MESSUNG VON MEDIENKOMPETENZ BEI SCHÜLERINNEN UND SCHÜLERN Stefan Aufenanger (Universität Mainz) 2013
Medienkompetenzmodelle ¨ Modell von Baacke ¨ Modell von Tulodziecki ¨ Modell von Groeben ¨ Kompetenzbegriff ¨ Modell von Aufenanger
Baacke (Bielefelder Modell): ¨ Medienkritik (analytisch, reflexiv, ethisch) ¨ Medienkunde (informativ, instrumentell) ¨ Mediennutzung (rezeptiv, interaktiv) ¨ Mediengestaltung (innovativ, kreativ)
Tulodziecki (2001) ¨ Medienangebote sinnvoll auszuwählen und zu
nutzen, ¨ eigene Medien zu gestalten und zu verbreiten, ¨ Mediengestaltungen zu verstehen und zu
bewerten, ¨ Medieneinflüsse zu erkennen und aufzuarbeiten, ¨ Bedingungen der Medienproduktion und -
verbreitung zu durchschauen und zu beurteilen.
Groeben (2002) ¨ Medienwissen/Medialitätsbewusstsein ¨ Medienspezifische Rezeptionsmuster ¨ Medienbezogene Genussfähigkeit ¨ Medienbezogene Kritikfähigkeit ¨ Selektion/Kombination von Mediennutzung ¨ (Produktive) Partizipationsmuster ¨ Anschlusskommunikation
Kompetenzen Terhart (2005) ¨ Kompetenzen als die Verbindung von Wissen und
Können (professionelles Handeln) ¨ Kompetenzen: berufsbezogene Fähigkeiten in
bestimmten Bereichen ¨ Ursprung: Noam Chomsky (Linguist)
Kompetenz-Performanz-Paradigma; Jürgen Habermas
Professionstheorie
Professionelles Handeln
Wissen Können
Kompetenzen
Alternativvorschlag Differenz von Skills und Kompetenzen ¨ Skills: Umgang mit Routinen ¨ Kompetenzen: Umgang mit Krisen
These: einen Großteil der als Medienkompetenz bezeichneten Aufgaben sind den Skills und weniger den Kompetenzen zuzuordnen Ziel: Kompetenzen in Skills überführen
Chomskys Kompetenzbegriff ¨ Sprachkompetenz als die Kenntnis eines
Regelsystems, welches die Grammatik einer Einzelsprache hervorruft
¨ Universalgrammatik bestimmt die Prinzipien der Einzelgrammatiken
¨ Begriff der Regel ¨ Generative Grammatik als ein System von Regeln,
um eine unbegrenzte Zahl von Sätzen hervorzurufen
Strukturbaum Satz
Nominalphrase
Nomen
Verbalphrase
Determiner Verb
Die Katze klettert auf den Baum
Nominalphrase
Determiner Nomen
Habermas ¨ Habermassche Konzeption einer Kompetenz:
als die pragmatische Sprachfähigkeit und als umfassende Beschreibung von möglichen Kompetenzen: Sprache, Kognition, Moral und Identität
Theorieprogramm strukturgenetischer Ansätze
Sprache Kognition Moral Identität Ästhetik
Geltungs-bedingung
Verständ-igung
Wahrheit Richtig-keit Wahrhaft-igkeit
Schönheit
Weltbezug Sachwelt Soziale Welt Innere Welt Symbol-ische Welt
Theorie Chomsky/Bruner
Piaget Kohlberg Freud M. Parsons
Kompetenzdimensionen ¨ Sprache è Handlungsdimension
¨ Kognition è Kognitive Dimension
¨ Moral è soziale Dimension
è ethische Dimension
¨ Identität è affektive Dimension
¨ Ästhetik è ästhetische Dimension
Kompetenz-Performanz ¨ Kompetenz è Wissen ¨ Performanz è Können
¨ Medienkompetenz è Wissen ¨ Medienperformanz è Können
Ansätze zur Medienkompetenz (4) Aufenanger ¨ Handlungskomponente ¨ Kognitive Komponente ¨ Soziale Komponente ¨ Ethische Komponente ¨ Ästhetische Komponente ¨ Affektive Komponente
Medienbezogene Entwicklungsaufgaben
¨ Konzept von Entwicklungsaufgaben von Havighurst ¨ Was muss man wissen und können, um angemessen
kompetent und selbstbestimmt mit Medien umgehen und kommunizieren zu können?
¨ Was sind routinemäßige Herausforderungen im Umgang mit Medien?
¨ Wie werden Probleme/Krisen angegangen?
Struktur: Komponentenmodell
Handlungskomponente • Umgang mit Medien • Fertigkeiten
Kognitive Komponente • Medienverstehen • Informationen auswählen
Soziale Komponente • Mit Medien kommunizieren • Medienbotschaften
Ethische Komponente • Medien beurteilen • Jugendmedienschutz
Ästhetische Komponente • Medien gestalten • Form/Funktion
Affektive Komponente • Medien erleben können • Ergriffensein begreifen
Genese: Entwicklungsmodell Zwei Entwicklungsdimension: 1. auf alle Komponenten bezogen 2. auf Bereiche innerhalb der Komponenten bezogen
Zu 1. Komponentenentwicklung
Niveau 1: Handlungskomponente
Niveau 2: kognitive Komponente
Niveau 3: soziale Komponente
Niveau 4: ethische, ästhetische und affektive Komponenten
Zu 2. Kognitive Komponente ¨ Differenz von
Realität und Fiktion ¨ Differenz von Linearität
und Hypertext ¨ Differenz von Text
und Symbol
Kompetenzbegriff nach Weinert Weinert (1999): Zwei Bereiche:“Competence… ¨ “(a) is cognitive fitness for a particular class of
tasks; ¨ (b) a roughly specialized system of abilities,
proficiencies, or individual dispositions to learn something successfully, to do something successfully, or to reach a specific goal.
Wie misst man Medienkompetenz? ¨ Schriftliche Befragung
- Aufgaben lösen - Selbsteinschätzung - Szenarienmethode
¨ Mündliche Befragung - Routinen und Problemlösungen beschreiben lassen - qualitative und/oder rekonstruktive Analyse
¨ Testaufgaben
Empirische Ansätze ¨ Studie von Treumann u.a. (2002): Medienkompetenz
im digitalen Zeitalter ¨ Begleitforschung zu „Medienkompetenz macht
Schule“ (Aufenanger u.a. 2010)
Bielefelder Studie ¨ Fragebogenmethode
Repräsentative Befragung von 1.648 Personen im Alter von 35 bis 74 Jahren
¨ Qualitative Interviews Typenbildung mit Themen zur lebensweltlichen Einbettung, zu beruflichen Anforderungen und zur Medienkompetenz
Item-Abfrage Medienethik reflexiv Medienkunde informativ
Clusteranalyse In Bezug auf ihre Medienkompetenz voneinander unterscheidbare Gruppen von Erwachsenen ¨ Typ 1: Die Tüftler ¨ Typ 2: Die Avantgardisten ¨ Typ 3: Die Durchschnittlichen ¨ Typ 4: Die Optimisten ¨ Typ 5: Die Desinteressierten ¨ Typ 6: Die Zögerlichen
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die "Durchschnittlichen" gute Voraussetzungen für den Umgang mit den Neuen Medien besitzen. So fehlt
es ihnen nicht an sozialen Kontakten und entsprechenden Anregungen und Hilfen. Sie haben keine Scheu, bei anderen nachzufragen, können
Probleme aber auch eigenständig lösen. Die "Optimisten" können als eingeschränkt medienkritisch gelten. Die Einschränkung ist
deshalb gerechtfertigt, weil die interviewten "Optimisten" nicht die möglichen Vor-und
Nachteile der Neuen Medien gegeneinander abwägen, sondern das Leben mit den Neuen Medien positiv darstellen. Gesellschaftlich bedenkliche Entwicklungen oder negative Folgen der Medienentwicklung befürchten
und reflektieren die interviewten "Optimisten" kaum.
Medienkompetenz macht Schule ¨ Ergebnisse der Schülerbefragung zu
Medienkompetenz
Mehrebenen-Analyse ¨ Die Schule als organisatorische Einheit
einschließlich der Schulleitung, dem Lehrerkollegium und dem Schulträger
¨ Der Lehrperson, die bezogen auf die Förderung der Medienkompetenz von Schülerinnen und Schülern entsprechende medienpädagogische sowie methodisch-didaktische Kompetenzen vorweisen muss
¨ Der konkrete Unterricht, der bezüglich seiner Qualität durch Einsatz neuer Medien verbessert werden soll
¨ Die Schülerinnen und Schüler, deren Medienkompetenz sowie deren selbstgesteuerte Lernprozesse durch die Verwendung neuer Medien erhöht werden soll
¨ Die Eltern, die den Modellprozess begleiten und aktiv unterstützen sollen
Methoden ¨ Schulleitung: Interview ¨ Lehrpersonen: Fragebogen und Interview ¨ SchülerInnen: Interview und Test zur
Medienkompetenz ¨ Eltern: Fragebogen ¨ Unterricht: Beobachtung
Forschungsebene Schüler ¨ Schriftliche Befragung 2009:
Ø 2.224 SchülerInnen ¨ Medienkompetenztest 2009
189 SchülerInnen ¨ Verteilung auf die Schultypen 2009:
Ø Haupt-/Real-/Regionalschule: 39,6% Ø Gymnasium: 60,4%
Forschungsebene Schüler
¨ Schriftliche Befragung - Selbsteinschätzung - Szenarienmethoden
¨ Medienkompetenztest
Selbsteinschätzung: Umgang mit Problemen
Was tust Du, wenn Du ein Problem am Computer hast?
Ich versuche es selbst zu lösen O
Ich frage einen Erwachsenen, ob er mir helfen kann O
Ich mache lieber mit was anderem weiter O
Ich weiß es nicht O
Umgang mit Problemen: Ergebnis
Umgang mit Problemen: Altersvergleich
Handlungsdimension Item kann ich gut Kann ich nicht so
gut mache ich eigentlich nie
Bluetooth am Handy ein-/ausschalten
O O O
Programme auf den Computer installieren
O O O
DVD-Rekorder programmieren O O O
Im Internet chatten O O O
Dateien aus dem Internet downloaden
O O O
Eine Homepage erstellen O O O
Handlungsdimension
Szenarienmethode ¨ Beschreibung von Situation und Lösungsvorschläge
Ethische Dimension Im Fernsehen siehst Du, dass es Deinen Lieblingssong nun auch als Klingelton gibt. Du möchtest ihn Dir gerne runterladen – worauf achtest Du?
O Wenn mir ein Klingelton gefällt, beschaffe ich ihn mir auf andere Weise.
O Ich lade mir den Song einfach runter
O Ich lade nichts herunter, da mir das alles nicht geheuer ist
O Ich kenne mich in diesem Bereich aus (z.B. AGB) und lade deshalb nichts herunter
O Ich spreche noch einmal mit meinen Eltern, bevor ich den Song runterlade
O Ich weiß es nicht
O Ich lade keine Klingeltöne herunter, weil mich das nicht interessiert
Soziale Dimension Du bist in einem Chat mit mehreren Teilnehmern. Mit einem Benutzer verstehst Du Dich besonders gut und er möchte mit Dir telefonieren. Wie gehst Du vor?
O Ich habe bisher noch nicht darüber nachgedacht
O Ich muss bei solchen Dingen erst einmal meine Eltern fragen
O Ich möchte mit keiner „Chatroom-Bekanntschaft“ telefonieren. Man kann sich da nie sicher sein, wer der andere wirklich ist
O Ich tausche mit ihm die Nummern aus. Dabei kann schließlich nichts passieren, da er ja nur meine Nummer hat
O Wir müssen ja nicht gleich telefonieren, weiterchatten ist auch gut. Oder er gibt mir seine Nummer, dann habe ich die Entscheidung in der Hand
O Ich weiß es nicht
Soziale Dimension: Ergebnisse Du bist in einem Chat mit mehreren Teilnehmern. Mit einem Benutzer verstehst Du Dich besonders gut und er möchte mit Dir telefonieren. Wie gehst Du vor?
18% Ich habe bisher noch nicht darüber nachgedacht
8% Ich muss bei solchen Dingen erst einmal meine Eltern fragen
35% Ich möchte mit keiner „Chatroom-Bekanntschaft“ telefonieren. Man kann sich da nie sicher sein, wer der andere wirklich ist
7% Ich tausche mit ihm die Nummern aus. Dabei kann schließlich nichts passieren, da er ja nur meine Nummer hat
27% Wir müssen ja nicht gleich telefonieren, weiterchatten ist auch gut. Oder er gibt mir seine Nummer, dann habe ich die Entscheidung in der Hand
5% Ich weiß es nicht
Ethische Dimension: Ergebnisse
Altersgruppe* Eltern*zuvor*fragen*
Nicht*mitspielen*
Mitspielen* Mitspielen,*weil*es*Spaß*macht**
11"Jahre"" 25,4%" 12,7%" 5,2%" 6%"
12"Jahre" 16,5%" 9,3%" 10,4%" 9%"
13"Jahre" 9,6%" 8,3%" 19%" 14,9%"
14"Jahre"" 8,3%" 8,7%" 21,3%" 16,1%"
15"Jahre" 4,6%" 9,5%" 23%" 19,4%"
16"Jahre" 5,2%" 10,7%" 23,8%" 20,4%"
17"Jahre" 3,4%" 6,8%" 23,7%" 32,2%"
18"Jahre" 4,8%" 0%" 23,8%" 23,8%"
"
“Dein bester Freund lädt Dich zum Computer spielen ein. Das Spiel, das er mit Dir spielen möchte, ist erst ab 18 und zeigt Szenen, in denen Menschen verletzt und Gegenstände zerstört werden. Wie reagierst Du?“
Ästhetische Dimension Bitte schau Dir das folgende Bild genau an und kreuze an, welche Aussage am ehesten auf Dich zutrifft
O Durch die besondere Maltechnik da Vincis gelang es ihm im Vergleich zu anderen Künstlern seiner Zeit das Porträt „Mona Lisa“ sehr natürlich wirken zu lassen
O Mich spricht das Bild an, weil ich die Intentionen des Künstlers (Gedanken, Gefühle etc.) bzw. das, was er mit seinem Kunstwerk aussagen möchte, auch persönlich interessant finde
O Der Realitätsgehalt des Bildes entspricht meinen Vorstellungen von einem Kunstwerk.
O Ich finde die Farben des Bildes sehr ansprechend.
O Ich weiß es nicht
Medienkompetenztest ¨ Konkrete Aufgaben an einem Computer zu
ausgewählten Kompetenzdimensionen ¨ Protokollierung der Lösung und deren
Kommentierung
Medienkompetenztest
!
Handlungsdimension: Testergebnisse
0% 20% 40% 60% 80%
nicht gekonnt
manuell gemacht
Tool benutzt
In Word Inhaltsverzeichnis erstellen
0% 20% 40% 60% 80%
nicht gekonnt
manuell gemcht
Tools benutzt
Wörter in alphabetische Reihenfolge bringen
Word
0
10
20
30
40
50
60
komplett richtig nuRahmen richtig
nur Zeilenabstand
richtig
falsch nicht gekonnt
%
2,5 Zeilenabstand und Rahmen um Absatz
Handlungsdimension: Ergebnisse
PowerPoint
0
20
40
60
80
100
ein Organigramm erstellen
eine Aufzählung darstellen
einen kurzen Text schreiben
% nicht gekonnt
falsch gemacht
richtig gekonnt
Meine Schule ist die XY Schule in Z. Ich gehe dort in die A.
Klasse.
Meine Lieblingsfächer sind: • Bio • Geschi • Mathe
Chef • Schüler • Lehrer
• Hausmeister
Gesamtschülerzahl
Jungen Mädchen
2005 780 380 400
2006 821 414 407
2007 877 412 465
0100200300400500600700800900
Gesamtschülerzahl
200520062007
Meine Schule Martin von Cochem Gymnasium
Meine Schule ist das Martin von Cochem Gymnasium in Cochem
Ich gehe dort in die 8. Klasse
Meine Lieblingsfächer
• Sport • Englisch • Chemie
Organigramm
Herr Brück
Lehrer Hausmeister Schüler
Unsere Schule wächst: Jahr 2005 2006 2006
Gesamtschülerzahl
780 821 877
Jungen 380 414 407
Mädchen 400 407 465
Balkendiagramm
0
50
100
150
200
250
300
1. Qrtl. 2. Qrtl. 3. Qrtl.
3D-Säule 1WestNord
Kognitive Dimension Aufgabe: Auf einer Webseite versteckte Kosten in einer AGB entdecken, bevor ein Vertrag für Klingeltöne abgeschlossen wird ¨ Schließt generell keinen Vertrag ab/erst Absprache mit den Eltern
(1. Erhebung: 33%) ¨ Alle Felder ausgefüllt, AGB nicht gelesen/Klingelton nicht abonniert
(1. Erhebung: 21%) ¨ Alle Felder ausgefüllt, AGB nicht gelesen/Klingelton abonniert
(1. Erhebung: 5%) ¨ Alle Felder ausgefüllt, AGB gelesen/Klingelton nicht abonniert
(1. Erhebung: 32%) ¨ Kein Feld ausgefüllt, da AGB vorher gelesen (8%)
Medienkompetenztest
Medienkompetenz Schüler
Vor- und Nachteile der Verfahren
Vorteile: ¨ Forschungsökonomisch ¨ Quantitative Analyse Nachteile: ¨ Selbst- bzw.
Fremdeinschätzung ¨ Indirekte Messung
Vorteile: ¨ Direkte Messung ¨ Variation von Faktoren Nachteile: ¨ Aufwändig ¨ Kontrolle der Faktoren
Schriftliche/Mündliche Befragung Testverfahren
Medienkompetenzmessung: Fazit ¨ Klärung des Kompetenzbegriffs notwendig ¨ Selbsteinschätzung: forschungspraktisch/-
ökonomisch, aber Validität zweifelhaft ¨ Szenarienmethoden: angemessen, aber nicht für alle
Dimensionen machbar ¨ Testverfahren: aufwändig, aber differenziert und
valide
www.aufenanger.de Präsentation auf der Webseite (=>Vorträge)
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