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Page 1: Im Gespräch 9 «Alle Zeitzeugen sollen gehört werden»Metaphern, zwischen den Zeilen le-send, Humor und Witz und vieles mehr. Um diese Sprache reden und verstehen zu können muss

Nr. 38 | Donnerstag, 17. September 2015 Im Gespräch 9

Das Leben mit Asperger-Syndrom(eine Variante innerhalb des Autis-musspektrums) ist sehr anspruchs-voll. Asperger-Syndrom Betroffenehaben im Alltag mehrere Hürden zubewältigen, um einigermassen überdie Runden zu kommen. Was Men-schen ohne Asperger-Syndrom imVergleich mit Leichtigkeit bewältigenwie beispielsweise die Kommunika-tion. Asperger-Syndrom Betroffenereden und hören alles Wort wörtlich.Für Asperger-Syndrom-Betroffene re-den Menschen ohne Asperger-Syn-drom in einer anderen Sprache. EineSprache mit vielen Redewendungen,Metaphern, zwischen den Zeilen le-send, Humor und Witz und vielesmehr. Um diese Sprache reden undverstehen zu können muss der Asper-ger-Syndrom-Betroffene viel Denkar-beit leisten. Das heisst er muss dieseSprache erlernen und innerhalb einerKonversation bewusst anwenden. Da-zu folgendes Beispiel: Jemand sagt,dass er aus allen Wolken falle. Der As-perger-Syndrom-Betroffene stellt sichdas bildlich vor und denkt: «Wie kanner aus allen Wolken fallen? Das gehtdoch logischerweise nicht. Und aus-serdem steht er ja vor mir. Aha! Diesist eine Redewendung. In welchemKontext ist diese Redewendung ge-meint?» In der Zwischenzeit hat derRedner sein Gespräch längst fortge-setzt oder schon beendet. Als betrof-fene Frau, weiss die Gründerin derSelbsthilfegruppe wie herausfordernd

das Leben mit der Diagnose Aspergersein kann. Es ist ihr deshalb ein Anlie-gen, sich mit anderen Betroffenendarüber auszutauschen. Daher will siein der Region Olten-Solothurn eineSelbsthilfegruppe für Frauen mitAsperger-Syndrom gründen.

Frauen mit einem Asperger-Syndromsind willkommen

Haben sie als Frau mit einemAsperger-Syndrom auch das Bedürf-nis sich mit anderen über Themenwie Kommunikation, Sozialverhaltenund soziale Erwartungen, Beziehun-gen, Freundschaft und Partnerschaft,Körperliche Gesundheit und Wohlbe-finden, berufliche Möglichkeiten undKarriereplanung oder ihre persönli-che Entwicklung auszutauschen? DieGruppe trifft sich jeweils einmal imMonat. Das erste Treffen findet am10. Oktober in Olten statt. ZVG

AUSKÜNFTE UND ANMELDUNGKontaktstelle für Selbsthilfegruppen KantonSolothurn, Poststrasse 2, 4500 SolothurnT 062 296 93 91E [email protected]

Erfahrungen über Asperger-Syndrom austauschenNEUE SELBSTHILFE GRUPPEEine betroffene Frau aus derRegion gründete eine Selbsthilfe-gruppe für Frauen mit demAsperger-Syndrom. Das ersteTreffen findet am 10. Oktober inOlten statt.

Der Austausch in Selbsthilfegruppen istfür Betroffene wichtig. (Bild: ZVG)

www.proviv-zvbvt.ch

Sofern es die finanziellen Mittel erlau-ben, versucht der Filmverein Licht-spiele Olten, jährlich räumliche Reno-vationen oder Anpassungen vorzu-nehmen. «Im 2013 haben wir denTeppich im Kinosaal erneuert undneue Sofas gekauft. Im vergangenenJahr wurden die Decke und die Licht-anlage renoviert», blickte JacquelineArnold von der Programm-Arbeits-gruppe zurück. Auch die diesjährigeSommerpause wurde genutzt, um das1916 erbaute Gebäude, welches Coopgehört und in dem der Verein mitseinem Kino eingemietet ist, aufzu-rüsten.

Starke Veränderung im Foyer«Der Wasserschaden, der im einsti-

gen Büro entstanden ist, wurde beho-ben und sowohl das Entrée wie auchder erste Stock mit heller Farbe gestri-chen», erklärte Arnold. Zudem habeMichu Grob die Lichtanlage erneuert.Der Architekt riet dem Verein zudemauf das rot im Foyer zu verzichtenund eine neutrale Farbe zu wählen,damit die Kinoplakate besser zur Gel-tung kommen. An Stelle des Büroswurde neu eine Bar auf der linken Sei-te des Foyers eingerichtet und einekleine Küche eingebaut. «Durch dieseneue Raumeinteilung erhalten die Be-sucher mehr Platz, um sich in derPause auszutauschen», erklärt Jacque-line Arnold. «Das Büro haben wir hin-ter zwei Türen im Foyer verbannt», er-klärt Markus Arnold, Präsident desVereins Kino Lichtspiele in seiner An-

sprache. Im länglichen, kleinen Büro-raum sind die Wände nicht verputztund es ist der blanke Backstein zu se-hen. «Für den Bürobereich reicht dasfür den Moment», erklärt Markus Ar-nold schmunzelnd.

Ohne Ehrenamtlichkeit nicht möglich«Die Handwerker haben unter der

Leitung von Architekt Rolf Guldimanneine tolle Arbeit geleistet. Diese Er-neuerungen, für welche der Verein60’000 Franken aufwenden musste,machen Freude, sind motivierendund nur dank der ehrenamtlichenTätigkeit von allen Vereinsmitgliedernmöglich», zeigte sich JacquelineArnold begeistert. «Wir befinden unsbereits im siebten Vereinsjahr und esfunktioniert - das ist grossartig», freu-te sich auch Markus Arnold und fügtean: «Pro Kinoabend sind in der Regelzwei Vereinsmitglieder anwesend - ei-ne Person für die Technik und eineandere für die Bar. Nun führten wir imJahr 2014 356 Veranstaltungen durch.Diese Anzahl an Vorstellungen wären

ohne die Hilfe von vielen engagiertenVorstands- und Vereinsmitgliedernnicht möglich gewesen.»

Spieltage und -zeitenAber nicht nur die Verpackung auch

das Innere wurde angepasst. Neuzeigt der Verein Kino Lichtspiele zweiFilme pro Woche. Einen von Don-nerstag bis Samstag und den anderenvon Montag bis Dienstag. Neu hat dasKino Lichtspiele am Sonntag ge-schlossen. «Diese Anpassung war nö-tig, da wir am Sonntag jeweils wenigeBesucher verzeichnen konnten», er-klärte Markus Arnold. Ausserdemwerden ab Ende Oktober währendden Wintermonaten wieder zusätzli-che Filme ab 18 Uhr gezeigt. Bereitsarbeitet der Verein ausserdem amnächstjährigen Programm und diesessoll speziell werden. Schliesslich gibtes ein Jubiläum zu feiern, denn dasLichtspiele-Gebäude feiert seinen100. Geburtstag. mim

VEREIN KINO LICHTSPIELEVergangene Woche ludendie Vereinsmitglieder vomKino Lichtspiele zur offiziel-len Eröffnungsfeier nachdem Umbau im Sommerein.

Lichtspiele im neuen Glanz

Der neue Foyerbereich bietet den Besuchern des Kinos mehr Platz. (Bild: mim)

www.lichtspiele-olten.ch

ngefangen habe alles mit ei-nem Spaziergang durch Frei-burg im Breisgau (D) und ei-nem vermeintlichen Mantel.

«Ich war auf dem Rückweg von mei-nem Vater in Deutschland und ver-brachte einen kurzen Zwischenhalt inFreiburg. Dabei fiel mir ein gefalteterMantel auf der Balustrade der Wiwi-li-Brücke auf», erinnert sich Paul-Ernst Cohen an den wegweisendenHerbsttag vor zwei Jahren. Der Mantelentpuppte sich als Denkmal an den22. Oktober 1940. Der Tag, der unterdem Namen «Wagner-Bürckel-Akti-on» in die Geschichte einging und dasSchicksal von über 6’500 Juden ausBaden und Saarpfalz besiegelte. DieGedenkstätte «Vergessener Mantelmit Judenstern» erinnert an die da-malige Deportation von jüdischenBürgern in das InternierungslagerGurs in Südfrankreich, das auch als«Vorhölle» zu Auschwitz bekannt ist.

«Ich wollte mehr erfahren»«Die Story hinter dem Mantel liess

mich nicht mehr los und ich wolltemehr über diese spezielle Deportati-

Aonsgeschichte erfahren», zeigt Cohenauf. So nahm der 62-Jährige Kontaktmit Zeitzeugen auf. «Ich sprach mitFrauen und Männern, die diesenschrecklichen Teil der deutschen Ge-schichte er- sowie überlebten undheute in den USA, der Schweiz oder inIsrael leben», erzählt Cohen, der inden 70er-Jahren der Liebe wegen vonDeutschland in die Schweiz auswan-derte. Durch diese Gespräche konnteder Schriftsteller einen persönlichenEinblick in diesen wichtigen Teil derdeutschen Ausgrenzungspolitik wäh-rend der NS-Zeit erhalten. In denzahlreichen Erzählungen fand erüberdies Parallelen zu seiner eigenenFamiliengeschichte. «Eine Zeugin be-richtete mir von einem Heinrich, der1940 in eine psychiatrische Klinik ein-geliefert wurde. Auch mein Grossvaterund Grossonkel waren in solchen An-stalten stationiert, da sie versucht ha-ben, sich das Leben zu nehmen,

nachdem ihnen ihre Arbeitsmöglich-keiten entrissen worden waren»,spricht Cohen ganz offen über seineFamilie. Ausserdem wurde sein Gross-onkel Ernst damals wegen Rassen-schändung verurteilt und ins Konzen-trationslager nach Dachau sowie an-schliessend nach Buchenwald ge-bracht, wo er dann starb. «Die Familieväterlicherseits war halbjüdischer Ab-stammung. Dass mein Vater denzweiten Weltkrieg lebend überstandist ein Schicksals-Geheimnis.»

Von Mannheim nach GursUm die Ereignisse der Deportation

vom Oktober 1940 sowie den Werde-gang seiner drei Grossonkel besser zuerörtern, entschied sich Paul-ErnstCohen für eine 1’170 Kilometer Fahr-rad-Reise von Mannheim, wo die De-portation damals in der Unterführungdes Bahnhofs startete, bis ins franzö-sische Gurs, den Ort des grössten

Internierungslager Europas. Er fuhrden früheren Bahnlinien entlang undkonnte so die Berichte der Zeitzeugenreal mitverfolgen und auf eine neueArt erleben. Zwischen den drei Velo-etappen quer durch Deutschland be-suchte der Geschichtsinteressierteauch zahlreiche Archive, in denen ernicht nur Dokumente von Deportati-onsopfern, sondern auch seines da-mals eingelieferten Grossonkels fand.«Es war ein unglaubliches Gefühl, denOriginalabzug des Haftbefehls gegenmeinen Grossonkel Ernst wegen Ras-senschändung in der Hand zu hal-ten», so der heutige Hauensteinersichtlich berührt. All diese Vorkomm-nisse, Funde und Quellen hat Cohenin seiner Publikation «Kein schöneZeit in diesem Land» zusammenge-fasst und ausführlich kommentiert.Der Buchtitel lehnt sich am bekann-ten Musikstück «Kein schöner Land»an und zeigt durch sein Wortspiel ge-schickt die Kehrseite des idyllischenVolksliedes auf. «Da mich das Themaselber sehr aufwühlte, war das Schrei-ben des Buches wie ein Loslassen vonden Eindrücken und ein Ablegen mei-ner Gedanken», so Cohen und fügt an:«Ausserdem fühlte ich mich verpflich-tet, die Geschichten der zahlreichenZeitzeugen zu erzählen. Denn diesesollen und müssen gehört werden.»

Einzigartige Lesung im Bahnhof OltenUnd gehört werden sie bereits mor-

gen, Freitag, 18. September am Bahn-hof Olten - dies auf eine einzigartigeArt und Weise. «Gemeinsam mit demSaxofonisten Simon Spiess, der michmusikalisch begleitet, lese ich aus«Kein schöne Zeit in diesem Land»vor und nehme die Besucher dadurchmit auf eine Zeiten-Reise.» Kapitel-wünsche, die vorgetragen werden sol-len, nimmt der Autor sehr gerne ent-gegen.

Die Location des Bahnhofs Olten seisehr bewusst dafür gewählt. «DerBahnhof soll symbolisch für die ein-zelnen Stationen der beschwerlichenDeportation stehen. Ausserdem wur-den die bis zu 6500 Juden damals inder Unterführung in Mannheim ge-sammelt und anschliessend auf dieZüge verteilt», erklärt Cohen weiterund überlegt laut: «Daher starten wirauch in Olten unsere Geschichte inder Unterführung.» An der Lesungkönnen auch einige Exemplare desBuches von Cohen erworben werden.Der Gesamterlös der Verkäufe kommtder Susanna-Cohen-Stiftung, die derSchriftsteller 2007 gemeinsam mit sei-ner Frau gegründet hat, zugute. «Mei-ner Frau war es vor ihrem Tod wichtig,eine Organisation zu schaffen, diesich für gemeinnützige Freiwilligenar-beit und gegen Rassismus oder Xeno-phobie einsetzt. Diesen Gedankenmöchte ich nun weiterführen», so Co-hen, der sich beispielsweise am ver-gangenen Flüchtlingstag in Olten un-ter dem Thema «Archen für Boatpeo-ple» engagierte. Cohens persönlicheReise in die Vergangenheit ist jedochmit dem neu veröffentlichten Buchnoch lange nicht abgeschlossen. «Ste-tig erhalte ich wieder neue Hinweisefür Dokumente der damaligen Zeit,die noch nicht aufgearbeitet wurden.Ich möchte jeden Einzelnen dazu er-muntern, sich die Zeit zu nehmen,um genau hinzuschauen und seineeigene Geschichte oder die seinerKultur zu studieren.»

VIVIANE WEBER

LESUNG Am Freitag,18. September wird dasneue Buch «Kein schöne Zeitin diesem Land« von Paul-Ernst Cohen vorgestellt. DerAutor nahm für seine Publi-kation nicht nur eine strapa-zöse Reise auf sich, sondernbefasste sich auch intensivmit der deutschen Deporta-tions- sowie seiner eigenenFamiliengeschichte.

«Alle Zeitzeugen sollen gehört werden»

Mit dem Velo begab sich Schriftsteller Paul-Ernst Cohen auf eine Velo- und Zeiten-Reise durch Deutschland, das Elsass und Südfrankreich. (Bild: vwe)

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Freitag, 18. September, ab 18.30 UhrBahnhof Olten, UnterführungWeitere Infos via E-mail:E [email protected]

LESUNG: PAUL-ERNST COHEN