Umweltmedizin: Leitfaden (Juni 2007) · (welche Räume) Änderung am Wochenende/Urlaub Wohneigentum...

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Leitfaden Umweltmedizin

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Leitfaden Umweltmedizin

VORWORT

Die Umweltmedizin ist ein Teilgebiet der Humanmedizin und zudem interdisziplinär geprägt. Üb-

licherweise trennt man in Bevölkerungsmedizin, Präventivmedizin und Individualmedizin. Dieser

Leitfaden betrifft nur das individualmedizinische Tätigkeitsfeld.

Im umweltmedizinischen Kontext treten Gesundheitsstörungen selten akut auf. Zuordnungen zu

einem oder mehreren auslösenden Agenzien sind häufig schwierig zu finden. Hinzu kommt, dass

vielfach pathogenetische Modelle bzw. Hypothesen für Wirkungsbeziehungen komplexer Umwelt-

belastungen fehlen, zumal immer wieder neue Substanzen eingesetzt werden, sodass die Erfah-

rungsbasis fehlt.

Zur Bewertung von Stoffkonzentrationen in und um den Patienten fehlen zum Teil verlässliche

Referenz- bzw. Richtwerte. Häufig sind sie toxikologisch nicht begründet, sondern stellen einen

gesellschaftlichen Konsens dar.

Der insgesamt schmalen Wissens- und Erfahrungsbasis stehen ein großer Leidensdruck und lan-

ger Leidensweg der Patienten gegenüber. Entsprechend hoch ist die Erwartungshaltung an den

umweltmedizinisch tätigen Arzt.

Vor diesem Hintergrund ist der vorliegende Leitfaden für Umweltmedizin entstanden. Unser Ziel

ist es, Hilfe und Orientierung zu bieten und zugleich Qualitätsstandards zu setzen. Der Leitfaden

ist Ergebnis eines langen Diskussionsprozesses und wurde für den Bereich der Kassenärztlichen

Vereinigung Westfalen-Lippe erarbeitet. Eingeflossen sind Richtlinien, Expertenmeinungen, Er-

fahrungen und allgemein akzeptierte Standards.

Wir wünschen uns, dass hiermit ein Anfang für eine nachhaltige Qualitätssicherung in der Um-

weltmedizin gemacht ist.

4 Leitfaden Umweltmedizin

INHALTSVERZEICHNIS

1. Anamnese und Untersuchung 8

2. Wohnraumbegehung 10

2.1 Personal: Qualifikation, Ausbildung und Weiterbildung 10

2.1.1 Personal für die Wohnrauminspektion 10

2.1.2 Personal für die Durchführung von Messungen 10

2.1.3 Weiterbildung 10

2.2 Vorgehensweise bei der Wohnungsinspektion 10

2.2.1 Befragung des Patienten 10

2.2.2 Inspektion der Wohn- und Nutzräume und des Gebäudes 11

2.2.3 Inspektion des Wohnumfeldes 12

2.2.4 Auswertung der Ergebnisse der Inspektion 12

3. Probenahme, Analysen und Bewertung 12

3.1 Qualitätssicherung bei den Untersuchungen 13

3.2 Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit 13

3.2.1 Geräte 13

3.2.2 Bewertung 13

3.3 Bauteilfeuchte 13

3.3.1 Geräte 13

3.3.2 Bewertung 13

3.4 Formaldehyd 13

3.4.1 Indikation und Kriterien für die Probenahme 13

3.4.2 Formaldehyd-Raumluftmessung 14

3.4.3 Formaldehyd-Schnelltest 15

3.5 Biozide 15

3.5.1 Indikation und Kriterien für die Probenahme 15

3.5.2 Materialproben 15

3.5.3 Staubproben 15

3.5.4 Analyseverfahren 16

3.5.5 Bewertungskriterien für Staub- und Materialanalysen 16

3.5.6 Biozide - Weiterführende Literatur 16-

3.6 Polychlorierte Biphenyle, PCB 17

3.6.1 Indikation und Kriterien für die Probenahme 17

3.6.2 Probenahmebedingungen 17

3.6.3 Analyse/Aufarbeitung 17

3.6.4 Bewertungskriterien 17

3.7 Mineralfasern / Asbest 18

3.7.1 Indikation und Kriterien für die Probenahme 18

3.7.2 Probenahmebedingungen 18

3.7.3 Analyse 18

3.7.4 Bewertung 18

3.8 Künstliche Mineralfasern (=KMF) 18

3.8.1 Allgemeines 18

3.8.2 Gesundheitsgefährdung 19

3.8.3 Beurteilungskriterien 19

3.8.4 Technische Regeln zu Fasermessung 19

3.8.5 Schutzmaßnahmen im Umgang mit KMF 20

3.8.6 Relevante Verordnungen und Richtlinien 20

5Leitfaden Umweltmedizin

3.9 Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAH bzw. PAK) 20

3.9.1 Indikation und Kriterien für die Probenahme 20

3.9.2 Probenahmebedingungen 20

3.9.3 Analyse/Aufarbeitung 20

3.9.4 Bestimmung der PAH aus Staubproben 21

3.9.5 Bewertung 21

3.10 Metalle 21

3.10.1 Indikation und Kriterien für die Probenahme 21

3.10.2 Probenahmebedingungen 21

3.10.3 Analyse 21

3.10.4 Bewertung 21

3.11 Flüchtige organische Verbindungen (= VOC) 22

3.11.1 Indikation und Kriterien für die Probenahme 22

3.11.2 Probenahmebedingungen 22

3.11.3 Probenahmegeräte 22

3.11.4 Analyse 22

3.11.5 Bewertung 22

3.12 Mikroorganismen 23

3.12.1 Voraussetzung für Wachstum 23

3.12.2 Indikation 24

3.12.3 Schimmelpilze 24

3.12.4 Kriterien für die Probenahme 26

3.12.5 Abklatschproben 27

3.12.6 Materialanalysen 28

3.12.7 Luftkeimmessung 28

3.12.8 MVOC-Luftmessung 31

3.12.9 Staubanalyse 34

3.13 Bakterien 34

3.13.1 Allgemeine Hinweise 34

3.13.2 Bewertung 35

3.14 Sanierung mikrobieller Schäden 36

3.15 Literatur zum Thema mikrobielle Schäden in Innenräumen 37

4. Laboruntersuchungen - Humanbiomonitoring 38

4.1 Allgemeines zu umweltmedizinischen Analysen in biologischem

Untersuchungsmaterial 38

4.2 Probengewinnung, -transport und -lagerung 38

4.3 Welche Schadstoffe und Metaboliten können beim Humanbiomonitoring

untersucht werden? 39

4.4 Analytische Qualitätssicherung 39

4.5 Bewertung von Analyseergebnissen beim Humanbiomonitoring 44

4.6 Grenzen des Humanbiomonitoring 45

4.7 Literatur zum Thema Biomonitoring 50

5. Interventionsmöglichkeiten in der Umweltmedizin 50

5.1 Individuelle Expositionsvermeidung 50

5.2 Gesamtgesellschaftliche Expositionsvermeidung 50

5.3 Spezifische Therapien 50

5.4 Unspezifische Therapien 51

5.4.1 Patientenführung 51

6Leitfaden Umweltmedizin

5.4.2 Vermeidung zusätzlicher Gesundheitsbelastungen 51

5.4.3 Klassische Naturheilverfahren 51

5.5 Sonstige Allgemeinmaßnahmen 51

5.6 Spekulative Methoden 52

Anhang:

1. Sonderthema Legionellen 52

2. Sonderthema: Hausschädlinge 56

2.1 Was sind Hausschädlinge? 56

2.1.1 Hygiene- und Gesundheitsschädlinge 57

2.1.2 Vorratsschädlinge 57

2.1.3 Materialschädlinge 57

2.1.4 Lästlinge 57

2.1.5 Zufallsgäste 57

2.2 Hautreaktionen bei Stichen/Bissen 57

2.3 Allgemeine Bekämpfungsmaßnahmen 58

2.3.1 Vorbeugung, Prophylaxe 58

2.3.2 Maßnahmen 59

3. Ausgewählte Ergebnisse der Begleituntersuchungen 59

3.1 Beschwerden 60

3.2 Expositionen 62

3.2.1 Schimmelpilze/Keime 62

3.2.2 Formaldehyd 62

3.2.3 Insektizide/Pyrethroide 62

3.2.4 VOC 63

3.3 Beschwerdeveränderungen 63

3.4 Ärztebefragung 65

3.5 Zusammenfassung 65

Literaturverzeichnis 66

Adressen 67

Fallbeschreibungen 68

7Leitfaden Umweltmedizin

1. Anamnese und Untersuchung

Für die Anamnese bei umweltmedizinischen Fragestellungen ist es zweckmäßig, die sogenannte

„offene Eröffnungsfrage“ (z. B. „Was führt Sie her?“) zu stellen, um zu Beginn des Gespräches

feststellen zu können, ob eine umweltbedingte Erkrankung vorliegen kann.

Der Patient sollte dann zunächst frei sein Problem schildern; dabei ist es manchmal erforderlich,

eine zeitliche Begrenzung zu finden. Bei einigen Patienten haben bereits mehrere Vorerhebungen

oder Voruntersuchungen stattgefunden; die dazu vorliegenden Akten sollten kritisch gewertet

werden. Die freie Dialogphase soll auch dazu dienen, ein Vertrauensverhältnis zum Patienten zu

entwickeln.

Die darauf folgende allgemeine Anamnese un-

terscheidet sich in der Umweltmedizin zu-

nächst nicht von der üblichen haus- oder fach-

ärztlichen Anamnese. Es werden Fragen vor

allem zu folgenden Komplexen gestellt:

Vorerkrankungen

sonstige Erkrankungen

(auch psychiatrische)

Familienanamnese

Medikamente

Berufsanamnese

Allergien

Die Allgemeinanamnese dient der Beleuchtung des Hintergrundes. Sie soll aber vor allem klären,

ob überhaupt eine umweltbedingte Erkrankung in Frage kommt. Ergeben sich keine Anzeichen

für das Vorliegen einer umweltbedingten Erkrankung, so sollten zunächst auch keine weiteren

Schritte in dieser Richtung erfolgen, um dem Patienten nicht die Hoffnung zu geben, dass seine

Beschwerden mit diesen Maßnahmen ein Ende hätten.

Zur speziellen umweltmedizinischen Symptomatik werden vom Arzt gezielte Fragen gestellt.

Hierzu ist es essentiell, jeweils eine zeitliche, räumliche bzw. situationsbezogene Zuordnung der

Symptome zu treffen (z. B. wann und wo traten welche Beschwerden auf?). Dieses kann auch un-

ter kritischer Wertung von mitgebrachten Unterlagen und von Seiten des Patienten vermuteten

Zusammenhängen erfolgen.

Nachdem der Arzt eine erste subjektive Einordnung vorgenommen hat, ist es nun sinnvoll, den

Fragebogen des „Umweltmedizinischen Mess- und Beratungsdienstes“ der KV Westfalen-Lippe

auszufüllen.

Der Arzt sollte dem Patienten den Aufbau des Fragebogens erklären. Der Patient sollte darüber

aufgeklärt werden, dass der Fragebogen wissenschaftlich ausgewertet wird, um Daten über um-

weltbedingte Erkrankungen zu erhalten. Einzelne Patienten werden nach Abschluss der Maßnah-

me in einer Nacherhebung über den Erfolg befragt.

Nachdem das Problem durch die allgemeine Anamnese und den Fragebogen eingegrenzt ist, kann

die körperliche Untersuchung erfolgen. Auch diese unterscheidet sich in der Umweltmedizin nicht

von der üblichen Untersuchung. Sie kann, je nach Notwendigkeit, orientierend oder speziell or-

ganbezogen sein, dem Ausschluss anderweitiger Erkrankungen (z. B. PNP versus zentralnervöse

fokale Ausfälle), der Differentialdiagnose (z. B. Allergie versus Röteln) oder dem Erkenntniszuge-

winn (z. B. verschärftes Atemgeräusch versus bronchiale Spastik) dienen.

Nach Abschluss der körperlichen Untersuchungen ergeben sich folgende Möglichkeiten:

Anamnese-1Befragung der Bewohner (Checkliste)

Daten zu Bewohnern: Beschwerden:

Daten zu Personen (Anzahl, Alter, Geschlecht) Art der Beschwerden

Datum des Bezugs der Wohnung Seit wann bestehen die Beschwerden

Erstbezug

Aufenthaltsdauer in der Wohnung

(welche Räume)

Änderung am Wochenende/Urlaub

Wohneigentum Andere private oder berufliche Belastungen

8 Leitfaden Umweltmedizin

ein zu klärendes umweltbedingtes Problem wurde definiert (z. B. Husten unklarer

Genese) oder

eine umweltbedingte Erkrankung wurde erkannt (z. B. Konjunktivitis durch Formalde-

hyd oder

eine umweltbedingte Erkrankung kann weitgehend ausgeschlossen werden.

Bei Verdacht auf eine Innenraumbelastung sollte das Umweltmobil mit dem

Anforderungsbogen eingeschaltet werden.

Nach Ansicht der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, der Ärzte-

kammer Westfalen-Lippe und von Fachgesellschaften bezieht sich Umwelt-

medizin nicht nur auf chemische Substanzen und auf mikrobielle Noxen in

privaten Räumen, sondern auf alle gesundheitsrelevanten Lebenszusam-

menhänge.

Diese können sein:

Wohnbereich

Freizeit, Lebensstil

Psychosoziales

Beruf

Das Umweltmobil der Kassenärztlichen Vereinigung deckt nur den privaten

Innenraum ab. Dabei sind auch Nebengebäude, Gewerbe in der Nachbar-

schaft, Garten, Straßen- und Flugverkehr zu berücksichtigen.

Anhand der hier gewonnenen Erkenntnisse ist nun die Entscheidung zu tref-

fen, ob das Umweltmobil einzuschalten ist. Für das berufliche Umfeld kann

das Umweltmobil aus rechtlichen Gründen nicht eingesetzt werden.

Bei Erhebung der Anamnese ist in jedem Fall der Bereich Freizeit und Le-

bensstil zu betrachten, da Menschen hier vermehrt Aktivitäten entfalten.

Hier ist vor allem die Übernahme der Checkliste Lebensgewohnheiten wich-

tig.

Zu diesem Lebensbereich gehören unter anderem der Hobbykeller, das Be-

treiben von Risikosportarten, das Autofahren (Innenraum), soziale Kontak-

te (infektiologische Risiken), die Ernährung (Konservierungsstoffe, bakte-

riologische Risiken), einseitige Diäten, Mangelerscheinungen, Alkohol, ver-

mehrte UV-Einstrahlung (z. B. Sonnenbank), Reisen (seltene Infektions-

krankheiten, Jetlag), Lärm, Haustierhaltung, besondere klimatische Bedin-

gungen, Pollen- und Sporenflug (Waldgebiete), Wohnumfeld, Vorliebe für besondere Textilien

oder Schmuck. Gegebenenfalls muss über die Einschaltung des öffentlichen Gesundheitsdienstes

nachgedacht werden, wenn Fragestellungen von öffentlichem Interesse auftreten (z. B. bei Trink-

wasserverschmutzung, Immissionen von Gewerbebetrieben).

Der Arbeitsbereich des Patienten liegt primär nicht im Aufgabenfeld des niedergelassenen Um-

weltarztes. Es ergibt sich jedoch eine enge Verwandtschaft der Arbeitsmedizin zur Umweltmedi-

zin, da Fragen zu chemischen, physikalischen und biologischen Beeinträchtigungen in ähnlicher

Weise und mit gleichen Methoden bearbeitet werden.

Ergeben sich bei der Anamnese Hinweise für eine berufsbedingte Erkrankung, die durch o. g. Be-

einträchtigungen verursacht wird, so sollte der zuständige Betriebsarzt kontaktiert werden.

Anamnese-2Lebensgewohnheiten (Checkliste)

Wohnraumklima Persönliche Gewohnheiten

Temperatur Rauchverhalten

Rel. Luftfeuchtigkeit Haustiere: Katze, Hund,

Vogel, andere

Lüftungsgewohnheiten Zimmerpflanzen

(wieviele und welche)

Raumbefeuchter Allergisierende Stoffe

Heizungsgewohnheiten

und Heizungsart

Kerzen, Öl- und Petroleum

lampen

elektrische Geräte (Kopierer,

Laserdrucker)

Kinderspielzeug

Heimwerken und

Hobbys in der Wohnung

Reinigungs- und Pflegemittel,

Desinfektionsmittel

Bekleidung, Aufbewahrung und

Reinigung

Leitfaden Umweltmedizin 9

Leitfaden Umweltmedizin10

Wenn durch die Anamnese bzw. durch die nachfolgenden Wohnraumbegehungen und die Labor-

untersuchungen durch das Umweltmobil der Verdacht auf eine umweltbedingte gesundheitliche

Beeinträchtigung erhärtet wird, können Basislaboruntersuchungen (nur diese sind Gegenstand

des Vertrages) und Laboruntersuchungen zum Humanbiomonitoring sinnvoll werden (siehe Kapi-

tel zum Einsatz des Humanbiomonitoring). Ungezieltes, breit gefächertes Biomonitoring ist aus

fachlichen und wirtschaftlichen Gründen abzulehnen.

Die Erfahrung zeigt, dass Lösungen bei der Erstanamnese in vielen Fällen zunächst vertagt wer-

den müssen; eine zu rasche Bewertung ist auch im Hinblick auf die Erwartungshaltung des Patien-

ten kritisch zu sehen. Vielmehr sollten zunächst technische Befunde erhoben werden, die Woh-

nungsbegehung und die Laboruntersuchungsergebnisse abgewartet sowie vorhandene Berichte

in Ruhe durchgesehen, ggf. Fremdberichte angefordert werden, um zu einem Abschlussurteil zu

gelangen. Erst dann sollte ein neuer Termin zur Bewertung der bis dahin gewonnenen Erkennt-

nisse mit dem Patienten vereinbart werden.

2. Wohnraumbegehung

2.1 Personal: Qualifikation, Ausbildung und Weiterbildung

2.1.1 Personal für die Wohnrauminspektion

Die Wohnungsinspektion im Rahmen des ersten Ortstermins wie auch die verantwortliche Bear-

beitung eines Auftrages mit Auswertung der Mess- und Analyseergebnisse und Verfassen der Be-

richte, muss von einer Sachverständigen/einem Sachverständigen (in der Folge mit Innenraumdia-

gnostiker/in bezeichnet) durchgeführt werden, der/die einen Fachhochschulabschluss oder Uni-

versitätsabschluss in einem Fachbereich der Naturwissenschaften wie Biologie, Chemie, Physik

oder Medizin oder des Ingenieurwesens nachweisen kann.

2.1.2 Personal für die Durchführung von Messungen

Die Probenahmen im Rahmen von Folgeterminen können von einem Assistenten/einer Assistentin

nach Vorgaben des/der verantwortlichen Innenraumdiagnostikers/in durchgeführt werden.

Diese/r Assistent/Assistentin muss eine Ausbildung zum Techniker aufweisen (CTA, BTA oder ver-

gleichbar) und entsprechend eingearbeitet sein.

2.1.3 Weiterbildung

Durch z. B. internen Erfahrungsaustausch und Besuch von Fachtagungen bzw. Konferenzen ist si-

cherzustellen, dass der/die Innenraumdiagnostiker/in stets auf dem neuesten Stand der Kenntnis-

se im Bereich Innenraumbelastung mit Schadstoffen ist.

2.2 Vorgehensweise bei der Wohnungsinspektion

Die Wohnungsinspektion erfolgt in folgenden Schritten:

Befragung des Patienten und der übrigen Bewohner

Inspektion der Wohn- und Nutzräume und des Gebäudes

Auswertung der Ergebnisse der Befragung und Inspektion.

Ausarbeitung von Vorschlägen für Analysen bzw. Messungen und Erstellen eines Berichtes

2.2.1 Befragung des Patienten

Die im Folgenden aufgelisteten Fragen reichen erfahrungsgemäß bei einer problemorientierten

Datenerfassung zur erfolgreichen Bearbeitung in den meisten Fällen aus:

Anamnese-3LebensgewohnheitenII (Checkliste)

Standorte

Neuanschaffungen

Spanplatten

Massivholz

Öle, Wachse und Lacke

Kleber

Polstermöbel

Textilien

Leder

11Leitfaden Umweltmedizin

Daten zum Gebäude:

Bauart?

Verwendete Materialien?

Alter des Gebäudes?

Gibt es bekannte bauliche Mängel?

Welche Mängel wurden in den letzten Jahren saniert? Wie und wann wurden diese saniert?

Hat das Gebäude einen Keller oder Kriechkeller?

Hat das Gebäude einen Dachboden, ein ausgebautes Dach oder ein Flachdach?

Daten zur Wohnung:

In welcher Etage liegt die Wohnung?

Wie groß ist die Wohnfläche?

Wie viele Personen leben im Haushalt?

Gibt es Auffälligkeiten, wie das Auftreten von Kleininsekten (Staubläuse, Silberfischchen,

etc.) oder zeitweise auftretende auffällige Gerüche?

Daten zur Umgebung:

Werden die Bewohner durch Lärm belastet, falls ja, wie häufig und wann?

Liegt die Wohnung an einer verkehrsreichen Straße?

Wird die Wohnung durch Staub oder Gerüche in der Außenluft belastet?

Falls ja: Ist die Quelle von Lärm, Staub und Geruch bekannt?

Wann und wie oft tritt die Belastung auf?

Gewohnheiten der Bewohner:

Wird in der Wohnung geraucht?

Werden besondere Materialien eingesetzt, z. B. bei der Ausübung des Hobbys?

Werden Haustiere in der Wohnung gehalten?

Wie wird gelüftet und gereinigt?

Die vom Arzt im Anamnesebogen angegebenen Beschwerden werden besprochen:

Haben sich die Beschwerden seit dem Arztbesuch verändert?

Wann und wo treten die Beschwerden auf?

Leiden die Mitbewohner unter ähnlichen Beschwerden, und falls ja, seit wann?

2.2.2 Inspektion der Wohn- und Nutzräume und des Gebäudes

Nach der Befragung des Patienten und der Mitbewohner werden alle Räume begangen, es wer-

den alle Einrichtungsteile protokollarisch erfasst. Wichtig hierbei ist, dass die Räume vor der Be-

gehung einige Stunden nicht gelüftet wurden und dass in der Wohnung nicht geraucht wurde, da-

mit auch schwache Gerüche wahrgenommen werden können.

Wie die Erfahrung gezeigt hat, ist es wichtig, nicht nur die „auffälligen“ Gegenstände und verwen-

deten Materialien zu erfassen. Sonst besteht die Gefahr, dass relevante Punkte übersehen oder

die Messergebnisse falsch interpretiert werden.

Folgendes ist zu erfassen:

Wie sind die Decken aufgebaut?

Woraus bestehen die Innenwände und die Außenwände?

Wie sieht der Fußbodenaufbau aus? Jede Schicht ist genau zu erfassen.

Welche Einrichtungsgegenstände stehen in den Räumen ?

Leitfaden Umweltmedizin12

Durchführung von Feuchtigkeitsmessungen:

Bei der Begehung der Räume sind mit einer geeigneten, am besten zerstörungsfreien Methode

die kritischen Bereiche der Decken, Fußböden und Wände mittels Feuchtigkeitsmessungen zu

überprüfen. Die Ergebnisse dieser Messungen helfen nicht nur unmittelbar bei der Suche nach

versteckten Schadstoffquellen, sondern können Erklärungen für sekundäre Effekte liefern wie se-

kundäre Kondensationsschäden, feuchtigkeitsinduzierte chemische Zersetzungsprozesse oder

verstärkte Formaldehydemissionen.

Geeignet sind Hochfrequenzmessungen, kapazitive Verfahren und Messung der Ausgleichsfeuch-

te in Hohlräumen (= hydrothermische Messung).

Sonstige Auffälligkeiten:

Es sollten alle Besonderheiten wie sichtbare Feuchtigkeitsflecken oder sichtbarer mikrobieller Be-

fall, gelagerte Chemikalien, Gerüche in den Räumen etc. protokolliert werden.

2.2.3 Inspektion des Wohnumfeldes

Nach Begehung der Wohnräume sollten auch alle angrenzenden Bereiche inspiziert werden, so-

weit diese zugänglich sind, wie z. B. bei Wohnungen im Erdgeschoss die Kellerräume und bei Woh-

nungen im OG der Dachboden. Auch das Gebäude von außen ist zu inspizieren.

Bei der Untersuchung dieser Gebäudeteile ist das besondere Augenmerk auf Hinweise für Feuch-

tigkeitsschäden zu richten, wie z. B. Flechten bzw. Algen auf dem Fassadenputz, Versandung der

Putze, Salzausblühungen, Absprengungen, etc.. Aber auch auf mögliche hygienische Probleme,

wie Standort von Biotonnen und Komposthaufen, Sauberkeit im Dachboden (Tauben- oder Mar-

derkot, etc.) und Zustand der Gegenstände in Keller- und anderen Lagerräumen sollte geachtet

werden.

2.2.4 Auswertung der Ergebnisse der Inspektion

Nach Auflistung der erkannten potenziellen Schadstoffquellen mit Angabe des Raumes und der

Lokalisierung des Stoffes werden Vorschläge für weiterführende Untersuchungen formuliert.

Ist zur Bearbeitung des Auftrages keine weiterführende Untersuchung erforderlich, wird dem an-

fordernden Arzt der Abschlussbericht geschickt. Ist zunächst nur eine Analyse erforderlich, kann

der Arzt telefonisch oder schriftlich um Kostenfreigabe gebeten werden.

Wird mehr als eine Analyse für erforderlich gehalten, wird dem Arzt ein Antrag zur Kostenfreigabe

zugeschickt, den er bei Befürwortung der Vorschläge an die jeweilige Krankenkasse weiterleitet.

3. Probenahme, Analysen und Bewertung

3.1 Qualitätssicherung bei den Untersuchungen

Neben der Wohnraumbegehung muss sich Qualitätssicherung beziehen auf Probenahmebedin-

gungen, auf Materialien, in denen Schadstoffe bestimmt werden sollen bzw. die auf Schadstoffe

geprüft werden sollen, auf Geräte, Analyseverfahren sowie Beurteilung und Bewertung. Darüber

hinaus sind laborinterne Qualitätssicherungsmaßnahmen erforderlich, bestehend aus internen

und – wenn möglich – externen Ringversuchen, Bezugnahme auf Richtlinien für Mess-Strategien,

wie z. B. VDI-Richtlinien und/oder Akkreditierung der Laboratorien.

Die gesundheitliche Bewertung der Analyseergebnisse kann durch die Untersuchungslabore in

der Regel nicht geleistet werden. Hierzu ist die Zusammenführung aller Erkenntnisse durch den

behandelnden Arzt notwendig. Die Untersuchungslabore können Empfehlungen zur weiteren Vor-

13Leitfaden Umweltmedizin

gehensweise einschließlich der Sanierung geben, ggf. Merkblätter beifügen. Für die gesundheitli-

che Bewertung ist jeweils die gemessene Konzentration unter simulierten oder angenommenen

Nutzungsbedingungen entscheidend. Es ist insbesondere zu berücksichtigen, ob es sich um lang-

fristige Belastungssituationen handelt oder um Kurzzeit- bzw. Spitzenkonzentrationen unter be-

sonderen Bedingungen.

Das Medium, das auf Schadstoffe geprüft werden soll, richtet sich nach dem Verdacht, der sich

aus Anamnese, Untersuchung und Befunden sowie der Wohnraumbegehung ergibt.

Bei der Berichterstattung ist ein Protokoll zu erstellen, aus dem hervorgeht, wann die letzte Lüf-

tung/letzte Reinigung erfolgte, Uhrzeit, genauer Ort der Probenahme, und ggf. sind Besonderhei-

ten hervorzuheben.

Aus Gründen der Übersicht werden die einzelnen Bedingungen getrennt aufgeführt und zugeord-

net zu mikrobiologischen Untersuchungen und den verschiedenen gesundheitlich relevanten und

im Vertrag der KVWL aufgeführten Substanzklassen.

3.2 Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit

Parallele Messung der Lufttemperatur und relativer Luftfeuchtigkeit innen und außen sowie die

Berechnung der absoluten Luftfeuchtigkeit sind Basiswert ist erforderlich.

3.2.1 Geräte

Z. B. Feuchttemperatur-Messgerät FT-2, Fa. Afriso und vergleichbare Geräte

(Ahlborn, Testo, Gann, Trotec etc.).

3.2.2 Bewertung

Bei normaler Raumtemperatur von 18 bis 22° C sollte die quantitative Feuchtigkeit im Sommer un-

ter 10 g H20/kg Luft und im Winter unter 6 g H20/kg Luft sein.

3.3 Bauteilfeuchte

3.3.1 Geräte

Semiquantitative Bestimmung als nichtzerstörende Bestimmung, z. B. kapazitive Methode

(= Hochfrequenzmethode) und ggf. nachfolgend quantitativ zerstörende Bestimmung.

3.3.2 Bewertung

Qualitative Messung: feucht/nicht feucht nach Angaben des Geräteherstellers unter Berücksichti-

gung des gemessenen Materials.

3.4 Formaldehyd

3.4.1 Indikation und Kriterien für die Probenahme

Gründe für eine Probenahme bzw. Messung können ein genereller Anfangsverdacht (z. B. auch we-

gen typischer Gerüche) oder ein materialgebundener Verdacht sein. Die Untersuchung einer mögli-

chen Formaldehydbelastung erfolgt mittels Raumluftmessungen.

Zur Quellensuche können in begründeten Einzelfällen Materialanalysen, ggf. auch Prüfkammermes-

sungen, durchgeführt werden.

Leitfaden Umweltmedizin14

3.4.2 Formaldehyd-Raumluftmessung

Vor Probenahme darf mindestens vier, besser acht bis zwölf Stunden nicht gelüftet werden. Luft-

temperatur und Feuchtigkeit müssen bestimmt werden. Es wird Formaldehyd in der Luft bestimmt in

Anlehnung an die VDI-Richtlinie VDI 3862, Blatt 3, „Messungen von gasförmigen Emissionen, Mes-

sen aliphatischer und aromatischer Aldehyde und Ketone“, Entwurf.

Vor und während der Messung darf nicht geraucht werden, die Temperatur sollte nicht unter

17° C betragen.

Geräte und Parameter zur Luftmessung

Die Probenahme erfolgt mit einer Probenahmepumpe, z. B. Desaga oder Kutschera.

Sammelröhrchen: Supelco LpDNPH S10 oder über eine Frittenflasche, die mit bidestilliertem Was-

ser gefüllt ist, entsprechend VDI-Richtlinie 3484.

Sammelrate: Der Volumenstrom soll 1 l max., 1,5 l/min nicht überschreiten nach VDI-Richtlinie

3862, Blatt 3 (Entwurf) und 2,5 l/min nach VDI 3484.

Probenvolumen: 20–50 l Luft bzw. 80 l Luft bei VDI 3484, im Einzelfall bis zu 100 l.

Analyseverfahren

Chromatographisches Verfahren:

Aufarbeitung, Elution mit 5 ml Acetonitril (Vakuumeinheit Baker SPE)

Analysegeräte:

Chromatographisches Verfahren:

HP1090 Trennsäule Macherey-Nagel C18 AB, 250 x 2 mm

Laufmittel: Acetonitril Hexansulfonsäure, Detektor HP Diodenarray

1090 DAD, 350 nm oder vergleichbare Detektoren

Photometrisches Verfahren:

Aus der Frittenflasche wird eine definierte Menge Flüssigkeit (Destil-

liertes Wasser mit gelösten Anteilen an Formaldehyd) entnommen

und mit Chromotrop-Säure in Reaktion gebracht.

Nach einer Reaktionszeit von zehn Min. wird die Verfärbung der

Flüssigkeit mit einem Photometer gemessen.

Nachweisgrenze chromatographisches Verfahren:

Für Formaldehyd Bestimmungsgrenze: 24 ng/ml

Bei 20 l Luft Probevolumen: 0,005 mg/m3

Nachweisgrenze photometrisches Verfahren: Analytische Nachweis-

grenze: 50 ng/ml

Die Angaben erfolgen parallel als gemessene Werte und standardisierte Werte, um Über- und Un-

terschätzungen zeitweiliger Belastungen zu vermeiden. Solange die Frage von externen Ringver-

suchen ungeklärt ist, soll die Validierung der Methode nach Störfallverordnung als Qualitätskrite-

rium eingeführt werden.

Bewertung

≤ 0,05

ppm

(WHO-

Wert)

Der Innenraum wird als unbe-

lastet erachtet.

(WHO-Wert)

0,05 - 0,1

ppm

Eine allgemeinverbindliche

Aussage ist nicht (BGA-Richt-

wert) möglich und nur im Ein-

zelfall unter Berücksichtigung

der individuellen Faktoren zu

treffen.

> 0,1 ppm Eine gesundheitliche Gefähr-

dung ist vorhanden.

15Leitfaden Umweltmedizin

3.4.3 Formaldehyd-Schnelltest

Orientierender Materialwert zur Ermittlung einer möglichen Quelle unter Eluatbildung und an-

schließend photometrische Bestimmung mit Chromotrop-Säure kann für evtl. Sanierungsent-

scheidungen zusätzlich angeboten werden.

3.5 Biozide

FFaallll:: FFeerrttiigghhaauuss ((SSeeiittee 6688 ffff))

Hierzu zählen u. a. DDE, DDT, Hexachlorbenzol, Lindan, Pentachlorphenol (PCP) und

Pyrethroide.

3.5.1 Indikation und Kriterien für die Probenahme

Verdachtsmomente bei der Begehung ergeben sich bei Vorkommen von Holz und Angaben über

das Einbringen des Holzes, Wollteppichböden und Einsatz eines Kammerjägers in den zurücklie-

genden Jahren. Auch Leder-Sitzgarnituren können relevante Quellen darstellen, insbesondere für

PCP.

Für Übersichtsuntersuchungen, um zu prüfen, ob überhaupt mit einer Quelle zu rechnen

ist, z. B. wenn eine größere Anzahl potentieller Quellen vorhanden ist, haben sich Staubanalysen

bewährt.

Zur direkten Quellenuntersuchung sind Materialanalysen erforderlich.

Nur in Ausnahmefällen ist die Messung von Luftuntersuchungen indiziert. Alternativ kann die ak-

tive Probenahme eingesetzt werden, wie sie an anderer Stelle beschrieben wurde

oder eine passive Probenahme, in der eine mittlere Belastung über einen längeren Zeitraum

erfasst wird, wobei dieses Probenahmesystem nach dem Diffusionsprinzip arbeitet und

die Expositionszeiten von wenigen Tagen bis zu zwei Wochen schwanken können. Bei der

aktiven Probenahme entsprechen die Probenahmebedingungen den bereits beschriebenen Be-

dingungen. Bei der passiven Probenahme gelten normale Benutzungsbedingungen.

3.5.2 Materialproben

Entnahme einer Probe von Holzbauteilen: 2 mm tief, zirka 5 g

Entnahme einer Probe vom Teppich oder Teppichboden: zirka 10 g Fasermaterial

3.5.3 Staubproben

Hausstaubuntersuchungen stellen ein relativ kostengünstiges und integratives Untersuchungs-

verfahren zur Orientierung über eine Schadstoffbelastung dar. Sie ergeben keine

Aussage zur Belastung der Bewohner über den Luftpfad bzw. über die direkte Aufnahme

von Staub.

Vor der Probenahme von Frischstaub wird – entsprechend VDI-Richtlinie 4300, Blatt 8 – in einem

zeitlichen Abstand von einer Woche eine Grundreinigung der gesamten später zu beprobenden

Fläche z. B. durch feuchtes Wischen vorgenommen. Diese Grundreinigung dient zur Herstellung

einer vergleichbaren Ausgangslage. Die Auswahl der zu beprobenden Fläche muss vor Ort im Hin-

blick auf größtmögliche Repräsentativität – unter Berücksichtigung der Fragestellung – sorgfältig

vorgenommen werden. Die getroffene Auswahl ist zu dokumentieren.

Probenahme mit Staubsaugerbeutel: Bei der Probenahme mit Staubsaugerbeuteln muss eine

unvollständige Erfassung von Hausstaubteilchen

Leitfaden Umweltmedizin16

< 10 µm in Kauf genommen werden. Der sich hieraus ergebende Min-

derbefund hängt vom Anteil der Fraktion < 10 µm im Hausstaub ab.

Diese Problematik ist vernachlässigbar, wenn der Staubsaugerbeutel

zumindest 1/3 gefüllt ist. Diese Methode wird empfohlen für große zu be-

probende Flächen, hohe Beladung mit Frischstaub Probenahme von Alt-

staubteppichen. Es sollte eine Staubmasse in der Größenordnung von 1

g/Beutel erreicht werden.

Probenvorbereitung zur Analyse: Für die Untersuchung des gewonne-

nen Hausstaubes mittels Staubsauger wird der Papierfilterbeutel auf-

geschnitten, der Beutelinhalt gesiebt (63 µm - Fraktion) zur weiteren

Vorbereitung in ein vorgewogenes Glasgefäß überführt. Das Glasgefäß

wird zur Abschätzung der gesammelten Hausstaubmasse zurückgewo-

gen. Bei der Probenahme mit Glasfaserfilter wird der Glasfaserfilter zu-

sammen mit dem Staub vollständig in ein Extraktionsgefäß überführt.

3.5.4 Analyseverfahren

Für DDT und Abbauprodukte, Isomere von Hexachlorcyclohexan, Lin-

dan und Hexachlorbenzol analog DIN 38407-F2.

Analyse/Aufarbeitung für DDT, Lindan u. a.

Elution mit n-Hexan bzw. mit n-Hexan im Soxhlet kochen.

Analysegeräte:

Gaschromatograph: z. B. PE – AUSYS 0324-11 oder

vergleichbare Geräte

Trennsäule: GC-Kapillarsäule (HAT-8 von SGE mit Vorsäule)

Detektor: ECD

Bestimmungsgrenze: 0,1–1,0 mg/kg

Analyse/Aufarbeitung für PCP:

Elution mit Cyclohexan/Ethylacetat

Analysegeräte und Trennsäule:

Gaschromatograph: z. B. PE – AUSYS 0324-11 oder vergleich

bare Geräte Trennsäule: GC-Kapillarsäule HAT-8 von SGE mit

Vorsäule

Detektor: ECD

Bestimmungsgrenze: 0,5 mg/kg

3.5.5 Bewertungskriterien für Staub- und Materialanalysen

Da aus bereits aufgeführten Gründen eine unmittelbare Zuordnung

zwischen Stoffkonzentration bezogen auf eine Masse und Belastung

der Bewohner nicht unmittelbar herzustellen ist, wird bei den Bewer-

tungskriterien nicht von gesundheitlicher Gefährdung ausgegangen,

sondern von unbelastet bzw. unbehandelt und belastet bzw. behandelt.

Substanz Matrix Bewertung Wert

in

mg/kg

PCP Holz unbehandelt < 1

sekundär belastet 1 – 30

belastet > 100

Hausstaub unbelastet < 1

leicht erhöht 1 - 10

erhöht, PCP-Ver-

wendung sehr

wahrscheinlich

> 10

Lindan Holz unbehandelt < 2

Hausstaub unbelastet < 2

leicht erhöht 2 - 4

erhöht, Lindan-Ver-

wendung eindeutig > 4

DDT Holz, Holzstaub unbehandelt < 5

Chlortalonil Staub unbelastet < 2

Endosulfan Staub relevante Quelle > 20

Pyrethroide

(Einzelsub-

stanz)

Hausstaub unbelastet < 1 - 3

deutlich belastet 3 - 30

hoch belastet 30 - 100

sehr hoch belastet > 100

Permethrin

Teppich

(Boden

und Teppich

Flor)

unbelastet < 1

belastet, sekundär

kontaminiert

1 – < 5

behandelt > 20

17Leitfaden Umweltmedizin

3.5.6 Biozide - Weiterführende Literatur

Bundesgesundheitsamt: Pyrethroide im Hausstaub, WaBoLu-Hefte 3/1994;

Heinzow: organische Verbindungen/Pentachlorphenol, in Handbuch der Umweltmedizin (VI-4):

Herausgeber: Wichmann, Schlipkötter, Fülgraff, ECOMED 1992;

B. Liebl et al: Beurteilung von Holzschutzmittelbelastungen in Innenräumen. Gesundheits.-Wes.

57 (1995), 478-488;

Stolz, Meierhenrich, Krooß: Dekontaminations- und Abbaumöglichkeiten für Pyrethroide in Innen-

räumen, Staub-Reinhaltung der Luft 54 (1994), S. 379;

Stolz, Krooß: Vorkommen pyrethroidhaltiger Insektizide in Innenräumen, Forum Städtehygiene,

44, 1993, S. 205;

Wildeboer: Belastung der Umweltmedien - Belastungspfade, Gebrauchsgegenstände: Pestizide in

Teppichwaren, in: Praktische Umweltmedizin (09.05. Teil 8), Herausgeber: A. Beyer, D. Eis, Sprin-

ger-Verlag, Berlin 1996.

3.6 Polychlorierte Biphenyle, PCB

Aus vorwiegend analytischen Gründen werden in der Regel sechs definierte Kongenere

untersucht.

3.6.1 Indikation und Kriterien für die Probenahme

Da PCB in großen Mengen industriell produziert wurde, weltweit verbreitet und aufgrund der

schlechten Wasserlöslichkeit und hohen chemischen Inertheit lange nachweisbar ist, muss prinzi-

piell mit dem Vorkommen von PCB gerechnet werden. Die größte Belastung der Menschen erfolgt

über die Nahrungsmittel und im industriellen Bereich. Im Wohnumfeld kommt als Belastungsquel-

le aus oft nicht nachvollziehbaren Gründen die Luft in Frage. Der Verdacht ergibt sich somit aus

der klinischen Symptomatik.

Es handelt sich hier in aller Regel um die Probenahme Luft .

3.6.2 Probenahmebedingungen

Bedingungen wie vorgeschildert bei der Luft-Probenahme.

Adsorption an Florisil (800 mg), Flussrate 2,5 l/min., Gesamtmenge über 500 l.

3.6.3 Analyse/Aufarbeitung

Elution mit n-Hexan bzw. n-Hexan im Soxhlet kochen.

Analysegeräte:

Gaschromatograph: z. B. PE-AUSYS 0324-11 oder vergleichbare Geräte

Trennsäule: GC-Kapillarsäule (HAT-8 von SGE mit Vorsäule)

Detektor: ECD

Bestimmungsgrenze:

Summe 0,5 bis 1,0 ng/m3

3.6.4 Bewertungskriterien

1990 sind vom BGA Richtwerte empfohlen worden. Das Produkt aus der Summe der sechs Kon-

generen mal dem empirischen Faktor 5 ist 1995 als eine Richtlinie der ARGEBAU in einzelnen

Bundesländern u.a. NRW übernommen worden.

(5x ∑ 6 Kongenere)

Leitfaden Umweltmedizin18

< 300 ng/m3 – Eine gesundheitliche Gefährdung ist nicht vorhanden.

300–3000 ng/m3 – Eine Aussage ist nur unter Berücksichtigung der indivi-

duellen Gegebenheiten möglich, die Quellen sind aufzuspü-

ren und eine Verminderung der PCB-Konzentration anzu-

streben.

> 3000 ng/m3 – Eine gesundheitliche Gefährdung ist vorhanden. Es sind un-

verzüglich Maßnahmen zu ergreifen. Die Sanierungsmaß-

nahmen müssen geeignet sein, die PCB-Aufnahme der Be-

troffenen wirksam zu vermindern.

Zielwert: – < 300 ng/m3

3.7 Mineralfasern/Asbest

3.7.1 Indikation und Kriterien für die Probenahme

Verdachtsmomente ergeben sich aus der Baugeschichte und dem Fachwissen über Baumaterialien. In

Privathaushalten vorkommende Materialien wie Platten, Pappe, Schnüre und Fußbodenbeläge („Cus-

hion vinyl“), Spachtel, Stopfmassen und Nachtstromspeicheröfen können Asbest enthalten.

Die Kriterien für die Probenahme ergeben sich aus der Einschätzung der Materialien und evtl.

Erkrankungen wie Pleuramesotheliom in der Familie.

3.7.2 Probenahmebedingungen Analog Asbestrichtlinien NRW.

Parameter Materialprobe (Unbeabsichtigte Freisetzung von Fasern muss vermieden wer-

den).

Luftprobe: Analog Asbestrichtlinien NRW.

3.7.3 Analyse

Rasterelektronenmikroskopie

3.7.4 Bewertung

Material:

Als Grundlage dient die Asbestrichtlinie NRW, die die Dringlichkeit einer Sanierung aus einer Bewer-

tungszahl herleitet. Diese Bewertungszahl berücksichtigt die Asbestart, Zustand des Asbestproduktes,

Raumnutzung, Lage des Produktes u. a..

Luftprobe:

Jeder Messwert soll unter 500 Fasern/qm (Länge > 5 µm, Durchmesser < 3 µm, Verhältnis Länge zu

Durchmesser < 3:1) liegen. Die Obergrenze des Vertrauensbereiches muss unter 1000 Fasern/qm liegen.

3.8 Künstliche Mineralfasern (= KMF)

3.8.1 Allgemeines

Künstliche Mineralfasern (= KMF) dienen vor allem als Isolierstoffe. Dämmstoffe auf Mineralwollbasis

bestehen im Wesentlichen aus Fasern, die aus einer silikatischen Schmelze gewonnen werden. Abhän-

gig von den Ausgangsmaterialien unterscheidet man zwischen Glasfasern, Steinwolle, Schlackenwol-

le, Keramikfasern, Spezialglasfasern und Glasmikrofasern. Die KMF-Fabrikate enthalten außerdem

chemische Zusätze als Bindemittel oder staubbindende Öle (z. B. Phenolformaldehydharze, PAH-

19Leitfaden Umweltmedizin

haltige Weichmacheröle, aromatische Amine, Polyvinylacetatkleber, Polystyrolkleber, Waschben-

zin, Nitroverdünnung).

3.8.2 Gesundheitsgefährdung

Die von KMF ausgehenden Gesundheitsgefährdungen hängen ab von der Konzentration der Fa-

sern in der Umgebungsluft, der Fasergeometrie, der Biobeständigkeit der Fasern und den chemi-

schen Zusätzen. Gesundheitsgefahren durch KMF:

Hautreizungen

Allergien (durch keramische Fasern und die chemischen Zusatzstoffe)

Augenreizungen

Entzündliche Erkrankungen der Atemwege

Kanzerogenität

3.8.3 Beurteilungskriterien

Luftgrenzwerte (TRK) in TRGS 102 und 900 (letzte Modifikation veröffentlicht im

April-Heft 1999 des Bundesarbeitsblattes, Geltungsbereich nur im Gewerbe).

Luftgrenzwerte für private Räume und Schulgebäude existieren nicht, Es gibt auch keine

Empfehlungen. Denkbar wären Grenzen, die sich nach den gemessenen mittleren Pro-

duktfaserstaubkonzentrationen in Innenräumen mit KMF-Produkten richten. Die ge-

messenen Werte betrugen max. 100 bis 600 Fasern/m3. Andere Untersuchungen zeigten

bei Messung ubiquitärer Faserstaubkonzentrationen KMF-Fasern um 1.000 und weni-

ger/m3.

Beurteilung Kanzerogenität (siehe TRGS 905)

Fasergeometrie

Nach WHO-Definition sind Fasern mit folgenden Abmessungen kanzerogen:

Länge ≥ = 5 µm

Durchmesser < 3 µm

Länge: Durchmesser > 3 : 1

Biologische Faserbeständigkeit

Bestimmt an Hand der Faserchemie und angegeben im

Kanzerogenitätsindex Ki

Fasern mit Ki ≤ 30 Kategorie 2 (= Krebserzeugung im Tierversuch)

Fasern mit Kizwischen 30 und 40 Kategorie 3 (= Verdacht auf Krebserzeugung)

Fasern mit Ki ≥ 40 Kategorie 0 (= kein Verdacht auf Krebserzeugung)

3.8.4 Technische Regeln zu Fasermessung

Innenraum:

Siehe VDI - 3492 Blatt 2, geringfügig modifiziert als ISO/DIS 14.966

Außenluft:

Siehe VDI 3492, Blatt 1 VDI 3492, Blatt 2

Zwei Ringversuche wurden unter diesen Kriterien bisher durchgeführt (1993/1994 und 1997/1998)

unter Beteiligung der Kommission Reinhaltung der Luft im VDI und DIN. Eine Etablierung von Ring-

versuchen wird angestrebt.

Leitfaden Umweltmedizin20

3.8.5 Schutzmaßnahmen im Umgang mit KMF

Anforderungen im Umgang mit KMF sind festgehalten im Regelwerk TRGS 521 „Faserstäube“. Die-

ses Regelwerk gilt grundsätzlich für den gewerblichen Bereich. Eine analoge Anwendung

auf den privaten Bereich ist sinnvoll.

3.8.6 Relevante Verordnungen und Richtlinien

Gefahrstoffverordnung

Technische Richtkonzentration (TRK) für gefährliche Stoffe TRGS 102

Grenzwerte in der Luft am Arbeitsplatz (MAK und TRK in TRGS 900)

Verzeichnis krebserzeugender, erbgutverändernder und fortpflanzungsgefährdender

Stoffe TRGS 905

Faserstäube TRGS 521, Bundesarbeitsblatt 5/2002 S. 96 – 113

VDI 3492 Blatt 2; Messungen von Innenraumluftverunreinigungen–Messen anorgani-

scher faserförmiger Partikel, Messplanung und Durchführung der Messung.

Rasterelektronenmikroskopische Verfahren Berlin: Beuth 1994

ISO/DIS 14.966 Ambient Air - Determination of numerical concentration of inorganic-

fibron particles – Scanning electron microscopi method

VDI 3492 Blatt 1: Messen anorganischer faserförmiger Partikel in der Außenluft Raster

elektronenmikroskopisches Verfahren Berlin: Beuth 1991

3.9 Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAH bzw. PAK)

3.9.1 Indikation und Kriterien für die Probenahme

Verdachtsmomente sind: Dunkler Parkettkleber, Gussasphalt als Fußbodenunterbau,

Teerfarben, offene Feuerstellen, Zigarettenrauch.

Die Kriterien für die Probenahme ergeben sich aus den Materialien und ggf. einem gehäuften Vor-

kommen von Tumoren in der Familie. Materialanalysen nach den Empfehlungen des Umweltbun-

desamtes vom 29.April 1998 sollen zunächst vorgenommen werden. Je nach Ergebnis kann dies

ergänzt werden durch Hausstaubanalysen und Raumluftuntersuchungen.

Wichtigster Vertreter ist Benzo(a)pyrin (BaP):

BaP-Gehalt i. Material > 10 < 3000 mg/kg = Hausstaubuntersuchungen

BaP-Gehalt > 3000 mg/kg im Material und

BaP-Gehalt < 10 mg/kg im Hausstaub

3.9.2 Probenahmebedingungen

Materialproben: Keine besonderen Bedingungen.

Hausstaubproben: Wie an anderer Stelle aufgeführt, entsprechend Entwurf VDI 4300, Blatt 8.

Raumluftuntersuchung: In über 90 Prozent irrelevant, trägt nicht zur Sanierungsentscheidung bei.

Nur die leicht flüchtigen PAHs der 16er EPA-Liste haben einen nennenswerten

Dampfdruck.

3.9.3 Analyse/Aufarbeitung

} Raumluftuntersuchungen mit

Referenzprobe

21Leitfaden Umweltmedizin

Extraktion der Materialprobe bzw. Filter aus Raumluftmessung mit Toluol/Acetonitril.

Geräte: HPLC

Trennsäule: RP 18

Detektor: Diodenarraydetektor und/oder Fluoreszenzdetektor

3.9.4 Bestimmung der PAH aus Staubproben

Elution: Toluol/Acetonitril

Geräte: HPLC

Trennsäule: RP 18

Detektor: Fluoreszenzdetektor und/oder Diodenarray

3.9.5 Bewertung

siehe o. g. Empfehlung des Umweltbundesamtes.

3.10 Metalle

3.10.1 Indikation und Kriterien für die Probenahme

Äußere Einflüsse wie Altlasten und Industrieanlagen oder Kenntnisse über bestimmte Baumate-

rialien (Kupfer- und Bleirohre im Haus) sollen beachtet werden.

Für die Überprüfung einer Belastung kommt vorrangig ein Biomonitoring in Frage.

Kriterien für die Probenahme sind spezifische Anhaltspunkte (s. o.) oder ein klinischer Verdacht,

der sich aus der klinischen Symptomatik bzw. Laborbefunden ergibt.

3.10.2 Probenahmebedingungen

Entsprechend Entwurf VDI Richtlinie 4.300, Blatt 8, für Hausstaubproben wie an anderer Stelle

angegeben.

3.10.3 Analyse

Aufschluss: Salpetersäure/Wasserstoffperoxid oder andere validierte Verfahren.

Analyse mit AAS oder ICP, die Analysebedingungen müssen für jedes Gerät optimiert und

validiert werden.

Teilnahme an externen Ringversuchen ist verpflichtend.

3.10.4 Bewertung

Als Beurteilungskriterium kann herangezogen werden: C. Krause et al: Umweltsurvey Band III a:

Wohninnenraum, Spurenelementgehalt im Hausstaub, WaBoLu Hefte 2/1991 mit Angaben der 50.

und 90. Perzentilwerte. Daneben gilt die Trinkwasserverordnung (2002) mit 3 mg/l für Kupfer,

wobei für Säuglinge auch Werte ab 1 mg/l relevant sein können.

Staubproben:

Fall Lederlenkrad - Seite 70

Metall 50. Perzentil 90. Perzentil

Arsen 1,6 3,5

Blei 24,2 142,0

Cadmium 1,7 4,9

Chrom 75,4 157,0

Leitfaden Umweltmedizin22

3.11 Flüchtige organische Verbindungen (= VOC)

Definition: Substanzen, die im Retentionszeitenfenster zwischen n-Hexan und

n-Hexadecan auf einer unpolaren Trennsäule auftreten, das entspricht einem Siedebereich von 70

bis 290° C, werden als flüchtige organische Verbindungen oder kurz VOC

(=Volatile Organic Compounds) bezeichnet.

3.11.1 Indikation und Kriterien für die Probenahme

Verdachtsmomente ergeben sich durch:

auffällige Geruchswahrnehmung,

Feuchtigkeit im und am Material,

aktuelle Renovierungs- und Baumaßnahmen,

klinische Symptomatik bzw. klinische Befunde.

Die Untersuchung erfolgt mittels Luftprobenahme. Zur Quellensuche können Material-

Emissionsanalysen herangezogen werden.

3.11.2 Probenahmebedingungen

Fenster und Türen des zu messenden Raumes müssen mindestens vier, besser acht bis zwölf Stun-

den geschlossen sein, nach vorheriger guter Durchlüftung. Es sollen Raumtemperaturen

zwischen 19° C und 23° C vorliegen.

3.11.3 Probenahmegeräte

Dräger Aktivkohle-Röhrchen, Typ NIOSH oder andere validierte Röhrchen

Probenahmepumpe Kutschera oder vergleichbare Pumpen

Sammelrate: maximal 2 l/min

Probevolumen: 50–100 l Luft, im Einzelfall auch mehr

3.11.4 Analyse

Elution: 1 ml Schwefelkohlenstoff (jedes Kompartment separat), > 8h Elutionsdauer

Analysegerät: GC-MS HP 5890 oder vergleichbare Geräte

Trennsäule: Macherey-Nagel Optima 5-MS (30 mm; 1,0 µm; 0,25 mm)

Detektor: MSD HP 5971A oder vergleichbare

3.11.5 Bewertung

Es werden die Innenraumluftrichtwerte nach Seifert, Bundesges.- Bl. 3/99 herangezogen. Die Werte

sind nicht toxikologisch begründet, da die Vielfalt der stofflichen Kombinationen keine gesicherten Do-

sis-Wirkungsbeziehungen zulässt. Zur Auswertung werden die relevanten Substanzklassen herangezo-

gen (z. B. Alkohole, Ester, Aromaten, Aliphaten), die zehn höchsten Peaks quantifiziert und die Konzen-

trationen zusätzlich aufsummiert.

Die Alkohole Methanol, Ethanol und Iso-Propanol werden nicht berücksichtigt und machen i. d. Regel

mindestens 40 Prozent der ausgewiesenen Substanzen aus. Für die Gesamtkonzentration gilt, dass

300 µg/m2 nicht überschritten werden sollen, eine Einzelsubstanz soll weder 10 Prozent der Gesamt-

konzentration noch 50 Prozent der Stoffklassenkonzentration übersteigen. Im Übrigen sei auf diese

Veröffentlichung verwiesen. Eine gesundheitliche Bewertung ist nur als Einzelfallbetrachtung möglich.

Quelle: Innenraumluft-Kommission des Bundesgesundheitsamtes

23Leitfaden Umweltmedizin

Stoffgruppen Zielwert Stoffgruppen Zielwert

Aromaten

Summe ohne Benzol)

Einzelverbindung

50

25

Alkane

Summe

Einzelverbindung

100

30

Terpene

Summe

Einzelverbindung

30

15

Ester

Summe

Einzelverbindung

20

10

Aldehyde u. Ketone

Summe

Einzelverbindung

20

10

Alkohole

Summe

Einzelverbindung

50

25

Chlorierte KW

Summe

Einzelverbindung

30

15

Summe VOC 300

3.12 Mikroorganismen

3.12.1 Voraussetzung für Wachstum

(Feuchtigkeitsschäden mit mikrobiellen Befall) (Seite 69)

Sind nährstoffhaltige Materialien über ausreichend lange Zeiträume feucht, dann wird es zu ei-

nem Wachstum von Schimmelpilzen und/oder Bakterien im oder auf dem Material kommen.

Außer auf glatten, sauberen und anorganischen Oberflächen, wie Metalloberflächen oder Glas-

scheiben, sind in der Regel ausreichend Nährstoffe für ein mikrobielles Wachstum vorhanden und

auch andere wesentliche Parameter wie pH-Wert und Temperatur ermöglichen normalerweise die

mikrobielle Besiedlung.

Deshalb ist hauptsächlich der Feuchtigkeitsgehalt im Material oder an der Materialoberfläche

ausschlaggebend.

Schimmelpilze können bei Werten ab einem aw-Wert von zirka 0,8 (aw = Wasseraktivität, ent-

spricht in etwa dem 1/100 der relativen Luftfeuchtigkeit) anwachsen ( und es wird berichtet, dass

Feuchtigkeitsgehalte von aw = 0,7 ausreichen (RWE Bauhandbuch), um das Wachstum aufrecht

zu erhalten.

Bakterien benötigen einen höheren Feuchtigkeitsgehalt. Keimung ist ab zirka aw = 0,90 möglich.

Laut Madigan et al. wird für das Wachstum von Staphylokokken 0,90 angegeben. Wenn Bakterien

in Materialien wachsen, in denen deutlich geringere Feuchtigkeit vorliegt, dürfte dies an der Aus-

bildung eines mikrobiellen Biofilms liegen, der in der Lage ist, Feuchtigkeit zu speichern.

Mit erhöhter Feuchtigkeit in Gebäuden ist dann zu rechnen, wenn einer der folgenden

Voraussetzungen gegeben ist (siehe Hankammer, Lorenz 2003):

Neubau-Restfeuchte (in den ersten zwei bis drei Jahren in gewissen Grenzen unvermeidlich)Feuchtigkeit in der Gebäudehülle durch von außen eindringendes WasserSchäden am Dach oder im KaminbereichUndichte Stellen in der sanitären Hausinstallation (Duscheinbauten, Rohranschlüsse) oder im Heizsystem

Quelle: Innenraumluft-Kommission des Bundesgesundheitsamtes

Leitfaden Umweltmedizin24

Havarien (Hochwasser, geplatzte Wasserschläuche von Waschmaschinen, Rohrbrüche, etc.)Zu hohe relative Raumluftfeuchte durch zu niedrige Raumtemperatur oder ungenügen-der Lüftung.Niedrige Oberflächentemperaturen durch Wärmebrücken (geometrische, kon-struktive oder thermodynamische Wärmebrücken).

Weitere nicht gebäudebedingte Innenraumquellen für Mikroorganismen können sein: Müllbehält-

nisse (Biotonne, etc.), zu lange oder falsch gelagerte Lebensmittel, Zimmerpflanzen oder auch

Tierkäfige. Auch die Bewohner geben permanent bakterielle Keime an die Umgebung ab, insbe-

sondere Staphylokokken, Mikrokokken und Streptokokken.

3.12.2 Indikation

Verdachtsmomente für eine mikrobielle Quelle im Wohnumfeld können sein:

Flecken auf Wänden oder Gegenständen (Feuchtigkeitsflecken, Stockflecken, sichtbarer

Schimmelbefall)

Sichtbare Materialzerstörung (Putz ist versandet, Tapete löst sich von den Wänden)

Typischer Geruch in einzelnen Räumen oder im gesamten Gebäude (muffig, säuerlich,

„ranzig“, nach abgestandener Luft, etc.)

Materialien riechen nach Mikroorganismen (muffig, etc. siehe oben)

In Bauteilen messbar erhöhte Feuchtigkeit

Kondensation auf Fensterscheiben oder an Fensterrahmen.

Im Vergleich zur Außenluft auffällig hohe absolute Raumluftfeuchtigkeit (Achtung: Die

relative Feuchtigkeit ist temperaturabhängig !)

Erkennbare bauliche Schwachpunkte (raumseitige Dämmung, Verkleidung vor

erdberührenden Außenwänden, Flachdächer, Kriechkeller, Hanglage).

Klinischer Verdacht

3.12.3 Schimmelpilze

Als Indikatororganismen für Feuchtigkeitsschäden in Innenräumen werden im Leitfaden des

LGA Baden-Württemberg aus dem Jahre 2001 folgende Schimmelpilze eingestuft:

Acremonium spp.

Aspergillus restrictus und A. versicolor

Chaetomium spp.

Phialophora spp.

Scopulariopsis spp.

Stachybotrys chartarum

Tritirachium (Engyodontium) album

Trichoderma spp.

Dies bedeutet nicht, dass nicht andere Arten oder Gattungen auftreten können, oder die genann-

ten Arten nur mit Feuchtigkeitsschäden in Zusammenhang stehen müssen, sondern dass bei Auf-

treten der Indikatororganismen ein Feuchtigkeitsschaden im Gebäude zu vermuten ist.

Es gibt auch Gattungen/Arten die bei Feuchtigkeitsschäden häufig auftreten, aber nicht als Indi-

katororganismen eingestuft wurden, wie vor allem Penicillium spp. und Cladosporium spp. Diese

Pilze wurden nicht als Indikatoren eingestuft, da sie auch in der Außenluft –jahreszeitenabhängig–

in großer Menge vorkommen können.

25Leitfaden Umweltmedizin

Die in feuchten Materialien am häufigsten nachzuweisenden Schimmelpilze und Bakterien sind

(aus Hankammer, Lorenz 2003):

Mikroorganismen Gravesen 1997

72 Proben

Lorenz

750 Proben

aus 1998

Lorenz,

280 Proben aus 2002

Putz, Estrich, Mörtel

Penicillium spp. 68 62 80

Aspergillus versicolor in A. spp. enthalten 50 65

Aspergillus spp. 56 35 34

Cladosporium spp. 15 33 46

Acremonium spp. 14 28 31

Hefen - 20 8

Scopulariopsis spp. - 9 8

Ulocladium spp. 21 8 9

Stachybotrys chartarum 19 8 4

Wallemia spp. - 5 3

Phoma - 4 < 1

Trichoderma spp. 7 3 2

Chaetomium spp. 22 3 8

Mucor spp. 14 2 4

Paecilomyces spp. 10 1 < 1

Alternaria spp. 8 2 2

Verticillium spp. 8 2 2

Actinomyceten keine Angabe 33 50

Bacillus spp. keine Angabe 31 26

nicht identifizierte Bakterien keine Angabe nicht gezählt 95

Leitfaden Umweltmedizin26

3.12.4 Kriterien für die Probenahme

A. Bei sichtbarem Befall kann die Analyse der vorliegenden Gattungen oder Arten mittels Ab-

klatschproben oder Materialsuspension erforderlich sein, wenn dies aus medizinischen Gründen

(bestehende klinische Symptomatik und deren Entwicklung) sinnvoll ist.

Bei begründetem Verdacht auf einen ausgedehnten mikrobiellen Befall oder in besonderen klini-

schen Verdachtsfällen kann eine zusätzliche Luftkeimmessung oder in Einzelfällen auch eine

Hausstaubanalyse sinnvoll sein.

B. Ein auffälliger Geruch sollte immer Anlass für eine Quellensuche sein. Nach Lokalisierung der

Quelle sollte im Falle eines versteckten aber sichtbaren Befalls (siehe Abb. 1) wie unter A verfah-

ren werden.

Besteht die Verdachtsquelle aus einem feuchten

oder riechenden Material, in oder auf dem kein mi-

krobieller Befall visuell erkennbar ist, dann sollte im-

mer eine Materialanalyse erfolgen. Da bei Abklatsch-

proben die Kontamination der Oberfläche mit An-

flugsporen das Ergebnis stark verfälschen kann, soll-

te vor der Probenahme die Oberflächenschicht dünn

abgetragen werden. Die Materialanalyse mittels Ver-

dünnungsreihen ist vorzuziehen, da hier der Einfluss

der Oberfläche sehr viel geringer ist. Dennoch sollte

die oberste Materialschicht möglichst nicht entnom-

men werden.

Kann keine mikrobielle Quelle oder mögliche Quelle

lokalisiert werden, dann sollte der Verdacht mittels

MVOC-Messung, Luftkeimmessungen evtl. auch

Staubanalysen überprüft werden. MVOC-Messungen

sind jedoch dann nicht sinnvoll, wenn es sich eindeutig um einen „Schimmelgeruch“ handelt, son-

dern eher bei einem nicht eindeutig identifizierbaren Geruch. Bei den Untersuchungen sind die

Fehlerquellen und Ungenauigkeiten zu berücksichtigen. Nach Empfehlung im Leitfaden des LGA

sind bei Durchführung von Luftkeimmessungen im Falle negativer Befunde Wiederholungsmes-

sungen erforderlich.

Im Leitfaden des Umweltbundesamtes wird die parallele Messung an mehreren Stellen in der

Wohnung als notwendig erachtet.

Liefern die Ergebnisse der Messungen deutliche Hinweise auf eine Quelle, ist eine erneute Quel-

lensuche, ggf. mit zerstörenden Bauteilöffnungen, notwendig. Als erstes sollten die typischen

„Verdachtsstellen“ (konstruktive Schwachstellen wie Wärmebrückenbereiche, raumseitige Wär-

medämmung, Bereiche ehemals bekannter Wasserschäden etc.) untersucht werden. Ergeben die

Untersuchungen negative Befunde, sind Methoden erforderlich, die nicht im Rahmen des umwelt-

medizinischen Mess- und Beratungsdienstes erbracht werden können, wie z. B. thermographische

Gebäudeanalyse, Einsatz eines Schimmelpilzspürhundes etc. Vor weiteren Untersuchungen, wie

z. B. Materialanalysen auf Mikroorganismen, müssten in diesen Fällen privat beauftragte Untersu-

chungen durchgeführt werden.

C. Bei Vorliegen von Feuchtigkeit und oder anderen optischen Hinweisen auf einen Problembe-

reich sollte das Material analysiert werden. Auch hier ist darauf zu achten, dass das Ergebnis

Abb. 1: Versteckter, aber sichtbarermikrobieller Befall

27Leitfaden Umweltmedizin

nicht durch eine Oberflächenkontamination verfälscht wird (siehe unter B).

In besonderen Fällen können die Materialanalysen durch Luftmessungen oder Staubanalysen er-

gänzt werden, z. B. bei Verdacht auf ausgedehnte Schäden oder falls Feuchtigkeitsmessungen in

und an den Bauteilen nicht möglich sind.

D. Bei alleinigem Vorliegen eines dringenden klinischen Verdachtes auf durch Schimmelpilze be-

dingte gesundheitliche Beschwerden ohne sonstige Anhaltspunkte für Quellen sollten zunächst

Luftmessungen, ggf. auch Staubanalysen, durchgeführt werden.

3.12.5 Abklatschproben

Prinzip

Ein speziell dafür vorgesehener Nährboden wird auf die Oberfläche des zu untersuchenden Ma-

terials aufgedrückt. Lose anhaftende Partikel wie Keime oder Hyphenbruchstücke bleiben am

Nährboden kleben und können dann im Labor kultiviert werden wobei zu beachten ist, dass nicht

alle Keime unter Laborbedingungen kultivierbar sind.

Probenahme

Zur Untersuchung von Schimmelpilzen sollten zwei Nährböden verwendet werden und zwar Malz-

extraktagar und DG18 Agar (siehe Leitfäden LGA Baden-Württemberg und Umweltbundesamt). Es

empfiehlt sich die Nährböden mit einem geeigneten Hemmstoff anzureichern, um ein Überwach-

sen der Kolonien mit Bakterien zu verhindern.

Bei der Interpretation ist zu berücksichtigen, dass nicht

unterschieden werden kann welche Kolonien sich aus Spo-

ren entwickelt haben, die als Anflugsporen auf der Ober-

fläche lagen und welche Kolonien durch Partikel entstan-

den sind, die aufgrund einer Materialbesiedlung auftraten.

Auch werden tiefere Schichten nicht erfasst. Oft ist z. B.

die Besiedlung hinter einer Tapete erheblich stärker als

auf der Tapete (siehe Abb. 2).

Analyse

Die Nährböden werden im Labor bei 25±3°C kultiviert. Er-

gänzende Untersuchungen nach einer Inkubation bei 37° C

sind in bestimmten Fällen sinnvoll.

Bewertung

Die Ergebnisse werden als Koloniebildende Einheiten auf die erfasste Fläche bezogen, z. B.

KBE/24 cm2. Es sollten stets Mengen und Arten einander zugeordnet werden:

Dominierende Arten, die ubiquitär vorkommen, wie z. B. Cladosporium, oder Arten die in erster

Linie im Hausstaub zu finden sind, wie z. B. Aspergillus niger. War an der Probenahmestelle kein

Befall sichtbar, dann kann es sich um eine Kontamination handeln.

Werden jedoch die o. g. Feuchtigkeitsindikatoren nachgewiesen, ist ein entsprechender Feuchtig-

keitsschaden im Bereich der Probenahmestelle sehr wahrscheinlich.

Bei zu großer Menge an Keimen (ab ca. 250 KBE/24 cm³) wachsen die Kolonien ineinander und

sind nicht mehr zählbar. In diesem Fall spricht man von Rasenbildung, und man kann die Probe

nur qualitativ auswerten.

Abb. 1: Versteckter, aber sichtbarer mikrobieller Befall

Leitfaden Umweltmedizin28

3.12.6 Materialanalysen

Prinzip

Das Material wird gewogen bzw. vermessen, zerkleinert, mit einer Suspensionslösung vermischt

und 30 Min. geschüttelt oder gerührt. Auf diese Weise werden die mikrobiellen Partikeln in eine

flüssige Suspension übertragen.

Die Suspension wird dann in drei bis vier Stufen verdünnt und auf Nährböden aufgetragen.

Zur Zählung und Differenzierung müssen Verdünnungsstufen angesetzt werden.

Als Nährböden werden DG 18 und Malzextraktagar siehe Leitfaden des LGA Baden-Württemberg

(2001) Seite 44.

Probenahme

Das Material wird mit einem sterilen Werkzeug (mit Alkohol abgewischt) entnommen und direkt

vor Ort luftdicht in sterilem Material verpackt. Gut geeignet ist z. B. Alufolie, da diese dampfdicht

ist und ein Trocknen der Proben verhindert.

Das Material sollte umgehend ins Labor gebracht werden. Die Lagerfähigkeit der Materialproben

im Kühlschrank beträgt maximal 14 Tage.

Analyse

Die Nährböden werden bei 25°C±3 °C bebrütet. Die Auswertung sollte nach drei, fünf, sieben und

zehn Tagen erfolgen.

Bewertung

Bei der Auswertung sollten zu den einzelnen differenzierten Gattungen und Arten die jeweiligen

Mengen angegeben werden.

Die quantitative Bewertung (Angabe in KBE/g Material) kann abgestuft werden nach normalen

Mengen, erhöhten Mengen, hohen Mengen und sehr hohen Mengen. Als Basis der Bewertung sind

Vergleichswerte unbefallener Materialien heranzuziehen (siehe z. B. Schimmelpilzsanierungs-

Leitfaden des UBA, Seite 47) oder die von Trautmann veröffentlichten Bewertungsempfehlungen

(siehe Lorenz, Hankammer, Lassl 2005, Seite 113 bis 118).

Zusätzlich zu den Mengen ist zu berücksichtigen, ob besonders zu beachtende Arten oder Gat-

tungen vorliegen – d. h. ob Indikatororganismen für einen Feuchtigkeitsschaden vorliegen, ob fa-

kultativ pathogene Pilze vorliegen (dies betrifft in erster Linie Aspergillus fumigatus) oder ob po-

tentielle Mykotoxinproduzenten (z. B. Stachybotrys chartarum, Fusarium spp., Chaetomium spp.

oder Aspergillus versicolor) auftreten.

3.12.7 Luftkeimmessung

Prinzip

Für die Luftkeimmessung gibt es verschiedene einsatzfähige Systeme. Bewährt haben sich Im-

paktorsammler oder Sammler mit Filtervorsatz (z. B. Sartorius-Sammler).

Es wird über einige Minuten Luft angesaugt, die entweder über Düsenplatten beschleunigt auf

eingelegte Nährböden auftrifft (Impaktor) oder die durch Filter gesaugt wird.

Es darf nicht zu viel Luft angesaugt werden, da dann die Nährböden überladen werden und u. a.

die Kolonien ineinander wachsen (siehe oben) und nicht zu wenig, damit die statische Berech-

nung der KBE Konzentration auf 1 m³ hinreichend genau ist. Erfahrungsgemäß sind 100 l Luftpro-

benahmevolumen ausreichend.

29Leitfaden Umweltmedizin

Probenahme

Fenster und Türen des zu untersuchenden Raumes sollten acht bis zwölf Stunden vor der Probe-

nahme geschlossen bleiben. Vorher sollte der Raum gut durchlüftet worden sein. Auch ist sorg-

fältig darauf zu achten, einen Tag vor der Messung alle Mülleimer in der Wohnung zu entleeren

und verdorbene Lebensmittel zu entfernen.

Dient die Messung zur Kontrolle, ob mit baulichen Feuchtigkeitsschäden zu rechnen ist, dann soll-

ten am Tag vor der Messung auch die Pflanzen und Tierkäfige entfernt werden. Will man sich ein

Gesamtbild zur vorliegenden Exposition machen, dann sollte die Wohnung im „normalen Zu-

stand“ gelassen werden.

Da auch in der Außenluft immer Pilzsporen vorhanden sind, ist eine Beeinflussung der Innen-

raummessung durch die Außenluftbelastung gegeben. Deshalb muss direkt vor oder nach der In-

nenmessung eine Außenluft-Referenzmessung erfolgen. Diese muss auf der Zuwindseite, regen-

geschützt und in einem gewissen Mindestabstand von einem bis zwei Metern vom Gebäude

durchgeführt werden. Wird direkt vor dem Gebäude im Bereich von Fenstern, Türen oder Keller-

treppen gemessen, kann eine Beeinflussung der Außenluft durch Gebäudeemissionen auftreten.

Analyse

Die Anzüchtung der Kolonien auf den Nährböden erfolgt wie bei den Abklatschproben oder den

beimpften Nährböden bei der Suspensionsmethode (siehe jeweils dort).

Bewertung

Luftkeimmessungen können wertvolle Hinweise geben, ob mit einer mikrobiellen

Quelle im Innenraum zu rechnen ist. Allerdings werden nicht selten negative Be-

funde erzielt, auch wenn teils massive mikrobielle Quellen vorhanden sind (siehe

Fallbeispiele im Leitfaden des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2002).

Diesem Aspekt wird im Leitfaden des LGA Baden-Württemberg Rechnung getra-

gen, indem dort darauf hingewiesen wir, dass beim Messtermin Mehrfachmessun-

gen und ggf. im Rahmen weiterer Ortstermine Wiederholungsmessungen erforder-

lich sind. Dies ist jedoch sehr kostenintensiv und wirtschaftliche Gesichtspunkte

stehen dem entgegen. Besser ist es, die Luftkeimmessung ins gesamte Untersu-

chungskonzept intelligent einzubauen und die Ergebnisse als einen Baustein bei

der Beurteilung der Gesamtsituation zu nutzen.

Die Pilzkolonien müssen den Arten oder Gattungen zugeordnet und separat ge-

zählt werden. Die Ergebnisse der Innenraumluft und der Außenluft sind zu verglei-

chen, wobei immer die Zahlenwerte der jeweiligen Art oder Gattung verglichen

werden müssen. Der Vergleich der KBE-Gesamtzahl liefert häufig keine Aussagen,

da es z. B. nicht möglich ist, 500 KBE/m³ Cladosporium in der Außenluft mit 300

KBE/m³ Aspergillus versicolor im Innenraum zu vergleichen.

Werden im Innenraum Arten oder Gattungen nachgewiesen, die außen nicht vorkommen oder

dort nur in geringerer Menge, dann sind diese danach einzustufen, ob sie als Indikatororganismen

gelten oder nicht.

Im Leitfaden des Umweltbundesamtes (2005) ist eine Bewertungstabelle zur Beurteilung von

Luftkeimmessungen veröffentlicht:

Abb. 3 Luftkeimmessgerät nach dem Impaktionsprinzip

Leitfaden Umweltmedizin30

Auszug aus dem Schimmelpilzsanierungs-Leitfaden des UBA (2005)

Bewertungshilfe für Luftprobenkultivierbare Schimmelpilze (Seite 61/Anhang)

Ergänzende Anmerkung:

Zur Bewertung der Bakterien gibt es keine Veröffentlichungen. Aufgrund eigener Erfahrungen

treten Actinomyceten und Bacillus-Bakterien in Innenräumen nicht oder nur in geringen Mengen

(< 50 KBE/m³ unter der Außenluftkonzentration) auf.

1) Indiz für Quellensuche 2) Indiz für kurzfristige intensive Quellensuche

Innenluft-Parameter Innenraumquelle

unwahrscheinlich

Innenraumquelle

nicht auszuschließen1)

Innenraumquelle

wahrscheinlich2)

Cladosporium sowie ande-

re Pilzgattungen, die in

der Außenluft erhöhte

Konzentrationen erreichen

können (z. B. sterile Myze-

lien, Hefen, Alternaria, Bo-

trytis)

Wenn die KBE/m³ einer

Gattung in der Innenluft

unter dem 0,7 bis 1-fachen

der Außenluft liegen

Ityp A

< Atyp A

x 0,7 (+0,3)

Wenn die KBE/m³ einer

Gattung in der Innenluft

nicht über dem 1,50± 0,5-

fachen der Außenluft lie-

gen

Ityp A

≤ Atyp A

x 1,5 (±0,5)

Wenn die KBE/m³ einer

Gattung in der Innenluft

über dem 2-fachen der Au-

ßenluft liegen

Ityp A > Atyp A

x 2

Summe der KBE aller un-

typischen Außenluftarten

Wenn die Differenz zwi-

schen der KBE-Summe In-

nenraumluft minus Außen-

luft der untypischen Au-

ßenluftarten nicht über

150 KBE/m³ liegt

IΣuntyp A≤ AΣuntyp A

+ 150

Wenn die Differenz zwi-

schen der KBE-Summe In-

nenraumluft minus Außen-

luft der untypischen Au-

ßenluftarten nicht über

500 KBE/m³ liegt

IΣuntyp A≤ AΣuntyp A

+ 500

Wenn die Differenz zwi-

schen der KBE-Summe In-

nenraumluft minus Außen-

luft der untypischen Au-

ßenluftarten über 500

KBE/m³ liegt

IΣuntyp A> AΣuntyp A

+ 500

eine Gattung

(Summe der KBE aller zu-

gehörigen Arten) der unty-

pischen Außenluftarten

Wenn die Differenz zwi-

schen der KBE-Summe In-

nenraumluft minus Außen-

luft der Gattung nicht

über 100 KBE/m³ liegt

IEuntyp G

≤ AEuntyp G

+ 100

Wenn die Differenz zwi-

schen der KBE-Summe In-

nenraumluft minus Außen-

luft der Gattung nicht

über 300 KBE/m³ liegt

IEuntyp G

≤ AEuntypGA

+ 300

Wenn die Differenz zwi-

schen der KBE-Summe In-

nenraumluft minus Außen-

luft der Gattung über 300

KBE/m³ liegt

IEuntyp G

> AEuntyp G

+ 300

eine Art der untypischen

Außenluftarten mit gut

flugfähigen Sporen

Wenn die Differenz zwi-

schen Innenraumluft und

Außenluft nicht über 50

KBE/m³ liegt

IEuntyp A

≤ AEuntyp A

+ 50

Wenn die Differenz zwi-

schen Innenraumluft und

Außenluft nicht über 100

KBE/m³ liegt

IEuntyp A

≤ AEuntyp A

+100

Wenn die Differenz zwi-

schen Innenraumluft und

Außenluft über 100

KBE/m³ liegt

IEuntyp A

> AEuntyp A

+ 100

eine Art der untypischen

Außenluftarten mit gerin-

ger Sporenfreisetzungsra-

te, z.B. Phialophora sp.,

Stachybotrys chartarum

Wenn die Differenz zwi-

schen Innenraumluft und

Außenluft nicht über 30

KBE/m³ liegt

IEuntyp AGS

≤ AEuntyp AGS

+ 30

Wenn die Differenz zwi-

schen Innenraumluft und

Außenluft nicht über 50

KBE/m³ liegt

IEuntyp AGS

≤ AEtyp AGS

+ 50

Wenn die Differenz zwi-

schen Innenraumluft und

Außenluft über 50 KBE/m³

liegt

IEuntyp AGS

> AEtyp AGS

+ 50

31Leitfaden Umweltmedizin

3.12.8 MVOC-Luftmessung

Prinzip

Es wurde in wissenschaftlichen Arten (Wessen et al., Fischer et al., Keller et a.) nachgewiesen,

dass Mikroorganismen flüchtige organische Verbindungen emittieren, die zum Teil zu den allge-

mein bekannten VOC zuzuordnen sind, aber auch bestimmte Substanzen, für die als hauptsächli-

che Quelle Mikroorganismen in Frage kommen.

Diese Substanzen können mit zwei verschiedenen Methoden untersucht werden.

Bei beiden Methoden wird Luft über ein spezielles Sammelröhrchen gezogen und schließlich mit-

tels Gaschromatographie und Massenspektrometer die Substanzen und deren Konzentrationen

ermittelt.

Die eine Methode basiert auf Aktivkohleröhrchen und einer anschließenden Flüssigextraktion.

Vorteil dieser Methode ist, dass das Labor mit den gewonnenen Proben–Eluat mehrere Läufe im

GC fahren kann, sollten Kontrollanalysen erforderlich sein.

Nachteile dieser Methode sind die lange Probenahmezeit und dass einige Verbindungen nicht in

ausreichender Menge von der Aktivkohle desorbiert werden können.

Bei der zweiten Methode wird die sogenannte Thermodesorption angewendet. Es werden nur we-

nige Liter Luft über Tenax-Sammelröhrchen gezogen und die Stoffe werden durch Erwärmen des

Röhrchens extrahiert und direkt in den GC eingespeist.

Der Vorteil der Thermodesorption ist die erheblich kürzere Probenahmezeit und die bessere Aus-

beute bei der Analyse. Der Nachteil ist, dass der GC-Lauf nicht wiederholt werden kann.

Probenahme

Die Räume sollte sehr gut gelüftet und anschließend acht bis zwölf Stunden geschlossen gehal-

ten werden. Ab dem Abend vor dem Messtag darf in der Wohnung nicht geraucht, gekocht oder

gebacken werden. Auch sollten am Tag vor der Messung die Pflanzen, Mülleimer und Tierkäfige

aus dem zu untersuchenden Raum entfernt werden.

Nicht zu empfehlen ist die MVOC-Messung in den ersten 2 bis 3 Jahren in Neubauten. Wie aktu-

elle Forschungsergebnisse zeigten, enthalten neue Baumaterialien häufig Mikroorganismen oder

standen mit Mikroorganismen in Kontakt und sind mit mikrobiellen Geruchsstoffen kontaminiert.

Aktivkohle und Flüssigextraktion:

Probenahme mit entsprechender Probenahmepumpe, z. B. SKC Aircheck Sampler, Modell 224. Be-

währt haben sich 120 l Luft mit 0,2 l/Min.

Tenax und Thermodesorption:

Probenahme mit üblicher Probenahmepumpe, empfohlen werden 2-3 l Luft mit 0,2 l/min über Te-

nax TA 60/80 (Keller 2002).

Analyse

Flüssigextraktion

Elution mit 1 ml modifiziertem Schwefelkohlenstoff, über acht Stunden Elutionsdauer.

Analysegeräte: Ion-Trap GC-MS bzw. GC-MS HP 5890 oder vergleichbare Geräte.

Leitfaden Umweltmedizin32

Trennsäule: Macherey-Nagel Optima 5-MS (30 Meter, 0,1 µm, 0,25 mm) oder vergleichbare

Säulen.

Detektor: MSD HP 5971A oder vergleichbare.

Thermodesorption

Gaschromatographische Trennung nach Thermodesorption und Detektion mit Massenspektrome-

trie im SIM-Modus (Keller 2002).

Bewertung

Die MVOC-Messung liefert bei sachgerechter Anwendung Hinweise darauf, ob ein mikrobieller Be-

fall vorhanden ist oder nicht. Auch ältere abgestorbene Schäden werden erkannt, soweit die to-

ten Mikroorganismen nicht entfernt worden sind.

Nicht erkannt werden teilweise sehr junge, noch nicht sehr ausgebreitete Schäden (siehe Lorenz

2001).

Die Substanz 3-Methylfuran kann in Raucherwohnungen erhöht sein. Deshalb ist dann, wenn nur

diese Substanz auffällig ist, in Raucherwohnungen nicht von einem mikrobiellen Problem auszu-

gehen.

Beim strategisch richtigen Einsatz der Messung kann diese jedoch wie folgt bewertet werden:

Kein Nachweis eines

Hauptindikators

0,05 bis 0,10 µ/m³ bei min-

destens einem Haupt-

indikator

> 0,10 µ/m³ bei mindestens

einem Haupt-

indikator

Summenkonzentration bis

0,5 µ/m³

kein mikrobieller Befall Ein lokal begrenzter mi-

krobieller Befall, ein raum-

hygienisches Problem

oder ein mikrobieller Be-

fall in angrenzenden Ge-

bäudeteilen liegt vor.

Ein mikrobieller Befall ist

wahrscheinlich.

Summenkonzentration

> 0,5 bis 1,0 µ/m³

Es liegt vermutlich kein

mikrobieller Befall, son-

dern evtl. ein raum-

hygienisches Problem vor

Ein mikrobieller Befall im

Gebäude ist wahrschein-

lich.

Ein mikrobieller Befall ist

sehr wahrscheinlich

Summenkonzentration

> 1,0 µ/m³

Da keine Hauptindkatoren

nachgewiesen wurden, ist

ein mikrobieller Befall im

Gebäude fraglich.

Ein mikrobieller Befall im

untersuchten Raum oder

unmittelbar angrenzenden

Räumen ist sehr wahr-

scheinlich.

Ein mikrobieller Befall

muss vorhanden sein.

Aktivkohlesammler und Flüssigextraktion

33Leitfaden Umweltmedizin

Tab: Schema zur Bewertung von MVOC-Messungen, auf Basis von drei Hauptindikatoren und fünf-

Nebenindikatoren ( Lorenz 2005, Leitfaden LGA Baden-Württemberg 2001).

Hauptindikatoren: Stoffe bei denen (mit Ausnahme durch Rauchen bei 3-Methylfuran) ein Zusam-

menhang mit mikrobiellen Quellen als gesichert anzusehen ist: 1-Octen-3-ol, 3-Methylfuran, Dime-

thyldisulfid.

Nebenindikatoren: Stoffe, bei denen es evtl. Einflüsse durch andere Quellen gibt, z. B. 3-Meth<l-1-

butanol durch Kochen, Backen oder frischem Holz.

Sammlung mit Tenax und anschließender Thermodesorption

nach Keller 2002:

Summe der acht Hauptindikatoren im Zeitraum März bis Juli

in unbelasteten Wohnungen: = 0,43 µg/m³

Anmerkung:

Es wird stellenweise berichtet, dass es erhöhte MVOC-Konzentrationen in Räumen gibt, ohne dass

eine entsprechende Quelle lokalisiert werden konnte. Dies ist jedoch kein Beweis für die Abwesen-

heit derartiger Quellen. Die erfolgreiche Suche nach den Quellen kann in manchen Fällen extrem

aufwendig sein. Wie eine statistische Auswertung von 100 durch Umweltmediziner im Bereich der

KVWL beauftragten Fälle ergab, waren in nur 16% dieser Fälle die mikrobiellen Schäden visuell er-

kennbar:

Ergebnis der Wohnungsinspektion Anzahl der Fälle in %

Sichtbarer mikrobieller Befall 16 Prozent

typischer Geruch ohne sichtbaren Befall 11 Prozent

Mit bautechnischen Feuchtigkeitsmessungen

lokalisierte versteckte Feuchtigkeitsschäden

43 Prozent

Problemkonstruktionen (Kriechkeller, Hanglage, etc.) 16 Prozent

Expositionsverdacht aufgrund einer ärztlichen Diagnose 14 Prozent

Tabelle:

Erste Anhaltspunkte für einen mikrobiellen Befall bei 100 Fällen, bei denen die nachfolgenden

Untersuchungen zur Lokalisierung mindestens eines Schadens führten.

Leitfaden Umweltmedizin34

3.12.9 Staubanalyse

Luftkeimmessungen stellen nur eine Momentaufnahme der luftgetragenen anzüchtbaren Keime

zum Zeitpunkt der Messung dar. Demgegenüber liefert die Hausstaubanalyse auf anzüchtbare Mi-

kroorganismen eine Übersicht zur Sporenbelastung im Innenraum über mindestens mehrere Tage.

Es werden bei den Fachleuten zurzeit grundsätzlich zwei Methoden diskutiert, nämlich die Analyse

des gesamten Hausstaubes und anderer seits die Analyse gesiebter Hausstaubproben. Auch zur

Probenahme gibt es verschiedene Vorschläge.

Bei der Analyse ungesiebter Proben wirkt sich die individuelle Staubzusammensetzung mit gro-

ben Partikeln stark auf das Messergebnis aus, da ein Vorliegen großer Anteile grober Partikel, z. B.

Sandkörner, zu einem rechnerischen Minderbefund bei der Beziehung KBE/g Staub führt.

Bei den gesiebten Proben dagegen wird befürchtet, dass durch das Sieben Keim-Cluster mecha-

nisch aufgetrennt werden und es zu teils sehr hohen KBE-Konzentrationen kommen kann.

Im Leitfaden des LGA-Baden Württemberg (2001) sind deshalb zwei Bewertungstabellen für ge-

siebte und ungesiebte Staubprobe dargestellt.

Die Bewertung erfolgt auf Basis Art/Gattung und zu erwartende Grundbelastung.

In gesiebten Proben werden z. B. 500.000 KBE/g Cladosporium als normal eingestuft, während

für Aspergillus versicolor 9.000 KBE/g eine Grundbelastung darstellen und für Stachybotrys

chartarum oder Chaetomium normalerweise gar kein Nachweis vorliegt.

Details zur Probenahme, Analyse und Bewertung sind dem Leitfaden des LGA Baden-Württem-

berg (2001) zu entnehmen.

3.13 Bakterien

3.13.1 Allgemeine Hinweise

In feuchten Materialien wachsen in der Regel nicht nur Schimmelpilze, sondern sehr oft zusätz-

lich Bakterien.

Eine statistische Auswertung von 612 Materialproben hat ergeben, dass in zirka 74 Prozent aller

Proben neben Pilzen auch Bakterien nachweisbar waren und in zirka 2 Prozent aller Proben nur

Bakterien und keine Pilze.

Es waren somit zwar fast immer Pilze nachweisbar, wenn Bakterien vorhanden waren, aber es gab

nicht wenige Proben, in denen die Mengen an Pilzen deutlich geringer waren als die der Bakte-

rien.

In feuchten Baumaterialien wachsende Bakterien sollten bei Untersuchungen in Gebäuden des-

halb ebenso beachtet werden.

Bakterien schädigen ebenfalls Materialien, tragen zu Geruchsbelastungen bei und sind nach Mei-

nung einiger Wissenschaftler aus gesundheitlicher Sicht problematischer als Schimmelpilze (z. B.

Peltola 2001).

Es ist nicht so einfach möglich, lichtmikroskopisch die Gattungen oder Arten zu bestimmen, da

sich aus feuchten Materialien isolierte Bakterien morphologisch oft nicht sicher oder nur sehr we-

nig unterscheiden. Hierzu müssten biochemische Verfahren eingesetzt werden. Deshalb ist es mit

vertretbarem finanziellen Aufwand in der Regel nicht möglich, die Bakterien zu differenzieren.

Diese analytischen Schwierigkeiten sind bei Luftkeimmessungen, Staubanalysen und Abklatsch-

proben zu berücksichtigen, da Bewohner und Haustiere starke Bakterienemittenten sind und des-

halb die Anzahl nicht identifizierter Bakterien in der Raumluft keine zufriedenstellenden Bewer-

tungen erlaubt.

Allerdings kann ein Teil der Bakterien relativ zuverlässig den Actinomyceten (Trivialnahem für die

Ordnung Actinomycetales) oder Bakterien der Gattung Bacillus zugeordnet werden.

35Leitfaden Umweltmedizin

Da bei wissenschaftlichen Untersuchungen bereits verschiedene Vertreter von Gattung nachge-

wiesen wurden, die fakultativ pathogene Arten umfassen wie Nocardia, Nocardiopsis und Myco-

bacterium (Mycobaterium murale, siehe Vuorio et al. 1999) oder auch Toxine produzieren (Pelto-

la 2001, Mehrer et al. 2003), sollte man zumindest zum jetzigen Zeitpunkt das Auftreten von Ac-

tinomyceten in Baumaterialien vorsorglich ähnlich einstufen wie das von fakultativ pathogenen

Pilzen oder potentiellen Mykotoxinproduzenten.

Abbildung 4: Pseudonocardia sp. (Foto: HKI, Jena) Abbildung 5: Nocardiopsis sp. (Foto: HKI, Jena)

Abbildung 6: Nocardia carnea (Foto: HKI, Jena) Abbildung 7: Promicromonospora sp. (Foto: HKI, Jena)

Abb. 4 bis 7: Kulturen verschiedener Actinomyceten

Auf Analysemethoden und Probenahme wird an dieser Stelle nicht eingegan-

gen, da hierzu die Angaben zutreffen, wie sie zu den Schimmelpilzen ge-

macht wurden. Allerdings ist zur Kultivierung der Bakterien mindestens ein

zusätzlicher Nährboden erforderlich. Bewährt hat sich der CASO-Agar (CASO

= Casein-Soja). Es sollte bedacht werden, dass einige Actinomyceten sehr

langsam wachsen und deshalb die Auswertung der Kulturmedien ggf. erst

nach 14 Tagen abgeschlossen werden kann.

3.13.2 Bewertung

Zu Staubanalysen gibt es noch keine abgesicherten Referenzwerte.

Bei Materialproben kann man Actinomyceten und Bacillus als Indikatoren für

Feuchtigkeitsschäden einstufen und bei der quantitativen Bewertung ist in

grober Annäherung davon auszugehen, dass gewöhnlich zwei bis drei x grö-

ßere Mengen an bakteriellen Kolonien vorliegen im Vergleich zu Schimmelpil-

zen.

Für Ergebnisse auf Basis von Verdünnungsreihen kann man folgendes Bewer-

tungsschema als Grundlage heranziehen (Vorschlag von Umweltmykologie

GbR, Berlin).

Leitfaden Umweltmedizin36

[KBE/g] Bewertung Bakterien

niedrig <1.000

erhöht 1.000 -10.000

hoch 10.000 -1.000.000

sehr hoch > 1.000.000

Estrich, Putzpartikel, Glaswolle etc. Tapete, Folie, andere flächige Proben

[KBE/ cm²] Bewertung Bakterien

niedrig < 20

erhöht 20 - 200

hoch 200 -20.000

sehr hoch > 20.000

2006 wurde ein durch das UBA gefördertes Forschungsprojekt gestartet. Dieses hat zum Ziel die

Analysemethoden zu optimieren und Erkenntnisse zum Gefährdungspotential von Actinomyceten

zu gewinnen.

3.14 Sanierung mikrobieller Schäden

Nicht selten werden bei der Sanierung von mikrobiellen Schäden grobe Fehler begangen. Es müs-

sen die Ursache geklärt und beseitigt, das mikrobiell besiedelte Material entfernt und der Sanie-

rungsbereich fachgerecht dekontaminiert werden. Außerdem ist auf den richtigen Umgebungs-

schutz und Arbeitsschutz zu achten.

Zur Sanierung wurde vom UBA 2005 der Leitfaden zur Ursachensuche und Sanierung bei Schimmel-

pilzwachstum in Innenräumen, der sog. „Schimmelpilzsanierungs-Leitfaden“ veröffentlicht. Dieser

ist kostenlos beim Umweltbundesamt erhältlich. Wichtige grundsätzliche Informationen zur fachge-

rechten Sanierung sind diesem Leitfaden zu entnehmen.

Den betroffenen Patienten sollte geraten werden, dass sie sich nicht im Sanierungsbereich aufhal-

ten und auch nur Fachleute mit einer nachgewiesenen Qualifikation im Bereich der Schimmelpilz-

sanierung die Sanierung durchführen lassen. Adressen von zertifizierten Fachbetrieben sind über

den Bundesverband Schimmelpilzsanierung BSS e.V. erhältlich (www.schimmelpilz.tv).

37Leitfaden Umweltmedizin

3.15 Literatur zum Thema mikrobielle Schäden in Innenräumen

Madigan, M. T., Martinko J. M., Parker, J., Brock Mikrobiolgie, Dt. Übersetzung: Goebel W. (Hrs.) Spektrum

Akademischer Verlag, Berlin 2000.

RWE Energie-Bauhandbuch, 12. Ausgabe 1998, Seite 1/45.

Hankammer G, Lorenz W: Schimmelpilze und Bakterien in Gebäuden, Rudolf Müller-Verlag, Köln 2003.

Schimmelpilze in Innenräumen - Nachweis, Bewertung, Qualitätsmanagement, LGA Baden Würt-temberg, 14.12.2001.

Handlungsempfehlungen für die Sanierung von mit Schimmelpilzen befallenen Innenräumen, Hrs. Landesgesundheits-

amt Baden-Württemberg, 2004.

Leitfaden zur Vorbeugung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung von Schimmelpilzwachstum in Innenräumen,

Hrsg.: Umweltbundesamt, 2002.

Leitfaden zur Ursachensuche und Sanierung bei Schimmelpilzwachstum in Innenräumen ("Schimmelpilzsanierungs-Leit-

faden"), Hrs. Umweltbundesamt. 2005.

Lorenz W.: MVOC-Bestimmungen zur Erkennung mikrobieller Schäden in Gebäuden. Handbuch für Bioklima und Lufthy-

giene (Hrsg. Moriske, Turowski), Kap. III-4.4.5. ecomed Verlag, Landsberg am Lech. 16. Ergänzungslieferung 12/2005.

Keller, R. 2002, Microbial volatile organic compounds (MVOCs) in Innenräumen: Entwicklung ei-ner Methode zur

Detektion von MVOCs aus Schimmelpilzen. Fortschritt-Berichte VDI Reihe 17 Biotechnik/-Medizintechnik (19)

VDI Verlag Düsseldorf.

Peltola,J.: Microbial growth in building materials and toxigenic microbes in indoor environment. Dissertation

Universität Helsinki, 2001.

Lorenz W., Trautmann C., Dill I., Mehrer, A.: Nachweis und Bedeutung von Actinomyceten und sonstigen Bakterien in

Innenräumen. Handbuch für Bioklima (Hrsg. Moriske, Turowski), Kap. III-4.4.14 ecomed Verlag, Landsberg am Lech,

10. Erg.Lfg. 12/2003.

Vuorio R, Andersson M A, Rainey F A, Kroppenstedt R M, Kämpfer P, Biusse H-J, Viljanen M, Salkinoja-Salonen

M S. A new rapidly growing Mycobacterial species, Mycobacterium murale sp. nov., siolated from the indoor

walls of a children´s day care center. Int J Syst Bacteriol 48. 1999.

Mehrer, Lorenz, Gareis, Trautmann, Kroppenstedt, Stackebrandt. Cytotoxicity of different actinomycetes isolated

from building materials. 5th International Conference on Bioaerosols, Fungi, Bacteria, Mycotoxins and Human Health,

Saratoga Spring, N.Y. U.S.A. 2003.

Leitfaden Umweltmedizin38

4 Laboruntersuchungen - Humanbiomonitoring

4.1 Allgemeines zu umweltmedizinischen Analysen in biologischem Untersuchungsmaterial

Im Bereich der Umweltmedizin hat das Humanbiomonitoring eine große Bedeutung erlangt. Dabei

sollen Belastungen festgestellt werden, die von Gefahrstoffen ausgehen können. Die Gefahrstoffe

können sowohl im häuslichen Bereich als auch durch berufliche Tätigkeit oder in der Freizeit auf-

genommen werden.

Beim sogenannten humanen Belastungsmonitoring wird eine einmalige oder wiederholte Mes-

sung der Konzentration von chemischen Substanzen oder deren Metabolite in menschlichem Un-

tersuchungsmaterial (Blut, Serum, Urin, Haare u. a.) vorgenommen. Dieses Vorgehen soll der Ab-

schätzung der individuellen Gefahrstoffbelastung dienen. Außerdem sollen daraus mögliche biolo-

gische Wirkungen bzw. Krankheitssymptome abgeleitet werden.

Darüber hinaus kann es durch das Effektmonitoring mit einer einmaligen oder wiederholten Messung

der Konzentrationen biologischer Parameter, die von Belastungen durch Umwelteinflüsse beeinflusst

werden, indirekte Hinweise auf Schadstoffbelastungen geben. Da diese Parameter unspezifisch sind,

können sie nur im Zusammenhang mit der Belastung bewertet werden.

Das Spektrum der möglichen Gefahrstoffe reicht von Metallen über Lösungsmittel und Holz-

schutzmittel hin zu zumeist anderen organischen Substanzen. Aufgrund der individuellen Lebens-

situation der Menschen können bei der Untersuchung unterschiedliche Belastungen festgestellt

werden, die als Hintergrundbelastungen zu bewerten sind oder einem spezifischen Verhalten zu-

geordnet werden können.

Wichtige Kriterien bei der Durchführung von Humanbiomonitoring sind:

Fachgerecht gewonnene Untersuchungsproben

Validierte chemische Analyseverfahren für die Analyte

Toxikologische Erkenntnisse über die biologischen Wirkungen, den Metabolismus sowie

dieToxikokinetik und die Toxikodynamik

Bewertungskriterien für die Daten des Biomonitoring sowie Daten zu

Hintergrundbelastungen

4.2 Probengewinnung, -transport und -lagerung

(präanalytische Phase)

Die fachgerechte Gewinnung der Proben für das Humanbiomonitoring ist von entscheidender Be-

deutung für die spätere Aussagekraft des Messergebnisses. Bei der Wahl des Probenmaterials ist

zu berücksichtigen, dass physikalische, chemische oder mikrobielle Vorgänge bei Probengewin-

nung, -transport und -lagerung zur Unbrauchbarkeit der Proben führen können. Es ist zu empfeh-

len, vom Analyselabor Entnahmematerial, Versandgefäße und Informationen zur Probengewin-

nung anzufordern. Die Untersuchungsmaterialien sind darüber hinaus eindeutig zu kennzeichnen,

damit eine spätere, verwechslungsfreie Zuordnung zu einem Patienten möglich ist. Ferner muss

ein möglichst schneller Transport zum Untersuchungslabor gewährleistet sein, damit es nicht zu

einer Veränderung der Untersuchungsproben kommt; ggf. sind Proben auf dem Transport zu küh-

len. Zu beachten ist weiter, dass für den Versand biologischer Materialien die Richtlinien für hu-

manbiologische Materialien gelten.

Der Zeitpunkt der Probenahme ist ebenfalls von zentraler Bedeutung für die Bewertung eines Un-

tersuchungsergebnisses. Länger zurückliegende Expositionen auch durch hohe Konzentrationen

flüchtiger organischer Substanzen, wie z. B. aromatische Lösungsmittel, können meist durch das

Humanbiomonitoring nicht mehr erfasst werden, da die Substanzen vom Organismus entweder

39Leitfaden Umweltmedizin

wieder eliminiert bzw. metabolisiert oder in andere Körperkompartimente verteilt worden sind.

Auch bei Schwermetallen kann eine länger zurückliegende Exposition nicht mehr durch eine Blut-

untersuchung nachgewiesen werden.

Zur Probengewinnung werden i. d. Regel folgende Materialien verwandt:

Harnproben: Einmalkunststoffgefäße (zirka 50 bis 100 ml, Weithals) mit Schraubverschluss. Für besondere Fragestellungen kann die Sammlung des 24-Stundenurins in Polyethylengefäßen mit Weithals Schraubverschluss angezeigt sein.

Vollblutproben: Für die Untersuchung anorganischer Substanzen (Metalle) eignet sich am besten Venenblut. Als Antikoagulanz sollte K-EDTA verwandt werden. Die Entnahme kann z. B. mit Monovetten® oder Vacutainern® vorgenommen werden. Sie können dann auch als Transport- und Lagergefäße dienen. Für die meisten Untersu-chungen auf anorganische Schadstoffe reichen 5 ml Venenblut aus.

Für die Entnahme von organischen Substanzen wie halogenierten Kohlenwasserstoffen oder aro-

matischen Kohlenwasserstoffen eignen sich am besten Glasgefäße wie Vacutainer® aus Glas mit

teflonkaschiertem Stopfen und Antikoagulanz. Für leichtflüchtige Substanzen wie Benzol, Toluol

oder Tetrachlorethylen wird die Untersuchungsprobe am besten sofort in ein vom Labor zur Ver-

fügung gestelltes head space Glas überführt, um Verdampfungsverluste zu vermeiden. Zumeist

sind 10 ml Vollblut für die analytischen Untersuchungen erforderlich.

Plasmaproben: Plasmaproben eignen sich als Untersuchungsmaterial für einige Metalle(siehe Tabelle S. 40-44) sowie für schwerflüchtige organische Substanzen. Die Entnahme erfolgt ebenfalls mit Monovetten® oder Vacutainern® mit K-EDTA Zusatz. Das Plasma wird nach Abzentrifugieren in Kunststoffröhrchen (für Metalle) oder in Glastransportgefäße (für organische Substanzen) überführt. Plasmaproben eignen sichzur Untersuchung vor allem dann, wenn die Proben für längere Zeit tiefgefroren wer-den sollen.

Alle Arten von Proben für das Humanbiomonitoring sollten unmittelbar nach der Probenahme

zum Untersuchungslabor übersandt werden. Dabei ist eine Lagerung im Kühlschrank bei 4° C für

bis zu sieben Tagen möglich; spätestens dann sollten die analytischen Untersuchungen erfolgen.

Eine längere Aufbewahrung bei -20° C ist für Plasma- und Harnproben möglich.

4.3 Welche Schadstoffe und Metaboliten können beim Humanbiomonitoring untersucht werden?

Die quantitative Bestimmung von Schadstoffen in biologischem Material erfolgt mit chemisch-

analytischen Techniken. Dabei muss zunächst die genaue Fragestellung bekannt sein. Im Gegen-

satz zu arbeitsmedizinisch-toxikologischen Untersuchungen ist für umweltmedizinische Frage-

stellungen ein anderer Konzentrationsbereich als relevant zu betrachten. Die Methoden für die

analytische Bestimmung sind jedoch im Wesentlichen gleich oder zumindest ähnlich.

Die bedeutendsten Parameter, für die valide Methoden vorliegen, sind in den Tabellen 1 und 2 (s.

Literaturliste ab Seite 40-44) aufgeführt. Darüber hinaus gibt es weitere validierte Untersu-

chungsmethoden, die in Fachpublikation bzw. Methodensammlungen genannt sind.

4.4 Analytische Qualitätssicherung

Die von den Untersuchungslaboratorien erstellten Ergebnisse für das Humanbiomonitoring die-

nen der Findung einer medizinischen Diagnose. Deshalb ist es wichtig, zuverlässige Analyseer-

gebnisse zu erhalten, um Fehler zu minimieren. Neben den Fehlern, die vor allem in der präanaly-

tischen Phase gemacht werden können (falsches Entnahmebesteck, zu lange Transportzeit), kön-

Leitfaden Umweltmedizin40

nen auch Fehler bei den chemischen Untersuchungen auftreten. Untersuchungslabore, die Hu-

manbiomonitoring Untersuchungen durchführen, sollten die angesprochenen validierten Unter-

suchungsmethoden einsetzen. Sofern keine Methoden existieren, müssen die neu entwickelten

Methoden nach statistischen Kriterien validiert werden.

Die Untersuchungslaboratorien sollten vor allem ein eigenes Qualitätsmanagementsystem eta-

bliert haben. Wesentliche Kriterien sind dabei die externe und die interne Qualitätssicherung.

Gefahrstoff Aufnahmequelle Messparameter Untersuchungs-

material

Benötigtes

Volumen

Aluminium Nahrung und TrinkwasserAl-haltige Me-

dikamente (Antacida), Al-haltige

Küchenutensilien

Al Urin

Plasma

20 ml

5 ml

Arsen Luft (Verbrennung fossiler Brennstoffe),

Trinkwasser und Nahrungsmittel, insbe-

sondere mit Fisch und Krustaceen

Kontaminierte Böden

As Urin 20 ml

Blei Luft, Wasser und Nahrungsmittel (blei-

haltige Rohre, Blei-Additiv im Kraftstoff,

kontaminierte Böden) latrogene Aufnah-

me über Tinkturen und Medikamente

Pb Vollblut 5 m

Cadmium Luft, insbesondere Tabakrauch, Trink-

wasser und Nahrungsmittel (kontami-

nierte Böden, cadmierte Leitungssyste-

me, spezielle Nahrungsmittel, z. B. Nie-

ren mit hohem Cadmium-Gehalt)

Cd Vollblut

Urin

5 ml

20 ml

Chrom Trinkwasser und Nahrungsmittel

(Altlasten, kontaminierte Böden)

Cr Urin 20 ml

Fluor

(als Fluorid)

Aufnahme mit Nahrungsmittel

und Trinkwasser

F- Urin 20 ml

Kobalt Alt Kontamination in Lebensmitteln,

iatrogene Aufnahme mit Medikamenten,

essentielles Spurenelement

Co Vollblut

Urin

5 ml

20 ml

Kohlenmonoxid Tabakrauch, Abgase von Verbrennungen CO-Hb Vollblut 1 ml

Kupfer Kontaminiertes Trinkwasser (Kupfer-

leitungen) und Nahrungsmittel

(Kochutensilien aus Kupfer)

Cu Urin

Serum

10 ml

2 ml

Mangan Trinkwasser und Nahrungsmittel Mn Urin 20 ml

Tabelle 1:

Biomonitoring von anorganischen Umweltgefahrstoffen in Blut- und Harnproben (Literatur)

41Leitfaden Umweltmedizin

Gefahrstoff Aufnahmequelle Messparameter Untersuchungs-

material

Benötigtes Volumen

Nickel Luft (Verbrennung

fossiler Brennstoffe),

Nahrungsmittel und

Trinkwasser

Ni Urin 20 ml

Palladium Luft (Palladiumhalti-

ge Katalysatoren)

sowie Pd-haltige

Zahnfüllmaterialien

Pd Urin 20 ml

Platin Platinhaltige Kataly-

satoren, Platin in der

Zahnmedizin

Pt Urin 20 ml

Quecksilber Trinkwasser und

Nahrungsmittel

(Meeresfrüchte),

Amalgamfüllungen,

kontaminierte Räu-

me (Thermometer)

Hg Urin

Vollblut

10 ml

5 ml

Selen Trinkwasser und

Nahrungsmittel (er-

höhte Selengehalte

von Böden und in

Wasser); iatrogene

Aufnahme

Se Serum

Urin

3 ml

10 ml

Thallium Exposition nur regio-

nal in der Nähe von

Emittenten relevant

Tl Urin 10 ml

Wismut Iatrogen über Wis-

muthaltige Medika-

mente

Bi Urin 10 ml

Zink Kontaminierte Nah-

rungsmittel

Zn SerumUrin 2 ml

10 ml

Leitfaden Umweltmedizin42

Tabelle 2: Biomonitoring von organischen Umweltgefahrstoffen in Blut- und Harnproben

s. Literaturliste

Gefahrstoff Aufnahmequelle Messparameter Untersuchungs-

material

Benötigtes Volumen

Aromat. Kohlenwas-

serstoffe:

Benzol

Toluolm-Xylol

Ethylbenzol

Industrielle Lösungs-

mittel, Lackinhalts-

stoffe, Autoabgase,

Zigarettenrauch

Benzol

Toluolm-Xylol

Ethylbenzol

Vollblut 2 ml Ampullenglas

Carbamate: Propoxur Nahrungsmittel,

Trinkwasser, Luft,

Verwendung als

Pestizid

2-Isopropoxyphenol Urin 30 ml

Gefahrstoff Aufnahmequelle Messparameter Untersuchungs-

material

Benötigtes Volumen

Chlorbenzole (CB):

Mono-, Di-, Tri,

Tetra-CB

Lösungsmittel für

Herbizidformulierun-

gen, Flecken- und

Teerentferner, Deo-

dorantien (s. Wrbitz-

ky et al. 1994)

Chlorphenole Urin 20 ml

Chlorphenole (CP):

Mono-CP

Di-CP

Tri-CP

Tetra-CP

Desinfektionsmittel,

Stoffwechselproduk-

te von Chlorbenzo-

len und Hexachlorcy-

clohexanen (s.

Wrbitzky et al. 1994),

Verwendung als Her-

bidzide

Chlorphenole Urin 20 ml

Chlorphenoxycar-

bons.

Und Derivate:

Bifenox

2,4 D

Dichlor-4-prop2-

Methylchlorpheno-

xycarbons.

Mecoprop

Nahrungsmittel,

Trinkwasser, Luft,

Verwendung als

Pestizid,

2,4-

Dichlorphenol

2,4-D

Dichlorprop

MCPA

Mecoprop

Urin

Urin

Urin

Urin

Urin

50 ml

60 ml

60 ml

60 ml

60 ml

Dithiocarbamate:

Maneb

Mancozeb

Zineb

Methiram

Propineb

Nahrungsmittel,

Trinkwasser, Luft,

Verwendung als

Pestizid, 2-Thio-Thiazolidin-4-

caboxylsäure

(TTCA)

Urin

Urin

Urin

Urin

Urin

30 ml

30 ml

30 ml

30 ml

30 ml

43Leitfaden Umweltmedizin

Gefahrstoff Aufnahmequelle Messparameter Untersu-

chungs-

material

Benötigtes

Volumen

DDT Pestizid, das in Deutschland

verboten ist, aber speziell in

Dritte Weltländern noch an-

zutreffen ist (Einsatz in Le-

derwaren).

p.p.-DDE Serum 2 ml

Hexachlorcyclo-

hexanea

α−HCH

β−HCH

γ−HCH

Insektizid, Holzschutzmittel,

Mittel gegen Ekoparasiten

Anwendungsverbot in

Deutschland

α−HCH

β−HCH

γ−HCH

Serum 2 ml (Glasge-

fäß)

Hexachlorbenzol (HCB) Nahrung HCB Serum 2 ml (Glasgefäß)

Kondensierte aromat.

Kohlenwasserstoffe (PAH)

Verbrennung von fossilen

Brennstoffen, insbesondere

bei Pyrolyse, Zigaretten-

rauch, geräucherte Nah-

rungsmittel, Autoabgase

1-Hydroxypyren

OH-Phenanthrene

Urin

Urin

5 ml

20 ml

Passivrauchen In Innenwohnräumen durch

Tabakrauch

Cotinin

Cotinin

Serum

Urin

2 ml

5 ml

Pentachlor-

phenol (PCP)

Früher als Holzschutzmittel

und Pestizid (Papier, Teppiche

etc.) Seit 1989 PCP-Verbot in

Deutschland, findet sich in

Importwaren (Leder, Kleider)

PCP

PCP

Serum

Urin

2 ml

(Glasgefäß)

5 ml

(Glasgefäß)

Pyrethroide:

(Beta-)Cyfluthrin

(Lambda-)Cyhalothrin

(Alpha-)Cypermethrin

Deltamethrin

Fenpropathrin

Fenvalerat

Permethrin

Nahrungsmittel, Trinkwasser,

Luft, Verwendung als Pesti-

zid,

Cl²CA¹), 4-F-3-

PBA²)

3-PBA³

Cl²CA, 3-PBA

Br2CA4), 3-PBA

3-PBA

3-PBA

Cl2CA, 3-PBA

Urin

Urin

Urin

Urin

Urin

Urin

Urin

30 ml

30 ml

30 ml

30 ml

30 ml

30 ml

30 ml

Polychlorierte Biphenyle

(PCB)

Nahrungsmittel, PCBs wur-

den als Hydrauliköl und Kon-

densatorflüssigkeiten einge-

setzt. Relevant im Indoor-Be-

reich, Dichtungsmassen,

Leuchtstoffröhrenkondensa-

toren

PCB Serum 3 ml (Glasgefäß)

Leitfaden Umweltmedizin44

Gefahrstoff Aufnahmequelle Messparameter Untersuchungs-

material

Benötigtes Volumen

Polychlorierte Diben-

zo-p-Dioxine und Di-

benzofurane

Verbrennung halo-

genhaltiger Substan-

zen bei entsprechen-

den Temperaturen

Dibenzodioxine und

Dibenzofurane

Vollblut 50 ml

Halogenierte Kohlen-

wasserstoffe:

Tetrachlorethen

Trichlorethen

1,1,1-Trichlorethan

Leicht flüchtige or-

ganische Lösungs-

mittel, u. a. in chemi-

schen Reinigern,

Fleckentferner, Na-

gellackentferner

Tetrachlorethen

Trichlorethen

1,1,1-Trichlorethan

Vollblut 2 ml Ampullengefäß)

1) 3-(2,2-Dichlorvinyl)-2.2-dimethylcyclopropan-1-Carbonsäure

2) 4-Fluor-3-phenoxybenzoesäure

3) 3-Phenoxybenzoesäure

4) 3-(2,2-Dibromvinyl)-2,2-Diemthylcyclopropan-1-Carbonsäure

Für die interne Qualitätssicherung ist es notwendig, arbeitstäglich laborinterne Präzisions- und

Richtigkeitskontrollen für die jeweils abgearbeiteten Analyseverfahren durchzuführen. Für diese

Kontrollen sind kommerziell erhältliche Referenzmaterialien einzusetzen.

Für die externe Qualitätssicherung ist die erfolgreiche Teilnahme an Ringversuchen ein wichtiges

Instrument zur Überprüfung der Laborqualität. Die Anerkennung durchgeführter arbeitsmedizi-

nisch-toxikologischer Untersuchungen ist in Deutschland entsprechend TrgA 410 zur Gefahrstoff-

verordnung an die erfolgreiche Teilnahme an halbjährlich stattfindenden Ringversuchen gebun-

den; in diesem Zusammenhang werden auch Ringversuche für umweltmedizinische Humanbio-

monitoring-Untersuchungen angeboten.

Darüber hinaus sind im Rahmen der statistischen Qualitätssicherung die Richtlinien der Bundes-

ärztekammer zu berücksichtigen.

4.5 Bewertung von Analyseergebnissen beim Humanbiomonitoring

Untersuchungsergebnisse aus dem Humanbiomonitoring sind nur dann bei der Findung einer me-

dizinischen Diagnose hilfreich, wenn Bewertungskriterien vorliegen. Die Bewertungskriterien sol-

len im Idealfall bei der Interpretation der Analyseergebnisse helfen und die Aussage zulassen, ob

Gesundheitsbeeinträchtigungen durch den in einer bestimmten Höhe nachgewiesenen Analyten

möglich oder wahrscheinlich sind. Die in den Tabellen 3 und 4 (S. 46 bis 49) angegebenen Refe-

renzwerte entsprechen zunächst nur dem 95. Perzentil einer beruflich nicht exponierten Perso-

nengruppe. Aus dieser Definition ergab sich statistisch jedoch die Aussage, dass fünf Prozent der

Allgemeinbevölkerung Konzentrationen im Blut/Urin aufweisen, die oberhalb des Referenzwertes

liegen. Somit kann bei der Überschreitung des Referenzwertes keine gesundheitliche Relevanz

abgeleitet werden. Es ist jedoch möglich festzustellen, ob es bei exponierten Menschen zu einer

Aufnahme des betrachteten ubiquitär vorkommenden Schadstoffes über ein in der Allgemeinbe-

völkerung übliches - Maß gekommen ist. Dabei sind verschiedene Einflussfaktoren wie z. B. Alter,

Geschlecht, Region und Ernährung mit zu berücksichtigen.

45Leitfaden Umweltmedizin

Von der Kommission Human-Biomonitoring beim Umweltbundesamt sind für einige Schadstoffe

sogenannte Humanbiomonitoringwerte (HBM) I und II festgelegt worden, die im Internet abzuru-

fen sind unter: www.bundesamt.de / HBM-Kommission.htm.

Der HBM I-Wert entspricht der Konzentration eines Stoffes in einem Körpermedium, bei dessen

Unterschreitung nach dem aktuellen Stand der Bewertung durch die Kommission Humanbiomo-

nitoring nicht mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung zu rechnen ist und somit kein Hand-

lungsbedarf besteht. Bei einer Überschreitung des HBM I–Wertes sollte zunächst eine Befundkon-

trolle erfolgen. Bei Bestätigung der Belastung sollte nachfolgend die Belastungsquelle ermittelt

und eliminiert werden.

Der HBM II–Wert entspricht der Konzentration eines Stoffes in einem Körpermedium, bei deren

Überschreitung nach dem aktuellen Stand der Bewertung durch die Kommission eine für die Be-

troffenen als relevant anzusehende gesundheitliche Beeinträchtigung möglich ist. Bei einer Über-

schreitung des HBM II–Wertes sollte ebenfalls zunächst eine Befundkontrolle erfolgen. Bei Bestä-

tigung der Belastung sollte nachfolgend die Belastungsquelle ebenfalls ermittelt und eliminiert

werden. Darüber hinaus sollte eine längerfristige Beobachtung des Betroffenen mit Überprüfung

des Schadstoffes erfolgen.

Somit ist der HBM I-Wert als Prüf- oder Kontrollwert und der HBM II–Wert als Maßnahmenwert an-

zusehen.

Bewertungskriterien für das Humanbiomonitoring sind in den Tabellen 3 und 4 aufgeführt.

4.6 Grenzen des Humanbiomonitoring

Das Humanbiomonitoring ist eine wichtige Methode zur Diagnosefindung bei umweltbedingten

Gesundheitsbeeinträchtigungen. Allerdings ergeben sich bei verschiedenen Fragestellungen

Grenzen, die den Einsatz des Humanbiomonitoring limitieren bzw. verbieten:

Der potenzielle Schadstoff, der für die Gesundheitsbeeinträchtigung verantwortlich sein soll, muss bekannt sein. Es ergibt wenig Sinn, eine große Palette an Untersu-chungen durchzuführen, wenn kein konkreter Verdacht vorliegt.

Die zu untersuchenden Schadstoffe müssen in messbaren Konzentrationen in den Untersuchungsmaterialien (meistens Urin oder Blut) vorliegen.

Stoffe, die in relevanten Konzentrationen endogen gebildet werden, können nicht be-trachtet werden.

Stoffe, für die keine valide oder ausreichend empfindlichen Analysemethoden vorlie-gen, können nicht durch das Humanbiomonitoring erfasst werden.

Wenn Beurteilungskriterien wie Referenzwerte oder HBM - Werte nicht vorliegen, dannist die Verwertung von Analyseergebnissen für die medizinische Diagnosefindung schwierig bis unmöglich.

Mehrere Substanzen, die als Einzelsubstanzen keine auffälligen Konzentrationen auf-weisen, können in ihren möglichen synergistischen Wirkungen nicht beurteilt werden.

Somit bleibt festzuhalten, dass das Humanbiomonitoring ein wichtiger Bestandteil der Umwelt-

medizin ist, dessen Einsatz in jedem Einzelfall abgewogen werden muss.

Leitfaden Umweltmedizin46

Tabelle 3: Bewertung von Biomonitoringdaten bei einer Exposition gegenüber anorganischen

Umweltgefahrstoffen (Literatur)

Gefahrstoff Messparameter Referenzwert/

Referenzbereich

Grenzwerte

HBM-Werte

Bemerkungen

Aluminium Al-U

Al-P

< 30 µg/l

< 10 µg/l

Hohe Kontaminationsge-

fahr bei der Probenahme

durch Entnahmebestecke;

Serumtrennmittel enthal-

ten hohe Al-Konzentra-

tionen; EDTA-Monovetten

verwenden; säuregespül-

te und verschlossene Be-

hälter für die Harnunter-

suchung

Arsen As-U < 20 µg/l Der Grenzwert bezieht

sich auf den mit der Hy-

drid-AAS erfassbaren to-

xikologisch relevanten

Anteil; die Gesamtarsen-

Ausscheidung wird durch

Arsen „maritimen“ Ur-

sprungs wesentlich be-

einflusst

Blei Pb-B < 60 µg/l* Kinder

(6-12 J.)

< 90 µg/l, Frauen

< 120 µg/l, Männer

HBM I: 100 µg/l*

HBM II: 150 µg/l*

HBM I: 150 µg/l übr.

HBM II: 250 µg/l übr.

Die innere Bleibelastung

des Menschen ist in den

letzten Jahren, insbeson-

dere in Deutschland er-

heblich zurückgegangen

und wird durch die Elimi-

nation von Blei als Zu-

satz zu Kraftfahrzeug-

treibstoffen noch gerin-

ger werden

Cadmium Cd-B

Cd-U

Kinder (6-12 J.)

0,5 /l Erwa. (25-69

J.)

1,0 µg/lnicht rau-

chend

Kinder (6-12 J.)

0,5 µg/g Kreat.

***Erwa. (25-69 J.)

1 µg/g Kreat. nicht

rauchend

5 µg/g Kreat. Bei Rauchern finden sich

höhere Werte als bei

Nichtrauchern. Wegen

der Akkumulation im Or-

ganismus Anstieg der

Konzentrationswerte mit

dem Lebensalter. Die

Cadmiumausscheidung

im Harn wird als Indika-

tor der Gesamtkörperlast

an Cadmium eingestuft

47Leitfaden Umweltmedizin

Gefahrstoff Messparameter Referenzwert/

Referenzbereich

Grenzwerte

HBM-Werte

Bemerkungen

Chrom Cr-U < 1,5 µg/l Kontaminationsge-

fahr bei der Probe-

nahme

Kobalt Co-B

Co-U

< 0,1 µg/l

< 0,5 µg/l

Essenzielle Spuren-

elemente

Kohlenmonoxid Co-Hb-B < 1%Stark abhängig vom

Rauchverhalten

Kupfer Cu-U

Cu-S

< 20 µg/l

0,6-1,5 mg/l

Essenzielles Spuren-

element, erhöhte

Ausscheidungen im

Harn nur bei sehr

hoher Kupferaufnah-

me

Mangan Mn-U < µg/l Essenzielles Spuren-

element, erst bei re-

lativ hohen Bela-

stungen kommt es

zu einer vermehrten

renalen Elimination

Nickel Ni-U < 1,5 µg/l Raucher können et-

was höhere Werte

als Nichtraucher auf-

weisen

Palladium Pd-U < 0,1 µg/l Sehr niedrige Kon-

zentrationen (ng-Be-

reich

Platin Pt-U < 15 ng/l Ausscheidungen im

Nanogramm-Bereich

Quecksilber Hg-B

Hg-U

Kinder (6-12 J.) 1,0

µg/g Kreat.Erwa.

(25-69 J.) 1,0 µg/g

Kreat.ohne Amalgan-

füllung

Kinder (6-12 J.) 1,0

µg/g Kreat.Erwa.

(25-69 J.) 1,0 µg/g

Kreat. ohne Amal-

ganfüllung

HBM-I Erwachsene

5 µg/lHBM-II

15 µg/l

HBM-I Erwachsene

5 µg/g Kreat.HBM-II

20 µg/g Kreat.

Die Quecksilberaus-

scheidung im Harn

ist ein Maß für eine

Belastung gegen-

über metallischem

und anorganischem

Quecksilber; die Auf-

nahme von organi-

schen Hg-Verbindun-

gen führt in erster

Linie zu höheren

Blutquecksilberspie-

geln

Leitfaden Umweltmedizin48

Gefahrstoff Messparameter Referenzwert/

Referenzbereich

Grenzwerte

HBM-Werte

Bemerkungen

Selen Se-S

Se-U

60 - 100 µg/l

< 25 µg/l

Esseztielles Spuren-

element; es kann

auch ein Selenman-

gel erfasst werden

Wismuth Bi-U < 1 µg/l

Zink Zn-S

Zn-U

0,8-1,3 mg/l

< 1500 µg/l

Essenzielles Spuren-

element, erhöhte

Zinkspiegel nach ho-

her Zinkaufnahme

* Risikogruppen ** Nichtraucher *** Kinder

Tabelle 4: Bewertung von Biomonitoringdaten bei einer Exposition gegenüber

organischen Umweltgefahrstoffen (Literatur)

Gefahrstoff Messparameter Referenzwert/ Refe-

renzbereich

Grenzwerte HBM-

Werte

Bemerkungen

Aromat. Kohlenwas-

serstoffe:

Benzol

Toluolm-Xylol

Ethylbenzol

Benzol-B

Toluol-B

m-Xylol-B

Ethylbenzol-B

< 1 µg/l

< 5 µg/l

< 3 µg/l

< 2 µg/l

Gewinnung der Blut-

proben möglichst di-

rekt nach Exposition,

Raucher weisen hö-

here Werte auf als

Nichtraucher

Chlorbenzole (CB):

Mono-, Di-, Tri, Tetra-

CB

Chlorphenole-U siehe CP-U siehe Chlorphenole

Chlorphenole CP):

Mono-CP

Di-CP

Tri-CP

Tetra-CP

Chlorphenole-U

< 8 µg/l

< 35 µg/l

< 10 µg/l

< 25 µg/l

DDT p.p.-DDE < 12 µg/l Metabolit des DDT,

nachweisbar in der

Bevölkerung

Hexachlorcyclo-

hexane

α-HCH-

β-HCH

γ-HCH

HCH-Vollblut

*(Alter!)

< 0,3 µg/l

< 0,3 µg/l -1,3 µg/l *

(Alter)

< 0,3 µg/l

Die Serumkonzentra-

tion in der Bevölke-

rung liegt im unte-

ren Nanogramm/l-

Bereich

Hexachlorbenzol

(HCB)

HCB-S < 4 µg/l In Blutproben der

Allgemeinbevölke-

rung deutlich nach-

weisbar

49Leitfaden Umweltmedizin

Gefahrstoff Messparameter Referenzwert/

Referenzbereich

Grenzwerte

HBM-Werte

Bemerkungen

Polycytische

aromat. Kohlenwas-

serstoffe (PAH)

1-PH-U

ΣOH-

Phenanthrene

< 2 µg/l

< 0,8 µg/l

1-Hydroxypyren wird

heute als Indikator

einer PAH-Belastung

verwendet, hydroxy-

lierte-Phenanthrene

können als weitere

Indikatoren verwen-

det werden

Passivrauchen Cotinin-U

Cotinin-S

< 10 µg/g

Kreat.(Nichtraucher)

Cotinin wird üblicher-

weise zur Erfassung

einer inhalativen Ta-

bakrauchauf-nahme

verwendet, Raucher

weisen wesentlich

höhere Werte als

Nichtraucher auf

Pentachlorphenol

(PCP)

PCP-S

PCP-U

< 12 µg/l

< 8 µg/l

6 µg/g Kreat.

HBM I: 40 µg/l

HBM II 70 µg/

l Serum

HBM I: 20 µg/l

HBM II: 30 µg/l Urin

PCP ist trotz Verbot

in Untersuchungs-

materialien von der

Allgemeinbevölke-

rung immer noch

nachweisbar. Import-

waren

Pyrethroide Pyrethroidmetabolite < 0,7 µg/l * Referenzwerte von

Cl2CA und 3-PBA

Polychlorierte Biphe-

nyle (PCB)

PCB-Vollblut ∑ (-138

+ - 153 + -180)

∑ PCB µg/l

18-19 Jahre: 1,1

20-29 Jahre: 2,0

30-39 Jahre: 3,2

40-49 Jahre: 5,1

50-59 Jahre: 6,4

60-69 Jahre 7,8

Kinder 9-11 J. 0,9

Wegen der Akkumu-

lation im Organismus

Anstieg der Konzen-

trationswerte mit

dem Lebensalter, al-

tersadaptierte

Grenzwerte!

Polychlorierte Diben-

zo-p-Dioxine und Di-

benzofurane

Dibenzodioxine u.

Dibenzofurane-B

Toxizitätsäquivalen-

te 40 pg/g Blutfett

nach BGA/UBA / 80

pg/g Blutfett nach

NATO-CCMS ***

Wegen der Akkumu-

lation im Organismus

deutlicher Anstieg

der Werte mit dem

Lebensalter

Halogenierte Kohlen-

wasserstoffe:Tetra-

chlorethen

Trichlorethen

1,1,1-Trichlorethan

Tetrachlorethen-B

Trichlorethen-B

1,1,1-Trichlorethan-B

< 1 µg/l

< 0,3 µg/l/

< 1,3 µg/l

Probenahme mög-

lichst direkt nach Ex-

positionsende

B: Vollblut U: Urin S: Serum P: Plasma * Lit: BUTTE et al. 1998 *** nach EWERS et al., 1993

Leitfaden Umweltmedizin50

4.7 Literatur zum Thema Biomonitoring

J. Angerer, G. Lehnert, Anforderungen an arbeitsmedizinisch-toxikologische Analysen,

Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 37, 2331 - 2339 (1997).

K-H. Schaller, J. Angerer, Biomonitoring in der Umweltmedizin, Umweltmed. Forsch. Prax. 3 (3)

168 - 175 (1998).

5 Interventionsmöglichkeiten in der Umweltmedizin

Mögen auch die Einwirkungs- und Behandlungsmöglichkeiten in der Umweltmedizin begrenzt

sein, so ist doch therapeutischer Nihilismus fehl am Platze. Die nachfolgende Zusammenfassung

gibt einen Überblick über sinnvolle (und sinnlose) Behandlungskonzepte.

5.1 Individuelle Expositionsvermeidung

Dabei handelt es sich im Allgemeinen um die wirksamste und einleuchtendste Methode: Bei nach-

gewiesener oder vermuteter Schadstoffbelastung liegt die Lösung im Ausziehen aus der Woh-

nung bzw. in der Entfernung der Schadstoffquelle bzw. Vermeidung des Kontaktes mit demselben

durch bauliche Veränderungen (z. B. Abhobeln, Einkleiden, Hinterlüftung, größere bauliche Sanie-

rung, Eröffnung von Lüftungsmöglichkeiten).

Der Arzt sollte sich dabei vor zu weit gehenden Sanierungsempfehlungen technischer Art hüten

und sich auf das medizinische Fachgebiet beschränken. Man gebe dem Patienten Hinweise auf die

Notwendigkeit technisch orientierter Baugutachten und begrenze sich ansonsten auf die Feststel-

lung von Gesundheitsschäden bzw. drohenden Gefahren sowie Empfehlungen zur Vermeidung

dieser Gefahren.

Die gentechnische Analyse umweltentgiftender Enzyme mag dabei in der Zukunft zur Vermei-

dung individuell nicht abbaubarer Belastungen Bedeutung gewinnen.

5.2 Gesamtgesellschaftliche Expositionsvermeidung

Umweltmedizin ist kein rein individualmedizinisches Fach. Eine enge Vernetzung zwischen öffent-

lichem Gesundheitsdienst und umweltmedizinischen Praxen ist erforderlich. Die Vertragsärzte

sind aufgerufen, ihr umweltmedizinisches Fachwissen im Rahmen der allgemeinen Gesundheits-

vorsorge durch Zusammenarbeit mit Verbraucherzentralen, Gesundheitsämtern, Bürgerinitiati-

ven, Parteien, Selbsthilfegruppen usw. der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. Wichtig er-

scheint dabei, sich selbst und dem Patienten klar zu machen, dass ein zwar erkennbares, aber für

den einzelnen Patienten geringes Risiko hochgerechnet auf die Gesamteinwohnerzahl zu nen-

nenswerten Raten von Erkrankungen und Todesfällen führen kann.

5.3 Spezifische Therapien

Bei den umweltmedizinisch verursachten Erkrankungen haben wir es in aller Regel mit den aus

Studium, Klinik und Praxis bekannten Erkrankungen zu tun (z. B. Lärmschwerhörigkeit, Lungen-

krebs, Konjunktivitis usw.) Diese werden (neben der Expositionsvermeidung) in der üblichen Art

und Weise therapiert. Darüber hinaus wird versucht, spezifisch umweltbedingte Krankheitsentitä-

ten neu zu bestimmen, z. B. die „Multiple Chemikaliensensitivität“ (MCS), das „Holzschutzmittel-

Syndrom“ (HMS), das „Chronische Müdigkeitssyndrom“ (CFS), das „Sick-Building-Syndrom“ (SBS)

u. ä. vegetative Beschwerdekomplexe sowie Befindlichkeitsstörungen. Die Meinungsbildung über

51Leitfaden Umweltmedizin

die Abgrenzbarkeit dieser Syndrome gegenüber bekannten Erkrankungen bzw. psychosomati-

schen Krankheitsbildern ist noch nicht abgeschlossen; mangels gesicherter Erkenntnisse über die

Pathogenese und Pathophysiologie können auch keine zuverlässigen Therapiekonzepte angege-

ben werden.

Zur Behandlung akuter Vergiftungen sei auf die entsprechenden toxikologischen Lehrbücher ver-

wiesen.

5.4 Unspezifische Therapien

5.4.1 Patientenführung

Zur Vermeidung der Entwicklung von Umweltängsten, Resignation und Ohnmachtsgefühlen ist

bei nachgewiesenen oder vermeintlichen Schadstoffbelastungen unbedingt eine einfühlsame und

behutsame Auseinandersetzung mit den Besorgnissen des Patienten notwendig.

Dazu gehören der sichere Ausschluss von nicht vorhandenen Noxen (soweit möglich), klare Aus-

sagen auf der Basis fundierter Weiterbildung über die Gefährlichkeit der schädlichen Agentien,

Hinführung der Gedanken auf die tatsächlich vorhandenen (nicht spekulierten) Gefahren. Dabei

wirkt billige Beruhigung eher kontraproduktiv, weil sich der Patient nicht ernst genommen fühlt.

Bei Umweltpatienten ist oft eine enge ärztliche Führung notwendig. Hilfreich können Hinweise

auf eigenverantwortliche Gesundheitsstärkung des Patienten sowie Eröffnung von Aktivitäten im

Umweltschutzbereich sein.

5.4.2 Vermeidung zusätzlicher Gesundheitsbelastungen

Keine umweltmedizinische Beratung ohne Raucherberatung! Die Bedeutung des Rauchens wird

sowohl von Ärzte- als auch Patientenseite immer noch nicht in der richtigen Größenordnung im

Vergleich zu anderen Umweltnoxen anerkannt. Ähnliches gilt für Alkohol. Ansonsten ist zu raten,

dass schlecht gelüftete Wohnungen, Schimmelpilzbelastungen, ungünstige klimatische Einflüsse,

Autoabgase (insbesondere Dieselabgase), Lärm sowie belastete Lebensmittel vermieden werden

sollen.

5.4.3 Klassische Naturheilverfahren

Umstimmungstherapien (z. B. Klimatherapie, Eigenblutbehandlung, Darmsymbioselenkung), Er-

nährungstherapien (z. B. Fasten), Hydro- und Balneotherapie sowie Phytotherapie dienen der psy-

chovegetativen Anregung, Umstimmung und Stabilisierung; darüber hinaus nützen Entspan-

nungsverfahren, Atemtherapien und Bewegungsübungen dem Körper, dem Gesundheitsbewusst-

sein, der Entspannung und der Psychohygiene und machen dadurch belastbarer gegenüber che-

mischem, mikrobiologischem und psychosozialem Umweltstress. Gleiches gilt für die Ordnungs-

therapie mit Gesundheitserziehung, Rhythmisierung der Lebensabläufe, Besinnung und Bemü-

hung um ein giftfreies Leben.

5.5 Sonstige Allgemeinmaßnahmen

Der Nachweis klinischen Nutzens steht bei zahlreichen Verfahren noch dahin, z. B. bei der hoch

dosierten Gabe von Vitaminen und Spurenelementen (sog. orthomolekulare Medizin), von neuro-

tropen Vitaminen bei Polyneuropathien, von Selen und Zink (Zentralatomen antioxydativer Enzy-

me) und von Acetylzystein (als Präkursor des Glutathions als Antioxydans bzw. entgiftendes Kon-

jugationsmittel) oder von Chelatbildnern (bei Schwermetallbelastung) sowie von Immunstimulan-

tien (z.B. Mistellektinen, Thymuspeptiden). Auf die bei diesen Verfahren möglichen unerwünsch-

ten Nebenwirkungen sei hier nochmals besonders hingewiesen.

Leitfaden Umweltmedizin52

5.6 Spekulative Methoden

Haben die o. g. Verfahren wenigstens den Vorteil einer langen Erfahrungstradition bzw. eines ein-

leuchtenden biochemischen Denkmodells, so haben leider einige diagnostische und therapeuti-

sche Konzepte (hier sind z. B. zu nennen die Elektroakupunktur nach Voll, die Bioresonanzmetho-

de, die Moratherapie, das Pendeln, die Geistheilung, die Kinesiologie, die Dunkelfeldmikroskopie

u.v.a.) einen Eingang in die Umweltmedizin gefunden, der ihnen nicht gebührt und der zu einer

unzulässigen Mischung dieser suspekten Methoden mit dem sensiblen Feld der Umweltmedizin

mit ihren noch nicht sicher durchgeführten Grenzziehungen geführt hat. Diese Methoden können

weder auf eine lang dauernde Erfahrung noch auf ein rational nachvollziehbares biologisches Mo-

dell zurückgreifen.

Für die spekulativen Methoden wird von Heilpraktikerseite, der Laienpresse und Privatinstituten

kräftig die Werbetrommel gerührt, sodass ihnen eine Aufmerksamkeit von Patientenseite (und

leider auch von Ärzteseite) zugeflossen ist, die ihnen aus umweltmedizinischer Sicht nicht zu-

kommt.

1. Sonderthema Legionellen

Legionellen sind Bakterien, die ubiquitär verbreitet im Wasser leben können. Sie haben eine hohe

Temperaturtoleranz von 0 °C bis 63 °C und können sich bei pH-Werten von 5,0 bis 8,5 vermeh-

ren. Legionellen sind gramnegative, aerobe, nicht sporenbildende Stäbchenbakterien mit einer

Länge von 2 bis 20 µm und einem Durchmesser von 0,3 bis 0,9 µm. Sie vermehren sich meist in

Amöben und anderen Einzellern, können sich aber auch ohne diesen Schutz vermehren. Die wich-

tigste Species ist Legionella pneumophi-la mit 14 Serovaren. Daneben sind bisher 18 weitere Spe-

zies, die als Legionella non pneumophila bezeichnet werden, in Erscheinung getreten. Es ist anzu-

nehmen, dass noch weitere Spezies existieren. Die humanpathogene Bedeutung der einzelnen

Species ist unterschiedlich. In der folgenden Tabelle sind die bisher bekannten Legionellenspez-

cies mit abfallender pathogener Bedeutung aufgeführt.

53Leitfaden Umweltmedizin

Tabelle: Legionellen Species und ihre Humanpathogenität

Spezies Serovare Humanpathogenität

L. pneumophila 14 Serovare 1 häufig human-pathogen,

andere Serovare mäßig humanpatho-

gen

L. bozemanii

L. dumoffii

L. micdadei

2

1

1

Mäßig humanpathogen

L. anisa

L. birminghamensis

L. cinncinatiensis

L. feeleii

L. gormanii

L. hackeliae

L. israelensis

L. jordanis

L. longbeachae

L. maceachernii

L. oakridgensis

L. sainthelensis

L. tucsonensis

L. wadsworthii

1

1

1

2

1

2

1

1

2

1

1

2

1

1

Selten humanpathogen

L. adelaidenensis

L. brunensis

L. cherrii

L. erythra

L. fairfieldensis

L. geestiana

L. gratiana

L. jamestowniensis

L. lansingensis

L. moravica

L. nautarium

L. parisiensis

L. quateirensis

L. quinlivianii

L. rubrilucens

L. santicrucis

L. shakespearei

L. spiritensis

L. steigerwaltii

L. worsleiensis

1

1

1

2

1

1

1

1

1

1

1

1

2

1

1

1

1

1

1

1

Bisher keine

Humanpathogenität

beschrieben

Leitfaden Umweltmedizin54

Aufgrund der anspruchsvollen Kulturbedingungen bei der Anzucht im Labor wurden die Legionel-

len erstmals im Jahr 1976 als Krankheitserreger nach einer Epidemie beschrieben. Von über

4.000 Teilnehmern einer Jahrestagung von amerikanischen Legionären in Philadelphia erkrank-

ten 221 an einer akuten Infektion; 34 Teilnehmer verstarben. Die Ursache der Epidemie lag in ei-

nem mit Legionellen besiedelten Trinkwassersystem. Durch in der Folgezeit vorgenommene Un-

tersuchungen konnte festgestellt werden, dass 90 Prozent der Patientenseren Antikörper gegen

ein „rickettsienähnliches Agens“ aufwiesen, welches aus Zellkulturen isoliert werden konnte. Die

verursachende Spezies wurde aufgrund der Lokalisation der Erkrankung und des Patientenkollek-

tivs als Legionella pneumophila bezeichnet.

Die pathogenen Wirkungen, die von Legionellen ausgehen, sind beim Menschen nur dann mög-

lich, wenn infektionsfähige Keimkonzentrationen erreicht werden. Wie hoch jedoch die Infektions-

dosis ist, ist bisher unbekannt. Ein Angehen der Infektion ist vor allem beim Einatmen kontami-

nierter Aerosole aus Warmwassersystemen, z. B. beim Duschen möglich. Das Trinken von mit Le-

gionellen kontaminiertem Wasser scheint nicht bzw. äußerst selten zu Infektionen zu führen.

Eine Übertragung der Legionellen von Mensch zu Mensch ist bisher nicht bekannt. Somit ist die

Erkrankung durch Legionellen eine der wichtigsten umweltbedingten Infektionserkrankungen. Bei

den Erkrankten handelt es sich meistens um über 50 Jahre alte Menschen oder um Kleinkinder.

Das Robert Koch Institut (RKI) in Berlin schätzt, dass ein bis fünf Prozent aller Pneumonien

(6.000 - 7.000 Fälle) in Deutschland jährlich durch Legionellen verursacht werden. Andere Studi-

en geben bei ambulant erworbenen Pneumonien ähnliche Anteile zwischen zwei und sieben Pro-

zent an. Bei den meisten Pneumonien, die von Legionellen verursacht werden, wird der Erreger

nicht diagnostiziert. Dieses liegt vor allem an dem Beginn einer antibiotischen Therapie, bevor

Untersuchungsmaterial entnommen wird. Auch findet häufig keine Serokonversion statt, so dass

eine Antikörperbildung häufig ausbleibt. Im seit 2001 gültigen Infektionsschutzgesetz ist eine

Meldepflicht für den Nachweis von Legionellen aus menschlichem Untersuchungsmaterial aufge-

nommen.

Legionellen finden in Wassersystemen vor allem bei Temperaturen zwischen 30° und 50°C gute

Vermehrungsbedingungen. Bei Temperaturen von über 63°C werden sie in kurzer Zeit abgetötet;

Temperaturen unter 15°C stoppen die Vermehrung. Besonders große Warm- und z. T. auch Kalt-

wassersysteme mit langen Rohrleitungen wie z. B. in Krankenhäusern, Hotels, Erholungseinrich-

tungen, Mehrfamilienhäusern oder auch Kraftwerken sind häufig mit Legionellen besiedelt. Nach

heutigem Kenntnisstand kann festgestellt werden, dass die Legionellose als die wichtigste aus-

schließlich umweltbedingte Infektionskrankheit, insbesondere als Erreger schwerer Lungenent-

zündungen, angesehen werden muss.

Natürliche aquatische Biotope enthalten in der Regel nur geringe Keimzahlen an Legioellen. Al-

lerdings konnten in größeren Untersuchungsreihen, auch in Rohrwässern Legionellen mit einem

Anteil von 0,6 Prozent nachgewiesen werden. Talsperrenwasser oder Uferfiltrate waren dagegen

bei bisherigen Erhebungen Legionellen frei. Während in größeren Gebäuden zirka die Hälfte aller

Wasserproben aus dem Warmwasserkreislauf mit Legionellen besiedelt sein können, findet man

in Kaltwassersystemen nur in ca. 7,5 Prozent Legionellen.

Dabei können vor allem Sedimentablagerungen sowie organische Materialien in Rohrleitungs-

systemen den Legionellen als Nährstoffquelle dienen. Insbesondere dann, wenn die Bildung eines

Biofilms an der Oberfläche von wasserführenden Systemen möglich ist, wird die Grundlage für ei-

ne dauerhafte Besiedlung geschaffen. Selbst ein Durchspülen dieser Systeme mit hohem Wasser-

druck kann die Legionellenbesiedlung nicht mehr entfernen. Bisher nachgewiesene Infektions-

quellen für Legionellen sind u. a. Hauswasserinstallationssysteme, Rückkühlwerke und wasserge-

führte Verdunstungs-Kondensatoren, Warmsprudelbecken bzw. Schwimmbeckenwasser, Wasser

von Luftbefeuchtern wie z. B. Ultraschallvernebler und Beatmungsgeräte, Inhalationskammern,

industrielle Schneideölwasseremulsionen, geschlossene Industriebereiche mit Wasserspülsyste-

55Leitfaden Umweltmedizin

men, mikrobiologisch kontaminierte Systeme zur Hochdruckreinigung, Spülwasser aus zahnärzt-

lichen Einrichtungen, Kühlturmaerosole von Kraftwerken.

Kürzlich konnten Legionellen im Beckenwasser einer Gebärbadewanne für die Unterwassergeburt

in hohen Keimzahlen nachgewiesen werden. Da beim Geburtsvorgang ebenfalls Aerosole entste-

hen können, ist eine unmittelbare Infektionsgefahr für die Mutter und das Neugeborene gegeben.

Im Februar des Jahres 1999 kam es nach einer Blumenschau in Gewächshäusern in den Nieder-

landen zu einer Legionellen–Epidemie. Nach den bisher vorliegenden Mitteilungen aus der Tages-

presse sollen 22 Menschen zu Tode gekommen sein. Mehrere hundert Menschen mussten statio-

när behandelt werden. Die Epidemie wurde vermutlich durch Aerosole von Whirlpools aus einer

Haushaltgeräteausstellung verursacht.

Demgegenüber wird manchmal angezweifelt, ob Legionella ein erhebliches pathogenes Potenzi-

al besitzt und ob die Besiedelung von Wasserleitungssystemen überhaupt ein Risikofaktor für Le-

gionellosen ist, obwohl zweifelsfrei auch immunkompetente Menschen an Legionellose erkran-

ken.

Die Symptome einer Legionelleninfektion können unterschiedlich ausgeprägt sein. Neben dem

mit leichtem Fieber und grippeähnlichen Symptomen einhergehenden Pontiac-Fieber ist bei der

Legionellose mit einer fulminant verlaufenden Pneumonie zu rechnen. Beim Pontiac-Fieber be-

trägt die Inkubationszeit 24 bis 48 Stunden, bei Legionellen-Pneumonien beträgt sie zwischen

zwei und zehn Tagen. Kürzere Inkubationszeiten sind vor allem bei immunsupprimierten Patien-

ten beobachtet worden.

Klinisch sind zwei Formen von durch Legionellen verursachten Erkrankungen zu unterscheiden -

das Pontiac-Fieber und die Legionellen-Pneumonie. Das klinische Bild bei durch Legionellen aus-

gelösten Erkrankungen reicht von asymptomatischen Infektionen bis zu rasch progredienten

Pneumonien.

Diese beiden unterschiedlichen Formen haben völlig andersartige klinische Bilder, Inkubationszei-

ten, Befalls- und Letalitätsraten. Warum es zu diesen unterschiedlichen Syndromen kommt, ist

bislang nicht bekannt.

Das Pontiac-Fieber ist eine akute sich selbst limitierende grippeähnliche Erkrankung ohne Pneu-

monie. Sie ist vor allem durch unspezifische Symptome wie Abgeschlagenheit, Myalgien, Fieber,

Schüttelfrost und Kopfschmerzen geprägt. Eine Röntgen-Thorax-Aufnahme bleibt immer unauf-

fällig. Die Dauer der Erkrankung beträgt zwischen zwei und fünf Tagen. Todesfälle sind beim Pon-

tiac- Fieber bislang nicht beschrieben worden.

Bei der Legionellen-Pneumonie ergibt sich ein breites Spektrum klinischer Zeichen, die mit Hu-

sten und leichtem Fieber bis hin zu ausgedehnten pulmonalen Infiltraten mit multiorganem Ver-

sagen beginnen. Die Patienten zeigen auch hier zunächst unspezifische Symptome wie Fieber,

Krankheitsgefühl, Myalgien und Kopfschmerzen. Dazu kommt es nach kurzer Zeit allerdings zu ei-

nem Husten mit blutigem Sputum. Diarrhöen werden in 25 bis 50 Prozent der Fälle beschrieben.

Die neurologischen Symptome reichen von Kopfschmerzen bis zu Encephalopathien. Dadurch

wird auch Verwirrtheit beobachtet; die Temperaturen können bis über 40°C erreichen. Als extra-

pulmonale Manifestationen sind u. a. Sinusitis, Pericarditis, Pyelonephritis, Peritonitis, Pankreati-

tis und Endocarditis berich-tet worden.

Die Legionärskrankheit ist vor allem bei Personen über 60 Jahren mit spezifischen Risikofakto-

ren anzutreffen; aber auch immunkompetente Erwachsene können betroffen sein. Bei einer durch

Legionellen ausgelösten atypischen Pneumonie ist differentialdiagnostisch auch an Mykoplas-

men, Chlamydia pneumoniae oder Coxsackie burneti als Erreger zu denken. Für die Klärung die-

ser Frage stehen vor allem die diagnostischen Möglichkeiten des Mikrobiologen zur Verfügung.

Infektionen durch Legionellen sind vor allem durch Einatmen kontaminierter Aerosole möglich.

Trinken von legionellenhaltigem Wasser scheint zumindest bei Gesunden keine Gefahr darzustel-

len. Bei aspirationsgefährdeten Menschen, wie z. B. Beatmungspatienten muss jedoch dieser In-

Leitfaden Umweltmedizin56

fektionsweg ebenfalls berücksichtigt werden. Nach dem bisherigen Kenntnisstand ist die Legio-

nelleninfektion keine endogene Infektion. Bislang konnten Legionellen nicht aus dem Nasen-Ra-

chen-Raum gesunder Personen isoliert werden. Eine Übertragung von Person zu Person ist eben-

falls bislang nicht beschrieben.

Deshalb sind Isolierungsmaßnahmen erkrankter Patienten als nicht notwendig zu erachten.

Der entscheidende Pathogenitätsfaktor für Legionellen ist die Fähigkeit virulenter Legionellen,

sich in Alveolarmakrophagen vermehren zu können. In einem Aerosol eingeschlossene L. pneu-

mophila fixieren sich in der Lunge mit ihrer 28 kDa - Untereinheit des major outer membrane pro-

tein (MOMP) an die Komplementkomponente C3. Die Bakterien binden über das C3bi-Fragment

an den Komplementrezeptor CR3 der Alveolarmakrophagen. Nach der Bildung des MOMP-C3bi-

CR3-Komplexes wird L. pneumophila über eine spezielle Form der Phagozytose, die sogenannte

„Coiling“- Phagozytose, in die Makrophagen aufgenommen.

Diese „Coiling“-Phagozytose scheint typisch für die CR3-vermittelte Phagozytose von L. pneumo-

phila Serovare 1 zu sein, da andere Serovare von L. pneumophila sowie andere Species über kon-

ventionelle Phagozytose aufgenommen werden.

Die mikrobiologische Diagnostik zum Nachweis einer Legionellose kann mit verschiedenen Ver-

fahren erfolgen. Der kulturelle Nachweis von Legionellen ist die sicherste Standardmethode, die

jedoch aufgrund des langsamen Wachstums von Legionellen von bis zu acht Tagen vor allem vor

dem Hintergrund der oft fulminant verlaufenden Legionellose kein geeignetes diagnostisches

Werkzeug ist. Für nachfolgende epidemiologische Untersuchungen zum Nachweis einer Quelle

kann die Kultur mit herangezogen werden. Der Nachweis von Antikörpern durch ein untersuchtes

Serumpaar kann retrospektiv zeigen, dass eine Erkrankung durch Legionellen vorlag. Der schnel-

le Nachweis von Legionellen gelingt am ehesten durch den Einsatz von Nukeinsäureamplifikati-

onstechniken (NAT) wie die Polymerasekettenreaktion (PCR). Der Nachweis legionellenspezifi-

scher DNA aus dem Bronchialsekret erkrankter Patienten kann im Idealfall in wenigen Stunden

erfolgen. Auch der Nachweis von bakteriellem Antigen mittels kommerziell erhältlicher Immuno-

assays im Urin von Erkrankten ist erfolgversprechend.

Dr. Wolfgang Treder, 26.02.2004

2. Sonderthema: Hausschädlinge

Der folgende Beitrag über Hausschädlinge ist von Herrn Professor Mehlhorn vom Zoologischen

Institut der Universität Düsseldorf verfasst worden. Die Kommission bedankt sich herzlichst für

diesen Beitrag bei Herrn Professor Mehlhorn.

2.1 Was sind Hausschädlinge?

Von alters her sind zahlreiche Tierarten bekannt, die in die menschliche Behausung eindringen,

um dort die Vorräte, die gelagerten Materialien oder den Menschen selbst zu befallen. Diese

Tierarten, die auf unterschiedliche Weise (Flug, Zulauf, Körperkontakt, Haustiere) in die Woh-

nung gelangen können, vermehren sich dort bei günstigen Bedingungen (Futter, schützende Ver-

stecke) oft explosionsartig und sind dann nur wieder schwer zu vertreiben. Diese ungebetenen

Gäste, die bei echten Schadwirkungen als Schädling, Schmarotzer oder Parasit bzw. pauschalie-

rend als Ungeziefer bezeichnet werden, gehören im wesentlichen zum zoologischen Stamm Ar-

thropoda (Gliedertiere) mit den einzelnen Gruppen Zecken, Milben, Spinnen, Skorpione und In-

sekten. Nur wenige andere Tierstämme sind noch beteiligt, können aber, wie z. B. Fadenwürmer

57Leitfaden Umweltmedizin

(Nematoden) oder Säugetiere (Ratten, Mäuse), im Einzelfall durchaus in großer Individuendichte

auftreten. Im einzelnen werden bei den Schädlingen nach ihrem Aufenthaltsort bzw. der Schad-

wirkung folgende Gruppen unterschieden:

2.1.1 Hygiene- und Gesundheitsschädlinge

Hierbei handelt es sich um Arten, die direkt durch Stich oder Biss (Blutsauger = Ektoparasiten)

oder indirekt durch Fäkalien (z. B. Ratten) Krankheitserreger des Menschen bzw. seiner Haustie-

re übertragen und so zu Krankheiten führen. In diese Kategorie gehören auch solche Arten, die

durch massenhaftes Auftreten (z. B. Staubmilben) als Auslöser von Allergien indirekt massive Er-

krankungen bewirken.

2.1.2 Vorratsschädlinge

Die hier einzuordnenden Tiere befallen gelagerte Nahrungs- und Futtervorräte und können dabei

eventuell ganze Ernten vernichten, was schon in der Bibel beschrieben und in Inquisitionszeiten

den Hexen angedichtet wurde. Aber auch in modernen Zeiten müssen viele Nahrungsmittel we-

gen Schädlingsbefall im großen Maße verworfen werden, insbesondere bei den immer länger

werdenden Transportwegen im EU-Raum. Aufgrund der häufig sehr geringen Körpergröße der

Schädlinge oder ihrer Nachtaktivität (z. B. Nager) bleibt ein Befall meist so lange verborgen, bis

massivste Schäden auftreten. Aus diesen Gründen haben einige Länder umfangreiche Vorschrif-

ten (u. a. Quarantänemaßnahmen) erlassen, um ein Einschleppen derartiger Schädlinge zu ver-

hindern.

2.1.3 Materialschädlinge

Diese Arten zerstören Materialien, die tierischen (z. B. Pelze, Wolle) bzw. pflanzlichen Ursprungs

(Stoffe, Holz etc.) sind, oder anorganische Materialien, indem sie diese fressen oder annagen

(z. B. Ratten - Kabel). Diese Schädigung kann von außen erfolgen (z. B. Motten) oder von innen (z.

B. der Holzkäfer/Holzwürmer). Derartiger Fraß zerstört eventuell wertvollste Materialien und

kann (insbesondere in den Tropen bei Termitenbefall) ganze Häuser zum Einsturz bringen oder

wertvolle Altertümer vernichten (z. B. Holzwurmantikes Mobiliar).

2.1.4 Lästlinge

Hierbei handelt es sich um Arten, die keine deutliche Schadwirkung haben, deren massenhaftes

Auftreten aber zu Belästigungen in vielerlei Hinsicht (optisch, akustisch, ästhetisch, psychisch)

führt. Selbst an sich nützliche Tiere (wie Spinnen) werden häufig bei massivem Auftreten als lästig

empfunden. Von anderen Vertretern dieser Gruppe (z. B. Bienen, Wespen) kann zudem noch eine

Bedrohung für die Gesundheit infolge der beim Stich injizierten Gifte ausgehen.

2.1.5 Zufallsgäste

Neben diesen vier Kategorien der Schädlinge finden sich häufig - ebenfalls meist in großer Indi-

viduenzahl - Nützlinge, Zufluginsekten und Zufallsgäste, die das Haus als Schutzraum vor eige-

nen Feinden und vor der Kälte aufsuchen oder als Jagdgebiet benutzen (Nützlinge, u. a. Spin-

nen).

Leitfaden Umweltmedizin58

2.2 Hautreaktionen bei Stichen/Bissen

Fall Taubenzecken (Siehe Seite 68)

Nach einem Stich können folgende Reaktionen eintreten:

(1) Ein mehr oder minder heftiger Schmerz tritt während oder kurz nach dem Stich auf (z. B.

Bremsen), Mücken- und Zeckenstiche sind aber schmerzfrei.

(2) Großflächige, glänzende Entzündung (Erythem), Rötung der Haut um die Stichstelle (ein bis

mehrere cm im Durchmesser); im Zentrum kann eine Quaddel liegen.

(3) Hämorrhagischer Fleck, evtl. zuerst blau, dann braun um die Stichstelle (anfangs oft nur we-

nige mm im Durchmesser); kann wochenlang sichtbar bleiben und in ein Granulom überge-

hen.

(4) Juckender Hautausschlag (Pruritus) mit pustelartigen Erhebungen (sehr verschiedenartig).

(5) Quaddel (Urtika). Die Stichstelle schwillt im Bereich von 0,5 bis 2,5 cm Durchmesser unmit-

telbar nach dem Stich an, wird dadurch scharf vom umgebenden Gewebe abgegrenzt und ist

stets deutlich blasser als die geröteten angrenzenden Hautbereiche (s. o.); meist starker

Juckreiz.

(6) Papel (Papula). Hierbei handelt es sich um eine kräftig rot gefärbte, hablkugelförmige Erhe-

bung der Haut (> 1 cm); sie tritt nach etwa 24 Stunden häufig an die Stelle einer bereits

verschwundenen Quaddel.

(7) Nässende Dermatitis (u. a. Okzipitaldermatitis, Exantheme) bei bakterieller Entzündung der

Stichbereiche.

2.3 Allgemeine Bekämpfungsmaßnahmen

Der Kammerjäger Grimmer

dringt ein in jedes Zimmer

und sucht dort die Verstecke

von Wanz' und Hundezecke.

Auch Schabe, Laus und Floh

machen ihn herzlich froh,

– dem Hauswirt geht's nicht ebenso!

(Mehlhorn und Mehlhorn 2001)

2.3.1 Vorbeugung, Prophylaxe

Prinzipielle Vorbeugungsmaßnahmen gehen dahin, den Zuflug bzw. das Zuwandern von Schädlin-

gen ins Haus zu verhindern und deren Vermehrung dort möglichst zu erschweren. Dies kann durch

folgende Maßnahmen erfolgen:

(1) Einbau von Fliegengittern auch vor Kellerfenstern; Gitter vor Abflussrohren.

(2) Lichtquellen vor geöffneten Fenstern entfernen.

(3) Hohlräume und Risse in den Wänden und andere Verstecke versiegeln.

(4) Lebensmittel in Dosen einschließen.

(5) Keine Nahrungsmittel, Tierfutter oder Teile davon (Brösel etc.) herumliegen lassen,

59Leitfaden Umweltmedizin

Gefäße schließen.

(6) Regelmäßiges Staubsaugen und Putzen der Böden der Wohnung.

(7) Gute Lüftung zur Vermeidung von Feuchtigkeit in Wohn- und Kellerräumen.

(8) Abkühlung der Räume im Winter beim Lüften.

(9) Regelmäßiges Entflohen etc. von Haustieren; Anlegen von Ungeziefer-Halsbändern;

Säuberung der Lagerstätten.

(10) Generelle Körperhygiene beim Menschen und seinen Haustieren.

(11) Verwendung im Freien von sog. Repellents, die auf die Haut aufgetragen werden und

für etwa sechs Stunden wirken.

2.3.2 Maßnahmen

Insektenfallen: Hier sind eine Reihe von Geräten auf dem Markt, die entweder mit Duftstoffen,

oder UV-Licht locken, um die Insekten dann durch Hitze bzw. chemisch abzutöten. Der gute alte

Fliegenfänger (Klebeprinzip) ist ebenfalls noch erhältlich wie auch die manuelle, aber sehr wirksa-

me Fliegenklatsche.

Mäuse- und Rattenfallen. Diese Geräte locken die Nager mit Futterködern an und töten sie mit ei-

nem Schlagbügel. Andere Geräte arbeiten nach dem Reusenprinzip; die Tiere überleben allerdings

und müssen dann getötet werden.

Chemobekämpfung. Hierbei werden vergiftete Köder für Ratten und Mäuse ausgelegt bzw. Insekti-

zide versprüht. In beiden Fällen ist eine Gefährdung der Umwelt und insbesondere von Kindern und

Tieren gegeben, so dass stets größte Sorgfalt zu walten hat. Die jeweils aktuell erhältlichen Sub-

stanzen und die Anwendungstechniken (Versprühen, Vernebeln, Auftragen etc.) sind in der Liste

enthalten, die vom Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Vet. Med. (BGVV),

Postfach 33 013, 14191 Berlin (Tel. 0 30/8 41 20) bezogen werden kann. Die Empfehlungen hier ba-

sieren auf dieser Liste, die ständig überarbeitet wird (zuletzt 1996) und auch die Handelsnamen an-

gibt. Ausführlich werden alle Maßnahmen im Buch: B. Mehlhorn und H. Mehlhorn: Zecken, Milben,

Fliegen, Schabe, Schach dem Ungeziefer. Springer Verlag, Heidelberg 4. Aufl. (2001) beschrieben.

Desinfektion: Durch Einsatz von flächendeckenden Desinfektionsmitteln wird vielen Schädlingen die

Ernährungsgrundlage (z. B. Pilze, Bakterien) entzogen und gleichzeitig die Verschleppung von Kei-

men (z. B. beim Klin. Hospitalismus) erschwert. Die Anzahl der Desinfektionsmittel ist sehr groß. Die

aktuell gültige Liste von wirksamen und verträglichen Substanzen kann von der Deutschen Gesell-

schaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) bezogen werden. Anruf bei entsprechenden univer-

sitären Instituten genügt.

3. Ausgewählte Ergebnisse der Begleituntersuchungen (Stand 7/2003)

Seit der Einführung des Umweltmobils 1996 werden begleitende Untersuchungen und Befragun-

gen durchgeführt. Das Ziel ist es, auf der Basis einer möglichst vollständigen Dokumentation ei-

nen systematischen Überblick über die geleistete Arbeit zu ermöglichen. Das Zahlenmaterial soll

auch helfen, die Qualität des Mess- und Beratungsdienstes weiter zu verbessern.

Die im weiteren vorgestellten Ergebnisse basieren auf der Auswertung der Anamnesebögen

von 6.650 Patienten. Es handelt sich hierbei ausschließlich um Patienten, bei denen Woh-

nungsbegehungen veranlasst wurden („Umweltpatienten“). Informationen über diejenigen

Patienten, bei welchen kein Umweltlabor angefordert wurde, liegen nur anonymsiert vor und

können deshalb nicht detailliert ausgewertet werden.

Am Umwelt- Mess- und Beratungsdienst nehmen etwa 590 Ärzte teil. Die meisten von ihnen sind

bereits seit den ersten Jahren des Modellprojektes dabei. Besonders häufige Gebietsbezeichnun-

gen sind „Allgemeinmedizin“ gefolgt von „Innere Medizin“ und „Dermatologie“.

Leitfaden Umweltmedizin60

Unter den Patienten sind - verglichen mit dem Bevölkerungsanteil – besonders viele Frauen in den

mittleren Lebensjahren und Kinder unter zehn Jahren. Bei älteren Menschen werden scheinbar

eher andere Beschwerdeursachen vermutet. Sie sind in der Gruppe der Umweltpatienten deutlich

unterrepräsentiert. Abbildung 1 zeigt die Verteilung der behandelten Patienten nach Alter und

Geschlecht.

Der größere Teil der Patienten (über 60 Prozent) ist nicht regelmäßig erwerbstätig. Neben den

Hausfrauen sind dies vor allem die Kinder, Schüler/Studenten und Rentner. Eine überzufällige

Häufung bestimmter Berufsgruppen scheint es nicht zu geben. Die meisten Patienten arbeiten in

Büroberufen, der Geschlechtsverteilung entsprechend finden sich aber auch viele Tätigkeiten im

pflegerischen und sozialen Bereich. Eine Untersuchung der arbeitsbedingten Einflüsse hat ge-

zeigt, dass eine sorgfältige Berufsanamnese von großer Bedeutung ist. Nach einer genaueren ar-

beitsmedizinischen Prüfung der Anamnesebögen fanden sich bei einer Reihe von Patienten Hin-

weise auf eine berufliche (Mit-)Verursachung der Beschwerden. In einigen Fällen wurde auch der

Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit angezeigt.

3.1 Beschwerden

Die von den Patienten beschriebene Symptomatik ist zwar vielfältig, doch treten manche Be-

schwerden besonders häufig auf. Vor allem sind die Atemwege bei vielen Patienten betroffen (75

Prozent), Infektanfälligkeit und Müdigkeit/Antriebsstörungen sind zwei weitere Symptome, wel-

che von mehr als der Hälfte aller Patienten genannt werden. Durchschnittlich bestehen die Be-

schwerden schon über 36 Monate. Abbildung 2 zeigt, wie häufig die einzelnen Symptome bei der

Umweltanamnese dokumentiert werden:

0

2

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6

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18

0-09 10-19 20-29 30-39 40-49 50-59 60-69 ab 70

Weiblich

Männlich

Alter in Jahren

% - Anteil Patienten

Umweltpatienten mit Wohnungsbegehung

nach Alter und Geschlecht

Abb. 1 Quelle: Universitätsklinikum DüsseldorfInstitut für Arbeitsmedizin und SozialmedizinDirektorin: Universitätsprofessorin Dr. E. Borsch-Galetke

61Leitfaden Umweltmedizin

0 10 20 30 40 50 60 70

S 18 Sonstiges

S 13 Lärmbelästigung

S 15 - Nerven-Empfindungsstörungen

S 17 - Geruch

S 16 - Schwindel

S 7 Magen-Darm-Beschwerden

S6 - Knochen/Muskelschmerz

S 10 - Konzentrationsstörungen

S 3 - Leistungsknick

S 5 - Augenprobleme

S 14 - Hautprobleme

S 11 - Schlafstörungen

S 12 - Kopfschmerzen

S 2 - Innere Unruhe/Reizbarkeit

S 4 - Infektanfälligkeit

S 8 - Untere Atemwege

S 1 - Müdigkeit/Antriebsstörungen

S 9 - Obere Atemwege

Beschwerdebild der Umweltpatienten

Die meisten Symptome nennen Patienten im Alter zwischen 40 und 59 Jahren. Vor allem in den

Altersgruppen ab 30 Jahren beklagen Frauen mehr Probleme als Männer. Die Beschwerden der

Patienten lassen sich grob in drei Gruppen einteilen: Die erste Gruppe von Beschwerden betrifft

die Atemwege, hinzu kommt eine übermäßige Anfälligkeit für Infekte. Als zweiter Komplex treten

die Störungen des Wohlbefindens (z. B. Leistungsknick, Konzentrationsstörungen, Schwindel),

Schmerzen und Magen-Darm Beschwerden auf. Die dritte Gruppe von Symptomen betrifft Proble-

me mit den Augen und der Haut. Während Kinder und jüngere Erwachsene besonders unter den

Atemwegsbeschwerden und Infekten leiden, so nehmen mit dem Alter die Störungen der Befind-

lichkeit an Bedeutung zu. Die Altersgruppe der 50 bis 59-Jährigen leidet hierunter ganz beson-

ders. Meist sind Frauen stärker betroffen als Männer.

Unter den Vorerkrankungen der Umweltpatienten dominieren die verschiedenen Erkrankungen

der Atemwege. Sie machen, zusammen mit Allergien und Hauterkrankungen deutlich mehr als

die Hälfte aller dokumentierten und nachträglich nach ICD 10 verschlüsselten Diagnosen aus.

Quelle: Universitätsklinikum DüsseldorfInstitut für Arbeitsmedizin und SozialmedizinDirektorin: Universitätsprofessorin Dr. E. Borsch-Galetke

Leitfaden Umweltmedizin62

3.2 Expositionen

Im Rahmen der Umweltanamnese halten Arzt und Patient ihren Expositionsver-

dacht fest. Die Wahrscheinlichkeit von Schadstoffbelastungen wird hierbei meist

überschätzt. Vielfach werden Belastungen befürchtet, die sich dann bei der In-

spektion nicht finden.

Auf der Untersuchungsliste der beiden Fachlabore, welche die Wohnungsbege-

hungen durchführen, steht eine ganze Reihe potentieller Schadstoffe. Nach den

Erfahrungen der vergangenen Jahre finden sich im wesentlichen folgende Belas-

tungen:

Daneben gibt es in einzelnen Fällen auch andere Probleme, deren Anteil ist aber

insgesamt unbedeutend.

Exposition %-Anteil

Schimmelpilze zirka 50 Prozent

Formaldehyd 14 Prozent

Holzschutzmittel 12 Prozent

Pyrethroide 5 Prozent

VOC 7 Prozent

3.2.1 Schimmelpilze/Keime

Am häufigsten stoßen die Untersucher der beiden Umweltlabore in den Wohnungen auf Indizien

für einen Befall durch Schimmelpilze. Die Methoden zum Nachweis einer Belastung sind unter-

schiedlich. Als Methode steht die Luftkeimmessung zur Verfügung, welche sich z. B. in der Ar-

beitsmedizin bewährt hat.

Dieses Verfahren kommt allerdings nur bei einem kleineren Teil der Verdachtsfälle zum Einsatz.

Weiterhin können Materialproben z. B. Putz von der Wandoberfläche oder andere befallene Ge-

genstände analysiert werden. Hinweise auf mögliche Schimmelpilze, welche nicht sichtbar wach-

sen, können ihre Stoffwechselprodukte, die MVOC (Microbial Volatile Organic Compounds) lie-

fern, welche ebenfalls in der Luft gemessen werden. Letztlich wird in etwa der Hälfte der unter-

suchten Wohnungen eine Belastung der Bewohner durch Schimmelpilze nicht ausgeschlossen.

3.2.2 Formaldehyd

In jeder dritten Wohnung vermuten die Untersuchenden zunächst eine Belastung der Bewohner

durch Formaldehyd. Aufgrund der daraufhin durchgeführten Luftmessungen wird dieser Ver-

dacht allerdings nur zum Teil bestätigt. Die Luft in unbelasteten Wohnräumen solte laut WHO ma-

ximal 0,05 ppm Formaldehyd enthalten. Diese Grenze wird in etwa 14 Prozent aller Wohnungen

überschritten. Bei der Bewertung der Exposition ist zu berücksichtigen, dass die meisten Messun-

gen moderat erhöht sind und z. B. den Wert von 0,1 ppm unterschreiten, den das BGA als Schwel-

le einer eventuellen gesundheitlichen Gefährdung genannt hat. Lediglich etwa fünf Prozent aller

Wohnungen weisen darüber hinausgehende Belastungen auf. Expositionen oberhalb des MAK-

Wertes (0,5 ppm) sind Einzelfälle.

3.2.3 Insektizide / Pyrethroide

Diese Substanzen werden im Wohnbereich vorwiegend als Holzschutzmittel oder zum Schutz von

Textilien/Teppichen eingesetzt.

Bei den Holzschutzmitteln handelt es sich hauptsächlich um PCP und Lindan, welche in Staub-

oder Feststoffproben nachgewiesen werden. In jeder fünften Wohnung wird zunächst eine Bela-

stung durch Holzschutzmittel für möglich gehalten, in 12 Prozent liegen die gefundenen Belastun-

gen tatsächlich über den Werten, die zur Beurteilung verfügbar sind. Insgesamt scheinen die Be-

lastungen durch Holzschutzmittel an Bedeutung zu verlieren.

Pyrethroide, wie sie in Teppichen oder Textilien als Insektenschutz eingesetzt werden, finden sich

nur relativ selten in problematischer Konzentration (Fünf Prozent der Wohnungen). Bei der Ein-

schätzung der gesundheitlich bedeutsamen Exposition der Betroffenen in ihrer Wohnung ist zu

63Leitfaden Umweltmedizin

berücksichtigen, dass die Feststoffprobe zwar einen Hinweis auf potentielle Quellen liefert, eine

Exposition aber nicht zwingend notwendig ist.

So haben z. B. Biomonitoring-Untersuchungen bei Patienten des Umweltmobils keinen Zusam-

menhang zwischen innerer Belastung (Urin) und äußerer Belastung (Feststoffprobe) durch PCP er-

geben.

3.2.4 VOC

Leichtflüchtige organische Stoffe treten in den letzten Jahren häufiger als unerwünschte Bestand-

teile der Innenraumluft auf. Im Beobachtungszeitraum liegt der Anteil von Wohnungen mit einer

möglichen VOC-Exposition noch unter 10 Prozent. Aufgrund des Kenntnisstandes ist die medizini-

sche Bewertung der teilweise umfangreichen Luftmessungen nicht unproblematisch. Derzeit exi-

stieren nur für wenige dieser Stoffe wissenschaftlich begründete Beurteilungswerte, verschiedene

Konzepte sind in der Diskussion. Hauptbestandteil der gemessenen VOC sind verschiedene Alkoho-

le, wie sie in Haushaltsreinigern, Kosmetika usw. weit verbreitet sind.

3.3 Beschwerdeveränderungen

Bei über 1.000 Patienten konnte der Langzeiteffekt der Behandlung bisher durch telefonische

Nachbefragungen etwa 36 Monate nach dem Erstbesuch beim Umweltarzt erhoben werden. Insge-

samt fallen die Urteile der Patienten über das Umweltmobil überwiegend positiv aus. Die meisten

Patienten (etwa 80 Prozent) sind (sehr) zufrieden mit ihrem Umweltarzt und mit der Arbeit der Um-

weltlabore.

Mehr als zwei Drittel berichten von einer gesundheitlichen Besserung: 36 Prozent der Befragten

schildern die Beschwerden, wegen denen der Umweltarzt aufgesucht wurde, als verschwunden oder

stark gebessert, weitere 35 Prozent immerhin als gebessert. 22 Prozent empfinden ihre gesundheit-

liche Situation als unverändert, bei 8 Prozent ist es nach eigener Einschätzung zu einer Verschlech-

terung gekommen.

Die meisten Symptome werden in der Nachbefragung deutlich seltener genannt als zum Zeitpunkt

der Anamnese. Infektanfälligkeit (-48 Prozent bezogen auf die Häufigkeit bei Anamnese) und Be-

schwerden der oberen Atemwege (-41 Prozent) sowie der unteren Atemwege (-37 Prozent) gehen

besonders deutlich zurück. Eine Zunahme ist für „Knochen-/Muskelschmerzen“ (+27 Prozent) zu

verzeichnen. Auffällig stark steigt die Häufigkeit „sonstiger" Beschwerden (+154 Prozent).

Folgende Abbildung 3 gibt einen Überblick über die Veränderungen: Allerdings ist ein deutlicher

Effekt des Alters zu beobachten. Je älter die Patienten sind, desto geringer ist der Anteil derjeni-

gen, deren Beschwerden sich nach eigener Einschätzung deutlich verbessert haben. Die Erfolgsra-

te sinkt von etwa 50 Prozent auf ca. 20 Prozent. Abbildung 4 verdeutlich dieses wichtige Ergebnis.

Eine wesentliche Rolle spielen hierbei die Störungen des Befindens, die bei den älteren Patienten

dominieren. Diese Beschwerden bessern sich nur wenig im Gegensatz zu den Atemwegsproble-

men und der übermäßigen Infektanfälligkeit.

Wenn in einer Wohnung Fremdstoffexpositionen gefunden wurden, oft aber auch aus Gründen der

Vorsorge, geben die Fachlabore mehr oder weniger aufwändige Sanierungsempfehlungen. Diese

Ratschläge wurden von knapp der Hälfte der befragten Patienten vollständig beherzigt. Jeweils

ein Viertel hat einen Teil bzw. keine der angeratenen Maßnahmen umgesetzt. Auch die Bereit-

schaft zur Sanierung der Expositionen nimmt mit fortschreitendem Alter ab. Beträgt die Sanie-

rungsquote bei den Jüngeren noch etwas mehr als 50 Prozent so sinkt sie ab 50 Jahre auf ein gu-

tes Drittel. Es gibt Hinweise darauf, dass eine Sanierung der Wohnung positive Effekte auf die Ge-

sundheit hat, ein schlüssiger Nachweis ist mit den vorhandenen Daten derzeit nicht zu erbringen.

Patienten, die umfassende Sanierungen durchgeführt haben, berichten zwar insgesamt häufiger

als die anderen Befragten, dass sich die Beschwerden, welche Anlass für den Besuch beim Um-

weltarzt waren, gebessert hätten (84 Prozent vs. 66 Prozent). Erwartungen, dass sich besonders die

expositionstypischen Symptome nach einer Sanierung verbessern, erfüllen sich nur teilweise. Berück-

sichtigt man zusätzlich die unterschiedliche Sanierungsbereitschaft in den einzelnen Altersgruppen,

so zeigt sich, dass letztlich das Alter der bestimmende Einflussfaktor ist: Patienten mit und ohne Expo-

sition bzw. mit und ohne vollständige Sanierung

unterscheiden sich nicht systematisch im Hin-

blick auf die Veränderung der Symptomatik.

Die Verwendung von Medikamenten wird eben-

falls nicht von Exposition oder Sanierung beein-

flusst. Mit zunehmendem Alter steigt der Anteil

der Patienten, die täglich Medikamente einneh-

men, insgesamt ist dies jeder zweite Patient.

Recht verbreitet sind unter den Befragten Be-

denken, in der Wohnung auch weiterhin Schad-

stoffbelastungen ausgesetzt zu sein. Auch nach

einer Wohnungssanierung be-fürchten noch 28

Prozent der Patienten eine andauernde Exposi-

tion. Am wenigsten Sorge (20 Prozent) haben in

dieser Hinsicht Patienten, bei denen keine Ex-

position festgestellt worden war.

Leitfaden Umweltmedizin64

154

85

-26

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-27

-41

-60 -40 -20 0 20 40 60 80 100 120 140 160

S1 Müdigkeit/Antriebsstörungen

S 4 Infektanfälligkeit

S 8 Untere Atemwege

S 2 Innere Unruhe/Reizbarkeit

S 5 Augenprobleme

S 12 Kopfschmerzen

S 14 Hautprobleme

S 11 Schlafstörungen

S 10 Konzentrationsstörungen

S 3 Leistungsknick

S 6 Knochen/Muskelschmerz

S 7 Magen-Darm-Beschwerden

S 16 Schwindel

S 9 Obere Atemwege

S 15 Nerven/Empfindungsstörungen

S 17 Geruch

S 13 LärmbelästigungS 18 Sonstiges

Veränderung der Symptomatik nach 36 Monaten bezogen

auf die Beschwerdehäufigkeit bei Anamnese

%-Anteil Symptom weniger/häufiger genanntQuelle: Universitätsklinikum Düsseldorf

Institut für Arbeitsmedizin und SozialmedizinDirektorin: Universitätsprofessorin Dr. E. Borsch-Galetke

Abb. 3

0

10

20

30

40

50

60

Bis 10 J. 11-20 21-30 31-40 41-50 51-60 alter 60 J.

keine Beschw erden mehr

stark gebessert

Abb. 4 Quelle: Universitätsklinikum DüsseldorfInstitut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin

Direktorin: Universitätsprofessorin Dr. E. Borsch-Galetke

65Leitfaden Umweltmedizin

3.4 Ärztebefragung

Zusammenfassend erhält der Umwelt- Mess- und Beratungsdienst auch von den 245 Umweltärz-

ten gute Noten, die sich an der Ärztebefragung Anfang 2002 beteiligt haben (75 Prozent sehr

gut/gut). Meistens geben die Beschwerden der Patienten Anlass für die Anforderung einer Woh-

nungsbegehung, dabei spielen typische und unklare Beschwerden gleichermaßen eine Rolle.

Nachfrage seitens der Patienten ist der dritte Hauptgrund für das Ambientmonitoring.

Reibungslos und ohne größere Schwierigkeiten läuft die Zusammenarbeit mit den Umweltlaboren.

Die meisten Ärzte sehen sich die Wohnung ihrer Patienten nur in Ausnahmefällen selber an. Häu-

figer bemängelt werden von den befragten Ärzten neben der Honorierung lediglich die Zusam-

menarbeit mit spezialisierten Kliniken/Instituten und die Bearbeitungszeiten.

Unter den Faktoren, welche nach Ansicht der behandelnden Ärzte die Beschwerden der Umweltpa-

tienten verursachen, sind der Lebensstil, Allergien, Psychische Faktoren/Stress und Ängste/falsche

Informationen besonders wichtig und rangieren noch vor einer möglichen häuslichen Schadstoffex-

position. Es scheint allerdings, als ob es eher leicht fiele, Patienten eine stoffliche Belastung als Ur-

sache für die Problematik zu vermitteln. Andere Gründe werden offenbar weniger gut akzeptiert.

Die häufigsten Maßnahmen bei der Behandlung der Umweltpatienten sind Aufklärung, Information

und Bemühungen um Verhaltensänderungen. Sehr selten wird von der Möglichkeit, Patienten an

spezialisierte Kliniken zu überweisen, Gebrauch gemacht.

Bei der Bewertung der Expositionssituation und den daraus abgeleiteten Sanierungsvorschlägen

stimmen Ärzte und Umweltlabore weitgehend überein (89 Prozent). Dagegen ist die Rückmeldung

durch die Patienten über die Umsetzung der Empfehlungen recht lückenhaft, nur 38 Prozent der

Befragten verfügen zumindest oft über diese Informationen. Die Behandlungserfolge schätzen die

Umweltärzte weitgehend ähnlich ein wie ihre Patienten. Auch sie stellen in den meisten Fällen eine

Verbesserung der Symptomatik fest. Der Anteil derjenigen Patienten, bei denen es im Laufe der

Zeit nicht zu einer Besserung bzw. sogar zu einer Verschlechterung kommt, wird aber von den be-

handelnden Ärzten deutlich unterschätzt (11 Prozent vs. 29 Prozent).

3.5 Zusammenfassung

Seit 1996 können Patienten mit möglicherweise umweltbedingten Beschwerden den Umwelt- Mess-

und Beratungsdienst der KVWL in Anspruch nehmen. Nach einer speziellen umweltbezogenen An-

amnese entscheidet der Arzt, ob ein Ambientmonitoring in der häuslichen Umgebung des Patien-

ten erforderlich ist.

Unter den Patienten sind Frauen in den mittleren Lebensjahren und Kinder besonders häufig. Be-

schwerden betreffen vor allem die Atemwege und eine erhöhte Anfälligkeit für Infekte. Vielfältige

Störungen des Befindens treten vorwiegend ab den mittleren Lebensjahren hinzu. In zwei von drei

untersuchten Wohnungen finden sich Expositionen. Die häufigsten Belastungen sind Schimmelpilze,

Formaldehyd und Biozide. Weniger als die Hälfte der betroffenen Patienten führt die empfohlenen

Sanierungsmaßnahmen umfassend durch, je älter desto seltener. Aus der Langzeitperspektive be-

richten die meisten Patienten von einer Verbesserung ihrer Beschwerden.

Dabei spielt offenbar vor allem das Alter eine Rolle. Jüngere Patienten bis etwa 40 Jahre berichten

die größten Fortschritte, in den höheren Altersgruppen sind die Erfolge wesentlich geringer. Die

Veränderungen hängen nicht systematisch mit den Expositionen oder den Sanierungsmaßnahmen

zusammen. Die befragten Umweltärzte halten neben den Schadstoffexpositionen vor allem Aller-

gien, den Lebensstil, psychische Faktoren und unbegründete Ängste für problematisch. Die einge-

leiteten Behandlungsmaßnahmen betreffen deshalb auch diese Ursachen. In der zusammenfassen-

den Beurteilung schneidet der Umwelt- Mess- und Beratungsdienst der KVWL sowohl bei Patienten

als auch bei den teilnehmenden Ärzten sehr gut ab, die Zufriedenheit ist insgesamt sehr hoch.

Leitfaden Umweltmedizin66

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Literaturverzeichnis

Initiative, Verbände, Stiftungen

Stiftung WarentestLützowplatz 11 - 1310785 BerlinTel: 0 30/26 31-0

EPEAInternationale Umweltforschung GmbHFeldstr. 3620357 HamburgTel: 0 40/43 13 49-0

Verband d. Technischen Überwachungs-Verein e.V.Kurfürstenstr. 5645138 EssenTel: 02 01/89 87-0

IfAU - Institut für angewandte Umweltforschung e.V.Krebsmühle61440 Oberursel (Taunus)Tel: 0 61 71/7 42 13

IGUMED - Interdisziplinäre Gesellschaft f. Umweltmedizin e.V. GeschäftsstelleBergseestr. 5779713 Bad Säckingen

DISU - Dokumentations- und Informationsstelle f. Umweltfragen d. Kinderärztec/o KinderhospitalIburger Str. 20049082 OsnabrückTel: 05 41/5 84 86-0

Leitfaden Umweltmedizin68

Initiative, Verbände, Stiftungen

- www.uminfo.de- www.rki.de- www.umweltbundesamt.de- www.info.imsd.uni-mainz.de (Kinderkrebsregister, med. Links)- www.dimdi.de- www.healthgate.de- www.ulm.nih.gov- www.cdc.gov/niosh/homepage.html- www.pitt.edu/~martint/pages/omtoxres.htm- www.isem.at/isem

Kontaktadressen zur Suche nach Fachfirmen

Stichwort Adresse Internet/Mail

Sanierung von Feuchtig-keits- und Schimmelpilz-schäden

BundesverbandSchimmelpilzsanierung e.V.Geschäftsführung:Ulmenstr. 2422299 Hamburg

www.schimmelpilz.tv

Sanierung von chemischenSchadstoffen

Fachverband Schadstoff-sanierung e.V. (FAS)

www.fas-geb.de

Sanierung von Haus-schwamm und holzzerstö-renden Pilzen

Deutscher Holz- und Bau-tenschutzverband e.V.Hans-Willy-Merstens Str. 250858 Köln

www.dhbv.de

Fallbeschreibung: Taubenzecken/-milben durch Tauben an einer Hausfassade

Alle Mitglieder einer fünfköpfige Familie aus Herne klagten über Hautreaktionen (Abszesse), die

seit einigen Jahren gehäuft in den Sommermonaten auftraten. Im Winter war die Familie weitge-

hend beschwerdefrei.

Fallbeschreibungen

Bild 1Fassadenansicht (Pfeil zeigt in RichtungBadezimmerfenster

Bild 2 Blick aus dem Badezimmer auf die Nachbarfassade

Bild 3:Adulte Taubenzecken im Licht und RE-MikroskopDie Mundwerkzeuge liegen unterständig(M)

(Bild und Text aus B. und H. Mehlhorn, Zecken, Milben,Fliegen, Schaben. Springer Vlg. 1990)

69Leitfaden Umweltmedizin

Die Wohnung der Familie befand sich in einem Mietshaus, welches in einen ca. ein Meter breiten

Abstand vom Nachbarhaus stand. Diese Flucht war mit Tauben besiedelt, und in einem sehr starken

Maß mit Taubenkot und verwesten Tieren verunreinigt. Das Fenster des Badezimmers öffnete sich in

diese Richtung. Zusätzlich nisteten Tauben auf dem Dachboden.

Die Vermutung lag nahe, dass die Hautreaktionen der Familie mit der Taubenplage bzw. mit durch

die Vögel eingetragenen Parasiten in Verbindung zu bringen sind.

Nach Begutachtung der Wohnung und des Umfeldes durch den von uns hinzugezogenen Prof. Mehl-

horn vom Zoologischen Institut der Universität Düsseldorf war klar, dass ein Befall mit Taubenzecken

oder Taubenmilben vorliegen muss. Diese sind während der Brutzeit in den Taubennestern und ihrer di-

rekten Umgebung anzutreffen. Sie sind nachtaktiv und krabbeln häufig durch Fensterspalten oder an-

dere Öffnungen in die Gebäude hinein, wo sie die Bewohner dann im Schlaf beißen können, ohne be-

merkt zu werden. Die beim Saugakt entstehenden Wunden können mit Salmonellen oder Verwe-

sungsbakterien verunreinigt werden und Infektionen bzw. Abszesse verursachen.

Fallbeschreibung: „Mehrere Feuchtigkeitsschäden mit mikrobiellen Befall“

Bei einer vierköpfigen Familie (zwei Töchter, vier und sechs Jahre alt) traten seit 1999 zunächst

gesundheitliche Probleme bei den beiden Kindern auf, in erster Linie Hauterkrankungen und

Atemwegsbeschwerden. 2001 bekam auch die Mutter Atemwegsbeschwerden, sowie rheumatoi-

de Beschwerden mit kontinuierlich zunehmender Tendenz. Die Familie wohnte seit 1997 in einem

Einfamilienhaus, welches 1980 erbaut wurde.

Ende 2001 wurde ein Wasserschaden in der Küche lokalisiert (Leck in der Druckwasserleitung).

Der Schaden war in der Küche nicht sichtbar. Aufgefallen war der Schaden dadurch, dass die Au-

ßenwand auf der Fassade im Bereich der Küchenspüle einen rasch größer werdenden Feuchtig-

keitsfleck aufwies. Dies zeigte, dass sich der Schaden allmählich entwickelte und mit an Sicher-

heit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits seit Wochen oder sogar Monaten bestand.

Die Ursache der Feuchtigkeit wurde abgestellt, d. h. das Leck in der Druckwasserleitung wurde be-

seitigt. Das feuchte und vermutlich mit Mikroorganismen besiedelte Fußbodenmaterial wurde

komplett entfernt. Eine deutliche Besserung der gesundheitlichen Beschwerden war danach nicht

festzustellen.

Anfang 2002 wurde aus diesem Grund das Haus inspiziert und mittels Feuchtigkeitsmessungen

ein weiterer Feuchtigkeitsschäden im Keller lokalisiert. Im Keller wurde eine Materialprobe vom

feuchten Fußbodenmaterial entnommen und analysiert. Es wurden keine auffälligen Quantitäten

und Qualitäten an Mikroorganismen nachgewiesen.

Da die Untersuchung des feuchten Materials im Keller einen negativen Befund ergab, die Be-

schwerden jedoch weiter bestanden, wurde das Objekt mit einem Schimmelpilz-Spürhund began-

gen. Der Spürhund markierte im DG die Dachschrägen in beiden Kinderzimmern und im Schlaf-

zimmer sowie den Fußboden an der Balkontür im Kinderzimmer von Anna (vier Jahre).

Das Fußbodenmaterial enthielt hohe Mengen an Pilzen und Bakterien, u. a. Aspergillus versicolor

und Actinomyceten. Die Dämmwolle aus der Dachschräge (exemplarische Probe) enthielt erhöh-

te Mengen an Pilzen (u. a. Aspergillus versicolor) und leicht erhöhte Mengen an Bakterien.

Am 15. August 2003 schrieb uns der Familienvater, dass Aufgrund dieser Ergebnisse wurde das

Dachgeschoß nicht mehr genutzt wird. Die Sanierung ist geplant. Seitdem diese Etage gemieden

wird sind nach seinen Aussagen die Beschwerden der gesamten Familie praktisch verschwunden.

Leitfaden Umweltmedizin70

Fallbeschreibung: „Kontaktdermatitis durch Lederlenkrad“

Eine gemeinsam mit Ihrem Mann in einem Einfamilienhaus im Sauerland wohnende Frau, Mitte

40, litt seit zirka drei Jahren unter massiven Hautproblemen in der Innenfläche beider Hände.

Bekannt war eine Allergie auf Schwermetalle, weshalb der Verdacht bestand, dass die Hautpro-

bleme durch Kontakt mit Schwermetallen verursacht wird, aber alle Überlegungen zu den mögli-

chen Quellen und Selbstversuche mit gezieltem Meiden des Kontaktes mit bekanntermaßen

schwermetallhaltigen Gegenständen brachten keinen Erfolg.

Bei der Begehung des Wohnhauses wurden keine Auffälligkeiten festgestellt. Daraufhin wurde

gemeinsam der gesamte Tagesablauf im Haus im Zeitraffer nachgestellt.

Bei allen Tätigkeiten im Haus war kein regelmäßiger Kontakt mit einem Gegenstand, der Schwer-

metalle enthält, erkennbar.

Schließlich wurde vorgeschlagen, auch die Tätigkeiten außer Haus zu simulieren. Die Betroffene

berichtete daraufhin, dass Sie fast täglich mit dem Pkw zum Einkaufen fährt. Wir gingen gemein-

sam zum Fahrzeug und die Betroffene setzte sich ans Steuer. Die Handflächen mit der geschädig-

ten Haut waren mit dem Griff ans Lenkrad deckungsgleich.

Das Fahrzeug war kurz vor Auftreten der Beschwerden angeschafft worden und mit einem Leder-

lenkrad ausgerüstet. Da Leder nahezu immer mit Schwermetallen behandelt ist, war auf diese

Weise die Ursache des Problems lokalisiert.

71Leitfaden Umweltmedizin

Fallbeispiel: „Schadstoffbelastung in einem Fertighaus, Baujahr 1971“

Ein Ehepaar (Alter Mitte 70) bewohnt seit Erstellung des Objektes 1971 ein Fertighaus in Leicht-

bauweise. Das Gebäude besteht aus einem Holzständerwerk, Spanplattenwänden die mit aufge-

setzten GK-Platten und Fußböden wie Decken aus Spanplatten.

Bei einer umweltmedizinischen Untersuchung wurde ein toxischer Leberschaden bei der Ehefrau

festgestellt sowie Leberwerte beim Ehemann, die auf eine toxische Belastung hindeuten. Des Wei-

teren wurde über Augenreizungen, Hautjucken, Schluckbeschwerden und verstopfte Nase ge-

klagt. Beim Ortstermin wurde im Gebäude sofort beim Eintritt ein starker muffig-schimmliger Ge-

ruch festgestellt, wie er häufig in derartigen Fertighäusern vorliegt.

Die Hausstaubanalyse ergab nur leicht auffällige Werte an PCP (5 mg/kg), DDT (5 mg/kg) sowie

Lindan (1 mg/kg). Die Raumluftmessung auf Formaldehyd ergab mit 0,08 ppm einen Wert, der un-

ter der Empfehlung des BGA (0,1 ppm), aber über dem Zielwert der WHO liegt (0,05 ppm).

Bei vergleichbaren Geruchsbelastungen in Fertighäusern wurden zwar regelmäßig mikrobielle

Schäden in der Dämmung der Außenwände festgestellt, jedoch ergaben die Ergebnisse von MVOC-

Messungen zwar auffällig erhöhte Werte, die aber stets nicht so hoch lagen, wie es aufgrund des

Geruchs zu erwarten war.

Nach neueren Untersuchungen des Labors ARGUK in Oberursel (Veröffentlicht auf der AGÖF Ta-

gung 2004 in München) sind die Geruchsbelastungen auf Chloranisole zurückzuführen, die bei den

älteren Fertighäusern aus den Außenwänden emittieren. Diese Verbindungen sind bekannterma-

ßen nicht ursprünglicher Bestandteil der Materialien, entstehen allerdings bei der mikrobiellen Zer-

setzung von Phenolen, u. a. von PCP. Diese Verbindungen sind somit keine mikrobiellen Stoffwech-

selprodukte, d. h. keine MVOC im engeren Sinn, aber sie entstehen nach derzeitigem Kenntnisstand

durch die mikrobielle Zersetzung bestimmter chemischer Verbindungen und sind somit ebenfalls

ein Indikator für mikrobielle Schäden.

Eine VOC-Luftmessung in diesem Gebäude ergab, dass eine hohe Belastung mit Chloranisolen

vorlag. Es konnten die Verbindungen 2,4,6-Trichloranisol (TCA) mit 5 ng/m³, 2,3,4,6-Tetrachlorani-

sol (TeCA) mit 525 ng/m³ und Pentachloranisol (PCA) mit 71 ng/m³ nachgewiesen werden. Im Ver-

gleich zu den Geruchsschwellwerten lagen die Konzentrationen von zwei Verbindungen deutlich

im wahrnehmbaren Bereich:

Neben den möglichen Effekten durch Holzschutzmittel, Formaldehyd und Mikroorganismen ist die

Geruchsbelastung auch deshalb zu beachten, da sich diese Stoffe sehr hartnäckig insbesondere

in Textilien festsetzen. Die Bewohner entsprechender Häuser umgibt als Folge ständig eine muf-

fig-schimmlige Duftwolke, die die Betroffenen in der Regel nicht mehr wahrnehmen. Sie werden

wegen des Geruchs nicht selten von Kollegen und Freunden gemieden, wobei es in den uns be-

kannten Fällen immer erst nach Beseitigung des Problems zu Hinweisen gekommen ist, dass sie

extrem ungenehm gerochen haben. Eine direkte Ansprache erfolgte praktisch nie. Die Folge war

in einzelnen Fällen eine zunehmende soziale Isolation.

Verbindung Messwert Geruchsschwelle Faktor

TCA 5 2 2,5

TeCA 525 100 5,2

PCA 71 200.000 << 1

Angaben in ng/m³

Leitfaden Umweltmedizin72

Fallbeispiel Formaldehyd

Im Sommer 2002 beauftragte ein Umweltmediziner das Umweltmobil für ein Rentnerehepaar.

Die Frau litt seit mehr als 20 Jahren an Müdigkeit, innerer Unruhe, Infektanfälligkeit, Kopfschmer-

zen und Beschwerden der oberen und unteren Atemwege.

Bei der ersten Begehung im Sommer 2002 wurde festgestellt, dass das Ehepaar in einem 1976 er-

stellten Fertighaus wohnt, bei dem der Wandaufbau sowie der Fußbodenbereich aus Pressholz-

platten besteht. Im gesamten Wohnbereich war ein säuerlicher Geruch wahrzunehmen.

Es wurde eine Raumluftmessung auf Formaldehyd im Wohnzimmer des Hauses durchgeführt. Die

Untersuchung ergab eine Formaldehydkonzentration von 0,5 ppm in der Raumluft. Es wurde

empfohlen, die Pressholzbauteile zu entfernen bzw. räumlich zu trennen.

Im November 2006 wurde erneute eine Wohnraumbegehung beauftragt. In der Zwischenzeit

wurden die Pressholzplatten aus dem Fußbodenbereich entfernt. Hier wurden Estrich gegossen

und Fliesen verlegt. Die Beschwerden der Patientin wurden schwächer, jedoch waren sie noch

nicht ganz abgeklungen.

Bei diesem Ortstermin im November wurde erneut eine Raumluftmessung auf Formaldehyd

durchgeführt. Das Untersuchungsergebnis zeigte, dass die Formaldehydkonzentration durch die

erste Sanierungsmaßnahme auf einen Wert von 0,19 ppm gesunken war. Es wurde empfohlen, die

Pressholzplatten aus dem Wandbereich zu entfernen bzw. räumlich zu trennen, um die Konzen-

tration auf einen unkritischen Wert zu minimieren.

Fallbeispiel Beratung

Im November 2006 beauftragte uns ein Umweltmediziner, eine Begehung in dem Einfamilienhaus

einer Familie durchzuführen, bei der der 13-jährige Sohn unter oberen und unteren Atemwegsbe-

schwerden sowie unter Kopfschmerzen litt bzw. infektanfällig war. Zudem ist der Sohn ein Haus-

staubmilbenallergiker.

Der Sohn hatte ein Schlafzimmer im Keller. Die Wände sind allesamt mit Rigips verkleidet, sodass

die eigentlichen Wände nicht einsehbar waren. In diesem Zimmer befand sich kein richtiges Bett,

sondern nur Matratzen, die auf dem Boden lagen. Das Schlafzimmer machte insgesamt einen un-

aufgeräumten Eindruck. Gelegentlich schlief der Junge in einem anderen Zimmer im Souterrain

auf einem Sofa.

Während der Wohnraumbegehung im November 2006 wurde der Familie geraten, den Sohn in ei-

nem anderen Zimmer schlafen bzw. wohnen zu lassen. Messungen wurden bei dieser Begehung

nicht durchgeführt, jedoch zu einem späteren Zeitpunkt empfohlen. Außerdem wurden der Fami-

lie geraten, auf ein optimales Raumklima zu achten und das Zimmer des Sohnes allergikerfreund-

lich auszustatten.

Bei dem zweiten Ortstermin im Januar 2007 wurde berichtet, dass es dem Sohn bereits gesund-

heitlich besser gehen würde. Er ist in ein Zimmer im Souterrain gezogen. Dieses Zimmer wurde

renoviert und allergikerfreundlich ausgestattet. Außerdem hat der Junge ein richtiges Bett und

allergikergerechte Bettwäsche bekommen. Die Symptome sind nahezu vollständig abgeklungen.

73Leitfaden Umweltmedizin

Fallbeispiel Holzschutzmittel

Auf Grund von Kopfscherzen, Nerven- u. Empfindungsstörungen, Schwindel und Beschwerden

der unteren Atemwege konsultierte eine 20-jährige Frau sowie deren Mutter einen Umweltmedi-

ziner.

Die Familie lebt in einem 1982 erbauten Einfamilienhaus, bei dem es sich um ein Fertighaus han-

delt. Im Oktober 2005 wurden im Wohnzimmer und im Schlafzimmer die Rigipswände von innen

entfernt, sodass der Innenaufbau der Wand sichtbar wurde. Es wurde festgestellt, dass der Holz-

rahmen des Wandaufbaus mit einem Holzschutzmittel behandelt wurde. Dieses wurde den Pa-

tienten auch von der Baufirma bestätigt. Im Dezember 2006 wurde eine Materialprobe zur Un-

tersuchung auf Organochlorpestizide entnommen.

Diese Untersuchung der Probe des Drempels (Wandaufbau) im Kinderzimmer hat stark erhöhte

Konzentrationen für Holzschutzmittel (PCP 4550 mg/kg, Lindan 26 mg/kg) ergeben. Es wurde

empfohlen, eine Untersuchung des Holzständerwerkes sowie des Hausstaubes durchzuführen.

Außerdem sollten die belasteten Materialien aus dem Wohnraum entfernt werden.

Nach Erhalt der Genehmigung der Krankenkasse, wurden die beiden vorgenannten Proben von

den Patienten eingeschickt und durch die Umweltlabor ACB GmbH auf Organochlorpestizide un-

tersucht.

Bei der Untersuchung der Materialprobe wurden ähnliche Konzentrationen an Holzschutzmitteln

wie bei der Untersuchung des Wandaufbaus ermittelt. Der Staub wies nur eine geringe Konzen-

tration an Lindan auf. Dieser Befund zeigt jedoch, dass der Hausstaub mit Organochlorpestiziden

kontaminiert ist. Die belasteten Materialien sollten aus den Wohnräumen entfernt bzw. versiegelt

werden. Die Sanierungsarbeiten werden zurzeit vorbereitet.

Fallbeispiel Schimmelpilze

Im September 2006 wurde ein 26-Jähriger Mann auf Grund von starken Lungenschädigungen im

Krankenhaus behandelt. Außerdem litt er unter Müdigkeit, Knochen- und Muskelschmerzen sowie

Augenproblemen.

Der Mann lebt in einer im Jahre 2000 erbauten Doppelhaushälfte, sein Schlafzimmer befindet

sich im Kellergeschoss der Wohnung. In seinem Zimmer war ein typisch modrig-erdiger Geruch

wahrzunehmen. Die gesamten Wände waren jedoch mit Rigips verkleidet, sodass die eigentlichen

Wände nicht einsehbar waren. Im offenen Treppenhaus im Keller war schwarzer Belag an der Au-

ßenwand sichtbar. Die Wand war jedoch trocken. Auch hier war der typische Geruch wahrzuneh-

men.

Während des Krankenhausaufenthaltes wurde eine Wohnraumbegehung durchgeführt. Hier wur-

de eine Messung auf Sporen und Keime in dem Schlafzimmer des Mannes durchgeführt. Um eine

Verschleppung der Sporen durch das offene Treppenhaus in die oben gelegenen Wohnräume zu

kontrollieren, wurde eine weitere Messung im Flur im Erdgeschoss durchgeführt.

Leitfaden Umweltmedizin74

Die Untersuchungen der Raumluft des Schlafzimmers haben eine erhebliche Belastung mit

Schimmelpilzen ergeben. Es wurden Werte > 20.000 KBE/m³ gemessen. Im Vordergrund der Be-

lastung standen die Schimmelpilzarten Aspergillus versicolor und Wallemia sebi, die auf einen

Feuchtschaden im Innenraum hindeuten. Auch eine Verschleppung der Sporen in die oberen

Wohnräume konnte bestätigt werden. Hier wurden geringere Werte gemessen, jedoch war die

Raumluft des Flurs ebenfalls als belastet einzustufen (Belastung durch Wallemia sebi, Aspergillus

versicolor und Penicillium). Es wurde empfohlen, eine sachgerechte Sanierung durchzuführen

und die Ursache für den Schaden zu ermitteln. Außerdem sollte das Schlafzimmer nicht genutzt

werden. Der Patient ist nach seinem Krankenhausaufenthalt direkt in ein Zimmer im Dachge-

schoss gezogen.

Nachdem den Patienten die Ergebnisse der Untersuchungen vorlagen, wurde mit den Sanie-

rungsarbeiten begonnen. Die Rigipswände wurden entfernt, wobei festgestellt wurde, dass die

Isolierung zwischen der massiven Kellerwand und der Rigipswand vollständig durchnässt war.

Hier wurden umfangreiche Sanierungsarbeiten zur Beseitigung des Feuchtschadens durchge-

führt.

Seitdem sich der Patient nicht mehr in dem im Keller gelegenen Schlafzimmer aufgehalten hat,

sondern in ein anderes Zimmer im Dachgeschoss umgezogen ist, ist er weitestgehend beschwer-

defrei. Dieses ist unter anderem auf die Sanierung der befallenen Kelleraußenwand im offenen

Treppenhaus zurückzuführen, da nun die Sporen nicht mehr in die Raumluft der Wohnung emit-

tieren.