Download - Riesenandrang vor dem stilvoll von uniformierten ... · Jerry Katzenbach stellt „Der Psychiater“ (Droemer, 576 Seiten, 19.99 Euro) heute um 20 Uhr im Amerikahaus (Karolinenplatz

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Page 1: Riesenandrang vor dem stilvoll von uniformierten ... · Jerry Katzenbach stellt „Der Psychiater“ (Droemer, 576 Seiten, 19.99 Euro) heute um 20 Uhr im Amerikahaus (Karolinenplatz

19ABENDZEITUNG MONTAG, 20. 4. 2015 WWW.AZ-MUENCHEN.DE KULTUR

Ein Stück Stoff

Die erste öffentlicheAusstellung des Turi-ner Grabtuchs seit

mehr als fünf Jahren ist mit ei-ner Messe offiziell eröffnetworden. Im Gottesdienst mitdem Erzbischof von Turin,Cesare Nosiglia, wurde dieIkone am Sonntagmorgen fei-erlich enthüllt. Bis zum 24.Juni können Besucher im Domder italienischen Metropoledas Grabtuch bewundern. DieStadt erwartet mehr als eineMillion Besucher, TausendeFreiwillige sind im Einsatz.

„La sacra Sindone“, wie dieIkone auf Italienisch genanntwird, wurde zuletzt 2010 aus-gestellt. Der Stoff wird vonvielen Gläubigen verehrt,sie halten ihn für das Tuch,mit dem Jesus nach seinerKreuzigung begraben wurde.Allerdings gibt es Zweifelan seiner Authentizität.

Papst Franziskus will dasberühmte Stück Stoff am 21.Juni, kurz vor Ende der Aus-stellung, besuchen. „Ich wün-sche mir, dass dieser Akt derVerehrung uns allen hilft, Je-sus zu finden, das barmherzi-ge Antlitz Gottes, und es inden Gesichtern der Brüderwiederzuerkennen“, sagt er.Riesenandrang vor dem stilvoll von uniformierten Carabinieri bewachten Grabtuch im Dom von Turin. Foto: dpa

„Ich bin besessenvon Psychologie“

Mit Verbrechen sowieihrer juristischen undpsychologischen Auf-

arbeitung kennt sich John Kat-zenbach bestens aus. Der ehe-malige Gerichtsreporter istSohn einer Psychoanalytikerinund eines hochrangigen An-walts. Katzenbachs Bücherwurden in mehr als 20 Ländernveröffentlicht – allein imdeutschsprachigen Raum liegtdie Auflage bei mehr als 2,5Millionen Exemplaren. Be-kannt wurde der 64jährige mitThrillern wie „Die Anstalt“ und„Der Patient“. Etliche seinerRomane wurden verfilmt – mitStars wie Kurt Russell, SeanConnery, Colin Farrell oderBruce Willis. Soeben ist Kat-zenbachs 13. Roman „Der Psy-chiater“ (Droemer) erschienen.

AZ: Herr Katzenbach, in Ihremneuen Roman werden mehre-re Psychiater ermordet. Istdiese Berufsgruppe tatsächlichbesonders gefährdet?JOHN KATZENBACH: Es bestehtdurchaus ein spezielles Risiko.In ihrem Berufsalltag beschäf-tigen sich Psychiater mit star-ken Gefühlen – aus Hass undEifersucht kann Gewalt entste-hen. Normalerweise richtendiese Emotionen keinen Scha-den an, und von einem realenMordfall weiß ich zum Glücknichts. Aber es ist nicht auszu-schließen, dass sich die Wut imEinzelfall auch gegen den The-rapeuten richten könnte.Also ist die Handlung von „DerPsychiater“ frei erfunden?Nicht ganz. Ein Haufen be-freundeter Seelenklempner in-spirierte mich. Wir waren aufeinem gemütlichen Angeltrip,auch wenn wir uns eher alscoole Typen sehen, die Bären inAlaska jagen. Einige von ihnenerinnerten sich daran, wie

angstbesetzt und stressig dasStudienjahr war, in dem sie inder Psychiatrie arbeiten muss-ten. Sofort entstand in meinemKopf die Ausgangssituation ei-nes Plots: Ein psychotischerStudent, der sich viele Jahrespäter an seinen Kommilitonenund einem Professor rächt.

Warum reizt Sie das ThemaRache?Rache scheint zunächst einganz einfaches Motiv zu sein.Sie dominiert unseren Alltag,sei es gegenüber unserem ner-vigen Chef oder dem Typen,der über uns wohnt und viel zulaut Acid Rock hört. Es gibt ge-nauso viele Gründe für Rachewie es Ungerechtigkeiten inder Welt gibt. Aber wenn sichjemand wirklich von seinenRachegelüsten leiten lässt,wird es kompliziert. Gesetzewerden gebrochen, Menschenwird Schaden zugefügt.In Ihrem Roman heißt es:„Mord und Sucht haben etwasgemeinsam“. Was genau?In beiden Fällen geht es umTod. In einer Drogenabhängig-keit versuchen wir, uns selbstzu töten – bei Mord ist das Zieleine andere Person. MeineHauptfigur Timothy formuliert

die Gemeinsamkeiten noch de-taillierter: Bei Mord und Suchtmuss man irgendwann ein Ge-ständnis ablegen. Ich bin Mör-der, ich bin suchtkrank. Und inbeiden Fällen muss man sicheiner übergeordneten Instanzbeugen. Der Mörder dem Ge-setz, der Drogen- oder Alkohol-abhängige Gott oder einem an-deren höheren Wesen.Zwei Ihrer Hauptfiguren ver-üben Selbstjustiz. Halten Siedas für gerechtfertigt?Das Prinzip der Selbstjustiz istkomplexer als man denkt undlässt sich nicht nur nach demgeltenden Gesetz beurteilen.Jeder Mensch hat ein eigenesVerständnis von Gerechtigkeit,wohingegen das Justizsystemversucht, auf umfassende Sach-verhalte einfache Antwortenzu geben: „Hat der Angeklagtedie Tat begangen? Wenn ja, wielautet das Strafmaß?“ Diesesimple Konsequenz ist jedochdas Gegenteil von Gerechtig-keit.Jetzt klingen Sie wie ein selbst-kritischer Jurist.Ich bin aber ein Schriftsteller,der für emotionale Fragen undpsychologische Antwortenbrennt. Die Vielschichtigkeitund Tiefe menschlichen Ver-haltens auszuloten, treibt michan und liefert den Hintergrundfür jedes einzelne Wort, das ichschreibe.Warum ist das bei Ihnen so?Ich bin besessen von diesemThema. Psychologie ist die Vo-raussetzung für spannende Ge-schichten und überzeugendeProtagonisten. Ich muss tief indie Psyche meiner Figuren ein-tauchen, um diese realistischzu beschreiben. Nur wenn de-ren Ängste und Belastungen fürmeine Leser nachvollziehbarsind, werden sie authentischund lebendig und eignen sichals Identifikationsfiguren. Aufdiese Weise kann ich die Span-nung in meinen Romanen auf-bauen. An meiner Leidenschafthat aber wohl auch meine Mut-ter einen großen Anteil.Inwiefern?Sie hat lange als Psychoanalyti-

kerin gearbeitet und mich zueinem meiner erfolgreichstenRomane inspiriert, „Die An-stalt“. Darin schreibe ich überdie Erinnerungen eines Man-nes, der gegen seinen Willen ineine psychiatrische Anstalt ge-sperrt wurde. Noch 20 Jahrespäter leidet er unter denfurchtbaren Dingen, die dortpassierten.Wovor haben Sie persönlicham meisten Angst?Eines Tages aufzuwachen undkeine Geschichte mehr erzäh-len zu können. Das war auchimmer die Erklärung für ErnestHemingways letzten Spazier-gang mit seiner Flinte. Und erist nur einer von vielen mitähnlichem Schicksal.Sie haben einen Deutsch klin-genden Namen – wie kommtdas?Die Familie meines Vatersstammt aus Deutschland. Siewanderte vor dem Unabhän-gigkeitskrieg in die USA ein. ImJahr 1776 half einer meinerVorfahren George Washingtonin der Schlacht von Princeton.Mittlerweile weiß ich auch,dass es in Deutschland einekleine Gemeinde namens Kat-zenbach in Rheinland-Pfalzgibt. Sie hat zwar nichts mitmeiner Familie zu tun, aber ichmöchte unbedingt einmaldorthin.Vor Ihrer Karriere als Schrift-steller haben Sie als Gerichts-reporter in Miami gearbeitet.Welcher Ihrer damaligen Fällehat Sie am meisten beschäf-tigt?Es waren Dutzende: Serien-und Selbstmorde, Verbrechenvon Drogenbaronen. Mir kames oft so vor, als ginge ich nichtins Gericht, sondern ins Thea-ter. Eines, in dem ich jeden Tagetwas Einzigartiges auf derBühne des Lebens zu sehen be-komme.

Günter Keil, Andrea Tholl

Jerry Katzenbach stellt„Der Psychiater“ (Droemer,576 Seiten, 19.99 Euro) heuteum 20 Uhr im Amerikahaus(Karolinenplatz 3) vor

US-BestsellerautorJohn Katzenbach stelltseinen neuen Thriller„Der Psychiater“ heuteim Amerikahaus vor

INTERVIEWmitJohn Katzenbach

Der 64-jährige Autor warursprünglich Gerichtsrepor-ter für den „Miami Herald“und die „Miami News“

Waldmöpsefür Loriot

Sie schnüffeln, liegen, sit-zen: Bronzene gehörnteWaldmöpse bilden das

„Waldmopszentrum“ in Bran-denburg/Havel. Die Geburts-stadt Loriots setzt damit ihremEhrenbürger Vicco von Bülow(1923 - 2011) ein Denkmal, dassich an seinen Sketch über den„Wilden Waldmops“ anlehnt.

Am Samstag eröffnete derVorsitzende des KulturvereinsBrandenburg, AußenministerFrank-Walter Steinmeier(SPD), die Kunst-Installationanlässlich der Bundesgarten-schau in der Havelregion. AuchStuttgart, wo der Humorist zurSchule ging, hat ein Denkmal:Dort thront auf einer Loriot-Gedächtnissäule ein Bronze-

Mops. Die Anlage in Branden-burg besteht aus einem Rudelgehörnter Bronze-Waldmöpse,einem Sockel mit den Fußab-drücken Loriots und Informati-onstafeln. Acht Bronzefigurenwaren ursprünglich geplant,sechs weitere wurden gestiftet.Sie sollen nach und nach gefer-tigt und aufgestellt werden.„Ich bin schon dabei, die nächs-ten Objekte zu modellieren“,berichtete die Berliner Künstle-rin Clara Walter. Sie hatte sichin einem Wettbewerb durchge-setzt und die Plastiken inHandarbeit geschaffen.

Von Loriot stammt der Satz:„Ein Leben ohne Mops ist mög-lich, aber sinnlos.“ In seinemSketch hatte er einst über den„Wilden Waldmops“ referiert,der ein kleines Geweih trageund vereinzelt in unbewohn-ten Waldungen Nordschwe-dens lebe.

Marion van der Kraats

Loriots Geburtsstadtehrt den großenHumoristenangemessen

Die Berliner Künstlerin Clara Walter arbeitet an einem „Waldmops“ für Lo-riots Geburtsstadt Brandenburg/Havel. Fotos: dpa

Hoch das Bein: Die Skulptur eines „Wilden Waldmopses“.