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Blick über die Streuobstwiese am 24.03.2012

Streuobstwiese der St.-Jacobi-Gemeinde Göttingen

am Sommerberg bei Elliehausen/Knutbühren

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Geschichte, Entwicklung der Streuobstwiese Vor gut 20 Jahren ist in der Göttinger St.-Jacobi-Gemeinde der Wunsch entstanden, eine Streuobstwiese anzulegen. Interessierte Gemeindemitglieder sollten die Gelegenheit haben, in Erinnerung an eine Taufe oder Trauung einen Obstbaum zu pflanzen und sein Wachsen und Werden parallel zum Werden und Wachsen des Täuflings oder der Ehe über die Jahre zu verfolgen. Zusammen mit dem Liegenschaftsamt des Kirchenkreisamtes wurde aus möglichen Flächen im Kirchenbesitz diese Fläche ausgesucht und in Abstimmung mit dem Pächter aus der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung herausgenommen. Im April 1995 wurden unter der fachkundigen Anleitung von Prof. Bombosch von der forstwirtschaftlichen Fakultät der FH Hildesheim/Holzminden die ersten 33 Bäume gepflanzt. Aus den alten Gemeindebriefen geht weiterhin hervor, dass in den Folgejahren immer wieder bei alljährlichen Gemeindefesten Nach- und vor allem Neupflanzungen vorgenommen wurden. Ende 2005 waren es demnach bereits „fast 100 Bäume“. 2006 und 2007 wurden die letzten größeren Pflanzaktionen vorgenommen. Es waren nun 127 Bäume. Ab etwa 2001 scheint die anfängliche Euphorie für die Streuobst-wiese jedoch etwas nachgelassen zu haben. Es finden sich deutlich weniger Mitteilungen und Ankündigungen in den Gemeindebriefen und vermutlich fehlte es auch an Möglichkeiten, die notwendigen Pflegemaßnahmen durchzuführen. Man beschränkte sich auf die Neupflanzungen. Mit dem Jahreswechsel 2007/2008 wurde beschlossen, die Streuobstwiese nicht weiter zu vergrößern, sondern sich stattdessen der dringend notwendigen Pflege zu widmen. In diesem Zusammenhang ist dann mir die Betreuung und Bewirtschaftung der St.-Jacobi-Streuobstwiese anvertraut worden und ich habe mich schnell in dieses idyllische Fleckchen Erde verliebt. Die erste Inventur zum Zustand der Bäume offenbarte zwar einen deutlichen Pflegemangel (Verwachsungen, Fegeschäden, eingewachsene Schutz-manschetten etc.), aber das hat mich keineswegs abgeschreckt. Ganz im Gegenteil! Es war schnell klar, was für ein kleines Paradies diese Streuobstwiese sein könnte. Meine ersten Maßnahmen waren die komplette Erneuerung des Wildschutzes an den einzelnen Stämmen und eine durchgehende Nummerierung der einzelnen Bäume. Aufgrund der begrenzten zeitlichen und finanziellen Möglichkeiten habe ich mich beim Pflegeschnitt anfangs nur auf die jungen Bäume konzentriert, damit wenigstens die von Anfang an eine langlebige Kronenstruktur aufbauen können. Blieben danach noch zeitliche Freiräume, so habe ich mich nach und nach um den Pflegerückstand bei den älteren Bäumen gekümmert – vom schlimmeren Ende her beginnend. So konnte ich die Streuobstwiese in den zurückliegenden sechs Jahren nach und nach reaktivieren und wieder in ein zukunftsträchtiges Projekt verwandeln. Das betrifft auch den Stellenwert der Streuobstwiese in der Gemeinde, doch darüber berichte ich im Abschnitt „Öffentlichkeitsarbeit“ mehr. Baumanzahl, Vielfalt der Obstsorten 127 Bäume wachsen aktuell wieder auf der Jacobi-Streuobstwiese. Einzelne infolge von Fegeschäden, Wurzelfraß durch Wühlmäuse oder ausgebliebene Wässerung im heißen Sommer des jeweils ersten Standjahres ausgefallene Bäume wurden von mir in den letzten sechs Jahren im Zuge neuer Patenschaften nach und nach ersetzt. Die letzte Pflanzung erfolgte im Herbst 2012. Die Altersstruktur lässt sich demnach in etwa wie folgt einteilen: 25% der Bäume stehen seit Gründung der Wiese dort (seit 20 Jahren). Weitere 25% sind

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in den ersten fünf Jahren gepflanzt worden und jetzt 15-20jährig. Die zweite Hälfte der Bäume ist eher jüngeren Datums, zwischen 2007 und 2012 gepflanzt. Bezüglich der Obstarten findet man alles, was man sich vorstellen kann. Apfelbäume dominieren zwangsläufig, gefolgt von Birnenbäumen. Es wachsen dort aber auch Sauer- und Süßkirschen, Pflaumen/Zwetschgen und Mirabellen, drei Quitten sind dabei, ein Walnussbaum und eine kleine Esskastanie. Das eigentliche Wildobst ist mit zwei Speierlingen und der 2011 gepflanzten Elsbeere (damals Baum des Jahres) vertreten. Bis auf ganz wenige Ausnahmen sind ausschließlich Hochstämme gepflanzt worden. Die nachfolgende Liste der Obstsorten ist noch nicht vollständig. Es handelt sich dabei in erster Linie um die jüngeren Bäume. Von den älteren Bäumen sind die Sorten nicht überliefert worden. Wir sind jedoch bemüht, mittels Pomologen und anderer Fachleute die Sorten der älteren Bäume nachzubestimmen und beginnen hierfür eine Kooperation mit dem hiesigen Landschaftspflegeverband. Folgende Sorten sind im Sortiment am Sommerberg vorhanden: Apfel: Biesterfelder Renette, Gelber Edelapfel, Gelber Richard, Goldparmäne, Graue

Renette, Holsteiner Cox, Ingrid Marie, Jacob Fischer, Jacob Lebel, James Grieve, Kaiser Wilhelm, Klarapfel, Prinzenapfel, Rheinischer Bohnapfel, Riesenboiken, Roter Berlepsch, Roter Boskoop, Roter Eiserapfel, Schöner von Bath, Schöner von Herrnhut, Hessische Tiefenblüte, Weißer Glockenapfel, Zabergäu Renette, Signe Tilli(s)ch

Birne: Conference, Gellerts Butterbirne, Gute Graue, Clapps Liebling, Köstliche von Charneux, Madame Verté, Nordhäuser Winterforelle, Schweizer Wasserbirne, Vereinsdechantsbirne, Williams Christ

Kirsche: Burlat, Büttners Rote Knorpel, Gerema, Katalin, Kordia, Oktavia, Regina, Schneiders Späte Knorpel, Ungarische Weichsel

Pflaume: Mirabelle von Nancy, Bühler Frühzwetschge, Große Grüne Reneklode, Hauszwetschge, The Czar

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Streuobstwiese am 2. September 2011

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Die Streuobstwiese der Göttinger St.-Jacobi-Gemeinde liegt westlich der Stadt zwischen den Orten/Dörfern Elliehausen und Knutbühren am Sommerberg. Die dreieckige Fläche wird von zwei Seiten schützend von einem Buchen-Mischwald umgeben, wobei der Übergang vom Hochwald zur Streuobstwiese durch einen breiten Strauchstreifen (vor allem Schlehe, aber auch Wildrose, Weißdorn, Schneeball, Waldrebe u.a. heimische Gehölze) gebildet wird. Die dritte und mit 250 m längste Seite der Wiesenfläche grenzt an landwirtschaftlich genutzte Flächen an (vor allem Getreide und Raps). Um die landwirtschaftlichen Maschinen auf Abstand zur letzten Obstbaumreihe zu halten, haben wir in den zurückliegenden fünf Jahren begonnen, dort ebenfalls Sträucher zu pflanzen (Aronien, Wildrosen, Schneeball, ...) und eine Benjeshecke aus dem anfallenden Baumschnittmaterial zu errichten. Die also nach unten offene, südwestlich ausgerichtete Hanglage der Wiese ermöglicht Mensch und Tier in idealer Weise den Genuss der Sonnenstrahlen bis in den späten Abend hinein. Zusammen mit der geschützten Lage (vom verkehrsreichen und lauten Leinetal abgewandte Bergseite, windgeschützte Waldrandlage, kaum externer Besuch durch Spaziergänger) macht das vor allem den landschaftlichen Reiz unserer Streuobstwiese aus (siehe Titelbild). Naturschutzaspekt, Artenvielfalt auf der Streuobstwiese Waldrandlage ist für Obstwiesen laut Fachliteratur an sich nicht empfehlenswert und ich habe mich dadurch vermutlich auch mehr als andere um den Wild- und Mäuseschutz für die Bäume zu kümmern. Aber gerade in Hinblick auf die Vielfältigkeit an Leben auf der Wiese (Biodiversität) ist diese Kombination der Biotope unglaublich reizvoll. Das bellende „Schrecken“ des Rehwilds kreist zur entsprechenden Jahreszeit abends rund um die Wiese, in Brunft- und Paarungszeit geht die wilde Jagd auch schon mal mitten zwischen den Obstbäumen hindurch. Wildschweine wühlen die Mäusegänge auf, Hase und Fuchs sind mir auf der Wiese ebenfalls schon begegnet. Bussard und Milan ziehen ihre Kreise über der Wiese und den benachbarten Wäldern und Feldern, abends ruft das Käuzchen aus dem Wald. Auch die Vielfalt der Singvögel spiegelt die Verzahnung von Lebensräumen der Wald-, Feld- und Gartenbewohnern wieder (bspw. Buchfink, Lerche, Rotkehlchen). Eidechsen huschen in der warmen Sommersonne über die kleine Kalksteinmauer am oberen Wiesenrand und unter den schwarzen Mäusekübeln (dazu mehr unter dem Punkt „Bewirtschaftung“) fühlen sich aufgrund der Wärme die Blindschleichen besonders wohl.

Sehr beeindruckend ist für mich jedes Jahr aufs Neue auch die Blütenvielfalt im Jahresverlauf. Irgendetwas blüht da immer. Die Schlehen fangen im zeitigen Frühjahr an. Aufgrund der umfangreichen vorhandenen Obstarten erstreckt sich auch die Dauer der Obstblüte über einen längeren Zeitraum (Kirsche-Pflaume-Birne-Apfel). Zeitgleich entwickelt sich ein Meer von Löwenzahnblüten, gefolgt von einer See aus Margeriten und

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zum Hochsommer hin beginnen Flockenblumen, Skabiosen, Disteln usw. ihren Wettbewerb um die Gunst der Bestäuber. Und selbst im bereits herbstlichen September zeigen sich dann vereinzelt noch die beeindruckend tiefblauen Blüten des Fransenenzians – neben dem sporadisch auftretenden Knabenkraut (?) die botanische Besonderheit auf unserer Wiese.

Diese Blütenvielfalt ist geradezu ein Eldorado für die vielfältigsten Insekten. So viele verschiedene Schmetterlingsarten, wie auf unserer Streuobstwiese im Sommer hin- und herschaukeln, finde ich sonst nirgends. Doch auch an weniger ins Auge fallenden Insekten herrscht ein mannigfaltiges Treiben auf unserer Streuobstwiese (Erdwespen, Hummeln, Hornissen, viele verschiedene Spinnen, Grashüpfer, Käfer, Schwebefliegen...) Dieses Insekten-Eldorado hat mich bewogen, eine Hobby-Imkerin zu motivieren, ein paar Völker auf unserer Streuobstwiese zu beheimaten.

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Auch wenn unsere Streuobstwiese bereits von Natur aus in vielfältiger Weise als Lebensraum fungiert, bin ich bemüht, es einzelnen Arten auch durch meine Form der Bewirtschaftung noch „wohnlicher zu machen“. Für die Greifvögel habe ich mehrere Ansitzstangen errichtet. Durch die Benjeshecke und die zusätzlich gepflanzte Strauchreihe hoffe ich Lebensraum für Niederwild und Singvögel zu schaffen bzw. auch für Totholzbesiedler und für die Reptilien errichten wir als Pendant zur Kalksteinmauer am Waldrand nun am anderen Wiesenende einen Steinhaufen. Und für die Insektenvielfalt lasse ich bewusst verschiedene Bereiche der Wiese ungemäht, zum einen im Sommer die jeweils noch blütenreichsten Partien, um die Nahrungsgrundlage nicht auf einen Schlag zu vernichten, und zum zweiten lasse ich Teilbereiche auch ungemäht in den Winter gehen, um möglichst strukturreiche Überwinterungsmöglichkeiten zu belassen.

Pflege, Bewirtschaftung der Streuobstwiese Der Jahreszyklus meiner Pflegearbeiten beginnt im Februar/März mit dem Obstbaumschnitt. Ab und an entferne ich aus dem angrenzenden Strauchstreifen auch die Baumverjüngung bzw. schneide die Schlehen etwas zurück, damit uns der natürliche Sukzessionsvorgang des nahen Waldes nicht allmählich überrollt. Das anfallende Schnittmaterial findet Verwendung bei der Ergänzung und Erweiterung der Benjeshecken am unteren Wiesenrand. Das gilt auch für das Material aus dem Sommerschnitt (Kirschen). Im Laufe des Jahres, zumeist im Spätsommer, überprüfe ich gezielt einmal den Stammschutz auf stabilen, aber doch ausreichend lockeren Sitz. Drei verschiedene Stammschutz-manschetten finden derzeit noch auf der Wiese Verwendung, um vor allem Fegeschäden durch die Rehböcke zu vermeiden. Gemäß dem natürlichen Dickenwachstum gibt es für alle Bäume jeweils die aktuell passende „Konfektionsgröße“. Darüber hinaus tausche ich nach und nach ein Manschettenmodell aus, dass den Stamm zu sehr beschattet, zu wenig Luftzirkulation zulässt und somit bei zu engem Sitz leicht zu Hitzeschäden am Stamm führt. Für den Übergang von diesen stark beschattenden Manschetten zu deutlich lichtdurchlässigeren Gitterhüllen versehe ich besonders glattrindige Bäume mit sehr sonnenexponiertem Stamm mit einem Weißanstrich (ArboFlex).

2012: Baum 14 nach dem Schnitt

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Das größte Problem insbesondere für die jungen Bäume sind jedoch die Mäuseschäden. In einem Teilbereich ist die Wiese geradezu überzogen von Wühlmausgängen. Dennoch verwende ich keine chemischen Mittel zu deren Bekämpfung, sondern setzte rein auf die natürliche oder mechanische Kontrolle der Mäusepopulation. In erster Linie versuche ich dabei den Lebensraum für die natürlichen Feinde der Mäuse attraktiver zu machen (Ansitzstangen, Benjeshecke, Strauchstreifen). Die besonders mäusegefährdeten Partien (dort stehen auch die Ansitzstangen) mähe ich im Jahr zudem immer zuerst, damit die Mäuse dort weniger Deckung, bzw. die Greife freie Bahn zur Jagd haben. Bei einzelnen mäusegeplagten Bäumen wird die Baumscheibe auch einmal umgegraben, was allerdings ziemlich aufwändig ist. Auf der Gesamtfläche übernehmen das im Winterhalbjahr ab und an die Wildschweine. Das erfordert zwar des später leichteren Mähens wegen im Frühjahr einen zusätzlichen Arbeitsgang des Wiedereinebnens, aber da die Wildschweine einen

sichtlichen Erfolg bei der Mäusebekämpfung haben, nehme ich das gerne in Kauf. Zusätzlich begrenzt wird die Population der Mäuse durch mehrere aufgestellte „Mäusekübel“. Der offizielle Name dieser von der hiesigen Forstlichen Versuchsanstalt für den biologischen Forstschutz entwickelten Mausefallen lautet „Göttinger Fangwanne“. Es ist im Prinzip ein Maurerkübel mit drei Einläufen. Die Mäuse gelangen über eine Gitterwippe in den Kübel, können aber nicht wieder hinaus. Die gefangenen Mäuse sterben an Schock und/oder Unterkühlung innerhalb weniger Stunden oder werden durch Prädatoren (Greifvögel, Eulen, Fuchs und Marderartige) aufgenommen. Fünf

dieser Wannen habe ich an besonders kritischen Punkten auf der Wiese aufgestellt und verzeichne damit ganz gute Erfolge. Darüber hinaus sind die von mir in den letzten Jahren nachgepflanzten Bäume natürlich alle mit einem Drahtkorb gepflanzt worden, so dass sie zumindest ohne Beeinträchtigung durch die Mäuse anwachsen können. Mit der Gesamtheit all dieser Maßnahmen kann die doch recht dominante Mäusepopulation auf unserer Streu-obstwiese ganz gut unter Kontrolle ge-halten werden und auf die Verwendung von Rodentiziden kann trotzdem voll-ständig verzichtet werden!

Foto: Katalog der Fa. Grube KG

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Gemäht wird die ganze Wiese von mir in der Summe nur einmal pro Jahr. Dabei gehe ich, wie schon erwähnt, aber nur sukzessive vor. Ich beginne in der Regel Ende Juli / Anfang August mit dem Bereich um die Ansitzstangen (Kontrolle der Mäusepopulation) und arbeite mich nach und nach, Wochenende für Wochenende durch die Abschnitte, die am weitesten schon ausgeblüht sind. So bleiben die blütenreichsten Partien für die Schmetterlinge und andere Insekten erhalten und in den bereits gemähten Bereichen entwickelt sich zumeist noch eine zweite Blütephase im Spätsommer. Im Laufe des Septembers habe ich dann einmal die ganze Wiese gemäht, lasse aber bewusst auch größere Partien ungemäht in die Winterpause gehen, um den verschiedenen Insektenarten ein strukturreiches Winterdomizil zu bieten.

Das Mähgut wird weitestgehend auf der Fläche belassen, so dass sich der natürliche Nährstoffkreislauf immer wieder schließt und auf eine Düngung der Bäume verzichtet werden kann. Nur im oberen Bereich der Wiese wird das Mähgut in einem Abschnitt alljährlich entfernt und als Mulchmaterial auf die Baumscheibe einzelner etwas schwächelnder Bäume verteilt. Anfänglich erfolgte das nur, weil in diesem Bereich gelegentlich Veranstaltungen stattfanden. Nun wandelt sich dort die Vegetation allmählich (Kalkmagerrasen?) und es tauchen dort - tendenziell allerdings mehr zum Waldrand hin - auch immer mal wieder sporadisch die Orchideen auf. Deswegen entferne ich dort auch weiterhin das Mähgut, wenngleich es für die ursprünglichen Veranstaltungszwecke gar nicht mehr nötig ist. Natürlich nutzen wir auch die Früchte der Streuobstwiese auf vielfältige Weise. Da dieser Punkt aber thematisch bei uns besser in das folgende Kapitel hineinpasst, möchte ich erst dort näher darauf eingehen. Öffentlichkeitsarbeit, Einbeziehen der Streuobstwiese in das Gemeindeleben Bei meiner Übernahme der Verantwortung für die Streuobstwiese lag es der Gemeinde-leitung am Herzen, dass die Streuobstwiese nicht nur wieder einen gepflegten Zustand erreicht, sondern dass sie auch wieder mehr in den Focus der Gemeinde rückt, wieder intensiver wahrgenommen wird. Mir persönlich war darüber hinaus wichtig, den

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Innenstadtbewohnern die jahreszeitlichen Vorgänge draußen auf der Streuobstwiese, in der Natur nahe zu bringen, zu erklären, ihnen vielleicht auch die Augen für die kleinen Wunder der Natur zu öffnen, die wir schnelllebigen Mitteleuropäer in den Städten meist kaum noch wahrnehmen. Vor allem aus diesem Grund habe ich einen Streuobstwiesenrundbrief entwickelt, den ich in unregelmäßigen Abständen, meist zwei- bis dreimal im Jahr verfasse und der sich immer größerer Beliebtheit erfreut. Adressaten sind ein stetig größer werdender Kreis von Streuobstwieseninteressierten aus der Gemeinde, derzeit etwa 50 Leute, aber durch Weitergeben und Weitersenden per Email verbreiten sich meine Informationen auch darüber hinaus in der Gemeinde. Begonnen hatte ich mit dem Versuch, die vielen bisherigen Baumpaten zu recherchieren und durch regelmäßige Informationen über das Geschehen auf der Streuobstwiese wieder eine engere Bindung zwischen den Paten und ihren Bäumen herzustellen. Im Zuge von 20 Jahren verliert sich so eine Bindung doch leicht, zumal viele einstige Baumstifter nun gar nicht mehr in Göttingen zu Hause sind. Auch wenn diese Recherche bislang nur

teilweise von Erfolg gekrönt war, finden sich mittlerweile doch ehemalige Baumpaten von Aachen bis Mittelschweden in meinem Verteiler für die Streuobstwieseninformationen. Interessanter Weise stelle ich fest, dass je weiter die Paten heute entfernt wohnen, desto größer ist ihr Interesse und ihre Bindung zu den Bäumen auf der Wiese.

Zur Gruppe der Paten kommen noch zahlreiche Gemeindemitglieder, die zwar keinen „eignen“ Baum auf der Wiese stehen haben, aber sich genauso in dieses kleine Paradies verliebt haben wie ich. Das ist der Kern der besonders aktiv Mitarbeitenden. Jedes Jahr machen wir einen, manchmal auch zwei gemeinsame Arbeitseinsätze auf der Streuobstwiese, bei der wir beispielsweise im Frühjahr das Astschnittmaterial

Linus aus Köln, zu dessen Taufe 2007 auch ein Baum auf unser Streuobstwiese gepflanzt wurde, mit einem Glas unseres zugeschickten Streuobstwiesenhonigs.

Links: Imkerin Lena Conradi beim Einrichten des neuen Bienenstandes Rechts: Picknick nach erfolgreichem Arbeitseinsatz

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zusammentragen und die Benjeshecken ergänzen. Auch der Steinhaufen ist bei einem solchen Gemeinschaftsarbeitseinsatz entstanden und wächst jedes Mal ein wenig weiter. Manche wetteifern besonders eifrig darum, wer bei wie viel Bäumen die Stammfüße vom Fremdbewuchs befreit hat (da wo der Mäher nicht so gut hinkommt) – jedenfalls haben immer alle viel Spaß am gemeinsamen Erleben auf der Streuobstwiese. Ganz ohne mein Zutun hat es sich mittlerweile entwickelt, dass nach dem gemeinsamen Arbeiten noch ein gemeinsames Picknick auf der Wiese stattfindet, bei dem über Gott und die Welt geplaudert werden kann. Da das Erwachen der Natur im Frühjahr auf einer Streuobstwiese einfach am eindrücklichsten erlebbar ist, locke ich unsere Innenstadtgemeinde alljährlich an einem der ersten Maiwochenende zum Streuobstwiesenfest hinaus an den Sommerberg. Mitten in dieser Natureinsamkeit unter den blühenden Obstbäumen die ersten warmen Sonnen-strahlen zu genießen, den Singvögeln beim Ausbruch ihrer Frühlingsgefühlen zu lauschen, mal Zeit für ein Schwatz zu haben, dabei Kuchen und Kaffee, später Bratwurst und Kartoffelsalat zu genießen, am Abend bei Lagerfeuer und Fackelillumination vor sich hin zu träumen und den Geräuschen der Nacht in Feld und Flur zu lauschen – all das ist für diejenigen, die sich von mir hinaus in die Natur locken lassen, jedes Mal sehr eindrücklich.

Alljährlich findet auch einmal ein Gottesdienst auf der Streuobstwiese statt, entweder im Sommer zur Kirschenreife oder, wie in diesem Jahr, im Frühherbst. Meist feiern wir ihn zusammen mit den umliegenden Dorfgemeinden und regelmäßig sind ein Posaunen- und/oder auch ein Kinderchor dabei. Auch hierbei verweilen viele nach dem

Streuobstwiesengottesdienst am 26.06.2011 und am 07.06.2009 (Foto links: Norbert Knittel)

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Gottesdienst gerne noch länger auf der Streuobstwiese und genießen die landschaftliche Idylle und die Gemeinschaft.

Den größten Effekt in Hinblick auf die Öffentlichkeitsarbeit erreichen wir aber bei der Verwertung des Obstes und des Honigs von der Streuobstwiese. Bei Kirschen und Pflaumen/Zwetschgen finden sich kleinere Gruppen zu Ernteeinsätzen zusammen und die Früchte werden an interessierte, teilweise auch ältere und weniger mobile Gemeinde-mitglieder verteilt. Manch Kirsch- oder Pflaumenkuchen findet seinen Weg dann

auch wieder zurück zu einem Gemeindefest und auch das eine und andere Glas „Zwetschgenmus von der Streuobstwiese“ habe ich bereits probieren dürfen.

Für das Abernten der Apfel- und Birnenbäume laden wir wieder die ganze Gemeinde ein, an den Sommerberg zu kommen. Einzelne besonders schöne Äpfel finden im Ganzen ihren Weg in die Kirche (z.B. zum Erntedankgottesdienst). Den Großteil des gemeinsam geernteten Obstes vermosten wir und verkaufen den eignen Apfel-Birnen-Most anschließend nach und nach in der Kirche. Der Erlös kommt jeweils einem bestimmten Projekt zu, bspw. der Hausaufgabenhilfe für Migrantenkinder oder der Restaurierung unseres Kirchturms. Auf gleichem Wege findet unser Streuobstwiesenhonig seinen Weg zum Verbraucher und in der Regel ist die gesamte Tracht von den vier Völkern innerhalb von einer Woche

Das Ernteteam von 2011 (Foto: Dirk Tiedemann/Frauke Just)

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verkauft. So verbinden sich in idealer Weise Streuobstwiesenbewirtschaftung und Sozialarbeit, Naturschutz und Diakonie bzw. Kultur miteinander und die Streuobstwiese gewinnt mit jedem Jahr mehr und mehr an Bedeutung.

In unserem bisherigen Rekordjahr 2011 haben wir aus 18 Zentnern Obst ca. 470 Liter Most produziert. Da unsere Streuobstwiese aber altersbedingt auf der zweiten Hälfte jetzt erst allmählich anfängt, Erträge zu erzielen, haben wir in den kommenden Jahren mit immer weiter steigenden Obstmengen zu rechnen. Auch vor dem Hintergrund, dass wir die zukünftigen Erträge wohl nicht mehr wie bisher in die Dorfmosterei in Reiffenhausen bringen können, wollte ich in diesem Jahr einmal etwas Neues ausprobieren. Wir haben uns die mobile Mosterei von Herrn Gosch (Most-Gosch) direkt vor die Kirche bestellt und mitten in der Innenstadt, in der Fußgängerzone von Göttingen, unsere diesjährige Ernte vermostet. Noch näher und eindrücklicher kann man die Streuobstwiese kaum in

die Öffentlichkeit tragen. Bereichert haben wir dieses Ereignis um einen Infostand des Landschaftspflegeverbandes über die Streuobst-wiesenbewirtschaftung und einen Mostausschank. Die fertigen 5-Liter-Kartons konnte man genauso erwerben wie ein Tütchen mit Zwetschgen von der Streuobstwiese. Es war zwar nur ein erster Testlauf, aber es freut mich doch sehr, dass in der Gemeinde bereits verschiedene Überlegungen und Planungen angestellt werden, was man im kommenden Jahr noch alles aus so einem Streuobstwiesenerntefest direkt in der Göttinger Innenstadt machen könnte. Planungen bestehen auch für die Streuobstwiese selbst. Wir möchten dort in den kommenden Jahren gerne eine Infotafel zur Streuobstwiesen-bewirtschaftung und deren Bedeutung für den Naturschutz aufstellen. Ich hoffe zuvor aber noch auf die bereits weiter oben angeführte Vervoll-ständigung unserer Sortenliste. Die möchte ich dort dann gerne mit aufführen.

22.10.2013: Die allererste 5-Liter-Saft-box von St. Jacobi ist verkauft

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Ausklang Eigentlich lassen sich die Schönheit und der besondere Reiz unserer Streuobstwiese am Sommerberg kaum in Worte fassen und auch die schönsten Bilder geben kaum die Wirklichkeit wieder. Daher würde ich Sie am liebsten einmal zu uns auf die Wiese einladen. Ich bin mir bewusst, dass Sie kaum alle Bewerber-Wiesen für den Titel der „schönsten Streuobstwiese Niedersachsens“ bereisen können, aber wenn Sie nach dem Wettbewerb im kommenden Jahr Zeit und Muße haben, so kommen Sie doch gerne zu unserem Streuobstwiesenfest! Sie sind herzlich willkommen! Um Ihnen auch ohne direkten Besuch noch ein deutlicheres Bild von unserer Streuobstwiese und dem Gemeindeleben auf, um und für die Wiese zu vermitteln, füge ich als Anlage drei Beispiele meines erwähnten Streuobstwieseninformationsrundbriefes bei. Bewusst beschränke ich mich auf diese kleine Auswahl, da Sie sicherlich schon ausreichend Bewerbungen zu studieren haben. Alle Fotos – sofern nicht anders vermerkt – sind von mir in den zurückliegenden sechs Jahren auf unserer Streuobstwiese aufgenommen worden.

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