Im Gespräch 9 «Alle Zeitzeugen sollen gehört werden»Metaphern, zwischen den Zeilen le-send,...

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Nr. 38 | Donnerstag, 17. September 2015 Im Gespräch 9 Das Leben mit Asperger-Syndrom (eine Variante innerhalb des Autis- musspektrums) ist sehr anspruchs- voll. Asperger-Syndrom Betroffene haben im Alltag mehrere Hürden zu bewältigen, um einigermassen über die Runden zu kommen. Was Men- schen ohne Asperger-Syndrom im Vergleich mit Leichtigkeit bewältigen wie beispielsweise die Kommunika- tion. Asperger-Syndrom Betroffene reden und hören alles Wort wörtlich. Für Asperger-Syndrom-Betroffene re- den Menschen ohne Asperger-Syn- drom in einer anderen Sprache. Eine Sprache mit vielen Redewendungen, Metaphern, zwischen den Zeilen le- send, Humor und Witz und vieles mehr. Um diese Sprache reden und verstehen zu können muss der Asper- ger-Syndrom-Betroffene viel Denkar- beit leisten. Das heisst er muss diese Sprache erlernen und innerhalb einer Konversation bewusst anwenden. Da- zu folgendes Beispiel: Jemand sagt, dass er aus allen Wolken falle. Der As- perger-Syndrom-Betroffene stellt sich das bildlich vor und denkt: «Wie kann er aus allen Wolken fallen? Das geht doch logischerweise nicht. Und aus- serdem steht er ja vor mir. Aha! Dies ist eine Redewendung. In welchem Kontext ist diese Redewendung ge- meint?» In der Zwischenzeit hat der Redner sein Gespräch längst fortge- setzt oder schon beendet. Als betrof- fene Frau, weiss die Gründerin der Selbsthilfegruppe wie herausfordernd das Leben mit der Diagnose Asperger sein kann. Es ist ihr deshalb ein Anlie- gen, sich mit anderen Betroffenen darüber auszutauschen. Daher will sie in der Region Olten-Solothurn eine Selbsthilfegruppe für Frauen mit Asperger-Syndrom gründen. Frauen mit einem Asperger-Syndrom sind willkommen Haben sie als Frau mit einem Asperger-Syndrom auch das Bedürf- nis sich mit anderen über Themen wie Kommunikation, Sozialverhalten und soziale Erwartungen, Beziehun- gen, Freundschaft und Partnerschaft, Körperliche Gesundheit und Wohlbe- finden, berufliche Möglichkeiten und Karriereplanung oder ihre persönli- che Entwicklung auszutauschen? Die Gruppe trifft sich jeweils einmal im Monat. Das erste Treffen findet am 10. Oktober in Olten statt. ZVG AUSKÜNFTE UND ANMELDUNG Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen Kanton Solothurn, Poststrasse 2, 4500 Solothurn T 062 296 93 91 E [email protected] Erfahrungen über Asperger- Syndrom austauschen NEUE SELBSTHILFE GRUPPE Eine betroffene Frau aus der Region gründete eine Selbsthilfe- gruppe für Frauen mit dem Asperger-Syndrom. Das erste Treffen findet am 10. Oktober in Olten statt. Der Austausch in Selbsthilfegruppen ist für Betroffene wichtig. (Bild: ZVG) www.proviv-zvbvt.ch Sofern es die finanziellen Mittel erlau- ben, versucht der Filmverein Licht- spiele Olten, jährlich räumliche Reno- vationen oder Anpassungen vorzu- nehmen. «Im 2013 haben wir den Teppich im Kinosaal erneuert und neue Sofas gekauft. Im vergangenen Jahr wurden die Decke und die Licht- anlage renoviert», blickte Jacqueline Arnold von der Programm-Arbeits- gruppe zurück. Auch die diesjährige Sommerpause wurde genutzt, um das 1916 erbaute Gebäude, welches Coop gehört und in dem der Verein mit seinem Kino eingemietet ist, aufzu- rüsten. Starke Veränderung im Foyer «Der Wasserschaden, der im einsti- gen Büro entstanden ist, wurde beho- ben und sowohl das Entrée wie auch der erste Stock mit heller Farbe gestri- chen», erklärte Arnold. Zudem habe Michu Grob die Lichtanlage erneuert. Der Architekt riet dem Verein zudem auf das rot im Foyer zu verzichten und eine neutrale Farbe zu wählen, damit die Kinoplakate besser zur Gel- tung kommen. An Stelle des Büros wurde neu eine Bar auf der linken Sei- te des Foyers eingerichtet und eine kleine Küche eingebaut. «Durch diese neue Raumeinteilung erhalten die Be- sucher mehr Platz, um sich in der Pause auszutauschen», erklärt Jacque- line Arnold. «Das Büro haben wir hin- ter zwei Türen im Foyer verbannt», er- klärt Markus Arnold, Präsident des Vereins Kino Lichtspiele in seiner An- sprache. Im länglichen, kleinen Büro- raum sind die Wände nicht verputzt und es ist der blanke Backstein zu se- hen. «Für den Bürobereich reicht das für den Moment», erklärt Markus Ar- nold schmunzelnd. Ohne Ehrenamtlichkeit nicht möglich «Die Handwerker haben unter der Leitung von Architekt Rolf Guldimann eine tolle Arbeit geleistet. Diese Er- neuerungen, für welche der Verein 60’000 Franken aufwenden musste, machen Freude, sind motivierend und nur dank der ehrenamtlichen Tätigkeit von allen Vereinsmitgliedern möglich», zeigte sich Jacqueline Arnold begeistert. «Wir befinden uns bereits im siebten Vereinsjahr und es funktioniert - das ist grossartig», freu- te sich auch Markus Arnold und fügte an: «Pro Kinoabend sind in der Regel zwei Vereinsmitglieder anwesend - ei- ne Person für die Technik und eine andere für die Bar. Nun führten wir im Jahr 2014 356 Veranstaltungen durch. Diese Anzahl an Vorstellungen wären ohne die Hilfe von vielen engagierten Vorstands- und Vereinsmitgliedern nicht möglich gewesen.» Spieltage und -zeiten Aber nicht nur die Verpackung auch das Innere wurde angepasst. Neu zeigt der Verein Kino Lichtspiele zwei Filme pro Woche. Einen von Don- nerstag bis Samstag und den anderen von Montag bis Dienstag. Neu hat das Kino Lichtspiele am Sonntag ge- schlossen. «Diese Anpassung war nö- tig, da wir am Sonntag jeweils wenige Besucher verzeichnen konnten», er- klärte Markus Arnold. Ausserdem werden ab Ende Oktober während den Wintermonaten wieder zusätzli- che Filme ab 18 Uhr gezeigt. Bereits arbeitet der Verein ausserdem am nächstjährigen Programm und dieses soll speziell werden. Schliesslich gibt es ein Jubiläum zu feiern, denn das Lichtspiele-Gebäude feiert seinen 100. Geburtstag. mim VEREIN KINO LICHTSPIELE Vergangene Woche luden die Vereinsmitglieder vom Kino Lichtspiele zur offiziel- len Eröffnungsfeier nach dem Umbau im Sommer ein. Lichtspiele im neuen Glanz Der neue Foyerbereich bietet den Besuchern des Kinos mehr Platz. (Bild: mim) www.lichtspiele-olten.ch ngefangen habe alles mit ei- nem Spaziergang durch Frei- burg im Breisgau (D) und ei- nem vermeintlichen Mantel. «Ich war auf dem Rückweg von mei- nem Vater in Deutschland und ver- brachte einen kurzen Zwischenhalt in Freiburg. Dabei fiel mir ein gefalteter Mantel auf der Balustrade der Wiwi- li-Brücke auf», erinnert sich Paul- Ernst Cohen an den wegweisenden Herbsttag vor zwei Jahren. Der Mantel entpuppte sich als Denkmal an den 22. Oktober 1940. Der Tag, der unter dem Namen «Wagner-Bürckel-Akti- on» in die Geschichte einging und das Schicksal von über 6’500 Juden aus Baden und Saarpfalz besiegelte. Die Gedenkstätte «Vergessener Mantel mit Judenstern» erinnert an die da- malige Deportation von jüdischen Bürgern in das Internierungslager Gurs in Südfrankreich, das auch als «Vorhölle» zu Auschwitz bekannt ist. «Ich wollte mehr erfahren» «Die Story hinter dem Mantel liess mich nicht mehr los und ich wollte mehr über diese spezielle Deportati- A onsgeschichte erfahren», zeigt Cohen auf. So nahm der 62-Jährige Kontakt mit Zeitzeugen auf. «Ich sprach mit Frauen und Männern, die diesen schrecklichen Teil der deutschen Ge- schichte er- sowie überlebten und heute in den USA, der Schweiz oder in Israel leben», erzählt Cohen, der in den 70er-Jahren der Liebe wegen von Deutschland in die Schweiz auswan- derte. Durch diese Gespräche konnte der Schriftsteller einen persönlichen Einblick in diesen wichtigen Teil der deutschen Ausgrenzungspolitik wäh- rend der NS-Zeit erhalten. In den zahlreichen Erzählungen fand er überdies Parallelen zu seiner eigenen Familiengeschichte. «Eine Zeugin be- richtete mir von einem Heinrich, der 1940 in eine psychiatrische Klinik ein- geliefert wurde. Auch mein Grossvater und Grossonkel waren in solchen An- stalten stationiert, da sie versucht ha- ben, sich das Leben zu nehmen, nachdem ihnen ihre Arbeitsmöglich- keiten entrissen worden waren», spricht Cohen ganz offen über seine Familie. Ausserdem wurde sein Gross- onkel Ernst damals wegen Rassen- schändung verurteilt und ins Konzen- trationslager nach Dachau sowie an- schliessend nach Buchenwald ge- bracht, wo er dann starb. «Die Familie väterlicherseits war halbjüdischer Ab- stammung. Dass mein Vater den zweiten Weltkrieg lebend überstand ist ein Schicksals-Geheimnis.» Von Mannheim nach Gurs Um die Ereignisse der Deportation vom Oktober 1940 sowie den Werde- gang seiner drei Grossonkel besser zu erörtern, entschied sich Paul-Ernst Cohen für eine 1’170 Kilometer Fahr- rad-Reise von Mannheim, wo die De- portation damals in der Unterführung des Bahnhofs startete, bis ins franzö- sische Gurs, den Ort des grössten Internierungslager Europas. Er fuhr den früheren Bahnlinien entlang und konnte so die Berichte der Zeitzeugen real mitverfolgen und auf eine neue Art erleben. Zwischen den drei Velo- etappen quer durch Deutschland be- suchte der Geschichtsinteressierte auch zahlreiche Archive, in denen er nicht nur Dokumente von Deportati- onsopfern, sondern auch seines da- mals eingelieferten Grossonkels fand. «Es war ein unglaubliches Gefühl, den Originalabzug des Haftbefehls gegen meinen Grossonkel Ernst wegen Ras- senschändung in der Hand zu hal- ten», so der heutige Hauensteiner sichtlich berührt. All diese Vorkomm- nisse, Funde und Quellen hat Cohen in seiner Publikation «Kein schöne Zeit in diesem Land» zusammenge- fasst und ausführlich kommentiert. Der Buchtitel lehnt sich am bekann- ten Musikstück «Kein schöner Land» an und zeigt durch sein Wortspiel ge- schickt die Kehrseite des idyllischen Volksliedes auf. «Da mich das Thema selber sehr aufwühlte, war das Schrei- ben des Buches wie ein Loslassen von den Eindrücken und ein Ablegen mei- ner Gedanken», so Cohen und fügt an: «Ausserdem fühlte ich mich verpflich- tet, die Geschichten der zahlreichen Zeitzeugen zu erzählen. Denn diese sollen und müssen gehört werden.» Einzigartige Lesung im Bahnhof Olten Und gehört werden sie bereits mor- gen, Freitag, 18. September am Bahn- hof Olten - dies auf eine einzigartige Art und Weise. «Gemeinsam mit dem Saxofonisten Simon Spiess, der mich musikalisch begleitet, lese ich aus «Kein schöne Zeit in diesem Land» vor und nehme die Besucher dadurch mit auf eine Zeiten-Reise.» Kapitel- wünsche, die vorgetragen werden sol- len, nimmt der Autor sehr gerne ent- gegen. Die Location des Bahnhofs Olten sei sehr bewusst dafür gewählt. «Der Bahnhof soll symbolisch für die ein- zelnen Stationen der beschwerlichen Deportation stehen. Ausserdem wur- den die bis zu 6500 Juden damals in der Unterführung in Mannheim ge- sammelt und anschliessend auf die Züge verteilt», erklärt Cohen weiter und überlegt laut: «Daher starten wir auch in Olten unsere Geschichte in der Unterführung.» An der Lesung können auch einige Exemplare des Buches von Cohen erworben werden. Der Gesamterlös der Verkäufe kommt der Susanna-Cohen-Stiftung, die der Schriftsteller 2007 gemeinsam mit sei- ner Frau gegründet hat, zugute. «Mei- ner Frau war es vor ihrem Tod wichtig, eine Organisation zu schaffen, die sich für gemeinnützige Freiwilligenar- beit und gegen Rassismus oder Xeno- phobie einsetzt. Diesen Gedanken möchte ich nun weiterführen», so Co- hen, der sich beispielsweise am ver- gangenen Flüchtlingstag in Olten un- ter dem Thema «Archen für Boatpeo- ple» engagierte. Cohens persönliche Reise in die Vergangenheit ist jedoch mit dem neu veröffentlichten Buch noch lange nicht abgeschlossen. «Ste- tig erhalte ich wieder neue Hinweise für Dokumente der damaligen Zeit, die noch nicht aufgearbeitet wurden. Ich möchte jeden Einzelnen dazu er- muntern, sich die Zeit zu nehmen, um genau hinzuschauen und seine eigene Geschichte oder die seiner Kultur zu studieren.» VIVIANE WEBER LESUNG Am Freitag, 18. September wird das neue Buch «Kein schöne Zeit in diesem Land« von Paul- Ernst Cohen vorgestellt. Der Autor nahm für seine Publi- kation nicht nur eine strapa- zöse Reise auf sich, sondern befasste sich auch intensiv mit der deutschen Deporta- tions- sowie seiner eigenen Familiengeschichte. «Alle Zeitzeugen sollen gehört werden» Mit dem Velo begab sich Schriftsteller Paul-Ernst Cohen auf eine Velo- und Zeiten- Reise durch Deutschland, das Elsass und Südfrankreich. (Bild: vwe) Freitag, 18. September, ab 18.30 Uhr Bahnhof Olten, Unterführung Weitere Infos via E-mail: E [email protected] LESUNG: PAUL-ERNST COHEN

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Nr. 38 | Donnerstag, 17. September 2015 Im Gespräch 9

Das Leben mit Asperger-Syndrom(eine Variante innerhalb des Autis-musspektrums) ist sehr anspruchs-voll. Asperger-Syndrom Betroffenehaben im Alltag mehrere Hürden zubewältigen, um einigermassen überdie Runden zu kommen. Was Men-schen ohne Asperger-Syndrom imVergleich mit Leichtigkeit bewältigenwie beispielsweise die Kommunika-tion. Asperger-Syndrom Betroffenereden und hören alles Wort wörtlich.Für Asperger-Syndrom-Betroffene re-den Menschen ohne Asperger-Syn-drom in einer anderen Sprache. EineSprache mit vielen Redewendungen,Metaphern, zwischen den Zeilen le-send, Humor und Witz und vielesmehr. Um diese Sprache reden undverstehen zu können muss der Asper-ger-Syndrom-Betroffene viel Denkar-beit leisten. Das heisst er muss dieseSprache erlernen und innerhalb einerKonversation bewusst anwenden. Da-zu folgendes Beispiel: Jemand sagt,dass er aus allen Wolken falle. Der As-perger-Syndrom-Betroffene stellt sichdas bildlich vor und denkt: «Wie kanner aus allen Wolken fallen? Das gehtdoch logischerweise nicht. Und aus-serdem steht er ja vor mir. Aha! Diesist eine Redewendung. In welchemKontext ist diese Redewendung ge-meint?» In der Zwischenzeit hat derRedner sein Gespräch längst fortge-setzt oder schon beendet. Als betrof-fene Frau, weiss die Gründerin derSelbsthilfegruppe wie herausfordernd

das Leben mit der Diagnose Aspergersein kann. Es ist ihr deshalb ein Anlie-gen, sich mit anderen Betroffenendarüber auszutauschen. Daher will siein der Region Olten-Solothurn eineSelbsthilfegruppe für Frauen mitAsperger-Syndrom gründen.

Frauen mit einem Asperger-Syndromsind willkommen

Haben sie als Frau mit einemAsperger-Syndrom auch das Bedürf-nis sich mit anderen über Themenwie Kommunikation, Sozialverhaltenund soziale Erwartungen, Beziehun-gen, Freundschaft und Partnerschaft,Körperliche Gesundheit und Wohlbe-finden, berufliche Möglichkeiten undKarriereplanung oder ihre persönli-che Entwicklung auszutauschen? DieGruppe trifft sich jeweils einmal imMonat. Das erste Treffen findet am10. Oktober in Olten statt. ZVG

AUSKÜNFTE UND ANMELDUNGKontaktstelle für Selbsthilfegruppen KantonSolothurn, Poststrasse 2, 4500 SolothurnT 062 296 93 91E [email protected]

Erfahrungen über Asperger-Syndrom austauschenNEUE SELBSTHILFE GRUPPEEine betroffene Frau aus derRegion gründete eine Selbsthilfe-gruppe für Frauen mit demAsperger-Syndrom. Das ersteTreffen findet am 10. Oktober inOlten statt.

Der Austausch in Selbsthilfegruppen istfür Betroffene wichtig. (Bild: ZVG)

www.proviv-zvbvt.ch

Sofern es die finanziellen Mittel erlau-ben, versucht der Filmverein Licht-spiele Olten, jährlich räumliche Reno-vationen oder Anpassungen vorzu-nehmen. «Im 2013 haben wir denTeppich im Kinosaal erneuert undneue Sofas gekauft. Im vergangenenJahr wurden die Decke und die Licht-anlage renoviert», blickte JacquelineArnold von der Programm-Arbeits-gruppe zurück. Auch die diesjährigeSommerpause wurde genutzt, um das1916 erbaute Gebäude, welches Coopgehört und in dem der Verein mitseinem Kino eingemietet ist, aufzu-rüsten.

Starke Veränderung im Foyer«Der Wasserschaden, der im einsti-

gen Büro entstanden ist, wurde beho-ben und sowohl das Entrée wie auchder erste Stock mit heller Farbe gestri-chen», erklärte Arnold. Zudem habeMichu Grob die Lichtanlage erneuert.Der Architekt riet dem Verein zudemauf das rot im Foyer zu verzichtenund eine neutrale Farbe zu wählen,damit die Kinoplakate besser zur Gel-tung kommen. An Stelle des Büroswurde neu eine Bar auf der linken Sei-te des Foyers eingerichtet und einekleine Küche eingebaut. «Durch dieseneue Raumeinteilung erhalten die Be-sucher mehr Platz, um sich in derPause auszutauschen», erklärt Jacque-line Arnold. «Das Büro haben wir hin-ter zwei Türen im Foyer verbannt», er-klärt Markus Arnold, Präsident desVereins Kino Lichtspiele in seiner An-

sprache. Im länglichen, kleinen Büro-raum sind die Wände nicht verputztund es ist der blanke Backstein zu se-hen. «Für den Bürobereich reicht dasfür den Moment», erklärt Markus Ar-nold schmunzelnd.

Ohne Ehrenamtlichkeit nicht möglich«Die Handwerker haben unter der

Leitung von Architekt Rolf Guldimanneine tolle Arbeit geleistet. Diese Er-neuerungen, für welche der Verein60’000 Franken aufwenden musste,machen Freude, sind motivierendund nur dank der ehrenamtlichenTätigkeit von allen Vereinsmitgliedernmöglich», zeigte sich JacquelineArnold begeistert. «Wir befinden unsbereits im siebten Vereinsjahr und esfunktioniert - das ist grossartig», freu-te sich auch Markus Arnold und fügtean: «Pro Kinoabend sind in der Regelzwei Vereinsmitglieder anwesend - ei-ne Person für die Technik und eineandere für die Bar. Nun führten wir imJahr 2014 356 Veranstaltungen durch.Diese Anzahl an Vorstellungen wären

ohne die Hilfe von vielen engagiertenVorstands- und Vereinsmitgliedernnicht möglich gewesen.»

Spieltage und -zeitenAber nicht nur die Verpackung auch

das Innere wurde angepasst. Neuzeigt der Verein Kino Lichtspiele zweiFilme pro Woche. Einen von Don-nerstag bis Samstag und den anderenvon Montag bis Dienstag. Neu hat dasKino Lichtspiele am Sonntag ge-schlossen. «Diese Anpassung war nö-tig, da wir am Sonntag jeweils wenigeBesucher verzeichnen konnten», er-klärte Markus Arnold. Ausserdemwerden ab Ende Oktober währendden Wintermonaten wieder zusätzli-che Filme ab 18 Uhr gezeigt. Bereitsarbeitet der Verein ausserdem amnächstjährigen Programm und diesessoll speziell werden. Schliesslich gibtes ein Jubiläum zu feiern, denn dasLichtspiele-Gebäude feiert seinen100. Geburtstag. mim

VEREIN KINO LICHTSPIELEVergangene Woche ludendie Vereinsmitglieder vomKino Lichtspiele zur offiziel-len Eröffnungsfeier nachdem Umbau im Sommerein.

Lichtspiele im neuen Glanz

Der neue Foyerbereich bietet den Besuchern des Kinos mehr Platz. (Bild: mim)

www.lichtspiele-olten.ch

ngefangen habe alles mit ei-nem Spaziergang durch Frei-burg im Breisgau (D) und ei-nem vermeintlichen Mantel.

«Ich war auf dem Rückweg von mei-nem Vater in Deutschland und ver-brachte einen kurzen Zwischenhalt inFreiburg. Dabei fiel mir ein gefalteterMantel auf der Balustrade der Wiwi-li-Brücke auf», erinnert sich Paul-Ernst Cohen an den wegweisendenHerbsttag vor zwei Jahren. Der Mantelentpuppte sich als Denkmal an den22. Oktober 1940. Der Tag, der unterdem Namen «Wagner-Bürckel-Akti-on» in die Geschichte einging und dasSchicksal von über 6’500 Juden ausBaden und Saarpfalz besiegelte. DieGedenkstätte «Vergessener Mantelmit Judenstern» erinnert an die da-malige Deportation von jüdischenBürgern in das InternierungslagerGurs in Südfrankreich, das auch als«Vorhölle» zu Auschwitz bekannt ist.

«Ich wollte mehr erfahren»«Die Story hinter dem Mantel liess

mich nicht mehr los und ich wolltemehr über diese spezielle Deportati-

Aonsgeschichte erfahren», zeigt Cohenauf. So nahm der 62-Jährige Kontaktmit Zeitzeugen auf. «Ich sprach mitFrauen und Männern, die diesenschrecklichen Teil der deutschen Ge-schichte er- sowie überlebten undheute in den USA, der Schweiz oder inIsrael leben», erzählt Cohen, der inden 70er-Jahren der Liebe wegen vonDeutschland in die Schweiz auswan-derte. Durch diese Gespräche konnteder Schriftsteller einen persönlichenEinblick in diesen wichtigen Teil derdeutschen Ausgrenzungspolitik wäh-rend der NS-Zeit erhalten. In denzahlreichen Erzählungen fand erüberdies Parallelen zu seiner eigenenFamiliengeschichte. «Eine Zeugin be-richtete mir von einem Heinrich, der1940 in eine psychiatrische Klinik ein-geliefert wurde. Auch mein Grossvaterund Grossonkel waren in solchen An-stalten stationiert, da sie versucht ha-ben, sich das Leben zu nehmen,

nachdem ihnen ihre Arbeitsmöglich-keiten entrissen worden waren»,spricht Cohen ganz offen über seineFamilie. Ausserdem wurde sein Gross-onkel Ernst damals wegen Rassen-schändung verurteilt und ins Konzen-trationslager nach Dachau sowie an-schliessend nach Buchenwald ge-bracht, wo er dann starb. «Die Familieväterlicherseits war halbjüdischer Ab-stammung. Dass mein Vater denzweiten Weltkrieg lebend überstandist ein Schicksals-Geheimnis.»

Von Mannheim nach GursUm die Ereignisse der Deportation

vom Oktober 1940 sowie den Werde-gang seiner drei Grossonkel besser zuerörtern, entschied sich Paul-ErnstCohen für eine 1’170 Kilometer Fahr-rad-Reise von Mannheim, wo die De-portation damals in der Unterführungdes Bahnhofs startete, bis ins franzö-sische Gurs, den Ort des grössten

Internierungslager Europas. Er fuhrden früheren Bahnlinien entlang undkonnte so die Berichte der Zeitzeugenreal mitverfolgen und auf eine neueArt erleben. Zwischen den drei Velo-etappen quer durch Deutschland be-suchte der Geschichtsinteressierteauch zahlreiche Archive, in denen ernicht nur Dokumente von Deportati-onsopfern, sondern auch seines da-mals eingelieferten Grossonkels fand.«Es war ein unglaubliches Gefühl, denOriginalabzug des Haftbefehls gegenmeinen Grossonkel Ernst wegen Ras-senschändung in der Hand zu hal-ten», so der heutige Hauensteinersichtlich berührt. All diese Vorkomm-nisse, Funde und Quellen hat Cohenin seiner Publikation «Kein schöneZeit in diesem Land» zusammenge-fasst und ausführlich kommentiert.Der Buchtitel lehnt sich am bekann-ten Musikstück «Kein schöner Land»an und zeigt durch sein Wortspiel ge-schickt die Kehrseite des idyllischenVolksliedes auf. «Da mich das Themaselber sehr aufwühlte, war das Schrei-ben des Buches wie ein Loslassen vonden Eindrücken und ein Ablegen mei-ner Gedanken», so Cohen und fügt an:«Ausserdem fühlte ich mich verpflich-tet, die Geschichten der zahlreichenZeitzeugen zu erzählen. Denn diesesollen und müssen gehört werden.»

Einzigartige Lesung im Bahnhof OltenUnd gehört werden sie bereits mor-

gen, Freitag, 18. September am Bahn-hof Olten - dies auf eine einzigartigeArt und Weise. «Gemeinsam mit demSaxofonisten Simon Spiess, der michmusikalisch begleitet, lese ich aus«Kein schöne Zeit in diesem Land»vor und nehme die Besucher dadurchmit auf eine Zeiten-Reise.» Kapitel-wünsche, die vorgetragen werden sol-len, nimmt der Autor sehr gerne ent-gegen.

Die Location des Bahnhofs Olten seisehr bewusst dafür gewählt. «DerBahnhof soll symbolisch für die ein-zelnen Stationen der beschwerlichenDeportation stehen. Ausserdem wur-den die bis zu 6500 Juden damals inder Unterführung in Mannheim ge-sammelt und anschliessend auf dieZüge verteilt», erklärt Cohen weiterund überlegt laut: «Daher starten wirauch in Olten unsere Geschichte inder Unterführung.» An der Lesungkönnen auch einige Exemplare desBuches von Cohen erworben werden.Der Gesamterlös der Verkäufe kommtder Susanna-Cohen-Stiftung, die derSchriftsteller 2007 gemeinsam mit sei-ner Frau gegründet hat, zugute. «Mei-ner Frau war es vor ihrem Tod wichtig,eine Organisation zu schaffen, diesich für gemeinnützige Freiwilligenar-beit und gegen Rassismus oder Xeno-phobie einsetzt. Diesen Gedankenmöchte ich nun weiterführen», so Co-hen, der sich beispielsweise am ver-gangenen Flüchtlingstag in Olten un-ter dem Thema «Archen für Boatpeo-ple» engagierte. Cohens persönlicheReise in die Vergangenheit ist jedochmit dem neu veröffentlichten Buchnoch lange nicht abgeschlossen. «Ste-tig erhalte ich wieder neue Hinweisefür Dokumente der damaligen Zeit,die noch nicht aufgearbeitet wurden.Ich möchte jeden Einzelnen dazu er-muntern, sich die Zeit zu nehmen,um genau hinzuschauen und seineeigene Geschichte oder die seinerKultur zu studieren.»

VIVIANE WEBER

LESUNG Am Freitag,18. September wird dasneue Buch «Kein schöne Zeitin diesem Land« von Paul-Ernst Cohen vorgestellt. DerAutor nahm für seine Publi-kation nicht nur eine strapa-zöse Reise auf sich, sondernbefasste sich auch intensivmit der deutschen Deporta-tions- sowie seiner eigenenFamiliengeschichte.

«Alle Zeitzeugen sollen gehört werden»

Mit dem Velo begab sich Schriftsteller Paul-Ernst Cohen auf eine Velo- und Zeiten-Reise durch Deutschland, das Elsass und Südfrankreich. (Bild: vwe)

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Freitag, 18. September, ab 18.30 UhrBahnhof Olten, UnterführungWeitere Infos via E-mail:E [email protected]

LESUNG: PAUL-ERNST COHEN