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Page 1: Von Kommunisten und enttäuschten Freunden · 2019-10-30 · mann-Stellvertreter Michael Schickhofer zwar von der Pole-Po-sition aus, doch ist die ÖVP der ei-gentliche Titelverteidiger.

POLITIK Mittwoch, 30. Oktober 20198

ie hat ihn an die Macht ge-hievt, nun will sie ihn ablö-sen: Landauf, landab, wirbt

die steirische SPÖ mit der Plakat-parole „Schichtwechsel“ um dieAbwahl von LandeshauptmannHermann Schützenhöfer (ÖVP). Ineinem knappen Monat wird sichfür die Sozialdemokraten zeigen,ob der Slogan Früchte trägt: Am24. November wird in der Steier-mark der Landtag gewählt.

Die SPÖ startet mit ihrem Spit-zenkandidaten und Landeshaupt-mann-Stellvertreter MichaelSchickhofer zwar von der Pole-Po-sition aus, doch ist die ÖVP der ei-gentliche Titelverteidiger. Mit29,3 Prozent lag die SPÖ bei derLandtagswahl 2015 noch knappvor ÖVP (28,5) und FPÖ (26,8).Dem Urnengang folgte aber dasgroße Staunen: Der damalige Lan-deshauptmann Franz Voves (SPÖ)befürchtete einen Absprung sei-nes Koalitionspartners ÖVP zurFPÖ. Er überließ seinem Stellver-treter Schützenhofer sein Amt,um Rot-Schwarz zu sichern, undzog sich aus der Politik zurück.

Nun verfügt die steirische ÖVPüber den bei Landtagswahlen sowichtigen Amtsinhaberbonus –und auch der bundesweite Trendspricht für sie: Während parteiin-terne Turbulenzen SPÖ und FPÖzusetzen, eilt die ÖVP von Wahl-sieg zu Wahlsieg. Politologe KlausPoier, Professor am Institut für Öf-fentliches Recht und Politikwis-senschaft an der Karl-Franzens-Universität Graz, hält daher einenÖVP-Wahlsieg für wahrscheinlich:„Im Vergleich zu Bundeswahlenlässt sich die Lage aber schwerereinschätzen, da auf Landesebenenur sehr wenige Umfragen ge-macht und publiziert werden.“

FragezeichenFreiheitliche

Ungewiss bleibt, wie sich die Tur-bulenzen der FPÖ im Bund in derSteiermark niederschlagen. „Diesteirische FPÖ war bisher in zweiBereichen erfolgreich: Sie sprachfrühere ÖVP-Wähler am Land undehemalige SPÖ-Wähler in den In-dustriegegenden an“, erklärt Poi-er. Ob SPÖ und Volkspartei auf-grund der diversen FPÖ-Affärendiese Wähler zurückgewinnenkönnen und die Freiheitlichen einMobilisierungsproblem wie beider Nationalratswahl haben, sinddaher die großen Fragen.

S

Knifflig könnte die Koalitions-bildung werden. Nachdem ÖVP,FPÖ und Grüne im Septemberüberraschend Neuwahlen ausge-rufen hatten, kritisierte Voves ineinem offenen Brief Schützenhö-fer. Dieser habe mit dem „Koaliti-onsbruch“ das Miteinander aufge-kündigt, so Voves. Eine erneuteKoalition mit der ÖVP solle dieSPÖ nicht anstreben. An Schüt-zenhofer gerichtet, unterzeichneteer den Brief mit: „Dein enttäusch-ter Freund Franz Voves.“

Ist nun die Schiene RichtungSchwarz-Blau gelegt? „Das warvermutlich eine emotionale Reakti-on. Ich glaube nicht, dass Vovesdauerhaft an dieser Meinung fest-hält“, so Poier. Er schätzt

Schwarz-Blau als auch Schwarz-Rot als realistische Optionen ein:„Die steirische SPÖ ist verstimmt.Aber das Gesprächsklima zwi-schen allen Parteien ist auf Lan-desebene wesentlich besser alsauf Bundesebene.“

Das verflixteGrundmandat

Schwarz-Grün dürfte in der Stei-ermark keine Chance haben:Selbst bei einem starken Plus bei-der Parteien ist eine Mehrheitwohl unerreichbar. Die Grünendürfen aufgrund des allgemeinenTrends mit Gewinnen rechnen,sagt Poier. Doch startet die Parteivon einem niedrigen Niveau aus:2015 kam sie auf 6,7 Prozent.

Rechnerisch möglich könnte ei-ne Dreierkoalition zwischen ÖVP-Grünen-Neos sein. Dafür müssendie Pinken eine spezifisch steiri-sche Hürde überspringen, umerstmals in den Landtag einzuzie-hen. Anders als bei der National-rats- und den anderen Landtags-wahlen gibt es keine landesweiteProzenthürde, stattdessen müs-sen Parteien in einem der vierWahlkreise ein Grundmandat er-ringen. Im größten WahlkreisGraz und Umgebung und in derObersteiermark war es 2015 fürrund sechs Prozent zu haben. Inder Oststeiermark mussten dafürrund acht, in der Weststeiermarkrund elf Prozent erzielt werden.

Für Kleinparteien wie die KPÖ

und Neos ist das herausfordernd.Sie fokussieren sich auf denWahlkreis Graz und Umgebung:„Graz unterscheidet sich von derZusammensetzung der Wahlbe-völkerung von der restlichen Stei-ermark. Die Stadt ist sehr urban,es gibt viele Studenten. Hier kön-nen die Grünen, Neos und KPÖihre Stimmen machen“, so Poier.

Rund zehn Prozent erzieltendie Neos im Wahlkreis Graz undUmgebung bei der Nationalrats-wahl 2019, Poier hält ihren Ein-zug in den Landtag für wahr-scheinlich. „Es wird für sie aberschwieriger als bei der der Natio-nalratswahl, wo sie mit BeateMeinl-Reisinger eine in den Medi-en stark präsente Spitzenkandida-tin hatten. Bei der Landtagswahlfehlt nun ein solcher Kandidat.“

Knapp könnte es für die KPÖwerden: Mit 6,44 Prozent erreich-te sie 2015 im Wahlkreis Grazund Umgebung ihr Grundmandat.Die Partei habe durch starke Kan-didaten und eine bürgernahe Poli-tik, etwa im Wohnbereich, einigeStammwähler gewonnen, sagt Poi-er: „Auch in bürgerlichen Gegen-den war es schick, kommunis-tisch zu wählen.“ Auszuschließensei ein erneuter Einzug dahernicht. „Doch wird es für die KPÖdieses Mal schwerer als bei ver-gangenen Wahlen.“ Die wieder er-starkten Grünen könnten der Par-tei die entscheidenden Stimmenkosten.

StreitthemaSpitäler

Ein spezifisch steirisches Themain diesem Wahlkampf ist die Spi-talspolitik, sagt Poier. Die rot-schwarze Landesregierung willSpitäler schließen und im neuenLeitspital Liezen in der Oberstei-ermark zusammenfassen. „Dort,wo ein Spital geschlossen werdensoll, kommt es zu regionalen Pro-testen“, sagt Poier. Davon wollenvor allem FPÖ und KPÖ profitie-ren: Bei einer von den beiden Par-teien initiierten Volksbefragungim Bezirk Liezen stimmten 63,7Prozent gegen das Projekt. DasErgebnis ist rechtlich nicht bin-dend, die Landesregierung will andem Projekt festhalten.

Dass solche länderspezifischenThemen die Wahlen entscheiden,bezweifelt Poier: „Häufig ist esder Bundestrend, der die stärkereWirkung erzeugt.“ Dieser Trendarbeitet gegen den von der SPÖgewünschten „Schichtwechsel“. ■

Von Kommunisten undenttäuschten Freunden

Politologe Klaus Poier analysiert die Ausgangslage für die steirische Landtagswahl.

Von Daniel Bischof

SPÖ

(-9,0%)29,3%

(-8,7%)

ÖVP

28,5%

FPÖ

26,8%(+16,1%)

Grüne

6,7%(+1,1%)

KPÖ

4,2%(-0,2%)

Neos

2,6%(n.k.)

Landtagswahl Steiermark

Spitzenkandidaten

WZ-Gra�k/ham; Quelle: apa/Wahlbehörde

Neos

KPÖ

Grüne

Sandra Krautwaschl*1971; Physiotherapeutin; seit Jänner 2019 grüne Landesche�n

Claudia Klimt-Weithaler*1971; Pädagogikstudium; seit 2010 Klubvorsitzende

Niko Swatek*1991; Physik-Studium; seit 2017 im Grazer Gemeinderat und NEOS-Landessprecher

FPÖ

Mario Kunsasek*1976; Kfz-Techniker, seit 2014 FPÖ-Landeschef; 2017–2019 Verteidigungsminister

ÖVP

SPÖ

Hermann Schützenhöfer*1952; kaufmännische Lehre; seit 2006 VP-Landesobmann; seit 2015 Landeshauptmann

Michael Schickhofer*1979; Studium Betriebswirtschaft; seit 2015 SPÖ-Landeschef und LH-Stellvertreter

Ergebnisse Landtagswahl 2015inkl. Wahlkarten; Wahlbeteiligung 67,9 %

Stimmenstärkste Partei 2015 nach Gemeinde

15

1414

3 2Mandateim

Landtag

Wahl-berechtigte:

955.784(vorläu�g)

am 24. November

Einwohner: 1.243.052

Fläche: 16.401

km2

Sondierungen. Am Dienstag hateine weitere Sondierungsrundezwischen ÖVP und Grünen statt-gefunden, konkret zwischen ihrenSpitzen Sebastian Kurz und Wer-ner Kogler. Bekannt wurde nur,dass die beiden über die zu er-wartenden wirtschaftlichen Rah-menbedingungen für Österreichin den kommenden Jahren undderen Folgen für den Arbeits-markt und den Sozialbereichsprachen. Unterschiede in derSichtweise gebe es, sagte Kogleraber (noch) nichts Unüberwindba-res: „Sonst wäre ich durch dieHintertüre rausgegangen.“

Sozialwirtschaft will New Deal.Die Sozialwirtschaft Österreich,die 470 Betriebe als Dachverbandvertritt, schlägt der künftigenBundesregierung einen „NewDeal“ vor. Sie will wieder ver-stärkt in Gesetzesvorhaben einbe-zogen werden. Vorsitzender ErichFenninger und GeschäftsführerWalter Marschitz fordern unteranderem die Überarbeitung derneuen Sozialhilfe, um Armut zuvermeiden, und eine neue Ausbil-dung für Pflegekräfte. „Wir wün-schen uns von der neuen Bundes-regierung sozialpolitische Leitpro-jekte“, wurde betont.

Familienbeihilfe verteidigt. ImKonflikt mit der EU um die vonÖsterreich beschlossene Anpas-sung der Familienbeihilfe an dietatsächlichen Lebenshaltungskos-ten, was für Kinder im EU-Aus-land teils kräftige Kürzungenbringt, gibt auch die Übergangs-regierung nach einem Bericht vonorf.at nicht nach. Man habe in ei-ner Stellungnahme die bisherigePosition untermauert, hieß es. DieEU-Kommission hat bereits zweiMahnschreiben an Österreich ge-schickt. Die EU-Behörde mussentscheiden, ob sie den Europäi-schen Gerichtshof anruft.

Nächtigungsverbot für Bettler.Der Verfassungsgerichtshof hateine Beschwerde gegen das Näch-tigungsverbot in der InnsbruckerInnenstadt für Bettler und Ob-dachlose abgelehnt. Ein Betroffe-ner hatte das Verbot mithilfe ei-nes Anwaltes vor den VfGH ge-bracht. „Die Nächtigungsverbots-verordnung des Gemeinderatesder Landeshauptstadt Innsbruckstellt eine verhältnismäßige Maß-nahme dar, um angesichts desAusmaßes das örtliche Gemein-schaftsleben störende Missständeabzuwehren bzw. hintanzuhal-ten“, begründete der VfGH.

Doppelpass für Südtiroler. In derSVP gibt es Aufregung über dieInitiative einiger Mitglieder für ei-ne Doppelstaatsbürgerschaft fürSüdtiroler. Während Landes-hauptmann Arno Kompatscherden Vorstoß nicht unterstützt, ha-ben einen entsprechenden Brief,der an die Republik Österreich ge-schickt wurde, namhafte SVP-Po-litiker wie etwa ParteiobmannPhilipp Achammer und Landtags-präsident Sepp Noggler unter-zeichnet. Kompatscher erklärte,das Schreiben sei nicht von derPartei unterstützt, sondern eineInitiative von Einzelpersonen.

Kurz notiert