Spielend lernen, lernend spielen:
Ein spielend leichter Job?
Schweizerischer Fachkongress des SSLV und der IG Spielgruppen Schweiz GmbH
Baden, 25. Oktober 2014
Katrin Schaerer-Surbeck
Übersicht
1. Spielend lernen, lernend spielen: Eine
Begriffsklärung
2. Warum spielen Kinder und was lernen sie
dabei?
3. Was braucht das Kind zum Spielen?
Konsequenzen für das pädagogische Handeln
3
Teil 1
1. Bezug zum Orientierungsrahmen
2. Merkmale des Spiels
3. Spielend lernen und lernend spielen: Eine
Begriffsklärung
Aufbau des Orientierungsrahmens
Praxis Erkenntnisse Wichtige Entwicklungsbedingungen Bildungsverständnis Grundlagen und pädagogische Orientierungen
Fundament
Leit-prinzipien
Pädagogisches Handeln
Aufgaben der Erwachsenen
C. Wustmann Seiler & H. Simoni, Mai 2013
Bildung – Betreuung – Erziehung
Grundverständnis frühkindlicher Bildung
Lernen und Entwicklung
Beziehungen und gemeinschaftliches Lernen
Individuelle und soziale Vielfalt
Teil 1 – Das Fundament
C. Wustmann Seiler & H. Simoni, Mai 2013
Physisches und psychisches Wohlbefinden
Kommunikation
Zugehörigkeit und Partizipation
Stärkung und Ermächtigung
Inklusion und Akzeptanz von Verschiedenheit
Ganzheitlichkeit und Angemessenheit
Teil 2 – Leitprinzipien
C. Wustmann Seiler & H. Simoni, Mai 2013
Beobachten, reflektieren und dokumentieren
Bildungsprozesse anregen und Lernumgebungen gestalten
Bildungs- und Erziehungspartnerschaften pflegen
Übergänge begleiten und gestalten
Planen und evaluieren
Teil 3 – Pädagogisches Handeln
C. Wustmann Seiler & H. Simoni, Mai 2013
Merkmale des Spiels:
Merkmale des Spiels
• Unvollständige
Funktionalität
• So-tun-als-ob
• Positive Aktivierung und
Fokussierung
• Wiederholung und
Variation
• Entspanntes Feld
(nach Hauser 2013)
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Murmelgespräch
1. Mit was spielten Sie in Ihrer Kindheit
(am liebsten) ?
2. Wo spielten Sie?
3. Welche Rolle
nahmen dabei
die betreuenden
Erwachsenen
ein?
Spielform und Spielradius ist
entwicklungsabhängig.
Spielentwicklung/Spielformen:
«Exploration kommt bei allen Spielformen vor.
Sowohl in der Entwicklung wie auch in neuen
Situationen steht vor dem Spiel in der Regel
die Exploration» (Hauser 2013, S.57).
Eltern-Kind-Spiel (bereits im 1. Lebensjahr)
Explorationsspiel (typisch für frühe Kindheit und grundsätzlicher Vorläufer
von Spiel, bereits im 1. Lj.)
Funktionsspiel: Freude am Tun und Bewirken (bereits im 1. Lj.)
Bewegungsspiel (bereits im 1. Lj.)
Fantasie- und Rollenspiel, ab ca. 24 Monate,
3.-6. Lj. «Hochsaison»
Objekt- und Konstruktionsspiel (ab ca. 1. Lj.)
Regelspiel (einfache Regelspiele ab ca. 4. Lj.)
(nach Hauser 2013)
Zentrale Begriffe
Erziehung
Entwicklung
Bildung, Lernen und
Spielen
Frühe Förderung
und Frühförderung
Zentrale Begriffe Erziehung:
Erziehung ist der Anteil der Erwachsenen an der Entwicklung des Kindes.
Dieser Anteil beinhaltet die Gestaltung der Umwelt des Kindes und die
Gestaltung der Interaktion mit ihm (Laewen 2013).
Entwicklung:
Entwicklung meint die Veränderung der menschlichen Persönlichkeit (Körper,
Wissen, Fähigkeiten, Einstellungen, Verhalten) in der Zeit, d.h. während des
Lebenslaufs. Die Entwicklung folgt biologischen Gesetzen (Reifung), wird aber
auch durch Erfahrung und Lernprozesse bestimmt (Liegle 2003).
Bildung, Lernen und Spielen:
Bildung ist der Eigenanteil des Kindes an seiner Entwicklung (Laewen 2013).
Der Begriff «Lernen» beschreibt die Mechanismen (z.B. Nachahmen) und die
Regelhaftigkeit (Lernen schliesst an zuvor Gelerntes an) in den Prozessen der
Aneignung der Welt (Liegle 2003). Das Kind setzt sich spielend mit sich und
der Welt auseinander.
Frühe Förderung und Frühförderung:
Frühe Förderung: Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE, für
alle Kinder)
Frühförderung: Heilpädagogische Frühförderung (vgl. Netzwerk
Kinderbetreuung Schweiz 2012)
Spielprozesse sind immer auch Lern- und
Bildungsprozesse und werden von
Entwicklungsprozessen beeinflusst.
Aber: Nicht alle Lernprozesse sind zwingend
auch Spielprozesse.
Lernspiele sind wie die Arbeit auf das Ergebnis
ausgerichtet und sind deshalb nicht eindeutig dem
„reinen Spiel“ zuzuordnen.
1. Spiel als eine nützliche Tätigkeit im Hinblick
auf die Zukunft (Locke 1693; Montessori
1911)
2. Spiel als gegenwärtige Lebendigkeit
(Bühler und Bühler, Beginn 20. Jhr;
Heckhausen 1964)
3. Spiel als Übertragung und Verarbeitung
konflikthafter Situationen
(S. Freud und A. Freud und Zulliger)
4. Spiel als Spiegel der Gesellschaft
(Schäfer 1989)
Vier wesentliche Richtungen der Spieltheorien (nach Pausewang 1997)
Warum spielen Kinder?
Warum spielt das
Kind?
Spiel als…
• Vorbereitung auf die
Zukunft
• Lustgewinn
• Spannungsausgleich
• Selbstverwirklichung
• Verarbeitung
In welchen Bereichen lernt dieses Kind? Motorik: Grobmotorik, Feinmotorik, Koordination, Gleichgewicht
Kognition Sich Gedanken machen, Vermutungen nachgehen,
Probleme lösen, sich mit Dingen der Welt inkl. sich selber
auseinandersetzen
Je nach Spiel auch
Sprache Selbstgespräche, Kommentieren, Verständigung
Soziales und emotionales Lernen Abmachungen einhalten, auf andere Ideen eingehen,
aufeinander Rücksichtnehmen, Umgang mit Frust
Zusammengefasst:
Erwerb von Selbst-, Sozial- und Sachkompetenzen
Und – wie lernen Kinder?
«Sich bewegend wird die Welt mit den
Sinnen erkundet» (Schäfer 2011).
Kinder lernen durch • eigenes Tätigsein spielen
• erkunden,
• ausprobieren,
• nachmachen,
• Probleme lösen
Aber auch durch dem Alter angepasste
• Feedbacks
• Gespräche (z.B. über
gemeinsame Erfahrungen)
• Erklärungen
• Geschichten
→
Filmausschnitt
«Nils und Tim in der Spielgruppe»
Murmelgespräch
Was lernen Nils und Tim?
Welche Stärken zeigen sie im
Filmausschnitt?
Wie unterstützen die Erwachsenen dieses
Spiel?
Merkmale des Spiels:
Was braucht das Kind zum Spielen?
• Unvollständige
Funktionalität
• So-tun-als-ob
• Positive
Aktivierung und
Fokussierung
• Wiederholung und
Variation
• Entspanntes Feld
Freie Wahl, (Freispiel)
Vielfältige Möglich-
keiten zum Spielen (Raum, Zeit, Anregung)
Intrinsische Motivation (Spass, Freude, Interesse)
Beide Aspekte
werden ermöglicht (Auswahl Material)
Grund-
bedürfnisse sind
berücksichtigt (nach Hauser 2013)
Spielform und Spielradius ist
entwicklungsabhängig.
Was braucht das Kind zum Spielen?
«Exploration kommt bei allen Spielformen vor.
Sowohl in der Entwicklung wie auch in neuen
Situationen steht vor dem Spiel in der Regel
die Exploration» (Hauser 2013, S.57).
Eltern-Kind-Spiel (bereits im 1. Lebensjahr)
Explorationsspiel (typisch für frühe Kindheit und grundsätzlicher Vorläufer
von Spiel, bereits im 1. Lj.)
Funktionsspiel: Freude am Tun und Bewirken (bereits im 1. Lj.)
Bewegungsspiel (bereits im 1. Lj.)
Fantasie- und Rollenspiel, ab ca. 24 Monate,
3.-6. Lj. «Hochsaison»
Objekt- und Konstruktionsspiel (ab ca. 1. Lj.)
Regelspiel (einfache Regelspiele ab ca. 4. Lj.)
(nach Hauser 2013)
Verschiedene
Spielformen
ermöglichen!
Vielfältige und ganzheitliche
Erfahrungen ermöglichen:
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Fein- und grobmotorische Aktivitäten
Betrachten von Bildern und Büchern, Geschichten, Verse,
Gespräche führen (offene Fragen stellen)
Beobachten von Sachen, Pflanzen und Tiere
Malen und Basteln
Singen, Tanzen, Hören und Machen von Musik
Konstruieren von Türmen, Häusern, Brücken
Umgang mit div. Materialen: Tüchern, Spiegeln, Lupen, Knete
etc.
Rückzugmöglichkeiten
In Alltagshandlungen integrieren (Znüni verteilen, aufräumen,
Licht löschen)
Wertschätzende Beziehungen aufbauen und Kontakte
untereinander fördern (Vgl. Orientierungsrahmen, S. 52f)
Eisberge nach Carr (2001)
Interessiert sein Engagiert sein Standhalten Ausdrücken Lerngemeinschaft
Zugehörigkeit Wohlbefinden Exploration Kommunikation Partizipation
(Deutsches Jugendinstitut)
Für Liegle sind «Lerndispositionen» (Voraussetzungen für Lernen) die wichtigsten Aspekte
der frühen Bildung. Diese können dem Kind nicht direkt vermittelt werden. Bei der Aneignung
spielt Modell-Lernen, Erfahrungen sammeln, aber auch Bestätigung und Wertschätzung
eine zentrale Rolle (Liegle, 2010).
Beim Ansatz der «Bildungs- und Lerngeschichten» fokussiert sich die
Beobachtung auf Lerndispositionen (Carr, 2001; Leu et al., 2007).
Voraussetzung:
Kinder und ihre Interessen
beobachten. Sind wir uns als
SpielgruppenleiterInnen
der möglichen «Wahrnehmungsverzerrungen» bewusst?
Immer wieder neu bewusst?
Konsequenzen für das pädagogische Handeln
Die menschliche Wahrnehmung
ist selektiv und subjektiv.
Mögliche
Wahrnehmungsverzerrungen:
• «Vorschnelles Bild» (Vorurteile)
• «Primacy-effect» (erster Eindruck)
• «Hof-Effekt» (Wahrnehmung orientiert sich an
einer markanten Eigenschaft)
• Attributionsfehler: (Z.B. über Kind, das
herumliegt: Es ist an nichts interessiert, ist faul.
Auf Nachfragen hat es aber vielleicht schlecht
geschlafen, ist kränklich, denkt an seine
verstorbende Grossmutter usw. (vgl. auch
Altenthan et al. 2003; Dorsch 2004).
• Selber Freude am Spielen und Interesse an der Welt haben und Haltungen, Einstellungen reflektieren
• Kindern den Freiraum geben, selber aktiv zu sein, zu experimentieren
• An die Interessen der Kinder anknüpfen und sie herausfordern
• Kinder partizipieren lassen
• Übergänge in das Spiel und aus dem Spiel bewusst gestalten
• Bildungsprozesse sind immer auch Beziehungsprozesse: Sich an Stärken der Kinder orientieren
Konsequenzen für das pädagogische Handeln: Fazit
Literaturverzeichnis
Altenthan et al. (2003): Psychologie. Bildungsverlag EINS, Troisdorf
Dorsch. Psychologisches Wörterbuch.14. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Bern u.a.:
Verlag Hans Huber.
Hauser, B. (2013). Spielen. Frühes Lernen in Familie, Krippe und Kindergarten. Stuttgart: Kohlhammer.
Laewen, H.-J. (2013). Funktionen der institutionellen Früherziehung: Bildung, Erziehung, Betreuung,
Prävention. In L. Frie, S. Rouw (Hrsg.) Handbuch. Pädagogik der frühen Kindheit. 3., überarb. Auflage.
Cornelsen Schulverlage: Berlin.
Liegle, L. (2003). Kind und Kindheit. In L. Fried, B. Dippelhofer-Stiem, M.-S. Honig, L. Liegle (Hrsg.)
Einführng in die Pädagogik der frühen Kindheit. Weinheim, Basel, Berlin: Beltz Verlag.
Leu, H.-R. et al. (2007). Bildungs- und Lerngeschichten. Bildungsprozesse in früher Kindheit
beobachten, dokumentieren und unterstützen. Weimar, Berlin: verlag das netz.
Pausewang, F. (1997): Dem Spielen Raum geben. Grundlagen und Orientierungshilfen zur Spiel- und
Freizeitgestaltung in sozialpädagogischen Einrichtungen. Cornelsen Verlag, Berlin
Carr, M. (2001). Assessment in Early Childhood Settings. Learning stories. London: Sage Publications.
Textor, M. R. (2000). Lew Wygotski. In W.E. Fthenakis, M.R. Textor (Hrsg.) Pädagogische Ansätze im
Kindergarten. Weinheim, Basel: Beltz Verlag.
Wustmann Seiler, C. & Simoni, H. (2012): Orientierungsrahmen für frühkindliche Bildung, Betreuung und
Erziehung in der Schweiz. Erarbeitet vom Marie Meierhofer Institut für das Kind, erstellt im Auftrag der
Schweizerischen UNESCO-Kommission und des Netzwerks Kinderbetreuung Schweiz. Zürich.