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FrühkindlicheLiteralitätsentwicklungmiteinemtextlosenBilderbuchfördern.ZudenStrategienerwachsener'Vorleser'.LindaStarkundBenjaminUhl
AbstractTheoretikerundPraktikerscheineneinigdarin,VorlesesituationenalsspezifischenInputinderLiteralitäts-entwicklungzubetrachten.VoralleminHinblickaufdenZugangzukonzeptionellschriftsprachlichenFor-men,derKinderndurchdenindieMündlichkeitübertragenenBilderbuchtextbereitgestelltwird,erschei-nenVorlesesituationenalswichtigeErgänzungdesalltäglichenSprachangebots.InwiefernjedochdieRe-zeptionvonBilderbüchern,diekeinenTextenthalten,derLiteralitätsentwicklungzuträglichseinkann,isttheoretischundempirischweitestgehendungeklärt.
DiesemDesideratfolgendwurdenindemBeitragfünf‚Vorlese‘-gesprächezwischenKindern(Alter2;3bis5;6)undjeweilseinemerwachsenenInteraktionspartneranalysiert.HierbeikonntenbestimmteStrategienidentifiziertwerden,diedieErwachsenennutzen,umdieKinderinihrerLiteralitätsentwicklungzufördern.DasbesondereAnliegendesBeitragsistes,aufzuzeigen,dassdieseStrategiennichtwillkürlichzumEinsatzkommen,sondernineinemZusammenhangmitdemkindlichenEntwicklungsstandstehen.
SchlüsselwörterTextloseBilderbücher,Input,Literalität,Vorlesestrategien,Feinanpassung
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AutorinundAutorBenjaminUhl,[email protected],[email protected]
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FrühkindlicheLiteralitätsentwicklungmiteinemtextlosenBilderbuchfördern.ZudenStrategienerwachsener'Vorleser'.LindaStarkundBenjaminUhl
1.EinleitungEsistweitestgehendunbestritten,dassdieRezeptionvonBilderbüchernKinderinihrerLiteralitätsentwick-lungunterstützt.InklassischenVorlesesituationen,indeneneinerwachsenerInteraktionspartnereinemKinddenTexteinesBuchesvorliestundgemeinsamAbbildungenbetrachtetunddiskutiertwerden,hatdasKindüblicherweisedieRolledesRezipienteninne.DieLernmöglichkeiteninsolchenSituationenbestehenfürdasKindvorallemdarin,dasseseinenspezifischensprachlichenundvisuellenInputerhält(vgl.Mei-bauer2011),derdialogischmitdemerwachsenenInteraktionspartnerbearbeitetwerdenkann.Insprachli-cherHinsichtliegendieBesonderheitendiesesInputsdarin,dassdieStrukturen,dieinkinderliterarischenTextenverwendetwerden,sichvonderalltäglichenSprache,zuderdasKindZuganghat,unterscheiden.ZurVerdeutlichungdiesesUnterschiedswirdoftmalsdasNähe-undDistanzmodellvonKoch/Oesterreicher(1985)bemüht,mitdessenHilfederInput,denKinderbeimVorlesenerhalten,alsmedialmündlichundkonzeptionellschriftlichbeschriebenwerdenkann(vgl.Hurrelmann2013,Becker2005a).
DieRezeptionvontextlosenBilderbüchernweichtvondembeschriebenenSzenarioinsofernab,alsder‚Vorleser‘imBilderbuchkeinenTextvorfindet,denerausdermedialenSchriftlichkeitindieMündlichkeitübertragenkönnte.Stattdessenrichtetsichanihn–ebensowieandasjeweiligeKind–dieAufgabe,dievisuellenInformationendesBilderbuches,zuerkennen,zuinterpretierenundzuversprachlichen.Derer-wachseneInteraktionspartnerstehthierbeials‚Vorleser‘alsovoreinerdoppeltenHerausforderungen:ErmusssicherstensdienarrativeHandlungslogikderBildererschließen,wobeierkeineOrientierungdurcheinenvorgegebenenErzähltexterhält.ZweitensrichtetsichderkonversationelleAnspruchanihn,einensprachlichenDiskurszugestalten,derdenErwartungendesKindesandieVorlesesituationgerechtwird.AuchhierbeiisteralsProduzent–andersalsbeitexthaltigenBilderbüchern–aufsichalleingestellt.
AusdidaktischeSichtresultierenausdiesenHerausforderungeninteressanteLerngelegenheiten:AufgrundderTatsache,dassbeidiesem‚Lesen‘derBilderkeineschriftsprachlichenKompetenzenimmedialenSinnnotwendigsind,liegtderbesondereReizbeimEinsatzvontextlosenBilderbüchernininstitutionellenKon-textendarin,dasKindindieRolledesProduzentenzuversetzenundes–anstelledesErwachsenen–mitdengeschildertenHerausforderungenzukonfrontieren.EsliegenbereitsStudiendarübervor,inwiefernesKinderngelingt,sichunterdengeschildertenBedingungenliteralauszudrücken(z.B.Wieler2015).WenigerguterforschtsindbisherhingegenRezeptionssituationenzutextlosenBilderbüchern,indenenderer-wachsene‚Vorleser‘dieRolledesProduzenteninnehat(eineAusnahmestellthierDammann-Thedens2011dar).HierstelltsichfürunsdieFrage,inwiefernerwachseneInteraktionspartneraufdieobenbeschriebe-nenHerausforderungenreagierenundeinenInputgenerieren,derfürdieLiteralitätsentwicklungdeszuhö-rendenKindesförderlichseinkann.DieserFragewerdenwirinunseremBeitragaufdenGrundgehen,in-demwirfünftranskribierteVorlesegesprächezudemtextlosenBilderbuchPicknickmitTorteexemplarischanalysieren.DabeiwerdenwirStrategiennarrativerPerspektivierungdurchden‚Vorleser‘aufzeigen,dar-ausliteraleLernmöglichkeitenfürdiezuhörendenKinderrekonstruierenunddenZusammenhängendieserbeidenAnalyseaspektemitdenvonWieler(1997)beschriebenenVorleseformatenaufdenGrundgehen.
DazugliedertsichunserBeitragfolgendermaßen:ZunächstdiskutierenwirdiekommunikativeBeschaffen-heitvonVorlesesituationenzutextlosenBilderbüchernvordemHintergrunddervonWieler(1997)heraus-gearbeitetenUnterscheidungvonoffenenundgeschlossenenVorleseformaten.DarananschließendsetzenwirverschiedenePerspektivierungenbeimkindlichenErzählenvonBildergeschichtenmitdenjenigener-wachsener‚Vorleser‘beimVersprachlichentextloserBilderbücherinBeziehungzueinander.DarausleitenwirMöglichkeitenliteralenLernensab,dieerwachsene‚Vorleser‘ihrenKindernbeiderRezeptiontextloserBilderbücherbereitstellenkönnen.AndiesetheoretischenAusführungenschließensichunsereFallanalysenan.
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2.TextloseBilderbücher,narrativePerspektivenundliteralesLernenDiepositiveWirkungdesVorlesens(texthaltigerBilderbücher)auffrüheliteraleKompetenzenwirdallge-meinhindaraufzurückgeführt,dassKinderdurchdenindieMündlichkeitübertragenenBilderbuchtextmitsprachlichenStruktureninBerührungkommen,dieindemKoch/Oesterreicher’schenNähe-und-DistanzmodelldemPolkonzeptionellerSchriftlichkeitzugeordnetwerdenkönnen(vgl.z.B.Hurrelmann2013).DemGebrauchdieserStrukturenliegenkommunikationssituativeBedingungenderDistanzzugrun-de,diezwischendemProduzentendesBilderbuchtextes(demAutor)unddenRezipienten(VorleserundKind)vorliegen.SoscheintdieBesonderheitdesInputs,denKinderbeimVorlesentexthaltigerBilderbü-chererhalten,geradedarinzuliegen,dassnichtderkommunikationssituativnaheVorleserzudemKindspricht,sonderndurchihnderBilderbuchautor,dersichineinerDistanzkommunikationzudemKindbefin-detunddementsprechendesprachlicheStrukturenderkonzeptionellenSchriftlichkeitverwendet(vgl.dazudassprechakttheoretischeModelldesVorlesensvonRothstein(2013)sowiedessenEinordnungindasNähe-Distanz-ModellinStark(i.V.)).DementsprechendlassensichVorlesegesprächezutexthaltigenBil-derbüchernindemKoch/Oesterreicher’schenModellalskonzeptionellschriftlichundmedialmündlichcha-rakterisieren(vgl.Hurrelmann2013).
DiesemSpezifikumkonzeptionellerSchriftlichkeitimmedialMündlichenstehtderanerkannteBefundge-genüber,dassdasVorlesenvonBilderbüchernsichvorallemdannpositivaufsprachlicheFähigkeitendesKindesauswirktundliterarischesLernenbegünstigt,wennVorlesereineoffeneVorlesepraxisausüben,beiderdasKindaktivindasVorlesegesprächeingebundenwird(vgl.Fletcher/Reese2005;Wieler1997).Dieseoffenen,interaktivenVorleseformatezeichnensichimUnterschiedzugeschlossenendadurchaus,dassnichtnurderBilderbuchtextinFormeinesVorlesermonologsvorgetragenwird,sondernderVorlesersichdavonlöstundeindirektes,dialogischorganisiertesGesprächmitdemKindeingeht.
BilderbüchermitunterschiedlichemText-Bild-VerhältnisbegünstigendieeinoderandereVorlesepraxisinunterschiedlichemMaße:EinnurwenigillustriertesBilderbuchtextlegttendentiell„geschlossene“Vorlese-formatenahe.DagegenisteinePraxis,diesichaufdasreineVorlesendesBilderbuchtexteskonzentriert,beiderRezeptiontextloserBilderbücherausgeschlossen.IndiesemSinneerzwingentextloseBilderbüchergewissermaßenoffeneRezeptionssituationen,innerhalbderersich‚Vorleser‘undKindohnediesprachlicheBeteiligungdesAutorsüberdieimBildgeschilderteGeschichteverständigen(vgl.Starki.V.).
InHinblickaufdieinteraktiveGestaltungderVorlesesituationbietentextloseBilderbücherdementspre-chendgegenübertexthaltigendenVorteil,dassdasKindsehraktivindieRezeptionssituationeingebundenwerdenkann.DasgemeinsameBetrachtendestextlosenBilderbuchsunddasHervorbringeneinerGe-schichtekönnensomitzueinemko-konstruktivenProzesszwischen‚Vorleser‘undKindwerden.InwiefernKinderdabeijedochmitkonzeptionellschriftsprachlichenFormeninBerührungkommenundsichliteraleLernmöglichkeitenimobengeschildertenSinneröffnen,scheintjedochaufdenerstenBlickaufgrunddesmangelndenTextesundderdialogischenGesprächssituationvon‚Vorleser‘undKindfraglich.ImNachfol-gendenwollenwirerläutern,dassdasgemeinsameBetrachtentextloserBilderbücherdurchausvielelitera-leLerngelegenheiteneröffnenkann,sofernder‚Vorleser‘sichbestimmterStrategienbedient.DassdieKommunikationspartnerdabeikeinesfallsGebrauchvondenhiergeschildertenko-konstruktivenInterakti-onsmöglichkeitenmachenmüssen,wiesiedasBilderbuchformatgrundsätzlicheröffnet,isteineunsererBeobachtungen,diewirinAbschnitt4schildern.
2.1PerspektivierungbeiderRezeptionnarrativenBildmaterialsimkindlichenEntwicklungsverlauf
BevorwiraufunsereempirischenBeobachtungennähereingehen,beleuchtenwirzunächstauseinertheo-retischenWarteherausEntwicklungsschrittezurnarrativenVersprachlichungvonBildmaterial,dieinvo-rangegangenenStudienbeiKindernbeobachtetwurden.DieseAusführungenreichernwirbereitsmitBei-spielenausunseremeigenenKorpusan,daswirimmethodischenTeildesBeitragsnochnäherbeschrei-ben.AndieEntwicklungsschrittederKinderanknüpfend,diesichvoralleminderEinnahmeunterschiedli-cherPerspektivenbeiderVersprachlichungnarrativenBildmaterialszeigenundsichaufdiesprachlicheGestaltungdesErzähldiskursesniederschlagen,stellenwirÜberlegungenzumöglichenStrategienaufSei-tendererwachsenenInteraktionspartnerbeim‚Vorlesen‘textloserBilderbücheran,diewirzurAnalyseunsererDateninAbschnitt4nutzen.
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2.1.1DiedeskriptiveBetrachterperspektive
WieausStudienzumErzählerwerb,diemitBildmaterialalsErzählimpulsfürdieProbandenarbeiten,be-kanntist,tendierenvorallemkleineKinderdazu,einzelneDetailsdesfürsieunmittelbarwahrnehmbarenBildmaterialszubeschreiben(vgl.z.B.Bouekeetal.1995;Becker2005;Gretsch/Sauerborn-Ruhnau2011;Müller2012).DabeirealisierenKindersemantischeEinheitenzumeistals„Bildpropositionen“(Bouekeetal.1995:157),dieisoliertoderlinear1nebeneinanderstehen,sodasskeinenarrativeStrukturentsteht(ebd.159).AlsBildpropositionsindsemantischeEinheitendannaufzufassen,„wennsieSachverhalteoderHand-lungenbenenn[en],diegraphischaufdemvorgelegtenBilddargestelltsind“(ebd.157).
CharakteristischfürdiesenaufBildpropositionenberuhenden,beschreibendenTypist,dassdieKindersichvonihrerPerspektivealsBetrachternichtlösenundsichstattdessenbeiihrerTextproduktionsehrstarkaufdasvorhandeneBildmaterialstützen,sodassdasNachvollziehendesErzähltenohneKenntnisderBilderfüreinenexternenDrittennurschwerlichmöglichist(vgl.ebd.148).SprachlicheMerkmaledieserbeschrei-bendenPerspektivesindvorallemdeiktischeAusdrücke(wiebspw.PersonalpronomenoderdeiktischeOrtsangaben(„da“)),dieaufdasJetzt-und-HierdesKindesbezogensind.Bouekeetal.resümierenbezüg-lichdesEinsatzesdiesersprachlichenMittel:
DieverwendetensprachlichenFormenhabenscheinbarehereinedeiktische,aufdenäußerenBildimpulsge-richteteFunktion,selbstdann,wenndieserzumZeitpunktdesErzählensnichtmehrvorliegt.DieKinderset-zenvorausoderunterstellen,daßderZuhörerschonweiß,worumesgeht(ebd.148).
Geradedas„Lokalisierungs-da“(Bredel2001:15)2oderverbaleAufforderungenwie„guckmal“sindzu-meistanZeigegestendesKindesgeknüpft,mitdenenesseineErzählungzuunterstützenversucht.Charak-teristischeBeispielefürdieseaufdenBetrachtereingeschränkteErzählperspektiveineinemdeskriptivenStilfindensichauchinkindlichenÄußerungenimRahmenunsererVorlesegesprächezutextlosenBilderbü-chern,wobeiErwachsenerundKinddieindenBilderndargestellteGeschichtegemeinsamkonstruieren:
144 Elena: GUCK MAL. 145 (was das macht.) ((zeigt unten rechts auf das Bild und 146 blättert um)).
Transkriptausschnitt1:BeispieleinerdeskriptivenBetrachterperspektiveaufSeitendesKindes.
DasBeispielzeigtdieÄußerungder2;8jährigenElena,dieohnedenentsprechendenKontextderAbbildungkaumverständlichist:FüreinenZuhörer,dernichtdieBetrachterperspektiveaufdieAbbildungenmitdemKindteilt,istnichtklar,wersichhinter„das“(Z.145)verbirgt.DarüberhinauszeigtdieImperativform„guck“(Z.144),diesichandieMutterrichtet,wiefestdasKindimRahmenseiner„starkbildgestützten“(Bouekeetal.1995:158)TextproduktionimInteraktionskontextmitderMutterverankertist.
2.1.2DieinterpretativeAußenperspektive
ImUnterschieddazugelingtesKinderninfolgendenEntwicklungsschrittenjedoch,sichvonihrerBetrach-terperspektive,d.h.vonihremJetzt-und-Hier,zulösen.SiekönnendannaufderGrundlageeinerBildvorla-geeineGeschichteerzählen,diefüreinenZuhörerohnedieKenntnisderBildernachvollziehbarwird.MansprichthierbeiauchvoneinerDekontextualisierung,daesdemKindgelingt,eineErzählungzuproduzie-ren,dievondemKontextdesBildmaterialslosgelöstist(vgl.ebd.).Vondenfürdenisoliertenundlinearen
1Zudeneinzelnen„TypenderEreignisdarstellung“beimmündlichenErzählerwerbsieheBouekeetal.(1995133f.):AufgrundeinerAnalysevon271mündlichenKindererzählungen,dieaufderGrundlageeinerBildergeschichteverfasstwurden,unter-scheidendieAutoreneinenisoliertenTyp,einenlinearenTyp,einenstrukturiertenTypundeinennarrativ-strukturiertenTyp:BeidemisoliertenTypwerdendiedargestelltenEreignisseunverbundennebeneinandergesetzt;beidemlinearenhingegensindeinzelneEreignissederErzählungmiteinanderverknüpft(prototypischmit„unddann“).DieEreignisabfolgewirdabernochnichtzueinernarrativenMakrostruktur(Orientierung–Komplikation–Auflösung)organisiert.ErstimstrukturiertenTypwerdeneinzelneEreignisseinFormeinessolchennarrativenHandlungsmustersumgesetzt.Beidemnarrativ-strukturiertenTypschließlichwirddasnarrativeHandlungsmusterzusätzlichnochdurchaffektiveMittelemotionalaufgela-den(vgl.hierzuzusammenfassendUhl2015:71ff.).2ZurUnterscheidungvon„Lokalisierungs-da“undnarrativem„da“(z.B.„dakamplötzlich“)sieheBredel(2001:15).
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TypcharakteristischenBildpropositionengrenzenBouekeetal.sog.Inferenzenab,diedennächstenkindli-chenSchrittinderNarrationsentwicklungbegleiten.Darunterverstehensie:
semantischeEinheiten,derenInhalteüberdieVerbalisierungdergraphischenElementehinausgehen,d.h.„neue“InformationenliefernundRelationenzwischeneinzelnenSachverhalten,HandlungenundBildernherstellen(ebd.157).
UnterschiedenwerdenInferenzennachihrerReichweite:Sostehen„naheInferenzen“(bezeichnen„Sach-verhaltedieaufdenBildernnichtdirektabgebildetsind,dieaberaufgrunddergraphischenBildelementesehrleichterschlossenwerdenkönnen“(ebd.))den„weitenInferenzen“gegenüber.WeiteInferenzen
sindnichtdirektausdenBildimpulsenzuerschließen,sondernbeziehensichinweitausstärkerenMaßeaufdasallgemeineWissen.EshandeltsichdabeibeispielsweiseumdieIntentionenderAktanten,umverbale,kognitiveundemotionaleReaktionen,umkausaleBeziehungen,zeitlicheundlokaleAngaben(ebd.).
AufderGrundlagederUnterscheidungvonBildpropositionen,nahenundweitenInferenzen,lassensichnunauchdienächstenbeidenStadiendernarrativenTextproduktionbeschreiben.ImUnterschiedzudemobendargelegtenerstenTypderEreignisdarstellung,dersichdurchdiehäufigeRealisierungvonsemanti-schenEinheitenalsBildpropositionenauszeichnet,konntenBouekeetal.fürdiedarananschließendenEntwicklungsstufeneinenAnstiegnaherundweiterInferenzenfeststellen:
„In,isolierten´TextenfindetmanüberwiegendBildpropositionen,nurwenignaheundsogutwiekeinewei-tenInferenzen.[...]Auchin,linearen´TextenkommennochüberwiegendBildpropositionenundnurseltenInferenzenvor.[...]Bei,strukturierten´TextenkommteszusätzlichzumAnstiegderBildpropositionenauchzueinemAnstiegdernahenInferenzen,dieweitenInferenzensteigendagegennurgeringfügigan.[...],Narrativ-strukturierte´Textehebensichvondenstrukturiertendeutlichab:EsfolgteinnochmaligerAnstiegderBildpropositionenundderInferenzen,vorallemderweitenInferenzen(ebd.159f.).
MitzunehmenderNarrationsentwicklungbefindensichdieKinderalsoineinerÜbergangsphase„voneinerbildgestütztenzueinermehrundmehrbildinduziertenTextproduktion“(ebd.158).DieseÜbergangsphasezeichnetsichdadurchaus,dassdieKinderZusammenhängezwischendeneinzelnenBildernherstellen,sodassmehroderwenigerstrukturiertenEreigniskettenentstehen.Diesgehteinhermiteinemdekontex-tualisiertenSprachgebrauch,deresermöglicht,dassaucheinZuhörerdieErzähläußerungeneinesKindesverstehenkann,ohnedessenBetrachterperspektiveaufdieAbbildungenzuteilen.DasnachfolgendeBei-spiel,dasebenfallsauseinemunsererVorlesegesprächezueinemtextlosenBilderbuchstammt,zeigt,in-wieferndasKindMax(5;4)einereinbeschreibendeBetrachterperspektiveüberschreitet:
351 Mutter: alle sitzen glücklich um eine picknick 352 [decke auf dem boden im kreis.] 353 Max: [und die ratten dürfen auch weil sie ham] das gar nicht 354 geklaut.
Transkriptausschnitt2:BeispieleinerinterpretativenAußenperspektiveaufSeitendesKindes.
ÜberdasunmittelbarWahrnehmbarehinaus–alleTierepicknickengemeinsam–nimmtMaxeinenaheInferenzaufderGrundlagedieserSzenevor,dieinZusammenhangmitdenvorherigenGeschehnissensteht:DiebeidenRatten(aufdiehiermittelseinerGattungsbezeichnung,nichtdurcheinendeiktischenVerweisreferiertwird)dürfenandiesemPicknickteilhaben.AusdiesemFakt,derdenAbbildungenzuent-nehmenist,schließtMax,dassdieanderenTierediebeidenRattendazueingeladenhaben,weilnichtsieeswaren,diedieTortezuvorgeklauthattenunddieTieredahernichtmehrwütendaufdieRattensind.Inso-fernwirddurchMax‘Äußerungdeutlich,dassseinePerspektiveaufdieAbbildungkeineisolierte,reinde-skriptiveist,sondernersichvonseinerunmittelbarenWahrnehmunglösen,d.h.eineinterpretativeAußen-perspektiveaufdiedurchdieBilderübermittelteGeschichteeinnehmenkann.
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2.1.3DieinvolvierendeInnenperspektive
Kinder,derenErzählerwerbnochweitervorangeschrittenistalsindiesemzweitenBeispiel,strukturierenihreErzählungennarrativ,indemesihnengelingt,nichtnureineAußenperspektiveaufdievonihnenbe-trachtetenBildereinzunehmenwieMaxinBeispiel2,sonderndarüberhinausqualifizierensieihreErzäh-lungen„durchAffekt-Markierungemotional“(ebd.193).DieseemotionaleMarkierungsetzendieKinderzunehmenddurchsemantischeEinheitenum,diealsweiteInferenzenrealisiertsind.DabeistützensichdieKindersehrvielmehraufihrallgemeinesWissenundwenigeraufdasunmittelbarWahrnehmbaredesBil-dimpulses,sodassihreTextproduktionindieserPhasealsüberwiegendbildinduziertbeschriebenwerdenkann.ImRahmendieserinvolvierendenInnenperspektive,verlässtdasKindalsodieEbenederreinenBild-beschreibung.ÜberweiteInferenzenwerden„IntentionenderAktanten,[...]verbale,kognitiveundemo-tionaleReaktionen“(ebd.157)antizipiertundversprachlicht.HierbeiversetztsichdasKindindieerzählteGeschichteundindiedargestelltenFigurenhinein.SprachlichwirddieseInvolvierungdurchRede-undGe-dankenwiedergabenundauchdurchsog.evaluativeMitteldeutlich.AuchhierfürließsicheinekindlicheBeispieläußerunginunserenVorlesegesprächenzueinemtextlosenBilderbuchfinden:112 Susanne: (1.2) da streiten die sich alle, 113 weil die torte weg ist und sagen, 114 DU warst das, 115 nein DU, 116 du, 117 (--) du. 118 (-) nein, 119 DU.
Transkriptausschnitt3:BeispieleinerinvolvierendenInnenperspektiveaufSeitendesKindes.
DieAbbildungenzudieserÄußerung,diewildgestikulierendeFigurenmitweitaufgerissenenMündernzeigt,wirdvonder5;7jährigenSusanneinterpretiertundineinenZusammenhangzudervorherigenAbbil-dunggestellt.DortwurdedasVerschwindenderTortevermittelt.ZusätzlichzuderunspezifischenRede-wiedergabe„dastreitensichalle“(Z.112),mitderdieAbbildungaufdiewesentlicheundfürdenNarrati-onsverlaufwichtigsteInformationzusammengefasstwird,liefertSusanneauchnocheineBegründung,mitdersiedieunspezifischeRedewiedergabeandievorherigenGeschehnisseihrerErzählungrückbindet.DasssichSusannedabeiindiedargestelltenFigurenhineinversetztundderenPerspektiveübernimmt,zeigtsiedurchdieaufweiteInferenzenzurückzuführendezitierendeRededarstellung,diesieinZ.113einleitetunddiesichdannüberdieZ.114−119erstreckt.AndemkurzenDialog,denSusannewiedergibt,lässtsicherken-nen,dasssiegleichmehrerePerspektivwechselhintereinandervollzieht,indemsiedieRedeverschiedenerFigurenzitiert,diesichuntereinandermitdemPronomenderzweitenPerson„du“anreden.Sowirddeut-lich,dassSusanneeinePerspektiveaufdieAbbildungeneinnimmt,mitdersiesichnichtnurvonihremei-genenBetrachterstandpunktlöst,sonderndarüberhinausdasjeweiligedeiktischeBezugszentrumflexibelhandhabenundvonFigurzuFigurverlagernkann.DieseFlexibilitätzeugtvoneinerPerspektiveaufdieAbbildungen,dieeineInvolvierungindieinnerenZuständederFigurenermöglicht.DassSusannedieseemotionaleInvolvierungimAnschlussandieKomplikationhervorhebt,diesedurchdieEmphaseinZ.114f.und119auchemotionalmarkiert(vgl.Kümmerling-Meibauer/Meibauer2015)unddadurchzuihrerDramati-sierungbeiträgt,zeigteinmalmehr,inwieferndievonihreingenommeneInnenperspektiveaufdieFigurenmitderEtablierungeinernarrativenStrukturverknüpftist.
2.2FeinanpassunginVorlesegesprächenzutextlosenBilderbüchern
DaVorlesesituationenauchalsExtremformvonans-Kind-gerichteterSprachebzw.Feinanpassunggelten,indenenerwachseneInteraktionspartnerihreÄußerungeninbesonderemMaßeandiekindlichenFähigkei-tenundBedürfnisseanpassen(vgl.DeLoache1983),kannvermutetwerden,dassdiegeschildertenPer-spektivierungenindenkindlichenÄußerungenauchbeidemVorlesediskurstextloserBilderbücher,dervondenerwachsenenBezugspersonenproduziertwird,eineRollespielen.UnabhängigvondentatsächlichenErzählfähigkeitenderErwachsenenistalsobeiderAnalysevonVorlesegesprächenzutextlosenBilderbü-chernvielmehrderenFähigkeitzurEinschätzungvonundAnpassungandenEntwicklungsstanddesKindes
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zubetrachten,diesichinderEinnahmeeinerbestimmtenPerspektivebzw.indemEinsatzderbeschriebe-nenStrategienbeimVersprachlicheneinestextlosenBilderbuchszeigenkönnte.Dabeistehtdemerwach-senen‚Vorleser‘einSpektrumzwischeneineraufdieBetrachtereingeschränkten,d.h.beschreibenden,Perspektive,beidersemantischeEinheitenüberwiegendalsBildpropositionenrealisiertwerden,undeinerinvolvierendenInnenperspektive,diedurchdasZiehenweiterInferenzenEinblickeindasInnenlebenderinderErzählunggeschildertenFigurenermöglicht,zurVerfügung.DererwachseneInteraktionspartnerhatalsojenachEntwicklungsstanddesKindesmehrereMöglichkeiten,seinenandasKindgerichtetensprachli-chenInputzugestalten:
Tabelle1:SemantischeEinheitenundderenBezugzumBildimpuls.
SemantischeEinheitendesErwachsenen BezugzumBildimpulsBildpropositionen BildgestützteBetrachterperspektive(reindeskriptiv)NaheInferenzen ÜbergangvonbildgestützterzubildinduzierterText-
produktion“(interpretativ)WeiteInferenz BildinduzierteTextproduktionzurInvolvierungdes
RezipientenindasInnenlebenderFigurenInwiefernerwachseneInteraktionspartnerbeim‚Vorlesen‘textloserBilderbücherdieseunterschiedlichenStrategiennutzenundinwelchemMaßedieseNutzungmitdemjeweiligenEntwicklungsstanddesKindesinZusammenhangsteht,zeigenunsereFallanalyseninAbschnitt4auf.
2.3PerspektivierungundliteralesLernen
DiebeschriebenePerspektivierung,dieErwachsenebeiderRezeptioneinestextlosenBilderbuchsalsFein-abstimmungaufdenEntwicklungsstanddesKindesvornehmenkönnen,istnichtnuralsspezifischerInputfürdenNarrationserwerbinteressant,wieerobengeschildertwurde.AuchinHinblickaufdasliterarischeLernenvonKindern,wirddasNachvollziehenkönnenvonFigurenperspektivenalsMeilensteindiskutiert(vgl.Spinner2006;Merklinger/Preußer2014):
EinezentraleRollefürdasFigurenverstehenspieltderZusammenhangvoninnererWelt(Gefühle,Gedan-ken,Erfahrungen,ErinnerungenderFiguren)undäußererHandlung,derindenTextenzumTeilexplizitent-faltetist,oftaberauch,ausgehendvondenSignalenimText,vomLesererschlossenwerdenmuss.(Spinner2006:44f.).
BeiderRezeptiontextloserBilderbüchermüssensichdieBetrachternichtnurdenZusammenhangzwi-scheninnererWeltderFigurenundäußererHandlungerschließen;bevordieserZusammenhanghergestelltwerdenkann,müssenzunächstdieäußereHandlungundauchdieinnereWeltderFigurenausdenAbbil-dungenherausrekonstruiertwerden.
WasdieFigurenintextlosenBilderbücherngenaufühlen,denkenodersagen,kannnichtverbalübereinenTextexpliziterschlossenwerden.StattdessensinddemBildmaterialnurimpliziteHinweisedaraufzuent-nehmen,dievondenRezipientenausgelegtwerdenmüssen.
WennderoffeneMundeinerFigurvondenRezipientenzumAnlassgenommenwird,Figurenredezitierendwiederzugeben,dieinZusammenhangmitderäußerenHandlungsteht,wiediesimobengezeigtendrittenBeispielderFallist,sozeugtdiesvoneinemtiefenVerständnisderinnerenWeltderFigurundderÜber-windungderbeschreibendenBetrachterperspektive.
[D]enndadurcherfährtderLeserbzw.derZuhörer[inunseremFalltextloserBilderbücherderMitrezipient,L.S.,B.U.]nichtnur,wasdieFigurenmachen,sondernauch,wassiesagenunddenken.DesWeiterenwirdderRezipientveranlasst,einenPerspektivenwechselvorzunehmen,indemdieRedebeiträgedieSichtweisenverschiedenerFigurenvermitteln(Kümmerling-Meibauer/Meibauer2015:24).
WenneinemKindbeiderRezeptiontextloserBilderbücheralsoRedeund/oderGedankeneinerderhan-delndenFigurendargebotenwerden,kanndiesalseinspezifischerInputinHinblickaufdieAusbildungeinerliterarischenKompetenzbetrachtenwerden.Insbesonderedann,wenndiesinFormeinerzitierendenDarstellungerfolgt.DennhierbeiwirddieinnereWeltderFigurenauchsprachlichausderenPerspektivegeschildert.
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LiterarischesLernenwirdzusätzlichdadurchmöglich,dassdievomInteraktionspartnervorgeschlagenenInterpretationenüberGedanken,GefühleodergarRedewiedergabevondemKindimGesprächangenom-menoderauchabgelehntwerdenkönnen.Eineemotional-evaluativeMarkierungdesInteraktionspartnerskannalsobspw.beimgemeinsamenBetrachtendesBilderbuchsinFragegestelltwerden.Oderabereskanndarübergesprochenwerden,obeineRedewiedergabe,diederInteraktionspartnerdemKindanbie-tet,demKindsinnvollerscheint.DieRedewiedergabekanndanngemeinsammodifiziertoderaberverwor-fenwerden.DasKindkannsomitsichundseineeignenErfahrungenindenKonstruktionsprozesseinbrin-gen.Dadurch,dassdemKindPerspektivennarrativerFigurenangebotenwerden,wirddabeiaußerdemdiekognitiveEntwicklunginFormeinerTheoryofminddesKindesgefördert.GleichzeitigerfährtdasKind,dassliterarischeSinnbildungsprozessevielperspektivischsindunddamitunabgeschlossenbleibenkönnen(vgl.hierzuSpinner2006:47;Merklinger/Preußer2014).
InsprachlicherHinsichterfahrendieKinderbeidieserFormdergeschildertenInnenperspektiveetwasüberEinleitungskonstruktionenderRede-undGedankenwiedergabe(vgl.dazuausführlichKümmerling-Meibauer/Meibauer2015).SielernenalsodiesprachlichenMittelkennen,diesiebenötigen,umeineFigu-renperspektiveinihreeigenenErzähldiskursezuintegrieren.MitdiesemPerspektivwechsel,dersichinverschiedenenFormenderRede-undGedankenwiedergabeaufdersprachlichenOberflächeeinesDiskur-seszeigenkann,verknüpftistauch–wiebereitsanhanddesobenangeführtenBeispiel3verdeutlicht–einWechseldesdeiktischenSystems:InderwörtlichenRedeistdasAnredepronomen„du“aufeinenProta-gonistenderErzählungundnichtmehraufKindoder‚Vorleser‘zubeziehen.
WiedieseAusführungenverdeutlichen,gehenmitderPerspektivierungvonVorlesediskursenzutextlosenBilderbüchernalsodiverseliteraleLernmöglichkeiteneinher(füreinenÜberblickvgl.Mül-ler/Gressnich/Starki.D.),sodassliterarischeKompetenzenebensoangeregtwerdenkönnenwiekognitiveundsprachlicheFähigkeiten.AlldiesefrühenliteralenFähigkeitenspieleninsbesonderefürdiekindlicheNarrationsentwicklungeinegroßeRolle(vgl.Müller2012,2015;Gretsch/Sauerborn-Ruhnau2011).FürdieAusbildungeinerNarrationsfähigkeitkönnensiealsPuzzleteilebetrachtetwerden,dieKinderimLaufederEntwicklungzueinemgroßenGanzenzusammensetzenmüssen.
2.4PerspektivierungimÜberblick
AufderGrundlagederDarstellungenimvorangegangenenKapitelunterscheidenwirimFolgendenalsozwischenverschiedenenTypenvonnarrativerPerspektivierung,diesichinunterschiedlichenStrategiendeserwachsenenKommunikationspartnersmanifestieren:
Tabelle2:TypennarrativerPerspektivierungimÜberblick.
Typ Strategie Realisierungsemantischer
EinheitendurchdenErwachse-
nen
BezugzumBildimpuls
DeskriptiveBetrachter-perspektive
DerSprecherbeschreibtdas,wasaufdemBildzuerkennenist.EswerdennurBildpropositionenwie-dergeben.DersprachlicheInputbleibtreinanderOberfläche,dieBildimpulsewerdenwederemotionalinterpretiertnochwirdineineFigurenperspektiveinvolviert.DieverwendetenPronomendererstenundzweitenPersonsowieImperativebeziehensichaufdieInteraktanten.DasAdverb„da“wirdals„Lokali-sierungs-da“gebraucht.Rede-undGedankenwieder-gabeerfolgtnicht.EvaluativeMittelfehlen.
vorwiegendBild-propositionen
bildgestützteTextproduk-tion
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InterpretativeAußen-perspektive
DerSprecherbeschreibtdas,wasaufdemBildzuerkennenist.ZusätzlichversprachlichterSpekulatio-nenüberGedankenund/oderRedederabgebildetenFigureninindirekterForm.DerSprecherinterpretiertdasGeschehenzwar,indemerZusammenhängezwi-scheneinzelnenAbbildungherstellt,evaluativeMittelverwendetundsomitnaheInferenzenvornimmt;esfindetaberkeineInvolvierungdesRezipientenindieinnereWeltderFigurenstatt,sodassweiteInferenzenweiterhinseltenbleiben.
vorwiegendnaheInferen-zen
Übergangvonbildgestützterzubildinduzier-terTextpro-duktion
InvolvierendeInnen-perspektive
DerSprechergibteinenEinblickindasGefühlslebenundEmpfindenderFiguren,indemerweiteInferen-zenvornimmt,dabeiRede-undGedankenwiedergabezitierenddarstellt,affektiveMarkierungenvornimmtunddadurchindieinnereFigurenweltinvolviert.Deik-tischeAusdrückebeziehensichnichtaufdieOrigoderRezipienten,sondernaufdiederFiguren.
vorwiegendweiteInfer-enzen
bildinduzierteTextproduktionzurInvolvie-rungdesRezi-pienten
VordemHintergrunddieserSystematikstellensichfürunsereFallanalysennunfolgendeFragen:
− InwiefernnutztdererwachseneInteraktionspartnerbeiderVersprachlichungeinertextlosenBilder-buchvorlageinseinemandasKindgerichtetensprachlichenInputdieseunterschiedlichenStrate-gien?
− LässtsicheinZusammenhangzwischendenhierdargestelltenStrategienundoffenenvs.geschlos-senenVorleseformanten(vgl.Wieler1997)ausmachen?
− WelchederobenerläutertenliteralenLernmöglichkeitenlassensichindenVorlesegesprächenre-konstruieren?Inwiefernhängensiemitdenvom‚Vorleser‘verwendetenStrategienunddemVor-leseformatzusammen?
3.ZurDatenerhebung
3.1DasBilderbuchPicknickmitTorte
DastextloseBilderbuchbeispiel,dasalsGesprächsgrundlageindenhierzuanalysierendenVorlesegesprä-chengenutztwurde,heißtPicknickmitTorte,stammtvonThéTjongKhingundwirdvomVerlagfürvier-bissechsjährigeKinderempfohlen.Dieinsgesamt16Doppelseiten,diejedefürsicheinPanoramavoreinemkontinuierlichenHintergrundmitdenselbenCharakterendarstellen,könnenalsSequenzvonSzenenbe-trachtetwerden,diesichzueinerkohärentenEreignisseriezusammenfügen(vgl.Rémi2011:123).NebeneinerHaupthandlungverfügtdiesestextloseBilderbuchübervieleNebenschauplätze,sodasseseinerseitsÄhnlichkeitenmitdemTypdersog.Wimmelbücheraufweist,sichaberdurchdieEtablierungeinerHaupt-handlungauchdeutlichdavonunterscheidet.DieHaupthandlungbestehtdarin,dasszweiDorfbewohner,HerrundFrauHund,zweiTortengebackenhaben,diedieDorfgemeinschaftbeieinemgemeinsamenPick-nickessenmöchte.SobrichtdieganzeDorfgemeinschaftmitSackundPackunddenbeidenTorten,dieunterzweiFrischhalteglockenvermeintlichsicherverstautsind,aufzudemPicknickplatz,deraufeinerBergkuppeliegt.ObenangekommenstellendieTierefest,dassdiebeidenTortenverschwundensind,undesbeginnteinespannendeVerfolgungsjagd.ZunächststehenzweiRattenimVisier,dieTortengeklautzuhaben.Esstelltsichjedochheraus,dasseinFrosch,derimRollstuhlsitzt,mitseinerKomplizinderEchsedieTortenunterseinerDeckeversteckthat.NachderRückeroberungderbeidenTortenundderFestnahmederbeidenTortendiebekanndasPicknickbeginnen.DamitlässtsichdieHaupthandlungschematischfol-gendermaßendarstellen(bezugnehmendaufdasSchemavonLabov/Waletzky1967):
− Orientierung:VorbereitungenfüreingemeinsamesPicknickmitzweiTorten− Komplikation:dieTortensindverschwunden− Auflösung:dieTierefindendieTortebeiFroschundEchse,sodassdasPicknickmitTortenstattfin-
denkann
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DieseHaupthandlungwirdaufjederDoppelseitevonvielenNebenschauplätzenbegleitet(vgl.Starki.V.),diejederfürsicheineeigenekleineGeschichteerzählen,soz.B.übereinefeinePudeldame,diedurcheinenSturzindenFlussamEndegarnichtmehrsofeinist,dieKrankenschwester,dieselbstverletztwird,unddasHasenkind,dassaufjederSeiteeinbisschendickerwird,weileszuvieleLolliesisst.
DurchdiesenAufbaubirgtdasBuchmindestenszweigroßeHerausforderungenandieRezipienten:ZurErschließungderGeschichteisteseinerseitsnotwendig,dieHaupthandlungvondenNebenschauplätzenzuunterscheiden,undandererseitsmüssendieeinzelnenMomentaufnahmen,diedieaufeinanderfolgen-denDoppelseitendarstellen,ohnedieHilfeeineskohärenzstiftendenTextesineinensinnvollenZusam-menhanggebrachtwerden.DieseSchwierigkeitbeschreibtKruse(2015:27)zusammenfassendmitdenWorten:„BeimdurchausungewohntenBetrachteneinertextlosenBilderbuchfolge[...]istderGenuss,deneinespannendeundguterzählteGeschichtebietet,erstdannzuhaben,wennderBetrachterselbstdieBildersinnstiftendmiteinanderverbindet."JejüngerdasKindist,umsomehristesbeidiesenkognitivenHerausforderungenaufeinenkompetentenPartnerangewiesen,derihnbeiderRezeptionbegleitetundmitihmgemeinsamdieGeschichteverbalentwickelt,d.h.derGeschichteaucheinesprachlicheFormver-leiht.ZentralfürdieseFormsinddieobengenanntenEckpunktedernarrativenHaupthandlung.Vonbe-sondererBedeutungfürdienarrativeAusgestaltungdervisuellenVorlageistdieKomplikation(La-bov/Waletzky1967),dieindemFehlenderTortenbeidemPicknickbesteht.IndennachfolgendenAnalysenwerdenwirunsaufdiesprachlicheRealisierungebendieserKomplikationkonzentrieren.
3.2DatenmaterialundProbanden
InsgesamtlagenderAnalyse22VorlesegesprächezudemtextlosenBilderbuchzugrunde,diedemDaten-korpusvonStark(i.V.)entstammen.SiewurdenvondenElternselbstständigaudio-undvideografiertundnachdenKonventionenvonGAT2fürBasistranskripte(vgl.Seltingetal.2009)verschriftlicht.AusdemvorhandenenDatenmaterialwurdenfünfGespräche,dieinHinblickaufdieVersprachlichungderKomplika-tionalsprototypischerachtetwurden,ausgewähltundanalysiert.
AlleVorlesegesprächefindenzwischenjeweilseinemElternteilundeinemKindstatt.BeidenKindernhan-deltessichumeinen2;6JahrealtenJungen(Franz3),ein2;3JahrealtesMädchen(Joana),ein3;0JahrealtesMädchen(Claudia)sowieumein4;0JahrealtesMädchen(Christina)undeinen5;6JahrealtenJungen(Silas).DieEltern–vierMütterundeinVater–habenalleeinenakademischenAbschluss,sodasssieindie-serHinsichtalssozialprivilegierterHerkunftzubeschreibensind.DarüberhinausverfügensiealleüberpädagogischeBerufserfahrungen.
4.DurchführungderAnalysenanhandvonFallbeispielenImNachfolgendenstellenwirunsereexemplarischenAnalysenderfünfausgewähltenFällevor.Zurbesse-renÜbersichtnehmenwirandieserStellebereitsunsereErgebnisseinHinblickaufdievonden‚Vorlesern‘realisiertenVorleseformatevorweg:
− OffeneVorleseformate,indendenendasKindindenKonstruktionsprozesseingebundenwird,fin-densichindenGesprächenmit:Claudia,SilasundJoana.
− GeschlosseneVorleseformate,indenendenKindernkaumRaumfüreigeneGesprächsbeiträgezuge-standenwird,findensichindenGesprächenmit:ChristinaundFranz.
EntsprechenddieserEinteilungstellenwirzunächstdieAnalysenzudenoffenen,anschließenddiezudengeschlossenenVorlesegesprächenvor.
3UmdieAnonymitätderProbandenzugewährleisten,werdenwedervondenKindernnochvonderenElterndietatsächli-chenVornamenverwendet.
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4.1OffeneVorleseformate
DaserstehierzuanalysierendeVorlesegesprächfandzwischenClaudiaundihrerMutterstatt.AlszweitesoffenesVorleseformatkanndieInteraktionzwischenSilasundAlinaangeführtwerden;alsdrittesBeispielfungiertdasGesprächzwischenJoanaundTine.ZwischendendreiFällenlassensichhinsichtlichdernarra-tivenPerspektivierungdeutlicheUnterschiedefeststellen,diewirnunherausstellen.
4.1.1ClaudiaundSina:deskriptiveBetrachterperspektive
ClaudiaundihreMutterarbeitendieKomplikationdestextlosenBilderbuchesfolgendermaßenauf:
134 Sina: die haben eine picknickdecke und dann ganz viele teller und 135 beste:ck. 136 (--) und dann wollen die alle zusammen sich hier hinsetzen und 137 picknicken. 138 das heißt zusammen essen, 139 und singen und lustig sein und reden. 140 (1.0) und dann? 141 was entdecken die denn hier? 142 (0.9) 143 Claudia: weiß ich nicht. 144 Sina: was war denn unter dem teller, 145 weißt du das noch? 146 (1.8) ja war da nicht eigentlich die torte drin? 147 Claudia: (-) doch. 148 Sina: (-) oh, 149 und wo ist die torte jetzt? 150 (1.1) ((erschrocken)) oh::. 151 (0.6) guck mal. 152 (2.1) boah, 153 (--) alle gucken. 154 (1.3) wo ist die torte denn hin? 155 haben wir das ver haben wir das verpasst? 156 Claudia: weiß ich nicht. 157 Sina: ich weiß auch nicht, 158 wo die torte ist, 159 claudi. 160 ((seitengeraschel)) (1.7) oh je mine, 161 ein GRO:ßes tohuwabohu. 162 (1.3) 163 Claudia: was? 164 Sina: guck mal, 165 alle kämpfen ein bisschen und schreien. 166 (0.5) vielleicht sagen die sowas wie, 167 hey, 168 hast du die torte weggenommen? 169 (0.8) nee. 170 du? 171 hast DU die torte weggenommen? 172 (1.0)
Transkriptausschnitt4:DeskriptiveBetrachterperspektiveimoffenenVorleseformatbeiSinaundClaudia–TeilI.
IndemTranskriptausschnittzeigtsichanhandverschiedenerMerkmale,inwiefernClaudiasMutterdarumbemühtist,dasVorlesegesprächmöglichstinteraktivzugestaltenundihreTochterindieKommunikationeinzubinden:EinesdieserMerkmaleistdieErklärungderMutterindenZ.138f.:Sieverwendetindervor-hergehendenZ.inAnlehnungandenTiteldesBilderbuchsdasVerb„picknicken“.Siescheintdavonauszu-gehen,dassdiesesVerbihrerTochternichtgeläufigist,sodasssieerklärt,wasdamitgemeintist.Einesol-cheFeinanpassung,dieVerständnisschwierigkeitendesKindesantizipiert,lässtdaraufschließen,dassdieMutterdenEntwicklungsstandihresKindesreflektiertundihmaufdieserGrundlagedieTeilnahmeanderVorleseinteraktionerleichternmöchte(vgl.Gressnich/Stark2015).EinweiteresMerkmaldesvorliegendenAusschnitts,dasdasoffeneVorleseformatzumAusdruckbringt,sinddieFragen,diedieMutteranihreTochterrichtet(z.B.Z.140f.,145,149,154).BesondersexplizitwirddieinteraktiveHaltungderMutterin
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denZ.155ff.,indenendiegemeinsameBetrachterperspektivevonMutterundTochteraufeinerme-takommunikativenEbenethematisiertwird.Beidestellenfest,dasssichihnendasVerschwindenderTorteimBilderbuchgeschehennichterschließt.AndiesenmetakommunikativenAbschnittanschließendwirdeineBilderbuchseiteumgeblättertundderFortgangderGeschichteaufderdarauffolgendenSeiteindenBlickgenommen.ZunächstwirddieseSeitevonderMutterals„großesTohuwabohu“zusammengefasst.DieseWortwahlveranlasstdieTochterzueinerRückfrageinZ.163,sodassdieMutterindendarauffolgen-denZeilenerklärt,wassiezudieserEinschätzungveranlasst.ImBildsinddieFigurenmitoffenenMündernundwildgestikulierendzusehen,wasdieMutterinFormeinerunspezifischenRedewiedergabe„alle[…]schreien“(Z.165)verbalisiert.AnschließendleistetdieMuttereineweiteInferenz,indemsiesiedieseun-spezifischeRedewiedergabeinFormeinerzitierendenRededarstellung(Z.167-171)ausgestaltet.AllerdingsistdieEinleitungdieserzitierendenRededarstellungdurchzogenvonUnsicherheitsmarkierungen(„viel-leicht[…]sowaswie“,Z.166),wodurchdieMutterzumAusdruckbringt,dassdieseInformationenimBildnichtsodetailliertbzw.explizitübermitteltwerden,wieihreInferenzesnahelegt.DieInferenzenwerdensomitrelativiert:DerFokusdesGesprächsbleibtsehrnahandenBildimpulsen.Diesveranlasstunsdazu,diesenGesprächsabschnittalsdeskriptiveBetrachterperspektivezuklassifizieren:ZwarversuchtdieMut-ter,ClaudiavoneinerreinbeschreibendenPerspektiveaufdieBilderunddamitvonihrerBetrachterper-spektivezulösen,jedochgeschiehtdieseLösungundgleichzeitigeHinwendungzueinerInnenperspektivenurunterVorbehalt.DieserVorbehaltäußertsichgeradedarin,dassdieEinnahmeeinerInnenperspektivemitUnsicherheitenverbundenist,diedieMutterexplizitmacht.
AndiesenAbschnittdermitUnsicherheitsmarkierungenversehenenzitierendenRededarstellungschließtsicheineGesprächssequenzan,diezeigt,dassdasKinddenPerspektivwechsel,derdamiteinhergeht,nichtnachvollziehenkann.WährendimvorherigenVerlaufdesinteraktiv-dialogischenVorlesegesprächsdasPronomen„du“aufdieTochterClaudiaverweist(z.B.Z.145),istdiesesPronomenbeiderzitierendenRe-dedarstellunglosgelöstvonderKommunikationssituationzwischenMutterundTochterundstattdessenausderFigurenperspektivezubetrachten.
173 Claudia: (leise) nein. 174 Sina: (0.7) nee, 175 warst du nicht, 176 ne, 177 claudi?
Transkriptausschnitt5:DeskriptiveBetrachterperspektiveimoffenenVorleseformatbeiSinaundClaudia–TeilII.
WieinZ.173deutlichwird,fühltsichdasKinddurchdasPronomen„du“inZ.171,dasdieMutterbesondersbetont,angesprochen,weilesihmnichtgelingt,denPerspektivwechselderMutterzubegreifen.Evtl.könntediesdamitzusammenhängen,dassderÜbergangvonBetrachter-zuInnenperspektivezuabruptgeschieht.InnerhalbderZonedernächstmöglichenEntwicklungvonClaudiawäredieEinnahmeeinerAu-ßenperspektivedemobengeschildertenEntwicklungsverlaufgemäßzunächstnaheliegender.
DieMuttererkenntjedoch,dassdasKinddenPerspektivwechselnichtnachvollzieht,undkehrtdaherun-vermitteltzuderursprünglichenPerspektivezurück,indemdasPronomen„du“aufdieTochterverweist.
Eswirddadurchdeutlich,dasshierwedereineinterpretativeAußenperspektivenocheineinvolvierendeInnenperspektiveetabliertwird,inderdemKindüberdievisuelleDarstellunghinausgehendeInformatio-nenüberInferenzenzugänglichgemachtwerden.
4.1.2JoanaundTine:interpretativeAußenperspektive
ImFolgendenanalysierenwirdiezweiteoffeneGesprächssituation.AuchbeiderVorlesesituationvonTineundJoanawirddieKomplikationdialogischverarbeitet:
346 Tine: und was machen die hier, 347 joana? 348 (5.0) was, 349 was machen die da?
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350 Joana: das da. 351 Tine: ja was ist das, 352 eine? 353 (1.3) 354 Joana: KRO:ne. 355 Tine: das ist eine KROne? 356 (---) ((lachend)) das ist eine DECKe. 357 eine decke, 358 die sie ausbreiten, 359 ne? 360 (2.5) guck. 361 die wird ausgebreitet. 362 dann können die ihr picknick machen. 363 (1.2) [alle] allen freuen sich. 364 Joana: [JUHU.] 365 Tine: ja genau, 366 JUHU, 367 alle freuen sich. 368 (5.7) HA::, 369 und(0.8) DA:. 370 ach du je, 371 siehst du, 372 was da passiert? 373 (---) jetzt haben die die TORtenplatten da hingestellt, 374 und wollen die torten aufmachen, 375 und da ist nichts mehr. 376 °hhh, 377 (---) unter den torten (---) deckeln ist nichts mehr. 378 GAR nichts mehr. 379 da müssten aber eigentlich zwei torten sein. 380 alle haben sich doch auf die torten gefreut. 381 (---) guck mal, 382 wie die sich alle erschrecken. 383 (---) °hhh, 384 guck mal, 385 °hhh (--) den mund auf. 386 (---) alle. 387 (--) OH::: je. 388 (-) den GANZen ANstrengenden weg haben sie hinter sich gebracht. 389 (1.2) und am ende (---) gibts keinen kuchen. 390 (1.0) oh je.
Transkriptausschnitt6:InterpretativeAußenperspektiveimoffenenVorleseformatbeiTineundJoana.
IndemTranskriptausschnittwirddiedialogischeStruktursehrgutdadurchdeutlich,dassTineJoanaimmerwiederversucht,durchFrageneinzubinden(Z.347,Z.352,Z.355,Z.372),undvielePausenmacht(Z.348,Z.353,Z.360,Z.368).ZuBeginnderhiergezeigtenInteraktionbleibtdasGesprächnochstarkaufdieBe-trachterperspektivebeschränkt:Übereinlokales„da“(Z.349)undeineAufforderung(„guck“,Z.360)wirdjeeinDarstellungsdetaildesBildesfokussiert.InZ.363löstsichTinedannabervondemBildimpuls,indemsieeinenaheInferenzvornimmtundbeschreibt,dasssichdieabgebildetenPersonenfreuen(wiedemBildmaterialanhanddernachobengezogenenMundwinkeldermeistenTierezuentnehmenist).JoanateiltdieseInterpretation,siewiederholtzustimmend„JUHU“(Z.364),wasTineaufgreift(Z.365ff.).ImFolgendenmoderiertdieErwachsenedieKomplikationan,indemsieabermalsübereindeiktisches„da“(Z.369),dasaufJoanabezogenePersonalpronomen„du“undeinPerzeptionsverb(„sehen“Z.371)dieAuf-merksamkeitdesKindesaufdasFehlenderTortenlenkt.ÜberdieReaktionenderTiereaufdiesenVerlustspekuliertdieMutteranschließend(Z.382).DabeiwirdalsoabermalseinenaheInferenzleistungvorge-nommen.
IndieseroffenenVorlesesituationwirdkeineFigurenrederealisiert.EineinvolvierendeInnenperspektiveisthieralsonichtausmachbar.Die‚Vorleserin‘löstsichaberstellenweisevonderreinenBildpropositionundnutztnaheInferenzen,indemsievisuelleInformationenderBildvorlageaufgreiftundinterpretiert,sodasseineinterpretativeAußenperspektivevorliegt.
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4.1.3SilasundAlina:involvierendeInnenperspektive
AuchSilasundseineMutterAlinaverarbeitendieKomplikationalsdrittesInteraktionspaardialogischinRahmeneinesoffenenVorleseformats:
192 Alina: (2.0)ah. 193 (---) jetzt will er hier die torten hochheben, 194 (1.4)die torten zeigen, 195 (-) aber sie sind überhaupt nicht da. 196 (--) oh gott, 197 oh gott, 198 oh gott, 199 die sind alle erschrocken. 200 (---) SCHOckiert. 201 (0.7) 202 Silas: was sind wo sind alle torten? 203 Alina: guck mal, 204 die reißen alle den mund auf, 205 weil die sich so erschrecken, 206 weil da keine torte ist.
Transkriptausschnitt7:InvolvierendeInnenperspektiveimoffenenVorleseformatbeiAlinaundSilas–TeilI.
IndiesemAusschnittfallenzunächstdiePausenauf(Z.192,194und201).DiePauseinZ.201nutztSilas,indemerseineMutternachdemVerbleibderTortenfragt.SilaswirdalsoindiesemoffengestaltetenVor-leseformatindieErzählungeingebunden.UmdieseIntegrationzuerreichen,nutztdie‚Vorleserin‘einebestimmteStrategie:SiegibtEinblickindieGefühlsweltderFiguren,indemsiedieAbbildungbeschreibt(Z.195:„abersiesindüberhauptnichtda“)undinterpretiert.DieseInterpretationenvollziehtsie,indemsiedreimalüberdenAusruf„ohgott“markiert,dassetwasSchlimmespassiertist.DerAusrufwirdinderVor-lesesituationnichteinerFigurzugeordnet,sonderndientdazu,SilasdieInterpretationderSituationalsschlimmzukommunizieren.VerstärktwirddieseInterpretationdadurch,dassimFolgendenevaluativeMittelverwendetwerden(z.B.Z.199undZ.205„erschrocken“bzw.„erschrecken“).DaranschließtsicheinAbschnittan,indemdieMutternochmalsdasVerwindenderTortemitdenWorten„ohgott“kommen-tiertundzitierendeRededarstellung,d.h.weiteInferenzenverwendet:
207 Alina: (--) die wollten doch n picknick mit ner torte machen. 208 (--) so heißt ja das ganze buch. 209 und alle gucken SCHOckiert. 210 oh gott, 211 oh gott, 212 was passiert jetzt? 213 °hhh, 214 guck mal, 215 jetzt streiten sich alle. 216 (---) ich hab die torte nicht. 217 du hast sie doch bestimmt. 218 NEIN. 219 DU. 220 der frosch schreit, 221 die beiden MÄUse, 222 die beiden MÄUse haben die ähm, 223 torten geklaut.
Transkriptausschnitt8:InvolvierendeInnenperspektiveimoffenenVorleseformatbeiAlinaundSilas–TeilII.
DieRedewiedergabeinZ.216„ichhabdietortenicht“undderanschließendeDialog(bisZ.220)istdieers-tezitierendeRededarstellungimVorlesegespräch.Siewirdgewissermaßeneingeleitetdurchdievorherge-hendeBildbeschreibung(Z.209).AlinarealisiertihrenVorlesediskursdementsprechendinFormeinerin-volvierendenInnenperspektive.
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4.2geschlosseneVorleseformate
WendenwirunsimFolgendendengeschlossenenVorleseformatenzu,diesichimGegensatzzudenvo-rangegangenenBeispielendadurchauszeichnen,dassdieGeschichten(re)konstruktionkeinengemeinsa-meninteraktiv-dialogischenProzesszwischen‚Vorleser‘undKinddarstellt.Anstelledessennimmtüber-wiegendderErwachsenedieRolledesTextproduzentenein.
4.2.1FranzundSimone:interpretativeAußenperspektive
IndemerstenBeispiel,derInteraktionvonFranzundseinerMutter,wirddieKomplikationfolgendermaßenaufgearbeitet:
042 Simone: (4.7) und dann sind sie oben angekommen, 043 (1.4) und bereiten das picknick vor. 044 (2.0) ABER; 045 (1.0) UI. 046 (-) die torten sind weg. 047 (0.7) 048 Franz: wo sind die [denn?] 049 Simone: [irgend]jemand hat die torten geklaut. 050 (2.4) und jetzt ärgern sie sich alle ganz doll, 051 dass die torten geklaut sind. 052 und schimpfen (-) miteinander. 053 und streiten sich.
Transkriptausschnitt9:InterpretativeAußenperspektiveimgeschlossenenVorleseformatbeiSimoneundFranz.
AuffallendistandenGesprächsimpulsenderMutterdersehrstarkzusammenfassendeCharakter:DasGe-sprächzwischenderMutterundFranzisteinesderkürzestendesgesamtenKorpus‘.DieAusführungenvonSimonesindaufdasWesentlichereduziert,d.h.esfehlenBeschreibungenderDetailsderAbbildung,diesiegemeinsammitihremSohnbetrachtet.AllerdingsgibtdieMutterindirektmittelsunspezifischerRedewiedergabeinFormvonexpressivenVerbenindenZ.050–053EinblickindieGefühlsweltderFiguren(schimpfen,streiten).ImUnterschiedzuanderenVorlesenden,wiez.B.obenClaudiasMutter,werdendie-seEinblickeaberohnedirekteBezügeaufdieAbbildungversprachlicht.InderAbbildungwirdbspw.derÄrgerderTieredurchgeballteFäuste,emporgestreckteArmeundweitaufgerisseneMünderdargestellt.AnstattdiesevisuellenImpulseimEinzelnenaufzugreifenundeinerPersonzuzuordnen,werdendiesevi-suellwahrnehmbarenDetailsinderVersprachlichungderMutterzusammenfassenddargestellt(Z.50:„undjetztärgernsiesichalleganzdoll“).ZitierendeRede-oderGedankenwiedergabewirdvonderMutternichtgenutzt.
EinweiteresCharakteristikumdesVorleseverhaltensdieserMutteristdieMonologizitätihresDiskurses.DasKindwirdvonderMutterkauminteraktivindenVorleseprozesseingebunden.ExemplarischdafürstehtdieReaktionderMutteraufdieÄußerungdesKindesinZ.048.BevoresseineFrageausformulierthat,nimmtdieMutterdenFadenihrerErzählungwiederauf,ohnedemKindzuantworten.Dieseman-gelndeinteraktiveEinbettungwirdauchdadurchdeutlich,dassdieMutterimgesamtenVorlesegesprächkeinesderPronomenduoderwirverwendet.AuchdasPronomenich,dasaufdie‚Vorleserin‘undderenRezeptionsprozessbzw.-perspektiveverweisenkönnte,wirdvonderMutterwährenddesgesamtenGe-sprächsnichtverwendet.DieeinzigenmetakommunikativenHinweiseimgesamtenDiskurssind„guckmal“und„schaumermal“.
InsgesamtistdiegesamteGesprächssituationalssehrnarrativstrukturiertzubeschreiben,indemsichSi-moneinderebenanalysiertenzusammenfassendenArtundWeiseaufdiewichtigstendreiStationendernarrativenHandlungkonzentriert.EslassensichalsofolgendeCharakteristikadiesesFallesfesthalten:DieMutternimmteinegewisseperspektivischeDistanzzudenAbbildungendesBuchesundeinekommunika-tiveDistanzzuihremKindein,indemsieihrenDiskurssehrstarkaufdieKernelementedernarrativenHand-lungfokussiert.DabeiwerdenkaumdetaillierteBeschreibungendessen,wasaufdenBildernerkennbarist,alsoBildpropositionen,vorgenommen.AufdiegemeinsameRezeptionssituationunddieRezeptionsper-spektivedesKindeswirdnichteingegangen.DiestarkzusammenfassendenBeschreibungenwerdendannallerdingsdurchausvonSimoneinterpretiert:HierzudienendieobenanalysiertenevaluativenElemente
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(expressiveVerbenundemotionaleAdjektive).DieMuttergehthieralsoübereinereineBetrachterper-spektivehinausundinterpretiertdasGeschehen,indemsienaheInferenzenvornimmt.DieslässtunszudemSchlusskommen,dasshiereineinterpretativeAußenperspektivevorliegt.DasVorhandenseineinerinvolvierendenInnenperspektivekannausdengenanntenGründenausgeschlossenwerden.DasstärksteArgumentgegeneineinvolvierendeInnenperspektiveistdasNicht-VorhandenseinvonzitierenderRede-undGedankenwiedergabe.
4.2.2ChristinaundHorst:involvierendeInnenperspektive
EineweiteregeschlosseneVorlesesituationistdieInteraktionzwischenChristinaundihremVater:225 Horst (1.2) und herr hund sagt, dödödödöm, 226 es GIBT torte, 227 aber °hhh (erschrocken) alle gucken ganz entsetzt. 228 (0.5) Ü:::b, 229 die teller sind zwar schon ausgepackt, 230 ABER es ist keine torte mehr da. 231 (0.8) WER hat die torte geklaut? 232 (--) oder haben sie die verloren? 233 (1.2) alle sind entsetzt. 234 sprechen durcheinander. 235 sagen, 236 hey, 237 hast du die torte gesehen? 238 (0.9)hast DU die torte gesehen? 239 oder DU die torte gesehen, 240 hast du die torte gegessen? 241 das gibts doch nicht. 242 (2.7) und dann schreit (1.1) dann kriegen sie schreien sich alle an, 243 DU hast die torte gegessen, 244 nein DU, 245 nein DU. 246 du hast die torte gegessen. 247 NEIN. 248 aber die torte muss doch da sein, 249 schreit herr hund. 250 und der andere herr hund sagt, 251 MENSCH, 252 wer hat denn die torte? 253 DAS IST GEMEIN. 254 und herr frosch sagt, 255 (0.6) guckt mal, 256 die beiden ratten. 257 (--) die haben bestimmt die torte geklaut und in den sackgepackt. 258 (2.6) SCHNELL, 259 wir wollen unsere torte zurück. 260 (1.1) und auf einmal sind alle still. 261 und schreien (1.1) rufen (0.6) habt IHR die torte geklaut? 262 habt IHR die torte geklaut? 263 und auch die eidechse und der frosch sagen, 264 die ratten, 265 die haben die torte. 266 ihr habt die torte.
Transkriptausschnitt10:InvolvierendeInnenperspektiveimgeschlossenenVorleseformatbeiHorstundChristina.
DieserAusschnittzeigt,wiewichtigdieProtagonistenperspektivezurInszenierungeinerKomplikationist:InZ.225und226wirdzunächstübereinverbumdicendi(„sagt“)einewörtlicheRededesHundesanmode-riert(„dödödödöm,esgibtTorte“).DannfolgtinZ.227einestarkeevaluativeMarkierunginFormeinerInterjektion(„°hhh“).DerErwachsenebeschreibtimFolgenden,dassalleentsetztgucken,weildieTortefehlt.Durchdie„zwar–aber“-Konstruktion(Z.229–230:„dietellersindzwarschonausgepackt,ABEResistkeinetortemehrda“)verstärktderErwachsenedieKomplikationzusätzlich.IndenZ.231–232und236–241kommteszueinemintensivenGebrauchderwörtlichenRede,umdieSituationweiterzudramatisieren.
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DererwachseneInteraktionspartnerlöstsichinFormvonweitenInferenzenalsofastvollständigvonderbildlichenVorlage:ErvollziehteineInterpretationdesGeschehensausderSichtderbeteiligtenFiguren(Z.233:„allesindentsetzt“)–zusätzlichverstärkterdieseInterpretationnoch,indemereinepassendezitie-rendeRedewiedergabeinszeniert.DasEntsetzenderFigurenüberdasplötzlicheVerschwindenderTortewirdüberdiewörtlicheRedefürdasKindszenischerfahrbar.ÜberdieseRedewiedergabenvollziehtdererwachseneInteraktionspartneralsoeineemotionaleInvolvierungmitdenanderSzenebeteiligtenFigu-ren,diemitBouekeetal.(1995)alsweiteInferenzbezeichnetwerdenkann.
DerVaterlöstsichalsodeutlichvonseinerRollealsBildrezipient,indemernichtnurdieunmittelbarwahr-nehmbarenBildinformationenverbalisiert,sondernnaheundweiteInferenzenvornimmt.DieswirderstensdurchdashäufigverwendeteliterarischeMittelderzitierendenRededarstellungdeutlich,dieimRahmeneinerbildgestütztenErzählungnichtzuerklärenist:DieAbbildungenimBilderbuchgebenkeinerleiAus-kunftüberdenWortlautderGespräche,diedurchdiegeöffnetenMünderundentsprechendeGestenna-hegelegtwerden.TrotzdemistdieErzählungdesVaters,wiegezeigt,gespicktvonDialogen,diedieFigu-renuntereinanderführen.DiesewörtlicheRedewiedergabezeugtdavon,dassderVatersichvonseinerRezipientenperspektivelöstundstattdessendurchdasVornehmenweiterInferenzeneinebildinduzierteTextproduktionvornimmt.
Zweitensverwendetder‚Vorleser‘evaluativeMittelinFormvon„VerbenderinnerenVorgänge“(Hambur-ger1968:78),dieinderdrittenPersonalsSignalfürFiktionalitätfungieren:SoisteineevaluativeAussage,wiesieinZ.233vorliegt,ausderRezipientenerspektivedes‚Vorlesers‘herausnichtplausibelzuerklären,sodasssieebenfallsalsweiteInferenzbetrachtetwerdenkann.DementsprechendliegtdemVorlesediskursdesVaterseineinvolvierendeInnenperspektivezugrunde.
DiesePerspektivierunggehtindemVorlesegesprächmiteinerausgeprägtenMonologizitäteinher.DiegesamteKomplikation,diesichüberfastdreiMinutenerstreckt,wirdvomerzählendenVatermonologischelaboriert–ohnedenVersuch,dasKindindieErschließungderGeschichteinteraktiveinzubinden.Dement-sprechendliegtdemvorliegendenAbschnitttrotzderTextlosigkeitdesBilderbuchseinegeschlosseneVorlesepraxiszugrunde,wiesiesonsteherbeiderRezeptiontexthaltigerBilderbüchergepflegtwird.
5.ZusammenfassungderErgebnisse:Vorleseformate,narrativePerspektivierungundlitera-leLernmöglichkeitenWiedieÜberlegungenausdemvorangegangenenAbschnittzeigen,kommendiezuvoranalysiertenver-schiedenenTypendernarrativenPerspektivierung,diedieErwachsenenvornehmen,sowohlinoffenenalsauchingeschlossenenVorleseformatenvor.HierdeutetsicheinwichtigerBefundan:Beidemgemeinsa-menBetrachtenunddemBesprechenvontextlosenBilderbüchernhängt–zumindestinunserenDaten–dasVorleseformatnichtzwangsläufigmitderRealisierungeinerbestimmtenPerspektivierungzusammen.DasLoslösenvoneinerreinbildgestütztenTextproduktionhinzueineremotionalenInvolvierungdesKin-desdurchdasFolgernvonnahenundweitenInferenzenistalsosowohlinmonologisch(HorstundChristi-na)alsauchindialogisch(AlinaundSilas)organsiertenGesprächenmöglich.EbensokannaberaucheinebildgestützteWiedergabevonBildpropositionenunddasVornehmennaherInferenzeninoffenensowieingeschlossenenGesprächenstattfinden.LediglichfürdieKombinationausgeschlossenemVorleseformatunddeskriptiverAußenperspektivehabenwirindenunsvorliegendenDaten–ggf.aufgrundderprivile-giertensozialenHerkunftderProbanden–keinBeispielgefunden:
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Tabelle3:TypennarrativerPerspektivierungindenanalysiertenBeispielen.
OffenesVorlese-format(Kommu-nikativeIntegrati-ondesKindes)
GeschlossenesVorlese-format(keinekommuni-kativeIntegrationdesKindes)
LiteraleLernmöglichkeiten
DeskriptiveBe-trachterperspektive
SinaundClaudia -- AufbauvonnarrativenHandlungswissen(=Orientierung–Komplikation–Auflösung)
InterpretativeAu-ßenperspektive
TineundJoana SimoneundFranz EinblickeindasInnenlebensowieHandlungsmotivevonFigurenbegreifen(Theoryofmind)
InvolvierendeIn-nenperspektive
AlinaundSilas HorstundChristina VerstärkteemotionaleIn-volvierungindasGesche-hen.SprachästhetischeAusgestaltungvonHand-lungsmotiven,GedankenundGefühlenderFiguren
AbschließendmöchtenwirinunseremBeitragmöglicheLerngelegenheitenfürKinderaufzeigen,diemitdemjeweiligenTypdernarrativenPerspektivierungzusammenhängen.BeiderBetrachtungderDatendeu-tetessichan,dassdererwachseneInteraktionspartnerseinenandasKindgerichtetensprachlichenInputjenachEntwicklungsstanddesKindesvariiert4:BeidennochsehrjungenKindernFranz(2;6),Claudia(3;0)undJoana(2;3)werdenlediglichBildpropositionenundnaheInferenzenwiedergegeben.DieliteralenLerngelegenheiten,diehiergeschaffenwerden,ermöglichenesdemKind,einzelneEreignissederBilder-buchgeschichte(wiebspw.dieKomplikation)indienarrativeSuprastrukturzuintegrieren.Einprototypi-schesBeispielhierfüristdasGesprächvonSimoneundFranz:HierliegtderFokusklaraufeinerzusammen-fassendenRekonstruktiondernarrativenKernhandlung.DieserTypdernarrativenPerspektivierungstelltdenKindernalsovoralleminHinblickaufdenAufbauvonTextmusterwissenunddasHerleitenvongloba-lerKohärenzeinenspezifischenInputzurVerfügung.EinzustarkerEinblickindasInnenlebeneinzelnerFigurenwürdedieLernendenandieserStellevermutlichüberfordern(siehedazubspw.dasGesprächvonSinaundClaudia).WennesderEntwicklungsstanddesKindeszulässt,findensichvereinzeltnaheInferen-zen–dasgeschieht,wenndererwachseneInteraktionspartnerindieinterpretativeAußenperspektivwechselt.HierwirdschonvereinzelndeinEinblickindieHandlungsmotivederFigurengegebenunddasInnenlebenangedeutet.EinedetaillierteWiedergabevonGefühlen,GedankenundGesagteninFormwei-terInferenzenfindetjedocherstbeiälterenKindernstatt(Christina4;0undSilas5;6).HierlässtesderEntwicklungsstandderKinderanscheinendzu,dasssichderErwachsenefastkomplettvonderBildvorlagelöstundDialogeundGedankenderFigureninszeniert.DabeiwerdenfürdasKindalsovielfältigeliteraleLernangebotegeschaffen,PerspektivenvonFigureneinzunehmenundineinenarrativeHandlungslogikzuintegrieren.EingutesBeispielhierfüristdieGesprächssituationzwischenAlinaundSilas:ÜberdieindeminszenierteRedewiedergabeabZ.216wirdinFormeinerweitenInferenzeineLerngelegenheitgeschaffen,dieesdemKindermöglicht,sichindiePerspektiveeinerFigurhineinzuversetzen:„ichhabdietortenicht.-duhastsiedochbestimmt.-NEIN.-DU.“ DasKindkannhierbeimöglicherweiselernen,dassdas„du“nichtaufihnalsInteraktionspartnerinnerhalbderVorlesesituationbezogenist,sondernaufeineFigurin-nerhalbderErzählung.MitderRedewiedergabevollziehtAlinaalsoeinenWechselhinzueinerinvolvieren-denInnenperspektive.IndieserInnenperspektivewirddemKindeinePartizipationandemInnenlebenderanderErzählungbeteiligtenFigurenermöglicht.EinbesondererFokusliegthierbeiaufdersprachästheti-schenAusgestaltungvonHandlungsmotiven,GedankenundGefühlenderFigurenineinerForm,dieeine4AndieserStellemussdaraufhingewiesenwerden,dassdieimFolgendenskizziertenÜberlegungenaufderGrundlagedespräsentiertenDatenmaterialsvorgenommenwurden–umfallübergreifendSchlüsseziehenzukönnen,wärederEinbezugweitererempirischerForschungsergebnissevonNöten.
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dramenhafteCharakteristikaufweist(schnelleWechselredederProtagonistenundbewussteingesetzteIntonation).DaszeigtdasebenangeführteBeispielsowiedasVorlesegesprächvonHorstundChristinaabZ.243f.:„DUhastdietortegegessen.-neinDU,-neinDU,-duhastdietortegegessen.-NEIN“.
6.SchlusswortAusunserenAnalysengehtklarhervor,dassVorlesegesprächezutextlosenBilderbüchernstrukturelleEi-genschaftenundsprachlicheMerkmaleaufweisen,diesiealsspezifischenInputfürdenkindlichenErzähl-erwerbauszeichnen.Siebetreffensowohlliterarische,sprachlicheundauchkognitiveAnforderungen,mitdenendieKinderindenuntersuchtenVorlesegesprächenkonfrontiertwerden.Dabeiisthervorzuheben,dassdieseAnforderungenaufderGrundlagedesHandlungsspielraums,dentextloseBilderbücherdemerwachsenen‚Vorleser‘zurVerfügungstellen,vom‚Vorleser‘graduellandenEntwicklungsstanddesKin-desangepasstwerdenkönnen.DieseRücksichtnahmedererwachsenenInteraktionspartnerbetrachtenwiralsSteigbügelfürdiekindlicheRezeptionundProduktionvonSchriftsprache,insbesondereinFormvonErzählungenundliterarischenTexten.
Zusammenfassendgehenwiralsodavonaus,dassliteralesLernenbeiderRezeptiontextloserBilderbücherfürKinderdurchausmöglichist.AuchwennodervielleichtauchgeradeweildieseKommunikationssituati-onzwischen‚Vorleser‘undKindzunächsteinmalunterBedingungenstattfindet,diefürkonzeptionellmündlicheSprachecharakteristischsind.
SicherlichsolltendieBefundeunsererexemplarischenAnalysenanhandgrößererFallzahlen,andererBild-bücherundheterogenererProbandengruppenüberprüftwerden.Außerdemwirdzuhinterfragensein,obdieStrategien,diewirbeiunseren‚Vorlesern‘feststellenkonnten,aufintuitiveAns-Kind-gerichtete-Sprache-AnpassungsprozessezurückzuführensindoderobihnenbewussteFörderabsichtenzugrundeliegen,diewirbeidemprofessionellenHintergrundunsererProbandennichtausschließenkönnen.
NichtsdestotrotzsehenwirinBegegnungenmittextlosenBilderbüchernChancen,literalesLernenzuun-terstützen,dieauchimRahmeninstitutionellerBildungskontexteausgelotetwerdensollten.
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AutorinundAutorDr.BenjaminJakobUhlistwissenschaftlicherMitarbeitamLehrstuhlfürGermanistischeSprachdidaktikderUniversitätPaderborn.Erwurde2015miteinerArbeitzumErwerbdesschriftlichenErzählensanderUni-versitätHildesheimpromoviert.SeineArbeitsschwerpunkteumfassendieSchnittstellevongrammatischemundliterarischenLernensowieErzähldidaktikundSchreibentwicklungsforschung.Kontakt:[email protected]
LindaStarkistseitOktober2015wissenschaftlicheMitarbeiterinamLehrstuhlfürdeutscheSprachwissen-schaftderJulius-Maximilians-UniversitätWürzburg.SiewurdeimSommersemestermiteinerArbeitzumPräteritumerwerbanderRuhr-UniversitätBochumpromoviert.ZuihrenArbeitsschwerpunktenzählenSpracherwerbundKinderliteratursowiefrüheLiteralität.Kontakt:[email protected]
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Promouvoirledéveloppementdelalitéraciedèslapetiteenfanceavecdeslivresd’imagessanstexte.Focalesurlesstratégiesd’adultes«lecteursàvoixhaute»LindaStarketBenjaminUhl
ChapeauThéoriciensetpraticienssemblentêtred’accordenattribuantàlaréceptiondesalbumsuneinfluenceposi-tivesurledéveloppementenlittératiedesenfants.Surtoutencequiconcernel’accèsquepermetletextelittérairetransmisoralementauxformesdulangageécrit;ainsilaréceptiondesalbumssembleenrichirl’inputquotidienquereçoiventlesenfants.Maisjusqu’oùlesalbumssanstextepeuventsoutenirledéve-loppementenlittératieestloind’êtreclairdupointdevuethéoriqueetempirique.
Comblantcettelacune,nousavonsanalysécinqéchangesentreunenfant(àl’âgede2;3-5;6)etunparentàlabased’unalbumsanstexte.Cefaisantnousavonspuidentifiercertainesstratégiesdontseserventlesparentspoursoutenirledéveloppementlittératiquedeleursenfants.Nousvisonsàdémontrerparnosanalysesquecesstratégiesnesontpasarbitrairesmaisqu’ellesdoiventêtreconsidéréesparrapportauniveaudedéveloppementdel’enfant.
Mots-clésAlbumssanstexte,input,littératie,stratégiesdelecture,adaptation
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