Dienstleistungsinnovationen
Dienstleistungsforschung und Dienstleistungspolitik
Düsseldorf, 25.4.2013
Prof. Dr. rer. pol. Daniel Bieber
Geschäftsführer und Wissenschaftlicher Leiter
iso-Institut Saarbrücken
Tagung der Hans-Böckler-Stiftung
„Dienstleistungsforschung und Dienstleistungspolitik“
Düsseldorf, 25.April 2013
Dienstleistungsinnovationen im Konflikt zwischen Interessen, Ideen und Praxis
Dienstleistungsinnovationen
Dienstleistungsforschung und Dienstleistungspolitik
Düsseldorf, 25.4.2013
• Hintergründe (Projekterfahrungen)
• Worüber reden wir?
– Demografischer Wandel
– Personenbezogene Dienstleistungen
– Personenbezogene Dienstleistungen und Technik
– Spannungsfelder in der Entwicklung personenbezogener
Dienstleistungen
– Systematische Entwicklung personenbezogener
Dienstleistungen
Agenda
Dienstleistungsinnovationen
Dienstleistungsforschung und Dienstleistungspolitik
Düsseldorf, 25.4.2013
1. Metavorhaben: Technologie und Dienstleistungen im
demografischen Wandel (BMBF), www.dienstleistungundtechnik.de
2. Begleitvorhaben: Personenbezogene Dienstleistungen
am Beispiel seltener Krankheiten (BMBF), www.pb-dl.de
3. Technikeinsatz in der Pflegearbeit (HBS),
www.boeckler.de/11145.htm?projekt=S-2012-608-4%20B
4. Dienstleistungsarbeit zwischen Ökonomisierung und Aktivierung. Neue
Herausforderungen an Arbeitsgestaltung und Arbeitspolitik (HBS),
www.boeckler.de/6299.htm?produkt=HBS-005455&chunk=1
5. Dienstleistungsqualität durch professionelle Arbeit (DL-Quali). Berufliche
Anerkennung und Professionalisierung in der stationären und ambulanten
Altenpflege (BMBF), http://www.iso-
institut.de/forschung/fs3/projekt_3_16.html
6. MOBIA – Mobil bis ins hohe Alter (BMBF), www.mobia-saar.de
7. Verbesserung der Versorgung Pflegebedürftiger (BMG),
http://www.iso-institut.de/forschung/fs5/projekt_5_22.html
Projekterfahrungen
Dienstleistungsinnovationen
Dienstleistungsforschung und Dienstleistungspolitik
Düsseldorf, 25.4.2013
Demografische Entwicklung nach Altersgruppen
16%
50%
20%
14%
0 bis unter 20 20 bis unter 65 65 bis unter 80 80 und älter
2008 2060
Quelle: 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, Statistisches Bundesamt, 2009
19%
61%
15%
5%
0 bis unter 20 20 bis unter 65 65 bis unter 80 80 und älter
Die älter werdende Gesellschaft sind wir!
Dienstleistungsinnovationen
Dienstleistungsforschung und Dienstleistungspolitik
Düsseldorf, 25.4.2013
Bevorzugte Lebensformen im Alter in Deutschland
(Ergebnisse der Population Policy Acceptance Study)
Bevorzugte Lebensform Deutschland
Zu Hause mit professioneller Hilfe 30,1
Zu Hause mit regelmäßiger Hilfe der Kinder/Familie 21,3
Zu Hause mit regelmäßiger Hilfe der Kinder und profess. Hilfe 29,3
Bei einem der Kinder im Haus wohnen 4,2
Ein Haus mit Kindern oder Freunden teilen 1,9
In einem Seniorenheim 10,8
Quelle: BiB/Robert-Bosch-Stiftung, 2005: 24
Dienstleistungsinnovationen
Dienstleistungsforschung und Dienstleistungspolitik
Düsseldorf, 25.4.2013
Arbeitssituation in der Pflege
Dienstleistungsinnovationen
Dienstleistungsforschung und Dienstleistungspolitik
Düsseldorf, 25.4.2013
Auf der strategischen Ebene: Programme und Gutachten
• Hightech-Strategie – mit Bedarfsfeldern wie Gesundheit-(swirtschaft), Mobilität, Sicherheit und Kommunikation – jeweils verknüpft mit „Aktionslinien“, die starke Bezüge zu Dienstleistungen aufweisen
• Forschungsagenda zum demografischen Wandel (enge Verknüpfung von Produkten und Dienstleistungen)
• Expertenkommission Forschung und Innovation (Fokus stark auf wissensintensive (FuE-) Dienstleistungen)
• Programme des BMBF
– „Innovationen mit Dienstleistungen“
– IKT 2020
Auf der operativen Ebene: Organisation des BMBF
– Abt. 5. „Schlüsseltechnologien – Forschung für Innovationen“
– Referat 524: „Demografischer Wandel; Mensch-Technik-Interaktion“
– Referat 512: „Forschung für Produktion, Dienstleistung und Arbeit“
Dienstleistungen anerkannt wichtig
Dienstleistungsinnovationen
Dienstleistungsforschung und Dienstleistungspolitik
Düsseldorf, 25.4.2013
Dienstleistungen also wichtig – wie steht es mit
personenbezogenen Dienstleistungen?
Dienstleistungen überall als relevant angesehen – aber:
- Starker Bezug auf Unternehmen, nicht Endkunden
- Starker Bezug auf Technik
- Starker Bezug auf wissensintensive Dienstleistungen
- Starker Bezug auf produktbegleitende Dienstleistungen, nicht auf
personenbezogene Dienstleistungen
In BMBF-Förderung: Sehr starker Bezug auf Technologieentwicklung,
simultane Entwicklung von Dienstleistungen und Technologien ausbaufähig!
Dienstleistungsinnovationen
Dienstleistungsforschung und Dienstleistungspolitik
Düsseldorf, 25.4.2013
Quelle: Blinkert (2010)
2050
150
100
2010 2030
50
Index
200 Pflegebedürftige
Informelles Pflegepotenzial
Zahl der Pflegebedürftigen und informelles Pflegepotenzial
Anteil der Heimbewohner steigt → Mythos „Ambulantisierung“!
Prozess der „Verdienstleistung“ gewinnt an Fahrt → Personalbedarf müsste sich mehr als verdoppeln → Grauer Arbeitsmarkt
Finanzierungsfrage verschärft sich
→ solidarische Versicherungssysteme unter Druck
→ Suche nach neuen Ressourcen
• Breitere (Re)finanzierungsbasis
• Aktivierung des sozialen Raumes
• Das Potenzial einer systematischen Dienstleistungs- und Technik- entwicklung nutzen
v.a. Kultivierung von pb DL!
Beispiel „Pflegelücke“
Die wachsende Bedeutung von
personenbezogenen Dienstleistungen (I)
Dienstleistungsinnovationen
Dienstleistungsforschung und Dienstleistungspolitik
Düsseldorf, 25.4.2013
… in Zukunftsfeldern…
Gesundheitswesen
Bildung / Erziehung
Integrationsarbeit
Suche nach neuen Formen sozialer Sicherheit, Solidarität und Kohäsion
Energie- / Mobilitätsmanagement
Hybride Produkte / Wertschöpfung als kollaborativer Prozess
… und Wachstumsbranchen
… überall dort, wo …
beschleunigte Zirkulation, Vermittlung u. Aneignung von Informationen / Wissen
wachsender Kommunikations-, Steuerungs-, Vernetzungsbedarf in komplexer werdenden DL-Beziehungen (B2C, B2B, C2B)
Verbunden mit interaktiver Arbeit: Kooperation, Koproduktion, Selbstberatung/-versorgung, Selbststeuerung, Selbstwirksamkeitsüberzeugung, Aktivierung, Entwicklung von entsprechenden Gelegenheitsstrukturen
Verlagerung von Arbeitsanforderungen an innere Dispositionen → mentale Anpassung an schnell sich wandelnde Gegebenheiten
Tangiert die Förderung der Ressourcen • von Einzelnen • von formellen und informellen Netzwerken • des sozialen Raumes
Die wachsende Bedeutung von
personenbezogenen Dienstleistungen (II)
Dienstleistungsinnovationen
Dienstleistungsforschung und Dienstleistungspolitik
Düsseldorf, 25.4.2013
Die wachsende Bedeutung von
personenbezogenen Dienstleistungen (III)
Personenbezogene Dienstleistungen sind Wachstumsbereiche
Personenbezogene Dienstleistungen: vorzugsweise weiblich und
hoher Anteil an Teilzeitbeschäftigung
Quelle: Hielscher et al. (2013): Zwischen Kosten, Zeit und Anspruch. Das alltägliche Dilemma sozialer Dienstleistungsarbeit,
Wiesbaden:Springer VS, S. 12
1999
2005
2009
Anzahl Beschäftigte
2.493.139
2.786.539
3.098.795
Anteil an soz.vers.pflicht. Beschäftigten
8,1%
11,4%
12,1%
Anteil Frauen
83,7%
83,6%
83,6%
Anzahl Teilzeitbeschäftigte
667.641
951.406
1.192.092
Anteil Teilzeitbeschäftigte
26,8%
34,1%
38,5%
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in den Sozial-, Erziehungs- und
Gesundheitsberufen (ohne Lehrer)
Dienstleistungsinnovationen
Dienstleistungsforschung und Dienstleistungspolitik
Düsseldorf, 25.4.2013
Nutzertypen von AAL im ersten und zweiten Gesundheitsmarkt
Dienstleistungsinnovationen
Dienstleistungsforschung und Dienstleistungspolitik
Düsseldorf, 25.4.2013
Beschäftigtenakzeptanz (I)
• Beschäftigte in Forschungen zur Nutzerakzeptanz bislang nahezu komplett
vernachlässigt
• Beschäftigte sind „Lead User“
• Pflegekräfte beschreiben sich selbst als Berater der Patienten
• Die Beschäftigten weisen (entgegen von Vermutungen) hohe Bereitschaft zur
Nutzung von höherwertiger Technik auf
• Arbeitssituation der Beschäftigten im Austausch mit den Patienten ist in den
Vordergrund zu rücken (personenbezogene Dienstleistung – Interaktionsarbeit)
• Technische Optionen müssen in den Arbeitsalltag integriert werden und sich
diesem bereits während der Entwicklungsphase unterordnen
• Assistierende Technologien sind als Unterstützungsinstrumentarien der
personenbezogenen Dienstleistung einzusetzen
• Zielsetzung: Die Fachkräfte sollen sich mit Hilfe der Technik auf den interaktiv-
emotionalen Kern ihrer Arbeit konzentrieren können
Schwierig, nicht hoffnungslos, aber notwendig: Gesellschaftlicher
Konsens über die Verteilung von Produktivitätsgewinnen!
Dienstleistungsinnovationen
Dienstleistungsforschung und Dienstleistungspolitik
Düsseldorf, 25.4.2013
Beschäftigtenakzeptanz (II)
• Durch innovative Arrangements mehr Zeit für individuelle „Face-to-Face-
Kontakte“
• Oder: Erleichterung bei umfassenden Dokumentations- und
Organisationsprozessen
• Technik, die sich den Arbeitsprozessen unterordnet, kann zugleich mehr
Individualität, mehr Wertschöpfung (auch durch Standardisierung) erzeugen
• Balance des Spannungsfelds: Individualisierung vs. Standardisierung und
Industrialisierung
„Anschlussfunktionalität“ als zentrales Erfolgs- und Effizienzkriterium
• „Anschlussfähigkeit“ im Sinne des direkten Anschlusses an die bestehenden
Arbeitsprozesse
• „Anschlussfähigkeit“ an die mentalen und qualifikatorischen Voraussetzungen
der Beschäftigen
• „Anschlussfähigkeit“ als Integration in und direkte Weiterentwicklung von bereits
vorhandenen technischen Anwendungssystematiken
Dienstleistungsinnovationen
Dienstleistungsforschung und Dienstleistungspolitik
Düsseldorf, 25.4.2013
Erfolgreiche Gestaltung personenbezogener Dienstleistungen
Personen-bezogene
Dienst-leistungen
Ausschöpfung von Rationalisierungs-potenzialen durch
systematische Dienstleistungs-
entwicklung
Technik
Kultivierung des Personenbezugs
Dienstleistungsinnovationen
Dienstleistungsforschung und Dienstleistungspolitik
Düsseldorf, 25.4.2013
Systematische Entwicklung von personenbezogenen
Dienstleistungen
Rationalisierungspotenziale ausschöpfen durch systematische Dienstleistungsentwicklung, z.B. Service Engineering
• Optimierung des Wissens- und Datentransfers
• Technisierung
• Virtualisierung
• Standardisierung
Personenbezug stets im Blick?!
Dienstleistungsinnovationen
Dienstleistungsforschung und Dienstleistungspolitik
Düsseldorf, 25.4.2013
„Kultivierung“ von personenbezogenen Dienstleistungen
Personenbezug = Beziehung (Interaktion) zwischen Dienstleistungserbingern und Dienstleistungsempfängern
• Personenbezug mehr als Kundenintegration
• Kann sich auf weitere Akteure ausdehnen (Wertschöpfungssysteme!)
Personen stehen im Mittelpunkt • Haltungen, Sichtweisen
• Menschliche Arbeit
• Schlecht planbare Eigendynamik des Dienstleistungsprozesses
Kultivierung personenbezogener Dienstleistungen • Sichtbarmachen des Personenbezugs der Dienstleistungen auf
verschiedenen Ebenen
• Systematische Berücksichtigung in Bezug auf alle Prozesse
• Strukturelle, organisatorische Absicherung des Personenbezugs: z.B. bei Arbeitsgestaltung, Kompetenzentwicklung, Innovationsstrategien
Dienstleistungsinnovationen
Dienstleistungsforschung und Dienstleistungspolitik
Düsseldorf, 25.4.2013
Essentials von personenbezogenen Dienstleistungen
Arbeit mit und an Menschen: „Objekt“ der Dienstleistung ist der Mensch als Subjekt
Subjekt-Subjekt-Kooperation → interaktive/dialogisch-interaktive Arbeit → subjektivierendes Arbeitshandeln
Informations- und wissensbezogen, ggf. aber auch Arbeit am Körper, mit Befindlichkeiten (Schmerz), Selbst- und Fremdbildern, Biografien → Empathie, Gefühls-, Emotions-, Beziehungsarbeit
Verständigung über Kooperationsgrundlagen, Steuern der Interaktionsdynamik, kontinuierliche Modifizierung der Kooperationsgrundlagen
Implizites Erfahrungs-/Kontextwissen, intuitives Handeln, Interaktions- und Reflexionskompetenzen, hermeneutisches Fallverstehen, bildhaftes Ausdrucksvermögen, Umgang mit Unsicherheiten/Ungewissheiten
Dispositionsspielräume erforderlich
Handeln nach heuristischen Regeln – nicht nach (deterministischen) Algorithmen
„Verborgene“ Professionalität ist zentral, wird aber oft nicht wahrgenommen, nicht anerkannt und nicht entlohnt!
Dienstleistungsinnovationen
Dienstleistungsforschung und Dienstleistungspolitik
Düsseldorf, 25.4.2013
„Konstruktionsprinzipien“ von Dienstleistungen
Dienstleistungs-unternehmen
Kunde Dienstleistungs-
erbringer
Technik/
Org.
Spann-ungs-felder
Gesell.
Regu-
lierung
Dienstleistungsinnovationen
Dienstleistungsforschung und Dienstleistungspolitik
Düsseldorf, 25.4.2013
Spannungsfelder personenbezogener Dienstleistungen
Dienstleistungen eingebettet in Spannungsfelder
• Individualisierung und Standardisierung
• Technische Logik und Logik der Arbeitsprozesse
• Interaktionslogik und betriebswirtschaftliche Logik
• Interessen der verschiedenen Akteure
Unabdingbar: Berücksichtigung der Spannungsfelder für eine qualitativ angereicherte Gestaltung der Dienstleistungsarbeit
Dienstleistungsinnovationen
Dienstleistungsforschung und Dienstleistungspolitik
Düsseldorf, 25.4.2013
Die Suche nach intelligenten Lösungen für die Ausbalancierung
dieser Spannungsfelder
(Einfach) aufzulösen sind diese Spannungsfelder nicht
Suche nach falltypisch differenzierten Lösungen notwendig
Wie spielt sich Balance ein? (Cui bono? – Zu wessen Gunsten/Lasten, zu welchem
Preis?)
Prinzipiell zwei Ausgangspunkte für die Suche nach
einer neuen Balance:
Ausgehend vom Personenbezug / Interaktionsarbeit
→ Definition/Zuschnitt der DL-Systematik auf Erfordernisse von
pb DL / Interaktionsarbeit / kooperative DL-Systeme
→ Risiko: DL-System wird zu komplex/schwerfällig
Ausgehend von den Anforderungen der DL-Systematik
→ Wahrnehmung/Zuschnitt von Aspekten der Interaktionsarbeit
auf die Erfordernisse der DL-Systematik
→ Risiko: „Was nicht passt, wird passend gemacht“ → Reduktionismus
Dienstleistungsinnovationen
Dienstleistungsforschung und Dienstleistungspolitik
Düsseldorf, 25.4.2013
iso : 20 Jahre erfolgreiche Dienstleistungsforschung
Projekte zur hybriden Wertschöpfung des BMBF
Arbeits- und Gesundheitsschutz bei Dienstleistungen (Pflege, Logistik) der BAuA
Arbeitsgestaltung und Weiterbildung bei Dienstleistungen (BIBB)
Modellhafte Gestaltungsprojekte mit Unternehmen (REWE, dm, Kraft Jacobs
Suchard, Henkel, Pfenning Logistik, Spedition Rudolph u.a.)
Evaluation der Bundesagentur für Arbeit (Deutscher Bundestag)
Technologieentwicklung und (personenbezogene) Dienstleistungen
www.dienstleistungundtechnik.de und www.pb-dl.de
Dienstleistungsinnovationen
Dienstleistungsforschung und Dienstleistungspolitik
Düsseldorf, 25.4.2013
iso : 15 Jahre erfolgreiche Demografieforschung
Projekte zum demografischen Wandel des BMBF
Modellprogramme des BMAS
Demografie-Initiative des BMBF
Modellhafte Gestaltungsprojekte mit Unternehmen
Transferprojekte (Handlungshilfen, Tools, etc.) / Bertelsmann Stiftung,
Hans-Böckler-Stiftung, BAuA, INQA, VDMA
Kontakt: Prof. Dr. Daniel Bieber
iso-Institut
Trillerweg 68
66117 Saarbrücken
Tel: +49 (0) 681 95424-12
Mail: [email protected]
Top Related