Gesellschaft und Soziale Arbeit im demographischen Wandel
Prof. Dr. Wolf WagnerVorlesung im Sommersemester 2009
10. Sitzung: Was wäre eine ideale Demografie und wie gelangt man dahin?- Das
Beispiel Frankreich
Klausurfragen
• Hängt die ökonomische Entwicklung eines Landes von der demographischen Entwicklung ab? Nennen Sie Argumente dafür und dagegen und begründen Sie Ihre abschließende Antwort.
• Wenn in Deutschland eine höhere Geburtenrate angestrebt würde, welche politischen Veränderungen könnten dazu nach dem Vorbild anderer Industrieländer beitragen?
Gliederung
• Was wäre ideal?• Was kann die Politik leisten?
Familienplanung
Quelle• M. Stauber und MitarbeiterInnen• I. UFK, München• L- Kurs Psychosomatik – Psychotherapie: in
Zusammenarbeit mit der Abtlg. für Psychotherapie• und Psychosomatik ----- Psychiatrische Klinik
der LMU München
• Psychosomatische Frauenheilkunde
• fachschaft.web.med.uni-muenchen.de/mecum/psychosom/vl_psysomgyn.ppt -
55,3
1950 60 70 80 90 2003
33,8
23,4
12,77,1
185,0
1950 60 70 80 90 2003
106,3
51,8
20,67,3
Säuglings-Sterblichkeitje 1000 Lebendgeborene
Mütter-Sterblichkeitje 100000 Lebendgeborene
Medizin
Mehr Sicherheit für Mutter und Kind
5,3 5,0
Psychosomatische Frauenheilkunde
Angsthierarchie bei Schwangeren
Fehlbildungen beim KindKomplikationen bei der Geburteiner langen Geburtsdauerdem Verlust der SelbstkontrolleSchmerzender Narkoseallein gelassen zu werdendem Ausgeliefertseinchirurgischen Instrumentendem eigenen TodUnruhe im KreißsaalHebammenKrankenschwesternjungen Ärztenälteren Ärzten
häufig
SchwangerehabenANGST
vor
kaum
Ambivalenz im Schwangerschaftserlebenbedingt z.B. durch
1. äußere Faktoren: Neuorientierung im Beruf Veränderung in der Partnerbeziehung soziale Probleme
2. innere Faktoren: Überlagerung des bewussten Kinderwunsches durch
unbewusste Ablehnung (Ängste) psychisch unausgewogene Struktur eines oder beider
Partner Anpassungsschwierigkeiten an die neue Lebensper-
spektive
Warum Kinder?
Wirtschaftliche und emotionale Gründe? http://www.tu-chemnitz.de/phil/soziologie/nauck/scripte/Sozialstruktur03.pdf
Total Fertility Rate
• Die fiktive Anzahl Kinder, die eine fiktive Frau hätte, wenn sie in einem gegebenen Jahr von 15 bis 49 alle Lebensjahre durchmachen würde und dabei in jedem Altersjahr genau die für das Lebensalter landestypische Anzahl Kinder gebären würde.
Mehr Wohlstand – weniger Kinder
Total Fertility Rate und Prokopfeinkommen 2004
Total Fertility Rate by Countries
a.o. Univ.-Prof. Dr. Beate
Wimmer-PuchingerWiener Frauengesundheitsbeauftragte
Leiterin des Wiener Programms für Frauengesundheit
Fonds Soziales Wienwww.prowoman.at/upload/File/Pressekonferenz%20Mai
%202006/8%20PP%20Wimmer_Puchinger.ppt
Schwanger ohne Kinderwunsch – neue Ansätze für frauen- und
partnerschaftsgerechte Lösungsstrategien
Durch ein Kind habe ich eine Aufgabe, mein Leben bekommt einen Sinn.
Durch ein Kind kann ich neue Dinge lernen und mich selbst verwirklichen.
Ich möchte Schwangerschaft und Geburt erleben. Durch ein Kind kann ich meine Partnerschaft vervollständigen. Ich möchte ein Kind als Liebesobjekt oder Partnerersatz. Ich möchte die Entwicklung eines Kindes miterleben. Ich liebe Kinder eben. Die Zeit ist reif für ein Kind. Ich möchte ein Kind, um die Welt menschlicher zu gestalten. Ein Kind gibt mir Identität als Frau und Mutter.
Aspekte des Kinderwunsches
keine Vorbereitung auf Elternschaft
keine Erfahrung im Umgang mit Kindern
kultureller Druck, Eltern zu werden
grundlegender, irreversibler Rollenwechsel
Richtlinien für die Rolle der Mutter sind normativ überhöht, idealisiert und für Frauen schwer einlösbar
(Quelle: Wimmer-Puchinger, 1992)
Schwangerschaft als normative Krise
„Gesunder“ Kinderwunsch entsteht in einer reifen, partnerschaftlichen Beziehung. Die Partner wollen etwas Gemeinsames, Drittes miteinander schaffen. Der Kinderwunsch entsteht aus dem Dialog ihrer Beziehung.
Bei „krankem“ Kinderwunsch sind die Partner von dem Gefühl beherrscht, ohne Kind wertlos, leer und unglücklich zu sein. Das Kind wird zum Träger aller Hoffnungen und zum Substitut der eigenen nicht vollzogenen Selbstverwirklichung. Diese Partnerschaften sind unreif, nicht erwachsen. Das Kind soll eine narzisstische Wunde schließen.
(Quelle: Frick-Bruder, 1987)
Psychodynamik des Kinderwunsches
Frauen werden schwanger, obwohl sie sagen, dass sie nicht schwanger werden wollten
Frauen werden nicht schwanger, obwohl sie sich ein Kind wünschen und keine organischen Ursachen vorliegen
Frauen sagen, dass sie nicht schwanger werden wollten, haben dann aber keine Probleme, sich für das Fortsetzen der Schwangerschaft zu entscheiden
Frauen sagen, dass sie unbedingt schwanger werden wollten, leiden dann aber in der Schwangerschaft an massiven psychosomatischen Problemen
Frauen sagen, dass sie schwanger werden wollen und wünschen sich – nachdem sie schwanger geworden sind -, plötzlich eine Abtreibung
(Quelle: Thormann, 1984)
Ambivalenz des Kinderwunsches
GLOBALE TRENDSIndustrialisierte Entwicklungsländer Länder (%) (%)
Ungeplante Schwangerschaften 50 36Schwangerschaftsabbrüche 36 20
Wesentlichste Motive des Schwangerschaftsabbruchs sind global gesehen:
- die Frauen haben schon so viele Kinder wie sie möchten- der Zeitpunkt der (nächsten) Geburt soll zeitlich später sein- die Frauen sind zu jung oder zu arm, um ein Kind zu erziehen- Partnerschaftsprobleme- nicht mit Ausbildungs-, Arbeitssituation vereinbar
(Quelle: Alan Guttmacher Institute, 1999 )
Geplante / Ungeplante Schwangerschaft
Schwangerschaftsabbruchraten in westlich industrialisierten Ländern
Source: Henshaw et al., 1999a (1996 data)
05
10
15
20
25
USA Australien Schweden Dänemark Kanada England &Wales
Deutschland Holland
Rate pro 1.000
STATISTISCH SIGNIFIKANTE ERGEBNISSE
Soziodemographische / psychosoziale Unterschiede:Schwangerschaftsabbruch vs. Geburt
Frauen, die sich für einen Abbruch entscheiden, sind signifikant häufiger Frauen ohne Partnerschaften Frauen, die bereits so viele Kinder wie gewünscht haben Alleinerzieherinnen Frauen mit geringem Einkommen Frauen mit niedriger Schulbildung Frauen, die jünger als 25 bzw. älter als 40 Jahre sind Frauen, die sich als wenig religiös bezeichnen
SchwangerschaftskonfliktMotive für bzw. gegen einen Schwangerschaftsabbruch
Gefördert vom BM für Soziale Sicherheit und Generationen, 2001
Wichtigsten Gründe für eine Schwangerschaftsabbruch
Abbruch Geburt % %
Unvereinbarkeit von Beruf und Mutterschaft 70 19Würde zu sehr das Leben verändern 51 13Kinderwunsch abgeschlossen 45 4Finanzielle Sorgen 43 14Wohnungsprobleme 43 18Kein soziales Netz und Unterstützung 42 17 Keine Unterstützung durch den Partner 38 11Kann Verantwortung noch nicht übernehmen 37 6Partner will kein Kind 35 3Beziehung nicht geeignet für ein Kind 26 3
Frauen mit Schwangerschaftsabbruch: Beziehungssituation
Partnership12%
Married57%
Divorced7%
Single24%
Partnership16%
Married31%
Divorced13%
Single40%
Frauen mit Schwangerschaftsabbruch Werdende Mütter
Frauen mit Schwangerschaftsabbruch: Anzahl der Kinder
1 child32%
2 children7%
3 or more children
2%
no children59%
1 child23%
2 children22%
3 or more children
7%
no children48%
Frauen mit Schwangerschaftsabbruch Werdende Mütter
Frauen mit Schwangerschaftsabbruch : Arbeitsstatus
part time job24%
unemployed3%
houswife13%
education9%
full time job51%
part time job23%
unemployed6%
houswife12%
education13%
full time job46%
Frauen mit Schwangerschaftsabbruch Werdende Mütter
Frauen mit Schwangerschaftsabbruch: Einkommen
500-1.000 €15%
1.000-2.500 €
54%
over 2.500 €29%
under 500 €2%
500-1.000 €28%
1.000-2.500 €
47%
over 2.500 €16%
under 500 €9%
Frauen mit Schwangerschaftsabbruch Werdende Mütter
Gliederung
• Was wäre ideal?• Was kann die Politik leisten?
Quelle• Marina Klitkeinikova (2008). Verbesserung der
Geburtenrate. Ein deutsch-französischer Vergleich. Powerpointpräsentation eines Referats gehalten im Seminar „Recht im Handel“ bei Prof. Dr iur. Real. Fachhochschule Düsseldorf, Fachbereich Wirtschaft, Studiengang: Internationale Betriebswirtschaft, Schwerpunkt: Internationales Marketing, Oberseminar: Rechtliche Rahmenbedingungen grenzüberschreitenden Handels im Wintersemester 2007/2008
• Online: • wirtschaft.fh-duesseldorf.de/fileadmin/personen/professoren/real/
downloads/referate/.../Kliteinikova-VerbesserungGeburtenrate.ppt (Zugriff 20.05.2009)
Kind stirbt an Verbrühungen - Mutter muss in Haft
Frau misshandelt Baby - Schädelbruch
Ich möchte nicht zurück zu Mama
50 % aller Scheidungen in Europa und Nordamerika gehenauf Gewalt in der Ehe zurück
Nur 20 % der Väter in Europa beantragen das Sorgerechtfür ihre Kinder
85 % der Alleinerziehenden sind Frauen
In Frankreich gibt es 1,5 Mio. allein erziehende Haushalte
In Deutschland wird durchschnittlich jede dritte Ehegeschieden, die Scheidungsrate sowohl in Frankreich alsauch in Deutschland liegt über 50 %.
„Die Deutschen sterben aus! Die demographische Zeitbombe tickt!“„Deutsche Frauen sind schuld?!“
Quelle: http://www.bpb.de/wissen/0OBM9A,,0,Entwicklung_der_Geburtenziffer.html
Inhaltsverzeichnis1. Finanzielle Familienleistungen in Deutschland
2. Finanzielle Familienleistungen in Frankreich
3. Kinderlosigkeit in Deutschland
4. Familienpolitik in Frankreich
5. Lösungsansätze für Deutschland
Finanzielle Familienleistungen in Deutschland (1)
Geburtenrate in Deutschland 1,33 (2007)
Kindergeld ab dem 1.Kind bis 25 Jahre→ monatlich 154 € pro Kind (179 € ab dem 4.Kind)
Kinderfreibeträge→ für höher Einkommen günstiger als Kindergeld→ 5.828 € jährlich (inkl. Freibetrag für Betreuungs-, Erziehungs- und
Ausbildungsbedarf)
Kinderzuschlag→ seit 1.1.2005: Zuschlag zum Kindergeld in Höhe von 140 €
Elterngeld (früher Erziehungsgeld)→ seit 1.1.2007: 67% des durchschnittlich nach Abzug von Steuern,
Sozialabgaben und Werbungskosten vor der Geburt monatlich verfügbaren laufenden Erwerbseinkommens, höchstens jedoch 1.800 € und mindestens 300 €
Ehegattensplitting (sehr umstritten)→ Zusammenveranlagung der Einkommenssteuer der Ehegatten
Entlastungsbetrag für Alleinerziehende → 1.308 pro Jahr
Mutterschaftsurlaub→ 14 Wochen
Finanzielle Familienleistungen in Deutschland (2)
Geburtenrate in Frankreich 1,88 (2006)
Kleinkindbeihilfe (ab dem 5.Schwangerschaftsmonat bis zum 3.Lebensjahr)→ monatlich 157,09 €
Kindergeld ab dem 2. Kind bis 20 Jahre→ monatlich 111,26 € aufwärts (drei Kinder: 253,82 €, vier Kinder: 396,36 €…)
Beihilfe zum Schuljahresbeginn (einkommensabhängig)→ für Kinder im Alter von 6 bis 18 Jahren Pauschalbetrag: 250,32 €
Erziehungsgeld ab dem 2. Kind (erwerbstätigkeitsabhängig)→ monatlich 243,72 € aufwärts
Finanzielle Familienleistungen in Frankreich (1)
Beihilfe zur häuslichen Kinderbetreuung für Kinder unter 6 Jahren→ pro Quartal mindestens 501,81 €, maximal 1.524,03 €
Beihilfe zur Beschäftigung einer Tagesmutter für Kinder unter 6 Jahren → monatlich 65,46 € aufwärts
Alleinerziehendenbeihilfe (abhängig von der Kinderzahl)→ Differenzbetrag zum Mindesteinkommen monatlich von 512,81 € aufwärts
Mutterschaftsurlaub → 16 Wochen (6 Wochen vor Geburt, 10 Wochen nach Geburt) → ab der dritten Geburt 24 Wochen
Finanzielle Familienleistungen in Frankreich (2)
Kinderlosigkeit in Deutschland –Warum?
1. Partnerlosigkeit Hedonismus = berufs-, einkommens- und spaßorientierte Lebensentwürfe
2. Kinder = zu hohe Opportunitätskosten
3. Zu lange Bildungsphasen – späte Eintreten des Erwachsenwerdens
4. Wandel der Geschlechterrollen - Emanzipation
5. Zu wenig Betreuungsmöglichkeiten – schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Was macht Frankreich anders?
Familienpolitik als Gesellschaftspolitik
Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Hohe Müttererwerbsquote bei Frauen mit Kindern unter 6 Jahren (82,4%)
Gute Infrastruktur für die Kinderbetreuung„Kinderschulen“ (école maternelle) + großes Angebot von öffentlichen und privaten Krippen
Familiensplitting statt Ehegattensplitting
Lösungsansätze für Deutschland
Zentrale Voraussetzung: Vereinbarkeit von Berufs-, Privat-, und Familienleben
Ausbau der Betreuungsmöglichkeiten für Kinder
Flexible Arbeitsmöglichkeiten für Eltern
Familienfreundliche Unternehmenskultur
Familiensplitting
Verkürzung der Ausbildungszeiten
„Moderne Männer“
Klausurfragen
• Wenn in Deutschland eine höhere Geburtenrate angestrebt würde, welche politischen Veränderungen könnten dazu nach dem Vorbild anderer Industrieländer beitragen?
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