter derBeschleunigung, als Eisenbahnen diePferdekutschen ablösten, als Telegrafie-ren bis zu den Goldgräbern in Klondikemöglich wurde; es ist die Epoche derzahlreichen bekannten Unbekannten:Der Reisekofferhersteller Louis Vuittonlässt sich von Gustave Eiffel Stahlträgerfür seinen ersten Laden in Paris bauen,Flaubert schreibt «Emile Bovary», US-Präsident Ulysses Grant besucht Barthol-dis Pariser Atelier, Detektiv Allan Pinker-ton («We never sleep») gründet die welt-weit grösste Privatdetektei, Marx undEngels schreiben gegen das Elend in denFabriken an. Es ist die Epoche des über-

bordenden Enthusiasmus, der bahnbre-chenden Erfindungen wie Grammofon,Dynamit, Telefon, Glühbirne und Repe-tiergewehr. Die Begeisterung für neueTechnologien kennt kaum Grenzen,Europa ist im Aufbruch, es entstehen dieersten grossen Industriedynastien.

Eine gewaltige EpocheEs ist die Epoche des rücksichtslo-

sen Kolonialismus in einer zunehmendvernetzten Welt, es ist die Tragödie desgnadenlosen 14-Stunden-Tags in sticki-gen Fabrikhallen, der Aufstieg Ameri-kas, der Untergang Englands und vonBismarcks Staatsräson. Im Zuge derindustriellen Revolution entsteht einneuer Realismus in der Literatur, MaryShelley erschafft «Frankenstein», JulesVerne taucht 20 000 Meter tief ins Meer.Wir erleben die letzten grossen Typhus-und Cholera-Epidemien, ein Jahrhun-dert voller Finanz- und Weltwirtschafts-krisen. Der neue Goldstandard befeuertden Goldrausch in Alaska und mit derBeendigung des Deutsch-FranzösischenKrieges von 1870, ziehen unheilvolleWolken am Himmel auf. Es ist dieGeburt des Nationalismus, der dasnächste Jahrhundert in Flammen setzenwird.

Das Strassburger Denkmal ist nichteinfach ein Klotz aus Carrara-Marmor,es ist die Erinnerung an eine gewaltigeEpoche, an einen grossen Künstler undan eine hilfsbereite Stadt.

Und wäre Bartholdi noch am Leben,wer weiss, ob er dem Bundesrat nichtvorschlagen würde, auf einem unsererBerge eine monumentale Statue zuerrichten, eine sitzende Helvetia. Dasser uns erneut eine seiner Liberty-Modelle unterjubeln würde, für dieangeblich seine vergötterte MutterModell stand, sollte uns nicht küm-mern. Wir sollten uns anhören, wiesodas nicht möglich ist und es dann trotz-dem versuchen.Claude Cueni, Schriftsteller.zuletzt erschienen im Wörterseh Verlag«Script Avenue». www.cueni.ch

Schutzheilige. Das Strassburger Denkmal erinnert an die Aufnahme elsässischer Flüchtlinge durch Basel. Foto Atelier Fontana, Basel

Celebrating 5 Years – The very best in Soul,Blues and R&B

Freitag, 12. September 2014

Live in concert:

Victor Wainwright

& The Wild Roots with special

guest Brandon Santini (USA)

Konzertbeginn20:15h

Volkshaus, Rebgasse 12, Base

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CHF 49.– / Vorverkauf: www.ticketcorner.ch

0900 800 800 (CHF 1.19/Min. ab Festnetz) oder

an der Abendkasse

www.bluesnow.ch

20-09-1419.30 UHR | STADTCASINO BASEL

DIE NEUNTEBEETHOVEN: SINFONIE NR. 9LEITUNG

GIOVANNI ANTONINIwww.kammerorchesterbasel.chTICKETS: www.kulturticket.chBider und Tanner – Ihr Kulturhaus in BaselT +41 61 206 99 96