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Antiseptische Indikationen unter besonderer Berücksichtigung von Nahtmaterial Axel Kramer Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Universität Greifswald

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Antiseptische Indikationen unter besonderer Berücksichtigung

von Nahtmaterial

Axel KramerInstitut für Hygiene und Umweltmedizin der Universität

Greifswald

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Bakterien und Wundheilung Indikationen

Kontamination Attachment, keine Vermehrung Reinigung, ggf.

präventive Antiseptik zur Prävention von Infektion

Kolonisation Vermehrung auf der Wunde ohne klinische Wirtsreaktion, d.h. keine Entzündung keine Antiseptik (außer bei MRE)

Kritische Kolonisation chron. Wunden: keine invasive Infektion, aber durch Toxinabgabe verzögerte Wundheilung ohne manifeste Entzündung (häufig nur verändertes Granulationsgewebe, erhöhte Blutungsneigung, Wundgeruch, Exsudation) Hemmung von Epithelisierung, ggf. Stillstand der Wundheilung „milde“ Antiseptik

Infektion lokale und/oder systemische Wirtsreaktion (Sepsis) mit Wundheilungshemmung bis zum Stillstand therapeutische Antiseptica

Biofilmbildung auf ImplantatenPrävention durch antimikrobielle Imprägnierung

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Globale Indikationen der Wundantiseptik

1. Prävention von Wundinfektionen

2. Prävention von SSI3. Therapie infizierter Wunden

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Prävention von Wundinfektionen – notwendige Indikationen der

Wundantiseptik

Verschmutzte, kontaminierte Wunden (insbes. Biss-, Stich, Schusswunden)

einmalige Reinigung + Antiseptik große Weichteilverletzungen Debridement + einmalige Antiseptik Verbrennungswunde nach Abtragung nekrotischer und infizierter Gewebeanteile Antiseptik bis zur Transplantation, bei Meshgraft Fortsetzung bis Epithelisierung

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Prävention von Wundinfektionen – notwendige Indikationen der

Wundantiseptik

infizierte Wunde Antiseptik bis zum Abklingen klinischer

Symptome, ggf. Erregerkontrolle (bei MRE) Nachbehandlung chirurgisch eröffneter

Abszesse und Phlegmonen nach chir. Versorgung einmalige

Antiseptik Intraoperative Wundkontamination einmalige Antiseptik eitrige Peritonitis, Pleuritis, Mediastinitis –

antiseptische Spül-Saug-Drainage mit MRE kolonisierte Wunde

Antiseptik bis neg. Befund (bzw. Entlassung)

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Prävention von Wundinfektionen – sinnvolle Indikationen der

Wundantiseptik

bei langer OP-Feld-Präparation intraoperative Spülung, z. B. vor Implantation alloplastischen Materials Schlussspülung nach großflächigem operativen

Eingriff

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keine Indikation zur Wundantiseptik

saubere begrenzte Bagatellverletzung, heilende Gelegenheitswunde

Wundkolonisation ohne klinische Entzündungszeichen

abgetrocknete Op-Wunde (2. Tag) einheilendes Mesh-graft-Transplantat

bzw. frisches Hauttransplantat intraoperativ bei kurzdauernden

Eingriffen mit geringem Kontaminationsrisiko und aseptischen Wundverhältnissen

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Chirurgischer Aphorismus Gib nichts in die Wunde

was Du nichts ins Auge geben kannst.Trifft zu für: Polihexanid 0,04 % (2004 Einführung zur präop.

Augenantiseptik)Hansmann F, Kramer A, Ohgke H, Strobel H, Geerling G

(2004) Polyhexamethylbiguanid (PHMB) as preoperative antiseptic for cataract surgery . Ophthalmol 101: 377-383.

Hansmann F; Kramer A; Ohgke H; Strobel H; Muller M; Geerling G (2005) Lavasept as an alternative to PVP-iodine as a preoperative antiseptic in ophthalmic surgery. Randomized, controlled, prospective double-blind trial. Ophthalmol 2005, 102(11):1043-6, 1048-1050.

Octenidin < 0,05 % (Schweineauge) PVP-Iod 1 % (Anwendungskonz. auf Wunden 10 %) Chlorhexidine <0,006 %Trifft nicht zu für: Silbersulfadiazin

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Zweite Prämisse

Wende keine Wirkstoffe auf Wunden an,die in Quantitäten resorbiert werden, die mit dem Risiko von Nebenwirkungen

verbunden sein können

trifft zu für: PVP-Iod Silberverbindungen

bzw. die zu kritischen Verbindungen gegiftet werden können trifft zu für: Chlorhexidin (p-Chloranilin)

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Kriterien zur Wirkstoffauswahl

Schädigung durch Infektion

Toxizität des Antiseptikums

risk benefit Balance

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Biokompatibilitätsindex (BI)Quotient aus IC50 und RF >lg 3, getestet in FBS

Wirkstoff BI [30 min]

L929/E. coli L929/ S. aureus

OctenidinPolihexanid

ChlorhexidindigluconatPVP-I (bezogen auf I2)

TriclosanAg-Protein (bezogen auf Ag)

Ag(I)-Sulfadiazin,AgNO3

1.731.510.83 0.680.230.22nicht

kalkulierbar

2.111.360.98 0.68 0.460.11

nicht kalkulierbar

Müller G, Kramer A. J Antimicr Chemother 2008; 61(5)

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Prävention von SSI Präoperativ bei kontaminierter traumatischer

Wunde – einmalige antiseptische Spülung

intraoperativ nach Wundkontamination (z.B. während Colonchirurgie) oder nach Exzision chronischer Herde – einmalige antiseptische Spülung

Wundkolonisation mit MRE (z.B. MRSA, VRE) – bis zur Eradikation

intra+postoperativ durch antiseptisch imprägniertes Nahtmaterial

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Retrospektive StudieLandwirtschaftliche schwere verschmutzte

Weichteilverletzungen

Design: Retrospektive offen kontr., monozentr. , randomisierte Kohortenstudie

standardisierte Dokumentation für jeden Patienten- Ursache und Charakteristik der Verletzung- Intervall zwischen Verletzung und chir. Intervention- Ausschlusskriterium: vorherige systemische oder lokale

Antibiotikaanwendung nach chir. Versorgung vor Wundverschluss

Spülung mit- 0.04 % Polihexanid - 10 % PVP-Iod- H2O2 4 % - Ringer solution (Placebo) für 3 min

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Prävention von SSI durch Wundspülung vor dem

Wundverschluss

Spüllösung Patienten mit SSI all n %

H2O2 4 % 504 44 8.7*/**

Ringer 551 24 4.4*/**

PVP-I 10 % 2067 69 3.4*

Polihexanide 0.04 %

3849 35 0.91*

* corresp. p < 0.000 ** corresp. p < 0.002

Kramer et al. GMS Krankenhaushyg Interdiszip 2007;2(2):Doc58

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Eradikation von MRSA im U. cruris

erster Anwendungsbericht betroffen gesamte Zirkumferenz des

Unterschenkels Debridement Polihexanid-Gel mit Verbandabdeckung

+ Kompressionstherapie schon nach 2 d Eradikation, an nächsten 5 d bestätigt

Dissemond J et al. Z Wundh 2004; 9(1):29-32

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Implantate als Risikofaktor für die

Entstehung von Infektionen

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Häufigkeit Device-assoziierter Infektionen

• 1 - 3% aller Brust-, Penis-, Gelenk-prothesen

• 10 – 30 % Harnwegkatheter• 1 – 5 % Gefäß-Grafts• 1 – 7 % Herzschrittmacher• 9 – 27 % aller Beatmungspatienten• 3 – 8 % ZVK• 25 – 50 % Aortengegenpumpen u.a.

Herz –Assistenzsysteme

Lynch AS et al. (2008) Annual Review of Medicine: Bacterial and fungal biofilm infections

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Warum sind Implantate so infektionsgefährdet?

1. die einfache Antwort 2. die wissenschaftliche Antwort

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Die einfache Antwort

Was braucht man für eine gelungene Party?

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Partyzutaten

Gäste Bewirtung Sitzmöglichkeiten

+ +

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Von der einfachen zur wissenschaftlichen Erklärung

Gäste Bewirtung Sitzmöglichkeiten

+ +

• Exsudat

• Zelldetritus

• Blut

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Oberflächen bilden eine ideale “Sitzmöglichkeit” für Bakterien

Voraussetzungenminimale Feuchtigkeit + Nährstoffe + TemperaturAdhärenz von Mikroorganismen an die Oberfläche durchineinandergreifende Interaktionsmechanismen

unspezifische biophysikalische Interaktionen (Reichweite ab 3 nm)- elektrostatische Doppelschichtwirkung- van der Waals`sche Kräfte- Dipol-Interaktionen

spezifische Kräfte (Reichweite 2-3 nm) wie- Wasserstoffbrückenbindungen und- kovalente Bindungen

Anhangsgebilde wie Fimbrien, Geißeln, Mikrofilamente oder

Filopodien

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vom anhaftenden Erreger zum Biofilm

• Nährstoffreiche Unterlage: conditioning film (organische Substanzen wie Proteine, Polysaccharide, Huminstoffe)

• Induktionsphase: reversible Anheftung ohne Matrixbildung, sog. initaler Biofilm

• Wachstumsphase: In der Übergangsphase entsteht eine Interfazialschicht durch Ausscheidung von EPS (Polysaccharide, Proteine, Lipide, Nucleinsäuren), die mit Wasser Hydrogele bilden schleimartige Matrix, in der Nährstoffe gelöst sind.

• Plateauphase: irreversibles Attachment

• Gleichgewichtszustand mit Zuwachs durch Adhäsion und Wachstum sowie Abtrag aufgrund kontinuierlicher Erosionen

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Von der Anheftung zur Freisetzung

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Biofilmbildung auf Eintages-Kontaktlinse

a = unbehandelte neue Kontaktinse (200x)

b = in-vitro Biofilm von P. aeruginosa SG81 mit EPS (extrazelluläre polymere Substanzen) und Bakterien (5000x)

aRand

Mitte

c

EPS Bakterium

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Mikroorganismen sind Überlebenskünstler

Mikroorganismen leben normalerweise im Ökosystem ihres Biofilms, der Urform der organisierten Lebensgemeinschaft

Vorteile• erhöhte Widerstandsfähigkeit gegen Umwelteinflüsse

einschließlich Biozide, körpereigene Abwehr,Schutz vor mechanischer Entfernung

• Speicherung von Nährstoffen im Biofilm als „Vorrat“• Bildung von „Lebensgemeinschaften“ mit weiteren

Mikroorganismen zum gegenseitigen Vorteil - im Abstand von wenigen hundert µm können aerobe und anaerobe Zonen vorkommen– eine Species schafft Raum für die andere- Freisetzung von Nährstoffen- Übertragung von Resistenzen

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Biozönose des Biofilms

wichtiges Merkmal des Biofilms ist die Kommunikation zwischen den Bakterien durch Botenstoffe, das „Quorum sensing“

ermöglicht strukturierte Biofilmentstehung

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Biofilme – mikrobielle Überlebensstrategie und Herausforderung für die

Antibiotikatherapie

Bakterien in Biofilmen sind bis zu 1000xresistenter gegenüber Chemotherapeutikaals nicht sessile Bakterien!

• Aaron SD et al. (2002) Journal of Clinical Microbiology: Single and combination antibiotic susceptibilities of planktonic, adherent, and biofilm-grown Pseudomonas aeruginosa isolates cultured from sputa of adults with cystic fibrosis

• Domingue G et al. (1994) Journal of Clinical Microbiology: Testing antimicrobial susceptibilities of adherent bacteria by a method that incorporates guidelines of the National Committee for Clinical Laboratory Standards

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Biofime und antimikrobielle Chemotherapie alles richtig gemacht und doch kein Erfolg

Implantatinfektion• kein befriedigender Therapieerfolg

trotz “richtiger” Substanzwahl • Wiederaufflammen der Infektion nach

Absetzen der Therapie trotz eigentlich ausreichender Dauer

• unklare Infektionszeichen, Chronifizierung “Kalter Abszess”

Ursache: Erreger werden nicht völlig eliminiert

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Stellungskrieg Erreger vs. Wirt und Therapeut

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Nahtmaterial – das bagatellisierte Implantat

Was geht mich das an, ich bin hier, um was über Nahtmaterial zu hören!

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Oberfläche eines 150 cm langen 1er polyfilen

Vicrylfadens

130 cm2 = 11,4 x 11,4 cm !

entspricht etwa der Oberfläche

eines Ipod touch einer Sandwichscheibe (eine

Seite) einer CD-Hülle (eine Seite)

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Wieviel Erreger passen in einschichtiger Lage auf eine CD-

Hülle?

1 Bakterium = 0,04 µm 130:0,04 = 3250

3250 x 108 = 325 Milliardenbei mehrschichtigem Biofilm > 1 Billion

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Antiseptisches Nahtmaterial

Nahtmaterial erhöht SSI-Risiko (Blomstedt et al. 1977, Österberg u. Blomstedt 1979)

• in bakteriell kontaminierten Bereichen wie Dickdarm, Gallenwegen und unterer Dünndarmanteil ist das Risiko der Nahtinsuffizienz durch Infektion erhöht

• Nähte in kontaminierten Bereichen befähigen Bakterien zur Penetration in tiefere Gewebeschichten (Chu u. Williams 1984)

• Infektionsdosis reduziert sich in Gegenwart von Nahtmaterial ~ 10 000 fach (Howe u. Marston 1962)

• Biofilmbildung um Naht schützt Mikroorganismen vor Wirtsabwehr (Everett 1970, Edlich et al. 1973)

infizierte Nähte induzieren Entzündung mit u. U. schweren lebensbedrohlichen Infektionen

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Was tun?

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Strategien gegen Nahtbesiedelung

Grundlagen• steriles Nahtmaterial• Hautantiseptik, Abdeckung, Versiegelung• aseptische, atraumatische, gewebeschonene

Arbeitstechnik• perioperative Antibiotikaprophylaxe

Add-on:• Antiseptikum

Alte Idee• LeVeen HH, Falk G, Mazzapica FA, Dennis C. The suppression of

experimental wound infections by biocidal sutures. Surg 1968;64(3):610-3

• Ludewig RM, Rudolf LE, Wangensteen SL. Reduction of experimental wound infection with iodized gut sutures. Surg Gynecol Obstet 1971; 133(6):946-8.

Problem: welcher antimikrobieller Wirkstoff?

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Imprägnierung– Antiseptika vs. Antibiotika

Antibiotika erhielten keine Bedeutung wegen Resistenzentwicklung kein universelles Wirkungsspektrum nicht mikrobiozid wirksam

Rodeheaver GT, Kurtz LD, Bellamy WT, et al.Biocidal braided (neomycin) sutures.Arch Surg 1983, 118(3) 322-7

Smolianskaia et al. In vitro activity of surgical suture materials containing cephalosporin antibiotics. Antibiot Khimioter 1994, 39(5) 45-8

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Bedeutung von IodIod erlangte ebenfalls keine

Bedeutung wegen Zytotoxizität für sich regenerierendes

Gewebe Wirkungsabschwächung bis Verlust durch

Blut und Eiweiß

Triclosan ist derzeit Wirkstoff der Wahl

Polous et al. The validation of the use of iodine-containing suture thread in surgical practice. Klin Khir 1993, (1): 49-51

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Antibakterielles Nahtmaterial

Vicryl®plus: Polyglactin 910 (resorbierbares atraumatisches

geflochtenes Nahtmaterial) + Triclosan (max. 270 µg/m), Wirkungsdauer 5-7 d

Monocryl® Plus: Polyglecaprone & Polydioxanone + triclosan (monofil, max. 2360 µg/m), Wirkungsdauer 17-23 d

höhere Wirksamkeit gegen gram-negative Bakterien

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Antimikrobielle Wirksamkeit in vitro

Wachstumsfreie Zone Naht 14,5 cm3 für S. epidermidis 17,8 cm3 für S. aureus Wirkung blieb in wässrigem

Milieu bis 7 d erhalten

Auf Grund der intrinsischen Resistenz ist gegen spp.P. aeruginosa, S. marcescens und Alcaligenes keine Wirksamkeit zu erwarten! Storch et al. J. Exp Med. 2004

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Attachment von S. aureus

nicht imprägniert Imprägniert – kein Attachment

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Antimikrobielle Wirksamkeit in vivo

Methodik Implantation von Nahtmaterial bei

Meerschweinchen (Fadenlänge 4-5 cm) sc. dorsolateral links und rechts

mit Katheter 5x104 KBE S. aureus eingebracht nach 48 h Explantation des Nahtmaterials Ergebnis nicht imprägniertes Nahtmaterial 103,6 KBE imprägniertes Nahtmaterial 101,85 KBE (p<0,05) durch Imprägnierung bleiben physikalischen

Eigenschaften einschließlich des Handlings unbeeinflusst

Storch M et al. Surg Infect 2002;3: S89-98

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Risk assessment nicht cytotoxisch, irritativ und pyrogen

Barbolt TA. Chemistry and safety of triclosan, and its use as an antimicrobial coating on Coated VICRYL* Plus Antibacterial Suture. Surg Infect 2002, 3 Suppl 1: S45-53    

nur in vitro Resistenz induzierbar ohne klinische Relevanz

Kramer A. et al. Triclosan. Prereprint from Wallhäußers Praxis der Sterilisation, Desinfektion, Antiseptik und Konservierung (ed. Kramer A, Assadian O), Thieme: Stuttgart/New York, 2008

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Risikobewertung der Triclosan-Aufnahme durch Nahtauflösung

5 m langer Faden mit 150 µg Triclosan/m Abgabe von max. 3 µg/kg Plasmaspiegel max.90 µg/l

- ~ 29fach niedriger als resorbierte Menge durch Zahnpasta mit Triclosanzusatz

- ~ 100fach niedriger als bei Ganzkörperwaschung mit 1% Triclosanseife

toxische Belastung einmaligen Verzehrs von 3 Scheiben Brot mit 0,2 % Sorbinsäure als Konservierungsmittel ~ 40000fach > als Triclosan-aufnahme durch Nahtmaterial

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Klinischer Outcome

103 Triclosannahtmaterial (pro Patient $30) vs. 376 Placebonaht (pro Patient $21) Placebo: 10 oberflächliche und 14 tiefe

sternale Wundinfektionen (pro Patient $11.200)

Triclosan: keine Wundinfektion (p<0,05)

Fleck et al. Ann Thorac Surg 2007;84(1):232-6

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mediane Laparotomie Studiendesign n = 1082: Vicryl vs. n = 1129 Vicryl plusErgebnisse 114 (10.8%) vs. 56 (4.9%) SSI (p< 0.05) individuelle Risikofaktoren für SSI vergleichbar

in beiden GruppenJustinger et al. Antibiotic coating of abdominal closure sutures and wound infection.Surgery 2009, 145(3): 330-4

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cerebrospinale Shunt- Chirurgie

Shunt Infektionsrate in der Triclosan- Gruppe 2/46 = 4.3%Kontrolle 8/38 =21% (p = 0.038)

keine Nahtmaterial-bezogenen Nebenwirkungen

Rozzelle et al. Antimicrobial suture wound closure for cerebrospinal fluid shunt surgery: a prospective, double-blinded, randomized controlled trial. J Neurosurg Pediatr 2008, 2(2): 111-7

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Appendektomie bei Kindern

Studie: Kontrolle vs. Triclosan imprägniertes Nahtmaterial suture vs. Gentamicin- imprägniertes Kollagenflies (letzteres wurde im Muskel plaziert vor WundverschlussErgebnisse: In beiden Studiengruppen SSI-Rate signifikant reduziert, aber mit dem Nachteil von Gentamycin and dem höhen Preis von KollagenfliesPico et al. Prospective study comparing the incidence of wound infection following appendectomy for acute appendicitis in children: conventional treatment versus using reabsorbable antibacterial suture or gentamicin-impregnated collagen fleeces. Cir Pediatr 2008;21(4):199-202   

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Brustverkleinerung Kein Effekt auf SSI bei 26 OPs

Deliaert et al. The effect of triclosan-coated sutures in wound healing. A doubleblind randomised prospective pilot study. J Plast Reconstr Aesthet Surg 2008: S1748-6815

- ungewöhnlich hoher Anteil von Wunddehiszenzen: Deliaert 44% vs. 62 % (Triclosan), aber Schumacher (2005) 15.5 %, Beer at al. (2004) 22%, davon 19.6 % kleine Komplikationen, Lista und Ahmad (2006) 5.6 % - warum subcutane Knoten anstatt kontinuierliche subcutane Naht - biochemische Aspekte von Triclosan wurden falsch dargestelltAssadian O, Below H, Kramer A. The effect of triclosan-Coated sutures in wound healing and triclosan degradation in the environment. J Plast Reconstr Aesthet Surg 2009, 62(2): 264-5

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Indikationen für antiseptisches Nahtmaterial

Streng indiziert in kontaminierten Arealen Wunddehiszenz und sekundäre Nähte Nähte bei kontaminierten traumatischen

Wunden Haemorrhoidectomie urologische Operationen (radikale

Prostatectomie) Episiotomie und gynäkcologische

Operationen dento-alveoläre ChirurgieRisiko der Biofilmbildung auf monofilamentärem Nahtmaterial Kataraktop. kardiale Implantationen Gefäßprothesen Hüftendoprothesen

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Medizinische Implantate, wie z.B. Nahtmaterial, verursachen keine Infektionen

aber…

in der Nähe des Fadens

• besteht das Risiko der Anhaftung von Wundpathogenen mit Biofilmbildung

• breitet sich die Infektion entlang des Nahtmaterials aus (Leitschiene)

• ist die Infektion schwerer zu behandeln (Biofilmbildung)

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Indikationen für antiseptisches Nahtmaterial

Streng indiziert in kontaminierten Arealen• Wunddehiszenz und sekundäre Nähte• Nähte bei kontaminierten traumatischen Wunden • Haemorrhoidectomie• urologische Operationen (radikale

Prostatectomie)• Episiotomie und gynäkcologische Operationen• dento-alveoläre ChirurgieRisiko der Biofilmbildung auf monofilamentärem Nahtmaterial• Kataraktop.• kardiale Implantationen• Gefäßprothesen• Hüftendoprothesen

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Antiseptisches Nahtmaterial

Da in vitro und klinisch effektiv sowie toxikologisch unbedenklich, ist antiseptisch imprägniertes

chirurgisches Nahtmaterial prinzipiell überlegen

Es gibt kein Argument gegen den Einsatz, aber die höhere Sicherheitspricht für generellen Einsatz

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Vielen Dank!

Caspar David Friedrich