Politische Parteien
Teil 1 - Träger politischer Ideen: Parteien
• Was sind Parteien?
• Wie entstehen Parteien?
• Das Schweizer Parteiensystem
Politische Parteien
Der Begriff der "Politischen Partei" ist eng mit dem Begriff der "Demokratie" verknüpft.
Normative demokratietheoretische Vorstellungen wirken sich auf theoretische Ansätze über Parteien aus.
Normative Grundannahmen
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Wiesendahl (1980) unterscheidet drei Paradigmen in der Parteienforschung:
• Integrationsparadigma
• Transmissionsparadigma
• Konkurrenzparadigma
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Integrationsparadigma
Ausgangspunkt (normativ): • ein an Konsenssicherung und
Konfliktvermeidung orientiertes Zielmodell stabiler Demokratie
• oder systemtheoretisch: Systemüberlebensmodell von Demokratie, welches das Augenmerk auf funktionale Erfordernisse der Bestands- und Funktionssicherung richtet
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Konkurrenzparadigma
Wird von den Anhängern der ökonomischen Theorie der Politik vertreten (Schumpeter 1950, Downs 1968), unterstellt der Demokratie ein Marktmodell und basiert auf der Vorstellung von einer demokratischen Eliteherrschaft.
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Transmissionsparadigma
Basisdemokratisches Leitbild politischer Willensbildung
Eine Partei artikuliert die Bedürfnisse und Wünsche einer Gruppe von Bürgern und Bürgerinnen und bringt sie unverfälscht in den politischen Entscheidungsprozess ein.
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Definitionen von Parteien
• Zweck der Definition?
• Reicht Rekurs auf Wahlen?
• Definition hängt von Parteiparadigma ab
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Transmissionsparadigmatische Definition: Gruner (1977)
"(...) politische Organisationen, die Anhänger mit ähnlicher Gesinnung oder ähnlichen Interessen in ihren Reihen sammeln, um auf die politische Willensbildung des Volkes Einfluss zu nehmen, sei's bei Wahlen, sei's bei Abstimmungen, sei's in der Mitwirkung bei der Meinungsbildung."
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Integrationsparadigmatische Definition: (Burke zit. nach Sartori
1976: 9)
"A party is a body of men united, for promoting by their joint endeavours the national interest, upon some particular principle in which they are all agreed."
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Konkurrenzparadigmatische Definition: (Max Weber 1972: 167)
"Parteien sollen heissen auf (formal) freier Werbung beruhende Vergesellschaftungen mit dem Zweck, ihren Leitern innerhalb eines Verbandes Macht und ihren aktiven Teilnehmern dadurch (ideelle oder materielle) Chancen (der Durchsetzung von sachlichen Zielen oder der Erlangung von persönlichen Vorteilen oder beides) zuzuwenden."
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Weite Definition: Walter Burckhardt (1914)
"Un parti politique est donc la réunion de personnes qui se donnent pour but le maintien ou le changement de l'ordre légal existant. Peu nous importe que cette réunion prenne la forme juridique d'une association ou qu'elle existe du seul fait d'une entente en vue d'une action."
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Funktionen von Parteien
Unterschiedliche Bezugsrahmen für Bestimmung der Funktionen:
• Integrationsparadigma: Politisches System
• Konkurrenzparadigma: Parteiensystem
• Transmissionsparadigma: Gesellschaftliches Umfeld
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Parteifunktionen aus integrations-paradigmatischer Perspektive:
• Alternativenreduktion (Komplexitäts-reduktion),
• Mobilisierung von Unterstützung fürs politische System,
• Prellbock- oder Pufferfunktionen, • Integration, • Legitimation und • Innovation im Dienste der Stabilität
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Legitimation des politischen Systems:
• Wie kann politische Entscheidungsmacht legitimiert werden?
• Wahlen als zentrales Mittel der Legitimation• Parteien sind Hauptträger des
Wahlverfahrens• Legitimation durch Verfahren (Luhmann)
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Legitimation durch Verfahren
• Legitimation, wenn Beteiligte Verfahren akzeptieren und einhalten
• Wahlen: Nicht Ziel der Wahl (repräsentative Besetzung der politischen Ämter), sondern Wahlverfahren ist zentral für Legitimation
• Luhmann: Systemtheoretische Analyse des Wahlverfahrens
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Legitimation durch Verfahren
• Funktionale Spezifizierbarkeit des Verfahrens– Allgemeines Wahlrecht– Gleichheit des Stimmgewichts– Geheimhaltung Stimmabgabe
• Wahlverfahren muss Komplexität des Systems abbilden (Konflikte, Gegensätze)
• spezifische Träger des Verfahrens– Parteien: auch Mittel der formalen Trennung von
politischen Machtansprüchen und direkten Interessen
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Parteifunktionen aus konkurrenzparadigmatischer
Sichtweise
• Stimmenerwerb
• Interessenmakelung
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Parteifunktionen aus transmissions-paradigmatischer Perspektive
• Willensbildung,
• Mobilisierung,
• Organisation und
• Vertretung der Interessen.
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Funktionen von Parteien
Politisch-administratives System (I)
Parteien (K)
Gesellschaft (T)
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Aufgabe:
Wie würden Transmissions-, Konkurrenz- und Integrationsparadigmatiker den heutigen Zustand der Schweizer Parteien beurteilen?
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Krise der Parteien?
• Integrationsparadigmatiker: Kleinere bis mittlere Funktionsstörungen!
• Konkurrenzparadigmatiker: Der freie Wettbewerb beginnt wieder zu spielen!
• Transmissionsparadigmatiker: Der Transmissionsriemen ist gerissen!
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Entstehung von Parteien
Drei theoretische Erklärungsansätze
• institutionelle Ansätze
• historische Krisensituationstheorien
• Modernisierungstheorien
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Institutionelle Ansätze
• Regierungssystem– z.B. parlamentarische Systeme in USA, GB
• Wahlrecht/Wahlsystem– z.B. Einführung Proporzwahlsystem in CH
• Direkte Demokratie– Z.B. CH: : „Kinder der Volksrechte“ (Gruner)
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Krisentheorien
• Entstehung neuer Staaten (Belgien, Irland, Island)
• Legitimitätsbrüche aufgrund von dynastischen Rivalitäten (Frankreich und Spanien zu Beginn des 19. Jh. „Grand Empire“)
• Zusammenbrüche von parlamentarischen Demokratien durch die Machtübernahme faschistischer oder faschistoider Systeme
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Modernisierungstheorien
Entstehung von Parteien wird mit dem sozialen Wandel und den strukturellen und kulturellen Veränderungen erklärt (Urbanisierung, Industrialisierung, Bildungssystem, Wirtschaftliche Indikatoren usw.)
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Erklärungsansätze für die Herausbildung von einzelnen
Parteien
• Lipset/Rokkan 1967• Historisch-soziologische Argumentation• Konsolidierung der (klassischen) nationalen
Parteiensysteme als Resultat der Kombination gesellschaftlicher Spaltungen („cleavages“)
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Entstehung der Parteiensysteme gemäss Lipset/Rokkan (1967):
• Ausgangspunkt: Revolutionen, welche die Entwicklung des modernen Europas geprägt haben: nationale Revolution und industrielle Revolution.
• Jede dieser Revolutionen hat zwei fundamentale Cleavages nach sich gezogen:
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Zwei Revolutionen – vier Cleavages
• Die nationale Revolution:– Cleavage zwischen Zentrum und Peripherie– Cleavage zwischen Nationalstaat und Kirche,
• die industrielle Revolution:– Cleavage zwischen den Landbesitzern
(Aristokratie, Bauern) und der Bourgeoisie – Cleavage zwischen der Bourgeoisie und dem
Proletariat.
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Vier EtappenCleavage entscheidender Moment Gegenstand der Parteien (Bsp. CH)
Auseinandersetzung Zentrum- Reformation-Gegenrefor- Nationale vs. supra- FDP-CVPPeripherie mation: 16./17. Jh. nationale Religion
Nationalsprache vs.Latein
Staat - Demokratische Revolution: laizistische vs. kirchliche FDP-CVPKirche 1789 und später Kontrolle des öffentlichen
Bildungswesens Land- Industrielle Revolution: Preisbindung für agra- FDP-SVPIndustrie 19. Jahrhundert rische Produkte;
Kontrolle vs. freiesUnternehmertum
Unternehmer- Russische Revolution: nationale Integration vs. FDP-SPArbeiter 1917 und später internationale revolu-
tionäre Bewegung
Politische Parteien
Schema der Ausdifferenzierung von Parteien (von Beyme 1984: 36):
1. Liberalismus gegen das alte Regime - 2. Konservative3. Arbeiterparteien gegen das bürgerliche System4. Agrarparteien gegen das industrielle System5. Regionale Parteien gegen das zentralistische System6. Christliche Parteien gegen das laizistische System7. Kommunistische Parteien gegen den "Sozialdemokratismus"8. Faschistische Parteien gegen demokratische Systeme9. Protestparteien des Kleinbürgertums gegen das bürokratisch-
wohlfahrtsstaatliche System (Poujadismus, Frankreich; Fortschrittspartei, Dänemark)
10. Ökologische Bewegung gegen die Wachstumsgesellschaft
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