VORWORT
Die Umweltmedizin ist ein Teilgebiet der Humanmedizin und zudem interdisziplinär geprägt. Üb-
licherweise trennt man in Bevölkerungsmedizin, Präventivmedizin und Individualmedizin. Dieser
Leitfaden betrifft nur das individualmedizinische Tätigkeitsfeld.
Im umweltmedizinischen Kontext treten Gesundheitsstörungen selten akut auf. Zuordnungen zu
einem oder mehreren auslösenden Agenzien sind häufig schwierig zu finden. Hinzu kommt, dass
vielfach pathogenetische Modelle bzw. Hypothesen für Wirkungsbeziehungen komplexer Umwelt-
belastungen fehlen, zumal immer wieder neue Substanzen eingesetzt werden, sodass die Erfah-
rungsbasis fehlt.
Zur Bewertung von Stoffkonzentrationen in und um den Patienten fehlen zum Teil verlässliche
Referenz- bzw. Richtwerte. Häufig sind sie toxikologisch nicht begründet, sondern stellen einen
gesellschaftlichen Konsens dar.
Der insgesamt schmalen Wissens- und Erfahrungsbasis stehen ein großer Leidensdruck und lan-
ger Leidensweg der Patienten gegenüber. Entsprechend hoch ist die Erwartungshaltung an den
umweltmedizinisch tätigen Arzt.
Vor diesem Hintergrund ist der vorliegende Leitfaden für Umweltmedizin entstanden. Unser Ziel
ist es, Hilfe und Orientierung zu bieten und zugleich Qualitätsstandards zu setzen. Der Leitfaden
ist Ergebnis eines langen Diskussionsprozesses und wurde für den Bereich der Kassenärztlichen
Vereinigung Westfalen-Lippe erarbeitet. Eingeflossen sind Richtlinien, Expertenmeinungen, Er-
fahrungen und allgemein akzeptierte Standards.
Wir wünschen uns, dass hiermit ein Anfang für eine nachhaltige Qualitätssicherung in der Um-
weltmedizin gemacht ist.
4 Leitfaden Umweltmedizin
INHALTSVERZEICHNIS
1. Anamnese und Untersuchung 8
2. Wohnraumbegehung 10
2.1 Personal: Qualifikation, Ausbildung und Weiterbildung 10
2.1.1 Personal für die Wohnrauminspektion 10
2.1.2 Personal für die Durchführung von Messungen 10
2.1.3 Weiterbildung 10
2.2 Vorgehensweise bei der Wohnungsinspektion 10
2.2.1 Befragung des Patienten 10
2.2.2 Inspektion der Wohn- und Nutzräume und des Gebäudes 11
2.2.3 Inspektion des Wohnumfeldes 12
2.2.4 Auswertung der Ergebnisse der Inspektion 12
3. Probenahme, Analysen und Bewertung 12
3.1 Qualitätssicherung bei den Untersuchungen 13
3.2 Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit 13
3.2.1 Geräte 13
3.2.2 Bewertung 13
3.3 Bauteilfeuchte 13
3.3.1 Geräte 13
3.3.2 Bewertung 13
3.4 Formaldehyd 13
3.4.1 Indikation und Kriterien für die Probenahme 13
3.4.2 Formaldehyd-Raumluftmessung 14
3.4.3 Formaldehyd-Schnelltest 15
3.5 Biozide 15
3.5.1 Indikation und Kriterien für die Probenahme 15
3.5.2 Materialproben 15
3.5.3 Staubproben 15
3.5.4 Analyseverfahren 16
3.5.5 Bewertungskriterien für Staub- und Materialanalysen 16
3.5.6 Biozide - Weiterführende Literatur 16-
3.6 Polychlorierte Biphenyle, PCB 17
3.6.1 Indikation und Kriterien für die Probenahme 17
3.6.2 Probenahmebedingungen 17
3.6.3 Analyse/Aufarbeitung 17
3.6.4 Bewertungskriterien 17
3.7 Mineralfasern / Asbest 18
3.7.1 Indikation und Kriterien für die Probenahme 18
3.7.2 Probenahmebedingungen 18
3.7.3 Analyse 18
3.7.4 Bewertung 18
3.8 Künstliche Mineralfasern (=KMF) 18
3.8.1 Allgemeines 18
3.8.2 Gesundheitsgefährdung 19
3.8.3 Beurteilungskriterien 19
3.8.4 Technische Regeln zu Fasermessung 19
3.8.5 Schutzmaßnahmen im Umgang mit KMF 20
3.8.6 Relevante Verordnungen und Richtlinien 20
5Leitfaden Umweltmedizin
3.9 Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAH bzw. PAK) 20
3.9.1 Indikation und Kriterien für die Probenahme 20
3.9.2 Probenahmebedingungen 20
3.9.3 Analyse/Aufarbeitung 20
3.9.4 Bestimmung der PAH aus Staubproben 21
3.9.5 Bewertung 21
3.10 Metalle 21
3.10.1 Indikation und Kriterien für die Probenahme 21
3.10.2 Probenahmebedingungen 21
3.10.3 Analyse 21
3.10.4 Bewertung 21
3.11 Flüchtige organische Verbindungen (= VOC) 22
3.11.1 Indikation und Kriterien für die Probenahme 22
3.11.2 Probenahmebedingungen 22
3.11.3 Probenahmegeräte 22
3.11.4 Analyse 22
3.11.5 Bewertung 22
3.12 Mikroorganismen 23
3.12.1 Voraussetzung für Wachstum 23
3.12.2 Indikation 24
3.12.3 Schimmelpilze 24
3.12.4 Kriterien für die Probenahme 26
3.12.5 Abklatschproben 27
3.12.6 Materialanalysen 28
3.12.7 Luftkeimmessung 28
3.12.8 MVOC-Luftmessung 31
3.12.9 Staubanalyse 34
3.13 Bakterien 34
3.13.1 Allgemeine Hinweise 34
3.13.2 Bewertung 35
3.14 Sanierung mikrobieller Schäden 36
3.15 Literatur zum Thema mikrobielle Schäden in Innenräumen 37
4. Laboruntersuchungen - Humanbiomonitoring 38
4.1 Allgemeines zu umweltmedizinischen Analysen in biologischem
Untersuchungsmaterial 38
4.2 Probengewinnung, -transport und -lagerung 38
4.3 Welche Schadstoffe und Metaboliten können beim Humanbiomonitoring
untersucht werden? 39
4.4 Analytische Qualitätssicherung 39
4.5 Bewertung von Analyseergebnissen beim Humanbiomonitoring 44
4.6 Grenzen des Humanbiomonitoring 45
4.7 Literatur zum Thema Biomonitoring 50
5. Interventionsmöglichkeiten in der Umweltmedizin 50
5.1 Individuelle Expositionsvermeidung 50
5.2 Gesamtgesellschaftliche Expositionsvermeidung 50
5.3 Spezifische Therapien 50
5.4 Unspezifische Therapien 51
5.4.1 Patientenführung 51
6Leitfaden Umweltmedizin
5.4.2 Vermeidung zusätzlicher Gesundheitsbelastungen 51
5.4.3 Klassische Naturheilverfahren 51
5.5 Sonstige Allgemeinmaßnahmen 51
5.6 Spekulative Methoden 52
Anhang:
1. Sonderthema Legionellen 52
2. Sonderthema: Hausschädlinge 56
2.1 Was sind Hausschädlinge? 56
2.1.1 Hygiene- und Gesundheitsschädlinge 57
2.1.2 Vorratsschädlinge 57
2.1.3 Materialschädlinge 57
2.1.4 Lästlinge 57
2.1.5 Zufallsgäste 57
2.2 Hautreaktionen bei Stichen/Bissen 57
2.3 Allgemeine Bekämpfungsmaßnahmen 58
2.3.1 Vorbeugung, Prophylaxe 58
2.3.2 Maßnahmen 59
3. Ausgewählte Ergebnisse der Begleituntersuchungen 59
3.1 Beschwerden 60
3.2 Expositionen 62
3.2.1 Schimmelpilze/Keime 62
3.2.2 Formaldehyd 62
3.2.3 Insektizide/Pyrethroide 62
3.2.4 VOC 63
3.3 Beschwerdeveränderungen 63
3.4 Ärztebefragung 65
3.5 Zusammenfassung 65
Literaturverzeichnis 66
Adressen 67
Fallbeschreibungen 68
7Leitfaden Umweltmedizin
1. Anamnese und Untersuchung
Für die Anamnese bei umweltmedizinischen Fragestellungen ist es zweckmäßig, die sogenannte
„offene Eröffnungsfrage“ (z. B. „Was führt Sie her?“) zu stellen, um zu Beginn des Gespräches
feststellen zu können, ob eine umweltbedingte Erkrankung vorliegen kann.
Der Patient sollte dann zunächst frei sein Problem schildern; dabei ist es manchmal erforderlich,
eine zeitliche Begrenzung zu finden. Bei einigen Patienten haben bereits mehrere Vorerhebungen
oder Voruntersuchungen stattgefunden; die dazu vorliegenden Akten sollten kritisch gewertet
werden. Die freie Dialogphase soll auch dazu dienen, ein Vertrauensverhältnis zum Patienten zu
entwickeln.
Die darauf folgende allgemeine Anamnese un-
terscheidet sich in der Umweltmedizin zu-
nächst nicht von der üblichen haus- oder fach-
ärztlichen Anamnese. Es werden Fragen vor
allem zu folgenden Komplexen gestellt:
Vorerkrankungen
sonstige Erkrankungen
(auch psychiatrische)
Familienanamnese
Medikamente
Berufsanamnese
Allergien
Die Allgemeinanamnese dient der Beleuchtung des Hintergrundes. Sie soll aber vor allem klären,
ob überhaupt eine umweltbedingte Erkrankung in Frage kommt. Ergeben sich keine Anzeichen
für das Vorliegen einer umweltbedingten Erkrankung, so sollten zunächst auch keine weiteren
Schritte in dieser Richtung erfolgen, um dem Patienten nicht die Hoffnung zu geben, dass seine
Beschwerden mit diesen Maßnahmen ein Ende hätten.
Zur speziellen umweltmedizinischen Symptomatik werden vom Arzt gezielte Fragen gestellt.
Hierzu ist es essentiell, jeweils eine zeitliche, räumliche bzw. situationsbezogene Zuordnung der
Symptome zu treffen (z. B. wann und wo traten welche Beschwerden auf?). Dieses kann auch un-
ter kritischer Wertung von mitgebrachten Unterlagen und von Seiten des Patienten vermuteten
Zusammenhängen erfolgen.
Nachdem der Arzt eine erste subjektive Einordnung vorgenommen hat, ist es nun sinnvoll, den
Fragebogen des „Umweltmedizinischen Mess- und Beratungsdienstes“ der KV Westfalen-Lippe
auszufüllen.
Der Arzt sollte dem Patienten den Aufbau des Fragebogens erklären. Der Patient sollte darüber
aufgeklärt werden, dass der Fragebogen wissenschaftlich ausgewertet wird, um Daten über um-
weltbedingte Erkrankungen zu erhalten. Einzelne Patienten werden nach Abschluss der Maßnah-
me in einer Nacherhebung über den Erfolg befragt.
Nachdem das Problem durch die allgemeine Anamnese und den Fragebogen eingegrenzt ist, kann
die körperliche Untersuchung erfolgen. Auch diese unterscheidet sich in der Umweltmedizin nicht
von der üblichen Untersuchung. Sie kann, je nach Notwendigkeit, orientierend oder speziell or-
ganbezogen sein, dem Ausschluss anderweitiger Erkrankungen (z. B. PNP versus zentralnervöse
fokale Ausfälle), der Differentialdiagnose (z. B. Allergie versus Röteln) oder dem Erkenntniszuge-
winn (z. B. verschärftes Atemgeräusch versus bronchiale Spastik) dienen.
Nach Abschluss der körperlichen Untersuchungen ergeben sich folgende Möglichkeiten:
Anamnese-1Befragung der Bewohner (Checkliste)
Daten zu Bewohnern: Beschwerden:
Daten zu Personen (Anzahl, Alter, Geschlecht) Art der Beschwerden
Datum des Bezugs der Wohnung Seit wann bestehen die Beschwerden
Erstbezug
Aufenthaltsdauer in der Wohnung
(welche Räume)
Änderung am Wochenende/Urlaub
Wohneigentum Andere private oder berufliche Belastungen
8 Leitfaden Umweltmedizin
ein zu klärendes umweltbedingtes Problem wurde definiert (z. B. Husten unklarer
Genese) oder
eine umweltbedingte Erkrankung wurde erkannt (z. B. Konjunktivitis durch Formalde-
hyd oder
eine umweltbedingte Erkrankung kann weitgehend ausgeschlossen werden.
Bei Verdacht auf eine Innenraumbelastung sollte das Umweltmobil mit dem
Anforderungsbogen eingeschaltet werden.
Nach Ansicht der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, der Ärzte-
kammer Westfalen-Lippe und von Fachgesellschaften bezieht sich Umwelt-
medizin nicht nur auf chemische Substanzen und auf mikrobielle Noxen in
privaten Räumen, sondern auf alle gesundheitsrelevanten Lebenszusam-
menhänge.
Diese können sein:
Wohnbereich
Freizeit, Lebensstil
Psychosoziales
Beruf
Das Umweltmobil der Kassenärztlichen Vereinigung deckt nur den privaten
Innenraum ab. Dabei sind auch Nebengebäude, Gewerbe in der Nachbar-
schaft, Garten, Straßen- und Flugverkehr zu berücksichtigen.
Anhand der hier gewonnenen Erkenntnisse ist nun die Entscheidung zu tref-
fen, ob das Umweltmobil einzuschalten ist. Für das berufliche Umfeld kann
das Umweltmobil aus rechtlichen Gründen nicht eingesetzt werden.
Bei Erhebung der Anamnese ist in jedem Fall der Bereich Freizeit und Le-
bensstil zu betrachten, da Menschen hier vermehrt Aktivitäten entfalten.
Hier ist vor allem die Übernahme der Checkliste Lebensgewohnheiten wich-
tig.
Zu diesem Lebensbereich gehören unter anderem der Hobbykeller, das Be-
treiben von Risikosportarten, das Autofahren (Innenraum), soziale Kontak-
te (infektiologische Risiken), die Ernährung (Konservierungsstoffe, bakte-
riologische Risiken), einseitige Diäten, Mangelerscheinungen, Alkohol, ver-
mehrte UV-Einstrahlung (z. B. Sonnenbank), Reisen (seltene Infektions-
krankheiten, Jetlag), Lärm, Haustierhaltung, besondere klimatische Bedin-
gungen, Pollen- und Sporenflug (Waldgebiete), Wohnumfeld, Vorliebe für besondere Textilien
oder Schmuck. Gegebenenfalls muss über die Einschaltung des öffentlichen Gesundheitsdienstes
nachgedacht werden, wenn Fragestellungen von öffentlichem Interesse auftreten (z. B. bei Trink-
wasserverschmutzung, Immissionen von Gewerbebetrieben).
Der Arbeitsbereich des Patienten liegt primär nicht im Aufgabenfeld des niedergelassenen Um-
weltarztes. Es ergibt sich jedoch eine enge Verwandtschaft der Arbeitsmedizin zur Umweltmedi-
zin, da Fragen zu chemischen, physikalischen und biologischen Beeinträchtigungen in ähnlicher
Weise und mit gleichen Methoden bearbeitet werden.
Ergeben sich bei der Anamnese Hinweise für eine berufsbedingte Erkrankung, die durch o. g. Be-
einträchtigungen verursacht wird, so sollte der zuständige Betriebsarzt kontaktiert werden.
Anamnese-2Lebensgewohnheiten (Checkliste)
Wohnraumklima Persönliche Gewohnheiten
Temperatur Rauchverhalten
Rel. Luftfeuchtigkeit Haustiere: Katze, Hund,
Vogel, andere
Lüftungsgewohnheiten Zimmerpflanzen
(wieviele und welche)
Raumbefeuchter Allergisierende Stoffe
Heizungsgewohnheiten
und Heizungsart
Kerzen, Öl- und Petroleum
lampen
elektrische Geräte (Kopierer,
Laserdrucker)
Kinderspielzeug
Heimwerken und
Hobbys in der Wohnung
Reinigungs- und Pflegemittel,
Desinfektionsmittel
Bekleidung, Aufbewahrung und
Reinigung
Leitfaden Umweltmedizin 9
Leitfaden Umweltmedizin10
Wenn durch die Anamnese bzw. durch die nachfolgenden Wohnraumbegehungen und die Labor-
untersuchungen durch das Umweltmobil der Verdacht auf eine umweltbedingte gesundheitliche
Beeinträchtigung erhärtet wird, können Basislaboruntersuchungen (nur diese sind Gegenstand
des Vertrages) und Laboruntersuchungen zum Humanbiomonitoring sinnvoll werden (siehe Kapi-
tel zum Einsatz des Humanbiomonitoring). Ungezieltes, breit gefächertes Biomonitoring ist aus
fachlichen und wirtschaftlichen Gründen abzulehnen.
Die Erfahrung zeigt, dass Lösungen bei der Erstanamnese in vielen Fällen zunächst vertagt wer-
den müssen; eine zu rasche Bewertung ist auch im Hinblick auf die Erwartungshaltung des Patien-
ten kritisch zu sehen. Vielmehr sollten zunächst technische Befunde erhoben werden, die Woh-
nungsbegehung und die Laboruntersuchungsergebnisse abgewartet sowie vorhandene Berichte
in Ruhe durchgesehen, ggf. Fremdberichte angefordert werden, um zu einem Abschlussurteil zu
gelangen. Erst dann sollte ein neuer Termin zur Bewertung der bis dahin gewonnenen Erkennt-
nisse mit dem Patienten vereinbart werden.
2. Wohnraumbegehung
2.1 Personal: Qualifikation, Ausbildung und Weiterbildung
2.1.1 Personal für die Wohnrauminspektion
Die Wohnungsinspektion im Rahmen des ersten Ortstermins wie auch die verantwortliche Bear-
beitung eines Auftrages mit Auswertung der Mess- und Analyseergebnisse und Verfassen der Be-
richte, muss von einer Sachverständigen/einem Sachverständigen (in der Folge mit Innenraumdia-
gnostiker/in bezeichnet) durchgeführt werden, der/die einen Fachhochschulabschluss oder Uni-
versitätsabschluss in einem Fachbereich der Naturwissenschaften wie Biologie, Chemie, Physik
oder Medizin oder des Ingenieurwesens nachweisen kann.
2.1.2 Personal für die Durchführung von Messungen
Die Probenahmen im Rahmen von Folgeterminen können von einem Assistenten/einer Assistentin
nach Vorgaben des/der verantwortlichen Innenraumdiagnostikers/in durchgeführt werden.
Diese/r Assistent/Assistentin muss eine Ausbildung zum Techniker aufweisen (CTA, BTA oder ver-
gleichbar) und entsprechend eingearbeitet sein.
2.1.3 Weiterbildung
Durch z. B. internen Erfahrungsaustausch und Besuch von Fachtagungen bzw. Konferenzen ist si-
cherzustellen, dass der/die Innenraumdiagnostiker/in stets auf dem neuesten Stand der Kenntnis-
se im Bereich Innenraumbelastung mit Schadstoffen ist.
2.2 Vorgehensweise bei der Wohnungsinspektion
Die Wohnungsinspektion erfolgt in folgenden Schritten:
Befragung des Patienten und der übrigen Bewohner
Inspektion der Wohn- und Nutzräume und des Gebäudes
Auswertung der Ergebnisse der Befragung und Inspektion.
Ausarbeitung von Vorschlägen für Analysen bzw. Messungen und Erstellen eines Berichtes
2.2.1 Befragung des Patienten
Die im Folgenden aufgelisteten Fragen reichen erfahrungsgemäß bei einer problemorientierten
Datenerfassung zur erfolgreichen Bearbeitung in den meisten Fällen aus:
Anamnese-3LebensgewohnheitenII (Checkliste)
Standorte
Neuanschaffungen
Spanplatten
Massivholz
Öle, Wachse und Lacke
Kleber
Polstermöbel
Textilien
Leder
11Leitfaden Umweltmedizin
Daten zum Gebäude:
Bauart?
Verwendete Materialien?
Alter des Gebäudes?
Gibt es bekannte bauliche Mängel?
Welche Mängel wurden in den letzten Jahren saniert? Wie und wann wurden diese saniert?
Hat das Gebäude einen Keller oder Kriechkeller?
Hat das Gebäude einen Dachboden, ein ausgebautes Dach oder ein Flachdach?
Daten zur Wohnung:
In welcher Etage liegt die Wohnung?
Wie groß ist die Wohnfläche?
Wie viele Personen leben im Haushalt?
Gibt es Auffälligkeiten, wie das Auftreten von Kleininsekten (Staubläuse, Silberfischchen,
etc.) oder zeitweise auftretende auffällige Gerüche?
Daten zur Umgebung:
Werden die Bewohner durch Lärm belastet, falls ja, wie häufig und wann?
Liegt die Wohnung an einer verkehrsreichen Straße?
Wird die Wohnung durch Staub oder Gerüche in der Außenluft belastet?
Falls ja: Ist die Quelle von Lärm, Staub und Geruch bekannt?
Wann und wie oft tritt die Belastung auf?
Gewohnheiten der Bewohner:
Wird in der Wohnung geraucht?
Werden besondere Materialien eingesetzt, z. B. bei der Ausübung des Hobbys?
Werden Haustiere in der Wohnung gehalten?
Wie wird gelüftet und gereinigt?
Die vom Arzt im Anamnesebogen angegebenen Beschwerden werden besprochen:
Haben sich die Beschwerden seit dem Arztbesuch verändert?
Wann und wo treten die Beschwerden auf?
Leiden die Mitbewohner unter ähnlichen Beschwerden, und falls ja, seit wann?
2.2.2 Inspektion der Wohn- und Nutzräume und des Gebäudes
Nach der Befragung des Patienten und der Mitbewohner werden alle Räume begangen, es wer-
den alle Einrichtungsteile protokollarisch erfasst. Wichtig hierbei ist, dass die Räume vor der Be-
gehung einige Stunden nicht gelüftet wurden und dass in der Wohnung nicht geraucht wurde, da-
mit auch schwache Gerüche wahrgenommen werden können.
Wie die Erfahrung gezeigt hat, ist es wichtig, nicht nur die „auffälligen“ Gegenstände und verwen-
deten Materialien zu erfassen. Sonst besteht die Gefahr, dass relevante Punkte übersehen oder
die Messergebnisse falsch interpretiert werden.
Folgendes ist zu erfassen:
Wie sind die Decken aufgebaut?
Woraus bestehen die Innenwände und die Außenwände?
Wie sieht der Fußbodenaufbau aus? Jede Schicht ist genau zu erfassen.
Welche Einrichtungsgegenstände stehen in den Räumen ?
Leitfaden Umweltmedizin12
Durchführung von Feuchtigkeitsmessungen:
Bei der Begehung der Räume sind mit einer geeigneten, am besten zerstörungsfreien Methode
die kritischen Bereiche der Decken, Fußböden und Wände mittels Feuchtigkeitsmessungen zu
überprüfen. Die Ergebnisse dieser Messungen helfen nicht nur unmittelbar bei der Suche nach
versteckten Schadstoffquellen, sondern können Erklärungen für sekundäre Effekte liefern wie se-
kundäre Kondensationsschäden, feuchtigkeitsinduzierte chemische Zersetzungsprozesse oder
verstärkte Formaldehydemissionen.
Geeignet sind Hochfrequenzmessungen, kapazitive Verfahren und Messung der Ausgleichsfeuch-
te in Hohlräumen (= hydrothermische Messung).
Sonstige Auffälligkeiten:
Es sollten alle Besonderheiten wie sichtbare Feuchtigkeitsflecken oder sichtbarer mikrobieller Be-
fall, gelagerte Chemikalien, Gerüche in den Räumen etc. protokolliert werden.
2.2.3 Inspektion des Wohnumfeldes
Nach Begehung der Wohnräume sollten auch alle angrenzenden Bereiche inspiziert werden, so-
weit diese zugänglich sind, wie z. B. bei Wohnungen im Erdgeschoss die Kellerräume und bei Woh-
nungen im OG der Dachboden. Auch das Gebäude von außen ist zu inspizieren.
Bei der Untersuchung dieser Gebäudeteile ist das besondere Augenmerk auf Hinweise für Feuch-
tigkeitsschäden zu richten, wie z. B. Flechten bzw. Algen auf dem Fassadenputz, Versandung der
Putze, Salzausblühungen, Absprengungen, etc.. Aber auch auf mögliche hygienische Probleme,
wie Standort von Biotonnen und Komposthaufen, Sauberkeit im Dachboden (Tauben- oder Mar-
derkot, etc.) und Zustand der Gegenstände in Keller- und anderen Lagerräumen sollte geachtet
werden.
2.2.4 Auswertung der Ergebnisse der Inspektion
Nach Auflistung der erkannten potenziellen Schadstoffquellen mit Angabe des Raumes und der
Lokalisierung des Stoffes werden Vorschläge für weiterführende Untersuchungen formuliert.
Ist zur Bearbeitung des Auftrages keine weiterführende Untersuchung erforderlich, wird dem an-
fordernden Arzt der Abschlussbericht geschickt. Ist zunächst nur eine Analyse erforderlich, kann
der Arzt telefonisch oder schriftlich um Kostenfreigabe gebeten werden.
Wird mehr als eine Analyse für erforderlich gehalten, wird dem Arzt ein Antrag zur Kostenfreigabe
zugeschickt, den er bei Befürwortung der Vorschläge an die jeweilige Krankenkasse weiterleitet.
3. Probenahme, Analysen und Bewertung
3.1 Qualitätssicherung bei den Untersuchungen
Neben der Wohnraumbegehung muss sich Qualitätssicherung beziehen auf Probenahmebedin-
gungen, auf Materialien, in denen Schadstoffe bestimmt werden sollen bzw. die auf Schadstoffe
geprüft werden sollen, auf Geräte, Analyseverfahren sowie Beurteilung und Bewertung. Darüber
hinaus sind laborinterne Qualitätssicherungsmaßnahmen erforderlich, bestehend aus internen
und – wenn möglich – externen Ringversuchen, Bezugnahme auf Richtlinien für Mess-Strategien,
wie z. B. VDI-Richtlinien und/oder Akkreditierung der Laboratorien.
Die gesundheitliche Bewertung der Analyseergebnisse kann durch die Untersuchungslabore in
der Regel nicht geleistet werden. Hierzu ist die Zusammenführung aller Erkenntnisse durch den
behandelnden Arzt notwendig. Die Untersuchungslabore können Empfehlungen zur weiteren Vor-
13Leitfaden Umweltmedizin
gehensweise einschließlich der Sanierung geben, ggf. Merkblätter beifügen. Für die gesundheitli-
che Bewertung ist jeweils die gemessene Konzentration unter simulierten oder angenommenen
Nutzungsbedingungen entscheidend. Es ist insbesondere zu berücksichtigen, ob es sich um lang-
fristige Belastungssituationen handelt oder um Kurzzeit- bzw. Spitzenkonzentrationen unter be-
sonderen Bedingungen.
Das Medium, das auf Schadstoffe geprüft werden soll, richtet sich nach dem Verdacht, der sich
aus Anamnese, Untersuchung und Befunden sowie der Wohnraumbegehung ergibt.
Bei der Berichterstattung ist ein Protokoll zu erstellen, aus dem hervorgeht, wann die letzte Lüf-
tung/letzte Reinigung erfolgte, Uhrzeit, genauer Ort der Probenahme, und ggf. sind Besonderhei-
ten hervorzuheben.
Aus Gründen der Übersicht werden die einzelnen Bedingungen getrennt aufgeführt und zugeord-
net zu mikrobiologischen Untersuchungen und den verschiedenen gesundheitlich relevanten und
im Vertrag der KVWL aufgeführten Substanzklassen.
3.2 Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit
Parallele Messung der Lufttemperatur und relativer Luftfeuchtigkeit innen und außen sowie die
Berechnung der absoluten Luftfeuchtigkeit sind Basiswert ist erforderlich.
3.2.1 Geräte
Z. B. Feuchttemperatur-Messgerät FT-2, Fa. Afriso und vergleichbare Geräte
(Ahlborn, Testo, Gann, Trotec etc.).
3.2.2 Bewertung
Bei normaler Raumtemperatur von 18 bis 22° C sollte die quantitative Feuchtigkeit im Sommer un-
ter 10 g H20/kg Luft und im Winter unter 6 g H20/kg Luft sein.
3.3 Bauteilfeuchte
3.3.1 Geräte
Semiquantitative Bestimmung als nichtzerstörende Bestimmung, z. B. kapazitive Methode
(= Hochfrequenzmethode) und ggf. nachfolgend quantitativ zerstörende Bestimmung.
3.3.2 Bewertung
Qualitative Messung: feucht/nicht feucht nach Angaben des Geräteherstellers unter Berücksichti-
gung des gemessenen Materials.
3.4 Formaldehyd
3.4.1 Indikation und Kriterien für die Probenahme
Gründe für eine Probenahme bzw. Messung können ein genereller Anfangsverdacht (z. B. auch we-
gen typischer Gerüche) oder ein materialgebundener Verdacht sein. Die Untersuchung einer mögli-
chen Formaldehydbelastung erfolgt mittels Raumluftmessungen.
Zur Quellensuche können in begründeten Einzelfällen Materialanalysen, ggf. auch Prüfkammermes-
sungen, durchgeführt werden.
Leitfaden Umweltmedizin14
3.4.2 Formaldehyd-Raumluftmessung
Vor Probenahme darf mindestens vier, besser acht bis zwölf Stunden nicht gelüftet werden. Luft-
temperatur und Feuchtigkeit müssen bestimmt werden. Es wird Formaldehyd in der Luft bestimmt in
Anlehnung an die VDI-Richtlinie VDI 3862, Blatt 3, „Messungen von gasförmigen Emissionen, Mes-
sen aliphatischer und aromatischer Aldehyde und Ketone“, Entwurf.
Vor und während der Messung darf nicht geraucht werden, die Temperatur sollte nicht unter
17° C betragen.
Geräte und Parameter zur Luftmessung
Die Probenahme erfolgt mit einer Probenahmepumpe, z. B. Desaga oder Kutschera.
Sammelröhrchen: Supelco LpDNPH S10 oder über eine Frittenflasche, die mit bidestilliertem Was-
ser gefüllt ist, entsprechend VDI-Richtlinie 3484.
Sammelrate: Der Volumenstrom soll 1 l max., 1,5 l/min nicht überschreiten nach VDI-Richtlinie
3862, Blatt 3 (Entwurf) und 2,5 l/min nach VDI 3484.
Probenvolumen: 20–50 l Luft bzw. 80 l Luft bei VDI 3484, im Einzelfall bis zu 100 l.
Analyseverfahren
Chromatographisches Verfahren:
Aufarbeitung, Elution mit 5 ml Acetonitril (Vakuumeinheit Baker SPE)
Analysegeräte:
Chromatographisches Verfahren:
HP1090 Trennsäule Macherey-Nagel C18 AB, 250 x 2 mm
Laufmittel: Acetonitril Hexansulfonsäure, Detektor HP Diodenarray
1090 DAD, 350 nm oder vergleichbare Detektoren
Photometrisches Verfahren:
Aus der Frittenflasche wird eine definierte Menge Flüssigkeit (Destil-
liertes Wasser mit gelösten Anteilen an Formaldehyd) entnommen
und mit Chromotrop-Säure in Reaktion gebracht.
Nach einer Reaktionszeit von zehn Min. wird die Verfärbung der
Flüssigkeit mit einem Photometer gemessen.
Nachweisgrenze chromatographisches Verfahren:
Für Formaldehyd Bestimmungsgrenze: 24 ng/ml
Bei 20 l Luft Probevolumen: 0,005 mg/m3
Nachweisgrenze photometrisches Verfahren: Analytische Nachweis-
grenze: 50 ng/ml
Die Angaben erfolgen parallel als gemessene Werte und standardisierte Werte, um Über- und Un-
terschätzungen zeitweiliger Belastungen zu vermeiden. Solange die Frage von externen Ringver-
suchen ungeklärt ist, soll die Validierung der Methode nach Störfallverordnung als Qualitätskrite-
rium eingeführt werden.
Bewertung
≤ 0,05
ppm
(WHO-
Wert)
Der Innenraum wird als unbe-
lastet erachtet.
(WHO-Wert)
0,05 - 0,1
ppm
Eine allgemeinverbindliche
Aussage ist nicht (BGA-Richt-
wert) möglich und nur im Ein-
zelfall unter Berücksichtigung
der individuellen Faktoren zu
treffen.
> 0,1 ppm Eine gesundheitliche Gefähr-
dung ist vorhanden.
15Leitfaden Umweltmedizin
3.4.3 Formaldehyd-Schnelltest
Orientierender Materialwert zur Ermittlung einer möglichen Quelle unter Eluatbildung und an-
schließend photometrische Bestimmung mit Chromotrop-Säure kann für evtl. Sanierungsent-
scheidungen zusätzlich angeboten werden.
3.5 Biozide
FFaallll:: FFeerrttiigghhaauuss ((SSeeiittee 6688 ffff))
Hierzu zählen u. a. DDE, DDT, Hexachlorbenzol, Lindan, Pentachlorphenol (PCP) und
Pyrethroide.
3.5.1 Indikation und Kriterien für die Probenahme
Verdachtsmomente bei der Begehung ergeben sich bei Vorkommen von Holz und Angaben über
das Einbringen des Holzes, Wollteppichböden und Einsatz eines Kammerjägers in den zurücklie-
genden Jahren. Auch Leder-Sitzgarnituren können relevante Quellen darstellen, insbesondere für
PCP.
Für Übersichtsuntersuchungen, um zu prüfen, ob überhaupt mit einer Quelle zu rechnen
ist, z. B. wenn eine größere Anzahl potentieller Quellen vorhanden ist, haben sich Staubanalysen
bewährt.
Zur direkten Quellenuntersuchung sind Materialanalysen erforderlich.
Nur in Ausnahmefällen ist die Messung von Luftuntersuchungen indiziert. Alternativ kann die ak-
tive Probenahme eingesetzt werden, wie sie an anderer Stelle beschrieben wurde
oder eine passive Probenahme, in der eine mittlere Belastung über einen längeren Zeitraum
erfasst wird, wobei dieses Probenahmesystem nach dem Diffusionsprinzip arbeitet und
die Expositionszeiten von wenigen Tagen bis zu zwei Wochen schwanken können. Bei der
aktiven Probenahme entsprechen die Probenahmebedingungen den bereits beschriebenen Be-
dingungen. Bei der passiven Probenahme gelten normale Benutzungsbedingungen.
3.5.2 Materialproben
Entnahme einer Probe von Holzbauteilen: 2 mm tief, zirka 5 g
Entnahme einer Probe vom Teppich oder Teppichboden: zirka 10 g Fasermaterial
3.5.3 Staubproben
Hausstaubuntersuchungen stellen ein relativ kostengünstiges und integratives Untersuchungs-
verfahren zur Orientierung über eine Schadstoffbelastung dar. Sie ergeben keine
Aussage zur Belastung der Bewohner über den Luftpfad bzw. über die direkte Aufnahme
von Staub.
Vor der Probenahme von Frischstaub wird – entsprechend VDI-Richtlinie 4300, Blatt 8 – in einem
zeitlichen Abstand von einer Woche eine Grundreinigung der gesamten später zu beprobenden
Fläche z. B. durch feuchtes Wischen vorgenommen. Diese Grundreinigung dient zur Herstellung
einer vergleichbaren Ausgangslage. Die Auswahl der zu beprobenden Fläche muss vor Ort im Hin-
blick auf größtmögliche Repräsentativität – unter Berücksichtigung der Fragestellung – sorgfältig
vorgenommen werden. Die getroffene Auswahl ist zu dokumentieren.
Probenahme mit Staubsaugerbeutel: Bei der Probenahme mit Staubsaugerbeuteln muss eine
unvollständige Erfassung von Hausstaubteilchen
Leitfaden Umweltmedizin16
< 10 µm in Kauf genommen werden. Der sich hieraus ergebende Min-
derbefund hängt vom Anteil der Fraktion < 10 µm im Hausstaub ab.
Diese Problematik ist vernachlässigbar, wenn der Staubsaugerbeutel
zumindest 1/3 gefüllt ist. Diese Methode wird empfohlen für große zu be-
probende Flächen, hohe Beladung mit Frischstaub Probenahme von Alt-
staubteppichen. Es sollte eine Staubmasse in der Größenordnung von 1
g/Beutel erreicht werden.
Probenvorbereitung zur Analyse: Für die Untersuchung des gewonne-
nen Hausstaubes mittels Staubsauger wird der Papierfilterbeutel auf-
geschnitten, der Beutelinhalt gesiebt (63 µm - Fraktion) zur weiteren
Vorbereitung in ein vorgewogenes Glasgefäß überführt. Das Glasgefäß
wird zur Abschätzung der gesammelten Hausstaubmasse zurückgewo-
gen. Bei der Probenahme mit Glasfaserfilter wird der Glasfaserfilter zu-
sammen mit dem Staub vollständig in ein Extraktionsgefäß überführt.
3.5.4 Analyseverfahren
Für DDT und Abbauprodukte, Isomere von Hexachlorcyclohexan, Lin-
dan und Hexachlorbenzol analog DIN 38407-F2.
Analyse/Aufarbeitung für DDT, Lindan u. a.
Elution mit n-Hexan bzw. mit n-Hexan im Soxhlet kochen.
Analysegeräte:
Gaschromatograph: z. B. PE – AUSYS 0324-11 oder
vergleichbare Geräte
Trennsäule: GC-Kapillarsäule (HAT-8 von SGE mit Vorsäule)
Detektor: ECD
Bestimmungsgrenze: 0,1–1,0 mg/kg
Analyse/Aufarbeitung für PCP:
Elution mit Cyclohexan/Ethylacetat
Analysegeräte und Trennsäule:
Gaschromatograph: z. B. PE – AUSYS 0324-11 oder vergleich
bare Geräte Trennsäule: GC-Kapillarsäule HAT-8 von SGE mit
Vorsäule
Detektor: ECD
Bestimmungsgrenze: 0,5 mg/kg
3.5.5 Bewertungskriterien für Staub- und Materialanalysen
Da aus bereits aufgeführten Gründen eine unmittelbare Zuordnung
zwischen Stoffkonzentration bezogen auf eine Masse und Belastung
der Bewohner nicht unmittelbar herzustellen ist, wird bei den Bewer-
tungskriterien nicht von gesundheitlicher Gefährdung ausgegangen,
sondern von unbelastet bzw. unbehandelt und belastet bzw. behandelt.
Substanz Matrix Bewertung Wert
in
mg/kg
PCP Holz unbehandelt < 1
sekundär belastet 1 – 30
belastet > 100
Hausstaub unbelastet < 1
leicht erhöht 1 - 10
erhöht, PCP-Ver-
wendung sehr
wahrscheinlich
> 10
Lindan Holz unbehandelt < 2
Hausstaub unbelastet < 2
leicht erhöht 2 - 4
erhöht, Lindan-Ver-
wendung eindeutig > 4
DDT Holz, Holzstaub unbehandelt < 5
Chlortalonil Staub unbelastet < 2
Endosulfan Staub relevante Quelle > 20
Pyrethroide
(Einzelsub-
stanz)
Hausstaub unbelastet < 1 - 3
deutlich belastet 3 - 30
hoch belastet 30 - 100
sehr hoch belastet > 100
Permethrin
Teppich
(Boden
und Teppich
Flor)
unbelastet < 1
belastet, sekundär
kontaminiert
1 – < 5
behandelt > 20
17Leitfaden Umweltmedizin
3.5.6 Biozide - Weiterführende Literatur
Bundesgesundheitsamt: Pyrethroide im Hausstaub, WaBoLu-Hefte 3/1994;
Heinzow: organische Verbindungen/Pentachlorphenol, in Handbuch der Umweltmedizin (VI-4):
Herausgeber: Wichmann, Schlipkötter, Fülgraff, ECOMED 1992;
B. Liebl et al: Beurteilung von Holzschutzmittelbelastungen in Innenräumen. Gesundheits.-Wes.
57 (1995), 478-488;
Stolz, Meierhenrich, Krooß: Dekontaminations- und Abbaumöglichkeiten für Pyrethroide in Innen-
räumen, Staub-Reinhaltung der Luft 54 (1994), S. 379;
Stolz, Krooß: Vorkommen pyrethroidhaltiger Insektizide in Innenräumen, Forum Städtehygiene,
44, 1993, S. 205;
Wildeboer: Belastung der Umweltmedien - Belastungspfade, Gebrauchsgegenstände: Pestizide in
Teppichwaren, in: Praktische Umweltmedizin (09.05. Teil 8), Herausgeber: A. Beyer, D. Eis, Sprin-
ger-Verlag, Berlin 1996.
3.6 Polychlorierte Biphenyle, PCB
Aus vorwiegend analytischen Gründen werden in der Regel sechs definierte Kongenere
untersucht.
3.6.1 Indikation und Kriterien für die Probenahme
Da PCB in großen Mengen industriell produziert wurde, weltweit verbreitet und aufgrund der
schlechten Wasserlöslichkeit und hohen chemischen Inertheit lange nachweisbar ist, muss prinzi-
piell mit dem Vorkommen von PCB gerechnet werden. Die größte Belastung der Menschen erfolgt
über die Nahrungsmittel und im industriellen Bereich. Im Wohnumfeld kommt als Belastungsquel-
le aus oft nicht nachvollziehbaren Gründen die Luft in Frage. Der Verdacht ergibt sich somit aus
der klinischen Symptomatik.
Es handelt sich hier in aller Regel um die Probenahme Luft .
3.6.2 Probenahmebedingungen
Bedingungen wie vorgeschildert bei der Luft-Probenahme.
Adsorption an Florisil (800 mg), Flussrate 2,5 l/min., Gesamtmenge über 500 l.
3.6.3 Analyse/Aufarbeitung
Elution mit n-Hexan bzw. n-Hexan im Soxhlet kochen.
Analysegeräte:
Gaschromatograph: z. B. PE-AUSYS 0324-11 oder vergleichbare Geräte
Trennsäule: GC-Kapillarsäule (HAT-8 von SGE mit Vorsäule)
Detektor: ECD
Bestimmungsgrenze:
Summe 0,5 bis 1,0 ng/m3
3.6.4 Bewertungskriterien
1990 sind vom BGA Richtwerte empfohlen worden. Das Produkt aus der Summe der sechs Kon-
generen mal dem empirischen Faktor 5 ist 1995 als eine Richtlinie der ARGEBAU in einzelnen
Bundesländern u.a. NRW übernommen worden.
(5x ∑ 6 Kongenere)
Leitfaden Umweltmedizin18
< 300 ng/m3 – Eine gesundheitliche Gefährdung ist nicht vorhanden.
300–3000 ng/m3 – Eine Aussage ist nur unter Berücksichtigung der indivi-
duellen Gegebenheiten möglich, die Quellen sind aufzuspü-
ren und eine Verminderung der PCB-Konzentration anzu-
streben.
> 3000 ng/m3 – Eine gesundheitliche Gefährdung ist vorhanden. Es sind un-
verzüglich Maßnahmen zu ergreifen. Die Sanierungsmaß-
nahmen müssen geeignet sein, die PCB-Aufnahme der Be-
troffenen wirksam zu vermindern.
Zielwert: – < 300 ng/m3
3.7 Mineralfasern/Asbest
3.7.1 Indikation und Kriterien für die Probenahme
Verdachtsmomente ergeben sich aus der Baugeschichte und dem Fachwissen über Baumaterialien. In
Privathaushalten vorkommende Materialien wie Platten, Pappe, Schnüre und Fußbodenbeläge („Cus-
hion vinyl“), Spachtel, Stopfmassen und Nachtstromspeicheröfen können Asbest enthalten.
Die Kriterien für die Probenahme ergeben sich aus der Einschätzung der Materialien und evtl.
Erkrankungen wie Pleuramesotheliom in der Familie.
3.7.2 Probenahmebedingungen Analog Asbestrichtlinien NRW.
Parameter Materialprobe (Unbeabsichtigte Freisetzung von Fasern muss vermieden wer-
den).
Luftprobe: Analog Asbestrichtlinien NRW.
3.7.3 Analyse
Rasterelektronenmikroskopie
3.7.4 Bewertung
Material:
Als Grundlage dient die Asbestrichtlinie NRW, die die Dringlichkeit einer Sanierung aus einer Bewer-
tungszahl herleitet. Diese Bewertungszahl berücksichtigt die Asbestart, Zustand des Asbestproduktes,
Raumnutzung, Lage des Produktes u. a..
Luftprobe:
Jeder Messwert soll unter 500 Fasern/qm (Länge > 5 µm, Durchmesser < 3 µm, Verhältnis Länge zu
Durchmesser < 3:1) liegen. Die Obergrenze des Vertrauensbereiches muss unter 1000 Fasern/qm liegen.
3.8 Künstliche Mineralfasern (= KMF)
3.8.1 Allgemeines
Künstliche Mineralfasern (= KMF) dienen vor allem als Isolierstoffe. Dämmstoffe auf Mineralwollbasis
bestehen im Wesentlichen aus Fasern, die aus einer silikatischen Schmelze gewonnen werden. Abhän-
gig von den Ausgangsmaterialien unterscheidet man zwischen Glasfasern, Steinwolle, Schlackenwol-
le, Keramikfasern, Spezialglasfasern und Glasmikrofasern. Die KMF-Fabrikate enthalten außerdem
chemische Zusätze als Bindemittel oder staubbindende Öle (z. B. Phenolformaldehydharze, PAH-
19Leitfaden Umweltmedizin
haltige Weichmacheröle, aromatische Amine, Polyvinylacetatkleber, Polystyrolkleber, Waschben-
zin, Nitroverdünnung).
3.8.2 Gesundheitsgefährdung
Die von KMF ausgehenden Gesundheitsgefährdungen hängen ab von der Konzentration der Fa-
sern in der Umgebungsluft, der Fasergeometrie, der Biobeständigkeit der Fasern und den chemi-
schen Zusätzen. Gesundheitsgefahren durch KMF:
Hautreizungen
Allergien (durch keramische Fasern und die chemischen Zusatzstoffe)
Augenreizungen
Entzündliche Erkrankungen der Atemwege
Kanzerogenität
3.8.3 Beurteilungskriterien
Luftgrenzwerte (TRK) in TRGS 102 und 900 (letzte Modifikation veröffentlicht im
April-Heft 1999 des Bundesarbeitsblattes, Geltungsbereich nur im Gewerbe).
Luftgrenzwerte für private Räume und Schulgebäude existieren nicht, Es gibt auch keine
Empfehlungen. Denkbar wären Grenzen, die sich nach den gemessenen mittleren Pro-
duktfaserstaubkonzentrationen in Innenräumen mit KMF-Produkten richten. Die ge-
messenen Werte betrugen max. 100 bis 600 Fasern/m3. Andere Untersuchungen zeigten
bei Messung ubiquitärer Faserstaubkonzentrationen KMF-Fasern um 1.000 und weni-
ger/m3.
Beurteilung Kanzerogenität (siehe TRGS 905)
Fasergeometrie
Nach WHO-Definition sind Fasern mit folgenden Abmessungen kanzerogen:
Länge ≥ = 5 µm
Durchmesser < 3 µm
Länge: Durchmesser > 3 : 1
Biologische Faserbeständigkeit
Bestimmt an Hand der Faserchemie und angegeben im
Kanzerogenitätsindex Ki
Fasern mit Ki ≤ 30 Kategorie 2 (= Krebserzeugung im Tierversuch)
Fasern mit Kizwischen 30 und 40 Kategorie 3 (= Verdacht auf Krebserzeugung)
Fasern mit Ki ≥ 40 Kategorie 0 (= kein Verdacht auf Krebserzeugung)
3.8.4 Technische Regeln zu Fasermessung
Innenraum:
Siehe VDI - 3492 Blatt 2, geringfügig modifiziert als ISO/DIS 14.966
Außenluft:
Siehe VDI 3492, Blatt 1 VDI 3492, Blatt 2
Zwei Ringversuche wurden unter diesen Kriterien bisher durchgeführt (1993/1994 und 1997/1998)
unter Beteiligung der Kommission Reinhaltung der Luft im VDI und DIN. Eine Etablierung von Ring-
versuchen wird angestrebt.
Leitfaden Umweltmedizin20
3.8.5 Schutzmaßnahmen im Umgang mit KMF
Anforderungen im Umgang mit KMF sind festgehalten im Regelwerk TRGS 521 „Faserstäube“. Die-
ses Regelwerk gilt grundsätzlich für den gewerblichen Bereich. Eine analoge Anwendung
auf den privaten Bereich ist sinnvoll.
3.8.6 Relevante Verordnungen und Richtlinien
Gefahrstoffverordnung
Technische Richtkonzentration (TRK) für gefährliche Stoffe TRGS 102
Grenzwerte in der Luft am Arbeitsplatz (MAK und TRK in TRGS 900)
Verzeichnis krebserzeugender, erbgutverändernder und fortpflanzungsgefährdender
Stoffe TRGS 905
Faserstäube TRGS 521, Bundesarbeitsblatt 5/2002 S. 96 – 113
VDI 3492 Blatt 2; Messungen von Innenraumluftverunreinigungen–Messen anorgani-
scher faserförmiger Partikel, Messplanung und Durchführung der Messung.
Rasterelektronenmikroskopische Verfahren Berlin: Beuth 1994
ISO/DIS 14.966 Ambient Air - Determination of numerical concentration of inorganic-
fibron particles – Scanning electron microscopi method
VDI 3492 Blatt 1: Messen anorganischer faserförmiger Partikel in der Außenluft Raster
elektronenmikroskopisches Verfahren Berlin: Beuth 1991
3.9 Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAH bzw. PAK)
3.9.1 Indikation und Kriterien für die Probenahme
Verdachtsmomente sind: Dunkler Parkettkleber, Gussasphalt als Fußbodenunterbau,
Teerfarben, offene Feuerstellen, Zigarettenrauch.
Die Kriterien für die Probenahme ergeben sich aus den Materialien und ggf. einem gehäuften Vor-
kommen von Tumoren in der Familie. Materialanalysen nach den Empfehlungen des Umweltbun-
desamtes vom 29.April 1998 sollen zunächst vorgenommen werden. Je nach Ergebnis kann dies
ergänzt werden durch Hausstaubanalysen und Raumluftuntersuchungen.
Wichtigster Vertreter ist Benzo(a)pyrin (BaP):
BaP-Gehalt i. Material > 10 < 3000 mg/kg = Hausstaubuntersuchungen
BaP-Gehalt > 3000 mg/kg im Material und
BaP-Gehalt < 10 mg/kg im Hausstaub
3.9.2 Probenahmebedingungen
Materialproben: Keine besonderen Bedingungen.
Hausstaubproben: Wie an anderer Stelle aufgeführt, entsprechend Entwurf VDI 4300, Blatt 8.
Raumluftuntersuchung: In über 90 Prozent irrelevant, trägt nicht zur Sanierungsentscheidung bei.
Nur die leicht flüchtigen PAHs der 16er EPA-Liste haben einen nennenswerten
Dampfdruck.
3.9.3 Analyse/Aufarbeitung
} Raumluftuntersuchungen mit
Referenzprobe
21Leitfaden Umweltmedizin
Extraktion der Materialprobe bzw. Filter aus Raumluftmessung mit Toluol/Acetonitril.
Geräte: HPLC
Trennsäule: RP 18
Detektor: Diodenarraydetektor und/oder Fluoreszenzdetektor
3.9.4 Bestimmung der PAH aus Staubproben
Elution: Toluol/Acetonitril
Geräte: HPLC
Trennsäule: RP 18
Detektor: Fluoreszenzdetektor und/oder Diodenarray
3.9.5 Bewertung
siehe o. g. Empfehlung des Umweltbundesamtes.
3.10 Metalle
3.10.1 Indikation und Kriterien für die Probenahme
Äußere Einflüsse wie Altlasten und Industrieanlagen oder Kenntnisse über bestimmte Baumate-
rialien (Kupfer- und Bleirohre im Haus) sollen beachtet werden.
Für die Überprüfung einer Belastung kommt vorrangig ein Biomonitoring in Frage.
Kriterien für die Probenahme sind spezifische Anhaltspunkte (s. o.) oder ein klinischer Verdacht,
der sich aus der klinischen Symptomatik bzw. Laborbefunden ergibt.
3.10.2 Probenahmebedingungen
Entsprechend Entwurf VDI Richtlinie 4.300, Blatt 8, für Hausstaubproben wie an anderer Stelle
angegeben.
3.10.3 Analyse
Aufschluss: Salpetersäure/Wasserstoffperoxid oder andere validierte Verfahren.
Analyse mit AAS oder ICP, die Analysebedingungen müssen für jedes Gerät optimiert und
validiert werden.
Teilnahme an externen Ringversuchen ist verpflichtend.
3.10.4 Bewertung
Als Beurteilungskriterium kann herangezogen werden: C. Krause et al: Umweltsurvey Band III a:
Wohninnenraum, Spurenelementgehalt im Hausstaub, WaBoLu Hefte 2/1991 mit Angaben der 50.
und 90. Perzentilwerte. Daneben gilt die Trinkwasserverordnung (2002) mit 3 mg/l für Kupfer,
wobei für Säuglinge auch Werte ab 1 mg/l relevant sein können.
Staubproben:
Fall Lederlenkrad - Seite 70
Metall 50. Perzentil 90. Perzentil
Arsen 1,6 3,5
Blei 24,2 142,0
Cadmium 1,7 4,9
Chrom 75,4 157,0
Leitfaden Umweltmedizin22
3.11 Flüchtige organische Verbindungen (= VOC)
Definition: Substanzen, die im Retentionszeitenfenster zwischen n-Hexan und
n-Hexadecan auf einer unpolaren Trennsäule auftreten, das entspricht einem Siedebereich von 70
bis 290° C, werden als flüchtige organische Verbindungen oder kurz VOC
(=Volatile Organic Compounds) bezeichnet.
3.11.1 Indikation und Kriterien für die Probenahme
Verdachtsmomente ergeben sich durch:
auffällige Geruchswahrnehmung,
Feuchtigkeit im und am Material,
aktuelle Renovierungs- und Baumaßnahmen,
klinische Symptomatik bzw. klinische Befunde.
Die Untersuchung erfolgt mittels Luftprobenahme. Zur Quellensuche können Material-
Emissionsanalysen herangezogen werden.
3.11.2 Probenahmebedingungen
Fenster und Türen des zu messenden Raumes müssen mindestens vier, besser acht bis zwölf Stun-
den geschlossen sein, nach vorheriger guter Durchlüftung. Es sollen Raumtemperaturen
zwischen 19° C und 23° C vorliegen.
3.11.3 Probenahmegeräte
Dräger Aktivkohle-Röhrchen, Typ NIOSH oder andere validierte Röhrchen
Probenahmepumpe Kutschera oder vergleichbare Pumpen
Sammelrate: maximal 2 l/min
Probevolumen: 50–100 l Luft, im Einzelfall auch mehr
3.11.4 Analyse
Elution: 1 ml Schwefelkohlenstoff (jedes Kompartment separat), > 8h Elutionsdauer
Analysegerät: GC-MS HP 5890 oder vergleichbare Geräte
Trennsäule: Macherey-Nagel Optima 5-MS (30 mm; 1,0 µm; 0,25 mm)
Detektor: MSD HP 5971A oder vergleichbare
3.11.5 Bewertung
Es werden die Innenraumluftrichtwerte nach Seifert, Bundesges.- Bl. 3/99 herangezogen. Die Werte
sind nicht toxikologisch begründet, da die Vielfalt der stofflichen Kombinationen keine gesicherten Do-
sis-Wirkungsbeziehungen zulässt. Zur Auswertung werden die relevanten Substanzklassen herangezo-
gen (z. B. Alkohole, Ester, Aromaten, Aliphaten), die zehn höchsten Peaks quantifiziert und die Konzen-
trationen zusätzlich aufsummiert.
Die Alkohole Methanol, Ethanol und Iso-Propanol werden nicht berücksichtigt und machen i. d. Regel
mindestens 40 Prozent der ausgewiesenen Substanzen aus. Für die Gesamtkonzentration gilt, dass
300 µg/m2 nicht überschritten werden sollen, eine Einzelsubstanz soll weder 10 Prozent der Gesamt-
konzentration noch 50 Prozent der Stoffklassenkonzentration übersteigen. Im Übrigen sei auf diese
Veröffentlichung verwiesen. Eine gesundheitliche Bewertung ist nur als Einzelfallbetrachtung möglich.
Quelle: Innenraumluft-Kommission des Bundesgesundheitsamtes
23Leitfaden Umweltmedizin
Stoffgruppen Zielwert Stoffgruppen Zielwert
Aromaten
Summe ohne Benzol)
Einzelverbindung
50
25
Alkane
Summe
Einzelverbindung
100
30
Terpene
Summe
Einzelverbindung
30
15
Ester
Summe
Einzelverbindung
20
10
Aldehyde u. Ketone
Summe
Einzelverbindung
20
10
Alkohole
Summe
Einzelverbindung
50
25
Chlorierte KW
Summe
Einzelverbindung
30
15
Summe VOC 300
3.12 Mikroorganismen
3.12.1 Voraussetzung für Wachstum
(Feuchtigkeitsschäden mit mikrobiellen Befall) (Seite 69)
Sind nährstoffhaltige Materialien über ausreichend lange Zeiträume feucht, dann wird es zu ei-
nem Wachstum von Schimmelpilzen und/oder Bakterien im oder auf dem Material kommen.
Außer auf glatten, sauberen und anorganischen Oberflächen, wie Metalloberflächen oder Glas-
scheiben, sind in der Regel ausreichend Nährstoffe für ein mikrobielles Wachstum vorhanden und
auch andere wesentliche Parameter wie pH-Wert und Temperatur ermöglichen normalerweise die
mikrobielle Besiedlung.
Deshalb ist hauptsächlich der Feuchtigkeitsgehalt im Material oder an der Materialoberfläche
ausschlaggebend.
Schimmelpilze können bei Werten ab einem aw-Wert von zirka 0,8 (aw = Wasseraktivität, ent-
spricht in etwa dem 1/100 der relativen Luftfeuchtigkeit) anwachsen ( und es wird berichtet, dass
Feuchtigkeitsgehalte von aw = 0,7 ausreichen (RWE Bauhandbuch), um das Wachstum aufrecht
zu erhalten.
Bakterien benötigen einen höheren Feuchtigkeitsgehalt. Keimung ist ab zirka aw = 0,90 möglich.
Laut Madigan et al. wird für das Wachstum von Staphylokokken 0,90 angegeben. Wenn Bakterien
in Materialien wachsen, in denen deutlich geringere Feuchtigkeit vorliegt, dürfte dies an der Aus-
bildung eines mikrobiellen Biofilms liegen, der in der Lage ist, Feuchtigkeit zu speichern.
Mit erhöhter Feuchtigkeit in Gebäuden ist dann zu rechnen, wenn einer der folgenden
Voraussetzungen gegeben ist (siehe Hankammer, Lorenz 2003):
Neubau-Restfeuchte (in den ersten zwei bis drei Jahren in gewissen Grenzen unvermeidlich)Feuchtigkeit in der Gebäudehülle durch von außen eindringendes WasserSchäden am Dach oder im KaminbereichUndichte Stellen in der sanitären Hausinstallation (Duscheinbauten, Rohranschlüsse) oder im Heizsystem
Quelle: Innenraumluft-Kommission des Bundesgesundheitsamtes
Leitfaden Umweltmedizin24
Havarien (Hochwasser, geplatzte Wasserschläuche von Waschmaschinen, Rohrbrüche, etc.)Zu hohe relative Raumluftfeuchte durch zu niedrige Raumtemperatur oder ungenügen-der Lüftung.Niedrige Oberflächentemperaturen durch Wärmebrücken (geometrische, kon-struktive oder thermodynamische Wärmebrücken).
Weitere nicht gebäudebedingte Innenraumquellen für Mikroorganismen können sein: Müllbehält-
nisse (Biotonne, etc.), zu lange oder falsch gelagerte Lebensmittel, Zimmerpflanzen oder auch
Tierkäfige. Auch die Bewohner geben permanent bakterielle Keime an die Umgebung ab, insbe-
sondere Staphylokokken, Mikrokokken und Streptokokken.
3.12.2 Indikation
Verdachtsmomente für eine mikrobielle Quelle im Wohnumfeld können sein:
Flecken auf Wänden oder Gegenständen (Feuchtigkeitsflecken, Stockflecken, sichtbarer
Schimmelbefall)
Sichtbare Materialzerstörung (Putz ist versandet, Tapete löst sich von den Wänden)
Typischer Geruch in einzelnen Räumen oder im gesamten Gebäude (muffig, säuerlich,
„ranzig“, nach abgestandener Luft, etc.)
Materialien riechen nach Mikroorganismen (muffig, etc. siehe oben)
In Bauteilen messbar erhöhte Feuchtigkeit
Kondensation auf Fensterscheiben oder an Fensterrahmen.
Im Vergleich zur Außenluft auffällig hohe absolute Raumluftfeuchtigkeit (Achtung: Die
relative Feuchtigkeit ist temperaturabhängig !)
Erkennbare bauliche Schwachpunkte (raumseitige Dämmung, Verkleidung vor
erdberührenden Außenwänden, Flachdächer, Kriechkeller, Hanglage).
Klinischer Verdacht
3.12.3 Schimmelpilze
Als Indikatororganismen für Feuchtigkeitsschäden in Innenräumen werden im Leitfaden des
LGA Baden-Württemberg aus dem Jahre 2001 folgende Schimmelpilze eingestuft:
Acremonium spp.
Aspergillus restrictus und A. versicolor
Chaetomium spp.
Phialophora spp.
Scopulariopsis spp.
Stachybotrys chartarum
Tritirachium (Engyodontium) album
Trichoderma spp.
Dies bedeutet nicht, dass nicht andere Arten oder Gattungen auftreten können, oder die genann-
ten Arten nur mit Feuchtigkeitsschäden in Zusammenhang stehen müssen, sondern dass bei Auf-
treten der Indikatororganismen ein Feuchtigkeitsschaden im Gebäude zu vermuten ist.
Es gibt auch Gattungen/Arten die bei Feuchtigkeitsschäden häufig auftreten, aber nicht als Indi-
katororganismen eingestuft wurden, wie vor allem Penicillium spp. und Cladosporium spp. Diese
Pilze wurden nicht als Indikatoren eingestuft, da sie auch in der Außenluft –jahreszeitenabhängig–
in großer Menge vorkommen können.
25Leitfaden Umweltmedizin
Die in feuchten Materialien am häufigsten nachzuweisenden Schimmelpilze und Bakterien sind
(aus Hankammer, Lorenz 2003):
Mikroorganismen Gravesen 1997
72 Proben
Lorenz
750 Proben
aus 1998
Lorenz,
280 Proben aus 2002
Putz, Estrich, Mörtel
Penicillium spp. 68 62 80
Aspergillus versicolor in A. spp. enthalten 50 65
Aspergillus spp. 56 35 34
Cladosporium spp. 15 33 46
Acremonium spp. 14 28 31
Hefen - 20 8
Scopulariopsis spp. - 9 8
Ulocladium spp. 21 8 9
Stachybotrys chartarum 19 8 4
Wallemia spp. - 5 3
Phoma - 4 < 1
Trichoderma spp. 7 3 2
Chaetomium spp. 22 3 8
Mucor spp. 14 2 4
Paecilomyces spp. 10 1 < 1
Alternaria spp. 8 2 2
Verticillium spp. 8 2 2
Actinomyceten keine Angabe 33 50
Bacillus spp. keine Angabe 31 26
nicht identifizierte Bakterien keine Angabe nicht gezählt 95
Leitfaden Umweltmedizin26
3.12.4 Kriterien für die Probenahme
A. Bei sichtbarem Befall kann die Analyse der vorliegenden Gattungen oder Arten mittels Ab-
klatschproben oder Materialsuspension erforderlich sein, wenn dies aus medizinischen Gründen
(bestehende klinische Symptomatik und deren Entwicklung) sinnvoll ist.
Bei begründetem Verdacht auf einen ausgedehnten mikrobiellen Befall oder in besonderen klini-
schen Verdachtsfällen kann eine zusätzliche Luftkeimmessung oder in Einzelfällen auch eine
Hausstaubanalyse sinnvoll sein.
B. Ein auffälliger Geruch sollte immer Anlass für eine Quellensuche sein. Nach Lokalisierung der
Quelle sollte im Falle eines versteckten aber sichtbaren Befalls (siehe Abb. 1) wie unter A verfah-
ren werden.
Besteht die Verdachtsquelle aus einem feuchten
oder riechenden Material, in oder auf dem kein mi-
krobieller Befall visuell erkennbar ist, dann sollte im-
mer eine Materialanalyse erfolgen. Da bei Abklatsch-
proben die Kontamination der Oberfläche mit An-
flugsporen das Ergebnis stark verfälschen kann, soll-
te vor der Probenahme die Oberflächenschicht dünn
abgetragen werden. Die Materialanalyse mittels Ver-
dünnungsreihen ist vorzuziehen, da hier der Einfluss
der Oberfläche sehr viel geringer ist. Dennoch sollte
die oberste Materialschicht möglichst nicht entnom-
men werden.
Kann keine mikrobielle Quelle oder mögliche Quelle
lokalisiert werden, dann sollte der Verdacht mittels
MVOC-Messung, Luftkeimmessungen evtl. auch
Staubanalysen überprüft werden. MVOC-Messungen
sind jedoch dann nicht sinnvoll, wenn es sich eindeutig um einen „Schimmelgeruch“ handelt, son-
dern eher bei einem nicht eindeutig identifizierbaren Geruch. Bei den Untersuchungen sind die
Fehlerquellen und Ungenauigkeiten zu berücksichtigen. Nach Empfehlung im Leitfaden des LGA
sind bei Durchführung von Luftkeimmessungen im Falle negativer Befunde Wiederholungsmes-
sungen erforderlich.
Im Leitfaden des Umweltbundesamtes wird die parallele Messung an mehreren Stellen in der
Wohnung als notwendig erachtet.
Liefern die Ergebnisse der Messungen deutliche Hinweise auf eine Quelle, ist eine erneute Quel-
lensuche, ggf. mit zerstörenden Bauteilöffnungen, notwendig. Als erstes sollten die typischen
„Verdachtsstellen“ (konstruktive Schwachstellen wie Wärmebrückenbereiche, raumseitige Wär-
medämmung, Bereiche ehemals bekannter Wasserschäden etc.) untersucht werden. Ergeben die
Untersuchungen negative Befunde, sind Methoden erforderlich, die nicht im Rahmen des umwelt-
medizinischen Mess- und Beratungsdienstes erbracht werden können, wie z. B. thermographische
Gebäudeanalyse, Einsatz eines Schimmelpilzspürhundes etc. Vor weiteren Untersuchungen, wie
z. B. Materialanalysen auf Mikroorganismen, müssten in diesen Fällen privat beauftragte Untersu-
chungen durchgeführt werden.
C. Bei Vorliegen von Feuchtigkeit und oder anderen optischen Hinweisen auf einen Problembe-
reich sollte das Material analysiert werden. Auch hier ist darauf zu achten, dass das Ergebnis
Abb. 1: Versteckter, aber sichtbarermikrobieller Befall
27Leitfaden Umweltmedizin
nicht durch eine Oberflächenkontamination verfälscht wird (siehe unter B).
In besonderen Fällen können die Materialanalysen durch Luftmessungen oder Staubanalysen er-
gänzt werden, z. B. bei Verdacht auf ausgedehnte Schäden oder falls Feuchtigkeitsmessungen in
und an den Bauteilen nicht möglich sind.
D. Bei alleinigem Vorliegen eines dringenden klinischen Verdachtes auf durch Schimmelpilze be-
dingte gesundheitliche Beschwerden ohne sonstige Anhaltspunkte für Quellen sollten zunächst
Luftmessungen, ggf. auch Staubanalysen, durchgeführt werden.
3.12.5 Abklatschproben
Prinzip
Ein speziell dafür vorgesehener Nährboden wird auf die Oberfläche des zu untersuchenden Ma-
terials aufgedrückt. Lose anhaftende Partikel wie Keime oder Hyphenbruchstücke bleiben am
Nährboden kleben und können dann im Labor kultiviert werden wobei zu beachten ist, dass nicht
alle Keime unter Laborbedingungen kultivierbar sind.
Probenahme
Zur Untersuchung von Schimmelpilzen sollten zwei Nährböden verwendet werden und zwar Malz-
extraktagar und DG18 Agar (siehe Leitfäden LGA Baden-Württemberg und Umweltbundesamt). Es
empfiehlt sich die Nährböden mit einem geeigneten Hemmstoff anzureichern, um ein Überwach-
sen der Kolonien mit Bakterien zu verhindern.
Bei der Interpretation ist zu berücksichtigen, dass nicht
unterschieden werden kann welche Kolonien sich aus Spo-
ren entwickelt haben, die als Anflugsporen auf der Ober-
fläche lagen und welche Kolonien durch Partikel entstan-
den sind, die aufgrund einer Materialbesiedlung auftraten.
Auch werden tiefere Schichten nicht erfasst. Oft ist z. B.
die Besiedlung hinter einer Tapete erheblich stärker als
auf der Tapete (siehe Abb. 2).
Analyse
Die Nährböden werden im Labor bei 25±3°C kultiviert. Er-
gänzende Untersuchungen nach einer Inkubation bei 37° C
sind in bestimmten Fällen sinnvoll.
Bewertung
Die Ergebnisse werden als Koloniebildende Einheiten auf die erfasste Fläche bezogen, z. B.
KBE/24 cm2. Es sollten stets Mengen und Arten einander zugeordnet werden:
Dominierende Arten, die ubiquitär vorkommen, wie z. B. Cladosporium, oder Arten die in erster
Linie im Hausstaub zu finden sind, wie z. B. Aspergillus niger. War an der Probenahmestelle kein
Befall sichtbar, dann kann es sich um eine Kontamination handeln.
Werden jedoch die o. g. Feuchtigkeitsindikatoren nachgewiesen, ist ein entsprechender Feuchtig-
keitsschaden im Bereich der Probenahmestelle sehr wahrscheinlich.
Bei zu großer Menge an Keimen (ab ca. 250 KBE/24 cm³) wachsen die Kolonien ineinander und
sind nicht mehr zählbar. In diesem Fall spricht man von Rasenbildung, und man kann die Probe
nur qualitativ auswerten.
Abb. 1: Versteckter, aber sichtbarer mikrobieller Befall
Leitfaden Umweltmedizin28
3.12.6 Materialanalysen
Prinzip
Das Material wird gewogen bzw. vermessen, zerkleinert, mit einer Suspensionslösung vermischt
und 30 Min. geschüttelt oder gerührt. Auf diese Weise werden die mikrobiellen Partikeln in eine
flüssige Suspension übertragen.
Die Suspension wird dann in drei bis vier Stufen verdünnt und auf Nährböden aufgetragen.
Zur Zählung und Differenzierung müssen Verdünnungsstufen angesetzt werden.
Als Nährböden werden DG 18 und Malzextraktagar siehe Leitfaden des LGA Baden-Württemberg
(2001) Seite 44.
Probenahme
Das Material wird mit einem sterilen Werkzeug (mit Alkohol abgewischt) entnommen und direkt
vor Ort luftdicht in sterilem Material verpackt. Gut geeignet ist z. B. Alufolie, da diese dampfdicht
ist und ein Trocknen der Proben verhindert.
Das Material sollte umgehend ins Labor gebracht werden. Die Lagerfähigkeit der Materialproben
im Kühlschrank beträgt maximal 14 Tage.
Analyse
Die Nährböden werden bei 25°C±3 °C bebrütet. Die Auswertung sollte nach drei, fünf, sieben und
zehn Tagen erfolgen.
Bewertung
Bei der Auswertung sollten zu den einzelnen differenzierten Gattungen und Arten die jeweiligen
Mengen angegeben werden.
Die quantitative Bewertung (Angabe in KBE/g Material) kann abgestuft werden nach normalen
Mengen, erhöhten Mengen, hohen Mengen und sehr hohen Mengen. Als Basis der Bewertung sind
Vergleichswerte unbefallener Materialien heranzuziehen (siehe z. B. Schimmelpilzsanierungs-
Leitfaden des UBA, Seite 47) oder die von Trautmann veröffentlichten Bewertungsempfehlungen
(siehe Lorenz, Hankammer, Lassl 2005, Seite 113 bis 118).
Zusätzlich zu den Mengen ist zu berücksichtigen, ob besonders zu beachtende Arten oder Gat-
tungen vorliegen – d. h. ob Indikatororganismen für einen Feuchtigkeitsschaden vorliegen, ob fa-
kultativ pathogene Pilze vorliegen (dies betrifft in erster Linie Aspergillus fumigatus) oder ob po-
tentielle Mykotoxinproduzenten (z. B. Stachybotrys chartarum, Fusarium spp., Chaetomium spp.
oder Aspergillus versicolor) auftreten.
3.12.7 Luftkeimmessung
Prinzip
Für die Luftkeimmessung gibt es verschiedene einsatzfähige Systeme. Bewährt haben sich Im-
paktorsammler oder Sammler mit Filtervorsatz (z. B. Sartorius-Sammler).
Es wird über einige Minuten Luft angesaugt, die entweder über Düsenplatten beschleunigt auf
eingelegte Nährböden auftrifft (Impaktor) oder die durch Filter gesaugt wird.
Es darf nicht zu viel Luft angesaugt werden, da dann die Nährböden überladen werden und u. a.
die Kolonien ineinander wachsen (siehe oben) und nicht zu wenig, damit die statische Berech-
nung der KBE Konzentration auf 1 m³ hinreichend genau ist. Erfahrungsgemäß sind 100 l Luftpro-
benahmevolumen ausreichend.
29Leitfaden Umweltmedizin
Probenahme
Fenster und Türen des zu untersuchenden Raumes sollten acht bis zwölf Stunden vor der Probe-
nahme geschlossen bleiben. Vorher sollte der Raum gut durchlüftet worden sein. Auch ist sorg-
fältig darauf zu achten, einen Tag vor der Messung alle Mülleimer in der Wohnung zu entleeren
und verdorbene Lebensmittel zu entfernen.
Dient die Messung zur Kontrolle, ob mit baulichen Feuchtigkeitsschäden zu rechnen ist, dann soll-
ten am Tag vor der Messung auch die Pflanzen und Tierkäfige entfernt werden. Will man sich ein
Gesamtbild zur vorliegenden Exposition machen, dann sollte die Wohnung im „normalen Zu-
stand“ gelassen werden.
Da auch in der Außenluft immer Pilzsporen vorhanden sind, ist eine Beeinflussung der Innen-
raummessung durch die Außenluftbelastung gegeben. Deshalb muss direkt vor oder nach der In-
nenmessung eine Außenluft-Referenzmessung erfolgen. Diese muss auf der Zuwindseite, regen-
geschützt und in einem gewissen Mindestabstand von einem bis zwei Metern vom Gebäude
durchgeführt werden. Wird direkt vor dem Gebäude im Bereich von Fenstern, Türen oder Keller-
treppen gemessen, kann eine Beeinflussung der Außenluft durch Gebäudeemissionen auftreten.
Analyse
Die Anzüchtung der Kolonien auf den Nährböden erfolgt wie bei den Abklatschproben oder den
beimpften Nährböden bei der Suspensionsmethode (siehe jeweils dort).
Bewertung
Luftkeimmessungen können wertvolle Hinweise geben, ob mit einer mikrobiellen
Quelle im Innenraum zu rechnen ist. Allerdings werden nicht selten negative Be-
funde erzielt, auch wenn teils massive mikrobielle Quellen vorhanden sind (siehe
Fallbeispiele im Leitfaden des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2002).
Diesem Aspekt wird im Leitfaden des LGA Baden-Württemberg Rechnung getra-
gen, indem dort darauf hingewiesen wir, dass beim Messtermin Mehrfachmessun-
gen und ggf. im Rahmen weiterer Ortstermine Wiederholungsmessungen erforder-
lich sind. Dies ist jedoch sehr kostenintensiv und wirtschaftliche Gesichtspunkte
stehen dem entgegen. Besser ist es, die Luftkeimmessung ins gesamte Untersu-
chungskonzept intelligent einzubauen und die Ergebnisse als einen Baustein bei
der Beurteilung der Gesamtsituation zu nutzen.
Die Pilzkolonien müssen den Arten oder Gattungen zugeordnet und separat ge-
zählt werden. Die Ergebnisse der Innenraumluft und der Außenluft sind zu verglei-
chen, wobei immer die Zahlenwerte der jeweiligen Art oder Gattung verglichen
werden müssen. Der Vergleich der KBE-Gesamtzahl liefert häufig keine Aussagen,
da es z. B. nicht möglich ist, 500 KBE/m³ Cladosporium in der Außenluft mit 300
KBE/m³ Aspergillus versicolor im Innenraum zu vergleichen.
Werden im Innenraum Arten oder Gattungen nachgewiesen, die außen nicht vorkommen oder
dort nur in geringerer Menge, dann sind diese danach einzustufen, ob sie als Indikatororganismen
gelten oder nicht.
Im Leitfaden des Umweltbundesamtes (2005) ist eine Bewertungstabelle zur Beurteilung von
Luftkeimmessungen veröffentlicht:
Abb. 3 Luftkeimmessgerät nach dem Impaktionsprinzip
Leitfaden Umweltmedizin30
Auszug aus dem Schimmelpilzsanierungs-Leitfaden des UBA (2005)
Bewertungshilfe für Luftprobenkultivierbare Schimmelpilze (Seite 61/Anhang)
Ergänzende Anmerkung:
Zur Bewertung der Bakterien gibt es keine Veröffentlichungen. Aufgrund eigener Erfahrungen
treten Actinomyceten und Bacillus-Bakterien in Innenräumen nicht oder nur in geringen Mengen
(< 50 KBE/m³ unter der Außenluftkonzentration) auf.
1) Indiz für Quellensuche 2) Indiz für kurzfristige intensive Quellensuche
Innenluft-Parameter Innenraumquelle
unwahrscheinlich
Innenraumquelle
nicht auszuschließen1)
Innenraumquelle
wahrscheinlich2)
Cladosporium sowie ande-
re Pilzgattungen, die in
der Außenluft erhöhte
Konzentrationen erreichen
können (z. B. sterile Myze-
lien, Hefen, Alternaria, Bo-
trytis)
Wenn die KBE/m³ einer
Gattung in der Innenluft
unter dem 0,7 bis 1-fachen
der Außenluft liegen
Ityp A
< Atyp A
x 0,7 (+0,3)
Wenn die KBE/m³ einer
Gattung in der Innenluft
nicht über dem 1,50± 0,5-
fachen der Außenluft lie-
gen
Ityp A
≤ Atyp A
x 1,5 (±0,5)
Wenn die KBE/m³ einer
Gattung in der Innenluft
über dem 2-fachen der Au-
ßenluft liegen
Ityp A > Atyp A
x 2
Summe der KBE aller un-
typischen Außenluftarten
Wenn die Differenz zwi-
schen der KBE-Summe In-
nenraumluft minus Außen-
luft der untypischen Au-
ßenluftarten nicht über
150 KBE/m³ liegt
IΣuntyp A≤ AΣuntyp A
+ 150
Wenn die Differenz zwi-
schen der KBE-Summe In-
nenraumluft minus Außen-
luft der untypischen Au-
ßenluftarten nicht über
500 KBE/m³ liegt
IΣuntyp A≤ AΣuntyp A
+ 500
Wenn die Differenz zwi-
schen der KBE-Summe In-
nenraumluft minus Außen-
luft der untypischen Au-
ßenluftarten über 500
KBE/m³ liegt
IΣuntyp A> AΣuntyp A
+ 500
eine Gattung
(Summe der KBE aller zu-
gehörigen Arten) der unty-
pischen Außenluftarten
Wenn die Differenz zwi-
schen der KBE-Summe In-
nenraumluft minus Außen-
luft der Gattung nicht
über 100 KBE/m³ liegt
IEuntyp G
≤ AEuntyp G
+ 100
Wenn die Differenz zwi-
schen der KBE-Summe In-
nenraumluft minus Außen-
luft der Gattung nicht
über 300 KBE/m³ liegt
IEuntyp G
≤ AEuntypGA
+ 300
Wenn die Differenz zwi-
schen der KBE-Summe In-
nenraumluft minus Außen-
luft der Gattung über 300
KBE/m³ liegt
IEuntyp G
> AEuntyp G
+ 300
eine Art der untypischen
Außenluftarten mit gut
flugfähigen Sporen
Wenn die Differenz zwi-
schen Innenraumluft und
Außenluft nicht über 50
KBE/m³ liegt
IEuntyp A
≤ AEuntyp A
+ 50
Wenn die Differenz zwi-
schen Innenraumluft und
Außenluft nicht über 100
KBE/m³ liegt
IEuntyp A
≤ AEuntyp A
+100
Wenn die Differenz zwi-
schen Innenraumluft und
Außenluft über 100
KBE/m³ liegt
IEuntyp A
> AEuntyp A
+ 100
eine Art der untypischen
Außenluftarten mit gerin-
ger Sporenfreisetzungsra-
te, z.B. Phialophora sp.,
Stachybotrys chartarum
Wenn die Differenz zwi-
schen Innenraumluft und
Außenluft nicht über 30
KBE/m³ liegt
IEuntyp AGS
≤ AEuntyp AGS
+ 30
Wenn die Differenz zwi-
schen Innenraumluft und
Außenluft nicht über 50
KBE/m³ liegt
IEuntyp AGS
≤ AEtyp AGS
+ 50
Wenn die Differenz zwi-
schen Innenraumluft und
Außenluft über 50 KBE/m³
liegt
IEuntyp AGS
> AEtyp AGS
+ 50
31Leitfaden Umweltmedizin
3.12.8 MVOC-Luftmessung
Prinzip
Es wurde in wissenschaftlichen Arten (Wessen et al., Fischer et al., Keller et a.) nachgewiesen,
dass Mikroorganismen flüchtige organische Verbindungen emittieren, die zum Teil zu den allge-
mein bekannten VOC zuzuordnen sind, aber auch bestimmte Substanzen, für die als hauptsächli-
che Quelle Mikroorganismen in Frage kommen.
Diese Substanzen können mit zwei verschiedenen Methoden untersucht werden.
Bei beiden Methoden wird Luft über ein spezielles Sammelröhrchen gezogen und schließlich mit-
tels Gaschromatographie und Massenspektrometer die Substanzen und deren Konzentrationen
ermittelt.
Die eine Methode basiert auf Aktivkohleröhrchen und einer anschließenden Flüssigextraktion.
Vorteil dieser Methode ist, dass das Labor mit den gewonnenen Proben–Eluat mehrere Läufe im
GC fahren kann, sollten Kontrollanalysen erforderlich sein.
Nachteile dieser Methode sind die lange Probenahmezeit und dass einige Verbindungen nicht in
ausreichender Menge von der Aktivkohle desorbiert werden können.
Bei der zweiten Methode wird die sogenannte Thermodesorption angewendet. Es werden nur we-
nige Liter Luft über Tenax-Sammelröhrchen gezogen und die Stoffe werden durch Erwärmen des
Röhrchens extrahiert und direkt in den GC eingespeist.
Der Vorteil der Thermodesorption ist die erheblich kürzere Probenahmezeit und die bessere Aus-
beute bei der Analyse. Der Nachteil ist, dass der GC-Lauf nicht wiederholt werden kann.
Probenahme
Die Räume sollte sehr gut gelüftet und anschließend acht bis zwölf Stunden geschlossen gehal-
ten werden. Ab dem Abend vor dem Messtag darf in der Wohnung nicht geraucht, gekocht oder
gebacken werden. Auch sollten am Tag vor der Messung die Pflanzen, Mülleimer und Tierkäfige
aus dem zu untersuchenden Raum entfernt werden.
Nicht zu empfehlen ist die MVOC-Messung in den ersten 2 bis 3 Jahren in Neubauten. Wie aktu-
elle Forschungsergebnisse zeigten, enthalten neue Baumaterialien häufig Mikroorganismen oder
standen mit Mikroorganismen in Kontakt und sind mit mikrobiellen Geruchsstoffen kontaminiert.
Aktivkohle und Flüssigextraktion:
Probenahme mit entsprechender Probenahmepumpe, z. B. SKC Aircheck Sampler, Modell 224. Be-
währt haben sich 120 l Luft mit 0,2 l/Min.
Tenax und Thermodesorption:
Probenahme mit üblicher Probenahmepumpe, empfohlen werden 2-3 l Luft mit 0,2 l/min über Te-
nax TA 60/80 (Keller 2002).
Analyse
Flüssigextraktion
Elution mit 1 ml modifiziertem Schwefelkohlenstoff, über acht Stunden Elutionsdauer.
Analysegeräte: Ion-Trap GC-MS bzw. GC-MS HP 5890 oder vergleichbare Geräte.
Leitfaden Umweltmedizin32
Trennsäule: Macherey-Nagel Optima 5-MS (30 Meter, 0,1 µm, 0,25 mm) oder vergleichbare
Säulen.
Detektor: MSD HP 5971A oder vergleichbare.
Thermodesorption
Gaschromatographische Trennung nach Thermodesorption und Detektion mit Massenspektrome-
trie im SIM-Modus (Keller 2002).
Bewertung
Die MVOC-Messung liefert bei sachgerechter Anwendung Hinweise darauf, ob ein mikrobieller Be-
fall vorhanden ist oder nicht. Auch ältere abgestorbene Schäden werden erkannt, soweit die to-
ten Mikroorganismen nicht entfernt worden sind.
Nicht erkannt werden teilweise sehr junge, noch nicht sehr ausgebreitete Schäden (siehe Lorenz
2001).
Die Substanz 3-Methylfuran kann in Raucherwohnungen erhöht sein. Deshalb ist dann, wenn nur
diese Substanz auffällig ist, in Raucherwohnungen nicht von einem mikrobiellen Problem auszu-
gehen.
Beim strategisch richtigen Einsatz der Messung kann diese jedoch wie folgt bewertet werden:
Kein Nachweis eines
Hauptindikators
0,05 bis 0,10 µ/m³ bei min-
destens einem Haupt-
indikator
> 0,10 µ/m³ bei mindestens
einem Haupt-
indikator
Summenkonzentration bis
0,5 µ/m³
kein mikrobieller Befall Ein lokal begrenzter mi-
krobieller Befall, ein raum-
hygienisches Problem
oder ein mikrobieller Be-
fall in angrenzenden Ge-
bäudeteilen liegt vor.
Ein mikrobieller Befall ist
wahrscheinlich.
Summenkonzentration
> 0,5 bis 1,0 µ/m³
Es liegt vermutlich kein
mikrobieller Befall, son-
dern evtl. ein raum-
hygienisches Problem vor
Ein mikrobieller Befall im
Gebäude ist wahrschein-
lich.
Ein mikrobieller Befall ist
sehr wahrscheinlich
Summenkonzentration
> 1,0 µ/m³
Da keine Hauptindkatoren
nachgewiesen wurden, ist
ein mikrobieller Befall im
Gebäude fraglich.
Ein mikrobieller Befall im
untersuchten Raum oder
unmittelbar angrenzenden
Räumen ist sehr wahr-
scheinlich.
Ein mikrobieller Befall
muss vorhanden sein.
Aktivkohlesammler und Flüssigextraktion
33Leitfaden Umweltmedizin
Tab: Schema zur Bewertung von MVOC-Messungen, auf Basis von drei Hauptindikatoren und fünf-
Nebenindikatoren ( Lorenz 2005, Leitfaden LGA Baden-Württemberg 2001).
Hauptindikatoren: Stoffe bei denen (mit Ausnahme durch Rauchen bei 3-Methylfuran) ein Zusam-
menhang mit mikrobiellen Quellen als gesichert anzusehen ist: 1-Octen-3-ol, 3-Methylfuran, Dime-
thyldisulfid.
Nebenindikatoren: Stoffe, bei denen es evtl. Einflüsse durch andere Quellen gibt, z. B. 3-Meth<l-1-
butanol durch Kochen, Backen oder frischem Holz.
Sammlung mit Tenax und anschließender Thermodesorption
nach Keller 2002:
Summe der acht Hauptindikatoren im Zeitraum März bis Juli
in unbelasteten Wohnungen: = 0,43 µg/m³
Anmerkung:
Es wird stellenweise berichtet, dass es erhöhte MVOC-Konzentrationen in Räumen gibt, ohne dass
eine entsprechende Quelle lokalisiert werden konnte. Dies ist jedoch kein Beweis für die Abwesen-
heit derartiger Quellen. Die erfolgreiche Suche nach den Quellen kann in manchen Fällen extrem
aufwendig sein. Wie eine statistische Auswertung von 100 durch Umweltmediziner im Bereich der
KVWL beauftragten Fälle ergab, waren in nur 16% dieser Fälle die mikrobiellen Schäden visuell er-
kennbar:
Ergebnis der Wohnungsinspektion Anzahl der Fälle in %
Sichtbarer mikrobieller Befall 16 Prozent
typischer Geruch ohne sichtbaren Befall 11 Prozent
Mit bautechnischen Feuchtigkeitsmessungen
lokalisierte versteckte Feuchtigkeitsschäden
43 Prozent
Problemkonstruktionen (Kriechkeller, Hanglage, etc.) 16 Prozent
Expositionsverdacht aufgrund einer ärztlichen Diagnose 14 Prozent
Tabelle:
Erste Anhaltspunkte für einen mikrobiellen Befall bei 100 Fällen, bei denen die nachfolgenden
Untersuchungen zur Lokalisierung mindestens eines Schadens führten.
Leitfaden Umweltmedizin34
3.12.9 Staubanalyse
Luftkeimmessungen stellen nur eine Momentaufnahme der luftgetragenen anzüchtbaren Keime
zum Zeitpunkt der Messung dar. Demgegenüber liefert die Hausstaubanalyse auf anzüchtbare Mi-
kroorganismen eine Übersicht zur Sporenbelastung im Innenraum über mindestens mehrere Tage.
Es werden bei den Fachleuten zurzeit grundsätzlich zwei Methoden diskutiert, nämlich die Analyse
des gesamten Hausstaubes und anderer seits die Analyse gesiebter Hausstaubproben. Auch zur
Probenahme gibt es verschiedene Vorschläge.
Bei der Analyse ungesiebter Proben wirkt sich die individuelle Staubzusammensetzung mit gro-
ben Partikeln stark auf das Messergebnis aus, da ein Vorliegen großer Anteile grober Partikel, z. B.
Sandkörner, zu einem rechnerischen Minderbefund bei der Beziehung KBE/g Staub führt.
Bei den gesiebten Proben dagegen wird befürchtet, dass durch das Sieben Keim-Cluster mecha-
nisch aufgetrennt werden und es zu teils sehr hohen KBE-Konzentrationen kommen kann.
Im Leitfaden des LGA-Baden Württemberg (2001) sind deshalb zwei Bewertungstabellen für ge-
siebte und ungesiebte Staubprobe dargestellt.
Die Bewertung erfolgt auf Basis Art/Gattung und zu erwartende Grundbelastung.
In gesiebten Proben werden z. B. 500.000 KBE/g Cladosporium als normal eingestuft, während
für Aspergillus versicolor 9.000 KBE/g eine Grundbelastung darstellen und für Stachybotrys
chartarum oder Chaetomium normalerweise gar kein Nachweis vorliegt.
Details zur Probenahme, Analyse und Bewertung sind dem Leitfaden des LGA Baden-Württem-
berg (2001) zu entnehmen.
3.13 Bakterien
3.13.1 Allgemeine Hinweise
In feuchten Materialien wachsen in der Regel nicht nur Schimmelpilze, sondern sehr oft zusätz-
lich Bakterien.
Eine statistische Auswertung von 612 Materialproben hat ergeben, dass in zirka 74 Prozent aller
Proben neben Pilzen auch Bakterien nachweisbar waren und in zirka 2 Prozent aller Proben nur
Bakterien und keine Pilze.
Es waren somit zwar fast immer Pilze nachweisbar, wenn Bakterien vorhanden waren, aber es gab
nicht wenige Proben, in denen die Mengen an Pilzen deutlich geringer waren als die der Bakte-
rien.
In feuchten Baumaterialien wachsende Bakterien sollten bei Untersuchungen in Gebäuden des-
halb ebenso beachtet werden.
Bakterien schädigen ebenfalls Materialien, tragen zu Geruchsbelastungen bei und sind nach Mei-
nung einiger Wissenschaftler aus gesundheitlicher Sicht problematischer als Schimmelpilze (z. B.
Peltola 2001).
Es ist nicht so einfach möglich, lichtmikroskopisch die Gattungen oder Arten zu bestimmen, da
sich aus feuchten Materialien isolierte Bakterien morphologisch oft nicht sicher oder nur sehr we-
nig unterscheiden. Hierzu müssten biochemische Verfahren eingesetzt werden. Deshalb ist es mit
vertretbarem finanziellen Aufwand in der Regel nicht möglich, die Bakterien zu differenzieren.
Diese analytischen Schwierigkeiten sind bei Luftkeimmessungen, Staubanalysen und Abklatsch-
proben zu berücksichtigen, da Bewohner und Haustiere starke Bakterienemittenten sind und des-
halb die Anzahl nicht identifizierter Bakterien in der Raumluft keine zufriedenstellenden Bewer-
tungen erlaubt.
Allerdings kann ein Teil der Bakterien relativ zuverlässig den Actinomyceten (Trivialnahem für die
Ordnung Actinomycetales) oder Bakterien der Gattung Bacillus zugeordnet werden.
35Leitfaden Umweltmedizin
Da bei wissenschaftlichen Untersuchungen bereits verschiedene Vertreter von Gattung nachge-
wiesen wurden, die fakultativ pathogene Arten umfassen wie Nocardia, Nocardiopsis und Myco-
bacterium (Mycobaterium murale, siehe Vuorio et al. 1999) oder auch Toxine produzieren (Pelto-
la 2001, Mehrer et al. 2003), sollte man zumindest zum jetzigen Zeitpunkt das Auftreten von Ac-
tinomyceten in Baumaterialien vorsorglich ähnlich einstufen wie das von fakultativ pathogenen
Pilzen oder potentiellen Mykotoxinproduzenten.
Abbildung 4: Pseudonocardia sp. (Foto: HKI, Jena) Abbildung 5: Nocardiopsis sp. (Foto: HKI, Jena)
Abbildung 6: Nocardia carnea (Foto: HKI, Jena) Abbildung 7: Promicromonospora sp. (Foto: HKI, Jena)
Abb. 4 bis 7: Kulturen verschiedener Actinomyceten
Auf Analysemethoden und Probenahme wird an dieser Stelle nicht eingegan-
gen, da hierzu die Angaben zutreffen, wie sie zu den Schimmelpilzen ge-
macht wurden. Allerdings ist zur Kultivierung der Bakterien mindestens ein
zusätzlicher Nährboden erforderlich. Bewährt hat sich der CASO-Agar (CASO
= Casein-Soja). Es sollte bedacht werden, dass einige Actinomyceten sehr
langsam wachsen und deshalb die Auswertung der Kulturmedien ggf. erst
nach 14 Tagen abgeschlossen werden kann.
3.13.2 Bewertung
Zu Staubanalysen gibt es noch keine abgesicherten Referenzwerte.
Bei Materialproben kann man Actinomyceten und Bacillus als Indikatoren für
Feuchtigkeitsschäden einstufen und bei der quantitativen Bewertung ist in
grober Annäherung davon auszugehen, dass gewöhnlich zwei bis drei x grö-
ßere Mengen an bakteriellen Kolonien vorliegen im Vergleich zu Schimmelpil-
zen.
Für Ergebnisse auf Basis von Verdünnungsreihen kann man folgendes Bewer-
tungsschema als Grundlage heranziehen (Vorschlag von Umweltmykologie
GbR, Berlin).
Leitfaden Umweltmedizin36
[KBE/g] Bewertung Bakterien
niedrig <1.000
erhöht 1.000 -10.000
hoch 10.000 -1.000.000
sehr hoch > 1.000.000
Estrich, Putzpartikel, Glaswolle etc. Tapete, Folie, andere flächige Proben
[KBE/ cm²] Bewertung Bakterien
niedrig < 20
erhöht 20 - 200
hoch 200 -20.000
sehr hoch > 20.000
2006 wurde ein durch das UBA gefördertes Forschungsprojekt gestartet. Dieses hat zum Ziel die
Analysemethoden zu optimieren und Erkenntnisse zum Gefährdungspotential von Actinomyceten
zu gewinnen.
3.14 Sanierung mikrobieller Schäden
Nicht selten werden bei der Sanierung von mikrobiellen Schäden grobe Fehler begangen. Es müs-
sen die Ursache geklärt und beseitigt, das mikrobiell besiedelte Material entfernt und der Sanie-
rungsbereich fachgerecht dekontaminiert werden. Außerdem ist auf den richtigen Umgebungs-
schutz und Arbeitsschutz zu achten.
Zur Sanierung wurde vom UBA 2005 der Leitfaden zur Ursachensuche und Sanierung bei Schimmel-
pilzwachstum in Innenräumen, der sog. „Schimmelpilzsanierungs-Leitfaden“ veröffentlicht. Dieser
ist kostenlos beim Umweltbundesamt erhältlich. Wichtige grundsätzliche Informationen zur fachge-
rechten Sanierung sind diesem Leitfaden zu entnehmen.
Den betroffenen Patienten sollte geraten werden, dass sie sich nicht im Sanierungsbereich aufhal-
ten und auch nur Fachleute mit einer nachgewiesenen Qualifikation im Bereich der Schimmelpilz-
sanierung die Sanierung durchführen lassen. Adressen von zertifizierten Fachbetrieben sind über
den Bundesverband Schimmelpilzsanierung BSS e.V. erhältlich (www.schimmelpilz.tv).
37Leitfaden Umweltmedizin
3.15 Literatur zum Thema mikrobielle Schäden in Innenräumen
Madigan, M. T., Martinko J. M., Parker, J., Brock Mikrobiolgie, Dt. Übersetzung: Goebel W. (Hrs.) Spektrum
Akademischer Verlag, Berlin 2000.
RWE Energie-Bauhandbuch, 12. Ausgabe 1998, Seite 1/45.
Hankammer G, Lorenz W: Schimmelpilze und Bakterien in Gebäuden, Rudolf Müller-Verlag, Köln 2003.
Schimmelpilze in Innenräumen - Nachweis, Bewertung, Qualitätsmanagement, LGA Baden Würt-temberg, 14.12.2001.
Handlungsempfehlungen für die Sanierung von mit Schimmelpilzen befallenen Innenräumen, Hrs. Landesgesundheits-
amt Baden-Württemberg, 2004.
Leitfaden zur Vorbeugung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung von Schimmelpilzwachstum in Innenräumen,
Hrsg.: Umweltbundesamt, 2002.
Leitfaden zur Ursachensuche und Sanierung bei Schimmelpilzwachstum in Innenräumen ("Schimmelpilzsanierungs-Leit-
faden"), Hrs. Umweltbundesamt. 2005.
Lorenz W.: MVOC-Bestimmungen zur Erkennung mikrobieller Schäden in Gebäuden. Handbuch für Bioklima und Lufthy-
giene (Hrsg. Moriske, Turowski), Kap. III-4.4.5. ecomed Verlag, Landsberg am Lech. 16. Ergänzungslieferung 12/2005.
Keller, R. 2002, Microbial volatile organic compounds (MVOCs) in Innenräumen: Entwicklung ei-ner Methode zur
Detektion von MVOCs aus Schimmelpilzen. Fortschritt-Berichte VDI Reihe 17 Biotechnik/-Medizintechnik (19)
VDI Verlag Düsseldorf.
Peltola,J.: Microbial growth in building materials and toxigenic microbes in indoor environment. Dissertation
Universität Helsinki, 2001.
Lorenz W., Trautmann C., Dill I., Mehrer, A.: Nachweis und Bedeutung von Actinomyceten und sonstigen Bakterien in
Innenräumen. Handbuch für Bioklima (Hrsg. Moriske, Turowski), Kap. III-4.4.14 ecomed Verlag, Landsberg am Lech,
10. Erg.Lfg. 12/2003.
Vuorio R, Andersson M A, Rainey F A, Kroppenstedt R M, Kämpfer P, Biusse H-J, Viljanen M, Salkinoja-Salonen
M S. A new rapidly growing Mycobacterial species, Mycobacterium murale sp. nov., siolated from the indoor
walls of a children´s day care center. Int J Syst Bacteriol 48. 1999.
Mehrer, Lorenz, Gareis, Trautmann, Kroppenstedt, Stackebrandt. Cytotoxicity of different actinomycetes isolated
from building materials. 5th International Conference on Bioaerosols, Fungi, Bacteria, Mycotoxins and Human Health,
Saratoga Spring, N.Y. U.S.A. 2003.
Leitfaden Umweltmedizin38
4 Laboruntersuchungen - Humanbiomonitoring
4.1 Allgemeines zu umweltmedizinischen Analysen in biologischem Untersuchungsmaterial
Im Bereich der Umweltmedizin hat das Humanbiomonitoring eine große Bedeutung erlangt. Dabei
sollen Belastungen festgestellt werden, die von Gefahrstoffen ausgehen können. Die Gefahrstoffe
können sowohl im häuslichen Bereich als auch durch berufliche Tätigkeit oder in der Freizeit auf-
genommen werden.
Beim sogenannten humanen Belastungsmonitoring wird eine einmalige oder wiederholte Mes-
sung der Konzentration von chemischen Substanzen oder deren Metabolite in menschlichem Un-
tersuchungsmaterial (Blut, Serum, Urin, Haare u. a.) vorgenommen. Dieses Vorgehen soll der Ab-
schätzung der individuellen Gefahrstoffbelastung dienen. Außerdem sollen daraus mögliche biolo-
gische Wirkungen bzw. Krankheitssymptome abgeleitet werden.
Darüber hinaus kann es durch das Effektmonitoring mit einer einmaligen oder wiederholten Messung
der Konzentrationen biologischer Parameter, die von Belastungen durch Umwelteinflüsse beeinflusst
werden, indirekte Hinweise auf Schadstoffbelastungen geben. Da diese Parameter unspezifisch sind,
können sie nur im Zusammenhang mit der Belastung bewertet werden.
Das Spektrum der möglichen Gefahrstoffe reicht von Metallen über Lösungsmittel und Holz-
schutzmittel hin zu zumeist anderen organischen Substanzen. Aufgrund der individuellen Lebens-
situation der Menschen können bei der Untersuchung unterschiedliche Belastungen festgestellt
werden, die als Hintergrundbelastungen zu bewerten sind oder einem spezifischen Verhalten zu-
geordnet werden können.
Wichtige Kriterien bei der Durchführung von Humanbiomonitoring sind:
Fachgerecht gewonnene Untersuchungsproben
Validierte chemische Analyseverfahren für die Analyte
Toxikologische Erkenntnisse über die biologischen Wirkungen, den Metabolismus sowie
dieToxikokinetik und die Toxikodynamik
Bewertungskriterien für die Daten des Biomonitoring sowie Daten zu
Hintergrundbelastungen
4.2 Probengewinnung, -transport und -lagerung
(präanalytische Phase)
Die fachgerechte Gewinnung der Proben für das Humanbiomonitoring ist von entscheidender Be-
deutung für die spätere Aussagekraft des Messergebnisses. Bei der Wahl des Probenmaterials ist
zu berücksichtigen, dass physikalische, chemische oder mikrobielle Vorgänge bei Probengewin-
nung, -transport und -lagerung zur Unbrauchbarkeit der Proben führen können. Es ist zu empfeh-
len, vom Analyselabor Entnahmematerial, Versandgefäße und Informationen zur Probengewin-
nung anzufordern. Die Untersuchungsmaterialien sind darüber hinaus eindeutig zu kennzeichnen,
damit eine spätere, verwechslungsfreie Zuordnung zu einem Patienten möglich ist. Ferner muss
ein möglichst schneller Transport zum Untersuchungslabor gewährleistet sein, damit es nicht zu
einer Veränderung der Untersuchungsproben kommt; ggf. sind Proben auf dem Transport zu küh-
len. Zu beachten ist weiter, dass für den Versand biologischer Materialien die Richtlinien für hu-
manbiologische Materialien gelten.
Der Zeitpunkt der Probenahme ist ebenfalls von zentraler Bedeutung für die Bewertung eines Un-
tersuchungsergebnisses. Länger zurückliegende Expositionen auch durch hohe Konzentrationen
flüchtiger organischer Substanzen, wie z. B. aromatische Lösungsmittel, können meist durch das
Humanbiomonitoring nicht mehr erfasst werden, da die Substanzen vom Organismus entweder
39Leitfaden Umweltmedizin
wieder eliminiert bzw. metabolisiert oder in andere Körperkompartimente verteilt worden sind.
Auch bei Schwermetallen kann eine länger zurückliegende Exposition nicht mehr durch eine Blut-
untersuchung nachgewiesen werden.
Zur Probengewinnung werden i. d. Regel folgende Materialien verwandt:
Harnproben: Einmalkunststoffgefäße (zirka 50 bis 100 ml, Weithals) mit Schraubverschluss. Für besondere Fragestellungen kann die Sammlung des 24-Stundenurins in Polyethylengefäßen mit Weithals Schraubverschluss angezeigt sein.
Vollblutproben: Für die Untersuchung anorganischer Substanzen (Metalle) eignet sich am besten Venenblut. Als Antikoagulanz sollte K-EDTA verwandt werden. Die Entnahme kann z. B. mit Monovetten® oder Vacutainern® vorgenommen werden. Sie können dann auch als Transport- und Lagergefäße dienen. Für die meisten Untersu-chungen auf anorganische Schadstoffe reichen 5 ml Venenblut aus.
Für die Entnahme von organischen Substanzen wie halogenierten Kohlenwasserstoffen oder aro-
matischen Kohlenwasserstoffen eignen sich am besten Glasgefäße wie Vacutainer® aus Glas mit
teflonkaschiertem Stopfen und Antikoagulanz. Für leichtflüchtige Substanzen wie Benzol, Toluol
oder Tetrachlorethylen wird die Untersuchungsprobe am besten sofort in ein vom Labor zur Ver-
fügung gestelltes head space Glas überführt, um Verdampfungsverluste zu vermeiden. Zumeist
sind 10 ml Vollblut für die analytischen Untersuchungen erforderlich.
Plasmaproben: Plasmaproben eignen sich als Untersuchungsmaterial für einige Metalle(siehe Tabelle S. 40-44) sowie für schwerflüchtige organische Substanzen. Die Entnahme erfolgt ebenfalls mit Monovetten® oder Vacutainern® mit K-EDTA Zusatz. Das Plasma wird nach Abzentrifugieren in Kunststoffröhrchen (für Metalle) oder in Glastransportgefäße (für organische Substanzen) überführt. Plasmaproben eignen sichzur Untersuchung vor allem dann, wenn die Proben für längere Zeit tiefgefroren wer-den sollen.
Alle Arten von Proben für das Humanbiomonitoring sollten unmittelbar nach der Probenahme
zum Untersuchungslabor übersandt werden. Dabei ist eine Lagerung im Kühlschrank bei 4° C für
bis zu sieben Tagen möglich; spätestens dann sollten die analytischen Untersuchungen erfolgen.
Eine längere Aufbewahrung bei -20° C ist für Plasma- und Harnproben möglich.
4.3 Welche Schadstoffe und Metaboliten können beim Humanbiomonitoring untersucht werden?
Die quantitative Bestimmung von Schadstoffen in biologischem Material erfolgt mit chemisch-
analytischen Techniken. Dabei muss zunächst die genaue Fragestellung bekannt sein. Im Gegen-
satz zu arbeitsmedizinisch-toxikologischen Untersuchungen ist für umweltmedizinische Frage-
stellungen ein anderer Konzentrationsbereich als relevant zu betrachten. Die Methoden für die
analytische Bestimmung sind jedoch im Wesentlichen gleich oder zumindest ähnlich.
Die bedeutendsten Parameter, für die valide Methoden vorliegen, sind in den Tabellen 1 und 2 (s.
Literaturliste ab Seite 40-44) aufgeführt. Darüber hinaus gibt es weitere validierte Untersu-
chungsmethoden, die in Fachpublikation bzw. Methodensammlungen genannt sind.
4.4 Analytische Qualitätssicherung
Die von den Untersuchungslaboratorien erstellten Ergebnisse für das Humanbiomonitoring die-
nen der Findung einer medizinischen Diagnose. Deshalb ist es wichtig, zuverlässige Analyseer-
gebnisse zu erhalten, um Fehler zu minimieren. Neben den Fehlern, die vor allem in der präanaly-
tischen Phase gemacht werden können (falsches Entnahmebesteck, zu lange Transportzeit), kön-
Leitfaden Umweltmedizin40
nen auch Fehler bei den chemischen Untersuchungen auftreten. Untersuchungslabore, die Hu-
manbiomonitoring Untersuchungen durchführen, sollten die angesprochenen validierten Unter-
suchungsmethoden einsetzen. Sofern keine Methoden existieren, müssen die neu entwickelten
Methoden nach statistischen Kriterien validiert werden.
Die Untersuchungslaboratorien sollten vor allem ein eigenes Qualitätsmanagementsystem eta-
bliert haben. Wesentliche Kriterien sind dabei die externe und die interne Qualitätssicherung.
Gefahrstoff Aufnahmequelle Messparameter Untersuchungs-
material
Benötigtes
Volumen
Aluminium Nahrung und TrinkwasserAl-haltige Me-
dikamente (Antacida), Al-haltige
Küchenutensilien
Al Urin
Plasma
20 ml
5 ml
Arsen Luft (Verbrennung fossiler Brennstoffe),
Trinkwasser und Nahrungsmittel, insbe-
sondere mit Fisch und Krustaceen
Kontaminierte Böden
As Urin 20 ml
Blei Luft, Wasser und Nahrungsmittel (blei-
haltige Rohre, Blei-Additiv im Kraftstoff,
kontaminierte Böden) latrogene Aufnah-
me über Tinkturen und Medikamente
Pb Vollblut 5 m
Cadmium Luft, insbesondere Tabakrauch, Trink-
wasser und Nahrungsmittel (kontami-
nierte Böden, cadmierte Leitungssyste-
me, spezielle Nahrungsmittel, z. B. Nie-
ren mit hohem Cadmium-Gehalt)
Cd Vollblut
Urin
5 ml
20 ml
Chrom Trinkwasser und Nahrungsmittel
(Altlasten, kontaminierte Böden)
Cr Urin 20 ml
Fluor
(als Fluorid)
Aufnahme mit Nahrungsmittel
und Trinkwasser
F- Urin 20 ml
Kobalt Alt Kontamination in Lebensmitteln,
iatrogene Aufnahme mit Medikamenten,
essentielles Spurenelement
Co Vollblut
Urin
5 ml
20 ml
Kohlenmonoxid Tabakrauch, Abgase von Verbrennungen CO-Hb Vollblut 1 ml
Kupfer Kontaminiertes Trinkwasser (Kupfer-
leitungen) und Nahrungsmittel
(Kochutensilien aus Kupfer)
Cu Urin
Serum
10 ml
2 ml
Mangan Trinkwasser und Nahrungsmittel Mn Urin 20 ml
Tabelle 1:
Biomonitoring von anorganischen Umweltgefahrstoffen in Blut- und Harnproben (Literatur)
41Leitfaden Umweltmedizin
Gefahrstoff Aufnahmequelle Messparameter Untersuchungs-
material
Benötigtes Volumen
Nickel Luft (Verbrennung
fossiler Brennstoffe),
Nahrungsmittel und
Trinkwasser
Ni Urin 20 ml
Palladium Luft (Palladiumhalti-
ge Katalysatoren)
sowie Pd-haltige
Zahnfüllmaterialien
Pd Urin 20 ml
Platin Platinhaltige Kataly-
satoren, Platin in der
Zahnmedizin
Pt Urin 20 ml
Quecksilber Trinkwasser und
Nahrungsmittel
(Meeresfrüchte),
Amalgamfüllungen,
kontaminierte Räu-
me (Thermometer)
Hg Urin
Vollblut
10 ml
5 ml
Selen Trinkwasser und
Nahrungsmittel (er-
höhte Selengehalte
von Böden und in
Wasser); iatrogene
Aufnahme
Se Serum
Urin
3 ml
10 ml
Thallium Exposition nur regio-
nal in der Nähe von
Emittenten relevant
Tl Urin 10 ml
Wismut Iatrogen über Wis-
muthaltige Medika-
mente
Bi Urin 10 ml
Zink Kontaminierte Nah-
rungsmittel
Zn SerumUrin 2 ml
10 ml
Leitfaden Umweltmedizin42
Tabelle 2: Biomonitoring von organischen Umweltgefahrstoffen in Blut- und Harnproben
s. Literaturliste
Gefahrstoff Aufnahmequelle Messparameter Untersuchungs-
material
Benötigtes Volumen
Aromat. Kohlenwas-
serstoffe:
Benzol
Toluolm-Xylol
Ethylbenzol
Industrielle Lösungs-
mittel, Lackinhalts-
stoffe, Autoabgase,
Zigarettenrauch
Benzol
Toluolm-Xylol
Ethylbenzol
Vollblut 2 ml Ampullenglas
Carbamate: Propoxur Nahrungsmittel,
Trinkwasser, Luft,
Verwendung als
Pestizid
2-Isopropoxyphenol Urin 30 ml
Gefahrstoff Aufnahmequelle Messparameter Untersuchungs-
material
Benötigtes Volumen
Chlorbenzole (CB):
Mono-, Di-, Tri,
Tetra-CB
Lösungsmittel für
Herbizidformulierun-
gen, Flecken- und
Teerentferner, Deo-
dorantien (s. Wrbitz-
ky et al. 1994)
Chlorphenole Urin 20 ml
Chlorphenole (CP):
Mono-CP
Di-CP
Tri-CP
Tetra-CP
Desinfektionsmittel,
Stoffwechselproduk-
te von Chlorbenzo-
len und Hexachlorcy-
clohexanen (s.
Wrbitzky et al. 1994),
Verwendung als Her-
bidzide
Chlorphenole Urin 20 ml
Chlorphenoxycar-
bons.
Und Derivate:
Bifenox
2,4 D
Dichlor-4-prop2-
Methylchlorpheno-
xycarbons.
Mecoprop
Nahrungsmittel,
Trinkwasser, Luft,
Verwendung als
Pestizid,
2,4-
Dichlorphenol
2,4-D
Dichlorprop
MCPA
Mecoprop
Urin
Urin
Urin
Urin
Urin
50 ml
60 ml
60 ml
60 ml
60 ml
Dithiocarbamate:
Maneb
Mancozeb
Zineb
Methiram
Propineb
Nahrungsmittel,
Trinkwasser, Luft,
Verwendung als
Pestizid, 2-Thio-Thiazolidin-4-
caboxylsäure
(TTCA)
Urin
Urin
Urin
Urin
Urin
30 ml
30 ml
30 ml
30 ml
30 ml
43Leitfaden Umweltmedizin
Gefahrstoff Aufnahmequelle Messparameter Untersu-
chungs-
material
Benötigtes
Volumen
DDT Pestizid, das in Deutschland
verboten ist, aber speziell in
Dritte Weltländern noch an-
zutreffen ist (Einsatz in Le-
derwaren).
p.p.-DDE Serum 2 ml
Hexachlorcyclo-
hexanea
α−HCH
β−HCH
γ−HCH
Insektizid, Holzschutzmittel,
Mittel gegen Ekoparasiten
Anwendungsverbot in
Deutschland
α−HCH
β−HCH
γ−HCH
Serum 2 ml (Glasge-
fäß)
Hexachlorbenzol (HCB) Nahrung HCB Serum 2 ml (Glasgefäß)
Kondensierte aromat.
Kohlenwasserstoffe (PAH)
Verbrennung von fossilen
Brennstoffen, insbesondere
bei Pyrolyse, Zigaretten-
rauch, geräucherte Nah-
rungsmittel, Autoabgase
1-Hydroxypyren
OH-Phenanthrene
Urin
Urin
5 ml
20 ml
Passivrauchen In Innenwohnräumen durch
Tabakrauch
Cotinin
Cotinin
Serum
Urin
2 ml
5 ml
Pentachlor-
phenol (PCP)
Früher als Holzschutzmittel
und Pestizid (Papier, Teppiche
etc.) Seit 1989 PCP-Verbot in
Deutschland, findet sich in
Importwaren (Leder, Kleider)
PCP
PCP
Serum
Urin
2 ml
(Glasgefäß)
5 ml
(Glasgefäß)
Pyrethroide:
(Beta-)Cyfluthrin
(Lambda-)Cyhalothrin
(Alpha-)Cypermethrin
Deltamethrin
Fenpropathrin
Fenvalerat
Permethrin
Nahrungsmittel, Trinkwasser,
Luft, Verwendung als Pesti-
zid,
Cl²CA¹), 4-F-3-
PBA²)
3-PBA³
Cl²CA, 3-PBA
Br2CA4), 3-PBA
3-PBA
3-PBA
Cl2CA, 3-PBA
Urin
Urin
Urin
Urin
Urin
Urin
Urin
30 ml
30 ml
30 ml
30 ml
30 ml
30 ml
30 ml
Polychlorierte Biphenyle
(PCB)
Nahrungsmittel, PCBs wur-
den als Hydrauliköl und Kon-
densatorflüssigkeiten einge-
setzt. Relevant im Indoor-Be-
reich, Dichtungsmassen,
Leuchtstoffröhrenkondensa-
toren
PCB Serum 3 ml (Glasgefäß)
Leitfaden Umweltmedizin44
Gefahrstoff Aufnahmequelle Messparameter Untersuchungs-
material
Benötigtes Volumen
Polychlorierte Diben-
zo-p-Dioxine und Di-
benzofurane
Verbrennung halo-
genhaltiger Substan-
zen bei entsprechen-
den Temperaturen
Dibenzodioxine und
Dibenzofurane
Vollblut 50 ml
Halogenierte Kohlen-
wasserstoffe:
Tetrachlorethen
Trichlorethen
1,1,1-Trichlorethan
Leicht flüchtige or-
ganische Lösungs-
mittel, u. a. in chemi-
schen Reinigern,
Fleckentferner, Na-
gellackentferner
Tetrachlorethen
Trichlorethen
1,1,1-Trichlorethan
Vollblut 2 ml Ampullengefäß)
1) 3-(2,2-Dichlorvinyl)-2.2-dimethylcyclopropan-1-Carbonsäure
2) 4-Fluor-3-phenoxybenzoesäure
3) 3-Phenoxybenzoesäure
4) 3-(2,2-Dibromvinyl)-2,2-Diemthylcyclopropan-1-Carbonsäure
Für die interne Qualitätssicherung ist es notwendig, arbeitstäglich laborinterne Präzisions- und
Richtigkeitskontrollen für die jeweils abgearbeiteten Analyseverfahren durchzuführen. Für diese
Kontrollen sind kommerziell erhältliche Referenzmaterialien einzusetzen.
Für die externe Qualitätssicherung ist die erfolgreiche Teilnahme an Ringversuchen ein wichtiges
Instrument zur Überprüfung der Laborqualität. Die Anerkennung durchgeführter arbeitsmedizi-
nisch-toxikologischer Untersuchungen ist in Deutschland entsprechend TrgA 410 zur Gefahrstoff-
verordnung an die erfolgreiche Teilnahme an halbjährlich stattfindenden Ringversuchen gebun-
den; in diesem Zusammenhang werden auch Ringversuche für umweltmedizinische Humanbio-
monitoring-Untersuchungen angeboten.
Darüber hinaus sind im Rahmen der statistischen Qualitätssicherung die Richtlinien der Bundes-
ärztekammer zu berücksichtigen.
4.5 Bewertung von Analyseergebnissen beim Humanbiomonitoring
Untersuchungsergebnisse aus dem Humanbiomonitoring sind nur dann bei der Findung einer me-
dizinischen Diagnose hilfreich, wenn Bewertungskriterien vorliegen. Die Bewertungskriterien sol-
len im Idealfall bei der Interpretation der Analyseergebnisse helfen und die Aussage zulassen, ob
Gesundheitsbeeinträchtigungen durch den in einer bestimmten Höhe nachgewiesenen Analyten
möglich oder wahrscheinlich sind. Die in den Tabellen 3 und 4 (S. 46 bis 49) angegebenen Refe-
renzwerte entsprechen zunächst nur dem 95. Perzentil einer beruflich nicht exponierten Perso-
nengruppe. Aus dieser Definition ergab sich statistisch jedoch die Aussage, dass fünf Prozent der
Allgemeinbevölkerung Konzentrationen im Blut/Urin aufweisen, die oberhalb des Referenzwertes
liegen. Somit kann bei der Überschreitung des Referenzwertes keine gesundheitliche Relevanz
abgeleitet werden. Es ist jedoch möglich festzustellen, ob es bei exponierten Menschen zu einer
Aufnahme des betrachteten ubiquitär vorkommenden Schadstoffes über ein in der Allgemeinbe-
völkerung übliches - Maß gekommen ist. Dabei sind verschiedene Einflussfaktoren wie z. B. Alter,
Geschlecht, Region und Ernährung mit zu berücksichtigen.
45Leitfaden Umweltmedizin
Von der Kommission Human-Biomonitoring beim Umweltbundesamt sind für einige Schadstoffe
sogenannte Humanbiomonitoringwerte (HBM) I und II festgelegt worden, die im Internet abzuru-
fen sind unter: www.bundesamt.de / HBM-Kommission.htm.
Der HBM I-Wert entspricht der Konzentration eines Stoffes in einem Körpermedium, bei dessen
Unterschreitung nach dem aktuellen Stand der Bewertung durch die Kommission Humanbiomo-
nitoring nicht mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung zu rechnen ist und somit kein Hand-
lungsbedarf besteht. Bei einer Überschreitung des HBM I–Wertes sollte zunächst eine Befundkon-
trolle erfolgen. Bei Bestätigung der Belastung sollte nachfolgend die Belastungsquelle ermittelt
und eliminiert werden.
Der HBM II–Wert entspricht der Konzentration eines Stoffes in einem Körpermedium, bei deren
Überschreitung nach dem aktuellen Stand der Bewertung durch die Kommission eine für die Be-
troffenen als relevant anzusehende gesundheitliche Beeinträchtigung möglich ist. Bei einer Über-
schreitung des HBM II–Wertes sollte ebenfalls zunächst eine Befundkontrolle erfolgen. Bei Bestä-
tigung der Belastung sollte nachfolgend die Belastungsquelle ebenfalls ermittelt und eliminiert
werden. Darüber hinaus sollte eine längerfristige Beobachtung des Betroffenen mit Überprüfung
des Schadstoffes erfolgen.
Somit ist der HBM I-Wert als Prüf- oder Kontrollwert und der HBM II–Wert als Maßnahmenwert an-
zusehen.
Bewertungskriterien für das Humanbiomonitoring sind in den Tabellen 3 und 4 aufgeführt.
4.6 Grenzen des Humanbiomonitoring
Das Humanbiomonitoring ist eine wichtige Methode zur Diagnosefindung bei umweltbedingten
Gesundheitsbeeinträchtigungen. Allerdings ergeben sich bei verschiedenen Fragestellungen
Grenzen, die den Einsatz des Humanbiomonitoring limitieren bzw. verbieten:
Der potenzielle Schadstoff, der für die Gesundheitsbeeinträchtigung verantwortlich sein soll, muss bekannt sein. Es ergibt wenig Sinn, eine große Palette an Untersu-chungen durchzuführen, wenn kein konkreter Verdacht vorliegt.
Die zu untersuchenden Schadstoffe müssen in messbaren Konzentrationen in den Untersuchungsmaterialien (meistens Urin oder Blut) vorliegen.
Stoffe, die in relevanten Konzentrationen endogen gebildet werden, können nicht be-trachtet werden.
Stoffe, für die keine valide oder ausreichend empfindlichen Analysemethoden vorlie-gen, können nicht durch das Humanbiomonitoring erfasst werden.
Wenn Beurteilungskriterien wie Referenzwerte oder HBM - Werte nicht vorliegen, dannist die Verwertung von Analyseergebnissen für die medizinische Diagnosefindung schwierig bis unmöglich.
Mehrere Substanzen, die als Einzelsubstanzen keine auffälligen Konzentrationen auf-weisen, können in ihren möglichen synergistischen Wirkungen nicht beurteilt werden.
Somit bleibt festzuhalten, dass das Humanbiomonitoring ein wichtiger Bestandteil der Umwelt-
medizin ist, dessen Einsatz in jedem Einzelfall abgewogen werden muss.
Leitfaden Umweltmedizin46
Tabelle 3: Bewertung von Biomonitoringdaten bei einer Exposition gegenüber anorganischen
Umweltgefahrstoffen (Literatur)
Gefahrstoff Messparameter Referenzwert/
Referenzbereich
Grenzwerte
HBM-Werte
Bemerkungen
Aluminium Al-U
Al-P
< 30 µg/l
< 10 µg/l
Hohe Kontaminationsge-
fahr bei der Probenahme
durch Entnahmebestecke;
Serumtrennmittel enthal-
ten hohe Al-Konzentra-
tionen; EDTA-Monovetten
verwenden; säuregespül-
te und verschlossene Be-
hälter für die Harnunter-
suchung
Arsen As-U < 20 µg/l Der Grenzwert bezieht
sich auf den mit der Hy-
drid-AAS erfassbaren to-
xikologisch relevanten
Anteil; die Gesamtarsen-
Ausscheidung wird durch
Arsen „maritimen“ Ur-
sprungs wesentlich be-
einflusst
Blei Pb-B < 60 µg/l* Kinder
(6-12 J.)
< 90 µg/l, Frauen
< 120 µg/l, Männer
HBM I: 100 µg/l*
HBM II: 150 µg/l*
HBM I: 150 µg/l übr.
HBM II: 250 µg/l übr.
Die innere Bleibelastung
des Menschen ist in den
letzten Jahren, insbeson-
dere in Deutschland er-
heblich zurückgegangen
und wird durch die Elimi-
nation von Blei als Zu-
satz zu Kraftfahrzeug-
treibstoffen noch gerin-
ger werden
Cadmium Cd-B
Cd-U
Kinder (6-12 J.)
0,5 /l Erwa. (25-69
J.)
1,0 µg/lnicht rau-
chend
Kinder (6-12 J.)
0,5 µg/g Kreat.
***Erwa. (25-69 J.)
1 µg/g Kreat. nicht
rauchend
5 µg/g Kreat. Bei Rauchern finden sich
höhere Werte als bei
Nichtrauchern. Wegen
der Akkumulation im Or-
ganismus Anstieg der
Konzentrationswerte mit
dem Lebensalter. Die
Cadmiumausscheidung
im Harn wird als Indika-
tor der Gesamtkörperlast
an Cadmium eingestuft
47Leitfaden Umweltmedizin
Gefahrstoff Messparameter Referenzwert/
Referenzbereich
Grenzwerte
HBM-Werte
Bemerkungen
Chrom Cr-U < 1,5 µg/l Kontaminationsge-
fahr bei der Probe-
nahme
Kobalt Co-B
Co-U
< 0,1 µg/l
< 0,5 µg/l
Essenzielle Spuren-
elemente
Kohlenmonoxid Co-Hb-B < 1%Stark abhängig vom
Rauchverhalten
Kupfer Cu-U
Cu-S
< 20 µg/l
0,6-1,5 mg/l
Essenzielles Spuren-
element, erhöhte
Ausscheidungen im
Harn nur bei sehr
hoher Kupferaufnah-
me
Mangan Mn-U < µg/l Essenzielles Spuren-
element, erst bei re-
lativ hohen Bela-
stungen kommt es
zu einer vermehrten
renalen Elimination
Nickel Ni-U < 1,5 µg/l Raucher können et-
was höhere Werte
als Nichtraucher auf-
weisen
Palladium Pd-U < 0,1 µg/l Sehr niedrige Kon-
zentrationen (ng-Be-
reich
Platin Pt-U < 15 ng/l Ausscheidungen im
Nanogramm-Bereich
Quecksilber Hg-B
Hg-U
Kinder (6-12 J.) 1,0
µg/g Kreat.Erwa.
(25-69 J.) 1,0 µg/g
Kreat.ohne Amalgan-
füllung
Kinder (6-12 J.) 1,0
µg/g Kreat.Erwa.
(25-69 J.) 1,0 µg/g
Kreat. ohne Amal-
ganfüllung
HBM-I Erwachsene
5 µg/lHBM-II
15 µg/l
HBM-I Erwachsene
5 µg/g Kreat.HBM-II
20 µg/g Kreat.
Die Quecksilberaus-
scheidung im Harn
ist ein Maß für eine
Belastung gegen-
über metallischem
und anorganischem
Quecksilber; die Auf-
nahme von organi-
schen Hg-Verbindun-
gen führt in erster
Linie zu höheren
Blutquecksilberspie-
geln
Leitfaden Umweltmedizin48
Gefahrstoff Messparameter Referenzwert/
Referenzbereich
Grenzwerte
HBM-Werte
Bemerkungen
Selen Se-S
Se-U
60 - 100 µg/l
< 25 µg/l
Esseztielles Spuren-
element; es kann
auch ein Selenman-
gel erfasst werden
Wismuth Bi-U < 1 µg/l
Zink Zn-S
Zn-U
0,8-1,3 mg/l
< 1500 µg/l
Essenzielles Spuren-
element, erhöhte
Zinkspiegel nach ho-
her Zinkaufnahme
* Risikogruppen ** Nichtraucher *** Kinder
Tabelle 4: Bewertung von Biomonitoringdaten bei einer Exposition gegenüber
organischen Umweltgefahrstoffen (Literatur)
Gefahrstoff Messparameter Referenzwert/ Refe-
renzbereich
Grenzwerte HBM-
Werte
Bemerkungen
Aromat. Kohlenwas-
serstoffe:
Benzol
Toluolm-Xylol
Ethylbenzol
Benzol-B
Toluol-B
m-Xylol-B
Ethylbenzol-B
< 1 µg/l
< 5 µg/l
< 3 µg/l
< 2 µg/l
Gewinnung der Blut-
proben möglichst di-
rekt nach Exposition,
Raucher weisen hö-
here Werte auf als
Nichtraucher
Chlorbenzole (CB):
Mono-, Di-, Tri, Tetra-
CB
Chlorphenole-U siehe CP-U siehe Chlorphenole
Chlorphenole CP):
Mono-CP
Di-CP
Tri-CP
Tetra-CP
Chlorphenole-U
< 8 µg/l
< 35 µg/l
< 10 µg/l
< 25 µg/l
DDT p.p.-DDE < 12 µg/l Metabolit des DDT,
nachweisbar in der
Bevölkerung
Hexachlorcyclo-
hexane
α-HCH-
β-HCH
γ-HCH
HCH-Vollblut
*(Alter!)
< 0,3 µg/l
< 0,3 µg/l -1,3 µg/l *
(Alter)
< 0,3 µg/l
Die Serumkonzentra-
tion in der Bevölke-
rung liegt im unte-
ren Nanogramm/l-
Bereich
Hexachlorbenzol
(HCB)
HCB-S < 4 µg/l In Blutproben der
Allgemeinbevölke-
rung deutlich nach-
weisbar
49Leitfaden Umweltmedizin
Gefahrstoff Messparameter Referenzwert/
Referenzbereich
Grenzwerte
HBM-Werte
Bemerkungen
Polycytische
aromat. Kohlenwas-
serstoffe (PAH)
1-PH-U
ΣOH-
Phenanthrene
< 2 µg/l
< 0,8 µg/l
1-Hydroxypyren wird
heute als Indikator
einer PAH-Belastung
verwendet, hydroxy-
lierte-Phenanthrene
können als weitere
Indikatoren verwen-
det werden
Passivrauchen Cotinin-U
Cotinin-S
< 10 µg/g
Kreat.(Nichtraucher)
Cotinin wird üblicher-
weise zur Erfassung
einer inhalativen Ta-
bakrauchauf-nahme
verwendet, Raucher
weisen wesentlich
höhere Werte als
Nichtraucher auf
Pentachlorphenol
(PCP)
PCP-S
PCP-U
< 12 µg/l
< 8 µg/l
6 µg/g Kreat.
HBM I: 40 µg/l
HBM II 70 µg/
l Serum
HBM I: 20 µg/l
HBM II: 30 µg/l Urin
PCP ist trotz Verbot
in Untersuchungs-
materialien von der
Allgemeinbevölke-
rung immer noch
nachweisbar. Import-
waren
Pyrethroide Pyrethroidmetabolite < 0,7 µg/l * Referenzwerte von
Cl2CA und 3-PBA
Polychlorierte Biphe-
nyle (PCB)
PCB-Vollblut ∑ (-138
+ - 153 + -180)
∑ PCB µg/l
18-19 Jahre: 1,1
20-29 Jahre: 2,0
30-39 Jahre: 3,2
40-49 Jahre: 5,1
50-59 Jahre: 6,4
60-69 Jahre 7,8
Kinder 9-11 J. 0,9
Wegen der Akkumu-
lation im Organismus
Anstieg der Konzen-
trationswerte mit
dem Lebensalter, al-
tersadaptierte
Grenzwerte!
Polychlorierte Diben-
zo-p-Dioxine und Di-
benzofurane
Dibenzodioxine u.
Dibenzofurane-B
Toxizitätsäquivalen-
te 40 pg/g Blutfett
nach BGA/UBA / 80
pg/g Blutfett nach
NATO-CCMS ***
Wegen der Akkumu-
lation im Organismus
deutlicher Anstieg
der Werte mit dem
Lebensalter
Halogenierte Kohlen-
wasserstoffe:Tetra-
chlorethen
Trichlorethen
1,1,1-Trichlorethan
Tetrachlorethen-B
Trichlorethen-B
1,1,1-Trichlorethan-B
< 1 µg/l
< 0,3 µg/l/
< 1,3 µg/l
Probenahme mög-
lichst direkt nach Ex-
positionsende
B: Vollblut U: Urin S: Serum P: Plasma * Lit: BUTTE et al. 1998 *** nach EWERS et al., 1993
Leitfaden Umweltmedizin50
4.7 Literatur zum Thema Biomonitoring
J. Angerer, G. Lehnert, Anforderungen an arbeitsmedizinisch-toxikologische Analysen,
Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 37, 2331 - 2339 (1997).
K-H. Schaller, J. Angerer, Biomonitoring in der Umweltmedizin, Umweltmed. Forsch. Prax. 3 (3)
168 - 175 (1998).
5 Interventionsmöglichkeiten in der Umweltmedizin
Mögen auch die Einwirkungs- und Behandlungsmöglichkeiten in der Umweltmedizin begrenzt
sein, so ist doch therapeutischer Nihilismus fehl am Platze. Die nachfolgende Zusammenfassung
gibt einen Überblick über sinnvolle (und sinnlose) Behandlungskonzepte.
5.1 Individuelle Expositionsvermeidung
Dabei handelt es sich im Allgemeinen um die wirksamste und einleuchtendste Methode: Bei nach-
gewiesener oder vermuteter Schadstoffbelastung liegt die Lösung im Ausziehen aus der Woh-
nung bzw. in der Entfernung der Schadstoffquelle bzw. Vermeidung des Kontaktes mit demselben
durch bauliche Veränderungen (z. B. Abhobeln, Einkleiden, Hinterlüftung, größere bauliche Sanie-
rung, Eröffnung von Lüftungsmöglichkeiten).
Der Arzt sollte sich dabei vor zu weit gehenden Sanierungsempfehlungen technischer Art hüten
und sich auf das medizinische Fachgebiet beschränken. Man gebe dem Patienten Hinweise auf die
Notwendigkeit technisch orientierter Baugutachten und begrenze sich ansonsten auf die Feststel-
lung von Gesundheitsschäden bzw. drohenden Gefahren sowie Empfehlungen zur Vermeidung
dieser Gefahren.
Die gentechnische Analyse umweltentgiftender Enzyme mag dabei in der Zukunft zur Vermei-
dung individuell nicht abbaubarer Belastungen Bedeutung gewinnen.
5.2 Gesamtgesellschaftliche Expositionsvermeidung
Umweltmedizin ist kein rein individualmedizinisches Fach. Eine enge Vernetzung zwischen öffent-
lichem Gesundheitsdienst und umweltmedizinischen Praxen ist erforderlich. Die Vertragsärzte
sind aufgerufen, ihr umweltmedizinisches Fachwissen im Rahmen der allgemeinen Gesundheits-
vorsorge durch Zusammenarbeit mit Verbraucherzentralen, Gesundheitsämtern, Bürgerinitiati-
ven, Parteien, Selbsthilfegruppen usw. der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. Wichtig er-
scheint dabei, sich selbst und dem Patienten klar zu machen, dass ein zwar erkennbares, aber für
den einzelnen Patienten geringes Risiko hochgerechnet auf die Gesamteinwohnerzahl zu nen-
nenswerten Raten von Erkrankungen und Todesfällen führen kann.
5.3 Spezifische Therapien
Bei den umweltmedizinisch verursachten Erkrankungen haben wir es in aller Regel mit den aus
Studium, Klinik und Praxis bekannten Erkrankungen zu tun (z. B. Lärmschwerhörigkeit, Lungen-
krebs, Konjunktivitis usw.) Diese werden (neben der Expositionsvermeidung) in der üblichen Art
und Weise therapiert. Darüber hinaus wird versucht, spezifisch umweltbedingte Krankheitsentitä-
ten neu zu bestimmen, z. B. die „Multiple Chemikaliensensitivität“ (MCS), das „Holzschutzmittel-
Syndrom“ (HMS), das „Chronische Müdigkeitssyndrom“ (CFS), das „Sick-Building-Syndrom“ (SBS)
u. ä. vegetative Beschwerdekomplexe sowie Befindlichkeitsstörungen. Die Meinungsbildung über
51Leitfaden Umweltmedizin
die Abgrenzbarkeit dieser Syndrome gegenüber bekannten Erkrankungen bzw. psychosomati-
schen Krankheitsbildern ist noch nicht abgeschlossen; mangels gesicherter Erkenntnisse über die
Pathogenese und Pathophysiologie können auch keine zuverlässigen Therapiekonzepte angege-
ben werden.
Zur Behandlung akuter Vergiftungen sei auf die entsprechenden toxikologischen Lehrbücher ver-
wiesen.
5.4 Unspezifische Therapien
5.4.1 Patientenführung
Zur Vermeidung der Entwicklung von Umweltängsten, Resignation und Ohnmachtsgefühlen ist
bei nachgewiesenen oder vermeintlichen Schadstoffbelastungen unbedingt eine einfühlsame und
behutsame Auseinandersetzung mit den Besorgnissen des Patienten notwendig.
Dazu gehören der sichere Ausschluss von nicht vorhandenen Noxen (soweit möglich), klare Aus-
sagen auf der Basis fundierter Weiterbildung über die Gefährlichkeit der schädlichen Agentien,
Hinführung der Gedanken auf die tatsächlich vorhandenen (nicht spekulierten) Gefahren. Dabei
wirkt billige Beruhigung eher kontraproduktiv, weil sich der Patient nicht ernst genommen fühlt.
Bei Umweltpatienten ist oft eine enge ärztliche Führung notwendig. Hilfreich können Hinweise
auf eigenverantwortliche Gesundheitsstärkung des Patienten sowie Eröffnung von Aktivitäten im
Umweltschutzbereich sein.
5.4.2 Vermeidung zusätzlicher Gesundheitsbelastungen
Keine umweltmedizinische Beratung ohne Raucherberatung! Die Bedeutung des Rauchens wird
sowohl von Ärzte- als auch Patientenseite immer noch nicht in der richtigen Größenordnung im
Vergleich zu anderen Umweltnoxen anerkannt. Ähnliches gilt für Alkohol. Ansonsten ist zu raten,
dass schlecht gelüftete Wohnungen, Schimmelpilzbelastungen, ungünstige klimatische Einflüsse,
Autoabgase (insbesondere Dieselabgase), Lärm sowie belastete Lebensmittel vermieden werden
sollen.
5.4.3 Klassische Naturheilverfahren
Umstimmungstherapien (z. B. Klimatherapie, Eigenblutbehandlung, Darmsymbioselenkung), Er-
nährungstherapien (z. B. Fasten), Hydro- und Balneotherapie sowie Phytotherapie dienen der psy-
chovegetativen Anregung, Umstimmung und Stabilisierung; darüber hinaus nützen Entspan-
nungsverfahren, Atemtherapien und Bewegungsübungen dem Körper, dem Gesundheitsbewusst-
sein, der Entspannung und der Psychohygiene und machen dadurch belastbarer gegenüber che-
mischem, mikrobiologischem und psychosozialem Umweltstress. Gleiches gilt für die Ordnungs-
therapie mit Gesundheitserziehung, Rhythmisierung der Lebensabläufe, Besinnung und Bemü-
hung um ein giftfreies Leben.
5.5 Sonstige Allgemeinmaßnahmen
Der Nachweis klinischen Nutzens steht bei zahlreichen Verfahren noch dahin, z. B. bei der hoch
dosierten Gabe von Vitaminen und Spurenelementen (sog. orthomolekulare Medizin), von neuro-
tropen Vitaminen bei Polyneuropathien, von Selen und Zink (Zentralatomen antioxydativer Enzy-
me) und von Acetylzystein (als Präkursor des Glutathions als Antioxydans bzw. entgiftendes Kon-
jugationsmittel) oder von Chelatbildnern (bei Schwermetallbelastung) sowie von Immunstimulan-
tien (z.B. Mistellektinen, Thymuspeptiden). Auf die bei diesen Verfahren möglichen unerwünsch-
ten Nebenwirkungen sei hier nochmals besonders hingewiesen.
Leitfaden Umweltmedizin52
5.6 Spekulative Methoden
Haben die o. g. Verfahren wenigstens den Vorteil einer langen Erfahrungstradition bzw. eines ein-
leuchtenden biochemischen Denkmodells, so haben leider einige diagnostische und therapeuti-
sche Konzepte (hier sind z. B. zu nennen die Elektroakupunktur nach Voll, die Bioresonanzmetho-
de, die Moratherapie, das Pendeln, die Geistheilung, die Kinesiologie, die Dunkelfeldmikroskopie
u.v.a.) einen Eingang in die Umweltmedizin gefunden, der ihnen nicht gebührt und der zu einer
unzulässigen Mischung dieser suspekten Methoden mit dem sensiblen Feld der Umweltmedizin
mit ihren noch nicht sicher durchgeführten Grenzziehungen geführt hat. Diese Methoden können
weder auf eine lang dauernde Erfahrung noch auf ein rational nachvollziehbares biologisches Mo-
dell zurückgreifen.
Für die spekulativen Methoden wird von Heilpraktikerseite, der Laienpresse und Privatinstituten
kräftig die Werbetrommel gerührt, sodass ihnen eine Aufmerksamkeit von Patientenseite (und
leider auch von Ärzteseite) zugeflossen ist, die ihnen aus umweltmedizinischer Sicht nicht zu-
kommt.
1. Sonderthema Legionellen
Legionellen sind Bakterien, die ubiquitär verbreitet im Wasser leben können. Sie haben eine hohe
Temperaturtoleranz von 0 °C bis 63 °C und können sich bei pH-Werten von 5,0 bis 8,5 vermeh-
ren. Legionellen sind gramnegative, aerobe, nicht sporenbildende Stäbchenbakterien mit einer
Länge von 2 bis 20 µm und einem Durchmesser von 0,3 bis 0,9 µm. Sie vermehren sich meist in
Amöben und anderen Einzellern, können sich aber auch ohne diesen Schutz vermehren. Die wich-
tigste Species ist Legionella pneumophi-la mit 14 Serovaren. Daneben sind bisher 18 weitere Spe-
zies, die als Legionella non pneumophila bezeichnet werden, in Erscheinung getreten. Es ist anzu-
nehmen, dass noch weitere Spezies existieren. Die humanpathogene Bedeutung der einzelnen
Species ist unterschiedlich. In der folgenden Tabelle sind die bisher bekannten Legionellenspez-
cies mit abfallender pathogener Bedeutung aufgeführt.
53Leitfaden Umweltmedizin
Tabelle: Legionellen Species und ihre Humanpathogenität
Spezies Serovare Humanpathogenität
L. pneumophila 14 Serovare 1 häufig human-pathogen,
andere Serovare mäßig humanpatho-
gen
L. bozemanii
L. dumoffii
L. micdadei
2
1
1
Mäßig humanpathogen
L. anisa
L. birminghamensis
L. cinncinatiensis
L. feeleii
L. gormanii
L. hackeliae
L. israelensis
L. jordanis
L. longbeachae
L. maceachernii
L. oakridgensis
L. sainthelensis
L. tucsonensis
L. wadsworthii
1
1
1
2
1
2
1
1
2
1
1
2
1
1
Selten humanpathogen
L. adelaidenensis
L. brunensis
L. cherrii
L. erythra
L. fairfieldensis
L. geestiana
L. gratiana
L. jamestowniensis
L. lansingensis
L. moravica
L. nautarium
L. parisiensis
L. quateirensis
L. quinlivianii
L. rubrilucens
L. santicrucis
L. shakespearei
L. spiritensis
L. steigerwaltii
L. worsleiensis
1
1
1
2
1
1
1
1
1
1
1
1
2
1
1
1
1
1
1
1
Bisher keine
Humanpathogenität
beschrieben
Leitfaden Umweltmedizin54
Aufgrund der anspruchsvollen Kulturbedingungen bei der Anzucht im Labor wurden die Legionel-
len erstmals im Jahr 1976 als Krankheitserreger nach einer Epidemie beschrieben. Von über
4.000 Teilnehmern einer Jahrestagung von amerikanischen Legionären in Philadelphia erkrank-
ten 221 an einer akuten Infektion; 34 Teilnehmer verstarben. Die Ursache der Epidemie lag in ei-
nem mit Legionellen besiedelten Trinkwassersystem. Durch in der Folgezeit vorgenommene Un-
tersuchungen konnte festgestellt werden, dass 90 Prozent der Patientenseren Antikörper gegen
ein „rickettsienähnliches Agens“ aufwiesen, welches aus Zellkulturen isoliert werden konnte. Die
verursachende Spezies wurde aufgrund der Lokalisation der Erkrankung und des Patientenkollek-
tivs als Legionella pneumophila bezeichnet.
Die pathogenen Wirkungen, die von Legionellen ausgehen, sind beim Menschen nur dann mög-
lich, wenn infektionsfähige Keimkonzentrationen erreicht werden. Wie hoch jedoch die Infektions-
dosis ist, ist bisher unbekannt. Ein Angehen der Infektion ist vor allem beim Einatmen kontami-
nierter Aerosole aus Warmwassersystemen, z. B. beim Duschen möglich. Das Trinken von mit Le-
gionellen kontaminiertem Wasser scheint nicht bzw. äußerst selten zu Infektionen zu führen.
Eine Übertragung der Legionellen von Mensch zu Mensch ist bisher nicht bekannt. Somit ist die
Erkrankung durch Legionellen eine der wichtigsten umweltbedingten Infektionserkrankungen. Bei
den Erkrankten handelt es sich meistens um über 50 Jahre alte Menschen oder um Kleinkinder.
Das Robert Koch Institut (RKI) in Berlin schätzt, dass ein bis fünf Prozent aller Pneumonien
(6.000 - 7.000 Fälle) in Deutschland jährlich durch Legionellen verursacht werden. Andere Studi-
en geben bei ambulant erworbenen Pneumonien ähnliche Anteile zwischen zwei und sieben Pro-
zent an. Bei den meisten Pneumonien, die von Legionellen verursacht werden, wird der Erreger
nicht diagnostiziert. Dieses liegt vor allem an dem Beginn einer antibiotischen Therapie, bevor
Untersuchungsmaterial entnommen wird. Auch findet häufig keine Serokonversion statt, so dass
eine Antikörperbildung häufig ausbleibt. Im seit 2001 gültigen Infektionsschutzgesetz ist eine
Meldepflicht für den Nachweis von Legionellen aus menschlichem Untersuchungsmaterial aufge-
nommen.
Legionellen finden in Wassersystemen vor allem bei Temperaturen zwischen 30° und 50°C gute
Vermehrungsbedingungen. Bei Temperaturen von über 63°C werden sie in kurzer Zeit abgetötet;
Temperaturen unter 15°C stoppen die Vermehrung. Besonders große Warm- und z. T. auch Kalt-
wassersysteme mit langen Rohrleitungen wie z. B. in Krankenhäusern, Hotels, Erholungseinrich-
tungen, Mehrfamilienhäusern oder auch Kraftwerken sind häufig mit Legionellen besiedelt. Nach
heutigem Kenntnisstand kann festgestellt werden, dass die Legionellose als die wichtigste aus-
schließlich umweltbedingte Infektionskrankheit, insbesondere als Erreger schwerer Lungenent-
zündungen, angesehen werden muss.
Natürliche aquatische Biotope enthalten in der Regel nur geringe Keimzahlen an Legioellen. Al-
lerdings konnten in größeren Untersuchungsreihen, auch in Rohrwässern Legionellen mit einem
Anteil von 0,6 Prozent nachgewiesen werden. Talsperrenwasser oder Uferfiltrate waren dagegen
bei bisherigen Erhebungen Legionellen frei. Während in größeren Gebäuden zirka die Hälfte aller
Wasserproben aus dem Warmwasserkreislauf mit Legionellen besiedelt sein können, findet man
in Kaltwassersystemen nur in ca. 7,5 Prozent Legionellen.
Dabei können vor allem Sedimentablagerungen sowie organische Materialien in Rohrleitungs-
systemen den Legionellen als Nährstoffquelle dienen. Insbesondere dann, wenn die Bildung eines
Biofilms an der Oberfläche von wasserführenden Systemen möglich ist, wird die Grundlage für ei-
ne dauerhafte Besiedlung geschaffen. Selbst ein Durchspülen dieser Systeme mit hohem Wasser-
druck kann die Legionellenbesiedlung nicht mehr entfernen. Bisher nachgewiesene Infektions-
quellen für Legionellen sind u. a. Hauswasserinstallationssysteme, Rückkühlwerke und wasserge-
führte Verdunstungs-Kondensatoren, Warmsprudelbecken bzw. Schwimmbeckenwasser, Wasser
von Luftbefeuchtern wie z. B. Ultraschallvernebler und Beatmungsgeräte, Inhalationskammern,
industrielle Schneideölwasseremulsionen, geschlossene Industriebereiche mit Wasserspülsyste-
55Leitfaden Umweltmedizin
men, mikrobiologisch kontaminierte Systeme zur Hochdruckreinigung, Spülwasser aus zahnärzt-
lichen Einrichtungen, Kühlturmaerosole von Kraftwerken.
Kürzlich konnten Legionellen im Beckenwasser einer Gebärbadewanne für die Unterwassergeburt
in hohen Keimzahlen nachgewiesen werden. Da beim Geburtsvorgang ebenfalls Aerosole entste-
hen können, ist eine unmittelbare Infektionsgefahr für die Mutter und das Neugeborene gegeben.
Im Februar des Jahres 1999 kam es nach einer Blumenschau in Gewächshäusern in den Nieder-
landen zu einer Legionellen–Epidemie. Nach den bisher vorliegenden Mitteilungen aus der Tages-
presse sollen 22 Menschen zu Tode gekommen sein. Mehrere hundert Menschen mussten statio-
när behandelt werden. Die Epidemie wurde vermutlich durch Aerosole von Whirlpools aus einer
Haushaltgeräteausstellung verursacht.
Demgegenüber wird manchmal angezweifelt, ob Legionella ein erhebliches pathogenes Potenzi-
al besitzt und ob die Besiedelung von Wasserleitungssystemen überhaupt ein Risikofaktor für Le-
gionellosen ist, obwohl zweifelsfrei auch immunkompetente Menschen an Legionellose erkran-
ken.
Die Symptome einer Legionelleninfektion können unterschiedlich ausgeprägt sein. Neben dem
mit leichtem Fieber und grippeähnlichen Symptomen einhergehenden Pontiac-Fieber ist bei der
Legionellose mit einer fulminant verlaufenden Pneumonie zu rechnen. Beim Pontiac-Fieber be-
trägt die Inkubationszeit 24 bis 48 Stunden, bei Legionellen-Pneumonien beträgt sie zwischen
zwei und zehn Tagen. Kürzere Inkubationszeiten sind vor allem bei immunsupprimierten Patien-
ten beobachtet worden.
Klinisch sind zwei Formen von durch Legionellen verursachten Erkrankungen zu unterscheiden -
das Pontiac-Fieber und die Legionellen-Pneumonie. Das klinische Bild bei durch Legionellen aus-
gelösten Erkrankungen reicht von asymptomatischen Infektionen bis zu rasch progredienten
Pneumonien.
Diese beiden unterschiedlichen Formen haben völlig andersartige klinische Bilder, Inkubationszei-
ten, Befalls- und Letalitätsraten. Warum es zu diesen unterschiedlichen Syndromen kommt, ist
bislang nicht bekannt.
Das Pontiac-Fieber ist eine akute sich selbst limitierende grippeähnliche Erkrankung ohne Pneu-
monie. Sie ist vor allem durch unspezifische Symptome wie Abgeschlagenheit, Myalgien, Fieber,
Schüttelfrost und Kopfschmerzen geprägt. Eine Röntgen-Thorax-Aufnahme bleibt immer unauf-
fällig. Die Dauer der Erkrankung beträgt zwischen zwei und fünf Tagen. Todesfälle sind beim Pon-
tiac- Fieber bislang nicht beschrieben worden.
Bei der Legionellen-Pneumonie ergibt sich ein breites Spektrum klinischer Zeichen, die mit Hu-
sten und leichtem Fieber bis hin zu ausgedehnten pulmonalen Infiltraten mit multiorganem Ver-
sagen beginnen. Die Patienten zeigen auch hier zunächst unspezifische Symptome wie Fieber,
Krankheitsgefühl, Myalgien und Kopfschmerzen. Dazu kommt es nach kurzer Zeit allerdings zu ei-
nem Husten mit blutigem Sputum. Diarrhöen werden in 25 bis 50 Prozent der Fälle beschrieben.
Die neurologischen Symptome reichen von Kopfschmerzen bis zu Encephalopathien. Dadurch
wird auch Verwirrtheit beobachtet; die Temperaturen können bis über 40°C erreichen. Als extra-
pulmonale Manifestationen sind u. a. Sinusitis, Pericarditis, Pyelonephritis, Peritonitis, Pankreati-
tis und Endocarditis berich-tet worden.
Die Legionärskrankheit ist vor allem bei Personen über 60 Jahren mit spezifischen Risikofakto-
ren anzutreffen; aber auch immunkompetente Erwachsene können betroffen sein. Bei einer durch
Legionellen ausgelösten atypischen Pneumonie ist differentialdiagnostisch auch an Mykoplas-
men, Chlamydia pneumoniae oder Coxsackie burneti als Erreger zu denken. Für die Klärung die-
ser Frage stehen vor allem die diagnostischen Möglichkeiten des Mikrobiologen zur Verfügung.
Infektionen durch Legionellen sind vor allem durch Einatmen kontaminierter Aerosole möglich.
Trinken von legionellenhaltigem Wasser scheint zumindest bei Gesunden keine Gefahr darzustel-
len. Bei aspirationsgefährdeten Menschen, wie z. B. Beatmungspatienten muss jedoch dieser In-
Leitfaden Umweltmedizin56
fektionsweg ebenfalls berücksichtigt werden. Nach dem bisherigen Kenntnisstand ist die Legio-
nelleninfektion keine endogene Infektion. Bislang konnten Legionellen nicht aus dem Nasen-Ra-
chen-Raum gesunder Personen isoliert werden. Eine Übertragung von Person zu Person ist eben-
falls bislang nicht beschrieben.
Deshalb sind Isolierungsmaßnahmen erkrankter Patienten als nicht notwendig zu erachten.
Der entscheidende Pathogenitätsfaktor für Legionellen ist die Fähigkeit virulenter Legionellen,
sich in Alveolarmakrophagen vermehren zu können. In einem Aerosol eingeschlossene L. pneu-
mophila fixieren sich in der Lunge mit ihrer 28 kDa - Untereinheit des major outer membrane pro-
tein (MOMP) an die Komplementkomponente C3. Die Bakterien binden über das C3bi-Fragment
an den Komplementrezeptor CR3 der Alveolarmakrophagen. Nach der Bildung des MOMP-C3bi-
CR3-Komplexes wird L. pneumophila über eine spezielle Form der Phagozytose, die sogenannte
„Coiling“- Phagozytose, in die Makrophagen aufgenommen.
Diese „Coiling“-Phagozytose scheint typisch für die CR3-vermittelte Phagozytose von L. pneumo-
phila Serovare 1 zu sein, da andere Serovare von L. pneumophila sowie andere Species über kon-
ventionelle Phagozytose aufgenommen werden.
Die mikrobiologische Diagnostik zum Nachweis einer Legionellose kann mit verschiedenen Ver-
fahren erfolgen. Der kulturelle Nachweis von Legionellen ist die sicherste Standardmethode, die
jedoch aufgrund des langsamen Wachstums von Legionellen von bis zu acht Tagen vor allem vor
dem Hintergrund der oft fulminant verlaufenden Legionellose kein geeignetes diagnostisches
Werkzeug ist. Für nachfolgende epidemiologische Untersuchungen zum Nachweis einer Quelle
kann die Kultur mit herangezogen werden. Der Nachweis von Antikörpern durch ein untersuchtes
Serumpaar kann retrospektiv zeigen, dass eine Erkrankung durch Legionellen vorlag. Der schnel-
le Nachweis von Legionellen gelingt am ehesten durch den Einsatz von Nukeinsäureamplifikati-
onstechniken (NAT) wie die Polymerasekettenreaktion (PCR). Der Nachweis legionellenspezifi-
scher DNA aus dem Bronchialsekret erkrankter Patienten kann im Idealfall in wenigen Stunden
erfolgen. Auch der Nachweis von bakteriellem Antigen mittels kommerziell erhältlicher Immuno-
assays im Urin von Erkrankten ist erfolgversprechend.
Dr. Wolfgang Treder, 26.02.2004
2. Sonderthema: Hausschädlinge
Der folgende Beitrag über Hausschädlinge ist von Herrn Professor Mehlhorn vom Zoologischen
Institut der Universität Düsseldorf verfasst worden. Die Kommission bedankt sich herzlichst für
diesen Beitrag bei Herrn Professor Mehlhorn.
2.1 Was sind Hausschädlinge?
Von alters her sind zahlreiche Tierarten bekannt, die in die menschliche Behausung eindringen,
um dort die Vorräte, die gelagerten Materialien oder den Menschen selbst zu befallen. Diese
Tierarten, die auf unterschiedliche Weise (Flug, Zulauf, Körperkontakt, Haustiere) in die Woh-
nung gelangen können, vermehren sich dort bei günstigen Bedingungen (Futter, schützende Ver-
stecke) oft explosionsartig und sind dann nur wieder schwer zu vertreiben. Diese ungebetenen
Gäste, die bei echten Schadwirkungen als Schädling, Schmarotzer oder Parasit bzw. pauschalie-
rend als Ungeziefer bezeichnet werden, gehören im wesentlichen zum zoologischen Stamm Ar-
thropoda (Gliedertiere) mit den einzelnen Gruppen Zecken, Milben, Spinnen, Skorpione und In-
sekten. Nur wenige andere Tierstämme sind noch beteiligt, können aber, wie z. B. Fadenwürmer
57Leitfaden Umweltmedizin
(Nematoden) oder Säugetiere (Ratten, Mäuse), im Einzelfall durchaus in großer Individuendichte
auftreten. Im einzelnen werden bei den Schädlingen nach ihrem Aufenthaltsort bzw. der Schad-
wirkung folgende Gruppen unterschieden:
2.1.1 Hygiene- und Gesundheitsschädlinge
Hierbei handelt es sich um Arten, die direkt durch Stich oder Biss (Blutsauger = Ektoparasiten)
oder indirekt durch Fäkalien (z. B. Ratten) Krankheitserreger des Menschen bzw. seiner Haustie-
re übertragen und so zu Krankheiten führen. In diese Kategorie gehören auch solche Arten, die
durch massenhaftes Auftreten (z. B. Staubmilben) als Auslöser von Allergien indirekt massive Er-
krankungen bewirken.
2.1.2 Vorratsschädlinge
Die hier einzuordnenden Tiere befallen gelagerte Nahrungs- und Futtervorräte und können dabei
eventuell ganze Ernten vernichten, was schon in der Bibel beschrieben und in Inquisitionszeiten
den Hexen angedichtet wurde. Aber auch in modernen Zeiten müssen viele Nahrungsmittel we-
gen Schädlingsbefall im großen Maße verworfen werden, insbesondere bei den immer länger
werdenden Transportwegen im EU-Raum. Aufgrund der häufig sehr geringen Körpergröße der
Schädlinge oder ihrer Nachtaktivität (z. B. Nager) bleibt ein Befall meist so lange verborgen, bis
massivste Schäden auftreten. Aus diesen Gründen haben einige Länder umfangreiche Vorschrif-
ten (u. a. Quarantänemaßnahmen) erlassen, um ein Einschleppen derartiger Schädlinge zu ver-
hindern.
2.1.3 Materialschädlinge
Diese Arten zerstören Materialien, die tierischen (z. B. Pelze, Wolle) bzw. pflanzlichen Ursprungs
(Stoffe, Holz etc.) sind, oder anorganische Materialien, indem sie diese fressen oder annagen
(z. B. Ratten - Kabel). Diese Schädigung kann von außen erfolgen (z. B. Motten) oder von innen (z.
B. der Holzkäfer/Holzwürmer). Derartiger Fraß zerstört eventuell wertvollste Materialien und
kann (insbesondere in den Tropen bei Termitenbefall) ganze Häuser zum Einsturz bringen oder
wertvolle Altertümer vernichten (z. B. Holzwurmantikes Mobiliar).
2.1.4 Lästlinge
Hierbei handelt es sich um Arten, die keine deutliche Schadwirkung haben, deren massenhaftes
Auftreten aber zu Belästigungen in vielerlei Hinsicht (optisch, akustisch, ästhetisch, psychisch)
führt. Selbst an sich nützliche Tiere (wie Spinnen) werden häufig bei massivem Auftreten als lästig
empfunden. Von anderen Vertretern dieser Gruppe (z. B. Bienen, Wespen) kann zudem noch eine
Bedrohung für die Gesundheit infolge der beim Stich injizierten Gifte ausgehen.
2.1.5 Zufallsgäste
Neben diesen vier Kategorien der Schädlinge finden sich häufig - ebenfalls meist in großer Indi-
viduenzahl - Nützlinge, Zufluginsekten und Zufallsgäste, die das Haus als Schutzraum vor eige-
nen Feinden und vor der Kälte aufsuchen oder als Jagdgebiet benutzen (Nützlinge, u. a. Spin-
nen).
Leitfaden Umweltmedizin58
2.2 Hautreaktionen bei Stichen/Bissen
Fall Taubenzecken (Siehe Seite 68)
Nach einem Stich können folgende Reaktionen eintreten:
(1) Ein mehr oder minder heftiger Schmerz tritt während oder kurz nach dem Stich auf (z. B.
Bremsen), Mücken- und Zeckenstiche sind aber schmerzfrei.
(2) Großflächige, glänzende Entzündung (Erythem), Rötung der Haut um die Stichstelle (ein bis
mehrere cm im Durchmesser); im Zentrum kann eine Quaddel liegen.
(3) Hämorrhagischer Fleck, evtl. zuerst blau, dann braun um die Stichstelle (anfangs oft nur we-
nige mm im Durchmesser); kann wochenlang sichtbar bleiben und in ein Granulom überge-
hen.
(4) Juckender Hautausschlag (Pruritus) mit pustelartigen Erhebungen (sehr verschiedenartig).
(5) Quaddel (Urtika). Die Stichstelle schwillt im Bereich von 0,5 bis 2,5 cm Durchmesser unmit-
telbar nach dem Stich an, wird dadurch scharf vom umgebenden Gewebe abgegrenzt und ist
stets deutlich blasser als die geröteten angrenzenden Hautbereiche (s. o.); meist starker
Juckreiz.
(6) Papel (Papula). Hierbei handelt es sich um eine kräftig rot gefärbte, hablkugelförmige Erhe-
bung der Haut (> 1 cm); sie tritt nach etwa 24 Stunden häufig an die Stelle einer bereits
verschwundenen Quaddel.
(7) Nässende Dermatitis (u. a. Okzipitaldermatitis, Exantheme) bei bakterieller Entzündung der
Stichbereiche.
2.3 Allgemeine Bekämpfungsmaßnahmen
Der Kammerjäger Grimmer
dringt ein in jedes Zimmer
und sucht dort die Verstecke
von Wanz' und Hundezecke.
Auch Schabe, Laus und Floh
machen ihn herzlich froh,
– dem Hauswirt geht's nicht ebenso!
(Mehlhorn und Mehlhorn 2001)
2.3.1 Vorbeugung, Prophylaxe
Prinzipielle Vorbeugungsmaßnahmen gehen dahin, den Zuflug bzw. das Zuwandern von Schädlin-
gen ins Haus zu verhindern und deren Vermehrung dort möglichst zu erschweren. Dies kann durch
folgende Maßnahmen erfolgen:
(1) Einbau von Fliegengittern auch vor Kellerfenstern; Gitter vor Abflussrohren.
(2) Lichtquellen vor geöffneten Fenstern entfernen.
(3) Hohlräume und Risse in den Wänden und andere Verstecke versiegeln.
(4) Lebensmittel in Dosen einschließen.
(5) Keine Nahrungsmittel, Tierfutter oder Teile davon (Brösel etc.) herumliegen lassen,
59Leitfaden Umweltmedizin
Gefäße schließen.
(6) Regelmäßiges Staubsaugen und Putzen der Böden der Wohnung.
(7) Gute Lüftung zur Vermeidung von Feuchtigkeit in Wohn- und Kellerräumen.
(8) Abkühlung der Räume im Winter beim Lüften.
(9) Regelmäßiges Entflohen etc. von Haustieren; Anlegen von Ungeziefer-Halsbändern;
Säuberung der Lagerstätten.
(10) Generelle Körperhygiene beim Menschen und seinen Haustieren.
(11) Verwendung im Freien von sog. Repellents, die auf die Haut aufgetragen werden und
für etwa sechs Stunden wirken.
2.3.2 Maßnahmen
Insektenfallen: Hier sind eine Reihe von Geräten auf dem Markt, die entweder mit Duftstoffen,
oder UV-Licht locken, um die Insekten dann durch Hitze bzw. chemisch abzutöten. Der gute alte
Fliegenfänger (Klebeprinzip) ist ebenfalls noch erhältlich wie auch die manuelle, aber sehr wirksa-
me Fliegenklatsche.
Mäuse- und Rattenfallen. Diese Geräte locken die Nager mit Futterködern an und töten sie mit ei-
nem Schlagbügel. Andere Geräte arbeiten nach dem Reusenprinzip; die Tiere überleben allerdings
und müssen dann getötet werden.
Chemobekämpfung. Hierbei werden vergiftete Köder für Ratten und Mäuse ausgelegt bzw. Insekti-
zide versprüht. In beiden Fällen ist eine Gefährdung der Umwelt und insbesondere von Kindern und
Tieren gegeben, so dass stets größte Sorgfalt zu walten hat. Die jeweils aktuell erhältlichen Sub-
stanzen und die Anwendungstechniken (Versprühen, Vernebeln, Auftragen etc.) sind in der Liste
enthalten, die vom Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Vet. Med. (BGVV),
Postfach 33 013, 14191 Berlin (Tel. 0 30/8 41 20) bezogen werden kann. Die Empfehlungen hier ba-
sieren auf dieser Liste, die ständig überarbeitet wird (zuletzt 1996) und auch die Handelsnamen an-
gibt. Ausführlich werden alle Maßnahmen im Buch: B. Mehlhorn und H. Mehlhorn: Zecken, Milben,
Fliegen, Schabe, Schach dem Ungeziefer. Springer Verlag, Heidelberg 4. Aufl. (2001) beschrieben.
Desinfektion: Durch Einsatz von flächendeckenden Desinfektionsmitteln wird vielen Schädlingen die
Ernährungsgrundlage (z. B. Pilze, Bakterien) entzogen und gleichzeitig die Verschleppung von Kei-
men (z. B. beim Klin. Hospitalismus) erschwert. Die Anzahl der Desinfektionsmittel ist sehr groß. Die
aktuell gültige Liste von wirksamen und verträglichen Substanzen kann von der Deutschen Gesell-
schaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) bezogen werden. Anruf bei entsprechenden univer-
sitären Instituten genügt.
3. Ausgewählte Ergebnisse der Begleituntersuchungen (Stand 7/2003)
Seit der Einführung des Umweltmobils 1996 werden begleitende Untersuchungen und Befragun-
gen durchgeführt. Das Ziel ist es, auf der Basis einer möglichst vollständigen Dokumentation ei-
nen systematischen Überblick über die geleistete Arbeit zu ermöglichen. Das Zahlenmaterial soll
auch helfen, die Qualität des Mess- und Beratungsdienstes weiter zu verbessern.
Die im weiteren vorgestellten Ergebnisse basieren auf der Auswertung der Anamnesebögen
von 6.650 Patienten. Es handelt sich hierbei ausschließlich um Patienten, bei denen Woh-
nungsbegehungen veranlasst wurden („Umweltpatienten“). Informationen über diejenigen
Patienten, bei welchen kein Umweltlabor angefordert wurde, liegen nur anonymsiert vor und
können deshalb nicht detailliert ausgewertet werden.
Am Umwelt- Mess- und Beratungsdienst nehmen etwa 590 Ärzte teil. Die meisten von ihnen sind
bereits seit den ersten Jahren des Modellprojektes dabei. Besonders häufige Gebietsbezeichnun-
gen sind „Allgemeinmedizin“ gefolgt von „Innere Medizin“ und „Dermatologie“.
Leitfaden Umweltmedizin60
Unter den Patienten sind - verglichen mit dem Bevölkerungsanteil – besonders viele Frauen in den
mittleren Lebensjahren und Kinder unter zehn Jahren. Bei älteren Menschen werden scheinbar
eher andere Beschwerdeursachen vermutet. Sie sind in der Gruppe der Umweltpatienten deutlich
unterrepräsentiert. Abbildung 1 zeigt die Verteilung der behandelten Patienten nach Alter und
Geschlecht.
Der größere Teil der Patienten (über 60 Prozent) ist nicht regelmäßig erwerbstätig. Neben den
Hausfrauen sind dies vor allem die Kinder, Schüler/Studenten und Rentner. Eine überzufällige
Häufung bestimmter Berufsgruppen scheint es nicht zu geben. Die meisten Patienten arbeiten in
Büroberufen, der Geschlechtsverteilung entsprechend finden sich aber auch viele Tätigkeiten im
pflegerischen und sozialen Bereich. Eine Untersuchung der arbeitsbedingten Einflüsse hat ge-
zeigt, dass eine sorgfältige Berufsanamnese von großer Bedeutung ist. Nach einer genaueren ar-
beitsmedizinischen Prüfung der Anamnesebögen fanden sich bei einer Reihe von Patienten Hin-
weise auf eine berufliche (Mit-)Verursachung der Beschwerden. In einigen Fällen wurde auch der
Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit angezeigt.
3.1 Beschwerden
Die von den Patienten beschriebene Symptomatik ist zwar vielfältig, doch treten manche Be-
schwerden besonders häufig auf. Vor allem sind die Atemwege bei vielen Patienten betroffen (75
Prozent), Infektanfälligkeit und Müdigkeit/Antriebsstörungen sind zwei weitere Symptome, wel-
che von mehr als der Hälfte aller Patienten genannt werden. Durchschnittlich bestehen die Be-
schwerden schon über 36 Monate. Abbildung 2 zeigt, wie häufig die einzelnen Symptome bei der
Umweltanamnese dokumentiert werden:
0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
0-09 10-19 20-29 30-39 40-49 50-59 60-69 ab 70
Weiblich
Männlich
Alter in Jahren
% - Anteil Patienten
Umweltpatienten mit Wohnungsbegehung
nach Alter und Geschlecht
Abb. 1 Quelle: Universitätsklinikum DüsseldorfInstitut für Arbeitsmedizin und SozialmedizinDirektorin: Universitätsprofessorin Dr. E. Borsch-Galetke
61Leitfaden Umweltmedizin
0 10 20 30 40 50 60 70
S 18 Sonstiges
S 13 Lärmbelästigung
S 15 - Nerven-Empfindungsstörungen
S 17 - Geruch
S 16 - Schwindel
S 7 Magen-Darm-Beschwerden
S6 - Knochen/Muskelschmerz
S 10 - Konzentrationsstörungen
S 3 - Leistungsknick
S 5 - Augenprobleme
S 14 - Hautprobleme
S 11 - Schlafstörungen
S 12 - Kopfschmerzen
S 2 - Innere Unruhe/Reizbarkeit
S 4 - Infektanfälligkeit
S 8 - Untere Atemwege
S 1 - Müdigkeit/Antriebsstörungen
S 9 - Obere Atemwege
Beschwerdebild der Umweltpatienten
Die meisten Symptome nennen Patienten im Alter zwischen 40 und 59 Jahren. Vor allem in den
Altersgruppen ab 30 Jahren beklagen Frauen mehr Probleme als Männer. Die Beschwerden der
Patienten lassen sich grob in drei Gruppen einteilen: Die erste Gruppe von Beschwerden betrifft
die Atemwege, hinzu kommt eine übermäßige Anfälligkeit für Infekte. Als zweiter Komplex treten
die Störungen des Wohlbefindens (z. B. Leistungsknick, Konzentrationsstörungen, Schwindel),
Schmerzen und Magen-Darm Beschwerden auf. Die dritte Gruppe von Symptomen betrifft Proble-
me mit den Augen und der Haut. Während Kinder und jüngere Erwachsene besonders unter den
Atemwegsbeschwerden und Infekten leiden, so nehmen mit dem Alter die Störungen der Befind-
lichkeit an Bedeutung zu. Die Altersgruppe der 50 bis 59-Jährigen leidet hierunter ganz beson-
ders. Meist sind Frauen stärker betroffen als Männer.
Unter den Vorerkrankungen der Umweltpatienten dominieren die verschiedenen Erkrankungen
der Atemwege. Sie machen, zusammen mit Allergien und Hauterkrankungen deutlich mehr als
die Hälfte aller dokumentierten und nachträglich nach ICD 10 verschlüsselten Diagnosen aus.
Quelle: Universitätsklinikum DüsseldorfInstitut für Arbeitsmedizin und SozialmedizinDirektorin: Universitätsprofessorin Dr. E. Borsch-Galetke
Leitfaden Umweltmedizin62
3.2 Expositionen
Im Rahmen der Umweltanamnese halten Arzt und Patient ihren Expositionsver-
dacht fest. Die Wahrscheinlichkeit von Schadstoffbelastungen wird hierbei meist
überschätzt. Vielfach werden Belastungen befürchtet, die sich dann bei der In-
spektion nicht finden.
Auf der Untersuchungsliste der beiden Fachlabore, welche die Wohnungsbege-
hungen durchführen, steht eine ganze Reihe potentieller Schadstoffe. Nach den
Erfahrungen der vergangenen Jahre finden sich im wesentlichen folgende Belas-
tungen:
Daneben gibt es in einzelnen Fällen auch andere Probleme, deren Anteil ist aber
insgesamt unbedeutend.
Exposition %-Anteil
Schimmelpilze zirka 50 Prozent
Formaldehyd 14 Prozent
Holzschutzmittel 12 Prozent
Pyrethroide 5 Prozent
VOC 7 Prozent
3.2.1 Schimmelpilze/Keime
Am häufigsten stoßen die Untersucher der beiden Umweltlabore in den Wohnungen auf Indizien
für einen Befall durch Schimmelpilze. Die Methoden zum Nachweis einer Belastung sind unter-
schiedlich. Als Methode steht die Luftkeimmessung zur Verfügung, welche sich z. B. in der Ar-
beitsmedizin bewährt hat.
Dieses Verfahren kommt allerdings nur bei einem kleineren Teil der Verdachtsfälle zum Einsatz.
Weiterhin können Materialproben z. B. Putz von der Wandoberfläche oder andere befallene Ge-
genstände analysiert werden. Hinweise auf mögliche Schimmelpilze, welche nicht sichtbar wach-
sen, können ihre Stoffwechselprodukte, die MVOC (Microbial Volatile Organic Compounds) lie-
fern, welche ebenfalls in der Luft gemessen werden. Letztlich wird in etwa der Hälfte der unter-
suchten Wohnungen eine Belastung der Bewohner durch Schimmelpilze nicht ausgeschlossen.
3.2.2 Formaldehyd
In jeder dritten Wohnung vermuten die Untersuchenden zunächst eine Belastung der Bewohner
durch Formaldehyd. Aufgrund der daraufhin durchgeführten Luftmessungen wird dieser Ver-
dacht allerdings nur zum Teil bestätigt. Die Luft in unbelasteten Wohnräumen solte laut WHO ma-
ximal 0,05 ppm Formaldehyd enthalten. Diese Grenze wird in etwa 14 Prozent aller Wohnungen
überschritten. Bei der Bewertung der Exposition ist zu berücksichtigen, dass die meisten Messun-
gen moderat erhöht sind und z. B. den Wert von 0,1 ppm unterschreiten, den das BGA als Schwel-
le einer eventuellen gesundheitlichen Gefährdung genannt hat. Lediglich etwa fünf Prozent aller
Wohnungen weisen darüber hinausgehende Belastungen auf. Expositionen oberhalb des MAK-
Wertes (0,5 ppm) sind Einzelfälle.
3.2.3 Insektizide / Pyrethroide
Diese Substanzen werden im Wohnbereich vorwiegend als Holzschutzmittel oder zum Schutz von
Textilien/Teppichen eingesetzt.
Bei den Holzschutzmitteln handelt es sich hauptsächlich um PCP und Lindan, welche in Staub-
oder Feststoffproben nachgewiesen werden. In jeder fünften Wohnung wird zunächst eine Bela-
stung durch Holzschutzmittel für möglich gehalten, in 12 Prozent liegen die gefundenen Belastun-
gen tatsächlich über den Werten, die zur Beurteilung verfügbar sind. Insgesamt scheinen die Be-
lastungen durch Holzschutzmittel an Bedeutung zu verlieren.
Pyrethroide, wie sie in Teppichen oder Textilien als Insektenschutz eingesetzt werden, finden sich
nur relativ selten in problematischer Konzentration (Fünf Prozent der Wohnungen). Bei der Ein-
schätzung der gesundheitlich bedeutsamen Exposition der Betroffenen in ihrer Wohnung ist zu
63Leitfaden Umweltmedizin
berücksichtigen, dass die Feststoffprobe zwar einen Hinweis auf potentielle Quellen liefert, eine
Exposition aber nicht zwingend notwendig ist.
So haben z. B. Biomonitoring-Untersuchungen bei Patienten des Umweltmobils keinen Zusam-
menhang zwischen innerer Belastung (Urin) und äußerer Belastung (Feststoffprobe) durch PCP er-
geben.
3.2.4 VOC
Leichtflüchtige organische Stoffe treten in den letzten Jahren häufiger als unerwünschte Bestand-
teile der Innenraumluft auf. Im Beobachtungszeitraum liegt der Anteil von Wohnungen mit einer
möglichen VOC-Exposition noch unter 10 Prozent. Aufgrund des Kenntnisstandes ist die medizini-
sche Bewertung der teilweise umfangreichen Luftmessungen nicht unproblematisch. Derzeit exi-
stieren nur für wenige dieser Stoffe wissenschaftlich begründete Beurteilungswerte, verschiedene
Konzepte sind in der Diskussion. Hauptbestandteil der gemessenen VOC sind verschiedene Alkoho-
le, wie sie in Haushaltsreinigern, Kosmetika usw. weit verbreitet sind.
3.3 Beschwerdeveränderungen
Bei über 1.000 Patienten konnte der Langzeiteffekt der Behandlung bisher durch telefonische
Nachbefragungen etwa 36 Monate nach dem Erstbesuch beim Umweltarzt erhoben werden. Insge-
samt fallen die Urteile der Patienten über das Umweltmobil überwiegend positiv aus. Die meisten
Patienten (etwa 80 Prozent) sind (sehr) zufrieden mit ihrem Umweltarzt und mit der Arbeit der Um-
weltlabore.
Mehr als zwei Drittel berichten von einer gesundheitlichen Besserung: 36 Prozent der Befragten
schildern die Beschwerden, wegen denen der Umweltarzt aufgesucht wurde, als verschwunden oder
stark gebessert, weitere 35 Prozent immerhin als gebessert. 22 Prozent empfinden ihre gesundheit-
liche Situation als unverändert, bei 8 Prozent ist es nach eigener Einschätzung zu einer Verschlech-
terung gekommen.
Die meisten Symptome werden in der Nachbefragung deutlich seltener genannt als zum Zeitpunkt
der Anamnese. Infektanfälligkeit (-48 Prozent bezogen auf die Häufigkeit bei Anamnese) und Be-
schwerden der oberen Atemwege (-41 Prozent) sowie der unteren Atemwege (-37 Prozent) gehen
besonders deutlich zurück. Eine Zunahme ist für „Knochen-/Muskelschmerzen“ (+27 Prozent) zu
verzeichnen. Auffällig stark steigt die Häufigkeit „sonstiger" Beschwerden (+154 Prozent).
Folgende Abbildung 3 gibt einen Überblick über die Veränderungen: Allerdings ist ein deutlicher
Effekt des Alters zu beobachten. Je älter die Patienten sind, desto geringer ist der Anteil derjeni-
gen, deren Beschwerden sich nach eigener Einschätzung deutlich verbessert haben. Die Erfolgsra-
te sinkt von etwa 50 Prozent auf ca. 20 Prozent. Abbildung 4 verdeutlich dieses wichtige Ergebnis.
Eine wesentliche Rolle spielen hierbei die Störungen des Befindens, die bei den älteren Patienten
dominieren. Diese Beschwerden bessern sich nur wenig im Gegensatz zu den Atemwegsproble-
men und der übermäßigen Infektanfälligkeit.
Wenn in einer Wohnung Fremdstoffexpositionen gefunden wurden, oft aber auch aus Gründen der
Vorsorge, geben die Fachlabore mehr oder weniger aufwändige Sanierungsempfehlungen. Diese
Ratschläge wurden von knapp der Hälfte der befragten Patienten vollständig beherzigt. Jeweils
ein Viertel hat einen Teil bzw. keine der angeratenen Maßnahmen umgesetzt. Auch die Bereit-
schaft zur Sanierung der Expositionen nimmt mit fortschreitendem Alter ab. Beträgt die Sanie-
rungsquote bei den Jüngeren noch etwas mehr als 50 Prozent so sinkt sie ab 50 Jahre auf ein gu-
tes Drittel. Es gibt Hinweise darauf, dass eine Sanierung der Wohnung positive Effekte auf die Ge-
sundheit hat, ein schlüssiger Nachweis ist mit den vorhandenen Daten derzeit nicht zu erbringen.
Patienten, die umfassende Sanierungen durchgeführt haben, berichten zwar insgesamt häufiger
als die anderen Befragten, dass sich die Beschwerden, welche Anlass für den Besuch beim Um-
weltarzt waren, gebessert hätten (84 Prozent vs. 66 Prozent). Erwartungen, dass sich besonders die
expositionstypischen Symptome nach einer Sanierung verbessern, erfüllen sich nur teilweise. Berück-
sichtigt man zusätzlich die unterschiedliche Sanierungsbereitschaft in den einzelnen Altersgruppen,
so zeigt sich, dass letztlich das Alter der bestimmende Einflussfaktor ist: Patienten mit und ohne Expo-
sition bzw. mit und ohne vollständige Sanierung
unterscheiden sich nicht systematisch im Hin-
blick auf die Veränderung der Symptomatik.
Die Verwendung von Medikamenten wird eben-
falls nicht von Exposition oder Sanierung beein-
flusst. Mit zunehmendem Alter steigt der Anteil
der Patienten, die täglich Medikamente einneh-
men, insgesamt ist dies jeder zweite Patient.
Recht verbreitet sind unter den Befragten Be-
denken, in der Wohnung auch weiterhin Schad-
stoffbelastungen ausgesetzt zu sein. Auch nach
einer Wohnungssanierung be-fürchten noch 28
Prozent der Patienten eine andauernde Exposi-
tion. Am wenigsten Sorge (20 Prozent) haben in
dieser Hinsicht Patienten, bei denen keine Ex-
position festgestellt worden war.
Leitfaden Umweltmedizin64
154
85
-26
-18
-23
-11
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-23
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-25
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-32
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-48
-27
-41
-60 -40 -20 0 20 40 60 80 100 120 140 160
S1 Müdigkeit/Antriebsstörungen
S 4 Infektanfälligkeit
S 8 Untere Atemwege
S 2 Innere Unruhe/Reizbarkeit
S 5 Augenprobleme
S 12 Kopfschmerzen
S 14 Hautprobleme
S 11 Schlafstörungen
S 10 Konzentrationsstörungen
S 3 Leistungsknick
S 6 Knochen/Muskelschmerz
S 7 Magen-Darm-Beschwerden
S 16 Schwindel
S 9 Obere Atemwege
S 15 Nerven/Empfindungsstörungen
S 17 Geruch
S 13 LärmbelästigungS 18 Sonstiges
Veränderung der Symptomatik nach 36 Monaten bezogen
auf die Beschwerdehäufigkeit bei Anamnese
%-Anteil Symptom weniger/häufiger genanntQuelle: Universitätsklinikum Düsseldorf
Institut für Arbeitsmedizin und SozialmedizinDirektorin: Universitätsprofessorin Dr. E. Borsch-Galetke
Abb. 3
0
10
20
30
40
50
60
Bis 10 J. 11-20 21-30 31-40 41-50 51-60 alter 60 J.
keine Beschw erden mehr
stark gebessert
Abb. 4 Quelle: Universitätsklinikum DüsseldorfInstitut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin
Direktorin: Universitätsprofessorin Dr. E. Borsch-Galetke
65Leitfaden Umweltmedizin
3.4 Ärztebefragung
Zusammenfassend erhält der Umwelt- Mess- und Beratungsdienst auch von den 245 Umweltärz-
ten gute Noten, die sich an der Ärztebefragung Anfang 2002 beteiligt haben (75 Prozent sehr
gut/gut). Meistens geben die Beschwerden der Patienten Anlass für die Anforderung einer Woh-
nungsbegehung, dabei spielen typische und unklare Beschwerden gleichermaßen eine Rolle.
Nachfrage seitens der Patienten ist der dritte Hauptgrund für das Ambientmonitoring.
Reibungslos und ohne größere Schwierigkeiten läuft die Zusammenarbeit mit den Umweltlaboren.
Die meisten Ärzte sehen sich die Wohnung ihrer Patienten nur in Ausnahmefällen selber an. Häu-
figer bemängelt werden von den befragten Ärzten neben der Honorierung lediglich die Zusam-
menarbeit mit spezialisierten Kliniken/Instituten und die Bearbeitungszeiten.
Unter den Faktoren, welche nach Ansicht der behandelnden Ärzte die Beschwerden der Umweltpa-
tienten verursachen, sind der Lebensstil, Allergien, Psychische Faktoren/Stress und Ängste/falsche
Informationen besonders wichtig und rangieren noch vor einer möglichen häuslichen Schadstoffex-
position. Es scheint allerdings, als ob es eher leicht fiele, Patienten eine stoffliche Belastung als Ur-
sache für die Problematik zu vermitteln. Andere Gründe werden offenbar weniger gut akzeptiert.
Die häufigsten Maßnahmen bei der Behandlung der Umweltpatienten sind Aufklärung, Information
und Bemühungen um Verhaltensänderungen. Sehr selten wird von der Möglichkeit, Patienten an
spezialisierte Kliniken zu überweisen, Gebrauch gemacht.
Bei der Bewertung der Expositionssituation und den daraus abgeleiteten Sanierungsvorschlägen
stimmen Ärzte und Umweltlabore weitgehend überein (89 Prozent). Dagegen ist die Rückmeldung
durch die Patienten über die Umsetzung der Empfehlungen recht lückenhaft, nur 38 Prozent der
Befragten verfügen zumindest oft über diese Informationen. Die Behandlungserfolge schätzen die
Umweltärzte weitgehend ähnlich ein wie ihre Patienten. Auch sie stellen in den meisten Fällen eine
Verbesserung der Symptomatik fest. Der Anteil derjenigen Patienten, bei denen es im Laufe der
Zeit nicht zu einer Besserung bzw. sogar zu einer Verschlechterung kommt, wird aber von den be-
handelnden Ärzten deutlich unterschätzt (11 Prozent vs. 29 Prozent).
3.5 Zusammenfassung
Seit 1996 können Patienten mit möglicherweise umweltbedingten Beschwerden den Umwelt- Mess-
und Beratungsdienst der KVWL in Anspruch nehmen. Nach einer speziellen umweltbezogenen An-
amnese entscheidet der Arzt, ob ein Ambientmonitoring in der häuslichen Umgebung des Patien-
ten erforderlich ist.
Unter den Patienten sind Frauen in den mittleren Lebensjahren und Kinder besonders häufig. Be-
schwerden betreffen vor allem die Atemwege und eine erhöhte Anfälligkeit für Infekte. Vielfältige
Störungen des Befindens treten vorwiegend ab den mittleren Lebensjahren hinzu. In zwei von drei
untersuchten Wohnungen finden sich Expositionen. Die häufigsten Belastungen sind Schimmelpilze,
Formaldehyd und Biozide. Weniger als die Hälfte der betroffenen Patienten führt die empfohlenen
Sanierungsmaßnahmen umfassend durch, je älter desto seltener. Aus der Langzeitperspektive be-
richten die meisten Patienten von einer Verbesserung ihrer Beschwerden.
Dabei spielt offenbar vor allem das Alter eine Rolle. Jüngere Patienten bis etwa 40 Jahre berichten
die größten Fortschritte, in den höheren Altersgruppen sind die Erfolge wesentlich geringer. Die
Veränderungen hängen nicht systematisch mit den Expositionen oder den Sanierungsmaßnahmen
zusammen. Die befragten Umweltärzte halten neben den Schadstoffexpositionen vor allem Aller-
gien, den Lebensstil, psychische Faktoren und unbegründete Ängste für problematisch. Die einge-
leiteten Behandlungsmaßnahmen betreffen deshalb auch diese Ursachen. In der zusammenfassen-
den Beurteilung schneidet der Umwelt- Mess- und Beratungsdienst der KVWL sowohl bei Patienten
als auch bei den teilnehmenden Ärzten sehr gut ab, die Zufriedenheit ist insgesamt sehr hoch.
Leitfaden Umweltmedizin66
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Literaturverzeichnis
Initiative, Verbände, Stiftungen
Stiftung WarentestLützowplatz 11 - 1310785 BerlinTel: 0 30/26 31-0
EPEAInternationale Umweltforschung GmbHFeldstr. 3620357 HamburgTel: 0 40/43 13 49-0
Verband d. Technischen Überwachungs-Verein e.V.Kurfürstenstr. 5645138 EssenTel: 02 01/89 87-0
IfAU - Institut für angewandte Umweltforschung e.V.Krebsmühle61440 Oberursel (Taunus)Tel: 0 61 71/7 42 13
IGUMED - Interdisziplinäre Gesellschaft f. Umweltmedizin e.V. GeschäftsstelleBergseestr. 5779713 Bad Säckingen
DISU - Dokumentations- und Informationsstelle f. Umweltfragen d. Kinderärztec/o KinderhospitalIburger Str. 20049082 OsnabrückTel: 05 41/5 84 86-0
Leitfaden Umweltmedizin68
Initiative, Verbände, Stiftungen
- www.uminfo.de- www.rki.de- www.umweltbundesamt.de- www.info.imsd.uni-mainz.de (Kinderkrebsregister, med. Links)- www.dimdi.de- www.healthgate.de- www.ulm.nih.gov- www.cdc.gov/niosh/homepage.html- www.pitt.edu/~martint/pages/omtoxres.htm- www.isem.at/isem
Kontaktadressen zur Suche nach Fachfirmen
Stichwort Adresse Internet/Mail
Sanierung von Feuchtig-keits- und Schimmelpilz-schäden
BundesverbandSchimmelpilzsanierung e.V.Geschäftsführung:Ulmenstr. 2422299 Hamburg
www.schimmelpilz.tv
Sanierung von chemischenSchadstoffen
Fachverband Schadstoff-sanierung e.V. (FAS)
www.fas-geb.de
Sanierung von Haus-schwamm und holzzerstö-renden Pilzen
Deutscher Holz- und Bau-tenschutzverband e.V.Hans-Willy-Merstens Str. 250858 Köln
www.dhbv.de
Fallbeschreibung: Taubenzecken/-milben durch Tauben an einer Hausfassade
Alle Mitglieder einer fünfköpfige Familie aus Herne klagten über Hautreaktionen (Abszesse), die
seit einigen Jahren gehäuft in den Sommermonaten auftraten. Im Winter war die Familie weitge-
hend beschwerdefrei.
Fallbeschreibungen
Bild 1Fassadenansicht (Pfeil zeigt in RichtungBadezimmerfenster
Bild 2 Blick aus dem Badezimmer auf die Nachbarfassade
Bild 3:Adulte Taubenzecken im Licht und RE-MikroskopDie Mundwerkzeuge liegen unterständig(M)
(Bild und Text aus B. und H. Mehlhorn, Zecken, Milben,Fliegen, Schaben. Springer Vlg. 1990)
69Leitfaden Umweltmedizin
Die Wohnung der Familie befand sich in einem Mietshaus, welches in einen ca. ein Meter breiten
Abstand vom Nachbarhaus stand. Diese Flucht war mit Tauben besiedelt, und in einem sehr starken
Maß mit Taubenkot und verwesten Tieren verunreinigt. Das Fenster des Badezimmers öffnete sich in
diese Richtung. Zusätzlich nisteten Tauben auf dem Dachboden.
Die Vermutung lag nahe, dass die Hautreaktionen der Familie mit der Taubenplage bzw. mit durch
die Vögel eingetragenen Parasiten in Verbindung zu bringen sind.
Nach Begutachtung der Wohnung und des Umfeldes durch den von uns hinzugezogenen Prof. Mehl-
horn vom Zoologischen Institut der Universität Düsseldorf war klar, dass ein Befall mit Taubenzecken
oder Taubenmilben vorliegen muss. Diese sind während der Brutzeit in den Taubennestern und ihrer di-
rekten Umgebung anzutreffen. Sie sind nachtaktiv und krabbeln häufig durch Fensterspalten oder an-
dere Öffnungen in die Gebäude hinein, wo sie die Bewohner dann im Schlaf beißen können, ohne be-
merkt zu werden. Die beim Saugakt entstehenden Wunden können mit Salmonellen oder Verwe-
sungsbakterien verunreinigt werden und Infektionen bzw. Abszesse verursachen.
Fallbeschreibung: „Mehrere Feuchtigkeitsschäden mit mikrobiellen Befall“
Bei einer vierköpfigen Familie (zwei Töchter, vier und sechs Jahre alt) traten seit 1999 zunächst
gesundheitliche Probleme bei den beiden Kindern auf, in erster Linie Hauterkrankungen und
Atemwegsbeschwerden. 2001 bekam auch die Mutter Atemwegsbeschwerden, sowie rheumatoi-
de Beschwerden mit kontinuierlich zunehmender Tendenz. Die Familie wohnte seit 1997 in einem
Einfamilienhaus, welches 1980 erbaut wurde.
Ende 2001 wurde ein Wasserschaden in der Küche lokalisiert (Leck in der Druckwasserleitung).
Der Schaden war in der Küche nicht sichtbar. Aufgefallen war der Schaden dadurch, dass die Au-
ßenwand auf der Fassade im Bereich der Küchenspüle einen rasch größer werdenden Feuchtig-
keitsfleck aufwies. Dies zeigte, dass sich der Schaden allmählich entwickelte und mit an Sicher-
heit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits seit Wochen oder sogar Monaten bestand.
Die Ursache der Feuchtigkeit wurde abgestellt, d. h. das Leck in der Druckwasserleitung wurde be-
seitigt. Das feuchte und vermutlich mit Mikroorganismen besiedelte Fußbodenmaterial wurde
komplett entfernt. Eine deutliche Besserung der gesundheitlichen Beschwerden war danach nicht
festzustellen.
Anfang 2002 wurde aus diesem Grund das Haus inspiziert und mittels Feuchtigkeitsmessungen
ein weiterer Feuchtigkeitsschäden im Keller lokalisiert. Im Keller wurde eine Materialprobe vom
feuchten Fußbodenmaterial entnommen und analysiert. Es wurden keine auffälligen Quantitäten
und Qualitäten an Mikroorganismen nachgewiesen.
Da die Untersuchung des feuchten Materials im Keller einen negativen Befund ergab, die Be-
schwerden jedoch weiter bestanden, wurde das Objekt mit einem Schimmelpilz-Spürhund began-
gen. Der Spürhund markierte im DG die Dachschrägen in beiden Kinderzimmern und im Schlaf-
zimmer sowie den Fußboden an der Balkontür im Kinderzimmer von Anna (vier Jahre).
Das Fußbodenmaterial enthielt hohe Mengen an Pilzen und Bakterien, u. a. Aspergillus versicolor
und Actinomyceten. Die Dämmwolle aus der Dachschräge (exemplarische Probe) enthielt erhöh-
te Mengen an Pilzen (u. a. Aspergillus versicolor) und leicht erhöhte Mengen an Bakterien.
Am 15. August 2003 schrieb uns der Familienvater, dass Aufgrund dieser Ergebnisse wurde das
Dachgeschoß nicht mehr genutzt wird. Die Sanierung ist geplant. Seitdem diese Etage gemieden
wird sind nach seinen Aussagen die Beschwerden der gesamten Familie praktisch verschwunden.
Leitfaden Umweltmedizin70
Fallbeschreibung: „Kontaktdermatitis durch Lederlenkrad“
Eine gemeinsam mit Ihrem Mann in einem Einfamilienhaus im Sauerland wohnende Frau, Mitte
40, litt seit zirka drei Jahren unter massiven Hautproblemen in der Innenfläche beider Hände.
Bekannt war eine Allergie auf Schwermetalle, weshalb der Verdacht bestand, dass die Hautpro-
bleme durch Kontakt mit Schwermetallen verursacht wird, aber alle Überlegungen zu den mögli-
chen Quellen und Selbstversuche mit gezieltem Meiden des Kontaktes mit bekanntermaßen
schwermetallhaltigen Gegenständen brachten keinen Erfolg.
Bei der Begehung des Wohnhauses wurden keine Auffälligkeiten festgestellt. Daraufhin wurde
gemeinsam der gesamte Tagesablauf im Haus im Zeitraffer nachgestellt.
Bei allen Tätigkeiten im Haus war kein regelmäßiger Kontakt mit einem Gegenstand, der Schwer-
metalle enthält, erkennbar.
Schließlich wurde vorgeschlagen, auch die Tätigkeiten außer Haus zu simulieren. Die Betroffene
berichtete daraufhin, dass Sie fast täglich mit dem Pkw zum Einkaufen fährt. Wir gingen gemein-
sam zum Fahrzeug und die Betroffene setzte sich ans Steuer. Die Handflächen mit der geschädig-
ten Haut waren mit dem Griff ans Lenkrad deckungsgleich.
Das Fahrzeug war kurz vor Auftreten der Beschwerden angeschafft worden und mit einem Leder-
lenkrad ausgerüstet. Da Leder nahezu immer mit Schwermetallen behandelt ist, war auf diese
Weise die Ursache des Problems lokalisiert.
71Leitfaden Umweltmedizin
Fallbeispiel: „Schadstoffbelastung in einem Fertighaus, Baujahr 1971“
Ein Ehepaar (Alter Mitte 70) bewohnt seit Erstellung des Objektes 1971 ein Fertighaus in Leicht-
bauweise. Das Gebäude besteht aus einem Holzständerwerk, Spanplattenwänden die mit aufge-
setzten GK-Platten und Fußböden wie Decken aus Spanplatten.
Bei einer umweltmedizinischen Untersuchung wurde ein toxischer Leberschaden bei der Ehefrau
festgestellt sowie Leberwerte beim Ehemann, die auf eine toxische Belastung hindeuten. Des Wei-
teren wurde über Augenreizungen, Hautjucken, Schluckbeschwerden und verstopfte Nase ge-
klagt. Beim Ortstermin wurde im Gebäude sofort beim Eintritt ein starker muffig-schimmliger Ge-
ruch festgestellt, wie er häufig in derartigen Fertighäusern vorliegt.
Die Hausstaubanalyse ergab nur leicht auffällige Werte an PCP (5 mg/kg), DDT (5 mg/kg) sowie
Lindan (1 mg/kg). Die Raumluftmessung auf Formaldehyd ergab mit 0,08 ppm einen Wert, der un-
ter der Empfehlung des BGA (0,1 ppm), aber über dem Zielwert der WHO liegt (0,05 ppm).
Bei vergleichbaren Geruchsbelastungen in Fertighäusern wurden zwar regelmäßig mikrobielle
Schäden in der Dämmung der Außenwände festgestellt, jedoch ergaben die Ergebnisse von MVOC-
Messungen zwar auffällig erhöhte Werte, die aber stets nicht so hoch lagen, wie es aufgrund des
Geruchs zu erwarten war.
Nach neueren Untersuchungen des Labors ARGUK in Oberursel (Veröffentlicht auf der AGÖF Ta-
gung 2004 in München) sind die Geruchsbelastungen auf Chloranisole zurückzuführen, die bei den
älteren Fertighäusern aus den Außenwänden emittieren. Diese Verbindungen sind bekannterma-
ßen nicht ursprünglicher Bestandteil der Materialien, entstehen allerdings bei der mikrobiellen Zer-
setzung von Phenolen, u. a. von PCP. Diese Verbindungen sind somit keine mikrobiellen Stoffwech-
selprodukte, d. h. keine MVOC im engeren Sinn, aber sie entstehen nach derzeitigem Kenntnisstand
durch die mikrobielle Zersetzung bestimmter chemischer Verbindungen und sind somit ebenfalls
ein Indikator für mikrobielle Schäden.
Eine VOC-Luftmessung in diesem Gebäude ergab, dass eine hohe Belastung mit Chloranisolen
vorlag. Es konnten die Verbindungen 2,4,6-Trichloranisol (TCA) mit 5 ng/m³, 2,3,4,6-Tetrachlorani-
sol (TeCA) mit 525 ng/m³ und Pentachloranisol (PCA) mit 71 ng/m³ nachgewiesen werden. Im Ver-
gleich zu den Geruchsschwellwerten lagen die Konzentrationen von zwei Verbindungen deutlich
im wahrnehmbaren Bereich:
Neben den möglichen Effekten durch Holzschutzmittel, Formaldehyd und Mikroorganismen ist die
Geruchsbelastung auch deshalb zu beachten, da sich diese Stoffe sehr hartnäckig insbesondere
in Textilien festsetzen. Die Bewohner entsprechender Häuser umgibt als Folge ständig eine muf-
fig-schimmlige Duftwolke, die die Betroffenen in der Regel nicht mehr wahrnehmen. Sie werden
wegen des Geruchs nicht selten von Kollegen und Freunden gemieden, wobei es in den uns be-
kannten Fällen immer erst nach Beseitigung des Problems zu Hinweisen gekommen ist, dass sie
extrem ungenehm gerochen haben. Eine direkte Ansprache erfolgte praktisch nie. Die Folge war
in einzelnen Fällen eine zunehmende soziale Isolation.
Verbindung Messwert Geruchsschwelle Faktor
TCA 5 2 2,5
TeCA 525 100 5,2
PCA 71 200.000 << 1
Angaben in ng/m³
Leitfaden Umweltmedizin72
Fallbeispiel Formaldehyd
Im Sommer 2002 beauftragte ein Umweltmediziner das Umweltmobil für ein Rentnerehepaar.
Die Frau litt seit mehr als 20 Jahren an Müdigkeit, innerer Unruhe, Infektanfälligkeit, Kopfschmer-
zen und Beschwerden der oberen und unteren Atemwege.
Bei der ersten Begehung im Sommer 2002 wurde festgestellt, dass das Ehepaar in einem 1976 er-
stellten Fertighaus wohnt, bei dem der Wandaufbau sowie der Fußbodenbereich aus Pressholz-
platten besteht. Im gesamten Wohnbereich war ein säuerlicher Geruch wahrzunehmen.
Es wurde eine Raumluftmessung auf Formaldehyd im Wohnzimmer des Hauses durchgeführt. Die
Untersuchung ergab eine Formaldehydkonzentration von 0,5 ppm in der Raumluft. Es wurde
empfohlen, die Pressholzbauteile zu entfernen bzw. räumlich zu trennen.
Im November 2006 wurde erneute eine Wohnraumbegehung beauftragt. In der Zwischenzeit
wurden die Pressholzplatten aus dem Fußbodenbereich entfernt. Hier wurden Estrich gegossen
und Fliesen verlegt. Die Beschwerden der Patientin wurden schwächer, jedoch waren sie noch
nicht ganz abgeklungen.
Bei diesem Ortstermin im November wurde erneut eine Raumluftmessung auf Formaldehyd
durchgeführt. Das Untersuchungsergebnis zeigte, dass die Formaldehydkonzentration durch die
erste Sanierungsmaßnahme auf einen Wert von 0,19 ppm gesunken war. Es wurde empfohlen, die
Pressholzplatten aus dem Wandbereich zu entfernen bzw. räumlich zu trennen, um die Konzen-
tration auf einen unkritischen Wert zu minimieren.
Fallbeispiel Beratung
Im November 2006 beauftragte uns ein Umweltmediziner, eine Begehung in dem Einfamilienhaus
einer Familie durchzuführen, bei der der 13-jährige Sohn unter oberen und unteren Atemwegsbe-
schwerden sowie unter Kopfschmerzen litt bzw. infektanfällig war. Zudem ist der Sohn ein Haus-
staubmilbenallergiker.
Der Sohn hatte ein Schlafzimmer im Keller. Die Wände sind allesamt mit Rigips verkleidet, sodass
die eigentlichen Wände nicht einsehbar waren. In diesem Zimmer befand sich kein richtiges Bett,
sondern nur Matratzen, die auf dem Boden lagen. Das Schlafzimmer machte insgesamt einen un-
aufgeräumten Eindruck. Gelegentlich schlief der Junge in einem anderen Zimmer im Souterrain
auf einem Sofa.
Während der Wohnraumbegehung im November 2006 wurde der Familie geraten, den Sohn in ei-
nem anderen Zimmer schlafen bzw. wohnen zu lassen. Messungen wurden bei dieser Begehung
nicht durchgeführt, jedoch zu einem späteren Zeitpunkt empfohlen. Außerdem wurden der Fami-
lie geraten, auf ein optimales Raumklima zu achten und das Zimmer des Sohnes allergikerfreund-
lich auszustatten.
Bei dem zweiten Ortstermin im Januar 2007 wurde berichtet, dass es dem Sohn bereits gesund-
heitlich besser gehen würde. Er ist in ein Zimmer im Souterrain gezogen. Dieses Zimmer wurde
renoviert und allergikerfreundlich ausgestattet. Außerdem hat der Junge ein richtiges Bett und
allergikergerechte Bettwäsche bekommen. Die Symptome sind nahezu vollständig abgeklungen.
73Leitfaden Umweltmedizin
Fallbeispiel Holzschutzmittel
Auf Grund von Kopfscherzen, Nerven- u. Empfindungsstörungen, Schwindel und Beschwerden
der unteren Atemwege konsultierte eine 20-jährige Frau sowie deren Mutter einen Umweltmedi-
ziner.
Die Familie lebt in einem 1982 erbauten Einfamilienhaus, bei dem es sich um ein Fertighaus han-
delt. Im Oktober 2005 wurden im Wohnzimmer und im Schlafzimmer die Rigipswände von innen
entfernt, sodass der Innenaufbau der Wand sichtbar wurde. Es wurde festgestellt, dass der Holz-
rahmen des Wandaufbaus mit einem Holzschutzmittel behandelt wurde. Dieses wurde den Pa-
tienten auch von der Baufirma bestätigt. Im Dezember 2006 wurde eine Materialprobe zur Un-
tersuchung auf Organochlorpestizide entnommen.
Diese Untersuchung der Probe des Drempels (Wandaufbau) im Kinderzimmer hat stark erhöhte
Konzentrationen für Holzschutzmittel (PCP 4550 mg/kg, Lindan 26 mg/kg) ergeben. Es wurde
empfohlen, eine Untersuchung des Holzständerwerkes sowie des Hausstaubes durchzuführen.
Außerdem sollten die belasteten Materialien aus dem Wohnraum entfernt werden.
Nach Erhalt der Genehmigung der Krankenkasse, wurden die beiden vorgenannten Proben von
den Patienten eingeschickt und durch die Umweltlabor ACB GmbH auf Organochlorpestizide un-
tersucht.
Bei der Untersuchung der Materialprobe wurden ähnliche Konzentrationen an Holzschutzmitteln
wie bei der Untersuchung des Wandaufbaus ermittelt. Der Staub wies nur eine geringe Konzen-
tration an Lindan auf. Dieser Befund zeigt jedoch, dass der Hausstaub mit Organochlorpestiziden
kontaminiert ist. Die belasteten Materialien sollten aus den Wohnräumen entfernt bzw. versiegelt
werden. Die Sanierungsarbeiten werden zurzeit vorbereitet.
Fallbeispiel Schimmelpilze
Im September 2006 wurde ein 26-Jähriger Mann auf Grund von starken Lungenschädigungen im
Krankenhaus behandelt. Außerdem litt er unter Müdigkeit, Knochen- und Muskelschmerzen sowie
Augenproblemen.
Der Mann lebt in einer im Jahre 2000 erbauten Doppelhaushälfte, sein Schlafzimmer befindet
sich im Kellergeschoss der Wohnung. In seinem Zimmer war ein typisch modrig-erdiger Geruch
wahrzunehmen. Die gesamten Wände waren jedoch mit Rigips verkleidet, sodass die eigentlichen
Wände nicht einsehbar waren. Im offenen Treppenhaus im Keller war schwarzer Belag an der Au-
ßenwand sichtbar. Die Wand war jedoch trocken. Auch hier war der typische Geruch wahrzuneh-
men.
Während des Krankenhausaufenthaltes wurde eine Wohnraumbegehung durchgeführt. Hier wur-
de eine Messung auf Sporen und Keime in dem Schlafzimmer des Mannes durchgeführt. Um eine
Verschleppung der Sporen durch das offene Treppenhaus in die oben gelegenen Wohnräume zu
kontrollieren, wurde eine weitere Messung im Flur im Erdgeschoss durchgeführt.
Leitfaden Umweltmedizin74
Die Untersuchungen der Raumluft des Schlafzimmers haben eine erhebliche Belastung mit
Schimmelpilzen ergeben. Es wurden Werte > 20.000 KBE/m³ gemessen. Im Vordergrund der Be-
lastung standen die Schimmelpilzarten Aspergillus versicolor und Wallemia sebi, die auf einen
Feuchtschaden im Innenraum hindeuten. Auch eine Verschleppung der Sporen in die oberen
Wohnräume konnte bestätigt werden. Hier wurden geringere Werte gemessen, jedoch war die
Raumluft des Flurs ebenfalls als belastet einzustufen (Belastung durch Wallemia sebi, Aspergillus
versicolor und Penicillium). Es wurde empfohlen, eine sachgerechte Sanierung durchzuführen
und die Ursache für den Schaden zu ermitteln. Außerdem sollte das Schlafzimmer nicht genutzt
werden. Der Patient ist nach seinem Krankenhausaufenthalt direkt in ein Zimmer im Dachge-
schoss gezogen.
Nachdem den Patienten die Ergebnisse der Untersuchungen vorlagen, wurde mit den Sanie-
rungsarbeiten begonnen. Die Rigipswände wurden entfernt, wobei festgestellt wurde, dass die
Isolierung zwischen der massiven Kellerwand und der Rigipswand vollständig durchnässt war.
Hier wurden umfangreiche Sanierungsarbeiten zur Beseitigung des Feuchtschadens durchge-
führt.
Seitdem sich der Patient nicht mehr in dem im Keller gelegenen Schlafzimmer aufgehalten hat,
sondern in ein anderes Zimmer im Dachgeschoss umgezogen ist, ist er weitestgehend beschwer-
defrei. Dieses ist unter anderem auf die Sanierung der befallenen Kelleraußenwand im offenen
Treppenhaus zurückzuführen, da nun die Sporen nicht mehr in die Raumluft der Wohnung emit-
tieren.
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