Fo
rsch
un
gs
rad
ar
En
erg
iew
en
de
www.forschungsradar.de November 2015 | Seite 2
Metaanalyse: Energiewende im Verkehr
Bislang keine Spur von Energiewende im Verkehr
Der Verkehrssektor ist in der öffentlichen Debatte um die Energiewende bislang stark unter-
belichtet. Dabei ist er die Quelle für rund ein Fünftel des Treibhausgasausstoßes in Deutschland
und zentral für die Erreichung der klimapolitischen Zielsetzungen. Im Gegensatz zu den bereits
erzielten Fortschritten in Energiewirtschaft und Industrie sind die Emissionen des Verkehrs heute
sogar etwas höher als vor zehn Jahren. Nicht zuletzt aufgrund des gesunkenen Ölpreises zeigte
der Trend zuletzt wieder deutlich nach oben.
Der Grund dafür ist die enorm gewachsene Verkehrsleistung, sowohl im Personen- als auch im
Güterverkehr. Auch für die Zukunft sehen die Verkehrsprognosen ein weiteres Wachstum der
Verkehrsleistung, insbesondere im Güter- und Luftverkehr. Effizienzsteigerungen sind dringend
notwendig, werden jedoch bei weitem nicht ausreichen, um die angestrebten Treibhausgas-
minderungen von mindestens 80 Prozent bis 2050 zu erreichen. Verkehrsvermeidung und -
verlagerung auf umweltfreundliche Verkehrsmittel müssen stärker in den politischen Fokus
rücken. Gleichzeitig gilt es, Alternativen zu den herkömmlichen Kraftstoffen zu entwickeln, denn
derzeit bezieht der Verkehr in Deutschland seine Energie zu über 90 Prozent aus Erdöl.
In Frage kommen hierfür (teil-)elektrische Antriebe sowie der Einsatz von Kraftstoffen, die aus
Biomasse oder Strom gewonnen werden. Wie der Energiebedarf, die Energieversorgung und der
damit verbundene Treibhausgasausstoß des Verkehrs in Zukunft aussehen könnten, wird
inzwischen von vielen wissenschaftlichen Studien beleuchtet. Die diesbezüglichen Aussagen
verschiedener Studien werden im Folgenden gegenübergestellt und verglichen. Dabei wird
deutlich, dass der Erfolg vieler Technologien aus heutiger Perspektive noch ungewiss ist und stark
vom Fortschritt in Forschung und Entwicklung abhängt. Darüber hinaus zeigt die Metaanalyse,
dass die aktuellen politischen Rahmenbedingungen nicht ausreichen und viele weitere
Maßnahmen getroffen werden müssen, um die Energiewende im Verkehrssektor voranzubringen.
Hinweise zur Einordnung und Bewertung des Studienvergleichs
Die vorliegende Metaanalyse vergleicht und erläutert die Aussagen verschiedener Studien zur
möglichen Entwicklung der Energieversorgung im Verkehr in Deutschland. Ziel ist es, den Stand
der Erkenntnisse knapp und verständlich zusammenzufassen, die Transparenz hinsichtlich
wichtiger Annahmen und Ergebnisse zu erhöhen und so eine Grundlage für die öffentliche Debatte
zu liefern. Dazu werden quantitative und qualitative Aussagen der untersuchten Studien wieder-
gegeben, miteinander verglichen und erläutert. Kernpunkte sind dabei die potenzielle Entwicklung
des Energiebedarfs, der Energiebereitstellung und des damit verbundenen Treibhausgasaus-
stoßes. Vor dem Hintergrund der politischen Zielsetzungen der Bundesregierung wird ebenfalls
betrachtet, wie die Entwicklungen mit Blick auf die Energiewende zu bewerten sind.
Die im Rahmen der Metaanalyse betrachteten Studien behandeln ein sehr komplexes Themenfeld
und setzen unterschiedliche Schwerpunkte mit entsprechend vielfältigen Fragestellungen. Daher
unterscheiden sie sich in der Herangehensweise und den getroffenen Annahmen bzw. der
verwendeten Datenbasis.
Zu unterscheiden ist in erster Linie zwischen Trend- oder Business-As-Usual-Szenarien sowie
Ziel- und Technologieszenarien. Trend- oder Business-as-Usual-Szenarien beschreiben eine als
wahrscheinlich erachtete zukünftige Entwicklung, meist unter der Annahme, dass keine weiteren
Fo
rsch
un
gs
rad
ar
En
erg
iew
en
de
www.forschungsradar.de November 2015 | Seite 3
Metaanalyse: Energiewende im Verkehr
Maßnahmen umgesetzt werden1. Sie werden daher häufig als Referenzszenarien eingesetzt. In
Zielszenarien wird vorab ein Ziel definiert, zum Beispiel eine Minderung des Treibhausgas-
ausstoßes um 80 Prozent bis 2050. Davon ausgehend wird ein Szenario entwickelt, das dieses Ziel
erreicht, gleichzeitig wird der zur Zielerreichung notwendige Handlungsbedarf in verschiedenen
Bereichen formuliert. Dafür müssen die Effekte bestimmter Maßnahmen abgeschätzt werden
(Wirkungsprognosen). Teilweise werden die in der vorliegenden Metaanalyse betrachteten
Zielszenarien von den jeweiligen Autoren und Autorinnen als wenig wahrscheinlich hinsichtlich
ihrer Umsetzbarkeit eingestuft (z.B. Prognos/EWI/GWS 2014). Technologieszenarien (z.B.
DLR/IFEU/LBST/DBFZ 2014) erörtern die Potenziale bestimmter Technologien bzw. beschreiben
eine mögliche Entwicklung unter der Voraussetzung eines technologischen Durchbruchs und einer
hohen Marktdurchdringung.
Die unterschiedlichen Ansätze und Absichten müssen bei der Auswertung der Studien stets
berücksichtigt werden. Zudem folgen die Studien teilweise unterschiedlichen Definitionen und
Abgrenzungen. So wird beispielsweise die Einbeziehung des von Deutschland ausgehenden
internationalen Verkehrs nicht immer einheitlich gehandhabt. Solche Unterschiede, die im
folgenden Text jeweils erwähnt werden, vermindern die direkte Vergleichbarkeit der Daten.
Gleichwohl lassen sich auch bei im Detail unterschiedlichen Aussagen Tendenzen erkennen.
Treibhausgasausstoß des Verkehrssektors
Seit dem Jahr 2000 sind die Treibhausgasemissionen des Verkehrs in Deutschland von 181
Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten (Mio. t CO2 Äq.) auf 164 Mio. t CO2 Äq. im Jahr 2014 gesunken.
Ausschlaggebend hierfür sind vor allem effizientere Motortechnologien sowie die gestiegene
Kraftstoffqualität, während die enorm gestiegene Verkehrsleistung eine stärkere Senkung der
Emissionen verhindert hat. Im Vergleich zum Jahr 2005, dem Basisjahr für die energiepolitischen
Ziele der Bundesregierung, liegt der Treibhausgasausstoßes des Verkehrs jedoch etwas höher,
seit 2013 ist sogar ein deutlicher Wiederanstieg zu verzeichnen. Hier machen sich das anhaltende
Wirtschaftswachstum sowie die gesunkenen Diesel- und Benzinpreise bemerkbar.
Für den Zeitraum bis 2020 gehen gleich mehrere Studien bzw. Szenarien davon aus, dass der
Treibhausgasausstoß2
des Verkehrs weiter ansteigen werde. Hauptgrund ist die erwartete
Zunahme des Güter- und Luftverkehrs. Dabei ist der internationale Luft- und Schiffsverkehr in der
amtlichen Statistik sowie den meisten Studien nicht enthalten. Dass hierbei relevante und im
Zeitverlauf zunehmende Mengen außen vor bleiben, zeigt die Studie „Klimaschutzszenario 2050“
(Öko-Institut/ISI 2014), die für den internationalen Verkehr je nach betrachtetem Szenario und
Jahr einen Ausstoß von 20 bis 50 Mio. t CO2 Äq. ausweist3.
Dass eine andere Entwicklung prinzipiell denkbar ist, zeigen die betrachteten Zielszenarien.
Demnach wäre bis 2050 sogar ein nahezu treibhausgasneutraler Verkehr möglich, wenn
weitreichende verkehrs- und energiepolitische Maßnahmen ergriffen und zudem technologische
1Unter den untersuchten Veröffentlichungen bildet die Referenzprognose bzw. das Trendszenario von
Prognos/EWI/GWS (2014) eine Ausnahme, da hier durchaus weitere politische Maßnahmen unterstelltwerden.2
Leichte Abweichungen zwischen den dargestellten Werten bestehen aufgrund der Berücksichtigungverschiedener Treibhausgase. Während DLR/IWES/IfnE (2012) und Nitsch (2015) lediglich Kohlendioxid (CO2)betrachten, rechnen die anderen untersuchten Studien mit CO2-Äquivalenten und berücksichtigen damit dieKlimawirksamkeit weiterer Gase wie Methan.3
Aus Gründen der Vergleichbarkeit sind in der verwendeten Abbildung jedoch nur die Werte für dennationalen Verkehr dargestellt.
Fo
rsch
un
gs
rad
ar
En
erg
iew
en
de
www.forschungsradar.de November 2015 | Seite 4
Metaanalyse: Energiewende im Verkehr
Durchbrüche erzielt würden. Der Schlüssel zum Klimaschutz liegt in der drastischen Reduktion
der Nutzung fossiler Kraftstoffe wie Benzin, Diesel und Kerosin. Das wird in einigen Szenarien
unter anderem durch eine Stärkung des öffentlichen Personenverkehrs und die Verlagerung des
Güterverkehrs auf die Schiene erreicht (z.B. Öko-Institut 2013). Auch ökonomische Instrumente
wie die Einführung oder Ausweitung von Mautsystemen, die Erhöhung von Kraftstoffsteuern und
der Abbau umweltschädlicher Subventionen im Verkehr werden als notwendig betrachtet (z.B.
Öko-Institut/Fraunhofer ISI 2014). Während manche Studien hauptsächlich Effizienzsteigerungen
bei konventionellen Antrieben, neue Biokraftstoffe und mehr Elektromobilität unterstellen (z.B.
Prognos/EWI/GWS 2014), gehen andere davon aus, dass in Zukunft auch in größerem Umfang
strombasierte Kraftstoffe genutzt werden können (z.B. Öko-Institut 2013; WWF et al. 2014;
DLR/IFEU/LBST/DBFZ 2014)4.
4Der sehr hohe Wert für den Treibhausgasausstoß bei Öko-Institut (2013) erklärt sich durch die
Berücksichtigung indirekter Emissionen aus den vorgelagerten Prozessen. Das ist der THG-Ausstoß, der zumBeispiel bei der Öl- und Gasförderung oder bei der Herstellung von Anlagen zur Stromerzeugung entsteht,also nicht direkt im Verkehr anfällt.
Fo
rsch
un
gs
rad
ar
En
erg
iew
en
de
www.forschungsradar.de November 2015 | Seite 5
Metaanalyse: Energiewende im Verkehr
Entwicklung des Endenergiebedarfs im Verkehr
Ziel der Bundesregierung ist es, den Endenergieverbrauch des Verkehrs bis 2020 um 10 Prozent
und bis 2050 um 40 Prozent gegenüber 2005 zu reduzieren. Im Jahr 2014 lag der Endenergie-
verbrauch im Verkehr jedoch bei 730 Terawattstunden (TWh)5
und damit rund 1,7 Prozent über
dem Wert des Jahres 2005 (718 TWh). Das Wachstum der Verkehrsleistung überkompensierte die
durch Effizienzsteigerungen erzielten Energieeinsparungen. Der wachsende Energiebedarf des
internationalen See- und Luftverkehrs ist dabei in der nationalen Energie- und Klimabilanz nicht
einmal berücksichtigt.
Nitsch (2015) und Öko-Institut (2013) sehen zumindest für den Zeitraum bis 2020 keine
Trendwende beim Endenergieverbrauch im Verkehr. Größere Verbrauchsreduktionen werden von
Prognos/EWI/GWS (2014) angenommen sowie in manchen ambitionierten Klimaschutzszenarien
(z.B. WWF et al. 2014) unterstellt. Letztere setzen jedoch tiefgreifende politische Maßnahmen und
technologische Fortschritte voraus.
Mit einem großen Energieeinsparpotenzial rechnen die meisten Studien im motorisierten Indivi-
dualverkehr (MIV). Chancen bestünden hier vor allem durch die Elektromobilität, Verkehrsvermei-
dung und -verlagerung. Im Straßengüter-, Schiffs- und Luftverkehr werden die Möglichkeiten zur
Senkung des Endenergieverbrauchs dagegen deutlich geringer eingeschätzt. Vor allem aufgrund
des erwarteten weiteren Wachstums der Verkehrsleistung könnte es hier trotz unterstellter
Effizienzsteigerungen zu einem weiteren absoluten Anstieg des Energiebedarfs kommen.
5Das entspricht 2.629 Petajoule (PJ). Beide Einheiten sind in Energiestatistiken geläufig. In der vorliegenden
Metaanalyse erfolgen die Größenangaben durchgängig in Terawattstunden, um die Vergleichbarkeit derWerte im Hinblick auf die Stromstatistik und die Erneuerbare-Energien-Statistik zu erleichtern.
Fo
rsch
un
gs
rad
ar
En
erg
iew
en
de
www.forschungsradar.de November 2015 | Seite 6
Metaanalyse: Energiewende im Verkehr
Für die Höhe des Endenergieverbrauchs im Verkehr spielen die unterstellen Antriebstechnologien
eine erhebliche Rolle, denn der Wirkungsgrad von Elektromotoren ist sehr viel höher als bei
Verbrennungsmotoren. Daher fällt der Endenergieverbrauch in Szenarien, die einen Durchbruch
der Elektromobilität modellieren, deutlich geringer aus als in Szenarien, die eine stärkere
Entwicklung anderer Technologien erwarten, zum Beispiel den Einsatz strombasierter Kraftstoffe.
Bei der Interpretation der Werte ist zudem zu beachten, dass beim Endenergieverbrauch die
Energieverluste in der Herstellung strombasierter Kraftstoffe oder aufwändigerer Biokraftstoffe
(z.B. Biokerosin) nicht berücksichtigt werden. Der durch den Verkehr verursachte Primärenergie-
verbrauch fällt bei einem hohen Anteil dieser Technologien also deutlich größer aus als bei einem
hohen Anteil an Elektrofahrzeugen. Auf die Potenziale und den möglichen Strombedarf durch
unterschiedliche Antriebstechnologien und Kraftstoffe gehen zum Beispiel die Studien
„Erneuerbare Energien im Verkehr“ (DLR/IFEU/LBST/DBFZ 2015) sowie „Power-to-Gas im
Verkehr“ (DLR/IFEU/LBST/DBFZ 2014) detailliert ein.
Die Entwicklung und Umsetzung von Strategien zur Verkehrsvermeidung und -verlagerung wer-
den in vielen der untersuchten Studien und Szenarien nicht modelliert. Beispielsweise unter-
stellen Ziel- und Trendszenario der Energiereferenzprognose von Prognos/EWI/GWS 2014 jeweils
die gleiche Personen- und Güterverkehrsleistung und den gleichen PKW-Bestand. Die in den
Szenarien erzielte Reduktion des Endenergieverbrauchs erfolgt hier vor allem durch die Annahme
von Effizienzsteigerungen konventioneller Antriebe und den verstärkten Einsatz der
Elektromobilität.
Stattdessen modellieren beispielsweise die Studien „Treibhausgasneutraler Verkehr“ (Öko-Institut
2013) und „Klimafreundlicher Verkehr in Deutschland“ (WWF et al. 2014) erhebliche politische
Maßnahmen wie die Verteuerung des motorisierten Individualverkehrs durch Energiesteuern, eine
stärkere Förderung des öffentlichen Verkehrs und des Schienenverkehrs oder eine Einführung
von Tempolimits auf Autobahnen. Damit würden entsprechende Veränderungen in der Verkehrs-
nachfrage und der Verkehrsmittelwahl einhergehen und deutlich größere Reduktionen des
Endenergieverbrauchs erreicht als in anderen Studien. Um die gewünschte Klimaneutralität zu
erreichen, müsste darüber hinaus die konsequente Abkehr von fossilen Kraftstoffen durch
Umstellung auf alternative Antriebe erfolgen.
Energiebereitstellung aus Biokraftstoffen
Mit rund 32 TWh haben Biokraftstoffe im Jahr 2014 gut 5 % des Endenergieverbrauchs im Verkehr
gedeckt. Wie die folgende Abbildung zeigt, ist das Nutzungspotenzial von Biokraftstoffen für die
Zukunft umstritten. Hintergrund ist die sehr kontrovers geführte Debatte um Flächenkonkurren-
zen gegenüber dem Anbau von Nahrungsmitteln und andere Fragen der Nachhaltigkeit.
Die Bandbreite der Zukunftsszenarien für die Energiebereitstellung aus Biokraftstoffen reicht
langfristig von einer völligen Aufgabe der Biokraftstoffnutzung im Hauptszenario der Studie
„Treibhausgasneutraler Verkehr“ (Öko-Institut 2013) bis zu Extremwerten von mehr als 180 TWh
im Zielszenario der Energiereferenzprognose 2014 (Prognos/EWI/GWS 2014) sowie in den
Szenarien KS80 und KS 90 von Öko-Institut/Fraunhofer ISI (2014). Dabei ist in den dargestellten
Werten der letztgenannten Studie auch der Einsatz von Biokraftstoffen im internationalen Luft-
und Schiffsverkehr berücksichtigt. Gleichzeitig haben die Autoren in der Studie angekündigt, dass
das zugrundegelegte Biomassepotenzial im bisher noch unveröffentlichten Update des
Klimaschutzszenarios geringer ausfallen werde.
Fo
rsch
un
gs
rad
ar
En
erg
iew
en
de
www.forschungsradar.de November 2015 | Seite 7
Metaanalyse: Energiewende im Verkehr
Im Zielszenario von Prognos/EWI/GWS (2014) liegt der Biokraftstoffverbrauch im Jahr 2050
doppelt so hoch wie im Trendszenario der Studie. Dabei gehen die Autoren davon aus, dass Biogas
verstärkt als Kraftstoff zum Einsatz komme und mittel- bis langfristig sogenannte „Biokraftstoffe
der zweiten oder dritten Generation“ zur Verfügung stünden. Das Szenario unterstellt also
technologische Durchbrüche, deren Umsetzung derzeit noch mit Unsicherheiten behaftet ist.
Vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsrestriktionen sowie der Unsicherheit technologischer
Weiterentwicklungen rechnen die meisten Studien maximal mit etwa dem 2,5-fachen der
aktuellen Energiebereitstellung aus Biokraftstoffen. Im Vergleich zu bisherigen Entwicklung wäre
das bereits ein großer Zuwachs, gemessen am gesamten Energiebedarf des Verkehrs wird jedoch
deutlich, dass es anderer Antriebstechnologien und Kraftstoffe bedarf, um hohe Anteile
Erneuerbarer Energien zu erreichen.
Fo
rsch
un
gs
rad
ar
En
erg
iew
en
de
www.forschungsradar.de November 2015 | Seite 8
Metaanalyse: Energiewende im Verkehr
Elektromobilität
Der Stromverbrauch im Verkehrssektor entfällt bisher im Wesentlichen auf den Schienenverkehr.
Er zeigt seit Jahren eine leicht rückläufige Tendenz und belief sich im Jahr 2014 auf 12 TWh bzw.
weniger als 2 % des gesamten Endenergieverbrauchs im Verkehr. Um den Anteil Erneuerbarer
Energien im Verkehr zu erhöhen, gilt die verstärkte Nutzung von Strom jedoch als zentrale
Stellschraube.
Strom kann direkt genutzt werden durch die Verlagerung von Verkehr auf die Schiene sowie durch
Elektromobilität auf der Straße. Fast alle betrachteten Szenarien rechnen mit einer breiten
Elektrifizierung des Straßenverkehrs. In Frage kommen dafür zum Beispiel reine Elektroautos,
Plug-in-Hybride und Pedelecs. Für den Güterverkehr werden auch Oberleitungs-LKW diskutiert,
wobei hierfür eine neue Infrastruktur aufgebaut werden müsste, deren Realisierbarkeit noch
kontrovers beurteilt wird.
Aus der Abbildung wird deutlich, dass aktuelle Studien im Zeitraum bis 2020 nur eine geringe
Nutzung von Strom im Verkehr annehmen. Im Gegensatz dazu sahen die Anfang 2012
veröffentlichten Langfristszenarien von DLR/IWES/IfnE bereits für diesen Zeitraum einen
deutlichen Zuwachs der Elektromobilität vor, genauso wie WWF et al. (2014). Hohe Werte für die
Elektrifizierung des Verkehrs finden sich also vor allem in Klimaschutz-Zielszenarien, was die
Bedeutung der effizienten Antriebstechnologie für mehr Klimaschutz im Verkehr illustriert.
Im Szenario „grenzenlos eMobil“ des Öko-Instituts (2014) wird langfristig sogar eine vollständige
Elektrifizierung des Straßenverkehrs, inklusive des Straßengüterverkehrs skizziert. Zu beachten
ist, dass hiermit keine Aussage über die Eintrittswahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios
einhergeht, sondern die damit verbunden Implikationen erörtert werden. Voraussetzung für eine
Fo
rsch
un
gs
rad
ar
En
erg
iew
en
de
www.forschungsradar.de November 2015 | Seite 9
Metaanalyse: Energiewende im Verkehr
solch ambitionierte Marktentwicklung wären demnach optimale Rahmenbedingungen in Bezug auf
die technologische Entwicklung, die Ladeinfrastruktur, Nutzerakzeptanz und politische Weichen-
stellungen zugunsten der Elektromobilität. Obwohl die Studie auch erhebliche Veränderungen des
Verkehrsverhaltens und Verkehrsverlagerungen unterstellt, würde sich in diesem Szenario im
Jahr 2050 ein Stromverbrauch von 144 TWh ergeben. Die Autoren weisen darauf hin, dass ein
solcher Strombedarf des Verkehrs eine deutlich höhere Stromerzeugung aus Erneuerbaren
Energien erfordern würde, als sie zum Beispiel im Szenario 2011 A der Studie von DLR/IWES/IfnE
(2012) vorgesehen ist.
Strombasierte Kraftstoffe (Power-to-Gas/Power-to-Liquid)
Für die Luft- und Schifffahrt wird der breite Einsatz der Elektromobilität wegen höherer techni-
scher Anforderungen derzeit als unwahrscheinlich angesehen. Viele Studien betrachten auch die
direkte Stromnutzung im Straßengüterverkehr mit Skepsis, vor allem auf langen Strecken.
Oberleitungssysteme auf Autobahnen könnten hier eine Perspektive sein. Ob sich diese Idee
durchsetzen kann, ist heute jedoch noch fraglich. Für die Anwendungsfälle, bei denen ein
elektrischer Direktantrieb nicht möglich ist, zeichnet sich in Form von strombasierten Kraftstoffen
eine Möglichkeit ab, Strom zu nutzen.
Dabei werden mithilfe von Strom chemische Energieträger gewonnen. Mittels Elektrolyse kann
Strom in Wasserstoff und beispielsweise weiter in Methan umgewandelt werden. Dieses
Verfahren bezeichnet man auch als Power-to-Gas (PtG). Wird statt eines Gases flüssiger Kraftstoff
erzeugt, spricht man von Power-to-Liquid (PtL). Die Herstellungsverfahren für strombasierte
Fo
rsch
un
gs
rad
ar
En
erg
iew
en
de
www.forschungsradar.de November 2015 | Seite 10
Metaanalyse: Energiewende im Verkehr
Kraftstoffe befinden sich aktuell noch in einer frühen Phase der Erforschung und Entwicklung. Sie
sind mit einem hohen technischen Aufwand, einem erheblichen Energieeinsatz und hohen Kosten
verbunden. Wie die folgende Abbildung zeigt, rechnen die ersten Studien daher erst ab etwa 2030
mit relevanten Endenergiebeiträgen strombasierter Kraftstoffe.
Während manche Autoren auch in der langen Frist skeptisch sind gegenüber den Nutzungs-
potenzialen von strombasierten Kraftstoffen (z.B. Prognos/EWI/GWS 2014), sehen einzelne
Technologie- und Klimaschutzszenarien (z.B. DLR/IFEU/LBST/DBFZ 2014; Öko-Institut 2013) hier
erhebliche Möglichkeiten zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors. Manche setzen dabei
vorrangig auf Wasserstoff (z.B. Nitsch 2015; Fraunhofer ISE 2013), andere auch auf Methan
(DLR/IFEU/LBST/DBFZ 2014) oder Flüssigkraftstoff (Öko-Institut 2013).
Wechselwirkungen zwischen Strom- und Verkehrssektor
Während sich die direkte Stromnutzung in Form der Elektromobilität durch eine hohe Energieeffi-
zienz auszeichnet, geht die Herstellung strombasierter Kraftstoffe mit großen Umwandlungs-
verlusten einher. In Szenarien, die relevante Beiträge strombasierter Kraftstoffe unterstellen,
ergibt sich daher auch ein hoher Strombedarf zur Produktion derselben. Der dadurch induzierte
Stromverbrauch wird nur in einem Teil der Studien ausgewiesen und dem Verkehr zugerechnet.
Die folgende Abbildung gibt einen Eindruck vom möglichen Strombedarf des Verkehrs unter
Berücksichtigung der Produktion strombasierter Kraftstoffe:
Fo
rsch
un
gs
rad
ar
En
erg
iew
en
de
www.forschungsradar.de November 2015 | Seite 11
Metaanalyse: Energiewende im Verkehr
Wenn sich strombasierte Energieträger im Verkehr etablieren, hätte das also weitreichende
Folgen. Der Verkehr würde zu einem großen Stromverbraucher, der die Bereitstellung erheblicher
zusätzlicher Strommengen aus Erneuerbaren Energien erfordern würde. Allerdings würde die
stärkere Verflechtung von Verkehrs- und Stromsektor auch große Chancen für die Integration der
fluktuierenden Erzeugung aus Solar- und Windenergie bergen. Sowohl die Elektromobilität mit
ihren Batteriespeichern, als auch die Elektrolyseanlagen der Power-to-X-Produktion und die
Infrastruktur zur Speicherung von Gas und Öl könnten ein erhebliches Lastmanagementpotenzial,
Speicherkapazitäten und Systemdienstleistungen für den Stromsektor bereitstellen.
Fundamental für das Gelingen der Energiewende bzw. des Klimaschutzes wäre, dass die zusätz-
lich benötigten Strommengen aus Erneuerbaren Energien stammen. Würde stattdessen auf Kohle
gesetzt, wäre für den Klimaschutz nichts gewonnen gegenüber einer auf Erdöl basierenden
Energieversorgung im Verkehr.
Fazit
Die Metaanalyse verdeutlicht, dass Klimaschutz und Energiewende im Verkehr bisher
vernachlässigt sind. Die kurzfristigen Ziele der Bundesregierung zu Einsparungen beim Energie-
verbrauch und den Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor erscheinen aus heutiger Sicht
kaum noch erreichbar. Für eine Trendwende sind umfangreiche verkehrs- und energiepolitische
Maßnahmen sowie technologische Veränderungen erforderlich. Wie Verkehr vermieden bzw. auf
umweltfreundliche Verkehrsträger verlagert werden kann, muss stärker in den Blickpunkt
gelangen, ebenso wie die Frage nach alternativen Antrieben und Kraftstoffen.
Fo
rsch
un
gs
rad
ar
En
erg
iew
en
de
www.forschungsradar.de November 2015 | Seite 12
Metaanalyse: Energiewende im Verkehr
Die in den verschiedenen Studien betrachteten alternativen Antriebstechnologien und Kraftstoffe
können wichtige Lösungsbestandteile für einen klimafreundlichen Verkehr sein, ihr tatsächliches
Potenzial hängt jedoch von der weiteren technischen Entwicklung ab. Die Elektromobilität gilt
dabei als äußerst energieeffizient und unter Einsatz Erneuerbarer Energien als besonders
klimafreundlich. Sie kann aus heutiger Sicht jedoch nicht alle Verkehrsbereiche abdecken. Vor
allem bei der Luft- und Schifffahrt gilt ihr Einsatz derzeit als unwahrscheinlich, aber auch im
Straßengüterverkehr bestehen noch Fragezeichen. Insbesondere auf langen Strecken wären
Oberleitungssysteme eine potenzielle Lösung, deren Umsetzung jedoch noch nicht absehbar ist.
Biokraftstoffe können auch in Luft- und Schifffahrt sowie im Güterverkehr eingesetzt werden, aus
Gründen der Nachhaltigkeit jedoch nur in einem sehr begrenzten Umfang. Eine Alternative wären
strombasierte Kraftstoffe (Power-to-Gas, Power-to-Liquid). Bei Nutzung von Strom aus
Erneuerbaren Energien wären sie ebenfalls klimafreundlich, jedoch benötigt ihre Herstellung
aufgrund hoher Umwandlungsverluste derzeit noch sehr viel Energie, was ihre Wirtschaftlichkeit
und Umweltfreundlichkeit von technologischen Fortschritten abhängig macht. Die für den Verkehr
potenziell benötigten Strommengen werden den Stromsektor vor zusätzliche Herausforderungen
stellen, bieten aber gleichzeitig große Chancen für die optimale Nutzung von Wind- und
Solarenergie.
Ausgewertete Literatur und Erläuterungen
Die folgenden 14 Veröffentlichungen wurden auf Aussagen zur Entwicklung der
Energieversorgung des Verkehrs im Kontext der Energiewende ausgewertet:
Deutsches Biomasseforschungszentrum gGmbH (DBFZ) et al. (2015): Meilensteine 2030.
Elemente und Meilensteine für die Entwicklung einer tragfähigen und nachhaltigen
Bioenergiestrategie
Die im Rahmen des Förderprogramms "Energetische Biomassenutzung" erstellte Studie zeigt
Elemente und Meilensteine für die Entwicklung einer tragfähigen und nachhaltigen Bioenergie-
strategie. Ziel des Vorhabens ist es, die zukünftige Relevanz verschiedener Technologieoptionen
und deren ökologischen und ökonomischen Gesamteffekte abzuschätzen, um daraus Maßnahmen
und Strategien abzuleiten. In vier Extremszenarien mit unterschiedlichen Versorgungsprioritäten
werden verschiedene Entwicklungspfade der Bioenergie in Deutschland bis zum Jahr 2050
simuliert. Biomasse wird dabei einmal vorrangig zur Kraftstoffbereitstellung und einmal zur
Strom-Wärme-Bereitstellung genutzt. Zusätzlich werden unterschiedliche Anforderungen im
Hinblick auf Flächenverbrauch, Einfluss auf Biodiversität, Treibhausgase etc. modelliert. Die
vorliegende Metaanalyse zeigt das Ergebnis des aus den Einzelszenarien entwickelten
Syntheseszenarios für die Biokraftstoffnutzung.
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) / Fraunhofer Institut für Windenergie
und Energiesystemtechnik (IWES) / Ingenieurbüro für neue Energien (IfnE) (2012):
Langfristszenarien und Strategien für den Ausbau der erneuerbaren Energien in
Deutschland bei Berücksichtigung der Entwicklung in Europa und global
Die Studie stellt Ergebnisse von systemanalytischen Untersuchungen der Transformation in der
Strom-, Wärme- und Kraftstofferzeugung dar, die im Rahmen eines dreijährigen Forschungs-
vorhabens für das Bundesumweltministerium erarbeitet wurden. Dabei bauen die Arbeiten auf
den in den vorangegangenen Jahren durchgeführten Projekten auf. In vier Zielszenarien, die von
einer Reduzierung der Treibhausgasemissionen von 80 % bis 2050 bzw. 95 % bis 2060 ausgehen,
werden mögliche Entwicklungspfade des langfristigen Ausbaus der Erneuerbaren Energien und
Fo
rsch
un
gs
rad
ar
En
erg
iew
en
de
www.forschungsradar.de November 2015 | Seite 13
Metaanalyse: Energiewende im Verkehr
die strukturellen und ökonomischen Wirkungen aufgezeigt. Die Entwicklungspfade stellen keine
Prognose dar, sondern sind als in sich konsistente Wege zur Erreichung der Energie- und
Klimaschutzziele zu verstehen.
Vorrangig orientieren sich die Szenarien am 80 %-Treibhausgasminderungsziel bis 2050, erfüllen
dabei aber auch weitgehend die Unterziele in Bezug auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien,
die Steigerung der Energieeffizienz sowie des KWK-Anteils bis 2020. Das Szenario 2011 THG95
gibt zudem einen Ausblick auf die Maßnahmen, die erforderlich wären, um die obere Grenze der
Treibhausgasminderungsziele (-95 %) zu erreichen. Demnach wäre in allen Nutzungsbereichen
die annähernde Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien erforderlich.
DLR/ifeu/Ludwig-Bölkow-Systemtechnik (LBST)/DBFZ (2014): Power-to-Gas (PtG) im
Verkehr. Aktueller Stand und Entwicklungsperspektiven
Die Kurzstudie dient der Beratung des Bundesverkehrsministeriums und ist Teil eines größeren
Forschungsauftrags mit Fokus auf Kraftstoffen und Antriebstechnologien. Sie modelliert drei
Szenarien zur Entwicklung des Straßenverkehrs und der Binnenschifffahrt bis zum Jahr 2050, in
denen sie den möglichen Einsatz von Power-to-Gas im Verkehr untersucht. Betrachtet werden das
potenzielle Ausmaß der Kraftstofferzeugung mithilfe von elektrischem Strom, die Auswirkungen
auf die Stromerzeugung sowie die Klima- und Umweltwirkungen. Auf Basis aktueller Verkehrs-
prognosen trifft die Studie unter anderem Aussagen zur Aufteilung der Fahrleistung auf die
verschiedenen Verkehrsträger, zum Endenergieverbrauch, zum Strombedarf für die Kraftstoff-
produktion und den damit verbundenen Treibhausgasemissionen.
DLR/ifeu/LBST/DBFZ (2015): Erneuerbare Energien im Verkehr. Potenziale und
Entwicklungsperspektiven verschiedener erneuerbarer Energieträger und
Energieverbrauch der Verkehrsträger
Die Studie untersucht im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums technische Potenziale
verschiedener erneuerbarer Energieträger (Biokraftstoffe, verschiedene strombasierte Kraftstoffe
und Elektromobilität auf Basis von Erneuerbaren Energien) für den Einsatz im Verkehr und stellt
sie Szenarien zum Energieverbrauch des Verkehrssektors bis zum Jahr 2050 gegenüber. Die
Ergebnisse sollen ein erstes umfassendes Bild vom möglichen Energieverbrauch des Verkehrs
laut Verkehrsprognosen und den Potenzialen geeigneter erneuerbarer Energieträger geben.
Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE (2013): Energiesystem Deutschland
2050. Sektor- und Energieträgerübergreifende, modellbasierte, ganzheitliche
Untersuchung zur langfristigen Reduktion energiebedingter CO2-Emissionen durch
Energieeffizienz und den Einsatz Erneuerbarer Energien
Mithilfe einer Modellanalyse skizziert das Fraunhofer ISE, wie ein kostenoptimales Energiesystem
aussehen könnte, das die energiebedingten CO2-Emissionen bis 2050 um mindestens 80 Prozent
senken würde. Das Modell umfasst die Steigerung der Energieeffizienz und den Einsatz
Erneuerbarer Energien in den Sektoren Strom, Wärme, Mobilität sowie Prozesse aus Gewerbe und
Industrie.
Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) (2014):
Geschäftsmodell Energiewende. Eine Antwort auf das „Die-Kosten-der-Energiewende“-
Argument
Die Autoren greifen die Diskussion um die Kosten der Energiewende auf und vergleichen sie mit
den möglichen Erlösen. Dafür stellen sie den Investitionen in neue kapitalkostenintensive Energie-
technologien die vermiedenen Kosten für fossile Brennstoffe der alten betriebskostenintensiven
Fo
rsch
un
gs
rad
ar
En
erg
iew
en
de
www.forschungsradar.de November 2015 | Seite 14
Metaanalyse: Energiewende im Verkehr
Infrastruktur gegenüber. Im Ergebnis sei die Finanzierbarkeit des Gesamtprojekts Energiewende
auch unter konservativen Annahmen (d.h. ohne im Vergleich zum Niveau des Jahres 2011
steigende Brennstoffpreise und ohne Berücksichtigung von CO2-Schadenskosten) möglich.
Unterstelle man steigende Brennstoffpreise entsprechend der Preisszenarien des Netzentwick-
lungsplans Strom 2014 (BNetzA 2013) sowie des Klimaschutzszenarios von Öko-Institut/
Fraunhofer ISI 2013, ergebe sich bis 2050 sogar eine Verzinsung der notwendigen Investitionen
von 4,0 bis 6,7 Prozent. Die Energiewende sei also ein risikoarmes Investitionsvorhaben mit
positiver Gewinnerwartung. Auch eine erneuerbare Vollversorgung sei wirtschaftlich darstellbar.
Das Kostenargument solle im Kontext klimapolitischer Entscheidungen korrigiert werden auf die
Bilanzierung des Gesamtgeschäfts mit Kosten und Erlösen. Für den Verkehr relevant sind der
sehr hohe Anteil der Elektromobilität und die unterstellte Steigerung der Energieeffizienz.
Nitsch, Joachim (2015): SZEN-15. Aktuelle Szenarien der deutschen Energieversorgung
unter Berücksichtigung der Eckdaten des Jahres 2014
Die für den Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. erstellte Kurzexpertise modelliert zwei
Hauptszenarien zur möglichen Entwicklung der Energieversorgung für Strom, Wärme und
Mobilität in Deutschland. Im Szenario SZEN-15 „Korridor“ setzt sie sich mit der Frage
auseinander, wie sich die EEG-Novelle mit den vorgegebenen Ausbaukorridoren für die Strom-
erzeugung aus Erneuerbaren Energien, der aktuelle Nationale Aktionsplan Energieeffizienz
(NAPE) und das Aktionsprogramm Klimaschutz auswirken könnten. Das Szenario SZEN-15 „100“
zeigt demgegenüber, wie ein im Sinne eines wirksamen Klimaschutzes erfolgreicher Umbau der
Energieversorgung aussehen könnte. Hier würden die Treibhausgasminderungsziele des Energie-
konzepts mit einer Kombination von Effizienzsteigerungen und Ausbau der Erneuerbaren
Energien in allen Sektoren erreicht. Langfristig könne so auch das obere Treibhausgas-
minderungsziel von -95 % verwirklicht werden, wozu eine nahezu 100 % erneuerbare
Energieversorgung erforderlich sei.
Öko-Institut (2014): eMobil 2050. Szenarien zum möglichen Beitrag des elektrischen
Verkehrs zum langfristigen Klimaschutz
Die mit Unterstützung des Bundesumweltministeriums durchgeführte Studie beleuchtet anhand
einer Szenarienanalyse einen möglichen Durchbruch der Elektromobilität und die damit
verbundenen Wechselwirkungen zwischen Verkehrssektor und Energiewirtschaft. Im Szenario
„Grenzenlos eMobil“ werden ein weiteres Wachstum der Verkehrsnachfrage im Personen- und
Güterverkehr und keine großen Veränderungen im Modal Split unterstellt. Der Ausstoß an
Treibhausgasen wird hier vor allem durch starke Effizienzsteigerung und eine hohe
Marktdurchdringung mit Elektrofahrzeugen (inklusive Oberleitungen im Straßengüterverkehr)
erreicht. Das Szenario „Regional eMobil“ nimmt hingegen eine stärkere Änderung im Verhalten an,
sodass sich die Verkehrsmittelwahl zugunsten des öffentlichen Verkehrs verändert und sich die
Verkehrsleistung reduziert.
Öko-Institut/Fraunhofer ISI (2014): Klimaschutzszenario 2050. 1. Modellierungsrunde
Im Auftrag des Bundesumweltministeriums analysiert die Studie für den Zeithorizont bis 2050
Szenarien mit verschiedenen klimapolitischen Zielsetzungen. Sie geht der Frage nach, welche
Emissionsminderung bei Fortschreibung der aktuellen Energie- und Klimapolitik erreicht werden
könnte, und welche Maßnahmen notwendig wären für 80 bis 90 Prozent Treibhausgasminderung.
Überdies werden Kosten-Nutzen-Relationen für die Verbraucher und die Volkswirtschaft
analysiert. Die ökonomische Analyse ergebe, dass die Kombination aus Effizienzpolitik, nahezu
Fo
rsch
un
gs
rad
ar
En
erg
iew
en
de
www.forschungsradar.de November 2015 | Seite 15
Metaanalyse: Energiewende im Verkehr
100 Prozent Strom aus Erneuerbaren Energien plus Produktinnovation eine No-regret-Strategie
darstelle, die sich langfristig auszahle. Es sei Aufgabe der Politik, Innovations- und
Investitionsanreize zu setzen, um eine solche Entwicklung voranzutreiben. Eine Aktualisierung der
Szenarien ist für 2015 und 2016 geplant. Hierfür ist eine Verringerung der unterstellten
Biokraftstoffmengen angekündigt.
Öko-Institut/IEK-STE/DIW/Fraunhofer ISI (2013): Politikszenarien für den Klimaschutz VI
Die im Auftrag des Umweltbundesamts erstellte Studie modelliert die Entwicklung der deutschen
Treibhausgasemissionen bis 2030 unter Zugrundelegung bestimmter energie- und klimapoli-
tischer Instrumente. Das „Aktuelle-Politik-Szenario“ berücksichtigt dabei alle Maßnahmen, die bis
Juli 2011 ergriffen wurden. Darüber hinausgehende zusätzliche Maßnahmen werden im „Energie-
wende-Szenario“ berücksichtigt. Die in der Studie enthaltenen verkehrsrelevanten Werte sind
nicht in den Abbildungen der Metaanalyse enthalten, da sie ähnliche Aussagen liefern wie die
anderen ausgewerteten Studien des Öko-Instituts (eMobil 2050; Klimaschutzszenario 2050;
Treibhausgasneutraler Verkehr).
Öko-Institut (2013): Treibhausgasneutraler Verkehr 2050: Ein Szenario zur zunehmenden
Elektrifizierung und dem Einsatz stromerzeugter Kraftstoffe im Verkehr
Bei dem Dokument handelt es sich um den Abschlussbericht zu einem vom Umweltbundesamt
(UBA) beauftragten Forschungsvorhaben im Kontext des Projekts „Treibhausgasneutrales
Deutschland“. Die Ergebnisse stellen die Grundlage dar für die gleichnamige Veröffentlichung des
UBA aus dem Jahr 2014. Ein „Basisszenario“ schätzt zunächst ab, wie sich Endenergiebedarf und
Treibhausgasausstoß des deutschen Verkehrssektors ohne politische Eingriffe voraussichtlich
entwickeln würden. Dem steht ein Zielszenario („Hauptszenario“) gegenüber, das neben dem
Einsatz von elektrischen Antrieben vor allem stromerzeugte Flüssigkraftstoffe vorsieht. Der
Einsatz von Biokraftstoffen ist in diesem Szenario hingegen nicht vorgesehen. Unter der
Voraussetzung einer vollständig auf Erneuerbaren Energien basierenden Stromerzeugung würde
dadurch ein nahezu treibhausgasneutraler Verkehrssektor erreicht werden.
Prognos/EWI/GWS (2014): Entwicklung der Energiemärkte - Energiereferenzprognose
Die Studie beschreibt im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums die wahrscheinliche
energiewirtschaftliche Entwicklung in Deutschland bis zum Jahr 2030 (Referenzprognose),
ergänzt um ein Trendszenario bis zum Jahr 2050. Sie trifft Aussagen zur Entwicklung des
Endenergieverbrauchs in den verschiedenen Sektoren, den Treibhausgasemissionen und der
Erneuerbaren Energien. Dabei berücksichtigt die Referenzprognose bereits eine weitere
Verschärfung der Energie- und Klimaschutzpolitik. Die Ergebnisse zeigen, dass die energie- und
klimapolitischen Ziele der Bundesregierung voraussichtlich nicht erreicht werden.
Ergänzend zeigt ein Zielszenario, was erforderlich wäre, um die von der Bundesregierung im
Energiekonzept definierten Ziele zu erreichen. Es unterstellt, dass den energie- und klima-
politischen Zielen in Deutschland Vorrang eingeräumt wird und bestehende Hemmnisse mithilfe
politischer Maßnahmen überwunden werden können. Wichtige Rollen spielen demnach die
Steigerung der Energieeffizienz, neue und weiterentwickelte Technologien sowie die Reduktion
der Erzeugung aus CO2-intensiven Kraftwerken. Auch die gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen
werden analysiert. Unter den aktuellen Rahmenbedingungen erachteten die Autoren dieses
Szenario jedoch als unwahrscheinlich.
Fo
rsch
un
gs
rad
ar
En
erg
iew
en
de
www.forschungsradar.de November 2015 | Seite 16
Metaanalyse: Energiewende im Verkehr
UBA (2014): Treibhausgasneutrales Deutschland 2050
Ziel der Studie ist es, eine technisch machbare Möglichkeit aufzuzeigen, wie die Treibhausgas-
emissionen in Deutschland bis 2050 um 95 Prozent reduziert werden können. Das betrachtete
Zielszenario geht daher davon aus, dass die Stromversorgung in 2050 zu 100 % aus erneuerbaren
Energiequellen erfolgt und Effizienzpotenziale ausgeschöpft werden.
Im Hinblick auf den Verkehr basiert die Studie auf den Erkenntnissen von Öko-Institut (2013). Die
in den Abbildungen der Metaanalyse erfassten Aussagen stammen daher aus der Studie des Öko-
Instituts, gelten aber quasi gleichermaßen für UBA (2014). Die demnach erforderlichen
Maßnahmen zur Erreichung des Klimaschutzziels im Bereich Verkehr umfassen insbesondere
ökonomische und ordnungsrechtliche Instrumente wie eine höhere Kraftstoffsteuer, die
Ausweitung der Lkw-Maut, ein Abbau der Subventionen im Luftverkehr, verschärfte Grenzwerte
und die Einrichtung von Umweltzonen. Eine Verkehrsverlagerung auf Fuß, Rad und Schiene sei
notwendig.
World Wide Fund for Nature (WWF) / Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
(BUND) / Germanwatch / Naturschutzbund Deutschland (NABU) / Verkehrsclub
Deutschland (VCD) (2014): Klimafreundlicher Verkehr in Deutschland. Weichenstellungen
bis 2050
Die Studie beinhaltet ein mit wissenschaftlicher Unterstützung durch das Öko-Institut erarbeitetes
Klimaschutzkonzept verschiedener Umweltverbände für den Verkehr. Es zeigt einen Weg auf, wie
sich die Treibhausgasemissionen im deutschen Verkehrssektor bis 2050 um 95 % reduzieren
lassen könnten. Neben technischen Maßnahmen zur Verringerung des Energiebedarfs müssen
demnach im Personen- und im Güterverkehr vor allem Maßnahmen zur Verkehrsvermeidung und
-verlagerung auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel ergriffen werden. So ließen sich der
Endenergiebedarf des Verkehrssektors und die Treibhausgasemissionen des Verkehrs stark
reduzieren. Neben Strom aus Erneuerbaren Energien müssten auch Gas- und Flüssigkraftstoffe
auf regenerativer Basis eingesetzt werden. Ob und wie diese unter anspruchsvollen
Nachhaltigkeitsanforderungen verfügbar gemacht werden können, sei heute noch ungewiss.
Bearbeiter:
Matthias Runkel (Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft) / Alexander Mahler (Forum
Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft) / Claudia Kunz (Agentur für Erneuerbare Energien)
Weitere Informationen und Grafiken finden Sie im Forschungsradar Energiewende:
www.forschungsradar.de.
Kontakt:
Agentur für Erneuerbare Energien e.V.
Claudia Kunz
Projektleiterin Forschungsradar Energiewende
Tel: 030-200535-43
E-Mail: [email protected]
www.unendlich-viel-energie.de
Top Related