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Prof. Dr. Georg BitterLehrstuhl für Bürgerliches Recht,
Bank- und Kapitalmarktrecht, Insolvenzrecht
Überschuldungsbegriff – quo vadis?
Expertenbefragung im Auftrag des
Bundesjustizministeriums
8. Mannheimer Insolvenzrechtstag
am 15. Juni 2012
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 2
Einführung
1. Hintergrund der Studie: Die Änderung des
Überschuldungsbegriffs in § 19 InsO
a) Definition der Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994
„Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners
die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Bei der
Bewertung des Vermögens des Schuldners ist jedoch die
Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen, wenn
diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist.“
BGHZ 171, 46 (Tz. 19): keine Fortgeltung des sog.
„modifizierten zweistufigen Überschuldungsbegriffs“
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Einführung
1. Hintergrund der Studie: Die Änderung des
Überschuldungsbegriffs in § 19 InsO
b) Befristete Wiedereinführung des modifizierten zweistufigen Überschuldungsbegriffs durch das Finanzmarktstabilisierungs-gesetz (Geltung vom 18.10.2008 bis zum 31.12.2013)
„Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners
die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei
denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den
Umständen überwiegend wahrscheinlich. …“
OLG Schleswig ZIP 2010, 516: keine Geltung für Altfälle
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Einführung
2. Umsetzung der Studie
a) Vorbereitung (Januar – Februar 2012)
Gruppendiskussion mit Experten
Erstellung des Fragebogens
b) Feldphase (Ende Februar – April 2012)
Versendung an 2.730 Personen; Teilnehmer: 609 Experten
Auswertung der Daten durch Hommerich Forschung
drei Gruppendiskussionen mit Wirtschaftsprüfern, Beratern und Bankmitarbeitern
c) Abschlussbericht (175 Seiten)
Ablieferung an das BMJ am 15.5.2012
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Einführung
3. Gliederung
Teil I: Allgemeine Bedeutung der Überschuldung in der Praxis
und Kenntnis der Rechtsunterworfenen
Teil II: Bewertung von Einzelwirkungen der Änderung vom alten
Überschuldungsbegriff der InsO vom 5.10.1994 zum neuen
Überschuldungsbegriff des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes
Teil III: Volkswirtschaftliche Bedeutung der Änderung und
Zukunft des Überschuldungsbegriffs
Teil IV: Abschließende Empfehlung der Gutachter
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Berufliche Tätigkeit der Experten
45%
18%
22%
10%
4%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Insolvenzverwalter / Rechtsanwalt
Rechtsanwalt mit SchwerpunktSanierungsberatung / M&A
Mitarbeiter eines Kreditinstituts
Unternehmensberater
Wirtschaftsprüfer
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Umsatzstärke (Jahresumsatz)der betreuten Unternehmen
38%
33%
13%
17%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
bis unter 1 Mio. €
1 Mio. bis unter 10 Mio. €
10 Mio. bis unter 50 Mio. €
50 Mio. € und mehr
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Teil I
Allgemeine Bedeutung der
Überschuldung in der Praxis und
Kenntnis der Rechtsunterworfenen
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Allgemeine Bedeutung der Überschuldung in der Praxis
„Insolvenzanträge werden in aller Regel nicht auf Überschuldung gestützt.“nach Art der Tätigkeit
trifft voll und ganz / eher zu teils / teils trifft eher nicht / gar nicht zu
Insolvenzverwalter / Rechtsanwalt
Rechtsanwalt mit SchwerpunktSanierungsberatung / M&A
Mitarbeiter eines Kreditinstituts
Unternehmensberater
Wirtschaftsprüfer
86%
83%
73%
88%
80%
8%
11%
13%
7%
20%
6%6%
15%
5%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
statistisch signifikanter Zusammenhang / p < 0.05
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79%
80%
88%
87%
11%
11%
6%
9%
10%
9%
6%3%
0% 20% 40% 60% 80% 100%kein statistisch signifikanter Zusammenhang
10
Allgemeine Bedeutung der Überschuldung in der Praxis
„Insolvenzanträge werden in aller Regel nicht auf Überschuldung gestützt.“ nach Umsatzklasse der betreuten Unternehmen
trifft voll und ganz / eher zu teils / teils trifft eher nicht / gar nicht zu
bis unter 1 Mio. €
1 Mio. bis unter 10 Mio. €
10 Mio. bis unter 50 Mio. €
50 Mio. € und mehr
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim
73%
60%
81%
76%
83%
16%
21%
14%
19%
8%
11%
19%
5%5%
8%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
kein statistisch signifikanter Zusammenhang
11
Allgemeine Bedeutung der Überschuldung in der Praxis
Geringe Bedeutung der Überschuldung bei Verurteilungen wegen Insolvenzverschleppung; nach Art der Tätigkeit
trifft voll und ganz / eher zu teils / teils trifft eher nicht / gar nicht zu
Insolvenzverwalter / Rechtsanwalt
Rechtsanwalt mit SchwerpunktSanierungsberatung / M&A
Mitarbeiter eines Kreditinstituts
Unternehmensberater
Wirtschaftsprüfer
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim
92%
84%
87%
91%
93%
5%
9%
10%
7%
2%
7%
3%
2%
7%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
kein statistisch signifikanter Zusammenhang
12
Allgemeine Bedeutung der Überschuldung in der Praxis
Leichter nachweisbare Tatbestände (§§ 266a, 283b StGB) dominieren die Strafverfolgung; nach Art der Tätigkeit
trifft voll und ganz / eher zu teils / teils trifft eher nicht / gar nicht zu
Insolvenzverwalter / Rechtsanwalt
Rechtsanwalt mit SchwerpunktSanierungsberatung / M&A
Mitarbeiter eines Kreditinstituts
Unternehmensberater
Wirtschaftsprüfer
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 13
Haftungsgründe bei der Inanspruchnahme von Geschäftsleitern wegen Insolvenzverschleppung in der Innenhaftung (arithmetisches Mittel)
aufgrund von Überschuldung
aufgrund von Zahlungsunfähigkeit
aufgrund von Überschuldungund Zahlungsunfähigkeit
Allgemeine Bedeutung der Überschuldung in der Praxis
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Haftungsgründe bei der Inanspruchnahme von Geschäftsleitern wegen Insolvenzverschleppung in der Außenhaftung (arithmetisches Mittel)
aufgrund von Überschuldung
aufgrund von Zahlungsunfähigkeit
aufgrund von Überschuldungund Zahlungsunfähigkeit
Allgemeine Bedeutung der Überschuldung in der Praxis
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Kenntnis der Rechtsunterworfenen
Bekanntheit der Überschuldung als Auslöser einer Insolvenzantragspflichtbei Geschäftsführern nach Umsatzstärke des Unternehmens
überwiegend bekannt teils / teils überwiegend nicht bekannt
Unternehmen mit einem Jahresumsatzvon weniger als 1 Mio. Euro
Unternehmen mit einem Jahresumsatzvon 1 Mio. bis unter 10 Mio. Euro
Unternehmen mit einem Jahresumsatzvon 10 Mio. bis unter 50 Mio. Euro
Unternehmen mit einem Jahresumsatzvon 50 Mio. Euro und mehr
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Bekanntheit des Unterschieds zwischen altem und neuem Überschuldungsbegriffbei Geschäftsführern nach Umsatzstärke des Unternehmens
überwiegend bekannt teils / teils überwiegend nicht bekannt
Unternehmen mit einem Jahresumsatzvon weniger als 1 Mio. Euro
Unternehmen mit einem Jahresumsatzvon 1 Mio. bis unter 10 Mio. Euro
Unternehmen mit einem Jahresumsatzvon 10 Mio. bis unter 50 Mio. Euro
Unternehmen mit einem Jahresumsatzvon 50 Mio. Euro und mehr
Kenntnis der Rechtsunterworfenen
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Geschätzter Anteil der Unternehmen, die sich unter der Geltung des alten Überschuldungsbegriffs in der Krise befanden und tatsächlich einen bilanziellen
Überschuldungsstatus aufstellten; nach Umsatzklasse der betreuten Unternehmen (arithmetisches Mittel)
bis unter 1 Mio. €
1 Mio. bis unter 10 Mio. €
10 Mio. bis unter 50 Mio. €
50 Mio. € und mehr
Gesamt-∅: 21,5%
Kenntnis der Rechtsunterworfenen
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 18
Teil II
Bewertung von Einzelwirkungen der
Änderung des Überschuldungsbegriffs
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim
48%
53%
56%
46%
47%
16%
14%
16%
7%
5%
35%
33%
28%
48%
47%
0% 20% 40% 60% 80% 100%kein statistisch signifikanter Zusammenhang
19
Bewertung von Einzelwirkungen der Änderung des Überschuldungsbegriffs
Im Ergebnis keine Auswirkung der Änderung für den Sachverständigen im vorläufigen Insolvenzverfahren; nach Art der Tätigkeit
trifft voll und ganz / eher zu teils / teils trifft eher nicht / gar nicht zu
Insolvenzverwalter / Rechtsanwalt
Rechtsanwalt mit SchwerpunktSanierungsberatung / M&A
Mitarbeiter eines Kreditinstituts
Unternehmensberater
Wirtschaftsprüfer
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim
49%
47%
49%
57%
18%
14%
11%
10%
33%
39%
40%
33%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
kein statistisch signifikanter Zusammenhang
20
Bewertung von Einzelwirkungen der Änderung des Überschuldungsbegriffs
Im Ergebnis keine Auswirkung der Änderung für den Sachverständigen im vorläufigen Insolvenzverfahren; nach Umsatzklasse der betreuten Unternehmen
trifft voll und ganz / eher zu teils / teils trifft eher nicht / gar nicht zu
bis unter 1 Mio. €
1 Mio. bis unter 10 Mio. €
10 Mio. bis unter 50 Mio. €
50 Mio. € und mehr
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51%
81%
80%
69%
68%
15%
5%6%
9%
9%
33%
14%
14%
22%
23%
0% 20% 40% 60% 80% 100%statistisch signifikanter Zusammenhang / p < 0.05
21
Bewertung von Einzelwirkungen der Änderung des Überschuldungsbegriffs
Nachteile des alten Überschuldungsbegriffs bei unsicheren Märkten Antragspflicht trotz positiver Prognose; nach Art der Tätigkeit
trifft voll und ganz / eher zu teils / teils trifft eher nicht / gar nicht zu
Insolvenzverwalter / Rechtsanwalt
Rechtsanwalt mit SchwerpunktSanierungsberatung / M&A
Mitarbeiter eines Kreditinstituts
Unternehmensberater
Wirtschaftsprüfer
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim
59%
65%
65%
81%
13%
9%
14%
6%
28%
26%
21%
13%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
statistisch signifikanter Zusammenhang / p < 0.05
22
Bewertung von Einzelwirkungen der Änderung des Überschuldungsbegriffs
Nachteile des alten Überschuldungsbegriffs bei unsicheren Märkten Antrags-pflicht trotz positiver Prognose; nach Umsatzklasse der betreuten Unternehmen
trifft voll und ganz / eher zu teils / teils trifft eher nicht / gar nicht zu
bis unter 1 Mio. €
1 Mio. bis unter 10 Mio. €
10 Mio. bis unter 50 Mio. €
50 Mio. € und mehr
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim
49%
69%
59%
60%
55%
13%
15%
23%
25%
32%
37%
15%
18%
15%
14%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
statistisch signifikanter Zusammenhang / p < 0.05
23
Bewertung von Einzelwirkungen der Änderung des Überschuldungsbegriffs
Mit der Finanzkrise eingetretene Marktunsicherheiten bestehen noch fort; nach Art der Tätigkeit
trifft voll und ganz / eher zu teils / teils trifft eher nicht / gar nicht zu
Insolvenzverwalter / Rechtsanwalt
Rechtsanwalt mit SchwerpunktSanierungsberatung / M&A
Mitarbeiter eines Kreditinstituts
Unternehmensberater
Wirtschaftsprüfer
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim
51%
54%
65%
67%
17%
18%
15%
19%
32%
28%
20%
14%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
statistisch signifikanter Zusammenhang / p < 0.05
24
Bewertung von Einzelwirkungen der Änderung des Überschuldungsbegriffs
Mit der Finanzkrise eingetretene Marktunsicherheiten bestehen noch fort;nach Umsatzklasse der betreuten Unternehmen
trifft voll und ganz / eher zu teils / teils trifft eher nicht / gar nicht zu
bis unter 1 Mio. €
1 Mio. bis unter 10 Mio. €
10 Mio. bis unter 50 Mio. €
50 Mio. € und mehr
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57%
23%
36%
25%
15%
15%
10%
22%
20%
15%
27%
67%
43%
55%
70%
0% 20% 40% 60% 80% 100%statistisch signifikanter Zusammenhang / p < 0.05
25
Bewertung von Einzelwirkungen der Änderung des Überschuldungsbegriffs
Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung als notwendiges Gegenstück zur Haftungsbeschränkung; nach Art der Tätigkeit
trifft voll und ganz / eher zu teils / teils trifft eher nicht / gar nicht zu
Insolvenzverwalter / Rechtsanwalt
Rechtsanwalt mit SchwerpunktSanierungsberatung / M&A
Mitarbeiter eines Kreditinstituts
Unternehmensberater
Wirtschaftsprüfer
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim
54%
46%
28%
12%
15%
16%
19%
18%
30%
38%
53%
70%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
statistisch signifikanter Zusammenhang / p < 0.05
26
Bewertung von Einzelwirkungen der Änderung des Überschuldungsbegriffs
Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung als notwendiges Gegenstück zur Haftungsbeschränkung; nach Umsatzklasse der betreuten Unternehmen
trifft voll und ganz / eher zu teils / teils trifft eher nicht / gar nicht zu
bis unter 1 Mio. €
1 Mio. bis unter 10 Mio. €
10 Mio. bis unter 50 Mio. €
50 Mio. € und mehr
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim
42%
71%
55%
53%
47%
19%
10%
24%
22%
16%
39%
19%
21%
25%
37%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
statistisch signifikanter Zusammenhang / p < 0.05
27
Bewertung von Einzelwirkungen der Änderung des Überschuldungsbegriffs
Unpraktikabilität der bilanziellen Überschuldungsmessung wegen schwieriger Bewertungsprobleme; nach Art der Tätigkeit
trifft voll und ganz / eher zu teils / teils trifft eher nicht / gar nicht zu
Insolvenzverwalter / Rechtsanwalt
Rechtsanwalt mit SchwerpunktSanierungsberatung / M&A
Mitarbeiter eines Kreditinstituts
Unternehmensberater
Wirtschaftsprüfer
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim
44%
48%
55%
73%
24%
17%
20%
14%
32%
35%
26%
13%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
statistisch signifikanter Zusammenhang / p < 0.05
28
Bewertung von Einzelwirkungen der Änderung des Überschuldungsbegriffs
Unpraktikabilität der bilanziellen Überschuldungsmessung wegen schwieriger Bewertungsprobleme; nach Umsatzklasse der betreuten Unternehmen
trifft voll und ganz / eher zu teils / teils trifft eher nicht / gar nicht zu
bis unter 1 Mio. €
1 Mio. bis unter 10 Mio. €
10 Mio. bis unter 50 Mio. €
50 Mio. € und mehr
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim
23%
51%
39%
46%
27%
24%
19%
24%
16%
23%
54%
30%
37%
39%
50%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
statistisch signifikanter Zusammenhang / p < 0.05
29
Bewertung von Einzelwirkungen der Änderung des Überschuldungsbegriffs
Schwierigkeiten rechtzeitiger Hebung stiller Reserven in der Krisensituation;nach Art der Tätigkeit
trifft voll und ganz / eher zu teils / teils trifft eher nicht / gar nicht zu
Insolvenzverwalter / Rechtsanwalt
Rechtsanwalt mit SchwerpunktSanierungsberatung / M&A
Mitarbeiter eines Kreditinstituts
Unternehmensberater
Wirtschaftsprüfer
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim
31%
31%
36%
48%
23%
25%
17%
19%
47%
44%
47%
33%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
kein statistisch signifikanter Zusammenhang
30
Bewertung von Einzelwirkungen der Änderung des Überschuldungsbegriffs
Schwierigkeiten rechtzeitiger Hebung stiller Reserven in der Krisensituation;nach Umsatzklasse der betreuten Unternehmen
trifft voll und ganz / eher zu teils / teils trifft eher nicht / gar nicht zu
bis unter 1 Mio. €
1 Mio. bis unter 10 Mio. €
10 Mio. bis unter 50 Mio. €
50 Mio. € und mehr
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim
49%
53%
60%
48%
48%
24%
12%
27%
27%
19%
27%
35%
13%
25%
33%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
kein statistisch signifikanter Zusammenhang
31
Bewertung von Einzelwirkungen der Änderung des Überschuldungsbegriffs
Fremdheit der Überschuldungsproblematik für ausländische Investoren Problematik bei Rangrücktritten; nach Art der Tätigkeit
trifft voll und ganz / eher zu teils / teils trifft eher nicht / gar nicht zu
Insolvenzverwalter / Rechtsanwalt
Rechtsanwalt mit SchwerpunktSanierungsberatung / M&A
Mitarbeiter eines Kreditinstituts
Unternehmensberater
Wirtschaftsprüfer
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim
39%
70%
61%
52%
42%
12%
13%
12%
17%
16%
48%
17%
27%
31%
42%
0% 20% 40% 60% 80% 100%statistisch signifikanter Zusammenhang / p < 0.05
32
Bewertung von Einzelwirkungen der Änderung des Überschuldungsbegriffs
Abbruch von Sanierungen wegen Gefahr der Beihilfe zur Insolvenzverschleppung nach dem altem Überschuldungsbegriff; nach Art der Tätigkeit
trifft voll und ganz / eher zu teils / teils trifft eher nicht / gar nicht zu
Insolvenzverwalter / Rechtsanwalt
Rechtsanwalt mit SchwerpunktSanierungsberatung / M&A
Mitarbeiter eines Kreditinstituts
Unternehmensberater
Wirtschaftsprüfer
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim
38%
68%
71%
67%
64%
17%
16%
14%
19%
14%
45%
17%
15%
14%
23%
0% 20% 40% 60% 80% 100%statistisch signifikanter Zusammenhang / p < 0.05
33
Bewertung von Einzelwirkungen der Änderung des Überschuldungsbegriffs
Gläubigerschutz besser durch Prüfung der Zukunftsaussichten des Unternehmens bei Kreditvergabe als durch Überschuldungsmessung; nach Art der Tätigkeit
trifft voll und ganz / eher zu teils / teils trifft eher nicht / gar nicht zu
Insolvenzverwalter / Rechtsanwalt
Rechtsanwalt mit SchwerpunktSanierungsberatung / M&A
Mitarbeiter eines Kreditinstituts
Unternehmensberater
Wirtschaftsprüfer
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim
43%
55%
72%
69%
16%
18%
13%
17%
41%
27%
16%
15%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
statistisch signifikanter Zusammenhang / p < 0.05
34
Bewertung von Einzelwirkungen der Änderung des Überschuldungsbegriffs
Gläubigerschutz besser durch Prüfung der Zukunftsaussichten des Unternehmens bei Kreditvergabe; nach Umsatzklasse der betreuten Unternehmen
trifft voll und ganz / eher zu teils / teils trifft eher nicht / gar nicht zu
bis unter 1 Mio. €
1 Mio. bis unter 10 Mio. €
10 Mio. bis unter 50 Mio. €
50 Mio. € und mehr
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim
50%
62%
31%
58%
55%
18%
15%
31%
22%
23%
32%
23%
38%
20%
23%
0% 20% 40% 60% 80% 100%statistisch signifikanter Zusammenhang / p < 0.05
35
Bewertung von Einzelwirkungen der Änderung des Überschuldungsbegriffs
Ausgleich (vermeintlicher) Lockerung des Überschuldungsbegriffs durch restriktivere Kreditvergabe; nach Art der Tätigkeit
trifft voll und ganz / eher zu teils / teils trifft eher nicht / gar nicht zu
Insolvenzverwalter / Rechtsanwalt
Rechtsanwalt mit SchwerpunktSanierungsberatung / M&A
Mitarbeiter eines Kreditinstituts
Unternehmensberater
Wirtschaftsprüfer
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 36
Teil III
Volkswirtschaftliche Bedeutung der Änderung
und Zukunft des Überschuldungsbegriffs
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 37
Volkswirtschaftliche Bedeutung der Änderung und Zukunft des Überschuldungsbegriffs
"Frühzeitige Sanierungsbemühungen werden vernachlässigt oder nicht eingeleitet."nach Art der Tätigkeit
40%
20%
15%
22%
18%
17%
15%
17%
22%
14%
43%
65%
68%
56%
68%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Insolvenzverwalter / Rechtsanwalt
Rechtsanwalt mit SchwerpunktSanierungsberatung / M&A
Mitarbeiter eines Kreditinstituts
Unternehmensberater
Wirtschaftsprüfer
trifft voll und ganz / eher zu teils / teils trifft eher nicht / gar nicht zu
statistisch signifikanter Zusammenhang / p < 0.05
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 38
"Frühzeitige Sanierungsbemühungen werden vernachlässigt oder nicht eingeleitet."nach Umsatzklasse der betreuten Unternehmen
35%
33%
27%
9%
17%
15%
17%
16%
48%
52%
56%
75%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
bis unter 1 Mio. €
1 Mio. bis unter 10 Mio. €
10 Mio. bis unter 50 Mio. €
50 Mio. € und mehr
trifft voll und ganz / eher zu teils / teils trifft eher nicht / gar nicht zu
statistisch signifikanter Zusammenhang / p < 0.05
Volkswirtschaftliche Bedeutung der Änderung und Zukunft des Überschuldungsbegriffs
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 39
"Die Gefahr der Insolvenzverschleppung ist gestiegen."nach Art der Tätigkeit
55%
25%
23%
22%
14%
12%
13%
26%
20%
14%
33%
62%
52%
58%
73%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Insolvenzverwalter / Rechtsanwalt
Rechtsanwalt mit SchwerpunktSanierungsberatung / M&A
Mitarbeiter eines Kreditinstituts
Unternehmensberater
Wirtschaftsprüfer
trifft voll und ganz / eher zu teils / teils trifft eher nicht / gar nicht zu
statistisch signifikanter Zusammenhang / p < 0.05
Volkswirtschaftliche Bedeutung der Änderung und Zukunft des Überschuldungsbegriffs
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 40
"Die Gefahr der Insolvenzverschleppung ist gestiegen."nach Umsatzklasse der betreuten Unternehmen
47%
44%
30%
13%
15%
17%
15%
14%
38%
39%
55%
73%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
bis unter 1 Mio. €
1 Mio. bis unter 10 Mio. €
10 Mio. bis unter 50 Mio. €
50 Mio. € und mehr
trifft voll und ganz / eher zu teils / teils trifft eher nicht / gar nicht zu
statistisch signifikanter Zusammenhang / p < 0.05
Volkswirtschaftliche Bedeutung der Änderung und Zukunft des Überschuldungsbegriffs
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 41
"Sanierungen werden durch das neue Recht besser möglich."nach Art der Tätigkeit
42%
77%
77%
76%
59%
20%
13%
11%
7%
18%
38%
10%
12%
17%
23%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Insolvenzverwalter / Rechtsanwalt
Rechtsanwalt mit SchwerpunktSanierungsberatung / M&A
Mitarbeiter eines Kreditinstituts
Unternehmensberater
Wirtschaftsprüfer
trifft voll und ganz / eher zu teils / teils trifft eher nicht / gar nicht zu
statistisch signifikanter Zusammenhang / p < 0.05
Volkswirtschaftliche Bedeutung der Änderung und Zukunft des Überschuldungsbegriffs
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 42
"Sanierungen werden durch das neue Recht besser möglich."nach Umsatzklasse der betreuten Unternehmen
56%
56%
68%
75%
14%
18%
12%
12%
31%
26%
20%
13%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
bis unter 1 Mio. €
1 Mio. bis unter 10 Mio. €
10 Mio. bis unter 50 Mio. €
50 Mio. € und mehr
trifft voll und ganz / eher zu teils / teils trifft eher nicht / gar nicht zu
statistisch signifikanter Zusammenhang / p < 0.05
Volkswirtschaftliche Bedeutung der Änderung und Zukunft des Überschuldungsbegriffs
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 43
Bewertung der volkswirtschaftlichen Effekte der Änderung des Überschuldungsbegriffs; nach Art der Tätigkeit
33%
71%
69%
70%
77%
25%
6%
6%
6%
5%
30%
8%
4%
8%
14%
12%
6%
7%
10%
14%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Insolvenzverwalter / Rechtsanwalt
Rechtsanwalt mit SchwerpunktSanierungsberatung / M&A
Mitarbeiter eines Kreditinstituts
Unternehmensberater
Wirtschaftsprüfer
es entsteht volkswirtschaftlicher Nutzen* es entsteht volkswirtschaftlicher Schaden*
kaum Effekte, da kaum angewendet* zu früh für Einschätzung der Wirkungen
*statistisch signifikanter Zusammenhang / p < 0.05
Volkswirtschaftliche Bedeutung der Änderung und Zukunft des Überschuldungsbegriffs
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 44
Bewertung der volkswirtschaftlichen Effekte der Änderung des Überschuldungsbegriffs;nach Umsatzklasse der betreuten Unternehmen
39%
52%
67%
82%
17%
20%
10%
2%
26%
16%
6%
7%
12%
10%
4%
6%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
bis unter 1 Mio. €
1 Mio. bis unter 10 Mio. €
10 Mio. bis unter 50 Mio. €
50 Mio. € und mehr
es entsteht volkswirtschaftlicher Nutzen* es entsteht volkswirtschaftlicher Schaden*
kaum Effekte, da kaum angewendet* zu früh für Einschätzung der Wirkungen
*statistisch signifikanterZusammenhang / p < 0.05
Volkswirtschaftliche Bedeutung der Änderung und Zukunft des Überschuldungsbegriffs
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 45
Welche der folgenden Vorgehensweisen halten Sie im Ergebnis für sachgerecht?nach Art der Tätigkeit
42%
9%
10%
18%
5%
17%
17%
28%
28%
14%
28%
41%
51%
37%
62%
13%
33%
11%
18%
19%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Insolvenzverwalter / Rechtsanwalt
Rechtsanwalt mit SchwerpunktSanierungsberatung / M&A
Mitarbeiter eines Kreditinstituts
Unternehmensberater
Wirtschaftsprüfer
Rückkehr zum alten Überschuldungsbegriff zum 1.1.2014vorübergehende Verlängerung zur besseren Abschätzung von Wirkungendauerhafte Beibehaltung des derzeit geltenden Überschuldungsbegriffsgänzliche Abschaffung der Überschuldung als Auslöser einer Insolvenzantragspflicht
statistisch signifikanter Zusammenhang / p < 0.05
Volkswirtschaftliche Bedeutung der Änderung und Zukunft des Überschuldungsbegriffs
der
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim
34%
30%
14%
6%
22%
17%
21%
19%
34%
37%
44%
44%
11%
16%
21%
30%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
bis unter 1 Mio. €
1 Mio. bis unter 10 Mio. €
10 Mio. bis unter 50 Mio. €
50 Mio. € und mehr
Rückkehr zum alten Überschuldungsbegriff zum 1.1.2014vorübergehende Verlängerung zur besseren Abschätzung von Wirkungendauerhafte Beibehaltung des derzeit geltenden Überschuldungsbegriffsgänzliche Abschaffung der Überschuldung als Auslöser einer Insolvenzantragspflicht
statistisch signifikanterZusammenhang / p < 0.05
46
Welche der folgenden Vorgehensweisen halten Sie im Ergebnis für sachgerecht?nach Umsatzklasse der betreuten Unternehmen
Volkswirtschaftliche Bedeutung der Änderung und Zukunft des Überschuldungsbegriffs
der
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 47
Teil IV
Abschließende Empfehlung der Gutachter
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 48
Abschließende Empfehlung der Gutachter
1. Mindestregelung: Temporäre Verlängerung des derzeitigen
Überschuldungsbegriffs
a) Fortbestand der Marktunsicherheiten
Ziel der Änderung noch nicht nachhaltig erreicht
b) Gefahr der Insolvenzverschleppung bei Kleinunternehmen versus Erhöhung der Sanierungschancen bei Großunternehmen
Gesetzesbefehl kommt bei Kleinunternehmen ohnehin nicht an
Sanierungsbemühungen bei Großunternehmen durch alten
Überschuldungsbegriff überproportional stark gehindert
fehlende Praktikabilität der bilanziellen Überschuldungsmessung
c) Empfehlung zu rascher Änderung des Gesetzes im Jahr 2012
Grund: Vorwirkung einer Rückänderung
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 49
Abschließende Empfehlung der Gutachter
2. Weitergehende Regelung: Dauerhafte Beibehaltung des derzei-
tigen Überschuldungsbegriffs oder gänzliche Abschaffung
a) Vermeidung problematischer Umgehungsstrategien
Ansatz des Firmenwertes in der Überschuldungsbilanz
Problem: heute größere Rolle der Going-Concern-
Plausibilisierung (§ 252 I Nr. 2 HGB)
b) Rechtspolitischer Abgleich mit erleichterter Restschuldbefreiung
dort faktische Haftungsbeschränkung ohne Straftatbestand
c) Geringe (rechtliche) Bedeutung der Überschuldung in der Praxis
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 50
Abschließende Empfehlung der Gutachter
3. Insolvenzantragsrecht bei bilanzieller Überschuldung
a) Antragsrecht bei drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 HGB) reicht nicht immer
Liquidität im laufenden + nächsten Geschäftsjahr
b) Überschuldung nach derzeitigem Überschuldungsbegriff streitig bei fehlender Wiederherstellung der Ertragskraft im laufenden und nächsten Geschäftsjahr
Antragsrecht sinnvoll zur Klarstellung
freiwillige Sanierung im Insolvenzverfahren
c) Lösung von Missbrauchsfällen durch die Rechtsprechung
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 51
Publikation der Studie:
Kurzfassung der Ergebnisse in ZIP 2012, 1201 ff.
Veröffentlichung des Gesamtberichts in Buchform
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 52
© 2012
Prof. Dr. Georg Bitter
Universität Mannheim
Lehrstuhl für Bürgerliches Recht,
Bank- und Kapitalmarktrecht, Insolvenzrecht
Schloss, Westflügel W 241/242
68131 Mannheim
www.georg-bitter.de
Zentrum für Insolvenz und Sanierung
an der Universität Mannheim e.V.
www.zis.uni-mannheim.de
– Ende –
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 53
Anhang
Aktuelle Entwicklungen in der
Insolvenzverschleppungshaftung
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 54
Insolvenzen in Zeiten der Finanzkrise– Befragung von Insolvenzverwaltern –
9
25
66
5
23
72
Zu spät
Nach einer gerade noch vertretbarenWartezeit
2009%
2006%
Nach einer gerade noch vertretbarenWartezeit
Zum frühestmöglichen Zeitpunkt
Zu spät
Zum frühestmöglichen Zeitpunkt
Zeitpunkt der Antragstellung (im Vergleich 2006 – 2009)
Insolvenzverschleppungshaftung
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 55
Insolvenzverschleppungshaftung
1. Differenzierung nach Außen- und Innenhaftung
Außenhaftung: § 823 II BGB i.V.m. § 15a InsO
Innenhaftung: § 64 GmbHG
Innenhaftung: § 43 II GmbHG
2. Gemeinsame Voraussetzungen
a) Insolvenzantragspflicht: § 15a InsO
(früher: §§ 64 I GmbHG, 130a, 177a HGB)
Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO)
BGHZ 163, 134: Abgrenzung zur Zahlungsstockung
Schwellenwert der Liquiditätslücke: 10 % (Vermutung)
Drei-Wochen-Frist zur Wiederherstellung der Liquidität
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 56
Insolvenzverschleppungshaftung
2. Fortsetzung: Gemeinsame Voraussetzungen
a) Insolvenzantragspflicht (Fortsetzung)
Überschuldung (§ 19 InsO)
Neudefinition mit Inkrafttreten der InsO in § 19 II InsO:
„Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners
die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Bei der
Bewertung des Vermögens des Schuldners ist jedoch die
Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen, wenn diese
nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist.“
BGHZ 171, 46 (Tz. 19): keine Fortgeltung des sog.
„modifizierten zweistufigen Überschuldungsbegriffs“
Aber: befristete Wiedereinführung durch das
Finanzmarktstabilisierungsgesetz b.w.
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 57
Insolvenzverschleppungshaftung
2. Fortsetzung: Gemeinsame Voraussetzungen
a) Insolvenzantragspflicht (Fortsetzung)
Überschuldung (§ 19 InsO)
Wiedereinführung des „modifizierten zweistufigen Überschul-
dungsbegriffs“ bis Ende 2013
„Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die
bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die
Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen
überwiegend wahrscheinlich. …“
OLG Schleswig ZIP 2010, 516: keine Geltung für Altfälle
b) Fahrlässige Unkenntnis der Insolvenzgründe (h.M.)
BGH NJW 2007, 2118: Rateinholung bei qualifiziertem Berufsträger
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 58
Insolvenzverschleppungshaftung
3. Deliktische Außenhaftung (§ 823 II BGB)
Schutzgesetz: § 15a InsO
Ablösung der §§ 64 I GmbHG, 130a, 177a HGB durch das MoMiG
Ausdehnung auf Gesellschafter bei Führungslosigkeit (§ 15a III InsO)
Geltung auch für Scheinauslandsgesellschaften (Limited)
BGHZ 126, 181: Neudefinition der Schutzrichtung
Quotenschaden für die Altgläubiger (Zuständigkeit: § 92 InsO)
voller Schadensersatz (negatives Interesse) für die Neugläubiger
BGH ZIP 2009, 1220 (Rz. 16): kein Ersatz für den Gewinnanteil eines Vergütungsanspruchs des Neugläubigers; ggf. aber Ersatz des Gewinns aus einem sonst anderweitig getätigten Geschäft
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 59
Insolvenzverschleppungshaftung
3. Fortsetzung: Deliktische Außenhaftung (§ 823 II BGB)
voller Schadensersatz (negatives Interesse) für die Neugläubiger
Problemfall 1: Vertragsschluss vor, Vorleistung nach dem
Zeitpunkt der Insolvenzantragspflicht
BGHZ 171, 46: Erhöhung der Inanspruchnahme einer Kreditlinie
OLG Oldenburg GWR 2010: 170: Erbringung ungesicherter Leistungen nach Insolvenzreife (arg: § 321 BGB)
OLG Hamburg ZIP 2007, 2318: Arbeitsverhältnis ( LAG-Rspr.)
BGH ZIP 2009, 366: nicht bei Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
Problemfall 2: Deliktsgläubiger
kritisch BGHZ 164, 50 für einen Extremfall: betrügerische
Doppelabtretungen in Millionenhöhe
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Insolvenzverschleppungshaftung
3. Fortsetzung: Deliktische Außenhaftung (§ 823 II BGB)
voller Schadensersatz (negatives Interesse) für die Neugläubiger
Problemfall 3: Neugläubiger erhält während des Zeitraums der Insolvenzverschleppung noch Zahlungen auf Altforderungen
BGH ZIP 2007, 1060: keine Anrechnung / Vorteilsausgleichung
Problemfall 4: Neugläubiger = Mitglied des Verbandes
BGH ZIP 2010, 776: Haftung auch gegenüber den Mitgliedern (einer eG), wenn diese wie außenstehende Dritte mit dem Verband kontrahieren
BGHZ 138, 211: Eigene Zuständigkeit der Neugläubiger auch bei eröffnetem Insolvenzverfahren
BGH ZIP 2011, 1007: Verjährung nach allgemeinen Regeln; keine Analogie zu §§ 64 S. 2, 43 IV GmbHG
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 61
Insolvenzverschleppungshaftung
Zeit
Beginn der Insolvenz-
antragspflicht
Insolvenzantrag
A B D E F G
20 %
10 %
C
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Insolvenzverschleppungshaftung
4. Innenhaftung (§ 64 GmbHG, früher § 64 II GmbHG)
Haftungsadressat
GmbH-Geschäftsführer (für AG-Vorstand: § 93 III Nr. 6, 92 II AktG)
BGH ZIP 2009, 860: auch Mitglieder eines gesetzlich verpflichtenden
Aufsichtsrats wegen Verletzung ihrer Überwachungspflicht
(vgl. § 116 AktG i.V.m. § 93 III Nr. 6, 92 II AktG)
Anlass für Überwachung, wenn Arbeitnehmer vorhanden sind: Verbot der
Zahlung von Löhnen + Arbeitgeberanteilen zur Sozialversicherung
BGHZ 187, 60 – „Doberlug“: i.d.R. keine Haftung der Mitglieder eines
fakultativen Aufsichtsrats (arg: § 52 GmbHG verweist nicht auf § 93
III AktG; Schaden i.S.v. § 93 II AktG fehlt regelmäßig)
BGH ZIP 2010, 1080: keine analoge Anwendung beim Verein
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 63
Insolvenzverschleppungshaftung
4. Innenhaftung (§ 64 GmbHG, früher § 64 II GmbHG)
Begriff der „Zahlung“
bare / unbare Leistung an einzelne Gläubiger
BGHZ 143, 184: Einzug von Kundenschecks auf ein debitorisches
Bankkonto
BGH ZIP 2007, 1006: Zahlungen von Gesellschaftsschuldnern auf
ein debitorisches Bankkonto der GmbH
(Grund: fehlende „Umleitung“)
Lastschriftabbuchung vom Konto der GmbH
(Grund: fehlender Widerruf)
Warenlieferung an einzelne Gläubiger
BGH ZIP 2009, 956: ggf. nicht bei Pfändung des Gesellschaftskontos
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 64
Insolvenzverschleppungshaftung
4. Innenhaftung (§ 64 GmbHG, früher § 64 II GmbHG)
Hauptproblem: Haftungsumfang Schaubilder b.w.
Ersatz einzelner „Zahlungen“
BGH ZIP 2007, 1501 m.w.N. (siehe aber auch Folie 15)
Ersatz der Masseschmälerung
Karsten Schmidt, Bitter, Altmeppen u.a.
Problem: Zahlung vom debitorischen Konto
BGH ZIP 2007, 1006 (Rz. 8) und BGH ZIP 2010, 470 (Rz. 10): bloßer Gläubigertausch
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 65
Insolvenzverschleppungshaftung
0
- 10.000
- 20.000
- 30.000
- 40.000
- 50.000
+ 10.000
- 40.000
30.00020.000
30.000
30.000
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 66
Insolvenzverschleppungshaftung
0
+ 10.000
- 10.000
- 20.000
- 30.000
- 40.000
+ 20.000
- 40.000
30.00020.000
30.000
20.000
10.000keine
Haftung
„Nehmen seliger
als Geben“
„Geben seliger
als Nehmen“
Karsten Schmidt, ZIP 2008, 1401
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 67
Insolvenzverschleppungshaftung
4. Innenhaftung (§ 64 GmbHG, früher § 64 II GmbHG)
Vereinbarkeit der Zahlung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns (Satz 2)
BGH ZIP 2008, 72: bei Abwendung größerer Nachteile für die Insolvenzmasse (Wasser, Strom, Heizung)
Problem: Leistungen, bei denen ein Gegenwert in das Gesellschaftsvermögen gelangt und dort verbleibt
Fall des Satzes 2 oder teleologische Korrektur des Satzes 1?
offen BGH ZIP 2010, 2400 (Rdn. 21)
Sonderfall: Sozialversicherungsbeiträge + Steuern Folien 69 f.
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 68
Insolvenzverschleppungshaftung
4. Innenhaftung (§ 64 GmbHG, früher § 64 II GmbHG)
Internationaler Gerichtsstand bei Wohnsitz des Geschäftsführers im Ausland (insbesondere Sitzverlegung ins Ausland)
OLG Karlsruhe ZIP 2010, 2123: Gerichtsstand der unerlaubten Handlung i.S.d. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO in Deutschland
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 69
Insolvenzverschleppungshaftung
5. Verhältnis des § 64 GmbHG zu § 266a StGB (§ 69 AO)
BGH NJW 2005, 2546 (II. Zivilsenat)
§ 266a StGB (dazu Folie 29) begründet in der Insolvenz keinen Vorrang der Ansprüche der Sozialkasse Haftung aus § 64 II GmbHG a.F. bei Abführung
BGH NJW 2005, 3650 (5. Strafsenat)
Grundsatz der Massesicherung aus § 64 II GmbHG a.F. berührt Strafbarkeit aus § 266a StGB nicht, wenn Insolvenzantrag pflichtwidrig nicht gestellt
BFH ZIP 2007, 1604
Anschluss an die Rspr. des 5. Strafsenats (bez. Haftung aus § 69 AO)
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 70
Insolvenzverschleppungshaftung
5. Verhältnis des § 64 GmbHG zu § 266a StGB (§ 69 AO)
BGH NJW 2007, 2118 (II. Zivilsenat – Änderung der Rspr.)
Abführung der Sozialversicherungsbeiträge bei Insolvenzreife entspricht der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters keine Ersatzpflicht aus § 64 II GmbHG a.F.
BFH ZIP 2009, 122
Haftung auch in der 3-Wochen-Frist
BGH ZIP 2009, 1468 (II. Zivilsenat)
keine Privilegierung bei Zahlung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung (arg.: anders als bei Arbeitnehmerbeiträgen besteht keine Strafbarkeit des Geschäftsführers)
BGH ZIP 2011, 422 (II. Zivilsenat)
Privilegierung bei Zahlung rückständiger Umsatz- und Lohnsteuer
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 71
Insolvenzverschleppungshaftung
6. Verhältnis des § 64 GmbHG zu § 266 StGB
BGH ZIP 2008, 1229
Fall: Weiterleitung von Beträgen, die von anderen Konzerngesellschaften auf
das Geschäftskonto der GmbH gezahlt werden, an die Gläubiger jener
Gesellschaften
Verletzung der Pflicht aus § 64 II GmbHG a.F. auch bei Weiterleitung
(str.; s.o. Folie 20 zum Haftungsumfang)
Aber Pflichtenkollision: Massesicherung hat keinen Vorrang vor den
– durch § 266 StGB (Untreue) – geschützten Interessen der anderen
Konzerngesellschaften
OLG München ZIP 2008, 2169 (bestätigt durch BGH BB 2010, 1609)
mehrfache Haftung, wenn derselbe Geldbetrag durch mehrere Gesell-
schaften gelaufen ist und eine Treuepflicht i.S.v. § 266 StGB fehlt
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 72
Insolvenzverschleppungshaftung
7. Insolvenzverursachende Zahlungen (§ 64 S. 3 GmbHG)
Verbot von Zahlungen an Gesellschafter, die zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen
neuer Satz 3 eingeführt durch das MoMiG
Teilregelung der sog. „Existenzvernichtung“, aber Haftung der Geschäftsführer, nicht der Gesellschafter
Problem: Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit durch Leistung auf vorhandene Verbindlichkeit möglich?
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 73
Insolvenzverschleppungshaftung
8. Haftung aus § 826 BGB für gezahltes Insolvenzgeld
BGHZ 175, 58 = ZIP 2008, 361
Haftung aus § 826 BGB bei vorsätzlicher Insolvenzverschleppung,
wenn der als unabwendbar erkannte „Todeskampf“ des
Unternehmens hinausgezögert + dabei die Schädigung der
Unternehmensgläubiger in Kauf genommen wird
subjektive Seite des § 826 BGB entfällt bei berechtigtem Vertrauen
auf Sanierungsbemühungen
kein Schaden der Bundesagentur für Arbeit, wenn Insolvenzgeld
auch bei rechtzeitigem Antrag hätte gezahlt werden müssen
© 2012 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 74
Literaturhinweis
Bitter, Haftung von Gesellschaftern und Geschäftsführern
in der Insolvenz ihrer GmbH
ZInsO 2010, 1505 - 1524 (Teil 1), 1561 - 1582 (Teil 2)
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