Genome Engineering in der Ratte Stehen wir vor der Renaissance eines Modellorganismus?
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Boris Jerchow 41. Seminar über Versuchstiere und Tierversuche
08. Mai 2012, BfR, Berlin
Geschichte 1828
1877
1906 1909
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• Laborratte stammt von Wanderratte ab • Berichte über Rattenfänger aus dem
19. Jahrhundert • Fänger studierten Verhalten • 1828 Hungerstudien • 1877-1885 genetische Studien durch
Crampe • Anfang 20. Jahrhundert
Wiederentdeckung Mendelsche Gesetze (Fellfarbgenetik)
• 1906 Beginn der Zucht im Wistar Institute for Anatomy and Biology (www.wistar.org)
• 1909 erste Inzuchtratte Laborratte (Pemelet, wikipedia.org)
Wanderratte (Hans-Jörg Hellwig, wikipedia.org)
Die Ratte hat sich als ausgezeichnetes Tiermodell erwiesen
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• Pharmakologie/Wirkstoffsuche • Toxikologie • Neurobiologie/Verhaltensforschung • Herz-/Kreislaufforschung
Wistarat (US public domain)
Zucker Ratte (J. Servaes)
Sprague-Dawley Ratte (J.-E. Minh-Duy Poirrier)
Bild
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Timoféef-Ressovsky, Zimmer, Delbrück betrahlen Drosophila und weisen nach, dass Gene chemische Struktur besitzen
1940
Watson, Crick klären Doppelhelixstruktur der DNA auf 1953 Struktur von Genen; Mechanismen der Replikation,
Expression, Regulation (nur Prokarionten und Viren) 1960er
erste transgene Organismen 1970er erstes künstilches Plasmid 1971
Southern Blot 1975 Sanger Sequenzierung 1977
Knock-Out Technik 1980er Gordon/Ruddle und Costantini/Lacy: Transgene Mäuse 1981
Evans: murine ES-Zellen 1981 Mullis: PCR 1983
Smithies: Homologe Rekkombination 1985 Capecchi: Knock Out Maus 1989
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Publikationen Ratte, Maus 1950-1994 Die Ratte war in der Prä-Knockout-Ära das dominante Versuchstier
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Ratte Maus
1989
1990
2002
2012
Warum die Ratte? • seit ¼ Jahrhundert kann das Genom
der Maus maßgeschneidert werden • seitdem wurden tausende
gentechnisch veränderte Mauslinien erzeugt (z.B. EMMA: fast 3000, Jackson Lab: >6000 Linien)
• unzählige Untersuchungen mit diesen Mauslinien, große Menge an Daten akkumuliert
• Zucht und Haltung von Ratten deutlich teurer als bei der Maus
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1990 - 1994
1995 - 1999
2000 - 2004
2005 - 2009
2010 - 2012
Ratte Maus
Warum die Ratte?
• seit Anfang des 20. Jahrhunderts Zucht von Inzuchtstämmen aufgrund von Eigenschaften, die von biomedizinschem Interesse sind
• seit kurzem ist es möglich, auch das Genom der Ratte zielgerichtet zu verändern
• schon rund 600 Stämme und Unterstämme in der Rat Genome Database www.rgd.mcw.edu
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Die Ratte ist nicht nur eine große Maus!
• mehrere Millionen Jahre evolutionärer Abstand
• Physiologie in vielen Fällen dem Menschen ähnlicher
• bis zur Entwicklung der ko Maus war Ratte das dominante Versuchstier in der biomedizinischen Forschung
• große Mengen von Daten müssten in der Maus neu erhoben werden (Tierschutz!)
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Bild
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Herz-Kreislauf-Erkrankungen
• gutes Modell, vor allem Schlaganfall und Bluthochdruck • verschiedene gezüchtete Linien ideal für entsprechende Studien • operative Eingriffe • Überwachung physiologischer Parameter • Volumina
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Verhaltensstudien
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• Ratte intelligenter als die Maus • Ratte löst komplexere Aufgaben • z.B. Radial Arm Maze zur
Untersuchung Einfluss pharmakologisch wirksamer Substanzen auf Erinnerung
Radial Arm Maze nach Olton, D.S., & Samuelson, R.J. (1976) Bild: wikipedia.org
und weitere Forschungsrichtungen
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z.B. Brustkrebs • Hormonabhängigkeit vergleichbar mit dem Menschen • prä-maligne Stadien sehr ähnlich denen beim Menschen z.B. Toxikologie und Wirkstoffforschung • Abbau von Giftstoffen ähnlich wie beim Menschen • Blutentnahmen in kurzen Abständen möglich • Ratte war immer wichtiges Modell in der Industrie
GENTECHNISCHE VERÄNDERUNGEN IN DER RATTE
Eine neue Ära:
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ENU
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ohne Möglichkeit zur ziel-gerichteten Mutagenese:
ENU-Behandlung von Männchen
• Punktmutationen • sehr aufwändig, Mutationen
zu identifizieren • mögliche Kosegregation • Forward Genetics
wik
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ia.o
rg
Kyoto University Rat Mutant Archive (KURMA)
• extensive ENU-Mutagenese • Spermien von tausenden G1-Männchen
kryokonserviert • optimiertes Screening-Verfahren über Mu Transposon
(einzelne Basenunterschiede als Zielsequenz) • optimierte Rückgewinnung von Linien über ICSI • viele interessante Linien identifiziert • verschiedene Probleme bleiben
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ENU in der Maus 1979 ENU als genet.
Werkzeug 1981
1989 PKU Modell 1990
5000 Linien 2011 Ziel: 10000
Gene Traps über Transposons
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ITR SA Reporter SD pA ITR
Transposase
+
Funktionsweise Gene Trap
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ITR SA Reporter SD pA
ITR
Transposase
+
Exon 1 Exon 2 Exon 3 Exon 1 Exon 2 Exon 3
Restprotein-Reporter-Fusion
Über transgene Ratten
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x
Transposase
Transposase
Über Spermatogoniale Stammzellen (SSCs)
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Transposase
Selektion Analyse
Kryokonservierung Transplantation
Dazl -/-
Mit Gene Traps nicht alle Gene erreichbar
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Anz
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Stam
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unterschiedliche Gene mit Mutation
DIE KÖNIGSDISZIPLIN Zielgerichtete Mutagenese
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Ratten ES-Zellen
• Standard-Methoden aus der Maus nicht übertragbar
• Erfolg in der Maus abhängig vom Stamm • Kultur mit Inhibitorcocktails führt bei nicht-
permissiven Mausstämmen zum Erfolg (3i, 2i)
• Übertragung auf Ratte • Zellen sehr instabil • Durchführung wie bei Maus
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Evans 1981
Capecchi 1989
2i Medium 2008 echte rES-Zellen 2008
p53 KO 2010
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ES-Zellkultur x x x x x x
z.B. knock out von genomischen Sequezen
knock out ES-Zellen
Johannes Wilbertz, KI Stockholm ISTT Mediensammlung, www.transtechsociety.org
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Kombination einer Blastozyste mit KO ES-Zellen chimäre Ratte
wildtypisch
X
chimär
heterozygot
Keimbahn-transmission
schwierig!
Zink-Finger, TALENs und Homing Endonukleasen
• ZFNs, TALENs: modular zusammengesetzt • erzeugen Doppelstrangbrüche (DSB) • Aktivierung zellulärer Reparaturmechanismen • KO • Homologe Rekombination • Regulation von Genen
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Chimäres Protein: ZF-FokI
1996
ZFN-aktivierte hom Rek. in Zellkultur 2003 KO über ZFN in
Drosophila 2003
KO Ratten 2009 chimäres Protein: TAL-effektor-FokI
2010
Homologe Rek. in der Ratte
2011
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FokI
FokI
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ZFN-Mechanismus
DSB
Zelluläre Reparaturmechanismen
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DSB
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NHEJ
• fehlerbehafteter Reparaturmech. • Deletion von Nukleotiden
(selten Insertionen) • Frame-Shift führt zum KO
homologe Rekombination
homologe Rekombination mit anderem Allel oder eingebrachter exogener DNA
Knock In
• Cui et. al, Nature Biotech. 2011: Knock In von GFP in den Mdr1a Lokus
• homologe Bereiche können kurz sein
• Technisch einfach: Koinjektion von Nuklease und targeting Vektor in Pronukleus
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DSB
homologe Rekombination
homologe Rekombination mit anderem Allel oder eingebrachter exogener DNA
Koinjektion von mRNA und targeting Vektor
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TALENs als Alternative zu ZFNs
• TAL Effektoren aus dem Pflanzenpathogen Xanthomonas spp. • Repeats aus 34 Aminosäuren • AS 12 und 13 binden an ein Nukleotid in DNA-Sequenz • Code 2009 entschlüsselt • In Verbindung mit FokI DSBs wie mit ZFNs
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Vor- und Nachteile
TALENs • ein Repeat bindet ein
Nukleotid
ZFNs • Repeats binden Triplets – nicht
alle Kombinationen möglich
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• mehr Repeats benötigt • scheinen „einfach so“ zu
funktionieren • hohe Spezifizät auch mit
wildtypischer FokI • relativ günstig, relativ leicht
selbst zu machen • neue Technik
• hoher Optimierungsbedarf (Wechelwirkungen der Repeats)
• off-target Effekte, veränderte FokI erforderlich
• relativ teuer, relativ schwierig selbst zu machen
• 15 Jahre Entwicklung und Erfahrung
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ZUSAMMENFASSUNG Zielgerichtete Mutagenese in der Ratte ist eine Option!
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Zusammenfassung I
• Ratte hat seitens Physiologie, Intelligenz und Größe Vorteile gegenüber der Maus
• bis zur Entwicklung der KO-Technik war die Ratte der häufiger verwendete Modellorganismus (große Datenmengen)
• seit kurzem ist es möglich, zielgerichtete Mutatioen in der Ratte zu erzeugen
• neue Frage: welche Spezies ist das besser geeignete Modell?
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Zusammenfassung II
• ENU induzierte Mutationen nicht steuerbar, aufwändige Detektion, nur Punktmutationen, häufige Kosegregation
• Gene Traps über transgene Ratten oder SSCs • Sättigungseffekte • Kultur, Selektion, Konservierung und Transplantation von SSCs
noch im Anfangsstadium • ES-Zelltechnologie wie bei der Maus • Zellen instabil, offensichtlich als Routinetechnik (noch) nicht
anwendbar
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Zusammenfassung III
• chimäre Proteine aus ZF- oder TAL-Effektor-Repeats scheinen das größte Potential zu haben
• homing Endonukleasen von Effiktivität her vergleichbar aber Sequenzspezifität schwieriger zu erzeugen
• größere Zahl von KO-Rattenmodellen bereits erzeugt • zusammen mit Targeting-Vektor KI möglich • Endonukleasen: Technik der Zukunft?
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Ressourcen
• Rat Genome Database, rgd, www.rgd.mcw.edu • Knock Out Rat Consortium, KORC, www.knockoutrat.org • Kyoto University Rat Mutant Archive, KURMA, www.anim.med.kyoto-u.ac.jp/enu/ • NIH Rat Genomics and Genetics, www.nih.gov/science/models/rat • Sigma Advanced Genetic Engineering Labs, SAGE,
www.sageresearchmodels.com • Cellectis, www.cellectis-bioresearch.com/tal-effector-nucleases
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