Urban Gardening
Möglichkeiten in St.Gallen
Abbildung 1: Titelbild
Quelle: Eigene Zeichnung
Eigene Darstellung
Yasmine Zweifel
Masterarbeit
2014
Pädagogische Hochschule St.Gallen
Yasmine Zweifel 2
Urban Gardening
Möglichkeiten in St.Gallen
Masterarbeit
Pädagogische Hochschule St.Gallen
Studentin: Yasmine Zweifel
Kublystrasse 2
9016 St.Gallen
Dozent: Prof. Dr. Rolf Bürki
Co-Betreuung: Prof. Dr. Patrick Kunz
Abgabe: 22. August 2014
Yasmine Zweifel 3
Vorwort
Gärtnern ist meine Leidenschaft, zu der ich dank dieser Masterarbeit einen noch tie-
feren Zugang gefunden habe. Mein Wunsch, nachhaltiger zu leben, brachte mich auf
das Thema Urban Gardening. Durch diese Arbeit habe ich viel gelernt und Neues
gesehen. Ich durfte mich mit spannenden Menschen unterhalten. Allen, die sich für
ein Interview zu Verfügung gestellt haben, möchte ich an dieser Stelle herzlich dan-
ken. Ausserdem geht ein grosser Dank an meinen Betreuer, Prof. Dr. Rolf Bürki, und
meinen Co-Betreuer, Prof. Dr. Patrick Kunz, die mich sehr gut durch diese Phase
geführt und noch mehr aus mir herausgeholt haben.
Es wäre wunderbar, wenn diese Masterarbeit dazu beitragen könnte, die Menschen
zum Nachahmen anzuregen und einen Schritt hin zu einer nachhaltigeren Gesell-
schaft zu machen. Die Stadt soll lebenswerter und gleichzeitig die Umwelt geschont
werden.
Yasmine Zweifel, im August 2014
Yasmine Zweifel 4
Zusammenfassung
Die Nahrungsmittelproduktion in der Stadt ist ein altes Phänomen. Seit es Städte
gibt, werden dort verschiedenste Lebensmittel angebaut. Dennoch ist eine neue Be-
wegung bemerkbar, bei der in Gemeinschaftsprojekten oder auf Balkonen vermehrt
Obst und Gemüse angebaut werden. Das Ziel der Masterarbeit ist, die Möglichkeiten
von Urban Gardening abzustecken, um soziale, ökologische und ökonomische Prob-
leme in einer Stadt wie St.Gallen anzugehen.
Die Urban Gardening Bewegung kam von den USA, Kanada und Kuba in die Gross-
städte Europas. Langsam fasst die Bewegung auch in der Schweiz Fuss. Es ist an-
zunehmen, dass das Interesse noch weiter ansteigen wird. Die positiven Auswirkun-
gen auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft konnten in diversen empirischen Stu-
dien nachgewiesen werden. Vorbehalte, wie die Verschmutzung der Ernte durch
Schadstoffe oder ein erhöhter Wasserverbrauch, können durch gezielte Information
der gärtnernden Bevölkerung umgangen werden. Das Interesse an gärtnerischen
Themen, aber auch der soziale Austausch und die Mitbestimmung in politischen Be-
reichen sind ausschlaggebende Motive für Stadtgärtnerinnen und –gärtner.
Bei der Untersuchung von vier Gemeinschaftsgärten in Zürich, Basel und München
konnten sechs Kriterien gefunden werden, die für den Erfolg wichtig sind: Es ist ent-
scheidend, dass eine sehr interessierte und engagierte Startgruppe die Initiative er-
greift und ein geeignetes Stück Land zu Verfügung steht. Daneben sind die Finanzie-
rung, ein stets aktueller Internetauftritt, der Umgang mit den Medien und Veranstal-
tungen im Garten weitere Erfolgsfaktoren. Probleme können auftreten, wenn wichtige
Dinge nicht von Beginn an geregelt werden oder keine Freiwilligen mehr gefunden
werden können. Ausserdem ist es von Vorteil, wenn die Stadt gut mit den Urban
Gardening Projekten zusammenarbeitet.
In St.Gallen gibt es erst wenige Projekte und ein Gemeinschaftsgarten, wie er in die-
ser Arbeit definiert wurde, ist noch nicht vorhanden. Doch das Interesse ist sowohl
bei der Stadt als auch auf Seiten der Bevölkerung vorhanden. Dies konnte durch ein
Testprojekt in der St.Galler Altstadt und durch Interviews mit Amtsinhabern von
St.Gallen eruiert werden. Grund für das Fehlen solcher Projekte sind der nicht vor-
handene Leidensdruck von Seiten der Bevölkerung sowie die Randlage und geringe
Grösse von St.Gallen
Abschliessend steht die These, dass Urban Gardening gut geeignet ist, eine Stadt
nachhaltiger und lebenswerter zu machen. Es ist sogar möglich, dadurch den ökolo-
gischen Fussabdruck zu senken, wie etwa das Beispiel von Vancouver zeigt. Durch
Schulgärten wird bereits der jüngsten Generation der Sinn für Saisonalität und um-
weltbewusstes Handeln vermittelt. Sie können somit einen Beitrag zur Bildung für
nachhaltige Entwicklung leisten. Auswirkungen von Urban Gardening beschränken
sich nicht nur auf den gärtnerischen Aspekt, sondern es kann auch Veränderungen
im Konsumverhalten oder als Einstieg in politische Partizipation dienen.
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Inhalt
VORWORT ........................................................................................................................ 3
ZUSAMMENFASSUNG ....................................................................................................... 4
INHALT ............................................................................................................................. 5
1. EINLEITUNG ............................................................................................................... 7
1.1. AUSGANGSLAGE UND PROBLEMSTELLUNG ............................................................................ 7
1.2. PRÄZISIERUNG DER FRAGESTELLUNG .................................................................................... 8
1.3. EINZELNE ARBEITSSCHRITTE UND METHODEN........................................................................ 8
1.4. QUELLENLAGE ................................................................................................................. 9
2. URBAN GARDENING ................................................................................................ 11
2.1. BEGRIFFSKLÄRUNG ......................................................................................................... 11
2.2. DIE GESCHICHTE ............................................................................................................ 14 2.2.1. Vancouver...................................................................................................................................... 15 2.2.2. Toronto .......................................................................................................................................... 16 2.2.3. New York ....................................................................................................................................... 17 2.2.4. Detroit ........................................................................................................................................... 19 2.2.5. Kuba .............................................................................................................................................. 20 2.2.6. England .......................................................................................................................................... 21 2.2.7. Deutschland ................................................................................................................................... 23
2.3. VERSCHIEDENE TYPEN VON GARTENINITIATIVEN .................................................................. 26 2.3.1. Abgrenzung zum Schrebergarten .................................................................................................. 26 2.3.2. Gemeinschaftsgärten .................................................................................................................... 27 2.3.3. Interkulturelle Gärten .................................................................................................................... 28 2.3.4. Mobile Gärten ............................................................................................................................... 28 2.3.5. Guerilla Gardening ........................................................................................................................ 28 2.3.6. Balkongärten ................................................................................................................................. 29 2.3.7. Urban Farming .............................................................................................................................. 29 2.3.8. Die Essbare Stadt ........................................................................................................................... 30 2.3.9. Urban Beekeeping ......................................................................................................................... 30
2.4. POSITIVE UND NEGATIVE AUSWIRKUNGEN VON URBAN GARDENING ........................................ 31 2.4.1. Umwelt .......................................................................................................................................... 31 2.4.2. Gesellschaft ................................................................................................................................... 33 2.4.3. Wirtschaft ...................................................................................................................................... 33 2.4.4. Vorbehalte gegen Urban Gardening ............................................................................................. 34
2.5. MOTIVE UND AKTEURE ................................................................................................... 35 2.5.1. Verbindung zur Freiwilligenarbeit ................................................................................................. 38
2.6. SITUATION IN DER SCHWEIZ ............................................................................................. 39 2.6.1. Urban Gardening in der Schweiz ................................................................................................... 40
2.7. TRENDENTWICKLUNG ..................................................................................................... 42
2.8. FAZIT .......................................................................................................................... 46
3. EXEMPLARISCHE AUSGEWÄHLTE URBAN GARDENING PROJEKTE ............................. 48
3.1. DEFINITION VON GEMEINSCHAFTSGÄRTEN .......................................................................... 48
3.2. AUSWAHL DER UNTERSUCHTEN GEMEINSCHAFTSGÄRTEN ...................................................... 49
3.3. METHODE .................................................................................................................... 50 3.3.1. Grounded Theory ........................................................................................................................... 50 3.3.2. Qualitative Inhaltsanalyse ............................................................................................................. 51 3.3.3. Methode dieser Arbeit ................................................................................................................... 51
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3.4. DURCHFÜHRUNG ........................................................................................................... 53 3.4.1. Projekt 1: O’pflanzt is! München ................................................................................................... 53 3.4.2. Projekt 3: Seedcity ETH Zürich ....................................................................................................... 54 3.4.3. Projekt 2: Landhof Basel ................................................................................................................ 56 3.4.4. Projekt 4: Stadiongarten Zürich ..................................................................................................... 58
3.5. ERGEBNISSE .................................................................................................................. 60 3.5.1. Voraussetzungen ........................................................................................................................... 62 3.5.2. Erfolgsfaktoren .............................................................................................................................. 63 3.5.3. Probleme ....................................................................................................................................... 64
3.6. IDEALTYPISCHER AUFBAU EINES GEMEINSCHAFTSGARTENS ..................................................... 65
3.7. FAZIT .......................................................................................................................... 66
4. URBAN GARDENING IN ST.GALLEN .......................................................................... 68
4.1. METHODE .................................................................................................................... 68
4.2. BESTEHENDE GARTENPROJEKTE ........................................................................................ 68 4.2.1. Neue Gärten Ostschweiz ............................................................................................................... 68 4.2.2. Kinderlokal TiRumpel ..................................................................................................................... 69 4.2.3. Merkblatt der Stadt St.Gallen ........................................................................................................ 70 4.2.4. Siedlung Remishueb ...................................................................................................................... 71 4.2.5. Wiborada Gartenweiber ................................................................................................................ 71 4.2.6. Familiengärten .............................................................................................................................. 72
4.3. TESTPROJEKT ................................................................................................................ 73
4.4. EMPFEHLUNG FÜR ST.GALLEN UND FAZIT ........................................................................... 77 4.4.1. Ausblick ......................................................................................................................................... 79
5. DISKUSSION UND SCHLUSSFOLGERUNGEN .............................................................. 80
5.1. ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE ............................................................................... 80
5.2. DISKUSSION DER ERGEBNISSE ........................................................................................... 81
5.3. KRITISCHE REFLEXION ..................................................................................................... 84
5.4. SCHLUSSFOLGERUNGEN .................................................................................................. 86
6. QUELLENVERZEICHNIS ............................................................................................. 88
6.1. LITERATUR.................................................................................................................... 88
6.2. INTERNETPORTALE ......................................................................................................... 96
6.3. INTERVIEWPARTNERINNEN UND -PARTNER .......................................................................... 97
7. ABBILDUNGSVERZEICHNIS ....................................................................................... 98
8. TABELLENVERZEICHNIS ............................................................................................ 99
ANHANG ........................................................................................................................ 100
A. ALLE INTERVIEWLEITFÄDEN ................................................................................................ 101
B. 10 STEPS TO STARTING A COMMUNITY GARDEN.................................................................... 104
C. TABELLE MIT DEN KATEGORIEN ........................................................................................... 105
D. INFORMATIONSZETTEL ...................................................................................................... 106
E. FRAGEBOGEN .................................................................................................................. 107
F. DIE LANDWIRTSCHAFT ...................................................................................................... 108
G. ARTIKEL IM ST. GALLER TAGBLATT (05.08.2014) ................................................................. 109
H. EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG ............................................................................................ 111
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1. Einleitung
1.1. Ausgangslage und Problemstellung
Urban Gardening ist ein Phänomen, das es bereits länger gibt. Die Menschen in den
Städten haben früher schon ihr eigenes Gemüse angebaut. Jedoch geschieht dies
immer seltener, seit man im Supermarkt viele Nahrungsmittel günstig einkaufen
kann. Trotz der Tendenz zu einem immer bequemeren Lebensstil macht sich in den
letzten Jahren eine Bewegung bemerkbar: Die Leute in den Städten legen wieder
vermehrt selbst Beete an oder ziehen sogar auf dem Balkon ihr eigenes Gemüse.
Stadt und Gemüsegarten. Diese zwei Dinge scheinen ein Widerspruch zu sein. Doch
nur auf den ersten Blick, denn es gibt sehr wohl Gärten in der Stadt. Und dies sind
nicht nur die bekannten, teils belächelten Schrebergärten. Es gibt immer mehr Initia-
tiven, Projekte und Aktionen, bei denen Menschen in den Städten ihr eigenes Obst
und Gemüse anbauen. Könnte dahinter ein Wandel im Denken stecken? Immer mehr
Leute fragen sich, woher ihr Essen kommt. Denn die Saisonalität spielt keine Rolle
mehr. Zu jeder Jahreszeit ist in den Regalen dasselbe Angebot vorhanden. Der
Wunsch, zu wissen, woher die Nahrung kommt, zeigt sich an der Wiederbelebung
von regionalen Spezialitäten oder am gesteigerten Interesse an Initiativen wie Slow
Food1 und es werden ständig mehr. Auch Grossverteiler wie Migros nutzen dies für
ihre Slogans: „Aus der Region. Für die Region.“
Seit dem Millennium lebten erstmals gleichviele Menschen in Städten wie auf dem
Land. In den höher entwickelten Ländern beträgt der Verstädterungsgrad bereits
heute über 70 Prozent (Ribbeck, 2008). Das Verhältnis der meisten Städterinnen und
Städter zur Nahrungsmittelproduktion und zur Natur ist verständlicherweise nicht
mehr so eng wie früher, da man sein Essen selten noch selbst anpflanzt. Im Zeitalter
der Globalisierung scheint es keine Rolle mehr zu spielen, welche Distanzen ein Gut
zurücklegen muss. Laut einer bemerkenswerten Studie des Leopold Center for
sustainable Agriculture at Iowa State University reisen unsere Lebensmittel im
Durchschnitt 2‘400 km vom Feld bis zum Konsum (Cockrall-King, 2011). Dennoch
wächst ein Gegentrend zu biologischen und nachhaltigen Produkten. Gemüse wird
aber nicht nur auf dem Land angebaut, sondern auch in den Städten spriessen im-
mer häufiger Nahrungsmittel aus dem Boden. In einer Grossstadt wie New York bau-
en Tausende von Menschen ihre eigenen Lebensmittel an, sei es auf Dächern, Bal-
kons oder Brachen. Welches Potenzial steckt in diesen Stadtgärten? Existieren sie
1 „Slow Food ist eine weltweite Vereinigung von bewussten Genießern und mündigen Konsumenten,
die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Kultur des Essens und Trinkens zu pflegen und lebendig zu halten. Sie fördert eine verantwortliche Landwirtschaft und Fischerei, eine artgerechte Viehzucht, das traditionelle Lebensmittelhandwerk und die Bewahrung der regionalen Geschmacksvielfalt. Slow Food bringt Produzenten, Händler und Verbraucher miteinander in Kontakt, vermittelt Wissen über die Qualität von Nahrungsmitteln und macht so den Ernährungsmarkt transparent“ (www.slowfood.de). Mehr unter www.slowfood.ch oder www.slowfoodyouth.ch
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nur in trendigen Grossstädten wie London, Paris, Berlin und New York oder findet die
Bewegung auch in eher kleinen Städten wie St.Gallen Anhängerinnen und Anhän-
ger? Das Ziel dieser Arbeit ist, die Entwicklung von Urban Gardening auf St.Gallen
zu beziehen. Das Thema besitzt eine grosse Aktualität und Relevanz, weil Urbanität
und Nachhaltigkeit zwei Schlüsselthemen unserer postmodernen Gesellschaft sind.
1.2. Präzisierung der Fragestellung
Folgende Fragen sollen in dieser Arbeit geklärt werden:
Frage 1: Wie entwickelte sich Urban Gardening zu einem aktuellen Trend?
Dabei soll aufgezeigt werden, was Urban Gardening genau ist und woher es kommt.
Die entscheidenden Begriffe werden definiert und unterschiedliche Gartentypen the-
matisiert. Sowohl die Geschichte wichtiger Städte und Länder als auch die aktuelle
Lage sind Gegenstand der Literaturanalyse. Von Interesse sind auch die positiven
und negativen Auswirkungen von Urban Gardening, sowie die unterschiedlichen Mo-
tivationen der Gärtnerinnen und Gärtner. Vorbehalte gegen die Geniessbarkeit des
Gemüses aufgrund von Verschmutzung der Luft und des Bodens werden geprüft.
Frage 2: Mit welcher Planung und welchen Massnahmen kann der Trend lang-
fristig gefördert werden?
Vier bestehende Gemeinschaftsgärten, die schon längere Zeit erfolgreich bewirt-
schaftet werden und in der Umgebung akzeptiert sind, werden auf ihre Funktions-
tüchtigkeit untersucht. Ziel ist, die Kernpunkte herauszuarbeiten, die einen guten
Gemeinschaftsgarten ausmachen. Daraus wird eine Empfehlung abgeleitet, wie ein
solches Gemeinschaftsprojekt erfolgreich aufgebaut werden könnte. Gelten diese
Kriterien für alle Städte, also auch für St.Gallen?
Frage 3: Wie sieht die Umsetzung in St.Gallen aus?
Diese Frage teilt sich auf in Projekte, die es bereits gibt oder gab, und solche, die es
in Zukunft geben könnte. Angestellte der Stadt, Parteimitglieder der Grünliberalen
und der jungen Grünen, die an einem Urban Gardening Projekt interessiert sein
könnten, werden befragt. Ausserdem wird ein konkreter Massnahmenkatalog mit
Empfehlungen für ein Projekt in St.Gallen erstellt. Dieser gründet auf den in der vo-
rangehenden Frage herausgefundenen Kriterien und einem Testprojekt.
1.3. Einzelne Arbeitsschritte und Methoden
Neben der Aufarbeitung fachwissenschaftlicher Literatur erfolgt der Besuch von vier
erfolgreichen Gemeinschaftsgärten in München, Basel und in Zürich. Vorstandsmit-
glieder beantworten Fragen in halbstandardisierten Interviews. Für den dritten Teil
werden qualitative Interviews geführt, um die Situation in St.Gallen zu ergründen.
Gleichzeitig wird die Einstellung einiger Einwohnerinnen und Einwohner von
Yasmine Zweifel 9
St.Gallen mit einem Testprojekt ermittelt.
Eine repräsentative qualitative Betrachtung drängt sich aufgrund des tiefen For-
schungsstands zu Urban Gardening in der Schweiz oder St.Gallen und des ange-
strebten Ziels auf. Es sollen nicht vorhandene Thesen überprüft, sondern neue The-
sen generiert werden. Dies erfordert ein offenes und flexibles Vorgehen, denn reali-
tätsnahe und umsetzbare Empfehlungen sind das Ziel.
1.4. Quellenlage
In Vancouver, Kanada, liegt sozusagen die Wiege des modernen urbanen Gärtnerns.
Michael Levenston gründete 1978 die Non-Profit Organisation City Farmer und be-
nannte sein Büro Canada’s Office of Urban Agriculture. Im Jahr 1994 stellte er die
erste Website zum Thema online (www.cityfarmer.org). 2008 wurde die Plattform
archiviert und neu unter www.cityfarmer.info weitergeführt. Täglich erscheinen dort
neue Posts im Bereich Urban Agriculture (Cockrall-King, 2011).
Seit den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts, in den USA und in Kanada teil-
weise schon früher, begann man sich in der Forschung vermehrt für die Landwirt-
schaft in der Stadt zu interessieren. Jac Smit gilt als bedeutender Autor und brachte
1996 das Werk Urban Agriculture – Food, Jobs and Sustainable Cities (2001) her-
aus. Das Resource Centre on Urban Agriculture and Food Security, kurz RUAF,
ebenfalls im Jahr 1996 gegründet, besteht heute aus acht Zentren, an denen ge-
forscht wird. Die Forschungen beziehen sich jedoch meistens auf Peripherieländer, in
denen die Menschen ihr Gemüse aus der Not anbauen (www.ruaf.org).
1997 wurde in Deutschland die Arbeitsgruppe Kleinstlandwirtschaft und Gärten in
Stadt und Land gegründet. Diese brachte zwei entscheidende Werke heraus. Die
Wiederkehr der Gärten (Meyer-Renschhausen & Holl, 2000) und Die Gärten der
Frauen (Meyer-Renschhausen, Müller & Becker, 2002). Ebenfalls durch diese Ar-
beitsgruppe ist die Website www.stadtacker.net entstanden. Dort werden Projekte,
Literatur und Forschungen aus ganz Deutschland vereint. Es ist eine interaktive Platt-
form.
Von M. Rosol erschien im Jahr 2006 die Dissertation mit dem Titel Gemeinschafts-
gärten in Berlin. Eines der neuesten Werke wurde von C. Müller herausgegeben und
trägt den Titel Urban Gardening (2011). In Deutschland wurden in den letzten Jahren
vermehrt Artikel zu interkulturellen Gärten publiziert. Spezifisch zu Urban Gardening
existieren noch nicht viele Veröffentlichungen auf wissenschaftlicher Basis.
Auch in der Schweiz existieren keine grösseren wissenschaftlichen Studien zum
Thema Urban Gardening. Jedoch befassten sich bereits diverse Personen in Bache-
lor- oder Masterarbeiten damit. Die ersten Gemeinschaftsgärten entstanden in Zürich
und in Basel im Jahr 2011. Vernetzt werden die Gartenprojekte durch die Website
www.interkulturelle-gaerten.ch. Im April 2014 sind dort 26 unterschiedliche Garten-
projekte aufgelistet, die meisten davon in Zürich, Bern, Luzern, Basel und Genf.
Yasmine Zweifel 10
Für Gemeinschaftsgärten gibt es wenig bis keine allgemeine Literatur aus dem
deutschsprachigen Raum. Es fehlt nur schon an einer einheitlichen Definition. Hier
muss vor allem auf englische Internetseiten zurückgegriffen werden, die den Aufbau
und die Beschreibung aus der Praxis abgeleitet haben. Es gibt aber Literatur, bei-
spielsweise wieder von Müller (2011), worin die Erfolgsfaktoren von Gemeinschafts-
gärten oder die möglichen Probleme beschrieben werden. Rosol (2006) charakteri-
sierte verschiedene Arten von Gemeinschaftsgärten in Deutschland.
Bei der Betrachtung der Möglichkeiten in St.Gallen ist die verfügbare Literatur sehr
beschränkt. Von der Stadt St.Gallen existiert eine Broschüre mit dem Titel Natur fin-
det Stadt (Stadt St. Gallen, 2013). Zudem gibt es zwei Jahresberichte vom Hilfswerk
der Evangelischen Kirchen Schweiz, kurz HEKS (Thoma, 2013a; 2013b). Diese Lü-
cke will die vorliegende Masterarbeit schliessen.
Yasmine Zweifel 11
2. Urban Gardening
2.1. Begriffsklärung
Urban Gardening lässt sich wörtlich übersetzen als städtischer Gartenbau oder städ-
tisches Gärtnern. Gemeint ist hauptsächlich der produktorientierte Anbau von Obst
und Gemüse. In dieser Arbeit werden unter dem Begriff Urban Gardening alle land-
wirtschaftlichen Nutzungsarten von kleineren städtischen Flächen verstanden, die
sich bewusst zum Standort Stadt bekennen. Somit ist es eine Form der urbanen Ag-
rikultur. Zusammengefasst nach Rasper (2012a) findet sich unter dem Begriff Urban
Gardening alles, was neu ist und nicht in etwas bereits Vorhandenes eingeordnet
werden kann. Nach Lohrberg (2011) steht dabei ein „nicht-professioneller Akteur und
seine Teilhabe am städtischen Leben“ im Mittelpunkt (Lohrberg, 2011, S. 44).
Der häufig gleichgesetzte Begriff Urban Farming wird in dieser Arbeit als städtische
Landwirtschaft übersetzt. Gemeint ist damit der Anbau von Lebensmitteln im Umfeld
der Stadt. Das kann ein Acker, eine Wiese oder ein Gemüsefeld sein, am Rande ei-
ner Stadt gelegen oder durch die Suburbanisierung von einer Stadt umgeben. Diese
unterscheidet sich von Urban Gardening darin, dass sie vor allem von professionel-
len Bauern betrieben wird, die damit ihren Lebensunterhalt verdienen. Die bewirt-
schafteten Flächen sind grösser. Natürlich gibt es auch Überlagerungen der zwei
Begriffe oder Projekte, die sich weder in das eine noch das andere einordnen lassen.
Der dritte wichtige Begriff heisst Urban Agriculture, auf Deutsch städtische Agrarwis-
senschaft. Dieser wird in der Arbeit als Überbegriff verwendet, da sich darunter im
internationalen Sprachgebrauch sowohl das Gärtnern auf kleinen Flächen wie auch
auf einem Acker verstehen (Lohrberg, 2011).
In der deutschen, aber auch in der englischen Literatur werden die Begriffe Landwirt-
schaft (Farming) und Agrarwissenschaft (Agriculture) häufig nicht unterschieden. In
dieser Arbeit werden sie getrennt. Der Unterschied zwischen Landwirtschaft und Ag-
rarwissenschaft ist, dass Agrarwissenschaft die Bereiche Landwirtschaft und Acker-
bau enthält und somit ein Überbegriff ist. Sie beinhaltet ausserdem die Bereiche For-
schung, Entwicklung und Produktion des Saatgutes, wobei sich Landwirtschaft auf
die Umsetzung beschränkt. Agrarwissenschaft beschäftigt sich also mit allen Frage
rund um die Nahrungsmittelproduktion (Springer Gabler Verlag (Hrsg.), o.J.).
Der webbasierte Oxford Dictionary unterscheidet die Begriffe folgendermassen:
“Agriculture is the science or practice of farming, including cultivation of the
soil for the growing of crops and the rearing of animals to provide food, wool,
and other products”
(http://www.oxforddictionaries.com/definition/english/agriculture).
Damit verbunden ist der Begriff Agrobusiness. Darunter versteht man ein komplexes
System aus vielen Komponenten, die an der Nahrungsmittelproduktion vom Saatgut
Yasmine Zweifel 12
bis zum Endprodukt beteiligt sind. Mit anderen Worten sind das die gesamten Wert-
schöpfungsbereiche der Landwirtschaft. Alle Beteiligten, vom Bauern bis zum
Verbraucher, sind in einem Produktionssystem vereint. Das Gegenteil von Agrobusi-
ness ist der Direktverkauf ab Hof. Durch die heute übliche starke Arbeitsteilung und
Rationalisierung der Landwirtschaft bekommen die Landwirte weniger für ihre Pro-
dukte, müssen aber sehr hohen Auflagen von den Vertreibern genügen. Diese Ver-
treiber, dazu gehören grosse Ladenketten oder der Fachhandel, können die Bauern
dadurch steuern. Folglich haben diese fast keine Entscheidungsfreiheit mehr. Das
trifft vor allem auf die USA und Entwicklungsländer zu. Es ist aber zu erwarten, dass
auch Europa vermehrt so organisiert werden wird. Denn auch hier ist das Ziel, die
Erträge durch Effizienz zu steigern. Dies ist einfacher, indem Einheitsware produziert
wird. Ethische und umweltpolitische Fragen spielen dabei noch eine kleine Rolle
(Knox & Marston, 2008).
Abbildung 2 zeigt die Aufteilung der entsprechenden Gartentypen, die in Kapitel 2.3
erläutert werden. Dies ist jedoch eine unvollständige Aufzählung. Bei dieser Arbeit
liegt der Schwerpunkt auf Urban Gardening.
Abbildung 2: Begriffshierarchie
Quelle: Eigene Darstellung
Urban Agriculture
(Städtische Agrarwissenschaft)
Urban Gardening (Städtisches Gärtnern)
Gemeinschafts-garten
Guerilla
Gardening
Urban Farming (Städtische
Landwirtschaft)
City
Farms
Sebsternte-
gärten
Schreber-gärten
(Familien- oder Kleingärten)
Yasmine Zweifel 13
Ein weiterer Begriff, der zu klären ist, ergibt sich aus der ersten Fragestellung. Was
versteht man unter einem Trend?
Ein Trend nach Horx (2014) ist „nichts anderes als eine Veränderungsbewegung
oder ein Wandlungsprozess“. Er darf nicht mit einer Prognose verwechselt werden,
sondern ist nur eine Diagnose der aktuellen Situation. Man unterscheidet sie nach
ihrer Dauer sowie ihrer Tiefe und Durchdringung (Horx Zukunftsinstitut GmbH, 2014).
Von einem Megatrend spricht man, wenn ein Trend grössere Ausmasse annimmt.
Das Zukunftsinstitut definiert ihn folgendermassen:
„Ihre Dauer nehmen wir mit 30 Jahren oder mehr an. Das entscheidende
Merkmal von Megatrends ist aber ihr „Impact“. Sie verändern nicht nur einzel-
ne Segmente oder Bereiche des sozialen Lebens und der Wirtschaft; sie for-
men ganze Gesellschaften um. Megatrends sind unbequem, komplex und
bisweilen paradox. Doch wenn wir sie richtig verstehen, helfen sie uns, die
Zukunft nicht nur zu ahnen, sondern zu gestalten“ (Zukunftsinstitut GmbH,
o.J.).
Auf der Website des Zukunftsinstituts werden elf Megatrends erläutert, die unsere
aktuelle Zeit bestimmen. Für diese Arbeit sind die Urbanisierung und die Neo-
Ökologisierung von Bedeutung. Neo-Ökologisierung meint, dass Nachhaltigkeit und
Effizienz in allen Bereichen des Lebens eine Rolle spielen. Es etabliert sich eine
neue biologische Norm. Urbanisierung bedeutet, dass sich Wissen, Kultur und Krea-
tivität immer mehr in den Städten zentrieren (Zukunftsinstitut GmbH, o.J.).
Ein Hype bedeutet eine oberflächliche Begeisterungswelle, die meist auf Grund von
Werbung und Medien ausgelöst wird. Es ist ausserdem eine zeitlich begrenzte Mode
(www.duden.de). Kommen neue Technologien auf den Markt, spricht man von einem
Hype-Zyklus oder Hype Cycle (siehe Abbildung 3). Der Begriff wurde von dem Un-
ternehmen Gartner Inc. geprägt (2014). In der ersten Phase (Trigger of Technology)
schnellt das Interesse des Fachpublikums nach oben. Das ist die Entwicklungspha-
se, in der Trittbrettfahrer aufspringen. Da in den Medien vor allem positive Berichte
stehen, wird ein übertriebenes Interesse ausgelöst (Phase zwei: Peak of Inflated Ex-
pectations). Die erzeugten Erwartungen können meist nicht erfüllt werden, worauf in
der dritten Phase ein Tal der Enttäuschung eintritt. Folgend nehmen die Berichte in
den Medien ab. Der Pfad der Erleuchtung (Slope of Enlightement) bezeichnet als
vierte Phase eine realistische Einschätzung der neuen Technologie, da sowohl die
Vor- als auch die Nachteile abgewogen wurden. Die letzte Phase (Plateau of Produc-
tivity) tritt ein, wenn die Vorteile verbreitet worden sind und die Technologie bereits in
einer zweiten oder dritten Generation auf dem Markt ist (Gartner Inc., 2014).
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Abbildung 3: Hype-Zyklus nach Gartner Inc.
Quelle: http://www.gartner.com/technology/research/methodologies/hype-cycle.jsp (02.08.2014)
Trends breiten sich aus, nachdem sie an einem oder mehreren Orten entstanden
sind. Das nennt sich räumliche Diffusion. Normalerweise findet diese in einer s-
förmigen Kurve statt. Man unterscheidet zwischen expansiver, hierarchischer und
gemischter Diffusion. Expansiv bedeutet, dass der Trend von einem zentralen Ort
ausgehend immer auf die angrenzenden Orte überspringt. Bei der hierarchischen
Diffusion breitet sich der Trend zuerst von einer Grossstadt auf die Klein- und Mittel-
städte aus. Von da wieder auf die nächst kleineren Städte. Die gemischte Diffusion
vereint die beiden Arten (Knox & Marston, 2008). Wo Urban Gardening genau einzu-
ordnen ist, wird in Kapitel 2.8 geklärt.
2.2. Die Geschichte
Die städtische Agrarwirtschaft war die Basis für die ersten Städte, denn früher gab es
noch nicht die Möglichkeit, schnell verderbliche Waren über weite Strecken zu trans-
portieren. Also wurde das Gemüse in der Stadt oder direkt am Stadtrand angebaut.
Seit der industriellen Revolution wurde die städtische Landwirtschaft unterbunden, da
das Land aus ökonomischen Gründen zum Wohnungsbau genutzt wurde. Seither ist
dies lukrativer, als den Boden für Gärten zu nutzen (Knox & Marston, 2008).
Der Trend zu Urban Gardening hat sich in verschiedenen Teilen der Erde gleichzeitig
entwickelt. Die Gründe dafür sind aber ganz unterschiedlich. Man kann dabei drei
Hauptgruppen unterscheiden, die hier vorgestellt werden. Zuerst die USA und Kana-
da, denn sie gelten als Vorreiter der Gemeinschaftsgartenbewegung. Hauptsächlich
entstand dort die Bewegung aus dem Wunsch heraus, selbst etwas gegen die eige-
ne missliche Lage tun zu wollen. Dies kann sein, dass es in der Nähe kein Gemüse
zu kaufen gibt oder auch, dass im Quartier die stillliegenden Flächen negative Effekte
auf das Leben haben. Dann folgt Kuba als ein Modell für die Entwicklung der Bewe-
Yasmine Zweifel 15
gung in Peripherieländern, wo die Menschen aus Not ihr eigenes Gemüse anbauen
mussten. Kubas Beispiel ist wegen der sozialistischen Politik aber nicht vollständig
auf andere Länder übertragbar. Der dritte Akteur ist Westeuropa, der zeitlich hinter
den anderen liegt, in den letzten Jahren aber viele Dinge vor allem von den USA
übernommen hat. Dabei werden England und Deutschland genauer betrachtet. Na-
türlich wären auch Asien und Australien interessant, doch diese werden weggelas-
sen, da für die Arbeit der Fokus mehrheitlich auf Gärten in ähnlichen Breitengraden
wie die Schweiz gerichtet ist.
Abbildung 4: In Kapitel 2 erläuterte Städte und Länder
Quelle: Eigene Darstellung
2.2.1. Vancouver
Das Ziel der Stadt Vancouver an der Westküste Kanadas ist es, bis im Jahr 2020 die
grünste Stadt der Welt zu werden. Dazu wurde 2009 ein Dokument mit dem Titel
Vancouver 2020 – A Bright Green Future herausgegeben. Urbane Landwirtschaft
wird mit Hilfe verschiedenster Ideen gefördert. 25 Prozent der Stadtfläche sollen der
Nahrungsmittelproduktion dienen. Dadurch könnte der ökologische Fussabdruck der
Stadt um 33 Prozent gesenkt werden (City of Vancouver, 2012).
Die Geschichte des urbanen Gemüseanbaus begann jedoch schon vor mehreren
Jahren. Michael Levenston gründete 1978 die Non-Profit Organisation City Farmer
und eröffnete mit einigen Freunden das Büro Canada’s Office of Urban Agriculture.
1981 bekamen sie von der Stadt kostenlos ein Stück Land zur Verfügung gestellt, um
darauf einen urbanen Gemüsegarten für Demonstrationszwecke anzubauen. Es
dauerte zwei Jahre, bis sie das Grundstück gesäubert hatten. Dann engagierten sie
New York Detroit
Toronto
Kuba
Vancouver
London
Schweiz
Deutschland
Yasmine Zweifel 16
lokale Gärtner und öffneten den Garten für die Allgemeinheit. Er funktionierte wie ein
Schulzimmer unter freiem Himmel, wo die Leute voneinander lernen konnten
(Cockrall-King, 2011).
Mitte der Achtziger Jahre und zu Beginn der Neunziger begann die Gemeinschafts-
gaten-Bewegung in Vancouver aufzublühen. Daraus ging dank Levenston im Jahr
1994 die erste Website zum Thema hervor: www.cityfarmer.org. Innert wenigen Jah-
ren bekam die Website Rückmeldungen aus über 150 Ländern. 2008 wurde die Seite
archiviert und neu unter www.cityfarmer.info weitergeführt. Täglich erscheinen dort
neue Berichte zum Thema Urban Agriculture. Laut Levenston sind das Internet und
der Demonstrationsgarten die zwei wertvollsten Bestandteile, um die globale und die
lokale Bevölkerung zu erreichen. Heute leitet Levenston ein Zentrum, das sich Com-
post Education Centre nennt und gibt unter anderem auch per Telefon Auskunft bei
Fragen zum Kompostieren. Die Stadt bezahlt ihn dafür, denn sie denkt, dass im
Kompostieren von Abfällen ein riesiges Potenzial liegt (Cockrall-King, 2011).
Ob Vancouver das Ziel, die grünste Stadt zu werden, erreichen wird, ist noch unklar.
Die Stadt befindet sich aber auf Kurs und überprüft regelmässig die Fortschritte. Der
Stand Juli 2014 sieht so aus, dass die CO2-Emissionen seit 2007 um sechs Prozent
gesenkt worden sind, obwohl die Stadtbevölkerung zugenommen hat. Ausserdem
wurden im Bereich Local Food über 4‘000 Projekte2 lanciert (City of Vancouver,
2012).
2.2.2. Toronto
Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen massenhaft Menschen aus dem Mittelmeerge-
biet, aus China und aus Südasien nach Kanada, speziell nach Toronto. Da viele aus
kleinbäuerlichen Verhältnissen stammten, brachten sie Pflanzensamen mit und bau-
ten diese in den Gärten ihrer Reihenhäuschen an. So wurde die Innenstadt begrünt.
Noch heute sieht man in den Gärten der Immigrantenbevölkerung viele Gemüse-
pflanzen, die aus der ursprünglichen Heimat stammen. Diese Gärten dienen auch
dem sozialen Austausch. Für die Bevölkerung, die sich kein eigenes Haus mit Garten
in der Innenstadt leisten kann, wurde das Toronto Community Garden Network ge-
gründet. So unterstützt die Stadt die Einwohner aktiv bei der Suche nach geeigneten
Flächen für Gemeinschaftsgärten. Auch beim anschliessenden Aufbau wird ihnen
geholfen. Im Jahr 2010 gab es bereits mehr als 220 Gemeinschaftsgärten in Toronto.
Das angebaute Obst und Gemüse dient vor allem der Selbstversorgung, Überschüs-
siges wird auf den nahen Biomärkten verkauft. Diese hohe Bedeutung der Gemein-
schaftsgärten findet sich in vielen kanadischen Grossstädten (Jäggi, 2010).
In Toronto gab es im Gegensatz zu New York (siehe Kapitel 2.2.3) nie solche unge-
nutzten, brachliegenden Freiflächen. Also muss auf anderen Flächen gegärtnert
2 “Food assets include number of community garden plots, farmers markets, community orchards,
community composting facilities, community kitchens, community produce stands and urban farms” (http://vancouver.ca/files/cov/greenest-city-2020-action-plan-2013-2014-implementation-update.pdf).
Yasmine Zweifel 17
werden. Dies sind beispielsweise städtische Parks, Gelände von Kirchen, Bibliothe-
ken oder Spitälern. Da es häufig Migrantinnen und Migranten sind, die bei den Initia-
tiven dabei sind, ähneln die Community Gardens stark den interkulturellen Gärten,
wie sie in Deutschland (siehe Kapitel 2.2.7) vorkommen. Es gibt den Immigrantinnen
und Immigranten die Möglichkeit, Traditionen aus ihrer Heimat weiterzuführen, mit
anderen Menschen ins Gespräch zu kommen, Englisch zu lernen und einen sicheren
Freiraum ausserhalb der eigenen Wohnung aufzusuchen. Somit ist eine wichtige so-
ziale Funktion vorhanden (Rosol & Weiss, 2005).
Heute noch kommen jährlich 55‘000 Einwandernde nach Toronto. Die Hälfte der Be-
wohnerinnen und Bewohner der Stadt ist nicht dort geboren (City of Toronto, o.J.).
FoodShare, eine gemeinnützige Organisation, wurde im Jahr 1985 gegründet, um
gegen den Hunger in Toronto zu kämpfen. Ihre Vision ist Good Healthy Food for All,
also gute und gesunde Nahrung für alle. Dazu haben sie verschiedene Programme
aufgestellt, die dem Ziel dienen, nachhaltige und gesunde Lebensmittel für alle zu-
gänglich zu machen. Diese Programme lassen sich in die vier Kategorien Schule,
Frischwaren, Kochen und Anbau einteilen. Ausserdem ist die Organisation stets am
Forschen in Ernährungs- und Gesundheitsfragen. Aber auch im Bereich der Politik
setzt sie sich für die Menschen mit einem tiefen Einkommen ein, in ganz Kanada und
sogar weltweit (www.foodshare.net).
In den USA und in Kanada wird urbanes Gärtnern bereits von der Politik unterstützt
und gefördert. Die American Community Garden Association ACGA hilft, die Projekte
zu vernetzen und vertritt sie. In vielen Grossstädten gibt es ausserdem kommunale
Förderprogramme (Uttke, 2011).
2.2.3. New York
1973 gründete Liz Christy im New Yorker Stadtteil Manhattan an der Lower Eastside
den ersten Community Garden, auf Deutsch Gemeinschaftsgarten. Im gleichen Jahr
entstand daraus die Gruppe Green Guerillas. Diese engagieren sich noch heute für
Freiflächen in New York. Zu jener Zeit war die Gegend von Gewalt, Armut und Zerfall
geprägt. Es lebten viele Einwanderer aus Lateinamerika und der Ukraine an der Lo-
wer Eastside. Die Preise für Wohnungen waren sehr tief, weshalb viele leer stehende
Gebäude abgerissen wurden. Die verwahrlosten Grundstücke wurden von Obdach-
losen und Tieren besiedelt. Liz Christy wollte zusammen mit einigen Nachbarinnen
und Nachbarn für mehr Sicherheit sorgen und die Gemeinschaft untereinander stär-
ken (Treblin, 2012).
In den 80er und 90er Jahren ging es der Wirtschaft besser und die brachliegenden
Flächen wurden unter dem Bürgermeister Rudolph Giuliani wieder verkauft. Im Jahr
2000 konnten dann zwei Organisationen, der Trust for Public Land und das New
York Restoration Project, die noch nicht versteigerten Brachflächen für einen kleinen
Betrag erwerben. Seither sind diese Flächen nur noch für Gärten gedacht (Treblin,
Yasmine Zweifel 18
2012).
Die Quartiere um die Gärten erlebten meistens eine Aufwertung. Durch die Gentrifi-
zierung war es den Leuten jedoch nicht mehr möglich, in ihrem Quartier wohnhaft zu
bleiben. So kann es sein, dass die unmittelbare Nachbarschaft der Gemeinschafts-
gärten vor allem aus Reichen besteht. In den Gärten selber sind es meist die Ärme-
ren, die sich um die Beete kümmern (Treblin, 2012).
Heute ist es immer noch nicht möglich, mehr als einen kleinen Teil der Nahrungsmit-
tel direkt in der Grossstadt New York zu produzieren. Doch es gibt stetig mehr Verei-
nigungen und Initiativen, die die Menschen auf biologische Ernährung aufmerksam
machen und ihnen diese mit Märkten zugänglich machen (Treblin, 2012).
Die 1978 gegründete Gruppe Green Thumb ist heute das grösste Urban Gardening
Programm der USA mit fast 20‘000 Mitgliedern aus New York. Sie verfolgt noch im-
mer dieselben Ziele wie Liz Christy: Mitbestimmung und bürgerliches Engagement
sollen durch die Garteninitiativen gefördert werden. Die Gruppe unterstützt neue Pro-
jekte durch Knowhow sowie durch Vermittlung von Geräten und Freiwilligen. Der
Staat hilft dabei finanziell. Liz Christy selbst starb 1986 mit 38 Jahren, doch ihr erster
Garten besteht heute noch und trägt ihren Namen (Otto, 2012).
Abbildung 5: Gemeinschaftsgärten in New York
Quelle: www.gardenmaps.org (02.08.2014)
Abbildung 5 zeigt die registrierten Gemeinschaftsgärten in New York. Die blauen
Punkte stellen die nicht von der Organisation Green Thumb überwachten Gärten dar,
die grünen Punkte die überwachten Gärten. Es fällt auf, dass sich die Gärten in den
ärmeren Vierteln New Yorks konzentrieren. Das sind die Bronx (1), Harlem (2), Lo-
wer East Side (3) und Brooklyn (4). Insgesamt sind etwa 600 Community Gardens
bekannt (www.gardemaps.org).
Yasmine Zweifel 19
Seit rund 15 Jahren gibt es in New York neuartige Projekte, sogenannte Jugendfar-
men. Diese wollen den sozial benachteiligten Jugendlichen eine Perspektive geben,
indem sie in Community Gardens arbeiten können. So sollen sie später mit dem er-
worbenen Wissen das Elend ihrer Gegend verkleinern. Diese Stadtteile sind häufig
so genannte Food Deserts (siehe dazu Kapitel 2.2.4), in denen praktisch kein fri-
sches Obst und Gemüse angeboten wird. Diese Gegenden werden dann von den
Gemüsegärten beliefert, in denen auch die Jugendlichen arbeiten dürfen (Meyer-
Renschhausen, 2011).
Von den Organisationen werden neue Farmers‘ Markets, auf Deutsch Wochenmärk-
te, gegründet. Dort liefern sowohl Kleinbauern aus der Umgebung als auch Commu-
nity Gardens ihr Gemüse an. Viele der Jugendlichen, die in diesen Gartenprojekten
arbeiten konnten, ziehen später weg aus ihrem Quartier, da sie bessere Jobs be-
kommen. Das ist zum einen positiv für die Jugendlichen, für das Quartier wäre es
aber von Vorteil, wenn sie ihr Wissen und ihre Fähigkeiten wieder in ihr Armenviertel
einbringen würden (Meyer-Renschhausen, 2004).
Es folgt das Beispiel einer Stadt, das sich erst in den letzten Jahren im Bereich Ur-
ban Gardening entwickelt hat.
2.2.4. Detroit
Detroit war bis in die 90er Jahre des letzten Jahrhunderts eine Industriestadt, in der
vor allem Autos produziert wurden. Die meisten dieser Produktionsanlagen stehen
heute still, weshalb viele Bewohner und Bewohnerinnen Detroits weggezogen sind.
Die Einwohnerzahlen sind in den letzten 50 Jahren von 1.8 Millionen auf rund
700‘000 Personen gesunken. Die Fläche der Stadt ist aber noch immer gleich gross.
So beginnen die leeren Häuser und Fabriken nun zu verfallen. Es gibt Quartiere, in
denen niemand mehr wohnt. Insgesamt sind über 40 Quadratkilometer brachliegen-
de Flächen vorhanden (Braun, 2011).
Im Jahr der Finanzkrise, 2009, waren 22 Prozent der Einwohner arbeitslos. Vor fünf
Jahren zog sich die letzte grosse Supermarktkette aus der Stadt zurück. Seither be-
stand nur noch die Möglichkeit, in einer Tankstelle einzukaufen oder in einem Fast-
Food-Restaurant zu essen. Dieser Zustand wird als Food Desert, auf Deutsch Le-
bensmittelwüste, bezeichnet. Um sich selbst zu helfen, begannen die Menschen zu
gärtnern. Einer der ersten Gemeinschaftsgärten gehörte zu einer Suppenküche. Es
folgten weitere Projekte auf ehemaligen Flächen der Fabriken und Supermärkte. Im
Jahr 2003 wurde eine Dachorganisation gegründet. Sie nennt sich Garden Resource
Program Collaborative (GRPC) und unterstützt die Bürger beim Anbau von Obst und
Gemüse, in dem sie Samen und Setzlinge verteilen. Ausserdem arbeitet die Universi-
tät Michigan mit GRPC zusammen, um die wissenschaftliche Seite des Gärtnerns
abzudecken. Es werden Bodenproben untersucht, bevor die Städter die Erlaubnis
haben, auf einer Fläche zu gärtnern. Dann dürfen sie ihr Gemüse sogar als Grown in
Yasmine Zweifel 20
Detroit verkaufen. 2011 gab es bereits ein Bio-Restaurant und einen Markt, um den
herum sich die Aufwertung der Umgebung bemerkbar macht (Braun, 2011). Im Jahr
2012 wurde mit dem Bau eines neuen Supermarkts der Kette Whole Foods begon-
nen, dessen Angebot aus vielen frischen und gesunden Lebensmitteln besteht
(Handelsblatt, 2012).
Bis anhin konnten die Gemeinschaftsgärten aber noch nicht den gesamten Bedarf
der Bevölkerung an Obst und Gemüse decken. Dazu ist noch mehr Erfahrung und
Infrastruktur notwendig. Fläche wäre laut einer Studie der Michigan State University
genügend vorhanden (Braun, 2011).
Neben dem Nahrungsaspekt bemerken die Leute von Detroit auch eine Verbesse-
rung des sozialen Klimas. Man kommt durch das Gärtnern ins Gespräch und die Be-
wohner fühlen sich sicherer und wohler (Braun, 2011).
Heute sind es beinahe 2‘000 Initiativen in Detroit, die Obst und Gemüse anbauen,
der grösste Teil davon biologisch. Um den Menschen noch mehr Kenntnisse im bio-
logischen Anbau zu vermitteln, besuchte im Jahr 2013 der bekannte Österreicher
Sepp Holzer die Stadt. Holzer ist ein Bergbauer, der nach dem Prinzip der Permakul-
tur3 wirtschaftet. In einem Seminar zeigte er einer Gruppe von Leuten in Detroit, wie
und wo sie noch mehr Gemüse und Obst anbauen könnten. Ausserdem betonte er
den Mehrwert von Tierhaltung in Städten. In einem Praxisteil wurde ein Permakultur-
garten bei einer Schule angelegt. Holzer brachte den Leuten neue Hoffnung und er-
mutigte sie, es einfach auszuprobieren (Fiebrig, 2013).
Nach diesen vorgestellten Städten in Industrieländern folgt mit Kuba ein etwas ande-
res Beispiel, bei dem der Gemüseanbau in Städten ebenfalls eine wichtige Rolle
spielt.
2.2.5. Kuba
Kälber (2011) teilt die Geschichte der Gärten in Kuba aus historischer Sicht grob in
drei Phasen ein. Der Beginn liegt in den Zeiten der Massensklaverei ab Ende des 18.
Jahrhunderts. Die aus Afrika stammenden Sklaven und ihre Nachfahren bauten in
ihren Parzellen eigenes Obst und Gemüse an, um sich damit selbst zu versorgen.
Somit waren sie wirtschaftlich und sozial weniger abhängig von der spanischen Ko-
lonialherrschaft. Die Hütten mit den dazugehörenden Gärten wurden bis Mitte des
20. Jahrhunderts in der Familie weitervererbt (Kälber, 2011).
Die zweite Phase begann 1959 mit der Revolution. Ab diesem Zeitpunkt galt es als
unterentwickelt, wenn man sich selbst versorgen wollte. Kuba verwendete industrielle
Techniken, um in der Stadt Obst und Gemüse anzupflanzen. Auf dem Land wurden
die Farmen immer grösser und verstaatlicht. Die Abhängigkeit von chemischen Pro-
3 „Die als Holzersche Permakultur bekannte ökologische Landwirtschaft, auch Agroökologie genannt,
vertritt ein Wirtschaften im Einklang mit der Natur und gilt als Inbegriff der Nachhaltigkeit, denn sie nutzt statt High-Tech-Patenten die Millionen Jahre alten Gesetzmässigkeiten der Natur“ (Fiebrig, 2013).
Yasmine Zweifel 21
dukten und fossiler Energie stieg rasant an. Finanziert wurde dies hauptsächlich mit
dem Export von Zuckerrohr an die Sowjetunion.
Als die UdSSR 1991 zusammenbrach, verlor Kuba seinen wichtigsten Handelspart-
ner. Hier begann die dritte Phase. Durch das Handelsembargo der USA fehlte es an
Benzin, damit die Ernte von den Feldern in die Städte transportiert werden konnte.
Um zu überleben, begannen die Menschen in jedem erdenklichen Gefäss Nah-
rungsmittel anzubauen. Bis 1994 versuchte der Staat weiterhin, die Zuckerrohrpro-
duktion aufrecht zu erhalten. Dann wurde ein Gesetz verabschiedet, das es den Be-
wohnern erlaubte, die eigenen Grundbedürfnisse und die der Nachbarschaft durch
Eigenanbau zu decken. So produzierten sie nun ökologisches Gemüse aus Mangel
an Dünger, Pestiziden und Benzin (Kälber, 2011).
Es gibt in Kuba verschiedene Formen urbaner Landwirtschaft, die sich bis heute be-
währt haben. Zum einen gibt es die Organopónicos (keine deutsche Übersetzung).
Das sind Beete in Kästen, die auf unfruchtbarem Boden mit Kompost errichtet wer-
den. Hat sich der Boden nach einiger Zeit verbessert, bauen die Kubanerinnen und
Kubaner direkt in der Erde an. Diese Gärten nennen sich dann Huertos Intensivos
(deutsch: Intensivgärten). Wichtiger noch sind die sogenannten Parcelas (deutsch:
Parzellen) und Gemeinschaftsgärten. Das sind Initiativen von Einzelpersonen oder
lokalen Organisationen, die der regionalen Versorgung mit Nahrungsmitteln dienen
(Kälber, 2011).
Das Ziel des Staates ist vor allem die ortsnahe Nahrungsmittelproduktion. Aber auch
die Armutsbekämpfung und soziale Integration spielen eine immer wichtigere Rolle.
Die staatlichen Ansprüche an die urbane Landwirtschaft sind, dass keine chemischen
Düngemittel verwendet werden, Agrarland wiedergewonnen werden soll und nur bio-
logische Schädlingsbekämpfungsmittel zum Einsatz kommen. Die unter diesen Be-
dingungen notwendige Experimentierfreudigkeit der Bevölkerung wird allerdings
durch die starke Kontrolle und Organisation des Landes gebremst. Hier gibt es in
Kuba noch Verbesserungspotenzial (Kälber, 2011).
Neben Kuba gibt es weitere Peripherieländer, in denen die urbane Landwirtschaft zu
einer positiven Entwicklung beiträgt. Dazu gehören unter anderem Argentinien, Brasi-
lien und Südafrika (Pöppelmann, 2012).
Im Folgenden werden exemplarisch zwei Länder Europas betrachtet, da diese sich in
der Kultur nicht so sehr von der Schweiz unterscheiden.
2.2.6. England
Ende des 19. Jahrhunderts zogen aufgrund der Industrialisierung in England immer
mehr Menschen in die Städte. Dort waren die Wohnverhältnisse schlecht, da die Mie-
ten sehr hoch waren und deshalb viele Menschen auf wenig Raum zusammenlebten.
Das hatte Auswirkungen auf die Hygiene und die Gesundheit. Deshalb kam eine
neue Idee auf, die Gartenstadtbewegung. Diese war eine weltweite Bewegung mit
Yasmine Zweifel 22
sozialreformerischen Zielen. Initiator war der Engländer Ebenezer Howard, der in
seinem Buch Garden Cities for Tomorrow 1898 forderte, dass es in Zukunft nur noch
mittelgrosse Städte mit genügend Grünfläche geben soll. Seine Idee war, neue Städ-
te auf die grüne Wiese zu bauen und nicht, bestehende Städte umzuformen. Dabei
wollte er die Vorteile der Stadt, wie beispielsweise die Kultureinrichtungen, mit den
Vorteilen der ländlichen Gegend, wie Ruhe oder frische Luft, kombinieren. Häuser
mit Gärten sollten nicht mehr nur der Oberschicht vorbehalten sein (Meyer-
Renschhausen, 2011).
Howard wollte, wie in Abbildung 6 veranschaulicht wird, einheitliche und symmetri-
sche Städte bauen. Ausserdem begrenzte er die Einwohnerzahl auf 32‘000 und die
Fläche auf 2‘400 Hektaren. Ihm war die Selbständigkeit der Städte wichtig. Das be-
deutet, jede Stadt hat ihre eigene Infrastruktur, zum Beispiel Krankenhaus, Rathaus
und Kulturangebote. Wohnen, Arbeiten und Erholung sind räumlich voneinander ge-
trennt. Jedoch sollten durch die soziale Durchmischung keine Armen- oder Reichen-
viertel entstehen. Abbildung 6 zeigt den kreisförmigen Aufbau einer Gartenstadt
(Heineberg, 2001; Seidel, 2012).
Abbildung 6: Das Modell der Gartenstadt von Ebenezer Howard
Quelle: Grundriss Allgemeine Geographie: Stadtgeographie, Abb. 5.19, S 117 (Heineberg, 2001)
Gartenstädte gibt es heute noch, jedoch meist an den Stadträndern. Dadurch sind
sie nicht mehr Städte im Sinne von Howard, sondern eher grüne Vororte. Das Prob-
lem ist, dass sie, sobald sie zu grün werden, nicht mehr als städtisch betrachtet wer-
den können. Einige Personen bezeichnen sie gar als ökologische und ökonomische
Desaster. Ein Grund dafür ist laut dem Münchner Architekten Thomas Herzog, dass
die freistehenden Häuser viel mehr Energie verbrauchen, als wenn verdichtet gebaut
wird. Dies folgt aus den längeren Transportwegen für Energie und andere
Gebrauchsgüter (Guratzsch, 2012).
Yasmine Zweifel 23
In einem Forschungsbericht von Lord Cameron of Dillington im Jahr 2007 wurde klar,
dass sich London nur „neun Mahlzeiten von der Anarchie entfernt“ (Cockrall-King,
2011, S. 29) befindet. Das heisst, wenn keine Lebensmittel mehr in die Stadt ge-
bracht werden können, reichen die gelagerten Produkte gerade einmal für drei Tage.
Als Grund wird die sogenannte Just-in-Time-Produktion angegeben, bei der Güter
erst geliefert werden, wenn Bedarf besteht. Die Briten essen viele industrialisierte
Lebensmittel. Eine von drei Mahlzeiten besteht aus Fast-Food. Wegen dieser Tatsa-
che sucht London nach Alternativen, um mehr Lebensmittel in der Stadt zu produzie-
ren und wieder unabhängiger von Importprodukten zu werden (Cockrall-King, 2011).
Die Ideen sind sehr abwechslungsreich. Der Bürgermeister Boris Johnson setzte sich
im Jahr 2009 zum Ziel, bis 2012 müssen 2‘012 neue Gemeinschaftsgärten in der
Stadt entstanden sein. Das Ziel wurde erreicht und noch immer kann man auf der
Homepage von Capital Growth, wie sich das Projekt nennt, nachsehen, wie viele
Flächen bereits hinzugekommen sind. Im Moment (Stand August 2014) sind es
2‘278. Konkret werden neuen Garteninitiativen eine Starthilfe von 750 Pfund, Unter-
stützung beim Aufbau, Vernetzung mit anderen Gärten und Fachstellen sowie Bera-
tungen angeboten (www.capitalgrowth.org).
Dass in London sogar Weinreben angebaut werden können, hängt mit dem Heat Is-
land Effect zusammen. Im Jahr 1810 wurde er von Luke Howard entdeckt. Er fand
heraus, dass in Städten mit mehr als einer Million Einwohnern die Temperatur auf-
grund der dichten Bebauung und der fehlenden Vegetation häufig um bis zu drei
Grad Celsius höher ist als auf dem Land. In der Nacht kann der Unterschied sogar
bis zwölf Grad Celsius betragen, da die Abkühlung durch die Infrastruktur teilweise
verhindert wird (www.epa.gov/hiri/about/index.htm).
Der häufig unerwünschte Effekt kann beim Gemüseanbau positiv sein. So kann Lon-
don einen Wärmevorteil von fünf Grad Celsius gegenüber dem ländlichen Gebiet er-
langen. Damit lässt sich das Klima mit demjenigen von Nordfrankreich oder Deutsch-
land vergleichen (Cockrall-King, 2011).
2.2.7. Deutschland
Im Zuge der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das
Thema Gesundheit in Deutschland immer wichtiger. Denn viele Menschen in den
Städten wohnten auf engstem Raum in unhygienischen Wohnungen und kamen sel-
ten an die frische Luft. Der Arzt Moritz Schreber aus Leipzig sah, dass es für Kinder
sehr wichtig war, sich draussen zu bewegen. Schreber baute aus diesem Grund
Spielplätze, auf denen sie betreut und beim Spiel angeleitet wurden. Ein pensionier-
ter Lehrer kam dann auf die Idee, dass man für die Kinder Beete anlegen könnte,
anhand derer sie einiges lernen sollten. Jedoch verloren die Kinder rasch das Inte-
resse und die Eltern pflegten die Beete. Diese wurden eingezäunt und zu Familien-
gärten. Im Jahr 1870 gab es in Leipzig bereits 100 Parzellen. Es kamen fortan lau-
Yasmine Zweifel 24
fend neue Vereine hinzu, die sich Schrebergartenvereine nannten (Pöppelmann,
2012). Heute existieren in Deutschland fast eine Million Kleingärten, wie die Schre-
bergärten heute meist genannt werden (www.kleingarten-bund.de).
Bis etwa 1900 gab es die Ackerbürgerstädte. Das heisst, die Städterinnen und Städ-
ter bauten Obst und Gemüse an, um sich selbst zu versorgen. Die Überschüsse
wurden auf dem Markt verkauft. Die zusätzlich zum Handwerksberuf ausgeführte
Landwirtschaft war also ihr Nebenverdienst. Noch heute erinnern Strassen- und
Quartiernamen daran: Die Acker- und Gartenstrasse in Berlin sind nur zwei von un-
zähligen Beispielen (Meyer-Renschhausen, 2011).
Da es in Deutschland um 1900 zu einer Wohnungsnot kam infolge unbegrenzt an-
steigender Bodenpreise durch Spekulation, fanden sich für die Gartenstadtbewegung
aus England schnell zahlreiche Anhänger. 1902 wurde dann die erste Gartenstadt in
Deutschland, Dresden-Hellerau, gegründet (Meyer-Renschhausen, 2011).
Eine Welle von Hausbesetzungen ging in den 1960er Jahren aus Protest gegen die
Bodenspekulationen um die Welt. In Deutschland kam sie Ende der 1970er Jahre an.
Studentinnen und Studenten nahmen leer stehende Häuser in Besitz und begannen,
auf Brachen Gärten und Abenteuerspielplätze anzulegen. Daraus entstanden auch
die Kinderbauernhöfe (siehe Kapitel 2.3.7), die sich analog zu den Gemeinschafts-
gärten der USA entwickelten. Bis ins Jahr 2000 war bei all diesen Initiativen vor allem
der ökologische Aspekt wichtig. Erst danach wurde dank vermehrten Medienmeldun-
gen die integrative und soziale Bedeutung beachtet (Meyer-Renschhausen, 2011).
Gemeinschaftsgärten kamen in den 80er Jahren vermehrt nach Deutschland. Vor
allem dort, wo eigene Grünflächen selten und teuer sind, finden sie grossen Anklang.
In Göttingen wurde 1995 von bosnischen Flüchtlingsfrauen zusammen mit der evan-
gelischen Kirche und der Caritas der erste interkulturelle Garten gegründet. Das Ziel
war, dass ein Ort der Begegnung geschaffen und ein Zugang zur deutschen Sprache
ermöglicht wurde. Interkulturelle Gärten wollen sich klar von den Schrebergärten ab-
grenzen, in denen sich die Immigrantinnen und Immigranten leicht zurückziehen
könnten. Indem Gemüse aus der Heimat angebaut wird, kann auch das Heimweh
gelindert werden. Neben dem Gärtnern finden Kurse und Ausflüge statt. Christa Mül-
ler bezeichnet die interkulturellen Gärten als „Türöffner“ (Pöppelmann, 2012).
Im Gegensatz zu den Gärten in Toronto, die den deutschen interkulturellen Gärten
ähneln, steht in Deutschland nicht die Versorgung mit Lebensmitteln im Vordergrund
(Rosol & Weiss, 2005).
Beim Besuch der zwei grössten Gemeinschaftsgärten Berlins, der Prinzessinnengar-
ten und das Allmende-Kontor auf dem Tempelhofer Feld, wird deutlich, dass die so-
ziale Funktion entscheidend ist. Im Prinzessinnengarten, gegründet 2009 in Berlin
Kreuzberg, wird ein Café betrieben, das im Sommer täglich ein Menü anbietet, wel-
ches aus Produkten des Gartens sowie weiteren lokalen und biologischen Lebens-
mitteln gekocht wird. Die Menschen sitzen unter den jungen Bäumen und die Atmo-
Yasmine Zweifel 25
sphäre ist sehr locker. Immer wieder finden Führungen und Workshops statt. Das
gemeinsame Gärtnern wird täglich vom angestellten Gärtnermeister geleitet. Die
zwei Initianten nennen den Garten ein soziales und ökologisches Projekt, mit dem
Ziel einer nachhaltigeren Stadtlandschaft. Die Ernte ist für alle zu den an Tafeln an-
geschlagenen Preisen direkt aus den Beeten erwerbbar.
Abbildung 7: Gartencafé Prinzesinnengarten Originelle Pflanzbehälter
Quelle: Eigene Aufnahmen
Das Allmende-Kontor befindet sich auf dem
ehemaligen Flughafen Berlin-Tempelhof. Die
beackerte Fläche beträgt 5‘000 m2 und die un-
terschiedlichen Hochbeete werden von einzel-
nen Personen oder kleinen Gruppen bestellt.
Insgesamt sind es etwa 900 Personen, die dort
gärtnern. Auf dem ganzen Gartengelände be-
finden sich Bänke, die für die Öffentlichkeit ge-
dacht sind. Auch hier gibt es Gartentreffs und
unter einem Sonnensegel findet jederzeit ein
sozialer Austausch statt. Geerntet wird hier
lediglich von den Gärtnerinnen und Gärtnern.
Abbildung 8: Hochbeet auf dem Tempelhofer Feld
Quelle: Eigene Aufnahme
Ende Mai 2014 wurde darüber abgestimmt, ob Teile des Tempelhofer Feldes über-
baut werden sollten. Mit 64 Prozent wurde für den Erhalt der öffentlichen Fläche ge-
stimmt. Dadurch bekennen sich die Berlinerinnen und Berliner zum Urban Gardening
Trend (Lochmaier, 2014).
Yasmine Zweifel 26
Abbildung 9: Gemeinschaftsgarten Allmende-Kontor
Quelle: Eigene Aufnahmen
2.3. Verschiedene Typen von Garteninitiativen
Der Begriff Urban Gardening vereint viele verschiedene Typen von gärtnerischen
Aktivitäten. Um einen Überblick zu verschaffen, sind hier die häufigsten Arten kurz
erläutert. Bekannte Stadtgärten sind meist die Schreber- oder Familiengärten, die in
dieser Arbeit nicht zum Bereich Urban Gardening gezählt werden.
2.3.1. Abgrenzung zum Schrebergarten
Der Schrebergarten, auch Familiengarten oder Laube genannt, wurde seit Ende des
19. Jahrhunderts in Folge der Industrialisierung immer dann wichtig, wenn in den
Städten eine Versorgungsnot herrschte. Auch während und nach den Weltkriegen
oder während Wirtschaftskrisen steigerte sich die Bedeutung der Schrebergärten
jeweils. Laut Definition des Bundesamts für Statistik Schweiz handelt es sich dabei
um Areale von „individuell, nicht erwerbsmässig genutzten und zu grösseren Ein-
heiten zusammengefassten Pflanzflächen mit Erholungsfunktion und festen In-
stallationen“ (www.bfs.admin.ch).
Die Motive für die neue Bewegung des urbanen Gärtnerns sind teils ähnlich wie bei
Mitgliedern von Schrebergärten (siehe Kapitel 2.4.2.). Als deutlicher Unterschied gilt
aber die gärtnerische Haltung: Damit ist gemeint, dass sich in den neuen Garteniniti-
ativen im Gegensatz zu den Schrebergärten die Leute über das Internet austauschen
oder Informationen besorgen. Ausserdem haben Urban Gardeners meist eine kurz-
fristigere und weniger ernste Motivation. Lohrberg (2011) meint, es ist der Projekt-
Charakter, der die Gärten ausmacht.
Der zweite klare Unterschied von Urban Gardening Projekten und Schrebergärten ist,
dass sich die neuen Gärten zur Stadt bekennen. Es gibt keine hohen Zäune und He-
cken um die Grundstücke, der öffentliche Raum wird sogar als Plattform gesucht.
Hingegen sehen sich die Schrebergärten als einen Fluchtort vor der Stadt. Die Stadt
wird eher negativ angesehen (Lohrberg, 2011).
Rosol (2006) nennt als weitere Unterschiede, dass Gemeinschaftsgärten meist öko-
Yasmine Zweifel 27
logischer gärtnern und dass es weniger gesellschaftliche Zwänge und rechtliche Re-
gelungen gebe. Die regelmässige Verpflichtung und das Vereinsleben können ab-
schreckend wirken. Somit wird eine andere Zielgruppe angesprochen: Menschen, die
aus unterschiedlichen Gründen bewusst keinen Familien- oder Schrebergarten
möchten, dennoch den Wunsch haben, gärtnerisch tätig zu sein.
Rasper (2012a) grenzt mit seiner Definition (siehe Kapitel 2.1) von Urban Gardening
die Schrebergärten eindeutig davon ab, da es sich um keine neue, nicht einzuord-
nende Bewegung handelt.
Die Bedeutung der Schrebergärten heute ist sowohl sozialer als auch ökologischer
Natur. Familien mit einer Parzelle ermöglichen ihren Kindern den Kontakt zur Natur.
Als Grünflächen in der Stadt nehmen sie wie andere urbane Gartenprojekte eine po-
sitive ökologische Funktion ein (siehe Kapitel 2.4.1).
Leider ist in vielen Städten der Druck auf die Schrebergartenareale gross, da es sich
häufig um die letzten unbebauten Brachflächen handelt. In St.Gallen sollte im Jahr
2013 der Familiengarten Grossacker abgerissen werden, um mehr Parkplätze für das
Kinderspital zu schaffen. Zwei Drittel der Fläche konnten aber gerettet werden
(Bedrohte Familiengärten, 2014).
2.3.2. Gemeinschaftsgärten
Dies ist der Oberbegriff für alle Gärten, die von einer Gemeinschaft nach dem Vorbild
der Community Gardens in New York betrieben werden. Andere Begriffe dafür sind
Nachbarschaftsgarten, Kiezgarten, Quartiersgarten oder Bürgergarten (Rasper,
2012a). Häufig gibt es keine persönlichen Beete, sondern eine Fläche zur Gruppen-
nutzung Die Hauptakteure dieser Gärten sind Nachbarschaften, Schulen, Kirchen
und politische Gruppen. In Gemeinschaftsgärten wurde zum ersten Mal die Verknüp-
fung zwischen gärtnerischen, ernährungspolitischen, ökonomischen, sozialen, künst-
lerischen und stadtgestalterischen Fragen gemacht (Jungblut, 2012).
In der englischen Literatur wird der Begriff Community Garden häufig mit den hiesi-
gen Schrebergärten gleichgesetzt. Das heisst, die Gärtnernden haben ihre eigenen
Beete, teils sogar mit Zäunen abgetrennt. Es gibt jedoch beide Varianten, Gemein-
schaftsbeete oder individuelle Beete (Meyer-Renschhausen, 2004). Zudem existieren
auch Anlagen, bei denen ein Teil aus öffentlichen und ein anderer aus privaten Bee-
ten bestehen, zum Beispiel der Stadiongarten in Zürich. Eine einheitliche Definition
für diese Arbeit folgt in Kapitel 3.1.
Ein typisches Gemeinschaftsgartenprojekt ist der Prinzessinnengarten in Berlin-
Kreuzfeld, der von zwei jungen Männern gegründet wurde (siehe Kapitel 2.2.7). Da
der Boden nicht nutzbar ist, pflanzen sie alles in Plastikkisten an und sind somit mobil
(siehe Kapitel 2.3.4). Organisiert sind sie als Verein, der sich Nomadisch Grün nennt
(Clausen & Shaw, 2012).
Yasmine Zweifel 28
2.3.3. Interkulturelle Gärten
Unter interkulturellen Gärten versteht man Gemeinschaftsgärten, die zur Förderung
des internationalen Austauschs angelegt sind. Sie werden auch internationale Gärten
genannt. Dort gärtnern Menschen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund, wie
zum Beispiel Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten, aber auch Einheimische. Ih-
nen werden sowohl Angebote im Bereich Bildung geboten, als auch ein Ort der Zu-
flucht. In Deutschland existiert die Stiftung Interkultur, die bis im Jahr 2013 bereits
145 Projekte bei ihrer Entstehung begleitet hat (www.anstiftung-ertomis.de). Bei Mül-
ler (2002, S. 19) findet sich folgende Definition:
„Die Internationalen Gärten unterscheiden sich von Begegnungszentren für
Migranten und Migrantinnen primär dadurch, dass die Menschen miteinander
arbeiten, dass sie den Boden als gemeinsame Ausgangsbasis haben, auf dem
sie lebensnotwendige Güter wie Obst, Gemüse, aber auch Freundschaften
und Gemeinsamkeiten herstellen. In dem Sinn stiftenden Umfeld der Arbeit für
die eigenen Bedürfnisse ist die Begegnung der Menschen untrennbar verbun-
den mit dem gemeinsamen Projekt der Gartenbewirtschaftung bzw. der Be-
wirtschaftung des transkulturellen sozialen Raumes Internationale Gärten.“
In der Schweiz kümmert sich vor allem das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen
Schweiz (HEKS) um den Aufbau solcher Gärten (siehe auch Kapitel 4.2.1).
2.3.4. Mobile Gärten
Mobile Gärten werden in Kisten und Pflanzsäcken angelegt, so dass alles, wenn nö-
tig, abtransportiert werden könnte. Diese Vorgehensweise kann zwei Gründe haben:
Zum einen erlauben die Verwaltungen auf Brachen häufig nur eine Zwischennut-
zung. Zum anderen sind in manchen Städten die Böden so verschmutzt, dass man
nicht direkt in die Erde anbauen kann. Jedoch ist das mobile Gärtnern kein Idealzu-
stand und das Ziel ist immer, einen fixen Platz zu haben, wo der Garten bleiben kann
(Rasper, 2012a). Ein Beispiel in Deutschland ist der Berliner Gemeinschaftsgarten
Rosa Rose, der im Jahr 2008 alle transportierbaren Pflanzen von einer Brache weg-
bringen musste, da dort etwas Neues gebaut werden sollte. 2010 fanden sie dann
einen Standort, an dem sich der Garten noch immer befindet (www.rosarose-
garten.net/de/historiographie).
2.3.5. Guerilla Gardening
Unter Guerilla Gardening wird die politische Form des Gärtners verstanden. Die
Städte werden mit sogenannten Saatbomben beworfen oder in Nacht-und-Nebel-
Aktionen durch Bepflanzung öffentlicher Plätze und Stellen begrünt (Jungblut, 2012).
Der Begriff Guerilla Gardening stammt aus New York und entstand in den 1970er
Jahren. Dort kümmerten sich Anwohner um verwahrloste Grundstücke und bepflanz-
ten diese. Nach einigen Auseinandersetzungen mit den Behörden wurde die Bewe-
Yasmine Zweifel 29
gung in das Koordinierungsprogramm Green Thumb integriert und somit legalisierte
sich ihr Treiben teilweise. Ein wichtiger Akteur beim Guerilla Gardening ist Richard
Reynolds, der als Vater dieser Bewegung gilt. Auf seiner interaktiven Website
www.guerrillagardening.org kommen über 50‘000 Benutzer und Benutzerinnen aus
mehr als 40 Ländern zusammen. Die schnelle Kommunikation über das Web hat die
Bewegung erheblich verändert. So können zum Beispiel Flashmobs besser organi-
siert werden. Diese Aktionen sind streng gesehen illegal. Viele Behörden dulden die
Stadtbegrünungen, solange es eine friedliche Aktion ist und niemand gefährdet wird
(Meyer-Rebentisch, 2013).
2.3.6. Balkongärten
Die Funktion von Balkons hat sich über die letzten Jahrhunderte geändert und hängt
natürlich auch von der Region ab. Im Folgenden wird die Geschichte exemplarisch
an Deutschland betrachtet. Von der rein architektonischen Verschönerung über die
Funktion als Repräsentationsplattform des Adels wurden Balkons erst im 19. Jahr-
hundert an bürgerlichen Häusern gebaut. Da übernahm er vor allem in Mietshäusern
die Stellvertretung eines Gartens. Somit begann damals auch die Zeit der Balkonbe-
pflanzung. Sie beschränkte sich aber zuerst vor allem auf Blumen oder seltener
Kräuter. Mit dem Anbruch des 20. Jahrhunderts wurden Balkons langsam zum Stan-
dard. Ferien auf dem Balkon waren während der Weltwirtschaftskrise ab 1929 üblich.
Robuste Pflanzen, wie etwa Geranien, wurden immer schon geschätzt für den Bal-
kon, da dort selten ein optimales Klima herrscht und die Überwinterung immer ein
Thema ist. Seit einigen Jahren wird vermehrt Gemüse auf Balkons angebaut. Extra
dafür gezüchtete Gemüsesorten oder Obstbäume finden sich immer häufiger in Ver-
kaufsstellen. Obwohl dies keinesfalls eine neue Idee ist. Bereits während der Welt-
kriege und in den Jahren danach wurde beispielsweise in Berlin das eigene Gemüse
vom Balkon zur willkommenen Speiseplanergänzung. Sogar Kaninchenställe fanden
sich in luftiger Höhe (Meyer-Renschhausen, 2012).
2.3.7. Urban Farming
Der Unterschied von Urban Farming zu Urban Gardening besteht vor allem darin,
dass beim Urban Farming professionelle Akteure mitwirken, die damit häufig ihr Geld
verdienen. Die Flächen sind dadurch grösser und somit eher am Stadtrand anzutref-
fen.
2.3.7.1. City Farms und Kinderbauernhöfe
Eine Form der städtischen Landwirtschaft sind City Farms oder Kinderbauernhöfe. In
solchen Anlagen werden Nutztiere wie Pferde, Schafe, Ziegen und Hühner gehalten
und daneben wird noch ein Garten bewirtschaftet. Das Ziel ist vor allem, die Kinder
auf das Thema zu sensibilisieren und sie wieder an Tätigkeiten zu führen, die sie zu
Hause nicht mehr erlernen (Jungblut, 2012).
Yasmine Zweifel 30
2.3.7.2. Selbsterntegärten
Im Jahr 1987 hatte ein österreichischer Bio-Bauer die Idee zu Selbsterntegärten Sie
wurde von der Stadt Wien gleich aufgegriffen und findet sich heute weit verbreitet,
auch in der Schweiz und in Deutschland. Ein anderer Name für den Selbsterntegar-
ten ist Krautgarten (Stierand, 2013).
Es funktioniert so, dass ein Bauer im Frühling einen Acker mit Setzlingen vorbereitet,
von dem man dann ein Beet übernimmt. Über den Sommer ist man für diese Parzelle
verantwortlich und kann alles ernten, was wächst. Auch das Anpflanzen von neuem
Gemüse ist möglich. Bezahlt wird dann für die Dauer einer Saison. Danach muss
alles wieder komplett geräumt werden. Es ist somit ideal für Leute, die mit dem Gärt-
nern beginnen wollen und noch nicht viel Erfahrung haben (Rasper, 2012a). .
2.3.8. Die Essbare Stadt
Der öffentliche Raum einer Stadt wird, anstatt wie gewohnt mit Blumenrabatten oder
Rasen, mit essbarem Obst und Gemüse bepflanzt. Die Einwohner der Stadt dürfen
ernten, was reif ist. Argumente für eine Essbare Stadt sind, dass die Bepflanzung
und Pflege nicht teurer sind, als wenn Blumen angepflanzt werden. Teils spart man
sogar Arbeit und Geld, da gewisse Obst- und Gemüsesorten weniger aufwändig im
Unterhalt sind, als Blumenbeete, die mehrmals pro Jahr neu bepflanzt werden müs-
sen. Die Gegner der essbaren Stadt kritisieren, dass der Boden und die Luft ver-
schmutzt seien und somit das Gemüse ungeniessbar werde. Eine andere Befürch-
tung ist, dass es immer Leute gäbe, die egoistisch handeln und nicht an die Mitmen-
schen denken würden, wodurch die essbare Stadt nicht funktionieren würde (Meyer-
Rebentisch, 2013).
In Deutschland ist Andernach seit dem Jahr 2010 bekannt als Essbare Stadt. Die
Stadtverwaltung plante zuerst nur auf ungenutzten Flächen Gemüse anzubauen, so-
dass diese nicht mehr als Müllhalden benutzt würden. Als sich die gut 30‘000 Ein-
wohner der Stadt immer mehr trauten, die reifen Nahrungsmittel auch zu ernten,
wurde das Konzept stetig weiter ausgedehnt (Korsack, 2012).
Ebenso existiert in England seit 2007 eine Essbare Stadt, Todmorden. Das Projekt
nennt sich Incredible Edible Todmorden (www.incredible-edible-todmorden.co.uk).
2.3.9. Urban Beekeeping
Bienenzucht in den Städten kommt ursprünglich aus Paris. Bis vor etwa 100 Jahren
war es jedoch in den meisten Städten normal, dass Bienen gehalten wurden. Der
Honig verlor an Bedeutung, als billigerer Zucker importiert wurde. Vor allem durch die
sich in letzter Zeit häufenden Beiträge der Medien über das Bienensterben4 wurde
die Frage laut, was mit der Nahrungskette geschehe, wenn es keine Bienen mehr
gäbe. Cockrall-King (2011) vermutet diese Diskussion als Grund dafür, dass in den
4 Colony collapse disorder, kurz CCD
Yasmine Zweifel 31
letzten Jahren Imkerkurse einen Boom erleben. Durch die Monokulturen auf dem
Land finden die Bienen dort weniger Nahrung. In der Stadt ist das Angebot an blü-
henden Pflanzen vielfältiger, die Bienen finden über eine längere Zeitdauer Nahrung
und produzieren so bis zu drei Mal mehr Honig als solche auf dem Land (Cockrall-
King, 2011). Der Zukunftsforscher Matthias Horx definierte bereits im Jahr 2008 die
Bienenzucht in der Grossstadt als ein neues Hobby der Jungen
(www.bienenkiste.de). Die Stadt Zürich beispielsweise besitzt etwa 70 Imker mit je-
weils mehreren Völkern (Messikommer, 2013).
2.4. Positive und negative Auswirkungen von Urban Gardening
Gärtnern in der Stadt hat positive und negative Effekte auf unterschiedlichen Ebe-
nen. Diese können auf das einzelne Individuum, eine Gemeinschaft oder die gesam-
te Bevölkerung bezogen sein. Die meisten Aspekte lassen sich in die drei Kategorien
Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft einteilen. In der Ausführung wird jeweils zuerst
auf die positiven und dann auf die negativen Auswirkungen eingegangen.
2.4.1. Umwelt
Für das Stadtklima sind Gärten sehr förderlich. Vor allem grosse, zusammenhängen-
de Flächen können die Temperatur einer Stadt regulieren. Die Luftqualität verbessert
sich dank der Sauerstoffproduktion der Pflanzen (Bruse, 2003). Wird organisches
Material kompostiert, reduziert sich der Abfall und wertvoller Humusboden wird gebil-
det. Alte Gegenstände können einem neuen Bestimmungszweck zugeführt werden.
Im Prinzessinnengarten in Berlin wird zum Beispiel in alten Bäckerkisten angepflanzt.
Durch den Anbau verschiedener Pflanzen in der Stadt steigt die Biodiversität, denn
Insekten finden mehr Nahrung (Jungblut, 2012).
Weiter ist ein positiver Effekt, dass durch Urban Gardening Nahrungsmittelanbau und
Stadtleben näher rücken. Es ergeben sich kürzere Transportwege, was die Umwelt
schont. Teilweise kann ein Umdenken erreicht werden, da die Lebensmittel mehr
geschätzt werden und die Saisonalität besser nachempfunden wird. Die Nachfrage
nach regionalen Produkten kann durch dieses Bewusstsein zunehmen (Gehrke,
2012a).
Eine Studie der europäischen Umweltagentur kommt zum Schluss, dass es sinnvoll
ist, so viel Boden wie möglich innerhalb einer Stadt zu überbauen, denn durch die
Verdichtung wird weniger Raum beansprucht. Jedoch sollte überall, wo die Versiege-
lung nicht zwingend ist, ein durchlässiger Boden angestrebt werden (European
Environment Agency, 2011). Urban Gardening kann also dazu beitragen, Regen-
wasser aufzunehmen und die Kanalisation zu schonen, indem die Versiegelung im
städtischen Raum durchbrochen wird.
Durch Grünflächen in der Stadt wird verhindert, dass sich die Stadt weiter ausdehnt,
da die Attraktivität der Stadt steigt und die Menschen wieder vermehrt in die Innen-
städte ziehen. Urban Gardening besetzt Nischen mit neuen Grünflächen, die ansons-
Yasmine Zweifel 32
ten ungenutzt bleiben. Beispiele dafür sind Dächer und Brachen (Gehrke, 2012a).
Ein wichtiger Punkt ist die eigene Saatgutproduktion, die auch in Stadtgärten möglich
ist. Die biologische Vielfalt des Saatguts geht immer mehr verloren. Grosse Konzerne
wie Monsanto und Syngenta kaufen Patente auf ihre teils genmanipulierten Samen
und beherrschen so den Markt. Nicht viel mehr als zwei Sorten Tomaten, fünf ver-
schiedene Apfelsorten oder zwei Bohnensorten findet man in einem Grossverteiler.
Dass es aber eigentlich tausende von Apfelsorten gibt, die geniessbar sind, ist vielen
Menschen nicht mehr bewusst. Diejenigen, die am einfachsten zu transportieren und
am stabilsten im Ertrag sind, werden angebaut. Ob es auch die geschmackvollsten
sind, interessiert nicht. In der EU existiert ein Gesetz, das es verbietet, nicht zugelas-
sene Obst- und Gemüsesorten zu verkaufen. Eine Sorte registrieren zu lassen kostet
viel und ist ein enormer Aufwand mit den Behörden. Zugelassen werden sie dann
trotzdem nur, wenn sie strengen Richtlinien entsprechen (Rasper, 2012a). In der
Schweiz ist es dank ProSpecieRara 5 noch möglich, eigenes Saatgut anzubauen und
diese in kleinen Mengen zu verkaufen. Es handelt sich dabei um die Nischensorten-
regelung (Krähenbühl, 2013).
Syngenta und Monsanto besitzen zusammen über 50 Prozent der Patente für Gemü-
sesorten, die in Europa zugelassen sind (Richter, 2012). Sie sind aber gleichzeitig
Chemiekonzerne und wollen ihre Düngemittel und Pestizide verkaufen. Das von ih-
nen gekaufte Saatgut darf nicht selbst vermehrt werden, das heisst, es muss jedes
Jahr neu gekauft werden, da es sich um Hybridsorten handelt. Die FAO6 schätzt,
dass während dem letzten Jahrhundert 75 Prozent unserer Kulturpflanzen verloren
gingen. Rasper (2012 a) meint, dass es urbane Garteninitiativen braucht, die mit al-
ten Sorten experimentieren und sie so am Leben erhalten.
Aber Urban Gardening kann auch negative Auswirkungen im ökologischen Bereich
haben. Die Umwelt kann zu Schaden kommen durch unsachgemässe Benutzung
von Pestiziden und Düngemitteln. Auch der ineffiziente Gebrauch von teils rarem
Wasser kann eine Belastung sein. Diese Probleme resultieren vor allem aus Un-
kenntnissen in der Bevölkerung, die durch gezielte Informationen verhindert werden
können (Jahnke, 2007).
Gegen den Wasserverbrauch empfiehlt Rosol (2006) eine verstärkte Regenwasser-
nutzung. Damit in den Gärten weniger Chemikalien eingesetzt werden, braucht es
eine Informations- und Beratungsstelle. Ist diese nicht vorhanden, könnten die Verei-
ne Fachpersonen einladen, die biologische Wege aufzeigen, wie Pflanzen vor
Schädlingen geschützt und gedüngt werden können.
Ein weiteres Problem kann auftreten, wenn die Erde für den Garten lange Transport-
5 „ProSpecieRara ist eine schweizerische, nicht-Profit-orientierte Stiftung. Sie wurde 1982 gegründet,
um gefährdete Nutztierrassen und Kulturpflanzen vor dem Aussterben zu bewahren“ (www.prospecierara.ch). 6 Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (englisch Food and Agri-
culture Organization of the United Nations) wird auch als Welternährungsorganisation bezeichnet, mehr unter www.fao.org.
Yasmine Zweifel 33
wege zurücklegt. Dadurch steigt die Treibhausgasemission an. Torffreie, einheimi-
sche Erde ist besser für das Klima (www.familiengaertner-sg.ch).
2.4.2. Gesellschaft
Viele Gemeinschaftsgärtnerinnen und -gärtner sind daran interessiert, Kontakte zu
den Menschen in ihrer Nachbarschaft zu knüpfen. Es entsteht ein stärkerer sozialer
Zusammenhalt und man identifiziert sich eher mit dem Quartier. Das Interesse an
anderen Menschen wird geweckt, in dem man über gleiche Interessen sprechen
kann. Gemeinschaftsgärten ermöglichen und fördern dadurch den kulturellen Aus-
tausch. Es entstehen Orte, an denen gelernt wird. Die Lebensqualität steigt für die
Leute der Umgebung. Häufig findet auch eine Aufwertung der angrenzenden Gebiete
statt. Nicht nur die Hemmschwellen zwischen Kulturen sondern auch zwischen Ge-
nerationen werden abgebaut. Die Abgrenzung und Anonymität wird so ein wenig
aufgehoben. Die Menschen werden dazu angeregt, sich bürgerschaftlich zu engagie-
ren. Zum einen ersparen sich die Behörden Arbeit durch diese positiven Effekte und
durch das Engagement von Freiwilligen. Auf der anderen Seite haben die Anwohne-
rinnen und Anwohner das Gefühl, selbst aktiv mitgestalten zu können (Gehrke,
2012a).
Durch die Aufwertung von Quartieren kann es sein, dass sich die bislang dort woh-
nenden Menschen die Mieten nicht mehr leisten können und durch Besserverdie-
nende vertrieben werden. Der Prozess der Gentrifizierung kann gezielt von der Re-
gierung reguliert werden (Knox & Marston, 2008).
Ein weiteres Problem ist, dass Urban Gardening Projekte häufig mit Diebstahl, Zer-
störung und Verunreinigung konfrontiert sind. Vor allem Hunde, spielende Kinder und
gelangweilte Jugendliche richten Schäden an (Rosol, 2006).
Die Selbstorganisation der Projekte kann dazu führen, dass gewisse Menschen über-
fordert sind und sich zu viel Arbeit aufbürden. In den Organisationsgruppen kann es
zu Konflikten kommen, da sehr unterschiedliche Personen aufeinander treffen
(Rosol, 2006).
2.4.3. Wirtschaft
Der ökonomische Aspekt hat vor allem für Peripherieländer wie beispielsweise Äthio-
pien eine hohe Relevanz (Food Right Now, 2012). Aber auch in Nordamerika gärt-
nern viele Menschen aus Armut, da sie somit weniger Nahrungsmittel kaufen müssen
(siehe Kapitel 2.2). Sogar in der Schweiz gibt es Personen, denen biologische Le-
bensmittel zu teuer sind. Diese können durch den Eigenanbau günstiger gesundes
Gemüse geniessen.
Jahnke (2007) führt verschiedene Bereiche auf, die unter den ökologischen Effekt
gefasst werden können: Zuerst die Beschäftigung, die Einkommensgenerierung und
die Unternehmensentwicklung. Auch wenn die Beschäftigungen bei Urban Garde-
Yasmine Zweifel 34
ning im informellen Sektor anzusiedeln sind, wird durch die benötigten Materialien für
den Garten, wie zum Beispiel Saatgut, die Wirtschaft angeregt. Ein anderer Bereich
ist die Landnutzungsökonomie. Die Landnutzung in Städten wird durch die Bepflan-
zung brachliegender Flächen erhöht. Somit spart die Stadt, da sie sich nicht um eine
Zwischennutzung bemühen muss (Jahnke, 2007).
Die Abhängigkeit vom Weltmarkt wird kleiner, wenn das eigene Gemüse angebaut
wird. Ohne viel Geld wird so eine gerechtere Gesellschaft angestrebt. Neue Gestal-
tungsmöglichkeiten werden im Kleinen ausprobiert und können später erfolgreicher
auf grosse Projekte übertragen werden (Gehrke, 2012a).
Ein negativer Punkt ist, dass wir in Europa die Lebensmittel meist so billig kaufen
können, dass sich der Aufwand des Eigenanbaus finanziell betrachtet nicht lohnt.
Jedoch sind Bio-Produkte teurer, da die Produktion aufwändiger ist und kleinere
Mengen angebaut werden (Borowiak, o.J.).
Ein zweiter negativer wirtschaftlicher Aspekt könnte sein, dass durch das notwendige
Kapital zu Beginn eine Hürde entsteht. Ein Garten braucht vor allem anfangs einige
Investitionen, zum Beispiel für Gartengeräte, Saatgut oder Ratgeber.
2.4.4. Vorbehalte gegen Urban Gardening
Die Reaktionen von Menschen, die mit Urban Gardening zum ersten Mal in Kontakt
kommen, sind oftmals ähnlich. Viele vermuten, dass Gemüse aus der Stadt unge-
niessbar sein müsse, da es durch Luft- und Bodenverschmutzung zu viele Giftstoffe
enthalte. Anlässlich einer Studie der Technischen Universität Berlin untersuchte eine
Forschergruppe Gemüse und Böden in Berlin. Die Studie erschien im Jahr 2012 in
der Fachzeitschrift Environmental Pollution (Säumel et al., 2012). Es werden drei
Verschmutzungsquellen unterschieden. Diese sind (1) die Nutzung von verseuchten
Böden, (2) das Giessen der Pflanzen mit verschmutztem Wasser und (3) die Luftver-
schmutzung durch Verkehr und Industrie. Betrachtet wurde die Schwermetallbelas-
tung durch Blei, Cadmium, Zink, Kupfer, Nickel und Quecksilber, die der Körper we-
der abbauen noch ausscheiden kann. Überraschend war das Ergebnis, dass Gemü-
se, das direkt in den Boden gepflanzt wurde, weniger belastet war als solches, das in
Beete und Töpfe mit handelsüblicher Gartenerde gepflanzt wurde (Säumel et al.,
2012).
Es konnte nachgewiesen werden, dass Gebäude und Hecken die Luftverschmutzung
stark zu senken vermögen. Bedeckt man die Erde mit abgestorbenen Pflanzen, die-
sen Vorgang bezeichnet man als Mulchen, verringert sich die Aufnahme der
Schwermetalle aus der Luft. Es wird erwähnt, dass man nicht nur die Verseuchung
des städtischen Gemüses betrachten kann, sondern auch die Vorteile des Eigenan-
baus, zum Beispiel die zusätzliche Bewegung, mit einbezogen werden müssen
(Leake, Adam-Bradford & Rigby, 2009).
Yasmine Zweifel 35
Das Problem der Bodenverschmutzung lässt sich durch mobiles Gärtnern in Kisten
und anderen Gefässen umgehen, wenn man getestete Erde benutzt. In den Periphe-
rieländern wissen die Leute jedoch häufig nicht, ob ihr Boden kontaminiert ist oder
nicht. Dort hilft es, die Bevölkerung zu informieren, dass dies der Fall sein könnte und
ihnen Alternativen aufzuzeigen.
Zum Problem der Luftverschmutzung wurde herausgefunden, dass Feinstaub von
Autoabgasen bereits nach wenigen Metern so aufgeteilt ist, dass die schwereren
Teilchen, wie beispielsweise Russ, von Büschen und Bäumen aufgefangen werden
und die leichtflüchtigeren nach oben gehen. Feinstaub lässt sich von den Lebensmit-
teln durch Waschen entfernen (Rasper, 2012b).
Ein anderer Kritikpunkt ist, dass diese Bewegung nicht neu sei. Das Neue daran ist
aber, dass die Menschen aus einem anderen Grund als früher ihr eigenes Obst und
Gemüse anbauen. Heute ist es möglich, sich durch Einkäufe im Supermarkt zu ver-
sorgen. Es besteht bei uns kein Druck, selbst zu gärtnern. Deshalb steht vor allem
der soziale Aspekt im Vordergrund. Auch die Formen haben sich verändert. Marco
Clausen (Rasper, 2012 b, o.S.) vom Prinzessinnengarten in Berlin formulierte es fol-
gendermassen:
„Der Sinn unserer urbanen Landwirtschaft ist es, Leute zusammenzubringen,
Kooperationen und Austausch herzustellen, der in dieser Art im städtischen
Raum eher selten ist. In unseren Gärten wird gemeinsam ein Raum herge-
stellt.“
Weiter wird bemängelt, dass sich eine Stadt nie wird selbstversorgen können. Dies
ist jedoch selten das Ziel. Dennoch tragen bereits wenige Prozente zu einer verbes-
serten CO2-Bilanz bei. Weil für einen Gemüseeinkauf mehr Treibausgase entstehen
als nur die Abgase diejenigen vom Anfahrtsweg der Konsumentinnen und Konsu-
menten: die intensive Bewirtschaftung mit Dünger, Pestiziden und Maschinen, der
hohe Wasserverbrauch, der Transport zum Supermarkt und die Kühlenergie bis zum
Verkauf (Rasper, 2012b).
Trotz der Kritik gibt es Leute, die sich für das Gärtnern in der Stadt einsetzen. Was
sind ihre Beweggründe und was sind das für Menschen? Dies wird im nächsten Ab-
satz erläutert.
2.5. Motive und Akteure
Für ein Gartenprojekt ist es entscheidend, Leute zum Mitmachen anzuregen. Die un-
terschiedlichen Motive sollten bekannt sein, damit man weiss, wie man Gärtnerinnen
und Gärtner gewinnen kann. Die Motive unterscheiden sich, je nachdem ob es sich
um Peripherie oder Zentrum handelt.
In Ländern der Peripherie ist der Eigenanbau von Obst und Gemüse häufig der ein-
zige Weg, über die Runden zu kommen. Im Falle einer Krise ist es ein geeignetes
Yasmine Zweifel 36
Mittel gegen die Ernährungsunsicherheit (Knox & Marston, 2008).
Es wird im Folgenden auf die Motive der sogenannten Industrieländer eingegangen.
Gehrke (2012a) erklärt den Spass an der Gartenarbeit dadurch, dass man bei der
Ernte ein Ergebnis in Form von Obst oder Gemüse in der Hand hält. Diese Entwick-
lung vom Samen zum Produkt kann beobachtet werden. So sorgt das Gärtnern für
eine Abwechslung oder einen Ausgleich zur Arbeit. Der Gegensatz von Arbeitswelt
und Garten ist in der heutigen Welt gross. Im Garten können die Prozesse nicht wirk-
lich beschleunigt werden, hingegen in der Arbeitswelt läuft alles darauf hinaus, mög-
lichst schnell und effizient zu funktionieren. Die Ernte ist allerdings selten das Ziel
von Urban Gardening. Meist geht es um die Tätigkeit in der Gemeinschaft und dar-
um, selbst aktiv zu werden (Gehrke, 2012a).
Der berühmte Zukunftsforscher Matthias Horx (Email vom 08.01.14) antwortet Fol-
gendes auf die Frage, was er über Urban Gardening denkt:
„Früher gab es halt die Schrebergärten, und die Arbeiter haben in den Städten
Hühner gehalten, heute kommt das aus anderen Gründen zurück. Weil Men-
schen wieder Zugang zur Natur suchen, gerade weil alles so elektronisch ge-
worden ist. Weil Langsamkeit Spass macht. Weil man nach gesunden Le-
bensmitteln sucht. Weil man gerne SELBERMACHT.“
Jahnke (2007) befasste sich mit dem Thema Guerilla Gardening und untersuchte
dazu die Städte New York, Berlin und London. Sie schreibt von einer Vielfalt von Mo-
tiven für das Gärtnern, die ihr in Interviews genannt wurden. Sie hat induktiv Katego-
rien dieser Motive gebildet, also nachdem sie die Interviews durchgeführt hatte.
Als Erstes wird die politische Motivation genannt, da diese bei Guerilla Gardening
eine grosse Rolle spielt. Doch auch bei anderen Formen ist dies durchaus ein wichti-
ges Motiv. Der öffentliche Raum soll zurückerobert werden oder etwas zu einem kol-
lektiven Vorteil beigetragen werden. Für Jahnke sind alle nachher genannten Motive
ebenfalls politischen Ursprungs.
Dann wird der soziale Aspekt genannt, der von den interviewten Guerilla Gärtnern als
sehr wichtig eingeschätzt wurde. Die Leute kommen gerne mit anderen zusammen,
die ebenfalls am Gärtnern interessiert sind. So können sie sich unterhalten und in der
Gesellschaft Spass haben. Das gemeinsame Ziel schweisst die Gruppe zusammen.
Durch das Internet wird es einfacher, Gleichgesinnte zu finden und sich zu organisie-
ren (Jahnke, 2007).
Ein weiterer Aspekt ist die Umwelt. Beispielsweise soll die CO2- Belastung gesenkt
werden. Vor allem aber war es in der Befragung vielen wichtig, „das allgemeine Um-
weltbewusstsein zu schärfen und die Menschen zum Nachdenken anzuregen“
(Jahnke, 2007, S. 85). Darunter fällt etwa die Bildung der Kinder oder die Information
über gentechnisch veränderte Lebensmittel (Jahnke, 2007).
Bei einigen ist das Motiv aber ganz einfach die Lust am Gärtnern und das Fehlen
eines eigenen Gartengrundstücks. Auch das Interesse an der eigenen Gesundheit
Yasmine Zweifel 37
oder der Stressabbau durch Aktivität kann ausschlaggebend sein.
Ebenso können der kreative Ausdruck und die Selbstverwirklichung als Antrieb die-
nen. Viele verspüren einen inneren Drang zu gärtnern und es erfüllt sie mit Stolz,
selbst etwas geschaffen zu haben.
Uttke (2011) nennt ergänzend noch die folgenden Motive: Die Gärtnerinnen und
Gärtner wollen die Attraktivität des Lebensraums steigern, haben ein gesteigertes
Interesse an geistiger und körperlicher Gesundheit, tun es als Ausdruck von Kreativi-
tät oder zur Traditionspflege, wollen Botschaften vermitteln, informieren, ermutigen
oder ausbilden.
Madlener (2009) erfasste in einer qualitativen Untersuchung in Berlin unterschiedli-
che Zugangsimpulse und ernannte aufgrund der verschiedenen Motive drei Zu-
gangstypen. Diese sind der subjektiv-motivierte, der sozial-motivierte und der sach-
lich-motivierte Zugangstyp. Die Tabelle 1 zeigt, was in der qualitativen Untersuchung
von Madlener herausgefunden wurde. Dies gilt für die untersuchten Gärten. Dabei
wurden zwei Nachbarschaftsgärten sowie zwei Interkulturelle Gärten in Berlin beo-
bachtet und durch problemzentrierte Interviews befragt.
Motive und Motivation unterscheidet Madlener nicht. Sie verwendet den Begriff Moti-
vation. In ihrer Untersuchung fand sie sieben Kategorien von Motivationen, die
mehrmals vorkamen: gärtnerische Motivation, soziale Motivation, lebensräumliche
Motivation, politisch-partizipative Motivation, familiäre Motivation/eigene Kinder,
Freude/Spass und Eigenanbau/Subsistenz.
Nebst der Motivation beschäftigte sich Madlener mit den Zugangsimpulsen. Dazu
wurden die Kategorien eines Freiwilligensurveys im Jahr 1999 von Braun und Klages
gewählt. Diese Studie untersuchte bürgerschaftliches Engagement in Deutschland.
58 Prozent der Befragten kamen laut dieser Studie über Werbung und Anfragen zu
ihrer Freiwilligenarbeit, 38 Prozent über Eigeninitiative. Daraus leitet Madlener sieben
Zugangsimpulse ab. Das sind Werbung/Anfrage über Projektleitung, Werbung/ An-
frage über bereits Engagierte, persönliche Kontakte, Eigeninitiative, Partner, soziale
Netzwerke oder über ein anderes Engagement (Madlener, 2009).
Yasmine Zweifel 38
Tabelle 1: Verschiedene Zugangstypen nach Madlener (2009)
2.5.1. Verbindung zur Freiwilligenarbeit
Die Akteure beim Urban Gardening sind alles ehrenamtlich arbeitende Personen.
Freiwilligenarbeit ist in der Schweiz weit verbreitet. Im Jahr 2010 übten zirka 33 Pro-
zent der Schweizer Bevölkerung eine solche Tätigkeit aus. In der Schweiz wird un-
terschieden zwischen informeller und institutionalisierter Freiwilligenarbeit. Es handelt
sich bei beiden um unbezahlte Hilfeleistungen. Ersteres ist die Tätigkeit für eine Or-
ganisation, wie etwa einen Verein. Letzeres bezieht sich auf Hilfeleistungen aus ei-
gener Initiative, für Menschen, die nicht im selben Haushalt wohnen (Bundesamt für
Statistik, 2011).
Betrachtet man die Arbeit in Gemeinschaftsgärten, ist sie einzuordnen zwischen der
Kategorie Eigenleistung und institutionalisierter Freiwilligenarbeit (Rosol, 2006). Denn
es entsteht nicht nur ein Nutzen für andere. Die Gärtnerinnen und Gärtner erhalten
einen Lohn in Form von Nahrungsmittel, die sie ernten dürfen. Dennoch kümmern sie
sich um eine meist öffentliche Fläche, was einen Nutzen für die Stadtverwaltung
Zugangstyp Motivationen Bemerkungen
Impulse
sachlich-
motivierte
- Erholung
- Ausgleich
Hauptziele sind ein
Anstieg der Lebens-
qualität und die eige-
nen Bedürfnisse zu
befriedigen
- Werbung
- direkte Anfragen
sozial-
motivierte
- Familie und eigene
Kinder
- Bedürfnis nach sozia-
len Kontakten
- Gemeinschaft
- Kommunikation inter-
kulturelle Kontakte
Es bilden sich zwei
Subgruppen:
- Gemeinschaft
und soziale
Kontakten
- Gemeinschafts-
raum für Famili-
en und Kinder
- Werbung
- direkte Anfrage
- persönliche
Kontakte
subjektiv-
motivierte
- Interesse an Garten
- gesellschaftliche Frei-
räume
- Stadtökologie Partizi-
pation und politische
Aktion
- Werbung und
Anfrage
- Eigeninitiative
- Partnerschaft
- Soziale Netz-
werke
- Engagement
Yasmine Zweifel 39
bringt. Es hat zudem auch Vorteile für Mitmenschen, die sich an dem gepflegten
Grün erfreuen können oder durch einen Besuch im Garten etwas lernen. Viele Ge-
meinschaftsgärten sind als Verein organisiert. Meist dient dies jedoch lediglich der
vereinfachten Organisation, da eine gesetzliche Regelung speziell für Gemein-
schaftsgärten fehlt (www.interkulturelle-gaerten.ch). Um mitzugärtnern muss man
aber selten zwingend Mitglied sein.
Wie zuvor aufgeführt, gibt es unterschiedliche Motive, in einem Urban Gardening
Projekt mitzumachen. Für viele ist es mehr als ein Hobby, da die politische Aktion
eine grosse Rolle spielt. Meist besteht der Wunsch, etwas gegen das gängige Sys-
tem zu unternehmen, wie beispielsweise der Garten der ETH SeedCity zeigt. Eigene
Ziele werden mit Zielen für die Gesellschaft verknüpft. Selbst eine Veränderung her-
beiführen zu wollen ist meistens eine starke Komponente (Jahnke, 2007). Die Motive
für Freiwilligenarbeit gleichen denen der Arbeit in Urban Gardening Projekten. Spass
an der Tätigkeit, mit anderen etwas bewegen und die sozialen Kontakte werden in
einer Untersuchung des Bundesamts für Statistik Schweiz im Jahr 2010 am häufigs-
ten genannt. Aber auch eigene Kenntnisse und Erfahrungen erweitern und Verant-
wortung übernehmen nennen jeweils mehr als 50 Prozent (Bundesamt für Statistik,
2011).
Ein Unterschied ist, dass man bei Urban Gardening Projekten meist weniger Ver-
pflichtungen hat. Ausser wenn jemand den Garten initiiert und für das Funktionieren
verantwortlich ist. Leute, die nur ab und zu mitmachen wollen, sind meistens genau-
so willkommen, wie solche, die längerfristig und regelmässig vorbeikommen. Ansons-
ten ist die Mitarbeit in Urban Gardening Projekten sehr ähnlich zu Freiwilligenarbeit.
Im nächsten Abschnitt wird die Sachlage von städtischem Gärtnern in der Schweiz
betrachtet.
2.6. Situation in der Schweiz
Jeden Tag wird in der Schweiz die Fläche von 15 Fussballfeldern für Wohnen und
Industrie verbaut, ausserdem nimmt in den nächsten 20 bis 30 Jahren die Bevölke-
rung der Schweiz um ungefähr 300‘000 Personen zu (Weber, 2011). Um dem Kultur-
landverlust entgegenzuwirken wurde bereits im Jahr 1992 ein Plan mit Fruchtfolge-
flächen aufgestellt. Das sind die ackerbaulich bestgeeignetsten Flächen. In diesem
Plan ist für die einzelnen Kantone festgelegt, wie viele ackerbaufähige Landwirt-
schaftsflächen sie haben müssen (Bundesamt für Raumentwicklung ARE, o.J.).
Der steigende Verstädterungsgrad und die Suburbanisierung führen zu einer starken
Zersiedelung. Die Raumplanung versucht mit verdichtetem Bauen und strengeren
Gesetzen bezüglich Umzonungen diesem Trend entgegenzuwirken. Es existiert ein
Raumkonzept für die Schweiz, das aber nicht verbindlich ist (www.are.admin.ch).
All dies bedeutet, dass durch die zunehmende Verstädterung und Zersiedelung ver-
dichteter gebaut werden muss, um den Bodenverlust möglichst gering zu halten.
Yasmine Zweifel 40
Denn der Boden ist eine endliche Ressource, die für die Versorgung der Bevölkerung
eine entscheidende Rolle spielt. Einerseits zur Produktion von erneuerbaren Ener-
gien, andererseits für die Nahrungsmittelproduktion. Ausserdem benötigte man Flä-
che für Siedlungen, Industrie und weiteres. Es herrscht dadurch eine hohe Konkur-
renz um diese Ressource, da die Nachfrage nach Fläche, Nahrung und Energie wei-
ter zunimmt. Unser Kulturland muss also geschützt werden, damit es erhalten bleibt
(Schwick, Jaeger, Bertiller & Kienast, 2010). Eine Möglichkeit sind die Fruchtfolgeflä-
chen. Doch der Druck auf die freien Böden ist gross, da die Einzonung Gewinne ab-
wirft. Ausserdem ist das Bewusstsein der Bevölkerung und der Kantone noch nicht
ausreichend, um den Schutz der Fruchtfolgeflächen zu gewährleisten (Bundesamt für
Raumentwicklung ARE, 2006).
Aufgrund dieser Probleme stellt sich folgende Frage: Ist es möglich, durch Urban
Gardening den Druck auf die Landschaft zu verkleinern und Kulturland in die Stadt
zu bringen?
2.6.1. Urban Gardening in der Schweiz
Seit der im 19. Jahrhundert beginnenden Industrialisierung leben auch in der
Schweiz immer mehr Menschen in Städten. Damals hiessen die Gärten zwischen
den Fabriken Armengärten. Wie der Name schon sagt, waren die Arbeiter und ihre
Familien auf die Nahrungsmittel aus ihrem eigenen Garten angewiesen. Als dann die
Leute etwas wohlhabender wurden, waren die Gärten nicht mehr existenziell bedeut-
sam. So wurden sie vermehrt zu Freizeit- und Familiengärten. Doch gegen Ende des
20. Jahrhunderts wurden auch diese immer seltener. Seit einigen Jahren macht sich
eine Trendwende bemerkbar: Immer mehr Leute wollen wieder eine eigene Parzelle
in der Stadt. Der Schweizer Familiengärtner-Verband zählt zurzeit fast 25‘000 Mit-
glieder (www.familiengaertner.ch).
In der Westschweiz sind in den 1990er Jahren mit den Potagers urbains neue Gar-
teninitiativen entstanden. Das Konzept wurde aus Frankreich übernommen, wo sol-
che Projekte den sozialen Zusammenhalt in den Armenvierteln verbessern sollten.
Als Fläche dienen schlecht genutzte Orte wie Brachflächen, Parkdecks oder Ab-
standsgrün. Der Unterschied zu den Schrebergärten besteht darin, dass es nicht ein-
zelne abgetrennte Parzellen gibt, sondern alle gemeinsam gärtnern (Baumgartner,
2012).
In den letzten Jahren fand die Bewegung auch in der Deutschschweiz in den grösse-
ren Städten immer mehr Anklang. Basel, Bern und Zürich sind diejenigen Städte mit
den meisten Einwohnern. Deshalb sind sie die Interessantesten im Hinblick auf Ur-
ban Gardening. St.Gallen folgt in Kapitel 4.
In Basel gibt es seit dem Jahr 2010 den Verein Urban AgriCulture Netz Basel, der
sich für verschiedene Projekte einsetzt. Auf der Website des Vereins finden sich über
30 Projekte, zum Beispiel essbare Inseln in Pausenhöfen, Kräutergärten oder ein
Yasmine Zweifel 41
Stadtwein-Projekt. Die Stadtgärtnerei ist bei einigen Projekten beteiligt. Auf dem
Landhofareal errichtete sie im Jahr 2011 einen Gemeinschaftsgarten, der nach dem
Prinzip der Permakultur funktioniert (www.urbanagriculturebasel.ch).
Seit Anfang 2013 steht in Basel auf dem Dach des Dreispitzareals ein System, das
sich Aquaponic nennt. Der in Abbildung 10 graphisch dargestellte Kreislauf ermög-
licht es, Gemüse und Fisch in einem System anzubauen, indem sie sich gegenseitig
mit Nährstoffen versorgen: Aquakultur (Fischzucht) und Hydroponic (Gemüseanbau).
Das mit Fischkot angereicherte Wasser wird von Bakterien zu wertvollem Pflanzen-
dünger umgewandelt. Die Gemüsebeete werden mit dem Wasser geflutet und die
Nährstoffe herausgefiltert. Das saubere Wasser fliesst wieder zurück in den Fisch-
tank. Meist verwendet man einen Vertreter der Buntbarsche, nämlich die Fischgat-
tung Tilapia (www.urbanfarmers.com; www.aquaponics-blog.com).
Abbildung 10: Aquaponic-System
Quelle:http://www.swissworld.org/de/know/innovation_schweiz/the_swiss_way_of_urban_farming/
(31.07.2013)
In Zürich gibt es keinen Verein wie in Basel, denn Grün Stadt Zürich koordiniert die
Projekte als offizielle Dienststelle der Stadt. Diese beschäftigt etwa 430 Mitarbeiten-
de. Es werden freie Flächen an Gruppen vermittelt und neue Flächen gesucht. Das
geschieht unter dem Stichwort Zwischennutzung. Eines der bekanntesten Projekte ist
Frau Gerolds Garten. Seit dem Jahr 2012 darf dieses private Grundstück für fünf
Jahre kommerziell genutzt werden. Im Rahmen des Projekts gibt es auf dem Gelän-
de bei der Hardbrücke eine Bar, ein Restaurant, kleine Boutiquen und den Gartenbe-
trieb (Stadt-Zürich, 2013).
Yasmine Zweifel 42
Abbildung 11: Frau Gerolds Garten in Zürich
Quelle: Eigene Aufnahmen
Bern ist dabei, in mehreren Pilotprojekten Erfahrungen zu sammeln. Es gab im
Sommer 2012 die Aktion der Stadtgärtnerei, wobei die Bevölkerung in Einkaufswa-
gen Gemüse anpflanzen konnte. Das Ziel war, das Stadtbild zu verschönern. Für 10
bis 20 Franken konnte ein mobiles Beet gemietet werden, das so die Brachflächen
aufwertete (Slow Food Bern, 2012).
Es gibt auch Forschungen zum Thema: Das Projekt Food Urbanism Initiative, kurz
FUI, untersucht in Lausanne das Potenzial der Schweizer Städte für eine Integration
der Landwirtschaft. Auf der Internetseite wird betont, dass es nicht um die Selbstver-
sorgung einer Stadt geht, sondern um die Steigerung der Lebensqualität (Verzone,
o.J.).
Insgesamt sind auf der Website der Interkulturellen Gärten Schweiz 26 Projekte ver-
zeichnet (Stand August 2014). Man findet dort Informationen und Kontaktangaben zu
den einzelnen Gärten. Darunter finden sich nicht nur interkulturelle Gärten, wie in
Kapitel 2.3.3 vorgestellt, sondern auch Gemeinschaftsgärten im klassischen Sinne
(www.interkulturelle-gaerten.ch). Die Urban Gardening Bewegung scheint in der
Schweiz aber noch nicht so verbreitet, wie beispielsweise in Deutschland.
Es stellt sich die Frage, ob Urban Gardening eine längerfristige Veränderung ist oder
ob es sich dabei nur um einen kurzfristigen Trend handelt. Dies wird im Folgenden
analysiert.
2.7. Trendentwicklung
Global entwickelt sich Urban Gardening seit den 60er Jahren des letzten Jahrhun-
derts. In der Schweiz wurden die meisten Gemeinschaftsgärten erst in den letzten
vier Jahren aufgebaut. Zum Beispiel der Landhof Basel besteht seit 2011
(www.urbanargriculturebasel.ch).
Betrachtet man die Verkaufsregale der grossen Fachhändler, sieht man, dass es dort
Yasmine Zweifel 43
seit einiger Zeit immer mehr Angebote für Stadtgärtner gibt. Unter anderem verkau-
fen sie Gemüsesorten, die extra für den Balkon gezüchtet werden. Eine andere Pro-
duktkategorie sind die vielfältigen Behältnisse, in denen man auf kleinem Raum gärt-
nern kann. Auf der Website von G. Ongania (www.vegandthecity.ch) werden immer
wieder neue Gartenartikel vorgestellt und online verkauft. Im Dezember 2013 eröffne-
te Ongania in Zürich das Geschäft VEG and the City, in dem dieselben Dinge ver-
kauft werden. Ausserdem erschien im Frühling 2014 ihr Buch mit dem Titel An die
Töpfe, gärtnern, los!.
Erwin Meier vom Garten-Center Meier in Dürnten ZH sagte zu Schweiz am Sonntag:
„Vor drei Jahren hat die Balkon-Kundschaft erst etwa 20 Prozent ausgemacht
im Vergleich zu Kunden mit einem kleinen Garten. Heute sind es sicher schon
50 Prozent“ (Weinmann, 2013).
Abbildung 12 zeigt, wie oft unter www.google.ch/trends der Suchbegriff Urban Gar-
dening gesucht wurde. Die Entwicklungskurve über die Jahre 2004 bis 2013 wird
dargestellt. Es ist eine gezackte Bewegung ersichtlich, die sich jedes Jahr wiederholt.
Im April befindet sich jeweils der Höhepunkt und im Dezember der Tiefpunkt. Dies
hängt wohl mit dem Zyklus der Jahreszeiten auf der nördlichen Hemisphäre zusam-
men. Ausserdem lösen Schlagzeilen in den Medien immer einen vermehrten Such-
verkehr aus. Beispielsweise im April 2013 hiess die Schlagzeile in der Tiroler Tages-
zeitung „Stadtregierung steht zu Projekt Rucola“. Diese Schlagzeilen werden bei Be-
darf von Google-Trends angezeigt.
Die zweite Kurve zeigt dieselbe Entwicklung beim Begriff Urban Farming. Hier ist
diese Entwicklung nach oben noch deutlicher sichtbar.
Die y-Achse stellt bei diesen Abbildungen keine absoluten Zahlen dar. Die Daten
werden normalisiert und somit ist der höchste Wert bei 100.
Yasmine Zweifel 44
Abbildung 12:Die Entwicklung des Suchinteresses beim Begriff Urban Gardening
Quelle: http://www.google.ch/trends/explore?q=urban+gardening#q=%22urban+gardening%22&cmpt=q
(03.01.2014)
Vor allem in Nordamerika, Deutschland, England und Australien wird häufig im Be-
reich Urban Gardening gegoogelt. Dabei variiert dies je nach Begriff, die USA und
Kanada sind aber immer am häufigsten aufgeführt (siehe Abbildung 13). Australien
sticht ebenfalls heraus. Das Land war aber nicht Gegenstand dieser Arbeit.
Abbildung 13: Je dunkler, desto häufiger wurde der Begriff gesucht.
Quelle: http://www.google.ch/trends/explore?q=urban+gardening#q=urban%20farming&cmpt=q
Das Internet dient in der Trendforschung aber als ein Mittel, das keine Prognosen
zulässt. Es dient lediglich einer Bestandsaufnahme und man darf deshalb keine
Rückschlüsse auf mögliche Entwicklungen ziehen (Schelske & Wippermann, 2005).
Yasmine Zweifel 45
Ein Indiz, das auf einen längerfristigen Trend in Deutschland und der Schweiz hin-
weist, ist das Image der Schrebergärten. Dieses hat sich von spiessig zu hip gewan-
delt und es gibt zurzeit sehr wenige freie Parzellen in den Städten. Ausserdem nimmt
die Zahl der Interkulturellen Gärten, die es offiziell seit 1995 gibt, stetig zu. Auch an-
dere Garteninitiativen sind immer häufiger anzutreffen (Rasper, 2012b).
Weiter gibt es in den deutschsprachigen Medien ein grosses Interesse an Themen
rund um die städtische Agrikultur. Sowohl in den Massenmedien wie Blick am Abend
oder 20minuten7 als auch in Fachzeitschriften, beispielsweise Stadt + Grün, wird Ur-
ban Gardening seit einigen Jahren immer häufiger erwähnt. Zeitschriften mit dem
Wort Land im Titel werden vermehrt gekauft. In LandLiebe gab es in der Ausgabe
vom Februar 2013 einen mehrseitigen Beitrag mit dem Titel Stadtgärtnern (Fasolin,
2013).
In der Fachliteratur und in der Forschung trifft man inzwischen vermehrt auf den Beg-
riff Urban Agriculture. Der grösste Teil der Forschung bezieht sich jedoch auf Peri-
pherieländer, in denen der städtische Gemüseanbau existenziell notwendig ist. Der
wichtigste Bericht zum Thema ist im Jahr 2001 überarbeitet erschienen unter dem
Titel Urban Agriculture – Food, Jobs and Sustainable Cities (Smit, Nasr & Ratta,
2001). Es wird gezeigt, dass in den letzten Jahren eine Steigerung des Produktions-
volumens von Gemüse in Städten auf der ganzen Welt stattfindet.
„Over the past few decades, there have been dramatic shifts toward urban ag-
riculture in both developed and developing countries“ (Smit, Nasr & Ratta,
2001, S. 26).
In einer Arbeit über urbane Gärten in Buenos Aires von Haidle und Arndt (2004) wird
die wachsende Ausbreitung des städtischen Gärtnerns damit erklärt, dass es für im-
mer mehr Leute in Städten schwierig werden wird, sich die nötigen Nahrungsmittel zu
besorgen. Sie nehmen an, dass die entstehenden Lücken im Versorgungsmarkt mit
urbaner Landwirtschaft gedeckt werden. Streiffeler (2000) erwähnt, dass zwischen
der Inflation und der Zunahme städtischer Landwirtschaft ein direkter Zusammen-
hang besteht. Er erklärt es damit, dass der Anteil der Ausgaben für Nahrungsmittel
am Gesamteinkommen eines Haushalts immer höher wird.
In der Schweiz ist diese Tendenz aber leicht rückläufig. Das heisst, es wird prozentu-
al ein immer kleinerer Teil des Einkommens für Nahrungsmittel ausgegeben als noch
vor einigen Jahre. In absoluten Zahlen ist der Betrag hingegen gestiegen
(Bundesamt für Landwirtschaft BLW, o.J.).
Michael Levenston8 arbeitet in Vancouver seit mehr als dreissig Jahren im Bereich
der urbanen Landwirtschaft. Seine Meinung über die Zukunft vom Gemüseanbau in
7 Zum Beispiel der Beitrag vom 20.9.2013 „Gemüse aus der Stadt kann giftig sein“ oder vom
23.05.2013 „Stadtgarten soll Besetzer vertreiben“ (www.20min.ch). 8 Er wurde in Kapitel 2.2.1 vorgestellt.
Yasmine Zweifel 46
der Stadt ist, dass es teils ein Trend ist, teils eine Notwendigkeit. Er bezeichnet das
städtische Gärtnern als eine zyklische Bewegung, die immer dann zurückkommt,
wenn die Leute beginnen, sich Sorgen zu machen wegen einem Lebensmittelskan-
dal, einer Finanzkrise oder einem Energieengpass (Cockrall-King, 2011).
Ein weltweiter Anstieg des Selbermachens ist feststellbar. Immer mehr Leute erken-
nen, dass ihnen im Leben etwas fehlt. Sie wollen wieder beteiligt sein am Produkti-
onsprozess. Das gilt für Lebensmittel genauso wie für Gebrauchsgüter, zum Beispiel
selbstgenähte Kleidung. Plöger geht sogar so weit und sagt, dass Selbstversorgung
am besten geeignet ist, unsere Grundbedürfnisse zu befriedigen (Plöger, 2011).
2.8. Fazit
Um die Fragestellung des ersten Teils über die Entwicklung von Urban Gardening hin
zu einem Trend zu beantworten, müssen verschiedene Aspekte beachtet werden.
Die Geschichte zeigt, dass es keine Bewegung der letzten Jahre ist, sondern dass
die Anfänge des neuen Urban Gardening, wie wir es heute kennen, vor etwa 40 Jah-
ren liegen. Ausgehend von Kanada und den USA erreichten die Gemeinschaftsgär-
ten auch Europa. In Grossstädten wie Paris, London, Berlin oder München ist es be-
reits Alltag, sein Gemüse in der Stadt selbst anzubauen. Bisher befindet sich die Be-
wegung immer noch im Aufwärtsgang, das heisst, die Sättigung wurde noch nicht
erreicht. Unterstützt wird die Bewegung durch das Internet.
Abschliessend kann nicht eindeutig gesagt werden, ob dieser eindeutig präsente
Trend sich noch lange halten wird, sich sogar noch stärker ausbreiten wird oder ob er
wieder verschwinden könnte. Jedoch deuten die aufgeführten Gründe darauf hin,
dass es eine längerfristige Veränderung im Bewusstsein der Menschen sein könnte.
Wäre Urban Gardening eine Technologie, die den Hype Zyklus von Gartner Inc.
(2014) durchlaufen würde, befänden sich die Länder Schweiz, Deutschland und die
USA an unterschiedlichen Stellen (siehe Abbildung 14). Während die USA bereits auf
einem stabilen Interessensniveau angekommen zu sein scheint, befindet sich
Deutschland an einer anderen Stelle. Die Medien haben noch einen grossen Einfluss
und können durch ihre Berichte stetig neue Akteure motivieren. Die Schweiz befindet
sich ein wenig hinter Deutschland. Es gibt immer noch zahlreiche Städterinnen und
Städter, die noch nie etwas von Urban Gardening gehört haben. Doch in den Medien
finden sich bereits vermehrt Berichte, die sich an die breite Masse wenden.
Yasmine Zweifel 47
Abbildung 14: angepasster Hype-Zyklus
Quelle: Verändert nach Gartner Inc.(2014)
Wahrscheinlich handelt es sich bei Urban Gardening um eine gemischte Diffusion.
Der Grund für diese Behauptung ist, dass sich der Trend von verschiedenen Aus-
gangsorten wie New York, Kuba oder Toronto auf die nächsten Grossstädte wie Ber-
lin ausgebreitet hat. Von dort hat sich Urban Gardening innerhalb Deutschland ex-
pansiv und auf die Schweiz hierarchisch ausgebreitet (Knox & Marston, 2008).
Wegen den aufgeführten Gründen schliesse ich darauf, dass das Interesse der Me-
dien in der Schweiz und in Deutschland etwas nachlassen wird. Möglicherweise
nimmt dadurch auch das Interesse der Bevölkerung ab. Es wird sich jedoch auf ei-
nem Niveau einpendeln, wie es in den USA bereits der Fall zu sein scheint.
Die in Kapitel 2.6 gestellte Frage, ob es möglich ist, mit Urban Gardening den Druck
auf die Landschaft zu verkleinern und Kulturland in die Stadt zu bringen, kann positiv
beantwortet werden. Verschiedenste Projekte im Ausland zeigen, dass durchaus ei-
ne beachtliche Menge an Nahrungsmittel in der Stadt angebaut wird. In der Schweiz
liegt der Hauptfokus derzeit jedoch nicht auf der Produktion, sondern eher auf dem
gesellschaftlichen Aspekt.
Die Bewusstseinsveränderung hin zur globalen Nachhaltigkeit und zur eigenen Ge-
sundheit könnte der Beginn einer anderen Welt sein. Wie die Filmemacherin Ella von
der Haide sagte: „Eine andere Welt ist pflanzbar!“ (www.eine-andere-welt-ist-
pflanzbar.de). Ob sich diese Aussage bewahrheiten wird, hängt von der lokalen Um-
setzung ab. Im folgenden Kapitel werden deshalb vier funktionierende Gemein-
schaftsgärten aus der Schweiz und aus Deutschland genauer betrachtet.
Yasmine Zweifel 48
3. Exemplarische ausgewählte Urban Gardening Projekte
Aus der Masse an verschiedenen städtischen Garteninitiativen wird hier die Form der
Gemeinschaftsgärten genauer untersucht. Denn diese ist eine neue Form, zu der es
in der Schweiz noch nicht viele Untersuchungen gibt. Um herauszufinden, wie solch
neuartige Gemeinschaftsprojekte aufgebaut werden und längerfristig bestehen kön-
nen, werden in vier ausgewählten Gärten Interviews geführt. Ergänzt wird das Kapitel
durch Theorien aus der Literatur.
3.1. Definition von Gemeinschaftsgärten
In der Literatur lässt sich keine einheitliche Definition oder Verwendung des Begriffs
Gemeinschaftsgarten oder Community Garden feststellen. In dieser Arbeit wird des-
halb eine eigene Definition verwendet. Sie stützt sich auf verschiedenste Beschrei-
bungen, die auf englischsprachigen Internetseiten9 verwendet werden. Rosol (2006)
stellte eine aus der Praxis abgeleitete Definition von Gemeinschaftsgärten auf, die
aber ziemlich kurz und allgemein ausfällt:
„Gemeinschaftsgärten sind gemeinschaftlich und durch freiwilliges Engage-
ment geschaffene und betriebene Gärten, Grünanlagen und Parks mit Aus-
richtung auf eine allgemeine Öffentlichkeit“(Rosol, 2006, S. 7).
Elemente, die in den meisten gefundenen Beschreibungen vorkommen, sind ein
Stück Land, eine Gemeinschaft, Nahrungsmittelanbau, Regeln und Freiwilligenarbeit.
Daraus lässt sich die folgende Definition formulieren:
Ein Gemeinschaftsgarten ist ein Stück Land, das in gemeinschaftlicher Frei-
willigenarbeit mit Obst, Gemüse und Kräutern bepflanzt wird. Der Gartenalltag
wird durch Regeln festgelegt. Ein Grossteil der Beete wird gemeinschaftlich
bearbeitet, nicht individuell. Der Garten ist (zu bestimmten Zeiten) öffentlich
zugänglich. Es gibt keine Beschränkung, wer mitmachen darf.
Diese Definition ist nicht eindeutig, denn es gibt weiterhin verschiedene Typen von
Gemeinschaftsgärten. So kann die Organisation beispielsweise in Form eines Ver-
eins oder ohne Gliederung erfolgen. Es ist möglich, dass man den Garten nur zu be-
stimmten Zeiten, nur in Begleitung mit einem Vorstandsmitglied oder jederzeit betre-
ten darf. Auch die Verwendung des angepflanzten Gemüses kann variieren. Manch-
mal wird es an die Mitarbeitenden verschenkt, verkauft oder für die Küche eines Re-
staurantbetriebs auf dem Gelände verwendet.
9 Vgl.:
www.commmunitygardening.blogspot.ch/2010/03/lets-start-with-definition.html www.extension.oregonstate.edu/sorec/sites/default/files/documents/frequently_asked_questions.pdf www.ecolife.com/define/community-garden.html (02.08.014)
Yasmine Zweifel 49
3.2. Auswahl der untersuchten Gemeinschaftsgärten
Die Auswahl der Gemeinschaftsgärten erfolgte nach dem Kriterium der Grösse und
dem Erfolg. Das heisst, es wurden bewusst grössere Gärten ausgewählt, die zu Be-
ginn der Recherche (März 2013) schon seit mindestens einem Jahr bestanden. So-
mit sollte die Gruppe seit Frühling 2012 ein Grundstück besitzen. Ausserdem sollten
es mindestens drei unterschiedliche Gemeinschaftsgärten sein.
Zuerst entstand eine Liste mit den bekannten Schweizer Gemeinschaftsgärten. Die
Grösse und die Dauer wurden dann in eine Tabelle (siehe Tabelle 2) eingetragen.
Der Garten soll unbedingt einen öffentlichen Bereich enthalten. Sonst sind sie zu
ähnlich wie Familiengärten.
In Deutschland gibt es schon länger bekannte Projekte. So gilt Berlin als eine der
ersten deutschen Städte, in der es Gemeinschaftsgärten gab.
Tabelle 2: Auswahl von Gemeinschaftsgärten
Gartenprojekt Art des
Gartens
Grösse
(m2)
Entstehung Geeignet
Schweiz
SeedCity Zürich Öffentlich, von
Studenten
600 2011 Ja
Stadiongarten
Zürich
öffentlich k.A.
März 2012 Ja
Frau Gerolds Garten kommerziell 2500 Mail 2012 Nein
Neugarten Luzern öffentlich k.A. März 2013 Nein
Gemeiner Garten Lu-
zern
v.a.
Nachbarschaft
k.A. September 2012 Nein
Landhof Basel Öffentlich 1‘000 Mai 2011 Ja
Gemeinschaftsgarten
Büel Winterthur
öffentlich k.A. April 2013 Nein
Ausland
Prinzessinnengarten
Berlin
mobil 6‘000 Sommer 2009 Ja
Rosa Rose Berlin mobil k.A. 2004 Nein
O’pflanzt is! München öffentlich 3‘000 Anfang 2012 Ja
Yasmine Zweifel 50
In München fällt die Wahl auf den Garten o’pflanzt is!. In der Schweiz wird in Basel
der Gemeinschaftsgarten Landhof besucht, der bereits seit 2011 für die Öffentlichkeit
zugänglich ist. Ein weiteres zu untersuchendes Projekt ist auf dem Campus der ETH
Zürich angesiedelt. SeedCity besteht dort seit dem Jahr 2010. Ausserdem wurde in
Zürich der Gemeinschaftsgarten Stadionbrache betrachtet. Die ausgewählten Gar-
tenprojekte erfüllen das Kriterium der Dauer und der Art. Die Grösse ist bei allen ge-
prüften Projekten genügend oder es fanden sich keine Angaben.
3.3. Methode
Das vorliegende Kapitel wird mit der Methode der halbstandardisierten Interviews
erarbeitet. Ein halbstandardisiertes Interview ist der flexible Weg zwischen standardi-
sierten und offenen Interviews. Das heisst, es können sowohl offene als auch ge-
schlossene Fragen vorkommen. Suggestivfragen werden vermieden, da sie die Aus-
sagen beeinflussen könnten. Durch einen Interviewleitfaden ist die Richtung vorge-
geben, es ist aber auch Platz für allfällige Folgefragen. Die Reihenfolge der Fragen
muss nicht strikte befolgt werden. Die Interviews werden doppelt auf Tonband aufge-
nommen und erst im Nachhinein transkribiert. Da es nicht um wortwörtliche Formulie-
rungen der Interviewten geht, erfolgt die Auswertung durch sinngemässe Vergleiche
(Flick, 2007). Der Leitfaden (siehe Anhang A) wird so erstellt, dass daraus Schluss-
folgerungen für die Stadt St.Gallen gezogen werden können.
3.3.1. Grounded Theory
Die Methode Grounded Theory diente als Anregung für das Forschungsdesign dieser
Arbeit. Denn sie erlaubt, dass zu Beginn keine Hypothesen aufgestellt werden müs-
sen. Das Ziel ist, eine möglichst realitätsnahe Theorie aufzustellen, die in der Praxis
umgesetzt werden kann.
Die Grounded Theory ist eine Methode der Soziologie, um eine Theorie auf der
Grundlage von empirischen Daten zu entdecken. Der Begriff stammt von A. Strauss
und B. Glaser, die im Jahr 1967 gemeinsam ihr erstes Buch herausgaben, The Dis-
covery of the Grounded Theory. Im Deutschen findet sich dafür der Ausdruck ge-
genstandsbezogene oder datengestützte Theoriebildung. Der englische Begriff ist
fehlleitend, da es eine Theoriebildung und nicht eine Theorie ist (Alheit, 2000).
Die Methode soll näher an der Praxis sein und empirische Situationen besser be-
schreiben als die bis in die Sechzigerjahre des letzten Jahrhunderts gängigen For-
schungsmodelle. Der Unterschied zu anderen Methoden besteht darin, dass sonst
vor allem Theorien überprüft, dann verifiziert oder falsifiziert werden. Mit der Groun-
ded Theory wird zuerst ermittelt, welche Konzepte und Hypothesen für den unter-
suchten Bereich überhaupt eine Bedeutung haben. Die generierte Theorie orientiert
sich dann eng an den erhobenen Daten und lässt sich nicht wirklich verallgemeinern.
Dieses induktive Vorgehen verlangt, dass der Prozess der Generierung aufgezeigt
wird und nachvollzogen werden kann. Glaser & Strauss (2005) unterscheiden zwi-
Yasmine Zweifel 51
schen formaler und materialer Theorie. Die materiale Theorie bezieht sich nur auf
einen spezifischen Bereich in der Praxis. Die formale Theorie ergibt sich als Zusam-
menhang aus verschiedenen übergeordneten Bereichen in der Empirie. Normaler-
weise wird zuerst eine materiale Theorie gebildet, die dann später zu einer formalen
weiterentwickelt werden kann.
Nach Strauss (Legewie & Schervier-Legewie, 2004) gehören drei Grundelemente zu
dieser Methodik. Erstens das Kodieren, dann das theoretische Sampling, dazu ge-
hört die Auswertung der Daten von Beginn an, und als drittes das Vergleichen der
Phänomene, woraus schliesslich ein Konzept entsteht.
Ob die Theorie am Ende angewendet werden kann, sieht man, wenn vier Eigen-
schaften vorhanden sind. Die Theorie muss für das Untersuchungsthema passen.
Dann muss sie auch für Laien verständlich sein. Ausserdem soll sie so allgemein wie
möglich gehalten sein, das heisst nicht nur auf einen Spezialfall passen. Und zuletzt
soll sie dem Benutzer der Theorie eine Kontrolle über Alltagssituationen ermöglichen
(Glaser & Strauss, 2005).
3.3.2. Qualitative Inhaltsanalyse
Die qualitative Inhaltsanalyse wurde vor rund 20 Jahren entwickelt, als etwa 600 Leit-
fadeninterviews qualitativ ausgewertet werden sollten. Der Ansatz ist, die Vorteile der
quantitativen Inhaltsanalyse auf die qualitative Auswertung zu übertragen.
Die Vorgehensweise beruht dabei entweder auf der induktiven oder der deduktiven
Kategorienbildung. Bei der deduktiven Kategorienbildung legen die Forschenden
diese bereits vor der Erhebung fest. Bei der induktiven hingegen werden die Katego-
rien direkt aus dem erhobenen Material abgeleitet. Diese zweite Methode ist für das
vorliegende Kapitel von Bedeutung. Nachdem ein erster Teil der Interviews durchge-
führt worden ist, wird das Material durchgesehen und festgelegt, welche Aspekte be-
rücksichtigt werden sollen. Das ganze Material wird dann auf diese Aspekte durch-
gearbeitet. Für die restlichen Interviews werden die Kategorien in einer Rückkopp-
lungsschleife nochmals angepasst (Mayring, 2000).
3.3.3. Methode dieser Arbeit
In diesem Kapitel wird eine Kombination aus der Qualitativen Inhaltsanalyse und der
Grounded Theory angewandt. Ausgehend von der Fragestellung wird ein Leitfaden
erstellt. Nachdem dieser in zwei Gartenprojekten eingesetzt wurde, wird er
angepasst. Dann folgen die restlichen zwei Interviews. Beim Vergleichen der vier
Interviews sollten Kategorien ersichtlich werden, anhand dieser die Interviews
ausgewertet werden (siehe Abbildung 15). Aus der Anpassung des Leitfadens und
der Kategorienbildung der vier Garteninterviews wird ein Interviewleitfaden kreiert,
der für ein Interview mit Grün Stadt Zürich dient. Grün Stadt Zürich soll als
Dienststelle der Stadt die öffentliche Seite repräsentieren und somit die Ergebnisse
durch eine weitere Sichtweise ergänzen oder bestätigen.
Yasmine Zweifel 52
2
1
Abbildung 15: Eigene Forschungsmethode
Quelle: Ergänzt nach Mayring (2000)
2 Interviews durch-führen (SeedCity und Land-hof Basel)
Interview Grün Stadt Zürich
Interviewleitfaden aufstellen
Gegenstand: Planung und Massnahmen zur
Förderung von Urban Gardening
Anpassen des Leitfadens
Restliche 2 Inter-views durchführen (Stadionbrache und o’pflanzt is)
Endgültiger Materialdurchgang und abschlies-sende Kategorienbildung: - Voraussetzungen - Erfolgsfaktoren - Probleme
Auswertung der Daten
Theorie aufstellen
Schrittweise Katego-rienbildung aus dem Material
Yasmine Zweifel 53
3.4. Durchführung
Die untersuchten Projekte sind sich in gewissen Punkten sehr ähnlich, in anderen
unterscheiden sie sich stark. Welches aber sind die entscheidenden Punkte, damit
ein Gemeinschaftsgarten funktioniert? Zuerst werden die einzelnen Gartenprojekte
kurz porträtiert und anschliessend folgen die wichtigsten Antworten aus den Inter-
views.
3.4.1. Projekt 1: O’pflanzt is! München
Mitten in München in der Nähe des Olympiaparks liegt der über 3‘000 m2 grosse
Gemeinschaftsgarten o’pflanzt is!. Organisiert ist das Projekt als Verein. Jeder und
jede kann mitmachen, dazu ist keine Mitgliedschaft erforderlich. Es ist den Aktiven
wichtig, dass Verein und Projekt klar voneinander getrennt werden. Der Verein dient
lediglich der vereinfachten Organisation. Es wird nach dem Prinzip der Permakultur
biologisch und nachhaltig angebaut. Unter anderem werden viele Materialien wieder-
verwendet, die man sonst wegwerfen würde. Gegründet wurde der Garten im Okto-
ber 2011. Stiftungen und Sponsoren unterstützen den Garten finanziell.
Abbildung 16: Hochbeet aus Altholz Tomatenunterstand
Quelle: https://garten.landlive.de/blogs/entries/6549/ (02.08.2014)
Die Fragen des Interviews für diese Arbeit wurden von Martin Rasper beantwortet,
der ein Gründungsmitglied ist. Ausserdem ist er Autor des Buches mit dem Titel Vom
Gärtnern in der Stadt (2012a). Es folgen die entscheidenden Antworten.
Die Voraussetzungen für das Funktionieren eines solchen Gemeinschaftsgartenpro-
jekts sind für Rasper nicht immer dieselben. Es gibt für ihn mehrere Möglichkeiten.
Entweder kann die Gemeinde sehr stark unterstützend und mit einem klaren juristi-
schen Rahmen vorhanden sein. Oder es gibt eine treibende Initiative mit engagierten
Leuten und einem klaren Konzept. Auch eine Kombination aus beiden Möglichkeiten
ist denkbar. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist für ihn die Einbindung der unmittelbaren
Nachbarschaft. O’pflanzt is! erfährt viel Wohlwollen aus der Öffentlichkeit. Stiftungen
unterstützen das Projekt, das Fernsehen sendet Berichte oder Journalistinnen und
Journalisten schreiben Artikel. Dieses Interesse am Garten und dessen Erfolg sieht
Yasmine Zweifel 54
Rasper einerseits im speziellen Namen, andererseits an der guten Lage, bei der die
Leute vorbeikommen, wenn sie in Richtung Olympiapark unterwegs sind. Aber auch
„die bloße Tatsache, dass dort, in einer unklaren städtebaulichen Situation und in
einem Umfeld von Stadtbrachen, Zwischennutzungsflächen, neubebautem Kaser-
nengelände und so weiter solch ein wildes und anarchistisch anmutendes Projekt
überhaupt existiert“ (Rasper im Interview vom 24.11.13) sieht er als Chance. Seine
Anmerkung ist, dass es noch nicht klar sei, wie erfolgreich das Projekt in Zukunft
wirklich sein werde, da es auch Phasen mit Problemen gebe.
Gartenkonzepte kann man laut Rasper nicht eins zu eins auf eine andere Stadt über-
tragen. In München gibt es die Selbsterntegärten, dort Krautgärten genannt, die sehr
beliebt sind (siehe Kapitel 2.3.7). Im Oktober 2013 konnten bereits 20 solche Projek-
te auf dem Stadtgebiet München gezählt werden. Um ein Projekt auf eine Stadt ab-
zustimmen, muss der vorhandene Platz, die Rolle der politischen Gemeinde, das
Konzept und der Anspruch des Projekts analysiert werden.
Probleme können entstehen, wenn kein klares Konzept vorhanden ist. Auch die Ein-
bindung der Nachbarschaft könnte noch besser sein. Ein Ziel des Gartens ist, Inte-
ressierte und die Öffentlichkeit noch besser einzubinden. Es ist aber noch nicht klar,
wie dieses Ziel erreicht werden kann. Die Motivation von aktiven Gärtnerinnen und
Gärtnern ist ebenfalls noch nicht befriedigend gelungen. Im ersten Jahr war es einfa-
cher, die Leute zu motivieren, da laut Rasper „der Reiz des Neuen und die Euphorie
des Aufbruchs“ vorhanden waren. Er schlägt als konkrete Massnahmen vor, geregel-
te Öffnungszeiten anzubieten, an denen Mitglieder anwesend sind und Hilfestellun-
gen zu den Arbeitsvorgängen im Garten bieten können.
3.4.2. Projekt 3: Seedcity ETH Zürich
SeedCity befindet sich auf dem Areal der ETH Hönggerberg. Nur wenige Meter ent-
fernt von den Hochschulgebäuden ist eine etwa 600 m2 grosse Fläche eingezäunt,
auf der sich verschiedene Beete, zwei Treibhäuser, Obstbäume und ein Wohnwagen
befinden. Das Projekt wurde im Rahmen des Ecoworks Wettbewerbs der ETH als
eines der drei Siegerprojekte ausgewählt und mit einer Anschubfinanzierung sowie
Unterstützung im Projektalltag belohnt. Auch dieser Garten ist nach dem Permakul-
turprinzip aufgebaut. SeedCity ist ein Verein, bei dem man für einen Jahresbeitrag ab
70.- CHF Mitglied werden kann. Im Moment zählt der Verein etwa 50 Mitglieder. Ein
Nachmittag in der Woche ist als Aktivitätstag geplant, an dem der von SeedCity an-
gestellte Gärtnermeister anwesend ist und hilft. Immer wieder werden kurze
Workshops zu aktuellen Themen organisiert, für die auch externe Spezialisten auf-
geboten werden. Die Mitglieder sind frei, neue Ideen einzubringen und zu experimen-
tieren. Nicht nur Interessierte der ETH besuchen den Garten und helfen mit, sondern
auch Anwohner und Freunde von Freunden (Jaggi, 2012).
Yasmine Zweifel 55
Abbildung 17: Folientunnel für empfindliche Pflan-
zen
Quelle: Eigene Aufnahmen
Abbildung 18: Blick über den Kompost in Richtung
ETH
Ivelina Grozeva erklärte sich bereit, die Fragen zu beantworten. Sie ist seit Beginn im
Vorstand des Vereins dabei. Wichtig sind für sie die Bildung einer Gemeinschaft und
der Wissenstransfer. Der Name SeedCity soll darauf hinweisen, dass sie etwas sä-
hen möchten, beispielsweise Wissen. Er soll aber auch Skepsis gegenüber dem
herrschenden System signalisieren. Urban Gardening ist für sie eine Art von Protest.
Die Voraussetzungen für ein solches Projekt sind hauptsächlich verfügbares Land,
Akzeptanz in der Umgebung und Engagement von der Gemeinschaft. Immer wieder
betont sie, dass die Gemeinschaft ein wichtiger Punkt sei. Viele Dinge werden ge-
meinsam entschieden, aber niemand fühlt sich verpflichtet. Diese Unabhängigkeit
wird von Studierenden sehr geschätzt. Auch die Durchmischung der Gemeinschaft
hält sie für einen Erfolgsfaktor. Es braucht Leute, die gerne und motiviert dieser eh-
renamtlichen Arbeit im Garten nachgehen.
Als schwierig beurteilt sie den ständigen Wechsel von Mitgliedern. Da viele Studen-
ten nur für wenige Semester an der ETH bleiben, müssen sie sich immer wieder aufs
Neue um Mitglieder bemühen. Ausserdem meint Grozeva, dass man nicht in eine
Routine verfallen darf, sondern immer Neues ausprobieren soll. Das hält den Garten
lebendig. So entscheiden sie von Zeit zu Zeit, welche Themen interessant wären und
holen dann die entsprechenden Spezialisten in den Garten.
Neue Mitglieder gewinnen sie teilweise durch Plakate auf dem ETH Campus, aber
auch durch Mitglieder, die ihre Freunde mitbringen. Durch die lockere Umgebung
fühlen sich alle willkommen. Man kann sich entfalten und hat keine Pflichten, im Gar-
ten mitzuarbeiten. Jedoch nimmt die Werbung stetig ab, da sich der Garten in den
drei Jahren bereits einen Namen gemacht hat.
Yasmine Zweifel 56
Abbildung 19: Pilzzucht in SeedCity
Quelle: Eigene Aufnahmen
Abbildung 20: Federkohl, ein altes Gemüse
3.4.3. Projekt 2: Landhof Basel
In Basel direkt neben dem Messegelände liegt der knapp 1‘000 m2 grosse Gemein-
schaftsgarten Landhof, der nach dem Permakulturprinzip funktioniert. Er wurde im
Jahr 2011 gegründet und ist an den Verein Urban Agriculture Basel angegliedert. Es
existiert eine Zusammenarbeit mit der Stadtgärtnerei, wodurch keine Kosten für
Wasser-, Strom- und Landnutzung entstehen. Das Gebiet ist Allmendfläche10. Zwei
Mal in der Woche findet ein Aktivitätstag statt, an dem jeder und jede vorbeikommen
kann und mitgärtnern darf. Ansonsten ist der Garten 24 Stunden offen und kann im-
mer besucht werden. Es gibt jedes Jahr Frühlings-, Sommer- und Herbstfeste (Frich,
2013).
10
„Eine Allmende ist ein Gemeingut. Hier also eine Fläche, die dem Staat gehört und die alle benüt-zen dürfen. Früher war es üblich, dass jedes Dorf und jede Stadt eine Allmende hatte. Im Englischen wird dafür das Wort Commons verwendet“ (Mattmüller, 2001).
Yasmine Zweifel 57
Abbildung 21: Alternatives Pflanzgefäss
Quelle: Eigene Aufnahmen
Abbildung 22: Ort der Gemeinschaft
Dominique Oser ist Mitinitiatorin des Projekts und leitet jeweils die Aktivitätstage. Sie
beantwortete die Interviewfragen. Hier werden die wichtigsten Antworten aufgeführt.
Nach der Meinung von Oser braucht es mindestens jemanden, der das Projekt be-
gleitet und regelmässig in den Garten geht. Diese Person ist verantwortlich und hat
die Übersicht. Ausserdem sollte sie Grundwissen im Gartenbau besitzen. Ein weite-
rer Punkt ist die Nähe zu Leuten. Der Landhof befindet sich im Innenhof mehrerer
Wohnblocks. Oser sieht darin zwei positive Aspekte. Zum einen ist die Gefahr von
Vandalismus geringer, da immer ein Anwohner oder eine Anwohnerin aus dem Fens-
ter schauen könnte und somit eine soziale Kontrolle besteht. Zum anderen kommen
die Leute eher spontan vorbei, da sie keine weiten Wege zurücklegen müssen. Mit
den zwei Gartennachmittagen pro Woche, die sie auch im Winter immer durchführen,
bieten sie eine gewisse Konstanz und die Leute wissen, wann ein Gartenmitglied
anwesend ist.
Als einen Erfolgsfaktor sieht sie vor allem die Medienpräsenz. Da der Landhof einer
der ersten Gemeinschaftsgärten in der Schweiz war, hatten die Medien ein hohes
Interesse und halfen beim Bekanntmachen des Gartens. Dadurch kommen oft Stu-
dentinnen und Studenten, Leute aus anderen Städten oder sogar dem Ausland vor-
bei, um bei einer Führung dabei zu sein. Durch die Zusammenarbeit mit der Stadt
erhält der Garten ein besseres Ansehen. Dass der Landhof kein Verein ist, sieht
Oser positiv. So entfallen die Verpflichtungen und es entsteht eine Offenheit, in der
jede und jeder willkommen ist.
Die einzige Schwierigkeit über längere Zeit ist die Finanzierung. Im Moment arbeiten
Oser und die anderen Verantwortlichen ehrenamtlich. Obwohl sie von Stiftungen ge-
sponsert werden, ist die Suche nach weiteren Geldern immer ein Thema.
Um die Leute zum Mitmachen zu motivieren, veranstalteten sie ein Eröffnungsfest.
Dazu erhielten alle Anwohnerinnen und Anwohner eine Einladung mit einem Setz-
Yasmine Zweifel 58
ling, den sie im Garten pflanzen durften. Die Medien und Mund-zu-Mund-Propaganda
sind weitere Faktoren, wodurch neue Personen auf den Garten aufmerksam werden.
Abbildung 23: Blick über den Garten
Quelle: Eigene Aufnahmen
Abbildung 24: Kräuterspirale
3.4.4. Projekt 4: Stadiongarten Zürich
Im Jahr 2011 wurde in Zürich auf der brachliegenden Fläche des ehemaligen Hard-
turm Stadions ein Kultur- und Treffpunkt eröffnet. Der Verein Stadionbrache konnte
das drei Hektar grosse Grundstück von der Stadt Zürich zur nichtkommerziellen Zwi-
schennutzung übernehmen. Auf der Stadionbrache gibt es unterschiedliche Projekte,
die jeweils von der Stadt bewilligt werden müssen (www.stadionbrache.ch). Der Ge-
meinschaftsgarten mit dem Namen Stadiongarten ist eines davon. Anfang 2012 be-
gann eine Gruppe von Hobbygärtnerinnen und -gärtnern einen urbanen Garten anzu-
legen. Es stehen etwa 100 Pflanzgefässe auf dem Gelände, die von verschiedenen
Leuten bepflanzt werden. Die Infrastruktur ist vorhanden und regelmässig werden
Workshops organisiert (www.stadiongarten.ch).
Zum Interview hat sich Benedikt Pestalozzi bereit erklärt. Er war bei der Gründung
bereits mit dabei und ist zuständig für den Newsletter und in Zukunft auch für die
Buchhaltung. Ausserdem nimmt er jeweils an den monatlichen Gartenversammlun-
gen teil. Für ihn bedeutet Urban Gardening im Unterschied zum Schrebergarten vor
allem Gemeinschaftsprojekte ohne eine Abtrennung durch Zäune. Wichtig ist immer
der soziale Aspekt, das heisst, der Garten fungiert als Treff- und Austauschpunkt.
Aber auch das Gärtnern als gemeinsame Tätigkeit und das Verständnis für Nachhal-
tigkeit spielen eine Rolle. Diesbezüglich formulierte er die folgenden Sätze:
„Urbane Gärten sind organische Inseln in der Stadt: Grün zwischen Stahl, Beton
und Glas. Sie sind Zeitinseln. Der Rhythmus ist an die Natur gebunden. Die Zeit-
erfahrung hebt sich ab vom pulsierenden stop-and-go der urbanen Lebensweise
von Arbeit-Shopping-Ausgang“ (Pestalozzi, Interview vom 19.12.13).
Yasmine Zweifel 59
Er sieht in Urban Gardening keinen Trend sondern ein Grundbedürfnis des Men-
schen. So sei es teilweise eine „Reaktion auf die Wirtschaftskrise, die Klimaverände-
rung, das Bewusstwerden der sozialen und ökologischen Konsequenzen der globa-
len Lebensmittelindustrie“.
Eine wichtige Voraussetzung sind Leute, die für gepflegte Gärten sorgen. Bei diesem
Projekt gibt es einen Kern von Stammnutzern, die regelmässig erscheinen. Dieser
wächst beständig. Es gibt aber auch Wechsel, da sich einige Menschen nicht be-
wusst sind, was es bedeutet, einen Garten zu pflegen. Auch die Zusammenarbeit
und die Absprache, wer welche Arbeiten übernimmt, sind Voraussetzungen für einen
funktionierenden Gemeinschaftsgarten. Im Stadiongarten wird jeden ersten Sonntag
im Monat eine Versammlung abgehalten, an der neue Inputs und Probleme bespro-
chen werden. Um den Garten interessant und die Gemeinschaft am Leben zu halten,
werden immer wieder kleine Veranstaltungen organisiert. Das können Konzerte,
Frühlingsfeste oder auch gemeinsame Kochanlässe sein.
Den Erfolg des Projekts sieht Pestalozzi im Engagement der Leute und in den güns-
tigen Bedingungen, zu denen das Land genutzt werden kann. Er beschreibt die Stadt
Zürich als sehr offen in dieser Hinsicht. Die Motivation der Gärtnerinnen und Gärtner
zur Mitarbeit liegt in den nicht vorhandenen Freiräumen in urbaner Umgebung. Es
kommen verschiedenste Personen zum Gärtnern:
„Eltern mit Kindern, um Rüebli und Radiesli zu setzen, Schnecken zu lesen und
das Gemüse dann zu ernten. Es kommen aber auch Senioren, um Blumen zu
setzen und die Tage zu geniessen. Es kommen Schulklassen, um im Projektfach
ein Grossbeet zu bepflanzen“ (Pestalozzi, Interview vom 19.12.13).
Die Leute wurden auf den Garten zu Beginn mit Flyern aufmerksam gemacht. Nun
gibt es eine Infotafel auf der Brache sowie einen Newsletter, wo die aktuellen Veran-
staltungen und Workshops publiziert werden. Aber auch die Website und die Face-
book-Gruppe informieren über den Garten.
Abbildung 25: Brotofen und Infotafel Quelle: Eigene Aufnahmen
Abbildung 26: Beete in SBB-Paletten
Yasmine Zweifel 60
3.5. Ergebnisse
Im Folgenden werden die Ergebnisse aus den Interviews mit Befunden aus der Lite-
ratur ergänzt und zusammengefasst. Die induktiv gebildeten Kategorien sind: die
Voraussetzungen, damit ein Gemeinschaftsgarten entstehen kann, die Erfolgsfakto-
ren, um über längere Zeit zu bestehen und die Probleme, die es zu bewältigen gilt.
Diese drei Begriffe sind als Mindmap in Abbildung 27 auf Seite 61 dargestellt. Um die
Begriffe sind die Nennungen der einzelnen Gemeinschaftsgärten gruppiert. Der Le-
gende sind die zugehörigen Farben zu entnehmen. Die Tabelle mit den Daten befin-
det sich in Anhang C. Zudem wurden ähnliche Begriffe in Kreisen zusammengefasst,
damit leichter ersichtlich wird, welche Nennungen häufig vorkamen.
Ein weiteres Interview wurde mit R. Hofstetter durchgeführt. Sie arbeitet bei Grün
Stadt Zürich, der städtischen Dienststelle für alle grünen Stadträume in Zürich. Dort
begleitet sie sämtliche bestehenden Urban Gardening Projekte auf städtischem Bo-
den und ist in der Beratung von neuen Projekten tätig, die von der Bevölkerung initi-
iert werden. Zudem führt sie mit Schulklassen Arbeitseinsätze im Bereich Grünraum-
aufwertung und Umweltbildung durch (Hofstetter, Interview vom 04.03.2014). Auch
dieses Interview wurde im Bezug auf die drei Kategorien ausgewertet und in Abbil-
dung 27 dargestellt.
Yasmine Zweifel 61
Abbildung 27: Kategorien Quelle: Eigene Darstellung
Yasmine Zweifel 62
3.5.1. Voraussetzungen
Bei allen untersuchten Projekten wurde in der einen oder anderen Form das Enga-
gement der Bevölkerung als wichtig empfunden. Das bedeutet, es muss eine Gruppe
von Menschen geben, die etwas verändern möchte. Diese Gruppe muss Zeit inves-
tieren wollen. Eventuell braucht es dazu Leidensdruck. Gehrke meint:
„Demnach bilden die Gärten Räume für kleinteilige und kreative Lösungen der
herrschenden Probleme von der Ebene der Bürger aus“ (Gehrke, 2012a, S. 3)
In der Literatur findet sich häufig der Zusammenhang von Krisen und Urban Garde-
ning. In Zeiten der Not beginnen die Leute wieder vermehrt ihr eigenes Gemüse an-
zubauen. Ein Beispiel dafür ist die Stadt Detroit (siehe Abschnitt 2.2.4). Aber auch in
Griechenland spürt man eine Veränderung seit der Finanzkrise 2010. Die Griechen
bauen wieder vermehrt alte Sorten an, die keinen Kunstdünger oder Pestizide benö-
tigen. Eine Organisation, die für den Erhalt alter Sorten in Griechenland kämpft, fin-
det seither einfacher Freiwillige. Hinzu kommt, dass Leute vermehrt aus existenziel-
len Gründen wieder mit dem Gärtnern beginnen (Dyttrich, 2013). Im Grundlagenwerk
von Smit et al. (2001) findet sich die folgende Aussage:
„Urban farming is often initiated or increased during worsening economic
times, war or other catastrophes that disrupt food supply channels” (Smit, Nasr
& Ratta, 2001, S. 6, Kapitel 3).
Nun herrscht aber in Deutschland und der Schweiz weder Krieg noch eine andere
Katastrophe, die das gesteigerte Interesse an Gemeinschaftsgärten erklären könnte.
Dennoch gibt es auch bei uns Ereignisse, die das Interesse verstärkt auf den Ge-
sundheitsaspekt von Nahrungsmitteln lenken können. Das sind beispielsweise Nah-
rungsmittelskandale oder Lieferengpässe in Supermärkten.
Ein zweiter gemeinsamer wichtiger Punkt aus den Interviews ist die Akzeptanz in der
näheren Umgebung. Diese ist jedoch meist gegeben, da sich viele Anwohner freuen,
wenn aus einem brachliegenden Gelände ein Garten entsteht. „Die Grundvorausset-
zung ist sicherlich, dass es in der Stadt etabliert ist“ (Oser, Interview vom 09.10.13).
Das Internet spielt bei den Projekten immer eine Rolle. Allen gemeinsam sind der
Facebook-Auftritt und die Präsenz im Internet. Alle Projekte führen ihre aktuellen
Veranstaltungen im Netz auf. Auf den Facebook-Seiten erscheinen regelmässig In-
formationen über bevorstehende Ereignisse im Garten. Die meisten Facebook-
Auftritte besitzen sogar eine Rolle darüber hinaus. Es werden allgemeine Informatio-
nen gepostet, wie zum Beispiel ein Hinweis für einen Filmbeitrag von Arte über die
Saatgut-Retter11. Auf den Internetseiten kann man meist über die Geschichte und
andere Fakten der Projekte mehr erfahren. Es wurde jedoch bei keinem Interview
erwähnt, dass der Internetauftritt eine Rolle spielte. Ich schliesse daraus, dass es in
11
„TV-Tipp für morgen: Die Saatgut-Retter. 14. März – 22:00 Uhr auf arte“ (o’planzt is, 13.03.2014).
Yasmine Zweifel 63
der heutigen Zeit selbstverständlich ist, im Netz präsent zu sein.
Christa Müller, die seit 1999 über urbane Gärten forscht, geht deshalb sogar so weit,
das Internet als Ausgangspunkt für die neue Generation der Gärten zu sehen.
„Das ist keine Gegenbewegung, sondern hier wird die Netzwerklogik, die sich
im Internet herausgebildet und geschärft hat, auf die analoge Welt übertragen“
(Müller in Weissmüller, 2011, S. 19).
3.5.2. Erfolgsfaktoren
Die Unverbindlichkeit ist ein entscheidender Faktor, der Gemeinschaftsgärten attrak-
tiv macht. Meist entstehen keine Verpflichtungen. Es gibt aber auch Gartenprojekte,
bei denen man bestimmte Aufgaben oder Bereiche übernehmen muss, beispielswei-
se im Stadiongarten. Normalerweise ist es aber so, dass zusammen ein Garten an-
gelegt wird und alle für alles zuständig sind. Dennoch wurde in den Interviews betont,
dass es eine oder mehrere Personen braucht, die dem Ganzen eine Richtung geben
und alles koordinieren. Diese engagieren sich enorm und arbeiten meist ehrenamt-
lich.
Die Lage spielt ebenfalls eine zentrale Rolle. Kommen neue Menschen laufend am
Gartengelände vorbei, ist es einfacher, die Aufmerksamkeit zu erregen. Unterstüt-
zend kann dabei das Interesse der Medien sein. Um den Garten lebendig zu halten,
helfen verschiedene Veranstaltungen. In den Interviews wurden Frühlingsfeste, Ern-
te-Dankfeiern, gemeinsame Kochtage und vieles mehr genannt. Ausserdem haben
die meisten Gemeinschaftsgärten ein mehr oder weniger regelmässiges Gartentref-
fen, an dem Probleme und neue Ideen besprochen werden können.
Die Website von FoodShare bietet ein Dokument an mit dem Titel What makes for a
successful community garden. Darin findet sich das Hauptargument shared, auf
Deutsch geteilt. Geteilte Leitung, geteilte Arbeit, geteilter Spass, geteilte Kommunika-
tion (www.foodshare.net). Die gemeinschaftliche Tätigkeit ist ein entscheidender
Punkt. In den Interviews kam dies auch zur Sprache. Viele Menschen sehnen sich
nach Gleichgesinnten, wie in Kapitel 2.5 unter Motiven aufgeführt wurde.
Den hauptsächlichen Nutzen sieht auch Hofstetter im sozialen Aspekt, ausserdem
wertet sie den gesundheitlichen und den bildenden Aspekt hoch. Gemeinsame Feste
und Anlässe sieht sie als wichtig an. Um die Bevölkerung zu motivieren, kann eine
Projektgruppe Werbung machen, eine Infoveranstaltung für Anwohner oder Feste
veranstaltet werden. Ihrer Erfahrung nach stossen nach der ersten Saison meist
noch mehr Leute dazu, da sie sehen, was gemacht wird und wie es funktioniert (In-
terview vom 04.03.2014).
Bei einer Umfrage des Bundesamts für Statistik Schweiz über Freiwilligenarbeit wur-
den die Faktoren mit anderen etwas bewegen, mit sympathischen Menschen zu-
sammen kommen, anderen Menschen helfen und ein persönliches Netzwerk pflegen
häufig bis sehr häufig als Motiv angegeben (Bundesamt für Statistik, 2011). Als Bei-
Yasmine Zweifel 64
spiel hier eine Aussage aus dem Interview mit Oser in Basel auf die Frage nach den
Erfolgsfaktoren des Gartens: „Vielleicht kann man sagen, dass viele Leute, die allei-
ne sind, einen Treffpunkt schätzen und hier wieder einen Einstieg ins soziale Leben
finden.“
Hofstetter (Interview vom 04.03.2014) führt als ein weiterer Erfolgsfaktor auf, dass
Projekte zu Ende gedacht werden sollten, bevor man damit beginnt. Das heisst, es
müssen verschiedenste Fragen zu Beginn geklärt werden, wie etwa die längerfristige
Finanzierung oder die Nachfolgeregelung.
3.5.3. Probleme
Das Problem der Finanzierung wird von mehreren Interviewten erwähnt. Zum einen
muss ständig nach neuen Geldquellen gesucht werden, zum anderen arbeiten die
Hauptverantwortlichen meist ehrenamtlich und investieren viel Freizeit. Bei SeedCity
war es so, dass vor allem zu Beginn hohe Kosten angefallen sind und diese von Jahr
zu Jahr gesenkt werden können. Durch Mitgliederbeiträge oder Stiftungen kann man
an weitere Gelder gelangen. In Basel unterstützt die Stadt den Garten substanziell.
Das wäre der Idealfall. Dazu muss die Stadt jedoch durch den Gemeinschaftsgarten
einen Mehrwert erfahren. Hofstetter (Interview vom 04.03.2014) erklärt, dass Projek-
te in Zürich einen Beitrag erhalten, wenn sie einen bildenden Aspekt enthalten und
Interessierte mitwirken können. Es gibt aber auch die Möglichkeit, dass der Garten
enger betreut wird und beim Aufbau stark unterstützt wird. Als Beispiel nennt Hofstet-
ter den Gemeinschaftsgarten Kronenwiese.
Die Behörde ist laut Gehrke (2012a) ein wichtiger Punkt. Wenn sie nicht einsieht,
dass ein Gemeinschaftsgarten eine gute Idee wäre, kommen die Bürgerinnen und
Bürger nicht weiter. Vor allem das Beschaffen einer passenden Fläche wird dann
zum Problem. Möglicherweise resignieren die Initianten sogar.
Ein weiteres zentrales Problem ist die Gewinnung von neuen Mitgliedern, die nach
kurzer Zeit nicht mehr dabei sein wollen. Es gibt Leute, die kommen vorbei, da es
gerade ein Trend ist. Sie merken aber schnell, dass ihnen das Gärtnern nicht zusagt.
Schuld an diesem Problem ist die offene Struktur der Gärten. Einerseits ist diese er-
wünscht, da die Verpflichtungen wegfallen, es kann aber sein, dass sich dadurch
niemand verantwortlich fühlt und nur wenige Personen grosse Teile der Arbeit über-
nehmen (Gehrke, 2012a). Dem Problem des Mitgliederverlusts nach der ersten en-
gagierten Generation könnte möglicherweise entgegengewirkt werden, indem man
die Tätigkeit klarer als ehrenamtliches Engagement ausweist und die Gemeinde die-
ses auch würdigt.
Probleme in der Kategorie Gemeinschaft nach Madlener (2009) sind Vandalismus,
Nachbarn, die wegen Lärm klagen, und Vermüllung des Geländes. Ein Gärtner be-
richtet von seiner Erfahrung, dass die Vermüllung grösser sei, wenn man die Türe
zum Garten abschliesst. Madlener kommentiert das und vermutet den Reiz des Ver-
botenen als Ursache.
Yasmine Zweifel 65
Gehrke (2012a) sieht das Hauptproblem darin, dass es keine oder zu wenig Vernet-
zungsmöglichkeit gibt. Denn die aktiven Gärtnerinnen und Gärtner haben wenig Zeit,
sich für ihre Interessen einzusetzen und sich mit anderen Gartenprojekten zu vernet-
zen. Voraussetzung für das Profitieren von Vernetzungen mit anderen ist, dass die
Gärten eine rechtliche Grundlage haben und wissen, an wen sie sich bei den Behör-
den wenden können.
Hofstetter (Interview vom 04.03.2014) führt noch das Problem der Bodenbelastung
auf, weil dann neue Erde herangebracht werden muss. Dadurch fallen wieder Trans-
portwege an, wodurch Schadstoffausstoss die Umwelt belastet. Oder aber man be-
merkt nicht, dass die Erde, die Luft oder das Wasser belastet ist und isst die schädli-
chen Nahrungsmittel.
3.6. Idealtypischer Aufbau eines Gemeinschaftsgartens
Rosol (2006) untersuchte verschiedene Gemeinschaftsgärten in Berlin und leitete
daraus Empfehlungen für die Praxis ab, wie ein solches Projekt aufgebaut werden
kann. Sie unterscheidet dabei Primär- und Sekundärakteurinnen und –akteure. Ers-
teres sind die ehrenamtlich aktiven Personen und Letzteres die initiierenden Perso-
nen, die selbst nicht im Garten mitarbeiten, mit dem Projekt dennoch in Kontakt sind.
Für Primärakteurinnen und –akteure stellt Rosol sieben Checklisten zusammen, die
den Aufbau eines Gemeinschaftsgartens erleichtern sollen. Die Themen sind Kon-
zept, Grundstück und Fläche, Finanzen, Infrastruktur/Ausstattung, Beratung, Ab-
stimmung und notwendige Arbeiten.
Die verlangten Fähigkeiten dieser Personen lassen sich in drei Bereiche teilen:
1. Gärtnerisch-körperlich
2. Konzeptionell-organisatorisch
3. Sozial-kommunikativ
Zudem ist Ausdauer, Optimismus und ein positiver Umgang mit den Behörden von
Vorteil. All dies basiert auf einer hohen Motivation bezüglich des Projekts.
In England existiert der Verband Federation of City Farms and Community Gardens.
Sein Ziel ist es, die lokale Bevölkerung im Aufbau und Unterhalt eines Gemein-
schaftsgartens zu unterstützen. Dazu gibt es unterschiedliche Broschüren. Im Start
Pack werden verschiedene Fragen geklärt. Einige Beispiele:
1. Wie starten wir?
2. Wie finden wir einen geeigneten Platz?
3. Wie machen wir unser Projekt publik?
4. Wie finanzieren wir den Garten?
Die Fragen werden ausführlich beantwortet und es wird auf unterstützende Organisa-
tionen und Netzwerke hingewiesen (www.farmgarden.org.uk).
Yasmine Zweifel 66
Anstiftung & Ertomis ist eine Stiftungsgemeinschaft, die nachhaltige Lebensformen
erforscht und fördert. Wissenschaftliche Arbeit, Förderung und Entwicklung von ex-
emplarischen Projekten, Bildung und Öffentlichkeitsarbeit gehören zu ihren Aufga-
ben. Auf der Website steht folgender Satz:
„Urbane Landwirtschaft ist ein wichtiges Handlungsfeld, um Beiträge für eine öko-
logisch und sozial verträgliche Ökonomie und Gesellschaft zu leisten. Deshalb
vernetzt, fördert und erforscht die Stiftungsgemeinschaft anstiftung & ertomis die
vielfältigen Formen des gemeinschaftlichen Gärtnerns und andere Praxen des
Selbermachens. Sie bringt innovative Akteure zusammen und kooperiert mit ih-
nen, z.B. in Beratungsnetzwerken und bei jährlichen Konferenzen und Camps“
(www.anstiftung-ertomis.de/urbane-gaerten).
Es finden sich online verschiedene Praxisblätter, die beim Aufbau eines Gemein-
schaftsgartens hilfreich sein können. Der Aufbau wird in acht Schritte unterteilt. Zu-
erst sollen Mitstreiter und Mitstreiterinnen gefunden werden, dann eine Koordination
festgelegt, ein Grundstück gesucht, die Finanzierung gesichert, weitere Finanzie-
rungsmöglichkeiten gesucht, die Organisationsform festgelegt, die Spielregeln aufge-
stellt und als Letztes noch die Öffentlichkeitsarbeit geplant werden (www.anstiftung-
ertomis.de).
FoodShare, eine Organisation in Toronto, stellt ebenfalls verschiedene Dokumente
zur Verfügung, die als Hilfe für neue Gemeinschaftsgärten dienen sollen. Unter ande-
rem einen Zehn-Schritte-Plan, wie ein Gemeinschaftsgarten aufgebaut werden soll
(siehe Anhang B) oder auch wie man Saatgut selbst gewinnen kann
(www.foodshare.ch).
3.7. Fazit
Die Frage dieses Kapitels war, welche Planung und welche Massnahmen es braucht,
damit der Urban Gardening Trend langfristig gefördert werden kann. Gemeinschafts-
gärten erweisen sich als ideales Mittel. Doch einen solchen aufzubauen erfordert ei-
niges an Planung. Dabei haben sich die folgenden Punkte als zentral erwiesen.
Es braucht:
1. eine kleine Startgruppe von Leuten, die die Initiative ergreifen.
2. ein Stück verfügbares Land, das (kostenlos) genutzt werden kann oder von
der Stadt zur Verfügung gestellt wird. Die Lage sollte sonnig und gut erreich-
bar sein.
3. eine Finanzierung durch die Stadtverwaltung, eine Stiftung oder Sponsoren
mindestens für die Kosten der Anfangsphase.
4. ein Auftritt im Internet, beispielsweise durch eine informierende Facebook-
Seite.
5. Werbung durch die Medien und an öffentlichen Orten.
Yasmine Zweifel 67
6. laufend neue Veranstaltungen, die das Projekt lebendig halten.
Die ersten beiden Punkte sind unabdingbar. Die Finanzierung kann jedoch auch
durch Private getragen werden. Der Internetauftritt ist ebenfalls nicht zwingend, da es
andere Wege wie Zeitungsinserate gibt, um Menschen zu informieren. Wenn die Ini-
tiantengruppe hingegen das Interesse verliert und niemand die Leitung übernimmt,
wird das Projekt zwangsläufig scheitern. Ein anderes Hindernis ist, wenn der vorhan-
dene Platz geräumt werden muss, etwa weil eine Brache wieder bebaut wird. Jedoch
kann diesem Hindernis mit einem mobilen Garten begegnet werden.
Mit einer klaren Struktur und Organisation kann vielen Problemen aus dem Weg ge-
gangen werden. So gründet man am besten zu Beginn einen Verein und bestimmt,
ob man im Garten Mitglied sein muss oder ob die Vereinsgründung nur der Verwal-
tung dient. Viele funktionierende Gärten haben ein Konzept aufgestellt. Darin werden
unter anderem die Ziele, die Organisation, die Finanzierung, die Aktivitäten und viel-
leicht ein grober Zeitplan festgehalten. Ausserdem sollten die Regeln im Garten
sichtbar gemacht werden.
Wichtig ist, die Stadt- oder die Gemeindeverwaltung in das Projekt zu integrieren. Es
gibt allerdings in den Schweizer Städten selten zuständige Stellen, an die man sich
wenden kann. Zürich und Basel zum Beispiel haben den Mehrwert eines Gemein-
schaftsgartens erkannt und sind mit dem Prozess der Entstehung bereits vertraut.
Die Vernetzung unter den verschiedenen Gartenprojekten ist ebenfalls von Vorteil.
So kann von anderen gelernt werden, und bei Fragen und Problemen ist Unterstüt-
zung sicher. In der Schweiz gibt es noch kein offizielles Netzwerk, das die Gemein-
schaftsgärten verbindet und unterstützt. Die Seite www.interkulturelle-gaerten.ch
funktioniert bereits in diese Richtung. Sie ist jedoch verstärkt auf den sozialen Pro-
zess und das Integrieren von Flüchtlingen und Migranten angelegt. Zudem sind eini-
ge Informationen nicht mehr aktuell. Die Seite könnte mit wenigen Veränderungen
als eine Austauschplattform fungieren, auf der zum Beispiel ein Forum eingerichtet
wird. In Deutschland gibt es die Plattform www.urbanacker.net und das Urban Gar-
dening Portal www.gartenpiraten.net, die als Vorbild dienen können.
Im folgenden Kapitel werden die Erkenntnisse auf die Stadt St.Gallen übertragen und
in einem Testprojekt angewandt. Zudem werden bestehende und vergangene Pro-
jekte untersucht.
Yasmine Zweifel 68
4. Urban Gardening in St.Gallen
Nach der räumlichen Diffusionstheorie (siehe Kapitel 2.1) werden neue Ideen verbrei-
tet, in dem sie sich radial um grösserer Zentren ausbreiten und in dem sie von den
grösseren in kleinere Zentren überspringen. Dies kann beispielsweise geschehen,
indem jemand von St.Gallen in Basel den Landhof besucht und die Idee so gut fin-
det, dass diese Person etwas Ähnliches in St.Gallen beginnen möchte.
In der Ostschweiz dauert es ein bisschen länger, bis die Trends aus der Welt an-
kommen. Einzelne Versuche gibt es aber bereits, der Urban Gardening Bewegung
einen Platz in der Stadt zu geben. Im Oktober 2013 publizierte die Stadt St.Gallen
ein Merkblatt, das zu einem eigenen Gartenprojekt anregen soll (Stadt St. Gallen,
2013). Im Jahr 2012 initiierte die Bewegung Occupy St.Gallen das Projekt Dort
Pflanzen wo man isst. Es gab an der OLMA Vorträge zum Thema nachhaltige Le-
bensmittelproduktion und eine Kiste mit Erde wurde bepflanzt. Diese sollte einen fes-
ten Platz im Stadtpark erhalten. Im Frühling 2013 stand die Kiste noch dort, jedoch
ohne Bepflanzung. Kurz darauf war sie nicht mehr vorhanden. Auf Nachfragen bei
der Organisation kamen keine Antworten. Doch es gibt bestehende Projekte in
St.Gallen, die sich mit Urban Gardening beschäftigen, wie etwa die Gärten des
Evangelischen Hilfswerks Schweiz.
4.1. Methode
Mit halbstandardisierten Interviews werden verschiedene Amtsinhaber von St.Gallen
befragt. Darin geht es vor allem darum, Antworten auf die sechs Punkte von Kapitel
3.7 im Bezug auf St.Gallen zu finden. Über die früheren und auch die heutigen Pro-
jekte werden mit Hilfe von Internet, Telefonaten, Berichten und Besuchen recher-
chiert. Ausserdem wird mit einem kleinen Testprojekt die Haltung einiger Städterin-
nen und Städter im Bezug auf Gemüseanbau in der Stadt ergründet. Dazu dient ein
Fragebogen. Mit Parteimitgliedern der Grünliberalen und der Jungen Grünen wird
ebenfalls das Gespräch gesucht, um zu erfahren, ob eine Zusammenarbeit denkbar
wäre.
4.2. Bestehende Gartenprojekte
4.2.1. Neue Gärten Ostschweiz
Das Hilfswerk der evangelischen Kirchen Schweiz, genannt HEKS, initiierte vor zwei
Jahren in St.Gallen ein Projekt zur Integration von Migrantinnen und Migranten. Es
nennt sich Neue Gärten Ostschweiz. Im Tätigkeitsbericht des Jahres 2012 wird das
Projekt beschrieben, die Zielerreichung diskutiert und die Weiterführung des Projekts
erläutert. Die gemeinsame Begrünung einer Gartenparzelle soll die Migrantinnen und
Migranten in St.Gallen besser integrieren. Die Kirchgemeinde Straubenzell stellte
ihnen ein 150 m2 grosses Gartenareal zu Verfügung. Durch den deutschen Sprach-
Yasmine Zweifel 69
gebrauch und den Austausch mit anderen Personen wird ein Schwerpunkt auf die
soziale Integration gelegt. Monatliche thematische Inputs zu gärtnerischen Themen
sollen die Teilnehmenden im nötigen Wissen stärken. Die Schwierigkeit lag in der
Suche von Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Es meldeten sich für die erste Saison
im Jahr 2012 nur vier Personen. Parallel dazu gibt es ein Projekt in Arbon, bei dem in
der Saison 2012 auf dem Familiengartenareal zwei Parzellen durch zwölf Erwachse-
ne aus drei verschiedenen Ländern bepflanzt wurden (Thoma, 2013a).
Im Bericht über die zweite Saison wurde in St.Gallen eine Zunahme des Interessens
festgestellt. Im Jahr 2013 nahmen drei Familien und zwei Einzelpersonen regelmäs-
sig an den Treffen teil. Ausserdem konnte mit Rorschach ein dritter Standort aufge-
baut werden. Das Ziel, die Gärten biologisch zu bewirtschaften, wurde nur teilweise
erreicht, da es schwierig war, den Leuten die Methoden zu vermitteln. Sie entschie-
den sich häufig lieber für den einfacheren Weg mit Chemie. Mitsprache und Empo-
werment12 sind wichtige Ziele, die erreicht wurden, hauptsächlich durch ein Garten-
fest und die wöchentlichen Gartentreffen. Das Projekt wird auch in der Saison 2014
weitergeführt, sogar mit einer Mitarbeitenden im Garten, die zu 30 Prozent angestellt
ist (Thoma, 2013b).
4.2.2. Kinderlokal TiRumpel
Das Kinderlokal TiRumpel wurde im Jahr 2010 von Eva Helg als Verein gegründet.
Im Westen der Stadt St.Gallen, im Lachenquartier, gab es damals einen leer stehen-
den Raum. Kinder im Alter von vier bis zwölf Jahren können dort jeweils gratis den
Mittwochnachmittag verbringen. Sie spielen und basteln zusammen (Kalberer, 2011).
Christina Ammann bemerkte im Frühjahr 2013, dass die Kinder in verschiedenen
kleinen Gefässen auf Fenstersimsen und anderen Nischen mit Freude Pflanzen an-
säten. Bald war das ganze Lokal voll mit Setzlingen. Die Kinder pflanzten nicht nur
Blumen sondern auch Gemüse an. Da der angrenzende Werkhof vorübergehend
geschlossen ist, durfte der Platz genutzt werden, um die Pflanzen nach draussen zu
setzen. Dazu wurden in Faltrahmen zwei kleine Beete angelegt. Zuunterst legten sie
Äste hinein, darauf kamen Jutesäcke und dann wurde mit Erde vom Gartenbauamt
St.Gallen aufgefüllt. Das Gemüse gedieh sehr gut, da regelmässig immer am Mitt-
woch gegossen wurde. Die Kinder haben das Projekt sehr genossen, weshalb das
Projekt in der Saison 2014 weitergeführt wurde. Zu den zwei vorhandenen Beeten
kamen nochmals fünf dazu. Diese wurden vom Gartenbauamt zur Verfügung gestellt,
wie auch die benötigte Erde. Angebaut wurden Pflanzen wie Tomaten, Kräuter, Sala-
te, Radieschen, Karotten, Beeren und Kohlrabi. Durch den eher schattigen Standort
und den nicht sehr warmen Sommer hatten es die Pflanzen jedoch schwer. Das ern-
12
„Die Praxis des Empowerment (= Selbstbefähigung, Stärkung von Autonomie und Eigenmacht) unterstützt Menschen bei ihrer Suche nach Selbstbestimmung und autonomer Lebensregie und liefert ihnen Ressourcen, mit deren Hilfe sie die eigenen Lebenswege und Lebensräume eigenbestimmt gestalten können“ (www.empowerment.de).
Yasmine Zweifel 70
tefrische Gemüse wird direkt für die Zwischenverpflegung der Kinder genutzt. Ziel
des kleinen Gartens ist es, ein Generationenprojekt zu machen, bei dem die Nach-
barschaft miteinbezogen wird. Dazu soll eine Brache genutzt werden, wo das Projekt
dann längerfristig bleiben könnte. Bereits während dem aktuellen Gartenjahr wurde
versucht, die Nachbarschaft zum Mitmachen zu bewegen. Ein Informationszettel an
einem der Beete fordert die Menschen auf, mitzugärtnern und vorbeizuschauen. Dies
erwies sich jedoch noch als schwierig.
Abbildung 28: Beete des Kinderlokals TiRumpel Quelle: Eigene Aufnahme
4.2.3. Merkblatt der Stadt St.Gallen
Im Herbst 2013 brachte die Stadt St.Gallen ein Merkblatt mit dem Titel Natur findet
Stadt – Gärtnern in der Stadt heraus. Eingerahmt steht folgender Satz:
„Dieses Merkblatt möchte Mut machen, eigene Gartenträume zu realisieren
und nennt die wichtigsten Voraussetzungen für erfolgreiches Gärtnern“ (Stadt
St. Gallen, 2013).
Involviert war die Stadt St.Gallen, das Amt für Umwelt und Energie, das Gartenbau-
amt und das Stadtplanungsamt. Es liegt nahe, das Merkblatt auf die in Kapitel 3 ge-
fundenen Punkte zu untersuchen. Zu Punkt eins, der Startgruppe, wird empfohlen,
sich in einer Gruppe zu organisieren, damit die Organisation auf mehrere Personen
verteilt werden kann. Es wird geraten, sich mit anderen Projekten zu vernetzen.
Als verfügbares Land werden sowohl private Balkons, Hinterhöfe, Treppenhäuser
und Fenstersimse als auch Flachdächer, ungenutzte und steril gepflegte Grünflächen
bei Mehrfamilienhäusern, Brachflächen und Parkplätze vorgeschlagen. Es folgt der
Hinweis, dass man sich auch nicht vor einem zeitlich begrenzt verfügbaren Ort ab-
schrecken lassen soll, da man leicht einen mobilen Garten (siehe Kapitel 2.3.4) auf-
bauen kann. Zur Finanzierung und der Öffentlichkeitsarbeit wird nichts geschrieben,
Yasmine Zweifel 71
da es sich hier anscheinend eher um kleinere Projekte handelt.
Positive Aspekte, die aufgeführt werden, sind die Integration, der soziale Kontakt,
Einblicke in die Zusammenhänge der Natur. Aber auch der ökologische Nutzen, dass
lange Transportwege wegfallen, wird genannt.
4.2.4. Siedlung Remishueb
In der Siedlung Remishueb, im Osten der Stadt, werden zwischen Wohnblöcken von
den Bewohnerinnen und Bewohnern Beeren, Gemüse und Obst angebaut. Auf
Nachfrage bei der Leitung der Genossenschaft Habilon erklärte G. Göbel-Keller,
dass die Siedlung aus fünf Genossenschaften besteht, die unterschiedlich organisiert
sind im Bezug auf die Gärten. Angebaut wird aber überall etwas. Teilweise werden
Parzellen an die Stockwerkeigentümer vermietet oder es wird nach Bedarf in der
unmittelbaren Umgebung der Wohnblöcke ein Garten angelegt. Bei einer anderen
Genossenschaft ist ein eigener Garten automatisch mit dabei, wenn man eine Woh-
nung kauft. Viele der Bewohnerinnen und Bewohner der Remishueb sind interessiert
am Eigenanbau von Obst und Gemüse (Göbel-Keller, Gespräch vom 19.08.14).
4.2.5. Wiborada Gartenweiber
In St. Georgen bewirtschaften drei Frauen den ehemaligen Klostergarten der katholi-
schen Kirche. Im Jahr 2011, als sieben Frauen sich zum ersten Mal trafen, war nur
eine grosse Wiese vorhanden. Mit viel harter Arbeit verwandelten sie die Hälfte die-
ser Wiese in einen blühenden Garten. Sie pflegen ihn im Sinne der Tradition von
Klostergärten und pflanzen Gemüse, Kräuter, Blumen und Beeren an. Es finden sich
viele Sorten von ProSpecieRara, aber auch geschenkte Pflanzen. In der Saison 2014
sind sie nun noch zu dritt und wünschen sich wieder mehr Mitglieder, die helfen, den
restlichen Garten urbar zu machen. Sie vernetzen sich mit anderen Projekten und
teilen sich die Arbeit auf. Ihr Wunsch ist es, eine grosse Gruppe von Frauen zu sein,
so dass wenig Verantwortung bei Einzelnen liegt. Ausserdem ist ihnen das Gemein-
schaftliche wichtig (M. Lutz, Gespräch vom 07.08.2014).
Abbildung 29: Klostergarten in St. Geogen
Quelle: Eigene Aufnahmen
Yasmine Zweifel 72
Obwohl der Garten nicht direkt in einer urbanen Umgebung liegt, scheint die Idee
den urbanen Gemeinschaftsgärten sehr ähnlich zu sein.
4.2.6. Familiengärten
Die Situation in den Schrebergärten von St.Gallen hat sich in den letzten Jahren ein
wenig verändert. Niklaus Lötscher, Präsident der Familiengärten St.Gallen, meldet,
dass sich in den letzten zwei bis drei Jahren vermehrt Familien für eine Parzelle an-
gemeldet haben. Er bemerkt, dass das Interesse von Migrantinnen und Migranten an
den Gartenparzellen wesentlich höher ist als dasjenige von Einheimischen. Die Al-
tersverteilung der Jahre 2003/04 und 2012 sind in Abbildung 30 dargestellt. Es ist
sichtbar, dass es 2012 mehr Personen unter 40 Jahren hatte als in den Jahren
2003/04. Aber auch die über 70-jährigen Personen sind im Jahr 2012 stärker vertre-
ten. Die Gesamtzahl blieb ungefähr die gleiche, nämlich etwa 1‘000 Personen.
Abbildung 30: Altersverteilung in den Schrebergärten von St.Gallen
Daten: Niklaus Lötscher, Präsidenten der Familiengärten St.Gallen
Als Erklärung für das hohe Interesse von Migrantinnen und Migranten an einer Par-
zelle können zwei Ansätze dienen. Der erste ist, dass sie häufig weniger verdienen
und sich somit nur kleinere Wohnungen leisten können. Sie benutzen den Garten als
ihr zweites Wohnzimmer. Es ist mir aufgefallen, dass die Migrantinnen und Migranten
häufiger in Gesellschaften im Garten sitzen und oftmals etwas grillieren, während die
Einheimischen eher nur zum Arbeiten in den Gärten sind. Der zweite Erklärungsan-
satz ist, dass in den Herkunftsländern der Migrantinnen und Migranten das Gärtnern
immer noch eine grössere Tradition hat und es auch mehr Beschäftigte im Primär-
sektor, sprich der Landwirtschaft, gibt.
0
50
100
150
200
250
300
350
Unter 40 J. 40-50 J. 50-60 J. 60-70 J. Über 70 J.
2003/04
2012
Yasmine Zweifel 73
4.3. Testprojekt
Um das Interesse der städtischen Bevölkerung von St.Gallen an Urban Gardening zu
testen, führte ich selbst ein kleines Projekt durch. Es fand während der Gartensaison
2014 statt. Für das Vorgehen orientierte ich mich an den Punkten, die in Kapitel 3
ermittelt wurden, was entscheidend für einen Gemeinschaftsgarten ist. Daraus habe
ich folgende fünf Schritte abgeleitet, die für dieses Kurzprojekt nötig sind.
1. Platz: Das Grundstück musste zentral gelegen sein, das heisst in St.Gallen am
besten in der Altstadt. Gleich hinter dem Bohl befindet sich an der Katharinen-
gasse 12 ein genossenschaftlich betriebenes Biogeschäft mit dem Namen Stadt-
laden (www.stadtladen.ch). Die sechs Betreiberinnen und Betreiber des Ge-
schäfts haben eingewilligt, dass ich auf ihrem Vorplatz mein Projekt durchführen
durfte. Die Fläche ist öffentlich zugänglich und es kommen viele Passanten vor-
bei, die im Geschäft einkaufen wollen. Zu beachten ist, dass genügend Sonne an
den Ort kommt. Ausserdem sollte man einen Zugang zu Wasser haben. Diese
Kriterien erfüllte der gewählte Standort. Ein mögliches Problem könnten am Wo-
chenende die nächtlichen Partygänger sein. Spycher, eine der Betreiberinnen
des Stadtladens, hat mich gewarnt, dass es Beschädigungen und Diebstähle ge-
ben könnte. Leider würde die Wand vor dem Stadtladen immer wieder als öffent-
liche Toilette benutzt. Um dies zu umgehen, hatte ich meine Gefässe auf einem
Tisch installiert und versucht, sie ordentlich und gepflegt wirken zu lassen.
Abbildung 31: Ort des Projekts, Katharinengasse 12
Quelle: www.google.ch/maps (30.07.2014)
2. Koordination: Bei diesem Kleinprojekt übernahm ich die Hauptleitung und war die
Ansprechperson. Ich setzte ein Datum, an dem ich die Pflanzgefässe installieren
wollte. Das war der 20. März 2014.
Yasmine Zweifel 74
Abbildung 32: Aufbauen der Pflanzgefässe
Quelle: Eigene Aufnahmen
An diesem Tag setzten ein Freund und ich bereits einige Samen in die Töpfe.
Damit die anderen Leute wissen, was bereits gesetzt wurde, klebten wir Beschrif-
tungen auf die Eimer. Es könnte dennoch Probleme damit geben, dass man nicht
weiss, wo bereits etwas in der Erde steckt. Sobald die Keime aus der Erde kom-
men, wird es eindeutiger. Die verwendete Erde hat Bio-Qualiät und enthält kei-
nen Torf.
3. Finanzierung: Für die Finanzierung habe ich mich an die Migros gewandt. Benö-
tigt wurden Erde, Pflanzgefässe, Saatgut oder Setzlinge und eine Giesskanne.
Die Pflanzen und die Erde sollten biologisch sein. Die Migros schickte nach einer
Anfrage einen Gutschein von 50.- CHF für Do it + Garden. Der Betrieb Sativa
Rheinau betreibt eine Saatgutproduktion, die sowohl gentechnikfrei als auch bio-
logisch ist. Das Ziel ist eine eigenständige Versorgung der biologischen Landwirt-
schaft und des biologischen Gemüseanbaus sicherzustellen (www.sativa-
rheinau.ch). Teilweise sind die Richtlinien noch strenger als beim Bio-Gütesiegel,
das nennt sich dann Demeter13. Einige Samen sind Sorten von ProSpecieRara
(siehe Kapitel 2.4.1). Sativa Rheinau sponserte das Testprojekt mit fünf verschie-
denen Saatgutpäckchen. Ein weiterer Sponsor war der asiatische Supermarkt
Asiaway an der Langgasse, der dem Projekt einen leeren Reissack geschenkt
hat. Im Prinzessinnengarten in Berlin wird verschiedenes Gemüse, vor allem aber
Kartoffeln, in solch lebensmittelechten Reissäcken angebaut. Diese sind luft- und
wasserdurchlässig, wodurch sie sich hervorragend als Pflanzbehälter eignen.
4. Medien: Um auf das Projekt aufmerksam zu machen, habe ich das Medium Fa-
cebook gewählt und mit Mund-zu-Mund-Propaganda dafür geworben. Auf Face-
book erstellte ich dazu die Gruppe Urban Gardening St.Gallen. Dort wurden die
wichtigsten Neuigkeiten und Fotos hochgeladen.
13
Mehr Informationen zu Demeter unter www.demeter.de oder www.demeter.ch
Yasmine Zweifel 75
5. Information: Die Öffentlichkeitsarbeit nimmt bei urbanen Gartenprojekten einen
grossen Teil ein. Bei diesem Testprojekt war das Ziel, eine Resonanz aus der Be-
völkerung von St.Gallen zu erhalten. Zu diesem Zweck habe ich vor Ort einen In-
formationszettel aufgehängt (siehe Anhang 0). Darauf befindet sich der Hinweis,
dass Rückmeldungen erwünscht sind. Mit Stift und Papier konnte dies gleich vor
Ort gemacht werden, indem der ebenfalls im Anhang enthaltene Fragebogen
auszufüllen war. Wer mehr Informationen zu Urban Gardening oder zum Projekt
wünschte, durfte sich per E-Mail bei mir melden. Ausserdem fand sich der Frage-
bogen auch online auf der Facebook-Seite verlinkt.
Abbildung 33: Ausschnitt der Facebook-Seite
Quelle: www.facebook.com/pages/Urban-Gardening-St-Gallen/636546199756384?ref_type=bookmark
(30.07.2014)
Beim Projekt sind kleinere Probleme aufgetreten. Das erste war, dass der aufge-
hängte Informationszettel vom Schnee aufgeweicht wurde. Dieses Problem konnte
durch eine bessere Laminierung behoben werden. Dann fanden die Betreiberinnen
und Betreiber des Stadtladens, dass es noch zu lange dauern wird, bis etwas Grünes
in den Töpfen zu sehen sein würde. Deshalb wurden die Kübel und die Tasche ein
wenig versteckt auf die Treppe gestellt. Weiter war es ein Problem, dass der Frage-
bogen von sehr wenigen Personen ausgefüllt wurde, weshalb ich ihn dann auch onli-
ne zu Verfügung stellte. So kamen dann immerhin zehn ausgefüllte Bogen zusam-
men.
Aus diesen Problemen kann für zukünftige Projekte gelernt werden. Es ist besser, zu
Beginn nicht nur Saatgut zu säen, sondern bereits kleine Setzlinge oder Kräuter zu
pflanzen, damit die Beete nicht leer aussehen. Zudem ist eine gute Beschriftung, die
wetterfest ist, unerlässlich. Damit erleichtert man allen gärtnernden Personen, sich
zurechtzufinden, was bereits in den Beeten angepflanzt wurde. Dazu eignen sich gut
Yasmine Zweifel 76
im Handel erhältliche Pflanzschilder aus Plastik, die mit wasserfestem Filzstift be-
schriftet werden (siehe Abbildung 34). Direkt beim Projekt sollten wichtige Informati-
onen und Kontaktmöglichkeiten angeschlagen sein.
Positiv war, dass die Eimer und die Tasche nicht, wie zu Beginn von einer Betreiberin
des Stadtladens vermutet, verwüstet wurden. Ausserdem haben diverse Personen
ebenfalls etwas eingepflanzt. Zu Beginn habe ich Schabzigerklee, Spinat, Endivie
und rote Gartenmelde gesät. Nach einiger Zeit fanden sich in den Töpfen und der
Tasche ausserdem Mohnblumen, Weizengras und Minze. Ob auch jemand sich zu
ernten getraut hat, war nicht festzustellen.
Abbildung 34: Zwischenstand des Projektes im Mai
Quelle: Eigene Aufnahmen
Erfahrungen aus dem Projekt und dem Fragebogen zeigen, dass in St.Gallen durch-
aus Interesse an solchen Projekten herrscht. Es haben sich insgesamt zehn Perso-
nen gemeldet und angekreuzt, dass sie bei einem allfälligen Gemeinschaftsgarten-
projekt mitarbeiten würden. Die Idee, Nahrungsmittel in der Stadt anzubauen stiess
nur auf positives Feedback.
Der Medieneinsatz meinerseits hätte noch grösser sein können. Vielleicht indem ich
mich an verschiedene Vereine und Gruppen gewandt hätte mit dem Informationszet-
tel. So war das erreichte Publikum eingeschränkt auf die Personen, die den Stadtla-
den besuchten oder die mit mir auf Facebook befreundet waren. Auch die in Kapitel
3 vorgeschlagenen Veranstaltungen wurden bei diesem Projekt nicht mit einbezo-
gen. Überraschend war, wie einfach Sponsoren zu finden waren. Alle drei angefrag-
ten Betriebe waren bereit, etwas Kleines zum Projekt beizutragen. Für zukünftige
Urban Gardening Projekte in einem grösseren Rahmen soll unbedingt mit Offenheit
auf Leute zugegangen werden. Das hat sich bei diesem Testprojekt bewährt. Wenn
man den Leuten die Idee erklärt und sie um Hilfe bittet, bekommt man sie meistens.
Wie wichtig die Standortwahl ist, zeigte sich an den wenigen ausgefüllten Fragebo-
gen. Man kann durch den Standort ziemlich gut steuern, wer das Projekt bemerken
soll. Je mehr verschiedene Menschen vorbeikommen, desto durchmischter wird das
Publikum. Das kann sowohl von den Generationen als auch von der Kultur her span-
nend sein. Es macht genau den Aspekt von Urban Gardening aus, dass verschiede-
ne Menschen aufeinander treffen, die alle durch das Interesse am Thema Garten
Yasmine Zweifel 77
verbunden sind, ansonsten aber viel voneinander lernen können. Ende Juni wurde
das Projekt beendet, da über die Sommerferien weniger Personen anwesend sein
werden und die wichtigsten Erfahrungen gesammelt waren. Eine Tasche konnte an
jemanden verschenkt werden, der sie auf seinem Balkon aufstellte. Die restlichen
Töpfe kamen in meinen eigenen Schrebergarten.
Abbildung 35: Bepflanzung am Ende des Projekts im Juni 2014
Quelle: Eigene Aufnahmen
Auf die Frage nach konkreten Projektideen im Fragebogen kamen verschiedene
Antworten: Auf den Dächern des OLMA-Messen Areals, Gemüseabos im Sinne von
Ortoloco in Dietikon14, öffentliche Plätze mit Gemüse anstatt Blumen zu bepflanzen,
einen Verein gründen, den Kreuzbleichepark bepflanzen oder alte Kultursorten
verbreiten. Nur schon mit dieser kleinen Anzahl an Rückmeldungen kamen viele
Ideen zusammen. Bei einem Gemeinschaftsgartenprojekt, das folgen könnte, muss
diese Art des Brainstormings unbedingt von Beginn an einbezogen werden. Denn
Ideen sind in den Köpfen der St.Gallerinnen und St.Galler vorhanden.
Kurz nach Projektende meldete sich eine Journalistin, um einen Artikel zu Urban
Gardening in St.Gallen zu schreiben (siehe Anhang G). Wäre dieser schon früher
erschienen, hätten sich vielleicht noch mehr Interessierte das Testprojekt ange-
schaut.
4.4. Empfehlung für St.Gallen und Fazit
Im Folgenden wird bezogen auf die Stadt St.Gallen ausgeführt, was für Möglichkeiten
bestehen, urbane Gartenprojekte aufzubauen und wo Unterstützung zu finden ist.
Bei den Empfehlungen ist der Aufbau wieder in die sechs Kriterien aus Kapitel 3 un-
terteilt.
14
„Die Genossenschaft ortoloco pachtet vom Limmattaler Biohof "Im Fondli" 1.4 Hektaren Ackerland und baut unter der Anleitung von fest angestellten GärtnerInnen über 60 Gemüsesorten an. Das Ge-müse wird wöchentlich von den Beteiligten geerntet, verteilt und konsumiert“ www.ortoloco.ch.
Yasmine Zweifel 78
1. Initiantengruppe
Das Wichtigste scheint, dass die Stadt nicht von oben etwas initiiert, sondern dass
der Wunsch nach einem Gemeinschaftsgarten oder einem ähnlichen Projekt von der
Bevölkerung selbst kommt. Dadurch ist die Motivation viel höher. Über Quartierverei-
ne, Hauptversammlungen, Quartierzeitungen, Migrantenvereine und Kirchgemeinden
können dann leicht weitere Mitstreiterinnen und Mitstreiter gefunden werden (Bischof,
Interview vom 24.01.14). Auf Anfragen bei zwei Mitgliedern der jungen Grünen und
D. Rüttimann, dem Präsidenten der Grünliberalen St.Gallen, wird deutlich, dass mit
ihrer Unterstützung gerechnet werden könnte. Rüttimann (Interview vom 27.02.2014)
sieht die Möglichkeit, im Sinne von Beratung, politischem Support und Herstellung
von Kontakten zu unterstützen. Bei den jungen Grünen sähe die Unterstützung mo-
mentan nicht ganz so direkt aus, da die Kapazitäten fehlen. Aber das private Interes-
se der Mitglieder ist vorhanden und eine allfällige Zusammenarbeit scheint möglich.
2. Grundstück
Je nachdem, ob nach etwas Längerfristigem oder nur einem Zwischennutzungsplatz
gesucht wird, unterscheidet sich die Arealsuche. Es gibt aber diverse Grundstücke,
die genutzt werden könnten. Bischof, der Quartierentwickler von St.Gallen, nannte
exemplarisch das Güterbahnhofareal, Abrisshäuser und Dachterrassen. Man sollte
sich unbedingt an ihn wenden, da er über vielfältige Beziehungen verfügt, beispiels-
weise zum Liegenschaften- oder Gartenbauamt (Interview vom 24.01.14). Ausser-
dem ist es auch möglich, Grünflächen zwischen Wohnhäusern zu bepflanzen. Dazu
wendet man sich am besten direkt an den Verwalter. Den Ideen sind hier keine
Grenzen gesetzt.
3. Finanzierung
Für das Startkapital gibt es bei der Stadt ein Gefäss, das für Projekte in den Quartie-
ren gedacht ist. Dazu ist die Zusammenarbeit mit Peter Bischof nötig. Er hat als
Quartierarbeiter die notwendigen Beziehungen und kann individuell beraten. Laut
Bischof (Interview vom 24.01.14) ist es wichtig, dass die Stadt solche Quartierprojek-
te zu Beginn fördert, damit die Initiantengruppe nicht viel Geld aufwenden muss, was
gerade für die Motivation ein Hindernis sein könnte.
Die Suche nach allfälligen Sponsoren sollte dennoch nicht vernachlässigt werden. In
den untersuchten Gartenprojekten wurde erwähnt, dass die ständige Suche nach
Geldern anstrengend sein kann. Sogar bei Gemeinschaftsgärten, die von der Stadt
unterstütz wurden, ist die Finanzierung ein Problempunkt.
4. Internetauftritt
Zur Werbung neuer Mitglieder ist eine ansprechende Internetseite oder eine stets
aktuelle Facebook-Gruppe unabdingbar. Als sehr ausführliches Beispiel dient die
Website des Prinzessinnengartens (www.prinzessinnengarten.net). Als einfacher
Yasmine Zweifel 79
Facebook-Auftritt kann etwa derjenige des Landhofs in Basel als Anregung dienen.
Informationen, die unbedingt irgendwo zu finden sein sollen, sind die Regeln, die
Öffnungszeiten, allfällige Anwesenheitszeiten von Mitgliedern, Gartentreffs und Hin-
weise zu Veranstaltungen.
5. Werbung
Die Stadt könnte auf ihrer Website auf das Projekt verweisen und so gratis Werbung
machen. Vor allem in der Anfangsphase wäre diese Unterstützung toll, damit mög-
lichst viele Leute auf das Projekt aufmerksam werden und allfällige Mitstreiter gefun-
den werden. Eine andere Idee ist, es so zu machen, wie der Landhof: Alle Anwohner
des Gemeinschaftsgartens bekamen einen Setzling geschenkt und wurden gebeten,
diesen am Eröffnungsfest einzupflanzen. So wurden erste Kontakte hergestellt und
die Leute waren motiviert, vorbeizuschauen.
6. Veranstaltungen
Auch bei den Veranstaltungen wie einem Gartenfest, einem Erntedankfest oder ähn-
lichem kann die Stadt mit Werbung und in Form von Vermittlung von Kontakten be-
hilflich sein. Wenn Veranstaltungen organisiert werden, ist es unerlässlich, die Bevöl-
kerung darüber zu informieren. Dies kann über Anzeigen in Zeitungen, Flyer oder
über soziale Medien geschehen.
4.4.1. Ausblick
Das Interesse der Stadt an einem Gemeinschaftsgartenprojekt sollte vorhanden sein.
Wie in Absatz 2.4 aufgeführt, bieten sich zahlreiche Vorteile, wenn ein Gemein-
schaftsgarten in der Stadt vorhanden ist. Als Nutzen im ökologischen Bereich sei hier
exemplarisch die bessere Regenwasserversickerung genannt. Diese positive Haltung
wurde durch die geführten Interviews bestätigt. Es waren alle Interviewten aufge-
schlossen und interessiert dem Thema gegenüber.
Spezifisch für die Stadt St.Gallen ist aber vor allem der soziale Nutzen von Gemein-
schaftsgärten hervorzuheben. Denn die Bevölkerung der Stadt wird in den nächsten
zwanzig Jahren vermutlich auf etwa 90‘000 Einwohner ansteigen, was der Richtplan
von St.Gallen vorsieht (www.stadt.sg.ch). Dadurch muss nach Massnahmen gesucht
werden, um den Platz effizienter zu nutzen. Bischof sieht die Möglichkeit, dass kurz-
fristige urbane Gartenprojekte, die Familiengärten ablösen könnten. Denn es ist in
der heutigen Gesellschaft immer gefragter, sich nur vorübergehend zu verpflichten
(Interview vom 24.01.14). Ausserdem können Brachen und ungenutzte Dachflächen
optimal genutzt werden und die Stadt mit mehr Grün versorgen.
Es ist nur eine Frage der Zeit, wann der Druck auf die dichteren Quartiere gross ge-
nug sein wird, dass die ersten Menschen sich nach Natur sehnen, die sie sich durch
einen Gemeinschaftsgarten holen können.
Yasmine Zweifel 80
5. Diskussion und Schlussfolgerungen
5.1. Zusammenfassung der Ergebnisse
Die Ausbreitung des Trends Urban Gardening erfolgte von den USA und Kanada,
später auch von Kuba aus auf die europäischen Grossstädte. Aus den Betrachtun-
gen anderer Länder lässt sich schliessen, dass Urban Gardening in der Schweiz
noch an Bedeutung gewinnen wird. Sowohl in den Massenmedien wie auch in Fach-
zeitschriften steigt die Anzahl an Berichten zum Thema immer noch an. Es werden
immer noch neue Gartenprojekte lanciert. Deshalb ist anzunehmen, dass sich das
Interesse nach einer kleinen Abschwächung, wenn die Medien nicht mehr so häufig
darüber berichten, auf einem stabilen Niveau festigen wird.
Die Verschiedenartigkeit der Garteninitiativen erschwert Verallgemeinerungen. Den-
noch sind überall ähnliche Auswirkungen feststellbar. In allen drei Bereichen der
Nachhaltigkeit kann durch Urban Gardening etwas erreicht werden. Einerseits im
ökologischen Sinne durch die Regulation des Stadtklimas mit grösseren Grünflächen,
durch eine gesteigerte Biodiversität oder durch die Verkürzung von Transportwegen.
Andererseits im ökonomischen Bereich wird Menschen der Zugang zu gesundem
und biologischem Gemüse ermöglicht, das sie im Supermarkt nicht vermögen wür-
den. Zudem wird durch die Bepflanzung von Brachen oder anderen ungenutzten Flä-
chen wie Dächern die Ausnutzung gesteigert, ohne dass die Stadt zusätzliche Inves-
titionen zu tätigen hat. Der Hauptaspekt ist aber der soziale Nutzen. Es entstehen
Kontakte mit der Nachbarschaft, ein Austausch über gleiche Interessen kann stattfin-
den, Generationen und Kulturen kommen einander näher, es entstehen Lernorte und
eine Identifikation mit dem Quartier kann ermöglicht werden.
Bei den Auswirkungen von Urban Gardening fanden sich nicht nur positive Aspekte.
Doch die negativen lassen sich durch gezielte Massnahmen abwenden. Meist ist ei-
ne Information der Gärtnerinnen und Gärtner die beste Lösung. Zum Beispiel um den
Wasserverbrauch zu senken, kann Regenwasser gesammelt werden. Die Angst vor
verschmutztem Gemüse aus einem Stadtgarten ist meist unbegründet, wenn einige
Regeln beachtet werden. Schon Massnahmen wie eine Hecke als Abschirmung zur
Strasse oder eine Pflanzung in Hochbeeten genügen, um die Gesundheit nicht zu
gefährden.
Die Motive der Urban Gardeners lassen sich grob in drei Kategorien einteilen: Gar-
ten, Gemeinschaft und Veränderung der Lebenswelt. Meist ist jedoch eine Mischung
von verschiedenen Motiven feststellbar. So ist bei fast allen ein Grundinteresse an
gärtnerischen Themen feststellbar. Aber auch der Austausch mit Mitmenschen und
die Partizipation an der Lebensraumgestaltung sind vielfach genannte Motive.
Bei den vier untersuchten Gemeinschaftsgärten war die Erkenntnis, dass eine sehr
interessierte Startgruppe die Initiative ergreifen muss und ein geeignetes Stück Land
zu Verfügung stehen sollte. Daneben sind die Finanzierung, ein Internetauftritt, der
Yasmine Zweifel 81
Umgang mit den Medien und laufend neue Veranstaltungen im Garten weitere Er-
folgsfaktoren. Auch Grün Stadt Zürich bestätigte diese Erkenntnis.
Im letzten Teil der Arbeit war ersichtlich, dass es in St.Gallen erst wenige Projekte
gibt und ein Gemeinschaftsgarten, wie er in dieser Arbeit definiert wurde, noch nicht
vorhanden ist. Doch das Interesse ist sowohl bei der Stadt als auch bei der Bevölke-
rung vorhanden. Das konnte mit dem Testprojekt und den Interviews festgestellt
werden.
5.2. Diskussion der Ergebnisse
Wie aus Urban Gardening ein solch präsenter Trend geworden ist, lässt sich mit der
Verbreitung des Themas in den Medien und der Diffusionstheorie (siehe Kapitel 2.1)
erklären. Bestätigt wird das durch die Aussagen aus den Interviews, wo oftmals die
gesagt wurde, dass man durch die Medien und durch Besuche fremder Städte mit
bereits etablierten Projekten auf die neue Bewegung aufmerksam wurde. Es scheint,
also ob das Bedürfnis dem aktuellen Zeitgeist entsprechen würde.
Der Aufbau der untersuchten Gärten entspricht in den meisten Punkten den Litera-
turvorschlägen. Obwohl sich die vier Gartenprojekte deutlich voneinander unter-
scheiden, gibt es viele Gemeinsamkeiten, die für den Erfolg verantwortlich zu sein
scheinen. Daraus liessen sich sechs Kriterien finden, wie ein Gemeinschaftsgarten
aufgebaut werden sollte. Entscheidend ist, dass die Bewegung aus einem Wunsch
der Bevölkerung entsteht. Eine gute Planung und Regelung einiger zentraler Punkte
ist ebenfalls entscheidend. Wenn das Projekt angelaufen ist, müssen regelmässig
Anpassungen, Neuerungen und Diskussionen stattfinden, damit sich der Garten ent-
wickeln kann und die Anfangsmotivation nicht verpufft.
Dass Urban Gardening noch nicht in St.Gallen angekommen ist, kann verschiedene
Ursachen haben. Wegen der Diffusionstheorie lässt sich die These formulieren, dass
es noch ein paar Jahre dauern wird, bis der Trend aus den Schweizer Grossstädten
nach St.Gallen kommt. Eine andere These ist, dass der Leidensdruck fehlt. St.Gallen
ist keine Grossstadt. Man ist in zehn Minuten in der grünen Natur und die Stadt
selbst besitzt viele Grünflächen. Durch die 17 Familiengartenareale können Men-
schen, die gerne in der Stadt gärtnern möchten, nahe beim Wohnort eine Parzelle
pachten. Es bestehen keine jahrelangen Wartelisten wie in einigen deutschen
Grossstädten, beispielsweise Berlin (Bezirksverband der Kleingärtner e. V.
Tempelhof, o.J.). Doch durch den Druck auf die Areale der Familiengärten ist es
möglich, dass in den nächsten Jahren Gemeinschaftsgärten die Familiengärten ablö-
sen könnten.
Eine nachhaltigere Stadtentwicklung kann mit Urban Gardening erreicht werden. Als
Vorbild steht beispielsweise die englische Stadt Todmorden. Ziel ist dort, die ganze
Stadt in eine Essbare Stadt (siehe Kapitel 2.3.8) zu verwandeln. Es konnte bereits
erreicht werden, dass alle Schulen der Stadt mit dem Projekt zusammenarbeiten
Yasmine Zweifel 82
(www.incredible-edible-todmorden.co.uk). Nachhaltigkeit beruht auf den drei Säulen
Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft. Es folgt eine Skizze, wie solch eine nachhaltige
Gesellschaft aussehen könnte, wenn Urban Gardening mit einbezogen würde:
Wirtschaftlich: Durch das selbst angebaute Gemüse können auch ärmere Familien
an biologische Nahrungsmittel kommen. Urban Farming würde im wirtschaftlichen
Bereich eine Rolle spielen. Denn es gibt zahlreiche Möglichkeiten für Arbeitsplätze
und neue Geschäftsideen in diesem Bereich. Beispielhaft dafür ist Detroit (siehe Ka-
pitel 2.2.4), wo aufgrund der vielen entstandenen Brachen nach neuen Geschäfts-
ideen gesucht wird. Aber aber auch das Unternehmen Urban Farming in Basel (siehe
Kapitel 2.6.1) hat Zukunft.
Ein wichtiger Punkt, wie Urban Gardening die Stadt verändern kann, ist durch das
Gefühl der Beteiligung. Die Menschen aus Gartenprojekten beginnen wieder selbst
Teil des Produktionsablaufs zu werden und hinterfragen dadurch ihren eigenen Kon-
sum. Das kann einen Einfluss auf weitere Lebensbereiche haben: Meist beteiligen
sie sich dann auch vermehrt politisch und wollen aktiv etwas verändern.
Durch das Gärtnern kann eine Veränderung im Konsumverhalten erzielt werden. Den
Menschen wird Saisonalität und Regionalität wichtiger. Das kann dazu führen, dass
sie die regionalen Bauern und lokale Unternehmen vermehrt unterstützen (Gehrke,
2012b).
Ökologisch: Immer grösser wird der Wunsch nach einer umweltverträglichen Gesell-
schaft. Als Massstab für die Umweltverträglichkeit dient der ökologische Fussab-
druck15. Die Schweiz verbraucht laut Bundesamt für Statistik vier Mal so viele Res-
sourcen, wie als Biokapazität vorhanden wären (Bundesamt für Statistik, 2014).
Urban Gardening kann durch die Verwertung von organischem Material zur Humus-
bildung beitragen und somit die verbrauchten Böden wieder nutzbar machen. Gleich-
zeitig wird auch der Abfall der Gesellschaft reduziert. Durch die unversiegelten Bö-
den kann Regenwasser versickern, ohne in das Abwassersystem zu gelangen. Un-
genutzte Flächen wie Dächer oder Brachen werden genutzt. Ausserdem fallen
Transportwege weg, wenn die Menschen nicht aufs Land fahren müssen, um im
Grünen zu sein, und die Lebensmittel wohnortnah produziert werden. Die Landwirt-
schaft in der Stadt vergrössert das Kulturland eines Landes. Diese Vorteile tragen
alle dazu bei, den ökologischen Fussabdruck einer Stadt zu verkleinern.
Als Vancouver sich das Ziel setzte, bis 2020 zur grünsten Stadt zu werden, wurde die
Bedingung festgelegt, den ökologischen Fussabdruck um 33 Prozent zu reduzieren.
Dies soll unter anderem durch Urban Agriculture erreicht werden. Die Stadt befindet
sich im Sommer 2014 auf Kurs (City of Vancouver, 2012).
Es braucht sehr viele Urban Gardening Projekte in einer Stadt, um einen merklichen
15
„Der ökologische Fussabdruck misst den Verbrauch natürlicher Ressourcen und drückt in globalen Hektaren die Fläche aus, die für die Produktion dieser Ressourcen notwendig wäre“ (www.bfs.admin.ch)
Yasmine Zweifel 83
Beitrag zur Verkleinerung des ökologischen Fussabdrucks zu leisten. Deshalb ist ein
anderer Punkt entscheidend. Die Leute, die mit Urban Gardening in Kontakt kom-
men, werden sensibilisiert für die Problematik des heutigen Lebensmittelsystems und
der Landwirtschaft (siehe Anhang F). Es entsteht ein neues Bewusstsein für den
Umgang mit der Natur und den Lebensmitteln.
Sozial: Gemeinschaftsgartenprojekte in einer Stadt fördern den sozialen Austausch
und die Zufriedenheit der Bevölkerung. Bei all den besuchten Projekten steht die
Gemeinschaftlichkeit im Zentrum.
Wichtig ist aber, dass bereits bei den jüngsten Generationen versucht wird, Nachhal-
tigkeit im Denken zu verankern. In den Schulen könnte mit Schulgärten bereits den
Kindern und Jugendlichen das Wissen über die Herkunft unserer Nahrung vermittelt
werden. Die Saisonalität würde wieder in den Köpfen verankert werden. Ein Schul-
garten oder ein Beet von einer Schulklasse in einem Gemeinschaftsgarten betrieben
trägt viel zur Bildung nachhaltiger Entwicklung (BNE) bei. Es werden diverse Kompe-
tenzen gefördert. Wenn die Lehrperson sich bewusst ist, welche Kompetenzen er-
worben werden sollen, kann ein breites Band abgedeckt werden. Als Beispiel sei hier
das vorausschauende Handeln genannt, das bei einer Gartenplanung wichtig ist.
Weitere Informationen finden sich im Netz16.
Im Allmende-Kontor in Berlin-Tempelhof beackert eine Schule gemeinsam ein etwas
grösseres Beet. Dadurch kommt zusätzlich zu den Vorteilen eines Schulgartens noch
der Austausch zwischen der Bevölkerung und der Schule hinzu.
Abbildung 36: Schulbeet im Allmende-Kontor
Quelle: Eigene Aufnahme
16
Vgl.: www.eugolearning.org/de/topics/education-sustainable-development www.education21.ch/de/education21/portrait www.wesentlich-gmbh.de/bildung-fur-nachhaltige-entwicklung-bne-im-schulgarten/ (18.08.14)
Yasmine Zweifel 84
Nicht zu vernachlässigen ist ausserdem der gesundheitliche Vorteil von Gartenarbeit.
Sowohl die physische als auch die psychische Gesundheit können gefördert werden.
Die Forschungsgruppe Grün und Gesundheit an der ZHAW fördert die Grüne Thera-
pie, genannt Green Care, mit verschiedenen Projekten. Aktuell untersuchen sie, wie
nachhaltig Urban Farming im Bezug auf den gesellschaftlichen Aspekt ist
(www.lsfm.zhaw.ch). Nicht nur bei Heimen und Kliniken sind Gärten eine gute Idee,
auch Arbeitsgeber können ihre Belegschaft durch einen Garten gesund und ausge-
glichen halten. Ein neuer Trend in den USA sind die sogenannten Company Gar-
dens. Die Firmengärten werden von Unternehmen für ihre Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter angelegt, damit diese sich dort gärtnerisch betätigen können. Gründe sind
einen besseren Zusammenhalt unter den Arbeitnehmern zu fördern, ein attraktiver
Arbeitsplatz bieten zu wollen oder nur einem Trend zu folgen (Rasper, 2012c).
Städte sind in vielerlei Hinsicht sehr effizient, ausser in den Bereichen Rohstoffen
und Energie. Es ist folglich sinnvoller, die Menschen in den Städten zu behalten, als
dass alle aufs Land ziehen wollen. Wenn es also gelingt, die Städte auch im Bereich
Rohstoffe und Energie noch effizienter zu machen, wäre das ein grosser Schritt hin
zu einer nachhaltigeren Gesellschaft.
5.3. Kritische Reflexion
Das Thema Urban Gardening in St.Gallen wurde anhand von drei Fragestellungen
erarbeitet. Die Fragen sind aufeinander aufbauend und leiten vom Allgemeinen zum
Konkreten. Dadurch entsteht eine innere Logik. Die gewählten Methoden dieser Ar-
beit sind vielfältig: Literaturrecherche, Interviews und ein Testprojekt.
Der Nutzen dieser Masterarbeit liegt darin, dass es bisher noch fast keine Literatur zu
Urban Gardening in St.Gallen gab. Wenn jemand einen Gemeinschaftsgarten in die-
ser oder einer ähnlichen Stadt aufbauen will, existiert mit den sechs Kriterien eine
Anleitung, wie vorgegangen werden könnte. Es haben sich während dem Schreiben
immer wieder neue Türen geöffnet, da die Bewegung momentan einen Aufschwung
erlebt. Zusätzlich zur Beantwortung der drei Fragestellungen war noch Zeit für ein
Testprojekt, das zu Beginn nicht eingeplant gewesen ist. Dies ermöglichte eine noch
bessere Sondierung der Einstellung zu Urban Gardening in St.Gallen.
Die vorliegende Arbeit versucht ausserdem eine Ordnung in das Durcheinander von
Begriffen zu bringen. In der Literatur findet sich keine einheitliche Verwendung und
Definition der Begriffe Urban Gardening, Urban Farming und Urban Agriculture. Auch
die Form des Gemeinschaftsgartens wird nicht immer eindeutig abgegrenzt von den
Schrebergärten.
Das Thema ist aber lange noch nicht abschliessend behandelt. Offen bleibt die Fra-
ge, wie sich der Trend Urban Gardening in Zukunft entwickeln wird. Dazu wurden
verschiedene Hinweise gefunden, es kann dennoch nicht eindeutig geklärt werden.
Eine andere offene Frage ist die nach der Nachfolgeschaft in Gemeinschaftsgärten.
Yasmine Zweifel 85
Was geschieht, wenn sich niemand mehr engagieren will? Wie werden neue Mitglie-
der gefunden? Es ist bekannt, dass es in der heutigen Zeit schwieriger geworden ist,
Leute zu finden, die sich ehrenamtlich engagieren wollen. Dieses Problem könnte
weiter verfolgt und nach Gegenmassnahmen gesucht werden sollen.
Es bieten sich noch einige Bereiche an, in denen nun weiter geforscht werden kann.
Im ersten Teil wurde Australien nicht betrachtet. Es ist wahrscheinlich, dass sich dort
noch sehr viel mehr Erfahrungen und Informationen finden lassen würden. Eine Mög-
lichkeit ist, Australien zu analysieren, da es dort ebenfalls viele Community Gardens
und ähnliche Projekte gibt. So könnte eine breitere Abdeckung und eventuell noch
mehr Erkenntnis erlangt werden, die auch wieder auf die Schweiz oder auf St Gallen
übertragen werden könnte. Auch Asien, beispielsweise Japan oder China, wäre
spannend. Diese Regionen wurden in dieser Arbeit bewusst weggelassen, weil sich
die asiatischen Kulturen deutlicher von der Schweizer Kultur unterscheiden.
Zu der zweiten Fragestellung wäre es eine Möglichkeit, nach gescheiterten Gemein-
schaftsgartenprojekten zu suchen und dort Interviews zu führen. Dann würdenallfälli-
gen Problembereiche noch offensichtlicher und es könnte zusätzlich zu meinem Leit-
faden mit den sechs Kriterien noch eine Vermeidungsliste erstellt werden, wie Fehler
vermieden werden könnten. Es wäre sicherlich möglich, gescheiterte Projekte aus-
findig zu machen. Beispielsweise der Garten Rosa Rose in Berlin sah bei einem Be-
such diesen Sommer etwas vernachlässigt aus.
Da in der Schweiz und auch im nahen Ausland die Bewegung noch neu ist, kann
man auch nicht mit Sicherheit davon ausgehen, dass die vier untersuchten Projekte
längere Zeit überleben werden. Obwohl es dafür natürlich einige Hinweise gibt, wie
die gut durchdachte Organisation oder der konstante Medienkontakt. Somit wäre es
spannend, die Gärten in etwa zwei Jahren nochmals zu besuchen und zu sehen,
was daraus geworden ist. Die Analyse der vier Gemeinschaftsgärten erhebt nicht den
Anspruch, repräsentativ zu sein. Dazu sind die einzelnen Projekte zu individuell und
es bräuchte eine grössere Stichprobe.
Zu der letzten Frage, der Übertragung auf die Stadt St.Gallen, wäre es spannend,
konkrete Plätze aufzusuchen und diese unter dem Aspekt eines zukünftigen Ge-
meinschaftsgartens zu betrachten. Das hätte für ein allfälliges Projekt den Vorteil,
dass die Suche nach einem geeigneten Ort leichter würde.
Es fehlt in der Schweiz eine webbasierte Vernetzung der Gärten, die interaktiv ges-
taltet werden kann. In einer zukünftigen Arbeit könnte eine Version der Website In-
terkulturelle Gärten Schweiz aufgebaut werden, die gemeinsam von den Gärtnern-
den gestaltet wird. Vielleicht könnte als Basis die bereits bestehende Plattform von
Interkulturelle Gärten Schweiz genutzt werden (www.interkulturelle-gaerten.ch).
Yasmine Zweifel 86
5.4. Schlussfolgerungen
Gärten in den Städten hat es immer gegeben und wird es ziemlich sicher auch noch
lange geben. Ein Wandel im Denken ist spürbar und zeigt sich unter anderem in den
vielen neuen Projekten. Es beginnen überall neue Garteninitiativen zu wachsen, wie
in einem fruchtbaren Beet. Urban Gardening ist definitiv ein Trend, auch in der
Schweiz. Es ist jedoch nicht nur einfach, solche Projekte aufzubauen. Mit einer ge-
schickten Planung können dennoch mit ziemlicher Sicherheit erfolg- und lehrreiche
Projekte aufgebaut werden. Diese enthalten ein grosses Potenzial, die Städte nach-
haltiger zu machen, und das nicht nur in den trendigen Grossstädten sondern lang-
sam aber sicher auch in kleineren Städten wie St.Gallen.
Schrebergärten als Teil von Urban Agriculture haben viele Gemeinsamkeiten mit Ur-
ban Gardening Projekten und somit auch die positiven Eigenschaften, die in Kapitel
2.4 aufgeführt sind. Dennoch fehlen ihnen meines Erachtens die entscheidenden
Eigenschaften, die in Zukunft immer gefragter sein werden: projektartig, kreativ, ver-
netzt, urban. Das Gemeinschaftliche wird zu sehr vernachlässigt, indem jede und
jeder in der eigenen Parzelle gärtnert. Genau in diesen Bereichen kann ein Gemein-
schaftsgarten punkten. Ein solches Projekt kann kurzfristig und somit flexibel aufge-
baut werden. Langjährige Verpflichtungen entfallen. Gemeinsam wird eine Fläche
gestaltet, bei der Kreativität gefragt ist. Durch das Vernetzen mit anderen bestehen-
den Gärten gibt es einen Austausch, von dem alle profitieren können. Es entsteht
das Gefühl, dass man aktiv etwas verändern kann durch das Mitgestalten. In
St.Gallen ist sowohl auf Seiten der Stadt als auch auf Seiten der Bevölkerung das
Interesse vorhanden. Es braucht nur noch eine Startgruppe, die die Kugel ins Rollen
bringt.
Schulgärten, wie sie bis in die Vierzigerjahre des letzten Jahrhunderts häufiger an
Schulen anzutreffen waren, funktionieren meist ähnlich wie Gemeinschaftsgärten.
Die Beete werden gemeinschaftlich bewirtschaftet und die Schülerinnen und Schüler
lernen im Bereich Sach-, Selbst- und Sozialkompetenz dazu. Wenn überhaupt, wird
heutzutage vor allem auf der Primarstufe gegärtnert. Seit Umweltbewusstsein und
der Begriff der Nachhaltigkeit vor rund 30 Jahren populär wurden, gibt es wieder
mehr Gärten bei Schulen. Waldorf-Schulen haben den Unterricht im Schulgarten
häufig im Stundenplan eingeplant (www.schulgarten.ch).
Gemeinschaftsgärten sind auch nach der Schule noch Orte, an denen lebenslang
gelernt werden kann, voneinander oder durch Versuch und Irrtum. Madlener (2009)
führte den Ausdruck Grüne Lernorte ein. Gartengemeinschaften sind im Gegensatz
zu Schulklassen weniger künstlich, da eine grössere Vielfalt von Menschen aufei-
nandertrifft. Ein kultureller und intergenerativer Austausch entsteht.
Yasmine Zweifel 87
Durch das eigene Gärtnern und die Verwendung von selbst gezogenem Saatgut
kann der Industrialisierung der Landwirtschaft etwas entgegengesetzt werden. Es
gibt Menschen, die sich hilflos fühlen gegenüber den grossen Konzernen, die Mög-
lichkeit, selbstbestimmt und dadurch zufriedener zu leben. Initiativen wie ProSpecie-
Rara sollten in Gemeinschaftsgärten unbedingt einen Platz bekommen. Denn nur
durch an einen Standort angepasstes Saatgut kann die Abhängigkeit von Spritz- und
Düngemittel umgangen werden. Permakultur wird in vielen Urban Gardening Projek-
ten angewendet und eignet sich hervorragend, wenn man interessiert ist an einer
Gestaltung von dauerhaften und nachhaltigen Kreisläufen.
Die Urban Gardening Bewegung zu fördern, hat viele Auswirkungen. Nicht nur im
gärtnerischen Bereich, sondern auch im Konsumverhalten oder in der Beteiligung an
politischen Themen. Ein Gemeinschaftsgarten kann Menschen als Einstieg in einen
nachhaltigeren Lebensstil dienen. Auf der Hand liegt natürlich, dass nun ein Gemein-
schaftsgarten in St.Gallen gegründet werden könnte. Als Grundlage kann die vorlie-
gende Arbeit dienen. Es soll hier aber auch erwähnt werden, dass von Seiten der
Stadtplanung etwas unternommen werden kann. Brachflächen können der Bevölke-
rung zu Verfügung gestellt werden und Grünflächen vor Überbauungen geschützt
werden. Fehlendes Budget darf kein Hindernis sein, da es nicht viel braucht, um ei-
nen Garten aufzubauen, solange die Motivation vorhanden ist.
Diese Arbeit soll nun genutzt werden, verschiedenste eigene Projekte zu starten und
sich zu engagieren, damit die Welt ein bisschen nachhaltiger wird. Dabei darf man
nicht vergessen, dass sich ein solches Engagement in jeder Hinsicht auszahlen wird.
Denn wie ein englisches Sprichwort besagt:
Im Garten wächst mehr, als man gesät hat.
Im Gemeinschaftsgarten wird nicht nur Gemüse und Obst angebaut, sonder es wer-
den unter anderem Beziehungen aufgebaut, Neues gelernt und Zeichen gesetzt.
Yasmine Zweifel 88
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Zukunftsinstitut GmbH. (o.J.). Megatrends. Online unter:
http://www.zukunftsinstitut.de/megatrends (18.08.14).
Yasmine Zweifel 96
6.2. Internetportale
www.allmende-kontor.de
www.anstiftung-ertomis.de
www.aquaponics-blog.com
www.are.admin.ch
www.bfs.admin.ch
www.bienenkiste.de
www.brachland.ch
www.capitalgrowth.org
www.cityfarmer.info
www.cityfarmer.org
www.commmunitygardening.blogspot.ch
www.demeter.ch
www.demeter.de
www.duden.de
www.education21.ch
www.eea.europa
www.eine-andere-welt-ist-pflanzbar.de
www.empowerment.de
www.epa.gov/heatisland/index.htm
www.eugolearning.org
www.extension.oregonstate.edu/
www.ecolife.com/
www.facebook.com
www.familiengaertner.ch
www.familiengaertner-sg.ch
www.farmgarden.org.uk
www.foodshare.net
www.gardenmaps.org
www.gardenorganic.org.uk
www.gartenpiraten.net
www.google.ch/trends
www.guerrillagardening.org
www.incredible-edible-todmorden.co.uk
www.interkulturelle-gaerten.ch
www.kleingarten-bund.de
www.lsfm.zhaw.ch
www.ortoloco.ch
www.oxforddictionaries.com
www.prinzessinnengarten.net
www.rosarose-garten.net
www.ruaf.org
www.sativa-rheinau.ch
www.schulgarten.ch
www.slowfood.ch
www.slowfoodyouth.ch
www.stadionbrache.ch
www.stadiongarten.ch
www.stadt.sg.ch
www.stadtacker.net
www.stadtladen.ch
www.urbanacker.net
www.urbanagriculturebasel.ch
www.urbanfarmers.com
www.vegandthecity.ch
www.wesentlich-gmbh.de
www.20min.ch
Yasmine Zweifel 97
6.3. Interviewpartnerinnen und -partner
Kapitel 3
Ivelina Grozeva, Vorstandsmitglied bei SeedCity, 09.10.13
Dominique Oser, Projektleiterin und Initiantin des Landhofs, 09.10.13
Martin Rasper, 1. Vorsitzender beim Verein o’pflanzt is!, 24.11.13
Benedikt Pestalozzi, Organisationsmitglied beim Stadiongarten, 19.12.13
Regina Hofstetter, Grün Stadt Zürich, 04.03.2014
Kapitel 4
Peter Bischof, Quartierentwickler St.Gallen, 24.01.14
Christoph Bücheler, Leiter Gartenbauamt, 27.01.14
Robert Kull, Leiter Fachstelle Natur und Landschaft der Stadt St.Gallen, 25.02.14
Ueli Strauss, Leiter Amt für Raumentwicklung und Geoinformation, 03.02.14
Franziska Ryser, Junge Grüne, 14.04.2014
Basil Oberholzer, Junge Grüne, 27.03.2014
Daniel Rüttimann, Präsident glp St.Gallen, 27.02.2014
Yasmine Zweifel 98
7. Abbildungsverzeichnis
ABBILDUNG 1: TITELBILD 1
ABBILDUNG 2: BEGRIFFSHIERARCHIE 12
ABBILDUNG 3: HYPE-ZYKLUS NACH GARTNER INC. 14
ABBILDUNG 4: IN KAPITEL 2 ERLÄUTERTE STÄDTE UND LÄNDER 15
ABBILDUNG 5: GEMEINSCHAFTSGÄRTEN IN NEW YORK 18
ABBILDUNG 6: DAS MODELL DER GARTENSTADT VON EBENEZER HOWARD 22
ABBILDUNG 7: GARTENCAFÉ PRINZESINNENGARTEN UND ORIGINELLE PFLANZBEHÄLTER 25
ABBILDUNG 8: HOCHBEET AUF DEM TEMPELHOFER FELD 25
ABBILDUNG 9: GEMEINSCHAFTSGARTEN ALLMENDE-KONTOR 26
ABBILDUNG 10: AQUAPONIC-SYSTEM 41
ABBILDUNG 11: FRAU GEROLDS GARTEN IN ZÜRICH 42
ABBILDUNG 12:DIE ENTWICKLUNG DES SUCHINTERESSES BEIM BEGRIFF URBAN GARDENING 44
ABBILDUNG 13: JE DUNKLER, DESTO HÄUFIGER WURDE DER BEGRIFF GESUCHT. 44
ABBILDUNG 14: ANGEPASSTER HYPE-ZYKLUS 47
ABBILDUNG 15: EIGENE FORSCHUNGSMETHODE 51
ABBILDUNG 16: HOCHBEET AUS ALTHOLZ UND TOMATENUNTERSTAND 53
ABBILDUNG 17: FOLIENTUNNEL FÜR EMPFINDLICHE PFLANZEN 55
ABBILDUNG 18: BLICK ÜBER DEN KOMPOST IN RICHTUNG ETH 55
ABBILDUNG 19: PILZZUCHT IN SEEDCITY 56
ABBILDUNG 20: FEDERKOHL, EIN ALTES GEMÜSE 56
ABBILDUNG 21: ALTERNATIVES PFLANZGEFÄSS 57
ABBILDUNG 22: ORT DER GEMEINSCHAFT 57
ABBILDUNG 23: BLICK ÜBER DEN GARTEN 58
ABBILDUNG 24: KRÄUTERSPIRALE 58
ABBILDUNG 25: BROTOFEN UND INFOTAFEL 59
ABBILDUNG 26: BEETE IN SBB-PALETTEN 59
ABBILDUNG 27: KATEGORIEN 61
ABBILDUNG 28: BEETE DES KINDERLOKALS TIRUMPEL 70
ABBILDUNG 29: KLOSTERGARTEN IN ST. GEOGEN 71
ABBILDUNG 30: ALTERSVERTEILUNG IN DEN SCHREBERGÄRTEN VON ST.GALLEN 72
ABBILDUNG 31: ORT DES PROJEKTS, KATHARINENGASSE 12 73
ABBILDUNG 32: AUFBAUEN DER PFLANZGEFÄSSE 74
ABBILDUNG 33: AUSSCHNITT DER FACEBOOK-SEITE 75
ABBILDUNG 34: ZWISCHENSTAND DES PROJEKTES IM MAI 76
ABBILDUNG 35: BEPFLANZUNG AM ENDE DES PROJEKTS IM JUNI 2014 77
ABBILDUNG 36: SCHULBEET IM ALLMENDE-KONTOR 83
Yasmine Zweifel 99
8. Tabellenverzeichnis
TABELLE 1: VERSCHIEDENE ZUGANGSTYPEN NACH MADLENER (2009) 38
TABELLE 2: AUSWAHL VON GEMEINSCHAFTSGÄRTEN 49
TABELLE 3: KATEGORIEN 105
Yasmine Zweifel 100
Anhang
A. Alle Interviewleitfäden
B. Food Share: 10 Steps to Starting a Community Garden
C. Tabelle mit den Kategorien
D. Informationszettel zum Testprojekt
E. Fragebogen
F. Die Landwirtschaft
G. Artikel im St. Galler Tagblatt (05.08.2014)
H. Eidesstattliche Erklärung
Yasmine Zweifel 101
A. Alle Interviewleitfäden
Interviewleitfaden Projektleitungen in den vier Gemeinschaftsgärten
1. Beschreibe bitte kurz den Gemeinschaftsgarten und deine Aufgaben.
2. Was bedeutet für dich urbanes Gärtnern?
3. Siehst du darin einen kurz- oder langfristigen Trend?
4. Was sind die Voraussetzungen, damit ein solches Projekt längerfristig beste-
hen kann?
5. Wie sieht es mit diesen Voraussetzungen beim Projekt XY aus?
6. Welches sind die Erfolgsfaktoren dieses Gartens?
7. Können diese auf eine andere Stadt so übertragen werden?
8. Wenn nicht, was muss beachtet werden?
9. Was braucht es über längere Zeit, damit der Garten sich entwickeln kann?
10. Worin siehst du Schwierigkeiten?
11. Wer kommt hierher zum Gärtnern?
12. Wie gelingt es, die Leute zum Mitmachen zu motivieren?
13. Was sind die Motivationen der verschiedenen Personen?
14. Wie gewinnt man die Leute für dieses Projekt?
15. Wie ist die Organisation dieses Gartens aufgebaut?
16. Wie finanziert sich das Projekt?
17. Gibt es Literatur, die beim Projektaufbau geholfen hat oder noch immer unter-
stützt?
Interviewleitfaden Ueli Strauss-Gallmann (Leiter AREG), Peter Bischof (Quar-
tierentwickler), Christoph Bücheler (Leiter Gartenbauamt) und Robert Kull (Lei-
ter Fachstelle Natur und Landschaft)
1. Wo und wann haben Sie bereits mit Urban Gardening Kontakt gehabt?
2. Wo sehen Sie einen Nutzen von Urban Gardening?
3. Ist ein Projekt in der Stadt St.Gallen denkbar?
4. Welchen Ort könnten Sie sich dazu vorstellen?
5. Wie sähe für Sie idealerweise die Organisation aus?
6. Wo liegen Ihrer Meinung nach allfällige Probleme?
7. Wie kann diesen Problemen begegnet werden?
8. Werden Sie Urban Gardening fördern?
9. Wie sehen konkrete Fördermassnahmen aus?
10. Was muss bei der Stadt St.Gallen speziell beachtet werden? Worin unter-
scheidet es sich von anderen Städten?
11. Wie können St. Gallerinnen und St. Galler motiviert werden, ein UG Projekt zu
starten?
Yasmine Zweifel 102
12. Welchen Stellenwert geben Sie UG heute? Wie wird es sich in Zukunft entwi-
ckeln?
13. Wie könnte Urban Gardening zur Versorgung der städtischen Bevölkerung
beitragen?
14. Wie ist Ihre Sichtweise des momentanen Ernährungssystems weltweit?
15. Was muss oder soll sich ändern?
Leitfaden R. Hofstetter (Grün Stadt Zürich)
1. Beschreiben Sie bitte kurz Ihre Aufgaben bei Grün Stadt Zürich.
2. Was bedeutet Urban Gardening (UG) für Sie?
3. Wie sind Sie auf diese Bewegung aufmerksam geworden?
4. Welche Erfahrungen machen Sie mit Projekten von UG?
4.1. Wo liegen Schwierigkeiten?
4.2. Was waren positive Erlebnisse?
4.3. Wovon waren Sie überrascht?
4.4. Wie sind die Reaktionen der Bevölkerung?
5. Wie begegnen Sie den Schwierigkeiten und Problemen?
5.1. Welche Kritik gibt es an UG?
5.2.Wie stehen Sie zu dieser Kritik?
6. Welchen Nutzen sehen Sie in UG? Und für wen?
7. Welche Empfehlungen können Sie jemandem geben, der ein neues Urban Garde-ning Projekt starten möchte?
7.1. Welche Orte eignen sich und wie findet man diese?
7.2. Wie finanziert man solche Projekte?
7.3.Wie sieht die Organisation eines Projektes idealerweise aus?
7.4. Wie werden die Bürgerinnen und Bürger motiviert, sich einem Projekt an-zuschliessen oder selbst etwas zu initiieren?
8. Welchen Stellenwert geben Sie UG heute?
8.1. Wie wird es sich in Zukunft entwickeln?
9. Wie könnte Urban Gardening zur Versorgung der städtischen Bevölkerung beitra-gen?
10. Wie ist Ihre Sichtweise des momentanen Ernährungssystems weltweit?
11. Was muss oder soll sich ändern?
Yasmine Zweifel 103
Interviewleitfaden Franziska Ryser (Junge Grüne), Basil Obrholzer (Junge Grü-
ne St.Gallen) und Daniel Rüttimann (Präsident Grünliberale St.Gallen)
1. Was bedeutet für Sie Urban Gardening?
2. Wo sind Sie zum ersten Mal mit UG in Kontakt gekommen?
3. Wie wichtig wäre es, in St.Gallen ein neues Projekt zu Urban Gardening zu ha-
ben?
a) Wo liegt Ihr Interesse an einem solchen Projekt?
b) Was wäre der allgemeine Nutzen?
c) Gibt es auch mögliche Gefahren von UG
4. Wäre es denkbar, mit Ihnen zusammenzuarbeiten? Würden Sie ein Projekt unter-
stützen?
5. Wenn ja, wie könnte diese Zusammenarbeit konkret aussehen?
6. Welchen Stellenwert geben Sie UG heute? Wie wird es sich in Zukunft entwi-
ckeln?
7. Wie könnte Urban Gardening zur Versorgung der städtischen Bevölkerung beitra-
gen?
8. Wie ist Ihre Sichtweise des momentanen Ernährungssystems weltweit?
9. Was muss oder soll sich ändern?
Yasmine Zweifel 104
B. 10 Steps to Starting a Community Garden
Yasmine Zweifel 105
C. Tabelle mit den Kategorien
Tabelle 3: Kategorien
Voraussetzungen Erfolgsfaktoren Probleme
SeedCity Land, Akzeptanz, Motiva-
tion, Engagement
Keine Verpflichtung, Bunte
Community, ehrenamtliche
Arbeiter, Fläche
Wechsel von Mit-
gliedern, Gewohn-
heit
Landhof Begleitperson, Regelmäs-
sig, Übersicht, Verantwor-
tung, Wissen, Nähe zur
Bevölkerung
Medienpräsenz, neue Leute
kommen vorbei, Führungen,
Zusammenarbeit mit der
Stadtgärtnerei (Fläche und
Infrastruktur gratis), Fläche,
mitmachen wann man will
Finanzierung
O’pflanzt
is!
Unterstützung durch die
Gemeinde oder eine star-
ke Initiative von engagier-
ten Leuten mit klarem
Konzept, Kombination:
Brachfläche, engagierte
Gruppe und Wohlwollen
der Öffentlichkeit
Genialer Name und Lage, Leu-
te kommen vorbei, klares Kon-
zept und stabile Rahmenbe-
dingungen
Einbindung in die
Nachbarschaft, klare
Ziele, Öffentlichkeit
und Interessierte
besser einbinden
Stadion-
garten
Leute, die den Garten
pflegen, Koordination und
Infrastruktur, Kern von
Stammnutzern mit kleiner
Fluktuation, Engagement,
offene Stadt
Engagement, Fläche, Kon-
stanz in der Gartenpflege,
Veranstaltungen um den Gar-
ten lebendig zu halten
wenig Leute kom-
men oder niemand
will sich engagieren
Grün Stadt
Zürich
Initiative darf nicht von der
Stadt aus kommen
Nachfolgeschaft und Finanzie-
rung müssen von Beginn an
geklärt werden
Feste und Infoveranstaltungen
Energie der Beteilig-
ten verpufft nach
gewisser Zeit,
Bodenverschmut-
zung
Yasmine Zweifel 106
D. Informationszettel
Yasmine Zweifel 107
E. Fragebogen
Wie sind Sie auf das Projekt aufmerksam geworden?
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Wie finden Sie die Idee, Nahrungsmittel in der Stadt anzubauen?
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Würden Sie bei einem Gemeinschaftsgarten-Projekt mitarbeiten?
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Haben Sie eine konkrete Idee für ein solches Projekt bezüglich Standort, Organisation etc.?
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Name/ E-Mail-Adresse (freiwillig)
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Ich interessiere mich für die Resultate der Masterarbeit, bitte senden Sie mir ein
Exemplar per E-Mail. (Das wird erst im Herbst möglich sein.)
Yasmine Zweifel 108
F. Die Landwirtschaft
Die Landwirtschaft erlebte drei Revolutionen. Die letzte ging Ende des 19. Jahrhunderts von
Nordamerika aus und lässt sich in drei Phasen einteilen. Die Mechanisierung, die auf
Kunstdünger basierte Landwirtschaft und die Entwicklung der globalen Nahrungsmittelin-
dustrie. Wissenschaftliche Entdeckungen und technische Erfindungen sind die Gründe der
Industrialisierung der Landwirtschaft. Menschen und Tiere wurden durch Maschinen ersetzt,
Düngemittel und Pestizide vergrösserten das Produktionsvolumen und die Sortenvielfalt
begann sich zu Gunsten von Hochertragssorten drastisch zu verkleinern. Die grüne Revolu-
tion bezeichnet den Kampf gegen den Hunger. Da immer mehr Menschen die Erde bevöl-
kern, forschte man in den 1960er Jahren nach leistungsfähigeren Sorten, vor allem bei
Mais, Reis und Weizen. Im Labor fanden Wissenschaftler Pflanzen, die mit Hilfe von che-
misch entwickeltem Dünger bessere Erträge brachten. Die Folgen der im Labor entwickel-
ten Pflanzen waren ein verstärkter Schädlings- und Krankheitsbefall. Dagegen wurden Pes-
tizide entwickelt. Mit diesem Paket von besserem Saatgut, Düngemittel, Wasser und Pesti-
ziden liess sich die Produktion zwei- bis fünfmal erhöhen. Aus heutiger Sicht ist die Grüne
Revolution gescheitert, da der Hunger nicht bekämpft wurde, hingegen viele andere negati-
ve Auswirkungen ersichtlich wurden. Jedoch kann man nun aus diesen Beobachtungen ler-
nen (Knox & Marston, 2008).
Yasmine Zweifel 109
G. Artikel im St. Galler Tagblatt (05.08.2014)
Der langsame Einzug eines Trends
Die «Wiborada-Gartenweiber» Meie Lutz (links) und Claudia Lena Schnetzler in ihrem alten Klos-
tergarten. (Bild: Urs Bucher)
Was in Grossstädten entsteht, braucht bekanntlich etwas länger, um in der Ost-schweiz anzukommen. Das gilt auch für das «Urban Gardening». An der Stadt liegt das nicht: Sie will das gemeinschaftliche Gärtnern im urbanen Raum fördern.
SARAH SCHMALZ
Am Montagnachmittag macht sich Meie Lutz
auf in den Garten. Es gibt immer etwas zu tun
in der ehemaligen Klosteranlage an der Stei-
nach, die Lutz mit weiteren Frauen bewirt-
schaftet. Gemüse war hinter der katholischen
Kirche St.Georgen lange nicht mehr gewach-
sen, als die «Wiborada Gartenweiber» be-
schlossen, die Fläche zu bewirtschaften.
«Wir wollten Verantwortung übernehmen für
das brachliegende Land», sagt Lutz – und
spricht dabei einen zentralen Gedanken des
sogenannten «Urban Gardenings» aus. Dieses
entstand in der sozialistischen Mangelwirt-
schaft Kubas und wurde in den Brachen von
Detroit und New York zu einem urbanen
Trend. In Städten wie Berlin oder München,
aber auch in Zürich und Basel gibt es ver-
schiedenste «Urban Gardening»-Projekte. In
St.Gallen gehören die «Wiborada Gartenwei-
ber» zu den wenigen Stadtgarten-Initiantinnen.
Lieber im eigenen Gärtli
Von einem gewöhnlichen Schrebergarten un-
terscheidet das Projekt etwa, dass nicht jeder
in seinem Gärtli gräbt. Die Frauen bewirt-
schaften den Klostergarten gemeinsam. Wer
sich am biologischen Gemüse- und Blumen-
pflanzen beteiligt, muss regelmässig seinen
Beitrag leisten. Es herrscht jedoch Flexibilität,
was Ferienabwesenheiten und Wechsel im
Gärtnerinnen-Team anbelangt.
Das passt zur urbanen Unverbindlichkeit. Of-
fenbar aber nicht sehr zu St.Gallen: In der
vierten Saison sind die «Gartenweiber» nur
noch zu dritt. Es sei nicht einfach, Mitwirken-
de zu finden, sagt Lutz. Viele bevorzugten das
eigene Fleckchen Garten.
Unbepflanzte Töpfe
Weitermachen wollen die Frauen dennoch.
Seit kurzem gibt es einen Internetauftritt und
Yasmine Zweifel 110
die Frauen hoffen, dass wieder neue Gärtne-
rinnen zu ihnen stossen werden.
Länger bestehende Projekte, die in Richtung
«Urban Gardening» gehen, sind nebst dem
Klostergarten der Garten des Kinderlokals «Ti
Rumpel» in der Lachen und die Heks-
Migrantengärten in Bruggen. Daneben flacker-
te der Trend einige Male kurz auf: Etwa durch
die jungen Autonomen, die an der Fürsten-
landstrasse einen brachliegenden Garten be-
setzten und diesen dann mit Erlaubnis des Be-
sitzers zwischennutzen durften. Ungenutzt
blieben hingegen die Töpfe, welche die Occu-
py-Bewegung mit Hilfe des Gartenbauamtes
im Stadtpark deponierte.
Warum sich das städtische Gärtnern in
St.Gallen bislang nicht durchsetzt, hat Yasmi-
ne Zweifel für ihre Masterarbeit an der PHSG
untersucht. Sie liefert eine logische Antwort:
Im Gegensatz zu den Grossstädten, in denen
gerade aus der unteren Schicht viele keinen
Zugang zur Natur hätten, sei der Leidensdruck
hier wohl einfach noch nicht gross genug.
St.Gallen liegt nicht nur im grünen Ring, es
gibt derzeit auch noch verhältnismässig viele
Schrebergärten zu mieten.
Doch auch wenn St.Gallen nie so urban sein
wird wie die grössten Schweizer Städte: Was
trendy ist, erreicht mit einiger Verspätung
meist gar die Ostschweiz.
Das Gartenbauamt hilft
Der Leiter des Gartenbauamts, Christoph Bü-
cheler, hofft das zumindest. «Brachland zu
bepflanzen macht doch absolut Sinn», sagt er.
Der Experte denkt etwa an Parkplätze und
Hinterhöfe, an freie Flächen zwischen Wohn-
blocks, an Dächer oder ungenutztes Bauland.
Um Gartenbauprojekte anzuregen, hat das Amt
für Umwelt und Energie in Zusammenarbeit
mit dem Gartenbauamt und dem Stadtpla-
nungsamt 2013 die Broschüre «Natur findet
Stadt» herausgegeben. Sie soll Städtern ohne
eigenes Land «Mut machen, eigene Garten-
träume zu verwirklichen». Projektgruppen mit
Ideen würden von der Stadt bei der Suche nach
einem Platz unterstützt, sagt Bücheler. Das
Gartenbauamt stelle ihnen Material zur Verfü-
gung – etwa Erde, Kompost oder SBB-
Paletten für mobile Beete. «Die Leute müssen
aber selber aktiv werden.»
Yasmine Zweifel 111
H. Eidesstattliche Erklärung
Ich, Yasmine Zweifel, erkläre hiermit, dass ich diese Masterarbeit selbstständig und ohne
fremde Hilfe verfasst habe, nicht anderweitig ganz oder in Teilen als Abschlussarbeit vorge-
legt, keine anderen als die angegebenen Quellen oder Hilfsmittel benützt sowie wörtliche
und sinngemässe Zitate als solche gekennzeichnet habe.
Ort, Datum ......................................................Unterschrift ......................................................
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