Prof. Dr. Carsten Becker
Kölner FIW-Seminar
Vertikale Preisbindung und hub and spoke-Kartelle im Lebensmitteleinzelhandel
18. Juni 2015
Christof Vollmer
18.06.2015
Gliederung
Bedeutung
Begriff
Anforderungen in Rspr., Lit. und Praxis
Nachweis-Besonderheiten
Anwendungsbeispiele aus dem LEH
Ausblick
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Von vertikalen Praktiken zu horizontalen Absprachen
aus Vielfalt vertikaler Praktiken solche herausfiltern, die als Horizontal-Absprache anzusehen sind
nicht jeder Horizontal-Effekt im Vertikalverhältnis ausreichend vertikales Preisbindungssystem des Herstellers bewirkt idR bereits
Koordinierung des Preises auf der Einzelhandelsstufe
Machtverhältnisse im LEH machen für erfolgreiche Preisbindung ggf. intensive Kommunikation des Herstellers mit Händlern über LVP erforderlich
Figur hub & spoke soll höhere Qualität abbilden, die zur Einstufung als Horizontal-Absprache berechtigt
Bedeutung
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Bedeutung
Folgen der Einstufung
Differenzierung zwischen horizontal und vertikal in § 1 GWB mit 7. GWB-Novelle aufgegeben
unterschiedlich hohe Freistellungschancen
Auswirkungen auf die Bußgeldzumessung nach den Bußgeld-Leitlinien des BKartA
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vertikale Praktiken
mit horizontalen
Effekten
hub & spoke-
Absprache
Modera-tion
Stern-vertrag
Begriff
trilaterale Absprache
Austausch über
Bande
Radnaben-kartell
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Begriff
hub & spoke-Absprache
Modell: Übermittlung des Angebots des Absenders zur Preisabsprache durch den
Mittler an den Empfänger
Rück-Übermittlung von Angebotsannahme durch den Mittler an den Absender
kein direkter Kontakt der Wettbewerber
Mittler wird im Modell nicht Partner der Absprache
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Begriff
hub & spoke-Absprache
Erweiterung des Modells erforderlich reine Mittlerfunktion eher unwahrscheinlich bei Markenhersteller
Modell würde sonst in der Praxis selten zur Anwendung kommen
Mischfälle erfasst, in denen Hersteller zugleich Partner der Absprache ist Hersteller übernimmt Mittlerrolle, weil auch er ein bestimmtes LVP-Niveau
erreichen will oder weil er die LVP mit seinen einzelnen Händlern absprechen will
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Begriff
Unterschied zum Institut des Sternvertrags?
Sternvertrag: gemeinsamer Zweck iSv § 1 GWB a.F. wird durch eine Mehrzahl von vertikalen, inhaltlich abgestimmten Vereinbarungen verwirklicht
historischer Begriff, der ursprünglich fehlendes Verbot für vertikale Bindungen kompensieren und frühere Trennung von horizontalen und vertikalen Verstößen überwinden sollte
Rest-Funktion ist heute wertungsfreie Beschreibung einer bestimmten Sachverhaltskonstellation
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Begriff
Unterschied zum Begriff Moderation?
Moderation: Hersteller sorgt dafür, dass die wesentlichen Wettbewerber auf der Handelsseite ein bestimmtes Ladenpreisniveau einhalten
kein rechtstechnischer Begriff
Funktion im Wesentlichen wertungsfreie Beschreibung des Kommunikationsvorgangs
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Anknüpfungspunkte im Gesetz
„mittelbares“ Zustandekommen der Preisabsprache (vgl. Art. 101 Abs. 1 Buchst. a) AEUV)
besonderer Prüfung bedarf das Tatbestandsmerkmal „Vereinbarung / abgestimmtes Verhalten“, Art. 101 I AEUV
Anforderungen nicht im Sinne von ungeschriebenen Tatbestandsmerkmalen, sondern als Nachweis-Thema
Anforderungen in Rspr., Lit. und Praxis
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Anforderungen in Rspr., Lit. und Praxis
Entscheidungen von OFT, CAT und Court of Appeal (CoA): A-B-C-Test
Hub-and-Spoke-Kartell
Hersteller B
Händler A Händler C
Vertikale Preisbindung
Hersteller B
Händler A Händler
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Entscheidungen von OFT, CAT und Court of Appeal (CoA): A-B-C-Test
Anforderungen in Rspr., Lit. und Praxis
Objektiver Tatbestand 1. A teilt B Informationen über
zukünftiges Marktverhalten mit.
2. B gibt diese Informationen an C weiter.
3. C benutzt diese Informationen zur Festsetzung des eigenen Wettbewerbsverhaltens (OFT, CoA). Die Anic-Vermutung ist anwendbar (OFT).
Subjektiver Tatbestand
1. A hat die Weitergabe der Information durch B an C beabsichtigt (OFT, CoA) oder diese war vorhersehbar (OFT, ähnlich CAT).
2. C kennt die Umstände, unter denen die Information von A an B weitergegeben wurde (OFT, CoA), oder C begrüßt die Weitergabe der Information an ihn unter Mitwirkung von A
(OFT).
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Literaturmeinungen: Röhling/Haus 2011, Odudu 2011, Hainz/Benditz 2012, McCabe 2012, Stöcker 2012
Anforderungen in Rspr., Lit. und Praxis
Objektiver Tatbestand
• Gilt die Anic-Vermutung?
Subjektiver Tatbestand
• Reicht für A die Vorhersehbarkeit der Weitergabe der Information durch B an C aus?
• Genügt die bloße Kenntnis der Umstände durch C? Gilt die Widerspruchslösung?
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Nachweis der subjektiven Elemente bei Hub-and-Spoke-Kartellen
Subjektive Elemente können idR nicht unmittelbar nachgewiesen werden.
Dafür kommen vor allem Indizien infrage.
Was sind zulässige Indizien? 1. Fallgruppe: Einmalige Kommunikation
2. Fallgruppe: Mehrfache Kommunikation mit wiederkehrenden Kommunikationsmustern
Nachweis-Besonderheiten
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Punkt III.4. „Dies kann auch bei Vorliegen eines Dreiecksverhältnisses zwischen Lieferanten und Groß-/Einzelhändlern der Fall sein („Hub & Spoke“), wenn die Kommunikation der Handelsunternehmen über den Lieferanten (mittelbar) eine horizontale Abstimmung über Preise oder andere Wettbewerbsparameter zwischen den Handelsunternehmen bezweckt oder bewirkt.“
Regelbeispiele • Offenlegung von Konditionen
oder Verträgen
• Meistbegünstigungsklauseln
• Übermittlung von preisbezogenen Informationen aus dem Vertragsverhältnis Lieferant-Händler an andere Händler
• Abstimmung von Sortiment, Verkaufsstrategie oder der Werbung
• Inaussichtstellen von Nachteilen oder Vorteilen
Risikobeispiele
• Beschwerde über am Markt beobachtete Wiederverkaufspreise von Wettbewerbern
• Beteiligung an der Überwachung der Wiederkaufspreise
Anwendungsbeispiele aus dem LEH
Handreichung
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Was wurde bebußt?
Grundsätzliche Einordnung:
Sachverhalte im LEH lagen
durchweg irgendwo zwischen
klassischer vertikaler Preis-
bindung und Hub-and-Spoke-
Kartellen in ihrer Reinform. Anders als in Fällen klassischer vertikaler Preisbindung war auch der
Marken-Hersteller im LEH idR nicht in der Lage, vertikale Preisbindung mit Druck durchzusetzen.
Anders als in „reinen“ Hub-and-Spoke-Kartellen war der Marken-Hersteller aber auch nicht bloß Mittler der Kommunikation der Händler.
Anwendungsbeispiele aus dem LEH
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Anwendungsbeispiele aus dem LEH
Vertikale Preisbindung
Hersteller B
Händler A Händler C
Hub-and-Spoke-Kartell
Hersteller B
Händler A Händler C
Vereinbarungen zw. A-B und A-C:
künftige VK
Streichung bzw. Verschiebung
von Aktionen
Anreize, insb. Vergütungen
B mittelt Informationen zw. A und C:
künftige VK
Streichung bzw. Verschiebung
von Aktionen
Beschwerden
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Künftige Bedeutung von hub & spoke-Absprachen
nur sehr begrenzte Bedeutung bei Zugrundelegung des Modells in Reinform
Relevanz bei erweitertem Modell gegeben, jedoch mit hoher Nachweishürde für die subjektive Seite
von Beispielen in Handreichung haben sich nicht alle als praktisch relevant herausgestellt
Ausblick
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Ausblick
Stand des Vertikalfalls
Sachverhalte Unternehmen
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Ausblick
Stand des Vertikalfalls
im Fokus Mindest-/Festpreisbindungen
(durchweg verbotene Kernbeschränkungen)
Effizienzbereich bewusst ausgeklammert (starke Markenhersteller, keine isolierten kurzzeitigen Aktionspreise, wenig komplexe Produkte)
wettbewerbsschädliche Effekte greifbar (hoch konzentrierte Vertriebsmärkte, weite Verbreitung der Klauseln)
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Ausblick
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Zeitraum Hersteller Händler Geldbußen
Gesamt davon:
unter-schiedlich
4 7 151,6 Mio. €
Kaffee (Melitta-Fall)
2005 bis Mitte 2008
0 4 44,7 Mio. €
Süßwaren (Haribo-Fall)
2004 bis Mitte 2009
1 5 48,5 Mio. €
Süßwaren (Ritter-Fall)
2005 bis 2008
1 2 34,3 Mio. €
Rest unter-schiedlich
2 3 24,1 Mio. €
Stand des Vertikalfalls
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Christof Vollmer Beisitzender der 10. Beschlussabteilung
Bundeskartellamt
Kaiser-Friedrich-Str. 16
D-53113 Bonn
Tel.: +49 (0) 228-9499-292
Fax: +49 (0) 228-9499-164
Haben Sie Fragen?
Prof. Dr. Carsten Becker Vorsitzender der 10. Beschlussabteilung
Bundeskartellamt
Kaiser-Friedrich-Str. 16
D-53113 Bonn
Tel.: +49 (0) 228-9499-487/-488
Fax: +49 (0) 228-9499-164
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