KAPITEL 6
Stetigkeit und Differentation von Funktionen einerVeranderlichen
1. Funktionengrenzwerte
1.1. Grenzwerte. Gegeben sei I ⊆ R ein Intervall, a ∈ I ∪ {−∞, ∞} und
f : I\{a} → R. Die Funktion f kann sehr wohl auch an der Stelle x = a erkl�art
sein, wir wollen aber nur wissen wie sich die Funktion in der Umgebung des Punktes
x = a verh�alt.
Definition 6.1. Die Funktion f(x) hat f�ur x gegen a den rechtsseitigen
Grenzwert (bzw. den linksseitigen Grenzwert) c (in Zeichen limx→a+
f(x) = c
bzw. limx→a−
f(x) = c), wenn f�ur jede Zahlenfolge (xn)n≥0 aus I mit xn → a
und xn > a f�ur alle n ( bzw. xn → a und xn < a f�ur alle n) die Zahlenfolge
(f(xn))n≥0 gegen c strebt.
f(x) hat f�ur x gegen a den Grenzwert c, in Zeichen limx→a
f(x) = c, wenn
gilt limx→a+
f(x) = limx→a−
f(x) = c.
Bemerkung 6.1. Diese De�nition gilt nicht nur f�ur endliche Werte a und c,
sondern auch f�ur a, c ∈ {−∞, ∞} Man schreibt limx→∞
f(x) = c bzw. limx→−∞
f(x) = c.
Beispiel 6.1. Die Funktion sin 1xist f�ur alle x 6= 0 erkl�art und hat f�ur x→ 0
weder einen rechtsseitigen noch einen linksseitigen Grenzwert. Da f�ur xn =1
2πn, n ∈ N gilt
limxn→0
sin1
xn= sin(2πn) = 0.
Dagegen ist aber f�ur xn = 12πn+π
2der Grenzwert
limxn→0
sin1
xn= sin(2πn+
π
2) = 1.
Folglich kann die Funktion sin 1xkeinen rechtsseitigen Grenzwert x → 0+ besit-
zen. (Analog existiert der linksseitige Grenzwert nicht.)
Beispiel 6.2. Es existiert aber der Grenzwert von f(x) = x sin 1xf�ur x = 0.
Dies liegt daran, dass man f�ur eine Folge xn → 0 und xn > 0 wie folgt absch�atzen
169
170 6. STETIGKEIT UND DIFFERENTATION VON FUNKTIONEN EINER VER�ANDERLICHEN
kann; es ist 0 ≤ xn sin 1xn≤ |xn| und damit gilt limn→∞ xn sin 1
xn= 0. Damit hat
man also
limx→0
x sin1
x= 0.
Satz 6.1. \Epsilon-Delta-Sprache\. Die Funktion f : I\{a} → R hat in
x = a den Grenzwert c, wenn f�ur alle ε > 0 ein δ = δ(ε) gibt, so dass f�ur
alle x ∈ I\{a} mit |x− a| < δ gilt |f(x)− c| < ε. In Zeichen:
∀ε > 0 ∃δ > 0 : ∀x ∈ I\{a} : |x− a| < δ ⇒ |f(x)− c| < ε.
1.2. Elementare Methoden der Grenzwertbestimmung.
Satz 6.2. Aus limx→a
f(x) = c und limx→a
g(x) = d f�ur c, d ∈ R folgt:
(1) limx→a
(f(x)± g(x)) = c± d,(2) lim
x→a(f(x) · g(x)) = c d, insbesondere ist lim
x→aαf(x) = α c f�ur α ∈ R.
(3) limx→a
f(x)g(x)
= cd, falls d 6= 0.
Diese Regeln gelten auch f�ur a = ±∞ aber nur f�ur endliche Grenzwerte
c und d.
Beispiel 6.3.
limx→0
√x+ 1− 1
x= lim
x→0
(√x+ 1− 1)(
√x+ 1 + 1)
x(√x+ 1 + 1)
= limx→0
x+ 1− 1
x(√x+ 1 + 1)
=1√
x+ 1 + 1=
1
2.
Beispiel 6.4. F�ur x 6= 0 gilt
cosx− 1
x=
(cosx− 1)(cosx+ 1)
x(cosx+ 1)=
cos2 x− 1
x(cosx+ 1)= − sin2 x
x(cosx+ 1)= −sinx
x· 1
cosx+ 1·sinx.
F�ur x→ 0 strebt auf der rechten Seite der erste Faktor gegen 1 (siehe Beispiel
6.5), der zweite gegen 12und der dritte gegen 0. Also gilt
limx→0
cosx− 1
x= 0.
1. FUNKTIONENGRENZWERTE 171
Satz 6.3. (Vergleichskriterium). Wenn g(x) ≤ f(x) ≤ h(x) f�ur alle x in
der N�ahe von a gilt (bzw. f�ur alle hinreichend gro�en x) und g(x) → c
und h(x)→ c f�ur x→ a (bzw. x→∞) gilt, dann ist
limx→a
f(x) = c (bzw. limx→∞
f(x) = c).
Beispiel 6.5.
limx→0
sinx
x= 1.
Aus der folgenden Skizze
x
cos x
sin x
tan x
1
liest man die folgende Absch�atzung f�ur die Fl�acheninhalte ab (x > 0):
1
2sinx cosx ≤ 1
2x ≤ 1
2tanx =
1
2
sinx
cosx.
Damit ist f�ur x > 0
sinx cosx ≤ x ≤ sinx
cosx
∣∣∣ 1
x cosx⇐⇒ cosx ≤ sinx
x≤ 1
cosx.
Analog kann man f�ur x < 0 aus
1
2sinx cosx ≥ 1
2x ≥ 1
2tanx =
1
2
sinx
cosx
auf die gew�unschte Ungleichung schlie�en. Wegen cosx → 1 und 1cosx→ 1 f�ur
x→ 0 ergibt sich die Behauptung.
1.3. Stetigkeit. Sei I ⊆ R ein Intervall.
Definition 6.2. Man nennt eine Funktion f : I → R in x0 ∈ I stetig,
wenn bei der Ann�aherung x → x0 die Funktionswerte f�ur f(x) gegen
f(x0) streben. Also
f ist in x0 stetig ⇐⇒ limx→x0
f(x) = f(x0).
172 6. STETIGKEIT UND DIFFERENTATION VON FUNKTIONEN EINER VER�ANDERLICHEN
Ist x0 ein Randpunkt von I, so ist x → x0 nur als einseitige Ann�aherung (x < x0
bzw. x > x0) zu verstehen.
Anschaulich bedeutet es, dass der Graph y = f(x) �uber I als eine zusammenh�angende
Linie (ohne L�ucken und Spr�unge) dargestellt werden kann. Damit werden die folgen-
den Arten von Unstetigkeiten ausgeschlossen:
Sprungstelle Polstellen Fehlstelle
Hat eine in x0 ∈ I zun�achst noch nicht de�nierte Funktion f dort einen Grenzwert
limx→x0
f(x) = c,
dann kann diese De�nitionsl�ucke durch die Festsetzung f(x0) = c geschlossen werden
und die so de�nierte Funktion ist in x = x0 stetig.
Satz 6.4."Epsilon-Delta-Sprache\. Eine Funktion f : I → R in x0 ∈ I
stetig, wenn f�ur alle ε > 0 ein δ = δ(ε, x0) existiert, so dass f�ur alle x ∈ Imit |x− x0| < δ gilt |f(x)− f(x0)| < ε.
Oder kurz
∀ε > 0 ∃δ > 0 : ∀x ∈ I : |x− x0| < δ ⇒ |f(x)− f(x0)| < ε.
x0
f(x0)f(x0)
x0
Die Funktion f ist stetig in x0. Die Funktion f ist nicht stetig in x0.
1. FUNKTIONENGRENZWERTE 173
Satz 6.5. (Stetigkeit)
(1) Sind f und g auf einem Intervall I ⊆ R stetig, so gilt das auch
f�ur f + g, αf (α ∈ R) und fg. Ferner ist fgstetig in allen x ∈ I
mit g(x) 6= 0.
(2) Sind f : I → R und g : D → R stetig mit g(D) ⊆ I, dann ist auch
die Verkettung (Komposition) h : D → R mit h(x) = f(g(x)) auf
D stetig.
Beispiel 6.6. Die Funktion f(x) = 1xist stetig in allen x 6= 0. F�ur x = 0 ist
sie nicht de�niert und damit auch nicht stetig.
Beispiel 6.7. Die Funktion f(x) = sinxx
ist f�ur alle x 6= 0 de�niert und stetig.
In x = 0 ist sie nicht de�niert, es exisitert aber der Grenzwert limx→0sinxx
= 1
(siehe Beispiel 6.5). Damit kann eine auf R stetige Funktion f(x) wie folgt
de�niert werden:
f(x) =
{sinxx, x 6= 0,
1, x = 0.
Die"L�ucke\ bei x = 0 kann also zu de�niert werden.
Beispiel 6.8. Ebenso ist die Funktion
g(x) =
√x2 + 1− 1
x2
f�ur alle x 6= 0 de�nert und stetig. Es gilt
limx→0
√x2 + 1− 1
x2= lim
x→0
(√x2 + 1− 1)(
√x2 + 1 + 1)
x2(√x2 + 1 + 1)
= limx→0
x2 + 1− 1
x2(√x2 + 1 + 1)
=1
2
und damit ist die Funktion
g(x) =
{ √x2+1−1x2 , x 6= 0,12, x = 0
auf R stetig.
Beispiel 6.9. Die entire-Funktion ist in allen x ∈ Z unstetig, da die Funktion
hier springt. Der rechts- und der linksseitige Grenzwert sind unterschiedlich.
Beispiel 6.10. Auch die"verschachtelte\ Funktion
f(x) =
√x5 + 6x4 + sin4 x+ sinx2√√
x+ cos2(3x+ 4) · x2
174 6. STETIGKEIT UND DIFFERENTATION VON FUNKTIONEN EINER VER�ANDERLICHEN
ist f�ur x ≥ 0 stetig, wobei sie f�ur x = 0 entsprechend"zude�niert\ werden muss.
√x5 + 6x4 + sin4 x+ sin(x2)√√
x+ cos2(3x+ 4) · x2=
√x5+6x4+sin4 x
x4 + sin(x2)x2√√
x+ cos2(3x+ 4).
Satz 6.6. F�ur jede auf dem abgeschlossenen Intervall a ≤ x ≤ b stetige
Funktion f gilt:
(1) Schrankensatz. Es gibt eine Schranke (positive reelle Zahl) K
mit |f(x)| ≤ K f�ur alle x ∈ [a, b]. Man sagt, die stetige Funktione
f(x) ist auf dem abgeschlossenen Intervall beschr�ankt.
(2) Minimum und Maximum. Es gibt stets Werte x0 und x1 in
[a, b], so dass f(x0) ≤ f(x) ≤ f(x1) f�ur alle x ∈ [a, b] gilt. Man
dagt, dass die auf dem abgeschlossenen Intervall stetige Funktion
f(x) ihr Minimum und Maximum annimmt.
(3) Zwischenwertsatz. Zu jeder Zahl c, die zwischen dem Minimum
f(x0) und dem Maximum f(x1) der stetigen Funktion f(x) liegt,
d.h. f(x0) ≤ c ≤ f(x1), gibt es wenigstens ein x ∈ [a, b] mit
f(x) = c.
(4) Gleichmaßige Stetigkeit. Zu jeder beliebig kleinen Zahl ε > 0
gibt es eine nur von ε und nicht von x0 abh�angige Zahl δ = δ(ε) >
0, so dass f�ur alle x, x0 ∈ [a, b] gilt: |x−x0| ≤ δ ⇒ |f(x)−f(x0)| < ε.
Eine einfache Folgerung ist der
Satz 6.7. Nullstellensatz.
(1) Ist f : [a, b]→ R stetig und haben f(a) und f(b) entgegengesetzte
Vorzeichen (f(a)f(b) < 0), dann gibt es wenigstens eine Nullstelle
x im Innern von [a, b], also a < x < b mit f(x) = 0.
(2) Jedes Polynom ungeraden Grades (≥ 1) hat in R wenigstens eine
Nullstelle.
2. DIFFERENTATION 175
2. Differentation
2.1. Definition der Ableitung.
Definition 6.3. Ableitung. Die Funktion f sei auf dem Intervall I ⊆ Rde�niert und x0 ∈ I.
(1) Die Funktion f ist in x0 di�erenzierbar, wenn der Grenzwert
limx→x0
f(x)− f(x0)
x− x0
= limh→0
f(x0 + h)− f(x0)
h
existiert und endlich ist. Dieser Grenzwert wird (sofern er exi-
stiert) mit f ′(x0) bezeichnet und hei�t Ableitung von f in x0.
Man bezeichnet∆f(x)
∆x=f(x)− f(x0)
x− x0
auch als Di�erenzenquotienten.
Ferner sagt man, f ist auf I di�erenzierbar, wenn f ′(x) in jedem
Punkt x ∈ I existiert.
(2) Die einseitigen Grenzwerte
f ′(x+0 ) := lim
x→x0+
f(x)− f(x0)
x− x0
,
f ′(x−0 ) := limx→x0−
f(x)− f(x0)
x− x0
,
hei�en rechtsseitige bzw. linksseitige Ableitung von f in x0.
2.2. Geometrische Deutung der Ableitung: Tangentenanstieg.
Die Tangente an den Graph y = f(x) in (x0, f(x0)) ist
y = f ′(x0)(x− x0) + f(x0).
2.3. Totales Differential.
Definition 6.4. Ist f : I → R eine in x0 di�erenzierbare Funktion, so
hei�t dy = df(x0) = f ′(x0)(x− x0)
totales Differential von f an der Stelle x0.
176 6. STETIGKEIT UND DIFFERENTATION VON FUNKTIONEN EINER VER�ANDERLICHEN
Beispiel 6.11. F�ur die Funktion f(x) = x erh�alt man
dy = dx = 1 · (x− x0) = ∆x.
x0 x
y0
yΔy=y-y
O
dy=f'(xO)Δx=f'(x
O)dx
Δx=dx
Bemerkung 6.2. Der Zusammenhang zwischen Ableitung und Di�erential
ist gegeben durch
dy = df(x) = f ′(x)dx.
(Dies ist richtig an jeder Stelle x = x0.)
2.4. Analytische Deutung: lineare Approximation. Zu einer gegebenen dif-
ferenzierbaren Funktion f : I → R wird diejenige Gerade g(x) = m(x − x0) + f(x0)
durch (x0, f(x0) gesucht, die f in der N�ahe von x0 am besten approximiert. Dabei
versteht man unter"bester Approximation\, dass gilt
limx→x0
f(x)− g(x)
x− x0
= 0,
d.h., dass der relative Fehler nahe x0 klein ist und f�ur x→ x0 gegen 0 strebt.
Die beste lineare Approximation an f in x0 ist:
g(x) = f ′(x0)(x− x0) + f(x0). (16)
Beispiel 6.12. F�ur f(x) =√x ergibt sich nahe x0 > 0 :
f(x0 + h) ≈ f ′(x0)h+ f(x0) ⇐⇒√x0 + h ≈
√x0 +
1
2√x0
h.
2. DIFFERENTATION 177
F�ur x0 = 1, 96 und h = 0, 04 erh�alt man
√2 ≈ 1, 4 +
1
2 · 1, 40, 04 = 1, 4142857 . . .
den auf 7 Stellen genauen Wert von√
2 = 1, 41421356 . . . .
Satz 6.8. Jede in x0 ∈ I di�erentzierbare Funktion f : I → R ist dort
stetig.
Beweis: Ist f in x0 di�erenzierbar, so gilt
limx→x0
[f(x)− f(x0)− f ′(x0)(x− x0)] = limx→x0
{(x− x0)
[f(x)− f(x0)
x− x0
− f ′(x0)
]}= 0
und wegen limx→x0
f ′(x0)(x− x0) = 0 ist
limx→x0
(f(x)− f(x0)) = limx→x0
[f(x)− f(x0)− f ′(x0)(x− x0)] + limx→x0
f ′(x0)(x− x0) = 0,
also ist
limx→x0
f(x) = f(x0). #
Die Stetigkeit der Funktion f in x0 ∈ I ist notwendig, aber nicht hinreichend
fur die Differenzierbarkeit von f in x0 ∈ I. D.h. es gilt(1) Ist f in x0 ∈ I unstetig, dann ist f in x0 auch nicht di�erenzierbar.
(2) Ist dagegen f in x0 ∈ I stetig, so muss f in x0 nicht di�erenzierbar sein, wie
das Beispiel f(x) = |x| f�ur x0 = 0 zeigt.
2.5. Differentationsregeln.
Satz 6.9. Sind die Funktionen f, g : I → R in x ∈ I di�erenzierbar,
dann gilt:
(1) [f(x) + g(x)]′ = f ′(x) + g′(x),
(2) [cf(x)]′ = cf ′ f�ur alle c ∈ R,
(3) [f(x)g(x)]′ = f ′(x)g(x) + f(x)g′(x) (Produktregel),
(4)(f(x)g(x)
)′= f ′(x)g(x)−f(x)g′(x)
g(x)2falls g(x) 6= 0; (Quotientenregel), insbe-
sondere gilt (1
g(x)
)′= − g
′(x)
g(x)2falls g(x) 6= 0.)
178 6. STETIGKEIT UND DIFFERENTATION VON FUNKTIONEN EINER VER�ANDERLICHEN
Beweis: Wir betrachten die entsprechenden Di�erenzenquotienten und gehen dann
zum grenzwert �uber.
zu (1):
∆[f(x) + g(x)]
∆x=
[f(x) + g(x)]− [f(x0) + g(x)]
x− x0
=∆f(x)
∆x+
∆g(x)
∆x→ f ′(x0) + g′(x0),
zu (2): (2) ist ein Spezialfall von (3),
zu (3):
∆[f(x)g(x)]
∆x=
[f(x)g(x)]− [f(x0)g(x0)]
∆x=
[f(x)g(x)]−f(x0)g(x) + f(x0)g(x)− [f(x0)g(x0)]
∆x
=(f(x)− f(x0))g(x) + f(x0)(g(x)− g(x0)
∆x=
(∆f(x)
∆x
)g(x) + f(x0)
(∆g(x)
∆x
)→ f ′(x0)g(x0)− f(x0)g
′(x0)
zu (4) wir betrachten zun�achst
∆(
1g(x)
)∆x
=
(1
g(x)
)−(
1g(x0)
)∆x
=− (g(x)−g(x0))
g(x0)g(x)
∆x
= −g(x)− g(x0)
∆x· 1
g(x0)g(x)= −∆g(x)
∆x· 1
g(x0)g(x)→ − g
′(x0)
g(x0)2
und dann folgt die Quotientenregel aus der Produktregel (3). #
2.5.1. Polynome. F�ur f(x) = xn, n ∈ N, (n ≥ 1), gilt
limx→x0
∆xn
∆x= lim
x→x0
xn − xn0x− x0
= limx→x0
(xn−1 + xn−2x0 + xn−3x20 + . . .+ xn−1
0 )
= limx→x0
n−1∑k=0
xn−1−kxk0 = nxn−10 .
Hieraus folgt mittels der Quotientenregel unmittelbar, dass f�ur x 6= 0 gilt(1
xn
)′= −(xn)′
x2n= −nx
n−1
x2n= − n
xn+1.
2.5.2. Kreisfunktionen.
Satz 6.10. Die Sinus- und Cosinusfunktion sind auf R di�erenzierbar.
Es gilt
(1) (sinx)′ = cosx,
(2) (cosx)′ = − sinx,
(3) (tanx)′ = 1(cosx)2
, x 6= (2k + 1)π2,
(4) (cotx)′ = −1(sinx)2
, x 6= kπ.
2. DIFFERENTATION 179
Beweis: Wir erinnern zun�achst an die folgenden Additionstheoreme f�ur Sinus und
Cosinus:
cos(x± y) = cos x cos y ∓ sinx sin y,
sin(x± y) = sin x cos y ± cosx sin y.
und den Grenzwerten
limh→0
sinh
h= 1, lim
h→0
cosh− 1
h= 0,
folgt
(sinx)′ = limh→0
1
h[sin(x+ h)− sinx] = lim
h→0
1
h[sinx cosh± cosx sinh− sinx]
= limh→0
[sinx
cosh− 1
h+ cosx
sinh
h
]= cosx
(2) analog, (3) und (4) mit Quotientenregel. #
Beispiel 6.13.
[(x2 + 5 sinx) cosx]′ = (2x+ 5 cosx) cosx− (x2 + 5 sinx) sinx
= 2x cosx+ 5[(cosx)2 − (sinx)2]− x2 sinx = 2x cosx+ 5 cos 2x− x2 sinx.
2.5.3. Kettenregel.
Satz 6.11. Die Verkettung (Komposition) zweier Funktionen f(g(x))
zweier di�erenzierbarer Funktionen ist ebenfalls di�erenzierbar und es
gilt
(f(g(x)))′ = f ′(g(x))g′(x).
Beweis: Zun�achst gilt
f(g(x))− f(g(x0))
x− x0
=f(g(x))− f(g(x0))
g(x)− g(x0)· g(x)− g(x0)
x− x0
=f(y)− f(y0)
y − y0
· g(x)− g(x0)
x− x0
mit y = g(x) und y0 = g(x0). Da g eine stetige Funktion ist, folgt, dass mit x → x0
auch y = g(x)→ y0 = g(x0) gilt: D.h.
limx→x0
∆f(g(x))
∆x= lim
x→x0
f(y)− f(y0)
y − y0
· g(x)− g(x0)
x− x0
=
(limy→y0
f(y)− f(y0)
y − y0
)·(
limx→x0
g(x)− g(x0)
x− x0
)= f ′(y0)g
′(x0) = f ′(g(x0))g′(x0). #
180 6. STETIGKEIT UND DIFFERENTATION VON FUNKTIONEN EINER VER�ANDERLICHEN
Beispiel 6.14.
h(x) = (x4 + 6x+ 5)3 = f(g(x))
mit g(x) = x4 + 6x+ 5 und f(x) = x3. Damit ist
h′(x) = 3(x4 + 6x+ 5)2 · (4x3 + 6)
Beispiel 6.15.
h(x) = [sin(x4 + 2x)2]5
ist mehrfach geschachtelt mit f(x) = x5, g(x) = sinx, u(x) = x2, x4 + 2x und muss
deshalb schrittweise abgearbeitet werden:
h′(x) = (f(g(u(v(x)))))′ = f ′(g(u(v(x)))) [g(u(v(x)))]′ = f ′(g(u(v(x))))g′(u(v(x))) [u(v(x))]′
= f ′(g(u(v(x))))g′(u(v(x)))u′(v(x))v′(x),
also ist ([sin(x4 + 2x)2]5
)′= 5(sin(x4 + 2x)2)4 ·
(sin(x4 + 2x)2
)′= 5(sin(x4 + 2x)2)4 cos(x4 + 2x)2 ·
((x4 + 2x)2
)′= 5(sin(x4 + 2x)2)4 cos(x4 + 2x)2 · 2(x4 + 2x) ·
(x4 + 2x
)′= 5(sin(x4 + 2x)2)4 cos(x4 + 2x)2 · 2(x4 + 2x)(4x3 + 2).
2.6. Hohere Ableitungen. Die Ableitung der Ableitung von f bezeichnet man,
falls sie existiert, mit f ′′(x) oder f (2)(x) oder ddx
(ddxf(x)
)oder d2
dx2f(x) bzw. allgemein
f�ur die n-te Ableitung f (n)(x) oder ddx
(f (n−1)(x)
)oder dn
dxnf(x).
Man sagt, dass f n-mal di�erenzierbar bzw. stetig di�erenzierbar ist, wenn die n-te
Ableitung existiert bzw. existiert und stetig ist.
Man beachte, dass eine di�erenzierbare Funktion nicht notwendig zweimal di�eren-
zierbar sein muss.
Beispiel 6.16. Die Funktion
f(x) = x|x| =
{x2, f�ur x ≥ 0,
−x2, f�ur x < 0,
ist f�ur alle x ∈ R di�erenzierbar mit der Ableitung f ′(x) = 2|x|. Die Funktion
f ′(x) = 2|x| ist aber f�ur x = 0 nicht di�erenzierbar.
2. DIFFERENTATION 181
2.7. Umkehrfunktionen. Wir erweitern unsere Kenntnisse um die sogenannten
Umkehrfunktionen:
2.7.1. Grundlagen.
Definition 6.5. Es sei f eine auf I ⊆ R erkl�arte Funktion und D ⊆ I.
Man sagt, dass f �uber D umkehrbar ist, wenn zu jedem y ∈ f(D) die
Gleichung y = f(x) genau eine L�osung x ∈ D besitzt. In diesem Fall gibt
es eine Umkehrfunktion g : f(D) → D, die jedem y ∈ f(D) das durch
y = f(x) eindeutig bestimmte x ∈ D zu; d.h.
x = g(y) ⇐⇒ y = f(x).
Besitzt f �uber D die Umkehrfunktion g : f(D)→ D, dann gilt de�nitionsgem�a�:
f(g(y)) = y f�ur alle y ∈ f(D),
g(f(x)) = x f�ur alle x ∈ D.
Beispiel 6.17. Die lineare Funktion f(x) = ax + b mit a 6= 0 ist �uber ganz Rumkehrbar; die Umkehrfunktion ist
g(y) =1
a(y − b), y ∈ R.
g x =13x−2
f x=3x2 y=x
Beispiel 6.18. Dagegen hat die Gleichung y = x2 (y ≥ 0) i. Allg. zwei L�osun-
gen und deshalb besitzt die Funktion y = f(x) = x2 �uber R keine Umkehrfunkti-
on. Schr�ankt man dagegen die Funktion f(x) = x2 auf die nichtnegative (bzw.
nichtpositive) Halbachse ein, so besitzt f(x) eine Umkehrfunktion. Es gilt: �Uber
R+ := {x ∈ R : x ≥ 0} hat f(x) die Umkehrfunktion g1(y) =√y und �uber
R− := {x ∈ R : x ≤ 0} hat f(x) die Umkehrfunktion g2(y) = −√y.
182 6. STETIGKEIT UND DIFFERENTATION VON FUNKTIONEN EINER VER�ANDERLICHEN
f x= x2 y=x
g1x = x
g2=−x
Satz 6.12. Hauptsatz �uber Umkehrfunktionen
(1) Existenz
• Jede strikt monotone Funktion f : D → R ist umkehrbar.
• Jede �uber einem Intervall I stetig di�erenzierbare Funktion
f mit f ′(x) 6= 0 f�ur alle x ∈ I ist (�uber I) umkehrbar.
(2) Graph Ist f �uber D umkehrbar mit der Umkehrfunktion g :
f(D) → R, dann liegen der Graph y = f(x), y = g(x) symme-
trisch zur Geraden y = x.
(3) Ableitung Die Umkehrfunktion g : f(I) → R einer �uber dem
Intervall I ⊆ R umkehrbaren Funktion f ist in allen x ∈ f(I) mit
f ′(g(x)) 6= 0 di�erenzierbar und es gilt
g′(x) =1
f ′(g(x)).
Lemma 6.1. Ist die Funktion f : I → R in x0 ∈ I di�erenzierbar mit
f ′(x0) > 0 (bzw. f ′(x0) < 0), dann ist f(x) in einer Umgebung von x0
streng monoton wachsend (bzw. streng monoton fallend).
2. DIFFERENTATION 183
Beweis: Laut Voraussetzung gilt
limx→x0
f(x)− f(x0)
x− x0
= f ′(x0) > 0.
Das bedeutet, dass es ein δ > 0 gibt, so dass
f(x)− f(x0)
x− x0
≥ γ > 0 f�ur |x− x0| ≤ δ.
F�ur x > x0 ist deshalb
f(x)− f(x0) ≥ γ(x− x0) > 0 ⇐⇒ f(x) ≥ f(x0) + γ(x− x0) > f(x0).
Der Fall f ′(x0) < 0 kann analog bewiesen werden. #
Beweis: (des Satzes) zu (1): Ist f auf D strikt monoton, dann folgt aus x1 < x2
sofort f(x1) < f(x2) oder f(x1) > f(x2). Deshalb gibt es zu jedem y ∈ f(D) genau
ein mit y = f(x).
zu (2): Die Ableitung f ′(x) ist auf I stets positiv oder stets negativ, da sie sonst nach
dem Zwischenwertsatz (Satz 6.6) eine Nullstelle besitzen m�usste. Wegen Lemma 6.1
ist f strikt monoton und somit umkehrbar.
zu (2): Im kartesischen Koordinatensystem ist der zu (a, b) an y = x gespiegelte
Punkt gerade (b, a).Wegen y = f(x) ⇐⇒ x = g(y) geh�ort (x, f(x)) genau dann zum
Graph der Funktion f, wenn (y, g(y)) = (f(x), x) zum Graphen der Umkehrfunktion
g geh�ort.
zu (3): Aus y = f(x) und x = g(y) folgt y = f(x) = f(g(y)) und mit Hilfe der
Kettenregel ergibt sich
(y)′ = 1 = f ′(g(y)) · g′(y) ⇐⇒ g′(y) =1
f ′(g(y)).#
Beispiel 6.19. Die Funktion f(x) = x5 + x, x ∈ R, hat �uberall eine positive
Ableitung: f ′(x) = 5x4 + 1 > 0 und ist deshalb umkehrbar. Auch wenn wir die
Funktion g(y) nicht explizit angeben k�onnen, so wissen wir doch, dass gilt
g′(y) =1
f ′(g(y))=
1
5g(y)4 + 1.
In der Regel schreibt man g aber wieder als Funktion von x, d.h.
g′(x) =1
5g(x)4 + 1.
2.7.2. Wurzelfunktionen. Zu n ∈ N betrachten wir die Potenzfunktion fn(x) =
xn, x ∈ R. Fallunterscheidung:
(1) n gerade, n = 2k. In diesem Fall ist fn nicht �uber ganz R umkehrbar, da y =
x2k = (−x)2k. Wegen f ′n(x) > 0 f�ur x > 0 ist fn �uber R+ := {x ∈ R;x ≥ 0}umkehrbar. Die Umkehrfunktion ist gn(x) = n
√x f�ur x ∈ R+.
184 6. STETIGKEIT UND DIFFERENTATION VON FUNKTIONEN EINER VER�ANDERLICHEN
(2) n ungerade, n = 2k + 1. Mit einem ungeraden Exponenten ist die Potenz-
funktion �uber ganz R streng monoton wachsend und damit umkehrbar.
Folglich gilt:
y = n√x ⇐⇒ yn = x f�ur
{x ≥ 0, n ∈ N, n gerade,
x ∈ R, n ∈ N, n ungerade,
F�ur jede nichtnegative reelle Zahl x ≥ 0, jedes n ∈ N und m ∈ Z setzt man
x1n := n
√x, x
mn =
(x
1n
)m.
Zur Vermeidung von Fallunterscheidungen wird einheitlich der De�nitionsbereich
R+ := {x ∈ R : x ≥ 0} festgelegt.
F�ur einen beliebigen rationalen Exponenten α = nm∈ Q gilt:
d
dxxα = αxα−1, x > 0.
Beweis: Mit f(x) = xn und g(x) = n√x = x
1n erh�alt man f�ur die Ableitung
d
dxx
1n =
1
f ′(g(x))=
1
n(x
1n
)n−1 =1
nx
1n−1
und mit Hilfe der Kettenregel ergibt sich nun
d
dxxmn =
d
dx
(x
1n
)m= m
(x
1n
)m−1
· ddxx
1n = m
(x
1n
)m−1 1
nx
1n−1 = m
nxmn−1.
2.7.3. Arcussinus, Arcuscosinus, Arcustangens. Die Sinus- und Cosinusfunk-
tion sind o�ensichtlich nicht auf R umkehrbar, aber die Sinusfunktion ist �uber dem
Grundintervall −π2≤ x ≤ π
2strikt monoton wachsend und die zugeh�orige Umkehr-
funktion, de�niert auf [−1, 1] mit Werten in[−π
2, π
2
], hei�t Arcussinus-Funktion.
2. DIFFERENTATION 185
f(x) = arcsin x.
Die Arcussinus-Funktion ist de�niert durch
arcsinx : [−1, 1]→[−π
2,π
2
],
y = arcsinx ⇐⇒ sin y = x und − π
2≤ y ≤ π
2.
F�ur die Ableitung gilt:
d
dxarcsinx =
1√1− x2
, −1 < x < 1.
Beweis der Ableitung: Nach der Formel f�ur die Ableitung der Umkehrfunktion gilt
d
dxarcsinx =
1
(cos(arcsinx)).
Wir berechnen cos(arcsinx)). Es ist
cos2(arcsinx)) + sin2(arcsinx)) = cos2(arcsinx)) + (sin arcsinx)2 = cos2(arcsinx)) + x2 = 1
⇐⇒ cos2(arcsinx) = 1− x2 ⇐⇒ cos arcsinx =√
1− x2.#
�Uber dem Intervall (2k − 1)π2≤ x ≤ (2k + 1)π
2, k ∈ Z, nennt man den k-ten Zweig
des Arcussinus:
arcsink x : [−1, 1]→[(2k − 1)
π
2, (2k + 1)
π
2
],
y = arcsink x ⇐⇒ sin y = x und (2k − 1)π
2≤ y ≤ (2k + 1)
π
2.
Den nullten Zweig des Arcussinus bezeichnet man als Hauptzweig oder auch als
Hauptwerte.
Die Cosinusfunktion ist �uber dem Intervall 2kπ ≤ (2k+ 1)π, k ∈ Z, strikt monoton
und besitzt deshalb dort eine Umkehrfunktion, den k-ten Zweig des Arcuscosinus.
Den nullten Zweig nennt wiederum Hauptzweig oder Hauptwert.
186 6. STETIGKEIT UND DIFFERENTATION VON FUNKTIONEN EINER VER�ANDERLICHEN
Die Arcussinus-Funktion ist de�niert durch
arccosx : [−1, 1]→ [0, π] ,
y = arccosx ⇐⇒ cos y = x und 0 ≤ y ≤ π.
F�ur die Ableitung gilt:
d
dxarccosx =
−1√1− x2
, −1 < x < 1.
f(x) = arccos x.
Desgleichen besitzen die Tangens- und Cotangensfunktion �uber den o�enen Interval-
len((2k − 1)π
2, (2k + 1)π
2
)bzw. (2kπ, (2k + 1)π) jeweils eine Umkehrfunktion. Wir
behandeln nur die Hauptwerte (k = 0).
Die Umkehrfunktion des Tangens ist der Arcustangens
arctanx : R→(−π
2,π
2
),
y = arctanx ⇐⇒ tan y = x und − π
2≤ y ≤ π
2.
F�ur die Ableitung gilt:
d
dxarctanx =
1
1 + x2, x ∈ R.
2. DIFFERENTATION 187
y = arctanx
Die Umkehrfunktion des Cotangens ist der Arcuscotangens
arccotx : R→ (0, π) ,
y = arccotx ⇐⇒ cot y = x und 0 ≤ y ≤ π.
F�ur die Ableitung gilt:
d
dxarccotx =
−1
1 + x2, x ∈ R.
2.7.4. Exponential- und Logarithmusfunktion. Wie wir bereit gesehen hatten
ist
ex := exp(x) := limn→∞
(1 +
x
n
)n, x ∈∈ R.
Satz 6.13. Eigenschaften der e-Funktion
(1) Positivitat. e0 = 1, ex > 0 f�ur alle x ∈ R.(2) Ableitung. Die e-Funktion ist �uberall di�erenzierbar und es gilt
d
dxex = ex, x ∈ R.
(3) Funktionalgleichung.
ex+y = ex · ey, e−x =1
ex.
Beweisidee: zu (1) Es ist e0 := limn→∞(1 + 0
n
)n= 1. Aus der De�nition folgt au�er-
dem unmittelbar, dass ex ≤ 0 ist. Die strikte Positivit�at folgt aus der Stetigkeit und
exe−x = 1.
188 6. STETIGKEIT UND DIFFERENTATION VON FUNKTIONEN EINER VER�ANDERLICHEN
zu (2) Es ist naheliegend folgenderma�en zu beweisen:
d
dxex =
d
dxlimx→∞
(1 +
x
n
)n= lim
n→∞
d
dx
(1 +
x
n
)n= lim
n→∞
(1 +
x
n
)n−1
= ex.
Das ist zwar richtig, es muss aber begrundet werden, dass im vorliegenden
Fall der Grenzubergang limn→∞ und die Differentation ddx
vertauscht werden
durfen. Wie verzichten auf diesen Nachweis und den Beweis von (3).
Eine Folgerung aus (3) ist:
exp(rx) = [exp x]r f�ur x ∈ R, r ∈ Q. (17)
Da die e-Funktion �uber R strikt monoton w�achst, besitzt sie eine auf exp(R) = (0, ∞)
de�nierte Umkehrfunktion,
den nat�urlichen Logarithmus ln:
ln : (0, ∞)→ R, y = lnx ⇐⇒ ey = x.
Insbesondere gilt
ln(ex) = x f�ur alle x ∈ R; elnx = x f�ur alle x > 0.
Satz 6.14. Eigenschaften der Logarithmusfunktion
(1) Ableitung.. Die ln-Funktion ist �uberall di�erenzierbar; f�ur alle
x > 0 gilt
d
dxlnx =
1
x.
(2) Funktionalgleichung. der ln-Funktion
ln(xy) = ln x+ ln y, lnx
y= lnx− ln y, (x, y > 0).
Beweis: zu (1): Aus den Di�erentationsregeln ergibt sich
d
dxlnx =
1
exp′(lnx)=
1
exp(lnx)=
1
x.
(2) ist eine Folgerung aus der Funktionalgleichung f�ur die e-Funktion (siehe Satz
6.13): F�ur x, y ∈ (0, ∞) sei u := lnx, v := ln y, dann gilt x = eu und y = ev sowie
ln(xy) = ln(euev) = ln(eu+v) = u+ v = lnx+ ln y.
Der Sonderfall x = 1yzeigt ln 1
y= − ln y.
2. DIFFERENTATION 189
2.7.5. Allgemeine Exponential- und Logarithmenfunktionen. Es sei a > 0. Die
Formel (ex)r = erx (siehe 17) mit x = ln a ergibt ar = er ln a f�ur jede rationale Zahl
r ∈ Q. deshalb de�niert man
Definition 6.6. die Potenz ax f�ur beliebige x ∈ R durch
ax = ex ln a, (a > 0).
Man nennt x→ ax die Exponentialfunktion zur Basis a.
Die Eigenschaften dieser Funktion leitet man aus der De�nition und den Eigeneigen-
schaften der Logarithmus- bzw. der Exponentialfunktion her:
F�ur jede Folge rationaler Funktionen mit rn → x ist
ax = limn→∞
arn .
Weiterhin gilt:
axay = ax+y; (ab)x = axbx; (ax)y = axy;
ln(ax) = x ln a (x, y ∈ R, a, b > 0).
d
dxax = ax ln a, (x ∈ R, a > 0).
F�ur jede reelle Zahl α ∈ R erhalten wir als die Ableitung der Funktion f(x) = xalpha =
eα lnx :
f ′(x) = eα lnxα1
x= αxα
1
x= αxα−1.
Zu jeder Basis a > 0 ist die Exponentialfunktion f(x) = ax = ex ln a umkehrbar,
denn zu jedem y ∈ f(R) = (0, ∞) ist die Gleichung y = ex ln a eindeutig nach x
au �osbar:x = ln yln a. Nach Vertauschung von x mit y ergibt sich die explizite Form der
Umkehrfunktion loga { Logarithmus zur Basis a:
loga x =lnx
ln a, x ∈ (0, ∞).
und die Rechenregeln:
loga(xy) = loga x+ loga y,d
dxloga x =
1
x ln a.
190 6. STETIGKEIT UND DIFFERENTATION VON FUNKTIONEN EINER VER�ANDERLICHEN
3. Anwendung der Differentialrechnung: Kurvendiskussion
3.1. Maxima und Minima einer Funktion.
Definition 6.7. Es sei f : R ⊇ D → R eine auf D erkl�arte Funktion.
Die Funktion f hat in a ∈ D eine globales oder auch absolutes Maximum
(bzw. Minimum) wenn f(x) ≤ f(a) (bzw. f(x) ≥ f(a)) f�ur alle x ∈ D gilt.
In diesem Fall hei�t a globale Maximalstelle (bzw. Minimalstelle) und
f(a) globales Maximum (bzw. Minimum).
b ∈ D hei�t lokales oder auch relatives Maximum (bzw. Minimum), wenn
es ein (evtl. kleines) Intervall I um b gibt, so dass f(x) ≤ f(b) (bzw.
f(x) ≥ f(b)) f�ur alle x ∈ D ∩ I. Minima und Maxima sind Extrema.
Lemma 6.2. x0 ist Minimalstelle von f ⇔ x0 ist Maximalstelle von −f.
Satz 6.15. Ist f eine auf dem o�enen Intervall I di�erenzierbare Funk-
tion, so gilt:
Ist x0 ∈ I eine Extremstelle von f, dann ist f ′(x0) = 0.
Ein Punkt x ∈ D mit f ′(x) = 0 hei�t station�arer Punkt.
Beweis: Es sei x0 eine Maximalstelle in (x0 − ε, x0 + ε), ε > 0. D.h.
f(x) ≤ f(x0) f�ur alle x ∈ (x0 − ε, x0 + ε)
und damit
f(x)− f(x0)
x− x0
≥ 0 f�ur x0 − ε < x < x0 gilt f ′(x0) = limx→x0−
∆f(x)
∆x≥ 0.
Analog ergibt sich
f ′(x0) = limx→x0+
∆f(x)
∆x≤ 0 und damit f ′(x0) = 0.#
Die Bedinung f ′(x0) = 0 ist zwar notwendig f�ur ein Extremum, aber nicht hinrei-
chend wie das Beispiel f(x) = x3 in x = 0 zeigt. Der Satz gibt auch keine Ausskunft
�uber Extremalstellen an den Intervallenden, an Spitzen oder anderen Stellen, in den
f nicht di�erenzierbar ist. D.h.
3. ANWENDUNG DER DIFFERENTIALRECHNUNG: KURVENDISKUSSION 191
Die Kandidaten f�ur Extremalstellen von f : I → R sind:
(1) die Randpunkte des Intervalls I,
(2) die Punkte, in denen f nicht di�erenzierbar ist,
(3) die station�aren Punkte aus dem Innern des Intervalls I.
Beispiel 6.20. Es sei f(x) = | sinx| und I =[0, 5π
2
]⊆ R. Um die Extrema und
die Extremalstellen zu bestimmen, betrachten wir
(1) Randpunkte: | sin 0| = 0 und∣∣sin 5π
2
∣∣ = 1.
(2) In x = π und x = 2π ist die Funktion | sinx| nicht di�erenzierbar, da
f ′(π+) = − cosπ = 1 aber f ′(π−) = cos π = −1.
Analog f�ur x = 2π. Es ist | sin π| = | sin(2π)| = 0.
(3) In den Intervallen (0, π), (π, 2π) und (2π, 5π2
) ist f(x) = | sinx| di�eren-zierbar und es gilt:
f ′(x) =
{(sinx)′ = cosx, f�ur x ∈ (0, π) und
(2π, 5π
2
),
(− sinx)′ = − cosx, f�ur x ∈ (π, 2π).
Die station�aren Stellen sind die Nullstellen der ersten Ableitung in den
Intervallen:
cosx = 0 f�ur x =2k + 1
2π, k ∈ Z,
davon liegen in den von uns betrachteten Intervallen: x = π2und x = 3π
2.
Die dazugeh�origen Funktionswerte sind∣∣sin π
2
∣∣ =∣∣sin 3π
2
∣∣ = 1.
Damit sind x = 0, π, 2π lokale und globale Minimalstellen mit dem Minimum 0
und x = π2, 3π
2, 5π
2lokale und globale Maximalstellen mit dem Maximum 1. Wie
192 6. STETIGKEIT UND DIFFERENTATION VON FUNKTIONEN EINER VER�ANDERLICHEN
man auch leicht an dem Graphen der Funktion ablesen kann
y x=∣sinx ∣
3.2. Mittelwertsatz. Die folgenden Beobachtungen bilden das Fundament f�ur
weiterf�uhrende Betrachtungen.
Satz 6.16. Mittelwertsatz. Ist die Funktion f auf dem abgeschlossenen
Intervall [a, b] stetig und auf dem o�enen Intervall (a, b) diferenzierbar,
dann gibt es (wenigstens) einen inneren Punkt x0 ∈ (a, b) mit
f ′(x0) =f(b)− f(a)
b− a.
Beweis: Wir betrachten die Funktion
F (x) = f(x)− (x− b)(f(b)− f(a))
(b− a).
Sie ist im abgeschlossenen Intervall [a, b] stetig und hat deshalb nach Satz 6.6 we-
nigstens eine Extremalstelle x0 wegen F (a) = F (b) = f(b) liegt diese in (a, b), somit
gilt F ′(x0) = 0 und das bedeutet:
F ′(x0) = f ′(x0)−(f(b)− f(a))
(b− a)= 0. #
Bemerkung: Anschaulich bedeutet der Mittelwertsatz, dass f�ur mindestens ein x0 ∈(a, b) die Kurventangente parallel zur Sehne AB ist.
3. ANWENDUNG DER DIFFERENTIALRECHNUNG: KURVENDISKUSSION 193
Satz 6.17. Monotonieverhalten. F�ur eine im Intervall I di�erenzier-
bare Funktion f gilt:
(1) f ′(x) > 0 auf I ⇒ f ist auf I echt monoton wachsend.
(2) f ′(x) < 0 auf I ⇒ f ist auf I echt monoton fallend.
(3) f ′(x) ≥ 0 auf I ⇒ f ist auf I monoton wachsend.
(4) f ′(x) ≤ 0 auf I ⇒ f ist auf I monoton fallend.
(5) f ′(x) = 0 auf I ⇒ f ist auf I konstant.
Beweis: Wir beschr�anken uns auf die Aussagen f�ur (1). Zu x1 < x2 ∈ I gibt es nachdem Mittelwertsatz 6.16 und der Voraussetzung ein x0 mit x1 < x0 < x2 mit
f(x2)− f(x1)
x2 − x1
= f ′(x0) > 0.
Folglich ist f(x2) > f(x1). Alle anderen F�alle lassen sich analog behandeln. #
Folgerung: F�ur zwei auf einem Intervall I di�erenzierbare Funktionen f und g folgt:
f ′(x) = g′(x) f�ur alle x ∈ I ⇔ f(x) = g(x) + C f�ur alle x ∈ I (18)
mit einer Konstanten C ∈ R. (19)
Beispiel 6.21. F�ur die auf (−∞, ∞) de�nierte Funktion coshx = ex+e−x
2gilt
f ′(x) =ex − e−x
2= sinhx =
e−x
2(e2x − 1)
> 0, f�ur x > 0,
< 0, f�ur x < 0,
= 0, f�ur x = 0.
Folglich ist die Funktion coshx f�ur x < 0 streng monoton fallend und f�ur x > 0
streng monoton wachsend. Au�derdem besitzt sie in x = 0 einen station�aren
194 6. STETIGKEIT UND DIFFERENTATION VON FUNKTIONEN EINER VER�ANDERLICHEN
Punkt, hier liegt eine lokale (und globale) Minimalstelle vor.
3.3. Hyperbelfunktionen und ihre Umkehrfunktionen.
Die Hyperbelfunktionen sind
sinhx :=ex − e−x
2, coshx :=
ex + e−x
2, tanhx :=
sinhx
coshx, cothx :=
coshx
sinhx.
Zur Aussprache der Funktionennamen, z.B. sinh wird ausgesprochen"Sinus hyper-
bolicus\, die �ubrigen Namen analog. Den Namen verdanken diese Funktionen dem
folgenden Zusammenhang mit der Hyperbel x2 − y2 = 1 :
x=cosh t , y=sinht
Flächenihalt t
Hyperbel x2− y2=1
Punkt auf der Hyperbel:
cosh t
sinh t
Insbesondere gilt somit
cosh t 2−sinh t 2=1
3. ANWENDUNG DER DIFFERENTIALRECHNUNG: KURVENDISKUSSION 195
Beispiel 6.22. Anwendung: Ein homogenes, nur durch das Eigengewicht be-
lastetes Seil hat die Form einer Kettenlinie:
y(x) = a cosh
(x− ba
)+ c
mit Konstanten a, b, c ∈ R.
Aus der Darstellung der hyperbolischen Funktionen geweinnt man leicht die For-
meln f�ur die Ableitungen, es ist
sinh′ x = coshx, cosh′ x = sinhx, tanh′ x =1
cosh2 x.
Die Die Funktion sinhx ist f�ur alle x ∈ R umkehrbar, dagegen ist die Funktion coshx
nur f�ur einen Zweig umkehrbar, in diesem Fall entscheidet man sich f�ur x ≥ 0 und
erh�alt f�ur sinhx :
y = sinhx =ex − e−x
2=e−x
2(e2x − 1) ⇐⇒ 2yex = e2x − 1 = (ex)2 − 1 ⇐⇒
Wir l�osen diese quadratische Gleichung f�ur ex und erhalten
ex = y ±√y2 + 1
Wegen ex > 0 f�ur alle x ∈ R entf�allt die L�osung mit dem Minus und wir haben
ex = y +√y2 + 1
Logarithmieren ergibt nun
x = ln(y +√y2 + 1).
Schreibt in die Funktion nun in �ublicher Form als Funktion von x so erh�alt man als
Umkehrfunktionen:
arsinhx := ln(x+√x2 + 1), x ∈ R.
Analog erh�alt man f�ur coshx als Umkehrfunktion
arcoshx := ln(x+√x2 − 1), x > 1.
Zur Aussprache:"arsinh\ wird ausgesprochen als
"area sinus hyperbolicus\ (arcosh
196 6. STETIGKEIT UND DIFFERENTATION VON FUNKTIONEN EINER VER�ANDERLICHEN
analog.) Mit Hilfe der der Kettenregel berechnet man die Ableitungen der area-
Funktionen:
d
dxarsinhx = ln(x+
√x2 − 1) =
1
(x+√x2 + 1)
·(
1 +1
2
1√x2 + 1
· 2x)
=(x+
√x2 + 1)
(√x2 + 1)(x+
√x2 + 1)
=1√
x2 + 1.
Analog erh�alt man die Ableitung von arcoshx.
Ableitungen:
d
dxarsinhx =
1√x2 + 1
x ∈ R,
d
dxarcoshx =
1√x2 − 1
x > 1.
3.4. Kurvendiskussion.
Satz 6.18. 1. Extremwert-Test. Eine auf dem o�enen Intervall (a, b)
di�erenzierbare Funktion f hat im station�aren Punkt x0 ∈ (a, b) ein
lokales Maximum (bzw. lokales Minimum), wenn die Ableitung f ′(x)
unmittelbar links von x0 (also in einer kleinen einseitigen linken Um-
gebung (x0 − ε, x0) (ε > 0)) positiv, rechts von x0 negativ (bzw. links
negativ, rechts positiv) ist.
Satz 6.19. 2. Extremwert-Test. Ist f auf (a, b) zweimal stetig di�eren-
zierbar und x0 ∈ (a, b) ein station�arer Punkt, dann gilt
(1) f ′′(x0) < 0⇒ f hat in x0 ein lokales Maximum,
(2) f ′′(x0) > 0⇒ f hat in x0 ein lokales Minimum.
Beweisidee: Die erste Ableitung f ′ ist in einer kleinen Umgebung von x0 streng mo-
noton wachsend bzw. fallend und hat in x0 einen Vorzeichenwechsel. #
Auch das Kr�ummungsverhalten der Kurve y = f(x) kann man am Vorzeichen von f ′′
erkennen.
3. ANWENDUNG DER DIFFERENTIALRECHNUNG: KURVENDISKUSSION 197
Satz 6.20. Krummungs-Test.
(1) f ′′ > 0 im Intervall I, so ist die Kurve y = f(x) konvex von unten
(Linkskr�ummung).
(2) f ′′ < 0 im Intervall I, so ist die Kurve y = f(x) konvex von oben
(=konkav von unten) (Rechtskr�ummung).
Definition 6.8. Diejenigen Punkte, in denen y = f(x) von einer Links-
kr�ummung in eine Rechtskr�ummung oder von einer Rechtskr�ummung
in eine Linkskr�ummung �ubergeht, hei�en Wendepunkte.
Kandidaten f�ur Wendepunkte von f : I → R sind:
(1) die Punkte aus I, in denen f ′′ nicht existiert;
(2) die Punkte aus I, in denen f ′′ = 0 ist.
Beispiele:
x0 x
0x0
f ' '=0
f ' '0 f ' '0
f ' '0 f ' '0f ' '0
f ' '0
Satz 6.21. Wendepunkt-Test. f ′′(x0) = 0, f ′′′(x0) 6= 0 ⇒ f hat in x0
einen Wendepunkt.
Beweis: Nach Satz 6.19 ist in x0 eine Extremalstelle der Ableitung, also ein Wende-
punkt. #
198 6. STETIGKEIT UND DIFFERENTATION VON FUNKTIONEN EINER VER�ANDERLICHEN
3.5. Kurvendiskussion eines Graphen. Ziel einer Kurvendiskussion ist die
Feststellung Verhaltens eines Graphen einer Funktion y = f(x). Im folgenden ge-
ben wir eine Liste der Punkte an, die bei einer Kurendiskussion untersucht werden
k�onnen:
(1) Definitions- und Wertebereich. Hier ist der maximale De�nitionsbereich
f�ur die Funktion y = f(x) gemeint. Man achte insbesondere auf isolierte
Singulari�aten und untersuche diese dahingehend, ob die Funktione stetig
erg�anzt werden kann ("zude�niniert\ werden kann).
(2) Symmetrie. Ist die Funktion f(x) symmetrisch zur y-Achse, d.h. gilt f�ur
alle x : f(−x) = f(x), so nennt man f eine gerade Funktion.
Ist f(x) symmetrisch zum Ursprung, d.h. es gilt f�ur alle x : f(−x) = −f(x),
so nennt man f eine ungerade Funktion.
(3) Pole. Hat f(x) die Form f(x) = g(x)(x−x0)k
mit g(x) stetig und g(x0) 6= 0, so
besitzt f(x) f�ur ungerade k einen Pol mit Vorzeichenwechsel, f�ur gerade k
eine Pol ohne Vorzeichenwechsel in x0.
(4) Verhalten im Unendlichen. Bestimmung der Grenzwerte limx→∞
f(x) und
limx→−∞
f(x), falls sie existieren.
Untersuchung auf Asymptoten. Eine Gerade y = ax + b hei�t Asymptote
von f(x) f�ur x → ±∞, falls gilt limx→±∞
[f(x) − ax − b] = 0. Dabei ist b =
limx→±∞
[f(x)− ax] und a = limx→±∞
f(x)x.
(5) Nullstellen.
(6) Bestimmung der Extrema und Extremalstellen, Monotonieverhalten
Man untersuche alle Kandidaten f�ur Extrema.
(7) Wendepunkte und Krummungsverhalten. Man untersuche alle Kandi-
daten f�ur Wendepunkte.
(8) Skizze.
Beispiel 6.23. F�ur die folgende Funktion sei eine Kurvendiskussion durch-
zuf�uhren:
y = f(x) =2x2 + 3x− 4
x2.
(1) De�nitionsbereich: R\{0}. Die Funktion kann f�ur x = 0 nicht stetig
erg�anzt werden, da der Grenzwert
limx→0
2x2 + 3x− 4
x2
nicht existiert, da
limx→0
2x2 + 3x− 4
x2= lim
x→02 +
3x− 4
x2= −∞.
Den Wertebereich erh�alt man aus den sp�ateren Resultaten zu(−∞, f(8
3) ≈ 2.56
].
(2) Symmetrie: Die Funktion ist weder gerade noch ungerade.
3. ANWENDUNG DER DIFFERENTIALRECHNUNG: KURVENDISKUSSION 199
(3) Pole: x0 = 0 ist eine Polstelle ohne Vorzeichenwechsel.
(4) Asymptoten:
limx→±∞
2x2 + 3x− 4
x2= 2,
(und
limx→±∞
f(x)
x= lim
x→±∞
2x2 + 3x− 4
x3= 0.
) Die Asymptote ist also y = 2.
(5) Nullstellen:
f(x) = 0 ⇔ 2x2 + 3x− 4 = 0
⇔ x1/2 = −3
4±√
9
16+
32
16=
1
4(−3±
√41).
x1 ≈ −2.35 und x2 ≈ 0.85.
(6) Extrema: 1. Randpunkte gibt es nicht zu untersuchen, da die gesamte
reelle Achse betrachtet wird.
2. Die Funktion ist in x0 = 0 weder de�niert noch stetig, noch di�eren-
zierbar.
3.
y′ =(4x+ 3)x2 − 2x(2x2 + 3x− 4)
(x2)2=
4x3 + 3x2 − 4x3 − 6x2 + 8x
x4
=−3x+ 8
x3= 0 f�ur x3 =
8
3.
Weiterhin ist
y′′(
8
3
)=−3x3 − 3x2(−3x+ 8)
x6
∣∣∣∣x= 8
3
=6x− 24
x4
∣∣∣∣x= 8
3
=483− 24(83
)4 < 0
Somit hat f(x) in x3 = 83ein lokales Maximum mit f(x3) ≈ 2.56.
Monotonie:
y′(x) =
< 0 : 8
3< x <∞, echt monoton fallend,
> 0 : 0 < x < 83, echt monoton wachsend,
< 0 : −∞ < x < 0, echt monoton fallend.
(7) Wendepunkte: Die Funktion ist in x0 = 0 nicht de�niert. Da aber rechts
und links von x0 = 0 die zweite Ableitung existiert und dasselbe Vorzei-
chen hat, ist x0 = 0 kein Wendepunkt. Weiterhin ist
y′′ = 0 ⇐⇒ x = x4 = 4 mit f(x4) =5
2
und es ist
y′′′(x4) =6x4 − 4x3(6x− 24)
x8
∣∣∣∣x=4
=−18x4 + 96x3
x8
∣∣∣∣x=4
= 6 6= 0
200 6. STETIGKEIT UND DIFFERENTATION VON FUNKTIONEN EINER VER�ANDERLICHEN
und deshalb ist x4 = 4 ein Wendepunkt.
Kr�ummungverhalten:
y′′(x) =
> 0 : 4 < x <∞, konvex von unten,
< 0 : 0 < x < 4, konvex von oben,
< 0 : −∞ < x < 0, konvex von oben.
(8) Skizze
Asymptote y=2
Wendepunkt bei x=4,
globales Maximum bei x=x3=8/3.
y= f x =2x23x−4x2
3.6. L’Hospitalsche Regel. Hier geht es um die Bestimmung von Grenzwerten
von sogenannten"unbestimmten\ Ausdr�ucken, wie z.B.
limx→0
sinx
x.
Dies ist ein unbestimmter Ausdruck der Form 00, weil der Z�ahler und der Nenner gegen
Null streben und man deshalb nicht wei�, ob der Grenzwert existiert, nicht existiert,
endlich oder unendlich ist. Wie wir bereits gezeigt haben gilt limx→0sinxx
= 1.
Beispiel 6.24. F�ur einen unbestimmten Ausdruck kann der Grenzwert exi-
stieren, nicht existieren, endlich oder unendlich sein. Dazu geben wir jeweils
ein Beispiel an. Der Grenzwert
limx→0
3x
x= 3
existiert und ist endlich, der Grenzwert
limx→0
|x|x
existiert nicht, da
limx→0−0
|x|x
= limx→0−0
−xx
= −1, aber limx→0+0
|x|x
= limx→0+0
x
x= 1.
und der Grenzwert existiert nicht. Der n�achste Grenzwert ist +∞ :
limx→0
x
x3= +∞.
3. ANWENDUNG DER DIFFERENTIALRECHNUNG: KURVENDISKUSSION 201
Es gibt weitere unbestimmte Ausdr�ucke, n�amlich ∞∞ , ∞−∞, 0 · ∞, 1∞. Zur Be-
rechnung von Grenzwerten derartiger unbestimmter Ausdr�ucke ist die folgende Regel
sehr hilfreich. Sie direkt auf die F�alle 00und ∞
∞ und nach Umformung der entspre-
chenden Ausdr�ucke auch auf alle anderen.
Satz 6.22. Sind f und g auf dem Intervall a < x < b di�erenzierbare
Funktionen, g′(x) 6= 0, mit den folgenden beiden Eigenschaften
(1) f(x)→ 0, g(x)→ 0 oder f(x)→∞, g(x)→∞ f�ur x→ b−.(2) lim
x→b−f ′(x)g′(x)
= L mit L ∈ R ∪ {−∞, ∞},
dann gilt
limx→b−
f(x)
g(x)= lim
x→b−
f ′(x)
g′(x).
Entsprechendes gilt f�ur x→ a+, x→∞, x→ −∞.
ohne Beweis.
Bemerkung 6.3. Es kommt h�au�g vor, dass man den zur Anwendung der
L'Hospitalschen Regel ben�otigten Wert limx→b−f ′(x)g′(x)
selbst erst mit dieser Regel
ermittelt, sofern f ′, g′ anstelle f, g die Voraussetzungen des Satzes erf�ullen.
Beispiel 6.25. Bei der Anwendung der L'Hospitalschen Regel ist als erstes
immer der Typ des unbestimmten Ausdruck zu bestimmen und dann auf die
Form"
00\ bzw.
"∞∞\.
limx→3
x3 − x2 − 5x− 3
3x2 − 7x− 6ist vom Typ
0
0.
Wir k�onnen die Regel also sofort anwenden:
limx→3
x3 − x2 − 5x− 3
3x2 − 7x− 6= lim
x→3
3x2 − 2x− 5
6x− 7=
16
11.
Als n�achstes wollen wir den Grenzwert
limx→∞
x ln
(x+ 1
x− 1
)vom Typ ∞ · 0
bestimmen, dazu m�ussen wir den Ausdruck aber erst umformen. Gilt limx→b− f(x) =
∞ und limx→b− g(x) = 0, dann formen wir wie folgt um:
f(x) · g(x) =g(x)
1f(x)
und erhalten einen Ausdruck vom Typ"
00\. Man beachte, dass der gesamte
Nenner 1f(x)
in der L'Hospitalschen Regel di�erenziert werden muss. F�ur unser
202 6. STETIGKEIT UND DIFFERENTATION VON FUNKTIONEN EINER VER�ANDERLICHEN
Beispiel hei�t das:
limx→∞
x ln
(x+ 1
x− 1
)= lim
x→∞
ln(x+1x−1
)1x
= limx→∞
(x−1x+1
) ( (x−1)−(x+1)(x−1)2
)− 1x2
= limx→∞
(−2)(−x2)
(x+ 1)(x− 1)= lim
x→∞
2x2
x2 − 1= 2.
Der Grenzwert
limx→0
(1
x− 1
sinx
)ist vom Typ
"∞−∞\
und muss deshalb erst umgeformt werden. Es gilt f�ur limx→b− f(x) = ∞ und
limx→b− g(x) =∞ :
f(x)− g(x) = f(x)g(x)
(1
g(x)− 1
f(x)
)Typ
"∞ · 0\
und wird deshalb weiter umgeformt zu
=
1g(x)− 1
f(x)
1f(x)g(x)
Typ"
00.\
F�ur das Beispiel bedeutet dies:
limx→0
(1
x− 1
sinx
)= lim
x→0
1
x sinx(sinx− x) = lim
x→0
sinx− xx sinx
= limx→0
cosx− 1
sinx+ x cosx
ist wieder vom Typ"
00\, deshalb nochmalige Anwendung der Regel:
= limx→0
− sinx
cosx+ cosx− x sinx= 0.
Weitere unbestimmte Ausdr�ucke sind 00 und 0∞.
Beispiel 6.26. Es sei limx→0 xx zu berechnen. Es ist
xx = elnxx
= ex lnx
und damit ist
limx→0
xx = limx→0
ex lnx = exp(limx→0
x lnx) = exp
(lnx
1x
)= exp
( 1x
− 1x2
)= exp(lim
x→0
−x2
x) = 1.
Beispiel 6.27. Der Grenzwert limx→∞(1 + 1
x
)xist vom Typ
"1∞\. Wir formen
wir im vorigen Beispiel um:(1 +
1
x
)x= exp
(x ln
(1 +
1
x
))Der letzte Ausdruck im Exponenten ist f�ur x→∞ vom Typ
"∞· 0\, nach einer
weiteren Umformung ergibt sich
exp
(x ln
(1 +
1
x
))= exp
(ln(1 + 1
x
)1x
).
3. ANWENDUNG DER DIFFERENTIALRECHNUNG: KURVENDISKUSSION 203
Anwendung der L'Hospitalschen Regel ergibt nun:
limx→∞
(1 +
1
x
)x= exp
(limx→∞
ln(1 + 1
x
)1x
)=
exp
(limx→∞
xx+1
(−1)x2
−1x2
)= exp
(limx→∞
x
x+ 1
)= e1 = e.
Bemerkung 6.4.
(1) Die L'Hospitalsche Regel ist nur auf unbestimmte Ausdr�ucke vom Typ
"00\ bzw.
"∞∞\ anwendbar. Liegen andere unbestimmte Ausdr�ucke vor,
so m�ussen sie erst auf die Gestalt"
00\ bzw.
"∞∞\ gebracht werden, damit
die Regel angewandt werden kann.
(2) Die Regel kann mehrfach hintereinander angewandt werden, wenn in in
jedem Schritt die Vorrausetzungen f�ur die Anwendung der Regel erfullt
sind.
(3) Man verwechsle die Anwendung der L'Hospitalschen Regel nicht mit der
Di�erentation von Quotienten. Bei der L'Hospitalschen Regel werden
(so sie anwendbar ist) Z�ahler und Nenner di�erenziert und dann der
Grenzwert gebildet.
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