Download - Islamismus-Expertin Preisfür Comics als Selbsttherapie · Kannwiederlachen:StefLenklittvorzweiJahrenanstarkenDepressionen.InihrerZeichnung„ErsteKindsbewegungen“gehtesumdiemöglicheÜbertragungeinerpsy-

Transcript

Kann wieder lachen: Stef Lenk litt vor zwei Jahren an starken Depressionen. In ihrer Zeichnung „Erste Kindsbewegungen“ geht es um die mögliche Übertragung einer psy-chischen Erkrankung von der Mutter auf das Kind. Ein Versuch der Kreuzbergerin, ihre Krankheit zu verarbeiten. Foto: MOZ/Maria Neuendorff; Comic: Safdar Ahmed

Von Maria NeueNdorff

Berlin (MOZ) Sie haben Depres-sionen, Burnout oder MorbusCrohn: Den Protagonisten derComics in einer neuen Ausstel-lung der Charité ist gar nichtzum Lachen. Stattdessen ver-suchen sie, mit den Zeichnun-gen ihre Leiden zu verarbeiten.

Manchmal braucht es nicht maleinen Auslöser. Dann ist es trotz-dem wieder da. Dieses Gefühl,dass alles sinnlos ist. Woher eskommt, weiß Stef Lenk nicht. Siehat nur die Vermutung, dass siedie Depression von ihrer Muttergeerbt haben könnte. Und so ringtdas Baby auf ihrem Comic mit derPlazenta, um gegen diese geneti-sche Beigabe anzukämpfen.

Die wortlose Erzählung isteines von insgesamt zehn Co-mics, die seit Freitag im Medi-zinhistorischen Museum der Cha-rité zu sehen sind. Während dieEmbryonen, Nierensteine undHerzkranzgefäße in den Vitri-nen daneben anonym bleiben,erzählen die Zeichnungen ganzpersönliche, teils drastische Ge-schichten vom Kranksein. „Co-mics sind schon lange kein Kin-derkram mehr“, sagt KuratorinUta Kornmeier. Spätestens seitder Holocaust-Erzählung „Maus“sei das Genre erwachsen gewor-den und hätte bewiesen, dass esauch ernste Themen transportie-ren könne.

Und so berichten die Bilder-geschichten von Protagonis-ten aus verschiedenen Ländernvon Leiden, Scham und Aus-grenzung. Teilweise drastisch.So berichtet der Australier Saf-dar Ahmed von seiner „Schlacht“mit der chronisch-entzündli-

chen Darmerkrankung MorbusCrohn. In dem Comic mit zumTeil anatomischen Zeichnungenwird sein künstlicher Darmaus-gang zum übellaunigen Beglei-ter, der dem Kranken droht, ihnbeim Date mit Geräuschen undunfreiwilligen Ausscheidungenzu blamieren.

Doch auch die ungewollte Kin-derlosigkeit spielt in zwei Ge-schichten eine Rolle. „Zerbro-

chene Eier“ (Emily Steinberg/USA) handelt von den Sehnsüch-ten und zerplatzten Hoffnungeneiner Frau während ihrer Kinder-wunschbehandlung. Die Zeich-nungen mit Tusche und Wachs-kreide erinnern zum Teil an alteGemälde und spielen ironisch aufdie gesellschaftliche Vorstellungvon „erfolgreicher Weiblichkeit“an. Nach monatelangen medizi-nischen Eingriffen verwandelt

sich die Protagonistin langsamin ein Meerschweinchen aus demVersuchslabor.

Eine sehr klare Linie zeichnetdagegen Christoph Geiger ausDeutschland. In seinem Comic„Weiterarbeiten“ kann der Be-trachter mitansehen, wie der anBurnout erkrankte Zeichner sichnach und nach selbst einmauertund sich so in die soziale Iso-lation begibt.

Doch auch die andere Seitewird beleuchtet. Mehrere Comicserzählen die Geschichte aus derSicht von pflegenden Angehöri-gen. Besonders anrührend da-bei die Momentaufnahme ausdem Leben einer Tochter mit ih-rer an Alzheimer erkranktenMutter. Während einer gemein-samen Autofahrt bezeichnet diesonst abwesend wirkende Mutterplötzlich eine Straßentaube als„Wolkenwächter“. Ein poetischesBild, das auch die Tochter für ei-nen Moment aus ihrem müh-samen Alltag herausholt. Weil siesich darauf einlässt, schafft sie es,eine emotionale Verbindung zurMutter herzustellen.

„Es geht auch darum, die klei-nen positiven Momente heraus-zupicken, groß zu machen unddamit neue Geschichten zu ent-wickeln“, erklärt Stef Lenk. Die44-jährige gebürtige Kanadierin,die seit 2010 in Kreuzberg lebt, istinzwischen Mitglied eines bun-desweiten PathoGraphics-For-schungsteams. Das will ergrün-den, wie das noch neue Genreder „Graphic Medicine“ als Er-zähltherapie angewendet werdenkann. Stef Lenk, die vor zwei Jah-ren in ein tiefes seelisches Lochfiel, kann ihre eigenen Erfahrun-gen einfließen lassen. In ihremGeburts-Comic verwandelt sichdie Nabelschnur in einen Zei-chenstift. Ein Sinnbild für daskünstlerische Talent, das Lenkebenfalls von der Mutter geerbthat. Und mit dem sie nun gegendie Depressionen ankämpft.

„SICK! Kranksein im Comic“, bis4. März 2018, MedizinhistorischesMuseum, Charitéplatz 1, Di., Do.,Fr., So 10–17; Mi., Sa. 10–19 Uhr.Eintritt neun, ermäßigt vier Euro

An der Charité erzählen Bildergeschichten vom Leben mit schweren Krankheiten

Comics als Selbsttherapie

Berlin (dpa) Berlins Polizeiprä-sident Klaus Kandt hat sich beimSenat über mangelnden Einsatzder Ordnungsämter beim Kampfgegen Ordnungswidrigkeiten wieRuhestörung und Verkehrsbehin-derungen beschwert. In einemBrief an Innensenator AndreasGeisel (SPD), über den die „Berli-ner Morgenpost“ berichtete, kriti-sierte Kandt, dass die Polizei sichimmer häufiger um diese Kleinig-keiten kümmern müsse. Die ei-gentlich zuständigen Ordnungs-ämter lehnten viele dieser Fälleab, obwohl sie zuständig seien.Es gebe „zunehmende Schwierig-keiten“ in der Zusammenarbeit.

Eine Sprecherin von Geiselbestätigte am Freitag den Erhalt

des Briefs und sagte: „Selbst-verständlich werden wir uns imRahmen der Möglichkeiten mitgeschilderten Problemen befas-sen, welche uns aus unserennachgeordneten Behörden er-reichen.“ Gleichzeitig verwiessie aber auf die Aufgabenvertei-lung in Berlin zwischen dem Se-nat und den zwölf Bezirken, diefür die Ordnungsämter zustän-dig seien. „Wichtig zu erwäh-nen ist jedoch, dass die Innen-verwaltung grundsätzlich keinenEinfluss auf den Personaleinsatzder Bezirke hat.“

Allerdings könnte der In-nensenator auf der politischenEbene auf die zuständigen Be-zirksstadträte einwirken, um

die Ordnungsämter mehr in diePflicht zu nehmen. Viele Ein-sätze wegen Ruhestörung errei-chen die Polizei demnach abernach 22 Uhr – außerhalb derregulären Arbeitszeit der Ord-nungsämter. Die Polizei über-nimmt diese Einsätze dann. Esgibt auch Konflikte mit reniten-ten Feiernden oder Autofahrern,die lieber der Polizei überlassenwerden.

In anderen Fällen kommenBeschwerden zuerst bei der Po-lizei an, diese alarmiert danndas zuständige Ordnungsamt.Nach Angaben des Polizeiprä-sidenten gab es 2013 etwa 68 000Aufträge, für deren Bearbeitungeigentlich das Ordnungsamt zu-

ständig gewesen wäre, wie dieZeitung schreibt. In allen Fällenhabe man versucht, die Bezirkezu erreichen. Gelungen sei dasaber nur in 20 000 Fällen. 48 000Einsätze mussten von der Polizeiübernommen werden. An die-ser Situation habe sich bis heutenicht viel geändert.

Der Sprecher der Gewerk-schaft der Polizei (GdP), Benja-min Jendro, sagte der Zeitung:„Es kann nicht sein, dass dieBerliner Polizei für alles denKopf hinhalten muss, was ori-ginär von einem anderen Bereichzu bewältigen ist.“ Der Senatmüsse schleunigst funktionie-rende Strukturen aufbauen undpersonell ausfüllen.

Polizei kritisiert mangelnden Einsatz der Ordnungsämter bei „Kleinigkeiten“

Beschwerdebrief an den Innensenator

Berlin (dpa) Angesichts desangespannten Wohnungs-marktes für Studenten berei-tet Berlin eine Bundesrats-initiative für eine deutlicheErhöhung der Bafög-Wohnpau-schale vor. Man müsse „län-derübergreifend dafür sorgen,dass die Bundesregierung dieBafög-Wohnpauschale von der-zeit 250 Euro möglichst schnellweiter erhöht“, erklärte BerlinsRegierungschef und Wissen-schaftssenator Michael Müller(SPD) am Freitag. In den ver-gangenen Jahren hätten sichdie Studentenzahlen und dieNachfrage nach bezahlbarem

Wohnraum bundesweit erhöht– bei steigenden Mietkosten invielen Uni-Städten.

Müller verwies auf langeWartelisten auf einen Wohn-heimplatz bei den Studieren-denwerken: „In München liegtdie Zahl bei 10 000, in Ber-lin bei 4700, Stuttgart meldet3800. Das ist eine Herausforde-rung für alle Bundesländer“, soMüller. Unter Berufung auf dieSozialerhebung des DeutschenStudentenwerks hieß es, dassbesonders Studenten mit ge-ringen Einkommen inzwischenfast die Hälfte ihrer Mittel fürMietkosten ausgeben müssten.

Land plant Bundesratsinitiative

Berlin kämpft für höhereBafög-Wohnpauschale

Berlin (AFP) Berlins General-staatsanwalt Ralf Rother hatvor „dramatischen“ Engpäs-sen bei der Terrorbekämp-fung gewarnt. Innerhalb derBerliner Sicherheitsbehördensei die Situation mitunter „inhöchstem Maße prekär bisdramatisch“, sagte Rotherdem Magazin „Der Spiegel“.Insbesondere bei der Auswer-tung von Datenträgern, aberauch in anderen Bereichender Terrorismusbekämpfungmüssten Staatsanwaltschaftund Polizei „zukünftig deut-lich mehr Personal einsetzen“.

Seit 2014 sei die Zahl derin Berlin geführten Verfahrenmit Terrorismusbezug um biszu 130 Prozent gestiegen, al-lein in diesem Jahr seien 350weitere Vorgänge eingegangen.Staatsanwälte und Kriminal-beamte arbeiteten zwar „ander Grenze und teilweise da-rüber hinaus“, sagte Rother.Niemand könne jedoch per-manent „150 Prozent bringen“.

Hinzu kämen weitere Per-sonalprobleme: „In dem Au-genblick, wo wir unsere An-titerrorabteilung verstärken,müssen wir erfahrene Staats-anwälte aus den anderen Be-reichen abziehen“, sagteRother dem „Spiegel“. DasErgebnis sei, dass dort Per-sonal fehle.

Warnung vorEngpässen beiTerrorabwehr

Berlin (dpa) In der Debatteum kampierende Obdachlosein Berlin hat die Bezirksbür-germeisterin von Friedrichs-hain-Kreuzberg, Monika Herr-mann (Grüne), Kollegen ausanderen Innenstadtbezirkenscharf angegriffen. „Im Mo-ment werden Spielchen ge-spielt, das ist wirklich wider-lichstes politisches Theater“,sagte Herrmann dem „NeuenDeutschland“. Sie kritisierteunter anderem die Bezirks-bürgermeister von Neukölln,Franziska Giffey (SPD), undMitte, Stephan von Dassel(Grüne), die sich in „einemWettbewerb der Härte“ befän-den. Stattdessen müsse etwadie Kältehilfe ausgebaut wer-den, sagte Herrmann.

Der Grünen-Bürgermeistervon Dassel hatte Abschiebun-gen von bestimmten Gruppenvon Obdachlosen gefordert.Giffey aus Neukölln hatte ge-sagt: „Wir können nicht hin-nehmen, dass neue Zeltlagerim Park mit 30 oder 40 Leu-ten entstehen.

„WiderlichstespolitischesTheater“

Monika Herrmann Foto: dpa

Bachs h-Moll-Messeist Unesco-Welterbe

Jetzt hat es die Berliner Staats-bibliothek schwarz auf weiß:Das Manuskript von JohannSebastian Bachs (1685-1750)h-Moll-Messe gehört nun of-fiziell zum Unesco-Weltkul-turerbe. Zwei Jahre nach derEntscheidung der Kulturorga-nisation der Vereinten Natio-nen hat die Staatsbibliothekam Freitag die Urkunde er-halten. Die Präsidentin derDeutschen Unesco-Kommis-sion, Verena Metze-Mangold,übergab das Dokument derGeneraldirektorin der Staats-bibliothek, Barbara Schneider-Kempf. Das Manuskript gehörtzur Bach-Sammlung der Ber-liner Staatsbibliothek. (dpa)

Nach Großrazzienfünf Männer in U-HaftNach den Großrazzien wegeneiner Erfurter Massenprügeleimit vermutetem Hintergrundin der organisierten Krimina-lität sind fünf Männer in Un-tersuchungshaft. Sie werdenin erster Linie des Landfrie-densbruchs verdächtigt, wiedas Thüringer Landeskrimi-nalamt am Freitag mitteilte.Am Vortag waren bei Durch-suchungen in Erfurt, Zwickauund Berlin sechs Männer fest-genommen worden. Die Be-amten stellten Schusswaffen,Elektroschocker, Schlagstöckeund fast 30 000 Euro Bargeldsicher. (dpa)

Preis fürIslamismus-Expertin

Die Berliner Islamismus-Ex-pertin Claudia Dantschke wirdmit dem Stieg-Larsson-Preis2017 ausgezeichnet. Die Lei-terin der Berliner Beratungs-stelle „Hayat“ für ausstiegs-bereite Islamisten erhält denmit 200 000 schwedischenKronen, rund 20 000 Euro,dotierten Preis für ihre jahr-zehntelange Arbeit zur Deradi-kalisierung junger Islamistenund für ihr Bemühen um einedifferenzierte Betrachtung desIslams, wie die Stieg-Larsson-Stiftung am Freitag in Stock-holm mitteilte. (epd)

183 000 Studentenim Wintersemester

Die Zahl der Studenten inBerlin ist nach Einschät-zung der Senatskanzlei wei-ter gestiegen. An den staat-lichen, konfessionellen undprivaten Hochschulen dürftenim Wintersemester 2017/18insgesamt rund 183 000 Men-schen studieren, teilte einSprecher der Senatskanzlei fürWissenschaft und Forschungam Freitag mit. Das sei einPlus von etwa 3000 im Ver-gleich zum Vorjahr. (dpa)

Brand inHochhaus

Im Keller eines elfgeschossi-gen Hochhauses in Hellers-dorf ist in der Nacht zu Frei-tag ein Feuer ausgebrochen.Eine 23-jährige Mieterin kammit Verdacht auf eine Rauch-gasvergiftung in ein Kranken-haus. Die Ermittler gingenderzeit von schwerer Brand-stiftung aus, teilte die Polizeimit. Eine 35-Jährige hattekurz nach Mitternacht denBrandgeruch im Hausflur be-merkt und die Feuerwehr alar-miert. Drei Kellerverschlägebrannten aus. Die Flammenbeschädigten außerdem elek-trische Leitungen, woraufhinder Strom in dem Mehrfami-lienhaus ausfiel. (dpa)

Lebensmittel-Start-upsausgezeichnet

Zwei Berliner Lebensmittel-Start-ups sind für ihren Ge-meinwohl-Sinn ausgezeich-net worden. Sie erhielten amDonnerstag in Leipzig je ei-nen Preis des „EY Public ValueAwards“. Geehrt wurde dasProjekt „SirPlus“, das sich ge-gen Lebensmittelverschwen-dung einsetzt. In einem Su-permarkt werden „gerettete“Produkte verkauft. Ebenfallseinen Preis gewann „CoffeeCircle“. Das Unternehmen ver-kauft Kaffee aus Äthiopienund beteiligt die Kaffeebau-ern an den Gewinnen. (dpa)

In Berlin notiert

BerlinMOZ Sonnabend/Sonntag, 28./29. Oktober 2017 11