Skript zum Modul MA-CH-BOC 07 „Umwelt- und Radiochemie“ Seminarskript – Spektroskopische Bestimmung der Speziation von Schwermetallen
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Skript zum Masterpraktikum Radiochemie
Modul: Spektroskopie
Spektroskopische Bestimmung der Speziation von Schwermetallen
Stand: Sommersemester 2011
Fakultät Mathematik/Naturwissenschaften Fachbereich Chemie/Lebensmittelchemie
Professur für Radiochemie
Skript zum Modul MA-CH-BOC 07 „Umwelt- und Radiochemie“ Seminarskript – Spektroskopische Bestimmung der Speziation von Schwermetallen
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Gliederung:
1. Speziation
1.1. Begriffserklärung und Bedeutung der Speziation
1.2. Einflussfaktoren und wichtige Auswirkungen auf die
Speziation von Metallionen am Beispiel von Uran(VI) und
Europium(III)
1.3. Möglichkeiten zur Speziationsbestimmung
2. Spektroskopische Bestimmungsmethoden
2.1. UV-Vis Absorptionsspektroskopie
2.2. ATR-FT Infrarotspektroskopie
2.3. Laserfluoreszenzspektroskopie
2.4. Vergleich der Methoden
1. Speziation
1.1. Begriffserklärung und Bedeutung der Speziation
Speziation oder Speziesverteilung bezeichnet das simultane Auftreten
verschiedener miteinander im Reaktionsgleichgewicht stehender
chemischer Bindungsformen eines Elementes. Ein typisches Beispiel
für solche Spezies sind die in Abhängigkeit vom pH-Wert auftretenden
verschiedenen Dissoziationsstufen von Säuren und Basen. Weitere
Beispiele für Speziation sind die in wässrigen Lösungen unter
bestimmten Bedingungen existierenden Komplexe oder Oxidationsstufen
des gleichen Elementes.
Durch ihre unterschiedlichen physikalischen und chemischen
Eigenschaften haben die diversen Spezies eines Elementes einen
wesentlichen Einfluss auf die Reaktivität einer Lösung oder deren
chemisches Verhalten. Die Speziation bildet damit eine wichtige
Grundlage zur Beurteilung des geochemischen Verhaltens von Metall-
ionen in der Umwelt und beeinflusst z. B. Migrations- und Sorptions-
prozesse im Untergrund. Auch die Bioverfügbarkeit von
Pflanzennährstoffen hängt von der vorliegenden Speziesverteilung ab,
ebenso die Aufnahmefähigkeit von Pharmaka oder die Toxizität von
Substanzen.
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1.2. Einflussfaktoren und wichtige Auswirkungen auf die Speziation
von Metallionen am Beispiel von Uran(VI) und Europium(III)
Wichtig für die chemische Bindungsform(en) von Metallionen in
wässrigen Systemen sind zum einen ihre chemischen Eigenschaften wie
Löslichkeit, Oxidationsstufe und Redoxpotential, zum anderen ihr
Komplexbildungsverhalten und ihre Fähigkeit zur Sorption oder
Kolloidbildung. Auch die physikochemischen Parameter wie Temperatur,
Druck, Konzentration, pH-Wert und Ionenstärke der Lösung haben einen
großen Einfluss.
Die Auswirkungen dieser Faktoren auf die Speziation der Metallionen
sind vielschichtig und komplex. Oft resultiert aus der Änderung
eines einzelnen Parameters eine Vielzahl sich bedingender Effekte.
So wird zum Beispiel durch die Oxidation des unlöslichen U(IV) zum
U(VI) die Löslichkeit erhöht und damit das Metall mobilisiert, was
wiederum in einer höheren Bioverfügbarkeit des Urans resultiert.
Andererseits ist die Speziation des Uran(VI)-Kations in wässriger
Lösung (auch als Uranyl oder UO22+ bezeichnet) in Abhängigkeit vom
pH-Wert durch die Bildung von teilweise schwerlöslichen
Uranylhydroxiden geprägt. Die Hydrolyse kann nach folgendem
Reaktionsschema beschrieben werden:
x UO22+ + y H2O
(UO2)x(OH)y(2x-y)+
+ y H+ (1)
Um sich einen Überblick über die vorliegende Speziesverteilung in
einer wässrigen Lösung zu verschaffen, ist es möglich, mit Hilfe von
Speziationsmodellen theoretische Aussagen über die Zusammensetzung
eines Komponentensystems X zu treffen. Sind aufgrund vorher
bestimmter thermodynamischer Gesetzmäßigkeiten die möglichen
Reaktionen und Bindungsformen einer Substanz bekannt, so lassen sich
anhand von Komplexbildungskonstanten, Redoxpotentialen, Aktivitäten
usw. Konzentrationsprofile bei verschiedenen pH-Werten berechnen.
Dies erfolgt unter Einsatz numerischer Verfahren, die ein System von
nichtlinearen Gleichungssystemen unter Verwendung zweistufiger
Iterationen nach ihren Variablen auflösen.
Abbildung 1 zeigt das Speziationsdiagramm einer wässrigen U(VI)-
Lösung über den pH-Bereich 2–10 bei verschiedenen Konzentrationen.
Abb. 1: 10-5 M U(VI) (links) und 10-3 M U(VI) (rechts) in CO2-freier
wässriger Lösung bei I = 0.1 M und T = 25 °C.
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Sp
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rte
ilu
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/ %
pH-Wert
UO2
2+
UO2OH
+
(UO2)
2OH
3+
(UO2)
2(OH)
2
2+
(UO2)
3(OH)
4
2+
(UO2)
3(OH)
5
+
(UO2)
4(OH)
7
+
UO2(OH)
2(aq)
(UO2)
3(OH)
7
-
UO2(OH)
3
-
UO2(OH)
4
2-
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40
60
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100
Sp
ezie
sve
rte
ilu
ng
/ %
pH-Wert
UO2
2+
UO2OH
+
(UO2)
2OH
3+
(UO2)
2(OH)
2
2+
(UO2)
3(OH)
4
2+
(UO2)
3(OH)
5
+
(UO2)
4(OH)
7
+
UO2(OH)
2(aq)
(UO2)
3(OH)
7
-
UO2(OH)
3
-
UO2(OH)
4
2-
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Es wird ersichtlich, dass das freie Uranylkation UO22+ nur bis pH < 5
dominiert. Die Hydrolyse des U(VI) beginnt bereits bei pH > 3.5 und
zwischen pH 5 – 6,5 werden hauptsächlich die polymeren Hydroxo-
komplexe erwartet (v. a. die (3,5)- und ein geringerer Teil der
(4,7)-Spezies). In CO2-freier Lösung können bis zu zehn verschiedene
Hydroxokomplexe auftreten. Die Änderung der U(VI)-Konzentration
bewirkt dabei eine deutliche Verschiebung der auftretenden
Uranylhydroxidspezies.
Actinide zeigen ebenfalls ein ausgeprägtes Komplexierungsverhalten
gegenüber anorganischen und organischen Liganden. Als Beispiel wird
hier die Komplexbildung von Uran(VI) mit Carbonationen betrachtet.
Zur Modellierung der Speziesverteilung wird eine 1 x 10-5 M U(VI)-
Lösung angenommen, welche mit dem Kohlendioxid der Luft im
Gleichgewicht steht. Das CO2 löst sich in Wasser und reagiert zu
Kohlensäure. Diese dissoziiert zu Carbonat- und Hydrogencarbonat-
ionen und komplexiert mit den freien UO22+-Ionen. Die entstehenden
Carbonatkomplexe sind thermodynamisch so stabil, dass sie mit
steigendem pH-Wert sogar die Hydrolysespezies des Urans verdrängen
(Abb. 2).
Abb. 2: 10-5 M U(VI)-Lösung unter Inertgas (links) und unter
normaler Atmosphäre (rechts), I = 0.1 M und T = 25 °C.
Ganz anders stellt sich die Speziesverteilung einer 1 x 10-5 M
Eu(III)-Lösung dar (siehe Abb. 3). Das Eu3+-Ion dominiert die
Verteilung bis pH 7, die Hydrolyse des dreiwertigen Lanthanids
beginnt erst ab pH-Werten > 7. Bei der Europium-Speziation handelt
es sich im Gegensatz zu der des Urans um ein einfaches System, in
dem sich laut Speziationsmodell in CO2-freier Lösung nur vier
Hydroxospezies bilden. Auch eine Erhöhung der Eu(III)-Konzentration
auf 1 x 10-3 M resultiert in keiner signifikanten Veränderung des
Speziationsdiagramms (vgl. Abb. 1 und 3). Darüber hinaus bilden sich
im Gegensatz zum Uran(VI) unter normaler Atmosphäre auch weniger
Carbonatspezies (vgl. Abb. 2 und 3).
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Sp
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sve
rte
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g / %
pH-Wert
UO2
2+
UO2OH
+
(UO2)
2OH
3+
(UO2)
2(OH)
2
2+
(UO2)
3(OH)
4
2+
(UO2)
3(OH)
5
+
(UO2)
4(OH)
7
+
UO2(OH)
2(aq)
(UO2)
3(OH)
7
-
UO2(OH)
3
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UO2(OH)
4
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pH - Wert
UO2
2+
UO2OH
+
(UO2)
2(OH)
2
2+
(UO2)
2OH
3+
UO2CO
3(aq)
UO2(OH)
2(aq)
(UO2)
3(OH)
5
+
(UO2)
3(OH)
4
2+
(UO2)
2CO
3(OH)
3
-
(UO2)
4(OH)
7
+
UO2(OH)
3
-
UO2(CO
3)
2
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UO2(CO
3)
3
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Abb. 3: 10-5 M Eu(III)-Lösung unter Inertgas (links) und unter
normaler Atmosphäre (rechts), I = 0.1 M und T = 25 °C.
1.2. Möglichkeiten der Speziationsbestimmung
Tabelle 1 gibt einen Überblick über eine Auswahl verschiedener
Möglichkeiten, die Speziation eines Metallions zu bestimmen. Dabei
ist ersichtlich, dass der Großteil der Methoden lediglich Aussagen
zu einem Speziationsparameter (wie z.B. der Struktur) liefert. Mit
Hilfe der in diesem Praktikum verwendeten spektroskopischen Methoden
(UV/vis und Fluoreszenz) ist es möglich, zusätzlich zu den
Strukturinformationen auch Komplexbildungskonstanten zu bestimmen,
die wichtige Informationen zur Stöchiometrie und Stärke der
gebildeten Komplexe enthalten.
Tab. 1: Überblick über die Möglichkeiten der Speziationsbestimmung
Methode Untersuchung des/der … Parameter, der
bestimmt wird UV/vis- / Fluoreszenz-
Spektroskopie
Übergänge zwischen
elektronischen Zuständen
Komplexbildungskonstante
(teilweise Struktur)
Schwingungs-
Spektroskopie
Übergänge zwischen
Schwingungszuständen
einzelner Atomgruppen
Struktur einzelner
Atomgruppen, Änderungen
durch Komplexbildung
Potentiometrie Änderung der elektro-
motorischen Kraft
Komplexbildungskonstante,
Summenformel
NMR Umgebung einzelner Atome
(C, H, P, F, N, O) Strukturformel
EXAFS Absorption von
Röntgenstrahlung
Art, Anzahl und Entfernung
von Nachbaratomen
Massenspektrometrie Verhältnisses von Masse zu
Ladung
Summenformel (teilweise
Struktur)
Polarographie/
Voltammetrie
Veränderung des
Elektrolysestroms Komplexbildungskonstante
Chromatographie/
Extraktion
Verteilungskoeffizienten
zwischen 2 Phasen /
Auftrennung von Komponenten
Komplexbildungskonstante,
Speziestrennung (wenn
hoher Trennfaktor)
Diffusion gleichmäßigen Verteilung
von Teilchen Strukturhinweise
Sorption
Anreicherung eines Stoffes
innerhalb einer Phase oder
auf einer Grenzfläche
Strukturhinweise
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pH-Wert
Eu3+
EuOH2+
Eu(OH)2
+
Eu(OH)3(aq)
Eu(OH)4
-
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Spe
zie
svert
eilu
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/ %
pH-Wert
Eu3+
EuOH2+
EuCO3
+
EuOHCO3(aq)
Eu(OH)2
+
EuOH(CO3)
2
2-
Eu(CO3)
3
3-
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2. Spektroskopische Bestimmungsmethoden
2.1. UV-Vis Absorptionsspektroskopie
Die UV/VIS-Spektroskopie ist die älteste spektroskopische Methode.
Sie beruht auf der Anregung von Elektronenübergängen durch
Absorption von ultraviolettem (190-400 nm) und sichtbarem (400-
700 nm) Licht. Dabei werden vor allem Valenzelektronen aus σ- und π–
Bindungen (bei Metallionen d- oder f-Elektronen) sowie nichtbindende
Elektronenpaare angeregt. Mit Hilfe der Molekülorbitale lassen sich
die verschiedenen Übergänge genauer einordnen. Elektronen aus
bindenden σ- und π-Orbitalen oder nichtbindenden n-Orbitalen können
in antibindende σ*- und π*–Orbitale (σ → σ*, π → π*, n → σ*)
angehoben werden. Dabei sind jedoch nur bestimmte Übergänge erlaubt.
Die dabei zu beachtenden Übergangsregeln sind das Spin-Verbot und
das Symmetrie-Verbot. Das Spin-Verbot besagt, dass sich während
eines Übergangs der Gesamtspin nicht ändern darf (Δ = 0). Bei einem
Übergang von einem Singulett-Zustand S0 (Grundzustand) in einen
energetisch höheren Singulett-Zustand S1 ändert sich der Spin nicht,
der Übergang ist daher erlaubt. Nach dem Symmetrie-Verbot sind nur
solche Übergänge erlaubt, die zwischen Orbitalen ungleicher Parität
stattfinden.
Wenn Licht durch ein optisch dichteres Medium fällt, so verringert
sich seine Geschwindigkeit und ein Teil der Strahlungsenergie wird
absorbiert. Dabei übertragen einige Photonen ihre Energie auf die
äußeren Elektronen des Analyten und diese werden vom energetischen
Grundzustand S0 in einen angeregten Zustand angehoben (Abb. 4).
Abb. 4: Prinzip der UV-Vis Spektroskopie
Die dabei absorbierte Energie kann mit Hilfe des Planckschen
Gesetzes beschrieben werden. Es gilt
c
hhE (2)
mit
E: Energie
h: Plancksches Wirkungsquantum (6,626 x 10-34 Js)
ν: Frequenz des Lichtes (in s-1)
c: Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichtes im Vakuum (3 x 108 m/s)
λ: Wellenlänge des Lichts (in m)
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Die relative Intensitätsabnahme I/I0 (≡ Absorption) ist proportional
zur durchstrahlten Schichtdicke und der Konzentration (Teilchen-
anzahl) der Probe. Dieser Zusammenhang wird durch das Lambert-
Beersche Gesetz beschrieben:
dcI
IA
0
lg
(3)
mit
A: Absorbanz
I: Intensität nach dem Durchgang durch die Küvette
I0: Intensität des einfallenden Lichtes
c: Konzentration der absorbierenden Substanz in Lösung (in mol/l)
ε: molarer dekadischer Absorptionskoeffizient (in l·cm/mol) bei der
Wellenlänge λ
d: Schichtdicke (in cm)
Messprinzip
Das für die Untersuchungen verwendete Spektrometer ist ein Zwei-
strahlgerät. Der Strahlengang ist in Abbildung 5 dargestellt.
Abb. 5: Schema des Strahlenganges im Zweistrahlspektrometer.
Das aus der Lichtquelle (Xenonlampe) tretende Licht wird im
Monochromator nach Wellenlängen zerlegt und danach in zwei gleiche
Lichtstrahlen gelenkt. Diese durchlaufen jeweils die Mess- bzw. die
Vergleichsküvette. Der Absorptionsunterschied wird im Detektor
registriert und danach als wellenlängenabhängiges Spektrum
aufgezeichnet. Dieses wird automatisch auf dem PC gespeichert.
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UV/Vis-Spektroskopie am Uran
Actinidelemente absorbieren im ultravioletten und sichtbaren
Bereich. Sie besitzen schmale, gut definierte, charakteristische
Absorptionsbanden. Die für die Absorption verantwortlichen Übergänge
werden durch die verschiedenen Energieniveaus der 5f-Elektronen
verursacht.
Abbildung 6 zeigt die typischen Absorptionsspektren der ungebundenen
Ionen verschiedener Oxidationsstufen des Urans (U4+, UO2
+, UO2
2+).
Durch die charakteristischen Absorptionsbanden ist es möglich, alle
drei Oxidationsstufen quantitativ und qualitativ zu analysieren. Die
Bandenmaxima betragen 255 nm für Uran(V), 414 nm für Uran(VI) sowie
647,5 nm für Uran(IV) und liegen damit jeweils deutlich auseinander.
Die Extinktionskoeffizienten für die einzelnen Oxidationsstufen sind
mit 48,1 L·mol-1·cm
-1 (U
4+), 660 L·mol
-1·cm
-1 (UO2
+) und 7,1 L·mol
-1·cm
-1
(UO22+) eher gering im Vergleich zu organischen Substanzen, bei denen
die Extinktionskoeffizienten 1000-50000 L·mol-1·cm
-1 betragen können.
Somit liegen die Nachweisgrenzen für die Oxidationszustände des
Urans im Bereich von 50 bis 100 µmol (Ableitung aus dem Lambert-
Beerschen-Gesetz).
Abb. 6: Uran(IV, V, VI)-Absorptionsspektren
Mit Hilfe der UV/VIS Spektroskopie können zudem Komplexbildungs-
konstanten und Dissoziationskonstanten bestimmt werden. Dabei wird
entweder bei definiertem pH-Wert die Konzentration eines Reaktions-
partners konstant gehalten und die des anderen variiert. Oder die
Konzentrationen von Uran und Ligand werden beide konstant gehalten
und die Spektren in Abhängigkeit vom pH-Wert aufgenommen. Durch die
Komplexbildung verschiebt sich dann die Bandenlage mit der Änderung
des pH-Wertes, wie es in Abbildung 7 dargestellt ist. Sowohl die
Verschiebung als auch die Erhöhung der Absorptionsbanden resultieren
aus der unterschiedlichen Spezieszusammensetzung bei den jeweiligen
pH-Werten.
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Abb. 7: UV/VIS Spektren von 0.05 M Uran und 1 M Essigsäure in
Abhängigkeit vom pH-Wert.
2.2. ATR-FT Infrarotspektroskopie
Raman- und infrarotspektroskopische Untersuchungen können über die
Erfassung von charakteristischen Schwingungsfrequenzen funktioneller
Gruppen (z. B. UO22+) Informationen zur Struktur von Molekülen bzw.
von Molekülkomplexen liefern. Die Infrarotspektroskopie beruht auf
der Absorption von elektromagnetischer Strahlung durch Moleküle. Da
die Infrarotstrahlung energetisch im Bereich der Schwingungsniveaus
von Molekülbindungen liegt (800-500000 nm), führt die Absorption zur
Anregung periodischer Bewegungen von Atomen oder Atomgruppen eines
Moleküls, die als Form von Ausschlägen im gemessenen Spektrum
sichtbar werden (Schwingungsspektren). IR-aktiv sind dabei
Schwingungen, die ihr Dipolmoment ändern.
Eine besondere Variante der IR-Spektroskopie ist die Fourier-
transformierte IR-Spektroskopie (FT-IR). Dabei werden aus den mit
Hilfe eines Michelson-Interferometers gemessenen Interferogrammen
über Fouriertransformation IR-Spektren berechnet (Abb. 8). Die FT-
IR-Spektroskopie zeichnet sich im Vergleich zur dispersiven IR-
Spektroskopie insbesondere durch ein höheres Signal-Rausch-
Verhältnis und eine hohe Frequenzgenauigkeit aus.
Abb. 8: Fourier-Transformation der IR-Spektren
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Messprinzip
Den wichtigsten Teil der Optik eines FT-IR-Spektrometers stellt das
Interferometer dar. Üblicherweise verwendet man ein Michelson-
Interferometer (Abb.9). Die infrarote Strahlung der Quelle wird am
Strahlteiler in zwei Teilstrahlen gespalten, die auf einen
feststehenden bzw. beweglichen Spiegel treffen. Der Detektor nimmt
die Intensität der rekombinierten Teilstrahlen, das sogenannte
Interferogramm, in Abhängigkeit von der Spiegelauslenkung auf. Über
die Fourier-Transformation wird daraus direkt das Spektrum
berechnet.
Strahlteiler mit
aktiver Schicht
Fester Spiegel
(Referenz)
Beweglicher
Spiegel (Probe)
x
Strahlteiler mit
aktiver Schicht
Fester Spiegel
(Referenz)
Beweglicher
Spiegel (Probe)
x
Abb. 9: Messprinzip der FT-IR Spektroskopie
Die Technik der abgeschwächten Totalreflexion (ATR-FT-IR) ermöglicht
die Untersuchung von stark IR-absorbierenden oder optisch dichten
Medien. Hierbei tritt der IR-Strahl nicht direkt durch die Probe wie
bei üblichen Transmissionsverfahren, sondern wird durch einen
Kristall mit einem hohen Brechungsindex unter Totalreflexion
weitergelenkt. Bei der Reflexion an der Grenzfläche zwischen den
Medien unterschiedlicher optischer Dichte wird der IR-Strahl in der
Größenordnung seiner Wellenlänge seitlich zu seiner
Ausbreitungsrichtung verschoben und dringt über diese Länge als
sogenanntes evaneszentes Feld aus dem Kristall (optisch dichteres
Medium) in die Probe (optisch dünneres Medium) ein. Die
Eindringtiefe ist wellenlängenabhängig und bewegt sich für den
mittleren IR-Bereich zwischen rund 0.5 und 1.5 µm. Wie die
konventionelle Transmissions-IR-Spektroskopie beruht die ATR-Technik
ebenfalls auf der Abschwächung des IR-Strahls über Aufnahme und
Umsetzung von Strahlungsenergie in Molekülschwingungen innerhalb der
Probe, sodass beide Methoden hinsichtlich ihrer Bandenlagen direkt
miteinander vergleichbar sind. Durch mehrfache Reflexion des IR-
Strahls im ATR-Kristall kann die Empfindlichkeit der Methode noch
entscheidend gesteigert werden. Abbildung 10 veranschaulicht das
Prinzip einer Durchflussmessung am Institut für Radiochemie.
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Abb. 10: Messprinzip der ATR-FT IR-Spektroskopie
IR-Spektroskopie von Uran
Das UO22+-Kation zeigt eine symmetrische (ν1, Raman-aktiv) und eine
antisymmetrische (ν3, IR-aktiv) Streckschwingung bei 870 bzw.
961 cm−1. Durch die Komplexierung mit Liganden wie OH
− oder CO3
2−
kommt es zu einer Schwächung der U–O Bindungskraftkonstante, die in
einer Verschiebung der charakteristischen Schwingungsfrequenz zu
niedrigeren Wellenzahlen resultiert. Tabelle 2 gibt eine Zusammen-
fassung einzelner U(VI)-Hydroxokomplexe und ihrer jeweiligen
Schwingungsbande. Durch Untersuchungen bei verschiedenen experimen-
tellen Bedingungen, z. B. Variation der Konzentrationen an U(VI) und
CO32− oder des pH-Wertes, können strukturelle Aussagen über die
jeweils vorliegende Spezies getroffen werden.
Tab. 2: Antisymmetrische Streckschwingung von Uran(VI)-Komplexen.
Spezies ν3 (cm-1)
UO22+
961
(UO2)2(OH)22+ 943
(UO2)3(OH)5+
923
UO2(OH)20 922
UO2(OH)42- 870
UO2(CO3)34- 894
2.3. Laserfluoreszenzspektroskopie
Die Fluoreszenzspektroskopie ist eine emissionsspektroskopische
Methode, die auf der Aussendung von Lumineszenzlicht (Fluoreszenz
oder Phosphoreszenz) durch angeregte Atome oder Moleküle beruht.
Durch verschiedene Elektronen-, Schwingungs- und Rotationszustände
können die Atome bzw. Moleküle eine große Anzahl verschiedener
Energiezustände einnehmen. Die Übergänge zwischen einzelnen Energie-
zuständen werden als photophysikalische Primärprozesse bezeichnet
und mit Hilfe des so genannten Jablonski-Termschemas dargestellt
(Abb. 11).
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Abb. 11: vereinfachtes Jablonski-Termschema
Werden Elektronen durch Strahlungsabsorption angeregt (blaue Linien
in Abb. 11), erreichen sie einen höher energetischen Zustand als den
Grundzustand des ersten angeregten Singulettzustandes. Zur Relaxa-
tion der Elektronen gibt es mehrere Möglichkeiten. Prinzipiell
unterscheidet man dabei in strahlungslose Übergänge (schwarze
Linien) und Relaxation durch Strahlung (rote + grüne Linien). Die
strahlungslose Energieabgabe kann ohne oder mit Spinumkehr erfolgen.
Eine Deaktivierung ohne Änderung des Spinzustandes ist z. B. über
Schwingungsrelaxation möglich. Dabei wird der S1-Zustand erreicht
und nachfolgende Emissionsvorgänge vom niedrigsten angeregten
Zustand aus betrachtet. Strahlungslose Übergänge mit Spinumkehr
können in Form von interner oder externer Konversion auftreten. Eine
Relaxation durch Emission von Strahlung erfolgt durch Fluoreszenz
(rote Linien) oder Phosphoreszenz (grüne Linien). Bei der Emission
von Fluoreszenzstrahlung wird die Energie in Form eines Photons
emittiert und das Elektron geht vom S1- in den S0-Zustand über. Die
Lebensdauer dieser Übergänge liegt bei 10-9-10
-7 s. Aufgrund der
strahlungslosen Energieverluste im angeregten Zustand ist das
emittierte Fluoreszenzspektrum im Vergleich zum Absorptionsspektrum
jedoch in den höheren Wellenlängenbereich verschoben (Stokessche
Verschiebung, Abb. 12). Die Fluoreszenz tritt solange auf, wie die
Probe angeregt wird und die Abklingdauer bezeichnet man als
Fluoreszenzlebensdauer. Diese ist stoffspezifisch und liefert somit
eine qualitative Aussage über die untersuchte Probe.
Abb. 12: Absorptions- und Fluoreszenzspektrum von Uranylperchlorat
(UO2(ClO4)2)
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Eine spezielle Methode der Fluoreszenzspektroskopie ist die
zeitaufgelöste laserinduzierte Fluoreszenzspektroskopie (TRLFS),
welche gegenüber der konventionellen Technik einige Vorteile
aufweist:
geringe Nachweisgrenzen (c < 10-7 mol/l)
Analyse von Mehrkomponentensystemen möglich
Unterscheidung von statischer und dynamischer Fluoreszenz-
löschung
Identifizierung von ultraschnellen Reaktionen im angeregten
Zustand
Bezüglich des fluoreszierenden Stoffes wird in Metall- und Ligand-
fluoreszenz (organische Stoffe) unterschieden, wobei die zu
erwartenden Fluoreszenzlebensdauern von Metallionen länger sind als
die von organischen Liganden. Somit bestimmt die Fluoreszenz-
lebensdauer die Pulsdauer des Lasers, welche eine Größenordnung
unterhalb der Fluoreszenzlebensdauern liegen sollte (Tab. 3).
Tab. 3: Grundarten der zeitaufgelösten laserinduzierten Fluoreszenz-
spektroskopie
Fluoreszenzemitter Lumineszenzlebensdauer Pulsdauer des Lasers
Metalle
(z.B.: UO22+, Cm
3+)
Nano- bis
Mikrosekunden
Nanosekunden
organische
Verbindungen
Piko- bis Nanosekunden Femto- bis
Pikosekunden
Messprinzip
Die Fluoreszenz wird im einfachsten Fall bei einer feststehenden
Wellenlänge mittels Laserlicht angeregt und über einen Monochromator
rechtwinklig zur Probe detektiert. Abbildung 13 zeigt den
schematischen Aufbau eines entsprechenden TRLFS-Systems. Über
Einzelmessungen können die Emissionswellenlänge(n) und Intensitäts-
verhältnisse, über zeitaufgelöste Messungen zusätzlich die Lumines-
zenzlebensdauer bestimmt werden.
Laser
Messsystem
Kontroller + PC
ProbeAnregungspuls
Fluoreszenz
Spektrograph
Lichtempfindlicher Detektor CCD-
Kamera mit Bildverstärker
Laser
Messsystem
Kontroller + PC
ProbeAnregungspuls
Fluoreszenz
Spektrograph
Lichtempfindlicher Detektor CCD-
Kamera mit Bildverstärker
Abb. 13: Schematischer Aufbau des Laserfluoreszenzmesssystems
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Laserfluoreszenzspektroskopie von Europium(III)
Lanthanide und Actinide können durch Laserlicht angeregt werden und
emittieren Licht im UV/VIS-Bereich. Die resultierenden Lumineszenz-
spektren sind gekennzeichnet durch relativ schmale, gut definierte,
charakteristische Banden. Verantwortlich dafür sind Übergänge
zwischen den verschiedenen 4f- (bei Actiniden: 5f-) Übergängen, die
teilweise sehr sensitiv auf die chemische Umgebung des Metallions
reagieren. So kann es durch Bindungen und Komplexierungen einerseits
zur Verschiebung der Lumineszenzmaxima kommen, andererseits zu einer
Aufspaltung einzelner Banden auf Grund des äußeren Ligandenfeldes.
Das Lumineszenzspektrum von dreiwertigem Europium weist im
Wellenlängenbereich 570 – 640 nm maximal drei Emissionbanden auf
(578, 592 und 616 nm). Im unkomplexierten Aqua-Ion wird das erste
Maximum nicht beobachtet, da es sich um einen verbotenen Übergang
handelt. Die zweite bande ist relativ unabhängig vom äußeren
Ligandenfeld (magnetischer Dipol), während die dritte sich bei
Komplexierung sehr stark verändert (elektrischer Dipol). Dieser
Übergang wird daher auch als hypersensitiv bezeichnet. Typisch für
Eu(III)-Komplexierungen ist eine Aufspaltung der Lumineszenzmaxima
in mehrere Einzelpeaks, eine Bandenverschiebung tritt dagegen kaum
auf. Abbildung 14 veranschaulicht dies an Hand verschiedener
Eu(III)-Komplexe.
570 580 590 600 610 620 630 640
Eu3+
-Aqua-Ion
Wellenlänge (in nm)
Eu3+
+ Citrat
1:1-Komplex
1:2-Komplex
no
rmie
rte
Lu
min
esze
nzin
ten
sitä
t
Eu3+
+ Aminosäuren
Ala
Phe
Thr
Abb. 14: Lumineszenzspektren von verschiedenen Eu(III)-Komplexen bei
I = 0.1 M (NaClO4) und Raumtemperatur
Skript zum Modul MA-CH-BOC 07 „Umwelt- und Radiochemie“ Seminarskript – Spektroskopische Bestimmung der Speziation von Schwermetallen
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2.4. Vergleich der Methoden
In Tabelle 4 ist ein Vergleich der in den vorangegangen Kapiteln
beschriebenen spektroskopischen Methoden zusammengestellt. Die
Methoden werden dabei hinsichtlich der Anforderung an die Proben-
vorbereitung, der Messdauer, der Auswertung einer Probe und der
Nachweisgrenzen für Uran(IV), Uran(VI) und Europium(III) miteinander
verglichen.
Die Präparation einer wässrigen Messprobe erfolgt für alle
verwendeten spektroskopischen Methoden identisch. Es wird eine
Lösung mit definierter chemischer Zusammensetzung hergestellt und
auf einen bestimmten pH-Wert eingestellt. Im Unterschied zu den
anderen Methoden wird bei der ATR-FT-IR Spektroskopie eine zweite
Probe für eine Messung benötigt. Diese zweite Referenzprobe
unterscheidet sich in genau einem Parameter zur Messprobe und dient
der Spektrenauswertung.
Tab. 4: Vergleich der verwendeten Methoden für flüssige Proben
UV/VIS
Spektroskopie
TRLFS
Spektroskopie
ATR-FT-IR
Spektroskopie
Probenvorbereitung einfach einfach einfach
Messdauer 1 – 10 min. 5 – 30 min. 1 – 2 h
Auswertung einfach mittel mittel
Nachweisgrenze
U(VI) 10-4 - 10
-5 M 10
-7 M 10
-6 M
U(IV) 10-5 M 10
-6 M
nicht IR-
aktiv
Eu(III) 10-2 M 10
-7 M
nicht IR-
aktiv
In der Länge der Messdauer unterscheiden sich die Methoden deutlich
voneinander. Werden für die Spektrenaufnahme im UV/VIS nur 1-10 min
benötigt, so dauert das Aufnehmen des Fluoreszenzspektrums bei einer
zeitaufgelösten laserinduzierten Messung bereits bis zu einer halben
Stunde (in der Regel 51 bis 101 Spektren). Bei der ATR-FT-IR-
Spektroskopie wird eine lange Messdauer zur Gewinnung vieler
Spektren der zwei Proben benötigt. Diese werden nach der Messung
gemittelt. Durch anschließende Differenzrechnung können die
Unterschiede zwischen Mess- und Referenzprobe im mikromolaren
Bereich detektiert werden. Die Nachweisgrenzen sind bei der UV/VIS-
Spektroskopie sowohl für Uran als auch Europium am höchsten. Bei
Messungen mittels TRLFS sind umweltrelevante Uran- und Europium-
konzentrationen von 10-7-10
-6 M detektierbar.
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