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Behörde für Bildung und Sport – Pädagogische Beiträge Verlag

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Z e i t s c h r i f t f ü r H a m b u r g e r L e h r k r ä f t e u n d E l t e r n r ä t e

HA

MBU

RGM

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TSC

HU

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Unterricht vorbereitenBBS-Info Capital-Studie:Wissenschaftlich?

Forum Schulsystem:Quo vadis?

SchulforschungPISA 2003: Hamburgim Vergleich

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»Buben, wo sind wir beim letzten Mal stehen geblieben?« So begannen vor langer Zeit die wöchent-lichen Geographiestunden bei Herrn Dr. Fleischmann, genannt Wurschtl. Ergebnis – und das überWochen: »Gerade haben wir mit dem Kaukasus angefangen.« Das tat er gerne immer wieder, auchkriegsbedingt, und zur Bekräftigung seines Lehrervortrags klopfte er auf sein dort erworbenes Holz-bein. Eine spezielle Vorbereitung auf diesen Unterricht war nicht nötig, wenn man sich einmal aufdiese Art der Schülerorientierung – Sequenzialisierung des Kompetenzaufbaus durch Zuruf aus derLerngruppe – entschieden hatte. Unser damaliger Geographie-Unterricht hatte für beide Seiten durchaus Vorteile – für uns Schülerz. B. eine willkommene und bitter notwendige Entlastungsfunktion gegenüber den rigiden und bra-chial durchgesetzten Anforderungen anderer Lehrer.Ungeachtet solcher Formen von Türschwellendidaktik – heute nicht mehr vorstellbar –, haben Theo-rien systematischer Unterrichtsplanung eine lange Tradition: von den katechetisierenden Methodender Jesuitenschulen, die in den Schülern eher Werkstücke als Lernsubjekte sahen bis zum bildungs-theoretischen Ansatz Klafkis, dem Hamburger Planungsmodell von Schulz und der »Didaktik zumAnfassen« von Gudjons. Alle hatten ihre akademischen Hochzeiten, bildeten ihre Schulen, regten Pro-motionen an, mischten sich und fanden in pragmatischer Reduktion Zugang ins Referendariat. Aufdas vorherrschende Unterrichtsskript – wie man seit Baumert zu sagen pflegt – und die Vorbereitungdarauf war und ist ihr Einfluss begrenzt. Heute gibt es alles – vom nach wie vor dominanten fragend-entwickelnden Verfahren, dem Lehrervortrag, der individuellen Aufgabenstellung im Rahmen einesWochenplans bis zum Stationenlernen. Das ist auch gut so, wenn dabei die großen Orientierungen –an den Bildungsstandards, den gesellschaftlichen Anforderungen und den Schülerinteressen – Be-rücksichtigung finden.Die ideale Unterrichtsplanung, derer man sich im Prinzip für jede Stunde als Musteranleitung bedie-nen könnte, gibt es nicht – zu unterschiedlich sind die Individuen, die Lerngruppen, die Ziele und dieFunktion der Stunde in der jeweiligen Unterrichtssequenz. Exemplarisch berichten deshalb Kolle-ginnen und Kollegen – höchst anregend und gar nicht spröde – in diesem Heft über ihre Vorbereitungauf den Unterricht• in einer speziellen Sonderschule mit seiner typischen Anforderung der Ziel- und Inhaltsdifferen-

zierung, nach der ein »Lernpaket für jedes Kind« gepackt werden muss;• in Hauptschulklassen, die mit Wochenplänen arbeiten, wofür ein stabiler Rahmen aus Regeln,

Ritualen, Materialien bis hin zur Klassenraumgestaltung geschaffen werden muss. Erst dies kannselbstgesteuertes Lernen ermöglichen und es erfordert eine Vorbereitung mit langem Atem, die dann

aber auch entlastende Funktion hat;• in zwei Leistungskursen Englisch, bei denen sich durch die kooperative Vorbe-

reitung sowohl Optimierungs- als auch Entlastungseffekte ergeben;• bei der gemeinsamen Entwicklung eines Arbeitsauftrags für einen vollständi-

gen Arbeitsprozess, bei der Gewerbelehrer und betriebliche Ausbilder zusammen-arbeiten.

Vor lauter Kaukasus und anderen exotischen Weltgegenden musste natürlich inunserem Geographieunterricht einiges ausgespart bleiben, z. B. die norddeutscheTiefebene samt Nord- und Ostseeküste. Aber es gibt ja noch ein Leben nach derSchule und das hat dann bei mir diesbezüglich für Kompensation gesorgt.

Hamburg macht Schule 3|2005

Editorial

Hamburg macht Schule 3|2005

Inhalt

10 Professionelle Unterrichtsvorbereitung

14 Für jeden Schüler planen Unterrichtsvorbereitung in einer speziellen Sonderschule

16 Abkehr von der Stundenvorbereitung Längerfristige Aufgabenplanung in Hauptschulklassen

18 Kooperative Unterrichtsvorbereitung

Eine Gesamtschul- und eine Gymnasiallehrerin arbeiten zusammen

20 Der Arbeitsauftrag Unterrichsplanung als Projektplanung von Betrieb und Schule

22 Die Alternative Ein aufgabenorientierter Unterricht

24 Zwischen kleinschrittiger Planung und Routinen

Wie verändert sich die Unterrichtsvorbereitung nach dem Referendariat?

27 Hinweise und Materialien

6 Quo Vadis?Weiterentwicklung des Schulsystems

6 Nach PISAForderungen an die Schulpolitik

von Peter Silbernagel

8 Zweigliedriges System, aber differenziert

Plädoyer für einen historischen Kompromiss

von Gabriele Behler

Unterricht vorbereitenModeration: Sabine Reh

Bildungspolitisches ForumVerantwortlich: Manfred Schwarz

28 Periodisches Schüler-FeedbackSchüler sorgen für diagnostischen Durchblick

von Dieter Schrader

Werkstatt Schule

30 Hamburg im LändervergleichPISA 2003

von Ulrich Vieluf

Schulforschung

Hamburg macht Schule 3|2005

Inhalt

Nachrichten: BBS

Vorbereitungsdienst 32So viele Bewerber wie noch nie

Medienverleih 33Neue Videos und DVds

Nachrichten Regional

Grundschule Wildschwanbrook 34Lesestadt: Lernendes Handeln

National Geographic Wissen 35Suche: Hamburgs beste Geographieschüler

Nachrichten Überregional

PISA 2003-Auswertung 36Schulpolitik: Was Medien meinen

Capital-Studie: Scheinbar wissenschaftlich 38Schulranking: Wunsch und Wirklichkeit

Bayern 39Brillant beim Bildungstest

Baden-Württemberg 39Neue Organisation der Arbeitszeit

Lernmittelbeschaffung I 40Bayern: Neues System

Lernmittelbeschaffung II 40Thüringen: Neue Regelungen

Lernmittelbeschaffung III 40Sachsen-Anhalt: Pro Buch bis zu drei Euro

Schülerzeitungswettbewerb I 43Der Spiegel belohnt die Besten

Schülerzeitungswettbewerb II 43KMK prämiert herausragende Leistungen

Jugend forscht I 45Bundespräsident ehrt Sieger

Jugend forscht II 45Neuer Wettbewerb gestartet

MarktplatzService-Angebote des LI 46»Herausforderungen der Einwanderungs-gesellschaft in der Schule«

Qualitätsentwicklung und 46SchulbegleitforschungFachtagung Anfang Oktober

Leserbrief zu HMS 2/05 46

BBS-InfoVerantwortlich: Manfred Schwarz

BBS-Info Impressum

3/0517. Jahrgang

Herausgeber:Behörde für Bildung und Sport (BBS),Peter Daschner, Landesschulrat, Direktor desLandesinstituts für Lehrerbildung und Schulent-wicklung (LI), Felix-Dahn-Str. 3, 20357 Hamburg,E-Mail: [email protected] Luckow, Leiter Presse- und Öffentlich-keitsarbeit, Hamburger Str. 31, 22083 Hamburg;E-Mail: [email protected]:Pädagogische Beiträge Verlag GmbH, Rothen-baumchaussee 11, Curiohaus, 20148 HamburgTel. (0 40) 45 45 83; Fax (0 40) 4 10 85 64 Verlagsredaktion und Gestaltung: Stefan KayserRedaktion für Schwerpunkt, Werkstatt Schule,Beitrag, Schulforschung, Marktplatz:Prof. Dr. Johannes Bastian (verantwortlich), Prof. Dr. Sabine Reh, Dr. Jochen Schnack, Tilman Kressel (Werkstatt Schule); Adresse:Rothenbaumchaussee 11, 20148 HamburgRedaktion für Bildungspolitisches Forum und BBS-Info:Dr. Manfred Schwarz (verantwortlich), Karin Bro-se, Colette Busse, Ulrich Hinderer, Hans-HermannSchumann, Rainer Wagner; BBS-Redaktionsassis-tenz: Rita Göttsche, Sabine Burmester, DorotheeMöller; Adresse: Behörde für Bildung und Sport,Hamburger Str. 31, 22083 Hamburg, Tel.: 4 28 63-21 59, Fax: 4 28 63-30 34, E-Mail: [email protected]: Schüthedruck, Kanzlerstraße 6, 21079 Hamburg, Telefon (0 40) 7 63 20 25Anzeigen: v. Wels + Schütze, Hamburger Str. 148,22083 Hamburg, Tel.: (0 40) 29 80 03-0, Fax: 29 80 03-90Erscheinungsweise: 4-mal pro JahrAuflage: 15.000Bilder: St. Kayser: S. 4, 19, 25; V. Mette: Titel, S. 4, 11, 13, 14/15. Alle weiteren Fotografiendieser Ausgabe wurden uns von den Autorinnenund Autoren zur Verfügung gestellt.Bezug: Hamburger Lehrkräfte und Elternräteerhalten HAMBURG MACHT SCHULE kostenlosüber die BBS. HAMBURG MACHT SCHULE kannauch beim Verlag bestellt werden. Hamburg macht Schule im Internet: www.publikationen.bbs.hamburg.dePreis: EUR 3,00 zzgl. Versandkosten. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck nur mit vor-heriger Genehmigung des Verlages.ISSN 09 35 – 98 50

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Bildungspolitisches Forum

Die Ergebnisse nationaler wieinternationaler Leistungsstudienhaben die Welt der Schulpolitik

erschüttert. Die Befunde zu den Leis-tungen deutscher Schülerinnen undSchüler insgesamt sind ernüchternd; diehohe Kopplung von Sozialschichtzuge-hörigkeit und Bildungschancen scho-ckierend. Vernünftige Konsequenzenwurden gezogen. Hierzu zählen u. a.:Unterstützung der Migrantenkinder, Ver-besserung der Lesekompetenz in allenFächern, sinnvollere Nutzung der Vor-schulzeit, regelmäßige Standardüber-prüfungen etc.. Die Studien fordern zuschnellem und praxisorientiertem Han-deln auf. Nur eines lässt sich aus den Stu-dien nicht schlussfolgern, dass es einenZusammenhang zwischen dem Schul-system und den Leistungsbefunden derSchülerinnen und Schüler gibt.

Daher ist es unseriös und fahrlässig,die Studien zu bildungsideologischenZwecken zu missbrauchen. Der populis-tische Umgang mit wissenschaftlichenBefunden birgt die Gefahr, dass grund-sätzlich Studien ihre Glaubwürdigkeiteinbüßen. Verzerrte Bilder von Schule,

Nach PISA Forderungen an die Schulpolitikvon Peter Silbernagel

Mehr noch als zuvor lautet nach der Veröf-fentlichung erster Ergebnisse der Pisa 2003-Studie eine wichtige Frage in der Schulpoli-tik: Wie sollte das Schulsystem grundsätzlichweiterentwickelt werden – ob in einem Flä-chenstaat wie Bayern oder Nordrhein-West-falen oder in einem Stadtstaat wie Berlin oderHamburg.

Auf den folgenden Seiten skizzieren Gebrie-le Behler, die ehemalige sozialdemokratische

Kultusministerin in NRW, und Peter Silber-nagel, Präsident des Nordrhein-Westfäli-schen-Lehrerverbandes (NRWL), ihre Vor-stellungen von zukunftsorientierter Schulpo-litik. Beide Autoren versuchen, ihre Antwortauf die Frage zu geben, welches Schulsystemam ehesten in der Lage ist, in Zukunft leis-tungsfähiger – und auch international kon-kurrenzfähiger – zu arbeiten.

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Weiterentwicklung des SchulsystemsQuo vadis?

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Bildungspolitisches Forum

interessengeleitete Inter-pretationen führen vielfachzu Pauschalierungen undDiffamierungen. Der seriö-sen Diskussion um mehrSchulqualität schaden sie.

Die für die Leistungsstu-dien verantwortlichen Wis-senschaftler stellen un-missverständlich fest, dasses »keinen Zusammenhangder Leistungen mit derSchulorganisation« gibt.Sowohl in gegliederten wieauch in integrativen Syste-men kommt es entschei-dend darauf an, wie Schülerinnen undSchüler gefördert und unterstützt wer-den, wie früh von Seiten der Lehrkräf-te Stärken und Schwächen diagnosti-ziert werden und wie wirksam die pä-dagogischen Rahmenbedingungen sind,in denen Kinder und Jugendliche ler-nen.

Warum dennoch der Ruf nach einerEntwicklung des gegliederten Schulsys-tems hin zu einem integrativen Ein-heitsschulsystem? Es mag daran liegen,dass die Einheitsverfechter die Studienselbst nicht gelesen haben (Lesekompe-tenzproblem nicht nur bei 15-Jährigen!).Es mag daran liegen, dass Schulideolo-gen glauben, zwei Halbwahrheiten er-gäben schon eine »Wahrheit«. Letztlichwerden nur Vorurteile über das geglie-derte Schulsystem zusammengetragen.Bewusst verschweigt man, dass auchLänder mit gegliederten Schulstruktu-ren besser abschneiden als Deutschland,ebenso gibt es zahlreiche Länder mit in-tegrativen Systemen, die schlechter ab-schneiden. Man verschweigt auch die gu-ten PISA-Ergebnisse der BundesländerBayern und Baden-Württemberg, die inden letzten Jahrzehnten statt unpro-duktiver Strukturdebatten auf dieWeiterentwicklung der Schulqualität ge-setzt haben.

In NRW beispielsweise haben jahr-zehntelange Diskussionen um Gesamt-schulen, Stufenschulen, »KOOP-Schule«,»Zwei-Säulen-Modell« und zuletzt dieVerbundschule davon abgehalten, dierichtigen Fragen nach Verbesserungenim bestehenden System zu stellen und

vernünftige Antworten zu geben. Bis1997 war es geradezu ein Tabu, in derschulpolitischen Auseinandersetzungvon Leistungsanforderungen, Begabten-unterstützung oder Eliteförderung zusprechen.

Mit dem bewussten Zur-Kenntnis-Neh-men internationaler und später auch na-tionaler Leistungsstudien zum Ende der90er Jahr wurden die Denkmuster einerschulpolitischen »Annäherungsphiloso-phie« abrupt beendet. Das hinderte vie-le Befürworter von Einheitskonzeptenkeineswegs daran, nach wie vor PISA,IGLU und sämtliche OECD-Studien fürihre Ziele zu instrumentalisieren.

Ein Einheitsschulsystem oder ein rein»integratives System« oder ein »Ge-meinschaftsschulsystem für alle« brin-gen nicht automatisch bessere Schüler-leistungen hervor. Sie lösen nicht die so-zialpolitischen Probleme. Sie schaffenallerdings die Schulwahlfreiheit für El-tern und Schülerinnen und Schüler abund widersprechen damit den Vorgabenvieler Landesverfassungen.

Fragen um den Erhalt oder die Auflö-sung von Schulformen befördern nurÄngste zu Schulstandortfragen und tra-gen Unruhe in den Schulalltag hinein.Nicht die Zerschlagung bestehenderSchulformen ist das Gebot der Stunde,sondern bessere pädagogische Rahmen-bedingungen in dem bestehenden Schul-system.

Im Übrigen sind die Schulstrukturenkeineswegs starr und unbeweglich. Ver-änderungen im Rahmen von Schulzeit-verkürzung, neue und bessere Durch-

lässigkeitsvorgaben, Kooperationsmo-delle bei stark reduzierten Schülerzah-len belegen die Flexibilität. RückläufigeSchülerzahlen sprechen im Übrigen nichtfür die Einebnung von Schulformen, sieeröffnen vielmehr die Chance, in kleine-ren und überschaubareren Schulen so-lide Bildungs- und Erziehungsarbeit zuleisten.

Die Weiterentwicklung des deutschenSchulsystems kann sinnvollerweise nurim Sinne einer »inhaltlichen Weiterent-wicklung«, d. h. einer bewussten undkonsequenten Ausrichtung auf die Um-setzung von Qualitätsstandards gesche-hen. Während andere Länder bereits vorvielen Jahren Leistungstests zum Anlassgenommen haben, die richtigen Fragenzu stellen und sachangemessene Ant-worten zu geben, hat Deutschland erstEnde der 90er Jahre eine öffentliche Dis-kussion um Leistungsbefunde geführt.Mehrere Jahrzehnte gingen verloren, indenen wir uns über effizientere Unter-richtsmethoden, bessere Förderungs-konzepte für schwächere wie stärkereSchülerinnen und Schüler, gute Fort- undAusbildungskonzepte hätten verständi-gen können.

Und wieder stehen wir in der Gefahr,über eine neue Schlagwort-Pädagogikdas Formale, Organisatorische, Struktu-relle in den Vordergrund zu rücken, stattüber Inhalte, Didaktik und Methodik,über gelingende Partnerschaft von Schu-le und Elternhaus und bessere Lehrer-ausbildungskonzepte zu streiten.

Zweifellos ist es sinnvoll, dass Schulenmehr Eigenverantwortung in bestimm-

VitaPeter Silbernagel hat Mathematik und Katholische Reli-gionslehre studiert und ist Oberstudienrat am Goethe-Gymnasium in Stolberg.Von 1981 bis 2002 war er Mitglied im Personalrat fürLehrkräfte an Gymnasien beim Regierungspräsidentenin Köln (bis 1985 beim Schulkollegium in Düsseldorf).Seit 2002 ist Peter Silbernagel Vorsitzender des Philolo-gen-Verbandes NRW und stv. Vorsitzender des Haupt-personalrats in Düsseldorf (Gymnasien). Im gleichenJahr übernahm er das Amt des Präsidenten des Nord-rhein-Westfälischen Lehrerverbandes (NRWL).

dazu geführt, dass dort gerade wegender sozialen Benachteiligung ihrer Schü-ler sich ein Selbstverständnis als sozia-le Reparaturinstanz auf Kosten einesVerständnisses von Schule als Lernraumentwickelte. Gleichzeitig war aber klar,dass der notwendige soziale Ausgleichnur im Ausnahmefall erreicht werdenkann. Es liegt auf der Hand, dass so eineAtmosphäre der Vergeblichkeit entsteht,die dringend aufgebrochen werden muss– auch schon im pädagogischen Ansatz.Nun ist es gut nachvollziehbar, dass sichdiese Mentalität entwickelt hat. Es istaber auch nachvollziehbar, dass so einpädagogischer Teufelskreis entsteht, ausdem die unmittelbar Beteiligten kaumherauskommen. Hier sind pädagogischeVeränderungen erforderlich; auch diesesetzen eine politische Verständigung vor-aus.

Schauen wir uns unter der Leitvor-stellung einer sozial gerechten und qua-litätsorientierten Expansion einmal ei-nige der letzten PISA-Ergebnisse an, dieeben nicht den gängigen Vorerwartun-gen entsprechen:• In NRW war das System seit den 60er

Jahren geradezu mustergültig expan-diert; die Leistungen in der Spitzen-gruppe litten darunter nicht, aber rd.ein Viertel der Schüler im unteren Seg-ment war und blieb depraviert. 2005zeigte sich, dass die Viergliedrigkeit inder Sekundarstufe I offenbar diesesProblem vergrößerte, statt es zu lösen.Das stark ausdifferenzierte System inNRW (man kann auch sagen: zersplit-terte) mit seinen Haupt- und Real-schulen, Gesamtschulen, Gymnasienund zusätzlich stark differenziertenSonderschulen zeigte nur geringe Fort-schritte bei den Lernergebnissen und

ten Bereichen erhalten, doch wird derBegriff »Selbstständigkeit« mittler-weise wie eine Monstranz vor schul-politischen Programmen vorangetra-gen, ohne dass man recht überlegt,was schulangemessen, pädagogischvernünftig ist und in sinnvollem Ver-hältnis von Aufwand und Ertrag zu-einander steht. Die Schulen »lech-zen« nicht nach Selbstständigkeit,sondern wünschen, von bürokrati-schem Ballast, von zeitaufwändigenQualitätssicherungsprogrammen,von Evaluationsnotwendigkeiten undimmer mehr Arbeitsgruppensitzun-gen, Steuergruppentreffen, Arbeits-kreisrunden, von Verwaltungsarbei-ten, Besprechungsmanie und Konfe-renzhektik befreit zu werden.

Die Phase des Reformaktionismusmuss vorbei sein. Womit nicht ver-neint ist, dass sich Schulen als le-bendige Organismen Veränderungenstellen müssen und im guten SinneNeues aufzunehmen bereit sein soll-ten. Aber Veränderungen müssen dieMenschen mitnehmen. Sie sind so zugestalten, dass sie das »Kernge-schäft« von Schule, Unterricht undErziehung, stärken.

Statt der Theoretiker müssen diePraktiker, statt der Ideologen die Re-alisten das Sagen haben. Auch wenndie PISA-Befunde bei weitem nichtdas gesamte Spektrum schulisch ver-mittelter Bildung, Erziehung undAusbildung abbilden, sie sind ein Sta-chel im Fleisch unseres Bildungssys-tems. Jahrzehntelang hat man in derSchulpolitik die falschen Fragen ge-stellt und sich entsprechend mit denfalschen Antworten abgefunden. Nunsind wir gezwungen, die wesent-lichen Fragen nach Schulqualität zustellen und tragfähige Antworten zugeben.

»PISA fängt im Unterricht an« -lässt sich schlicht resümieren. DieLeistungsbefunde provozieren keineAbrechnung mit dem Schulsystem.Sie verlangen soliden und gutenUnterricht. Hierzu muss die Schul-politik ihren Beitrag leisten. Daraufhaben unsere Kinder Anspruch!

In der Bildungspolitik ist ein histori-scher Kompromiss zwischen den gro-ßen politischen Lagern notwendig.

Möglich wird er, weil die empirischen Be-funde von niemandem geleugnet werdenkönnen. Er muss nachholen, was in den70er Jahren nicht erreicht werden konn-te: Eine Verständigung darüber, dass eineExpansion in der Bildungsbeteiligung aussozialen und ökonomischen Gründen ge-wollt ist, dass dabei die Qualität der Ab-schlüsse gesichert bzw. gesteigert wer-den muss, und die Verständigung darü-ber, in welchen Strukturen und mit wel-chen Instrumenten dies am ehesten Er-folg verspricht. Dieser Konsens muss or-ganisiert werden, und zwar deutsch-landweit.

Angesichts der PISA-Ergebnisse ste-hen wir vor der Aufgabe, die richtigenAntworten auf zwei Fragen zu finden:Wie organisiert man bildungspolitischam besten eine Leistungskultur? Und:Wie organisiert man die Strukturen, diediese Leistungskultur den Kindern allersozialen Schichten und unterschiedlicherHerkunft ermöglichen?

Dazu taugt der Rückfall in die alteSchulstrukturdiskussion nicht. Weder dieintegrierte Gesamtschule als Schule füralle noch das dreigliedrige System mitstaatlichem Zuweisungsanspruch sindder Königsweg.

Relativ leicht dürfte es sein, den poli-tischen Konsens in den Bereichen zu or-ganisieren, in denen es um die institu-tionelle Kultur des Lernens geht: MehrEigenverantwortung in einer selbstän-digen Schule - das wird durchgängig alsrichtig akzeptiert. Und die entsprechen-den Schritte sind eingeleitet. Aber es gehtum mehr. Ein Beispiel: Das Lernmilieuin vielen Haupt- und Gesamtschulen hat

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Bildungspolitisches Forum

Zweigliedriges System,aber differenziertPlädoyer für einen historischen Kompromissvon Gabriele Behler

keine beim sozialen Aus-gleich. Das legt die Ver-mutung nahe, dass dieseZersplitterung hinderlichist, denn etliche andereMaßnahmen zur Quali-tätssicherung wurdenhier wie in anderen Län-dern ergriffen, allerdingsohne den entsprechen-den Erfolg.

• Die neuesten Ergebnisseaus Baden-Württembergzeigen eine Stagnationder Leistungshöhe (aufhohem Niveau) und einenplötzlich extrem schlechten Wert beimAusgleich sozialer Benachteiligung. Of-fenbar hat das baden-württembergi-sche System, das sich wie kein ande-res über eine klare Dreigliedrigkeitkennzeichnet, die Entwicklungs-sprünge anderer Länder nicht mitge-macht.

• Die deutlichsten Entwicklungssprün-ge machten Sachsen und Thüringen,und zwar sowohl in der Leistungshö-he als auch beim Abbau von Chance-nungleichheit. Beide Länder haben seitihrer Gründung auf ein zweigliedrigesModell gesetzt: Die Oberschule derDDR wurde in das Gymnasium und dieMittelschule überführt, in der (daswestliche Modell von) Haupt- und Re-alschule aufgehoben sind.

• Bayern hatte unbestreitbar gute Er-gebnisse, in der Leistungshöhe und imsozialen Zugang. Was aber nutzt dembayrischen Hauptschüler seine guteLeistung, wenn er nach dem 9. Schul-jahr mit seinem Abschluss nur mitMühe einen weiterführenden Anschlussim System findet? Hier lohnt eine ge-nauere Analyse: Mängel in Bayern be-stehen offenbar in der fehlenden An-schlussfähigkeit. Interessanter ist aberdie Struktur in der Sekundarstufe I: Ent-gegen dem öffentlich verbreiteten Ein-druck ist die klare Dreigliedrigkeit imbayrischen Schulsystem erst jüngstenDatums. Erst seit September 2003 (unddamit ohne Auswirkungen auf die jüng-sten PISA-Ergebnisse) gibt es nach dem4. Schuljahr die Trennung in Haupt-schule, Realschule und Gymnasium. Bis

dahin gab es de facto ein zweigliedri-ges System: Nach der Grundschule gingein Teil der Kinder auf das Gymnasium,die anderen blieben auf der Volks-schule; nach dem 6.Schuljahr wiede-rum setzte als zusätzliche Differenzie-rung der Bildungsgang der Realschuleein, zum Teil in selbständiger Form,zum Teil als Zweig der Volksschule.

• All das spricht dafür, Systemfragenempirisch abgesichert zu beantwor-ten. Es muss doch zu denken geben,dass offenbar in zweigliedrigen Syste-men ein hohes Leistungniveau mit bes-serem sozialen Ausgleich kombinier-bar erscheint, wohl auch deswegen,weil sich ghettoisierte depravierte So-zialmilieus mit ihren das Lernen be-hindernden kulturellen Auswirkungendeutlich seltener herausbilden können.

Eine solche Lösung hat den großen Vor-teil, dass sie einen Systembruch vermei-det, der nur Abwehrkämpfe erzeugt unddamit Weiterentwicklungen behindert.Der Wille der Bevölkerungsmehrheit, dereben keine Gesamtschule für alle ak-zeptiert, würde so aufgenommen.

Sie kann auch relativ leicht in die nord-deutschen, stark differenzierten Syste-me als Entwicklungsleitbild eingebrachtwerden, denn die Realisierung kann fle-xible Varianten ermöglichen: mit rein ad-ditiven Systemen, mit Differenzierung/In-tegration in unterschiedlichen Jahr-gangsstufen und /oder Fächern usw.

Sie hat überdies den Vorzug, dass so-wohl die konservative wie die sozialde-mokratische Seite ihre Traditionen undWertvorstellungen einbringen kann, also

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nicht politische Identitäten in Frage ge-stellt werden müssen.

Ein solcher historischer Kompromisswürde de facto die bildungspolitischeHandlungsfähigkeit vergrößern, denn soentstünde (endlich) auch die mentaleFreiheit, sich schwerpunktmäßig mitdem zu beschäftigen, was Bildung aus-macht: mit den Inhalten des Lernens undden Haltungen des Lernens.

Er würde vor allem einer großen Ver-suchung entgegentreten, die im Augen-blick alle Chancen hat, zum neuen My-thos zu werden: dem Mythos der staat-lichen Abstinenz als Heilsbringer. Ange-sichts manch verfahrener Strukturdis-kussion ist es anscheinend verlockend,sich der politischen Verantwortunggleich ganz zu entledigen, indem mander Schule resp. einem vermeintlichfreien Bildungsmarkt alle Entscheidun-gen selbst überträgt und auf staatlicheSteuerung verzichtet. Auch hier hilft dieEmpirie weiter: Dänemark ist im jüng-sten Ländervergleich deutlich abgestürzt- die Wissenschaftler erklären dies miteinem Zuviel an Freiheit; die Balance vonSelbständigkeit und staatlicher Steue-rung (was etwas anderes ist als Regle-mentierung im Detail) sei verletzt wor-den. Und auch Schweden hat (entgegenmancher Wahrnehmung in Deutschland)eben nicht auf Steuerung verzichtet unddiskutiert jetzt darüber, ob kommunaleSteuerung zugunsten der staatlichen einStück weit zurückgenommen werdenmüsse.

Jetzt kommt es auf den politischenWillen beider Seiten an.

VitaDie sozialdemokratische Politikerin und Publizistin Gabriele Behlerhat Germanistik und Geschichte in Münster studiert (Lehramt Gym-nasium). Nach dem Referendariat arbeitete sie drei Jahre als Stu-dienrätin am Kreis-Gymnasium Gütersloh und war dann bis 1986Pädagogische Mitarbeiterin im Kultusministerium NRW. Anschlie-ßend leitete sie vier Jahre das Gymnasium Bielefeld-Heepen. Von1990 bis 1995 fungierte Gabriele Behler als Abteilungsleiterin imMinisterium für die Gleichstellung von Frau und Mann (Düsseldorf).Von 1995 bis 2002 war sie als Ministerin unter anderem für dasSchulwesen verantwortlich – zuletzt im Ministerium für Schule, Wis-senschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen. Von 1996bis 2005 war Gabriele Behler auch Landtagsabgeordnete (SPD).

man »professionell« unterrichten – undall das könnte man als Unterrichtsvor-bereitung verstehen: das Produzieren,Ablegen und Auswählen, Dokumentie-ren und Archivieren von Materialien,Unterrichtseinheiten und den damit ge-machten Erfahrungen. Alle Lehrer wis-sen, wie hilfreich ein Archiv sein kann,wenn Material gezielt abgelegt wird unddie gewonnenen Erfahrungen über-

schaubar dokumentiert werden. Dochliegen im »Sammeln« auch Gefahren –das ahnt schon jeder Referendar. Lehrerkönnen sich in zu großen Materialmen-gen verzetteln, ständig »auf der Pirschsein«, neue, bessere, aktuelle Materia-lien zu sammeln, auch in ihrer Freizeit

Unterrichtsvorbereitung nimmt ei-nen großen Teil der Arbeitskraftdes Lehrers in Anspruch – bei An-

fängern mehr, bei erfahrenen Lehrernund Lehrerinnen weniger. Es ist die Tä-tigkeit, die – wie Korrekturen – oft zuHause zu unterschiedlichen Zeiten statt-findet, die Außenstehende nicht sehenund die dennoch entscheidend die Qua-lität des erteilten Unterrichts beeinflusst.

Forschungen zur Arbeit von Lehrernund Lehrerinnen können wir entnehmen,dass die Beanspruchung, die durch dieVorbereitungstätigkeit entsteht, je nachSchulform und unterrichteten Fächernvariiert. Lehrpersonen an Gymnasiensind dabei durch Unterrichtsvorberei-tung deutlich stärker beansprucht als dieLehrer und Lehrerinnen anderer Schul-formen. Der zeitliche Aufwand für dieVor- und Nachbereitung von Unterrichtunterscheidet sich bei ihnen wiederumstark nach Fächern; Lehrende mitsprachlichen oder naturwissenschaft-lich-mathematischen Fächern wendendabei deutlich mehr Zeit für die Vorbe-reitung des Unterrichts auf als diejeni-gen der anderen Fachrichtungen (vgl.Böhm-Kasper u. a. 2001, S. 109f.). Durch-schnittlich wird ein Zeitaufwand vonetwa 13,5 Stunden pro Woche für die Vor-und Nachbereitung des Unterrichts an-gegeben. Es ist weniger die häusliche,zeitlich ungeregelte Arbeitssitu-ation der Unterrichtsvorberei-tung, die als eine Belastung emp-funden wird, sondern der Um-fang dieser Tätigkeit: je höherdie zeitliche Beanspruchung,desto stärker ist auch das subjektive Be-lastungsempfinden der Lehrer und Leh-rerinnen (ebd. S. 227).

»Hintergrundsarbeit«

Eine Menge an »Hintergrundsarbeit«(Bauer u. a. 1999, S. 154) fällt an, will

den »Unterrichtsblick« auf die Dinge desAlltags nicht loslassen. Bei allen Vortei-len eines reichhaltigen Archivs: Das aus-gewählte Material setzt zwar den Rah-men für die Unterrichtstätigkeit – aberauch mit schlechtem Material kann gu-ter Unterricht gemacht werden und um-gekehrt.

Produzieren, Ablegen, Auswählen vonMaterial, Dokumentieren und Archivie-ren ist nicht alles, vielleicht nicht einmaldie Hauptsache bei der Unterrichtsvor-bereitung; das wissen erfahrene Lehr-kräfte. Was zeichnet die Situation aus,auf die die Lehrenden sich vorbereiten?Das Unterrichtsgeschehen kann als derAufbau eines kommunikativen Bedeu-tungszusammenhangs, als interaktiveKonstruktion von Unterrichtsthemen undLerngelegenheiten zwischen Lernendenund Lehrenden verstanden werden. Dieeinzige Möglichkeit, die Lehrende wäh-rend des Unterrichtsprozesses haben,ihn zu beeinflussen, sind ihre eigenenKommunikationsbeiträge. Dabei stehensie unter Zeit- und Handlungsdruck, d.h. reflexive Distanz herzustellen ist in derSituation des Unterrichts nicht oft mög-lich.

Komplexe Interaktionssituation

Bis heute allerdings wird in der Ausbil-dung von Lehrern und Lehrerinnen oft

noch im Schatten eines »tech-nokratischen Missverständnis-ses« vom gesteuerten Unterrichtso getan, als sei Unterrichtsvor-bereitung im Sinne einer Pla-nung des späteren Handlungs-

ablaufes möglich. Lehrer und Lehrerin-nen tun tatsächlich aber in der alltäg-lichen Situation der Unterrichtsvorbe-reitung etwas anderes, wie uns die Be-obachtung des Vorbereitungsprozessesbei erfahrenen Lehrkräften lehren kann.Vorbereitung von Unterricht stellt für sie

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Thema

ProfessionelleUnterrichtsvorbereitung

Unterrichtsvorbereitung ist eine

Tätigkeit, die einen großen Teil

der Arbeitskraft der Lehrerinnen

und Lehrer in Anspruch nimmt.

Erfahrene Lehrpersonen anti-

zipieren Interaktionen und

planen Aufgaben. Sie sind

flexibel, können spontan um-

steuern, durch Erfahrung

ausgebildete »Muster« variieren

und – kooperativ im kollegialen

Forum – weiter entwickeln.

Unterrichtsvorbereitung ist Vorbereitung auf eine komplexe Interaktionssituation

nicht die Planung des Unplanbaren dar.Erfahrene Lehrerinnen und Lehrer wis-sen, dass sie sich auf einen (zweckratio-nal nicht zu steuernden) Interaktions-und Kommunikationsprozess vorberei-ten, ihre vorbereitende Tätigkeit stellteine Antizipation von Interaktionen dar,ist also die Vorbereitung auf eine kom-plexe Interaktionssituation (vgl. Kolbe1998, S. 247).

Die weitgehend starre und unflexiblePlanung einer linearen Abfolge vonHandlungsschritten der Lehrperson wür-de die Komplexität der Interaktionssitu-ation Unterricht verkennen und kann beiunerfahrenen Lehrkräften auch die Auf-merksamkeit auf die Situation und Prä-senz im Interaktionsgeschehen behin-dern. Eine »flexible Planung« zeichnetsich dadurch aus, dass die Lehrperson»aufmerksam« bleibt, bemerkt, wenn siemit ihrem Vorhaben die Schüler nicht er-reicht, und in einer solchen Situationrasch einen anderen Weg beschreitet(vgl. Bauer u. a. 1999, 157). Wenn esstimmt, dass erfahrene Lehrer spontanumsteuern können, muss man fragen,wie ihre Vorbereitung beschaffen ist,dass sie dieses können.

Ebenen der Unterrichtsvorbereitung

Was tun Lehrer und Lehrerinnen also,wenn sie im Alltag Unterricht vorberei-ten? Drei Ebenen lassen sich unter-scheiden, zwischen denen Lehrpersonenteilweise während der Planung mehr-mals hin und her wechseln (vgl. Kolbe1998). Fritz Ulrich Kolbe hat in einerUntersuchung der Vorbereitungstätigkeitvon Lehrenden, in der diese gebeten wur-den, während ihrer alltäglichen Unter-richtsvorbereitung zu verbalisieren, wassie gerade tun, diese Ebenen herausge-arbeitet. Sie lassen sich anhand einzel-ner Äußerungen veranschaulichen:

»So, jetzt hab’ ich da in der 5., in der5., is’ es’ e’ bissel schwierig [...] die sindganz neu [...] [...] Ah, ja, mit der 5., dahab ich die Arbeit schon gemacht [...] dakomm ich jetzt zur Katze« (Kolbe 1998,S. 177f.).

Was passiert hier? Der Lehrende ruftsich zum einen die besonderen Lernvor-aussetzungen der 5. Klasse und zum an-deren den Endpunkt des bisherigen

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Unterricht vorbereiten

Eine »flexible Planung« zeichnet sich dadurch aus, dass die Lehrperson »aufmerksam« bleibt, bemerkt,wenn sie mit ihrem Vorhaben die Schüler nicht erreicht, und in einer solchen Situation rasch einen an-deren Weg beschreitet.

Lehrenden also die Aktivitäten. Sie the-matisieren, wie die Auswertung der wei-teren Tätigkeiten des Lehrers zeigenwürde, die Elemente des Unterrichts, dieden Kommunikationsprozess aufrech-terhalten, wie z. B. die konkreten Akti-vitäten, die spezifische Lernvorausset-zungen und Schwierigkeiten und die Be-dingungen für thematische Konsistenz.

Das Ergebnis der Entscheidungen aufder ersten Ebene ist eine vorläufige Ein-grenzung des Themas bzw. der Aufga-benstellung der Stunde vor dem Hinter-grund der vorangegangenen Stunden.Das Ergebnis der zweiten Ebene stellteine grobe Folge von Aktivitäten dar undbietet einen thematischen Faden für dieUnterrichtsstunde. Das Ergebnis derdritten Ebene enthält konkrete Impulse,Arbeitsaufträge, Materialien etc. für dieUnterrichtsinteraktion.

Unterrichtsvorbereitung als Schaffungvon Interpretationsfolien

Insgesamt zeigt diese Studie: Indem dieLehrer während der Unterrichtsvorbe-reitung Entscheidungen treffen, schlie-ßen sie Möglichkeiten aus. Sie kreieren

eine Rahmung für den Unterrichtspro-zess, die gleichsam eine spezifische Ein-grenzung der Möglichkeiten des weite-ren Unterrichtsverlaufs darstellt. DieEntscheidungen der vorangegangenenEbenen werden jeweils auf der nächstenals Produkte herangezogen, sodass diebereits getroffenen Entscheidungen undEingrenzungen möglicher Interaktionenstets in die Entscheidungen auf der näch-sten Ebene Eingang finden. Das Ergebnis – so kann man jetzt ge-nauer charakterisieren – ist eben keinPlan im Sinne einer linearen Anordnungvorweggenommener Handlungen. Esentsteht durch die Zusammenstellungvon Material und die Entwicklung vonAufgaben(stellungen) eine Interpreta-tionsfolie für den Interaktionsprozess,mit deren Hilfe die Lehrenden in einer

Unterrichts in Erinnerung. Die Auswer-tung der hier nicht abgedruckten ge-samten Eingangssequenz verdeutlicht,was die Lehrenden auf dieser ersten Ebe-ne tun: Am Anfang der Planung rekapi-tulieren sie die Rahmenbedingungen undVoraussetzung der Stunde. Dazu gehö-ren neben den oben genannten Punktendas nächste anschließende Thema, derjeweilige thematische Teilschritt nachbekannter Abfolge, außerdem die Be-reitschaft und das Vermögen der Ler-nenden zur Beteiligung sowie das vor-handene Material. Nachdem dies aus-reichend geklärt ist, kommt der Lehrerin der Vorbereitung näher zur Sache:

»Ich nehm die Gebisse,[...] leg’ die aus,und mach mit denen so, wie so’n Quiz[...]« (Kolbe 1998, S. 198).

Der Lehrer beginnt hier – nur grobumrissen – sich eine Folge von Akti-vitäten vorzustellen: Das Thema Katze(als Beispiel für ein Raubtier) will er miteinem Quiz zu den Gebissen einleiten.Wie genau dies aussehen soll, überlegter an dieser Stelle noch nicht. Auf derzweiten Ebene beschäftigen sich erfah-rene Lehrer, so die Ergebnisse der Stu-die, mit jenen Elementen, diedie Interaktion und Kommuni-kation im Unterricht mitkonsti-tuieren, wie z. B. die themati-sche Aufgabenstellung, thema-tische Teilschritte, Aktivitäts-formen und Methoden, Zeitor-ganisation und organisatorische Rah-menbedingungen. Sie thematisierenThemen und Methoden noch auf einemrelativ hohen Abstraktionsniveau.

»[...] und dann krieg ich raus, [...], dassvon den, neun sind’ s ungefähr oder zehn,drei oder vier, muss mal gucken, n’ Hai-fisch will ich nehmen, n’ Hund und dieKatze ist dabei, dass sie die drei alsRaubtiergebiss definieren können, odermal hinterher einfach rausdefinierenkönnen aus der Menge« (Kolbe 1998, S.203).

Der Lehrer konkretisiert, was dieSchüler bei dem Quiz machen sollen: Auseiner Vielzahl unterschiedlicher Gebissesollen sie die Raubtiergebisse heraussu-chen. Dabei bestimmt er auch, welcheRaubtiergebisse er auslegen wird. Aufdieser dritten Ebene konkretisieren die

komplexen Interaktionssituation situativhandlungsfähig werden, indem möglicheBedeutungen und Interventionen imUnterrichtsverlauf begrenzt werden (vgl.Kolbe 1998). So wird mit der Entschei-dung für eine Aufgabenstellung derUnterrichtsstunde ein Rahmen für diedann folgenden Aktivitäten gesetzt. Die-ses Ergebnis schränkt die weiteren Mög-lichkeiten ein, limitiert sie, kann sie abernicht im Einzelnen festlegen und deter-miniert keine konkrete Interaktionssitu-ation.

Unterrichtsvorbereitungen von erfah-renen Lehrern und Lehrerinnen zeich-nen sich nun durch enorme »Abkür-zungs«-Möglichkeiten aus (vgl. Kolbe1998). Sie können sogleich im Anschlussan eine Entscheidung z.B. über eine Auf-gabenstellung, die damit weiteren ein-her gehenden Teilschritte benennen: Soimpliziert die Entscheidung über eineStunde zur Grammatikwiederholung z.B., eine Kontrollaufgabe in einer Stillar-beitsphase in Einzelarbeit bearbeiten zulassen. Hier werden durch Erfahrungausgebildete »Muster« eingesetzt, dienicht eigens für jede Situation neu be-

stimmt werden müssen (ebd.).Tatsächlich finden sich hier Rou-tinen, die die Arbeit erleichternund ohne die die umfangreicheUnterrichtstätigkeit der Lehren-den auch gar nicht zu denkenwäre. Gleichzeitig deutet sich an,

dass Erfahrungslernen nicht aufhört: Im-mer wieder ist es notwendig, die ent-standenen »Muster« zu variieren bzw.weiter zu entwickeln oder gar neue zubilden. Bei der nach Entscheidungen aufder ersten und zweiten Ebene noch not-wendigen Auswahl des Materials (Kon-trollaufgabe) aus einem Übungsbuchetwa werden implizit die klassenspezifi-schen Lernvoraussetzungen und bear-beiteten Themen zu den Aufgaben in Be-ziehung gesetzt (ebd.).

»Abkürzungen« bestehen aber auchdarin, weitere Teilschritte in der Vorbe-reitung gar nicht konkretisieren zu müs-sen. Durch das Übernehmen von bereitsmehrmals verwendeten Materialien (Ar-beitsblätter, Film etc.) muss über die ein-zelnen inhaltlich-methodischen Teil-schritte der Bearbeitung nicht nachge-

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Thema

Unterrichtsvorbereitungen von erfahrenenLehrkräften zeichnen sich durch enorme

»Abkürzungs«-Möglichkeiten aus.

dacht werden. »Das weiß ich dann«,kommentiert ein erfahrener Lehrer sei-ne Vorbereitungen (Kolbe 1998, S. 223).Er vertraut darauf, dass ihm im richti-gen Moment die passenden Fragen undImpulse schon wieder einfallen werden,wenn er das Material verteilt oder denFilm einlegt. Solche »Abkürzungs«-Strategien und ihrezunehmende Differenziertheitsind Resultat von Erfahrungen.Lernen aus Erfahrung schließtFormen von Reflexion ein, wie esein Lehrer formuliert: »Vorberei-tung bindet Zeit, aber das ist ei-gentlich auch ein bisschen mehr,wer auf Zetteln rumwirtschaftet,die hinterher wegfliegen, hat auch keinedauerhafte Konzeption entwickelt. [...] dieStruktur der Unterrichtsreihe aufzu-schreiben und dann die Erfahrungen, dieich mache, wieder einfließen lasse undverändere, bedeutet ja eigentlich eine fort-schreibende Bearbeitung von Unterricht«(Bauer u.a. 1999, S. 158).

Die hier versammelten Berichte undGespräche von Lehrern und Lehrerin-nen machen Verschiedenes deutlich. Inwelchen Prozessen sich erst langsamnach dem Referendariat Abkürzungs-«Muster« herausbilden und welcheunterschiedlichen Rollen dafür die Er-fahrungen des Referendariats spielenkönnen, das machen in einem Gesprächzwei junge Lehrerinnen und zwei jungeLehrer bewusst. Es wird deutlich, wie in

dem oben beschriebenen Sinne Ent-scheidungen und Rahmensetzungen inder erfahrenen Vorbereitung des Unter-richts durch die Formulierung von Auf-gabenstellungen vorgenommen werden.Unterrichtsvorbereitung ist – so könntegesagt werden – eine Aufgabenplanung,die es den Lehrenden erlaubt, währenddes Unterrichts immer auch den Inter-

aktionsverlauf zu beobachten, den Be-obachtungen Bedeutungen zuzuschrei-ben, z. B. Schülerbeiträge einzuordnen,Verständnisschwierigkeiten und Lern-probleme zu erkennen und darauf dannzu reagieren. Unterrichtsvorbereitungals Aufgabenstellung findet statt, wennin einer Berufsschule Lehrer gemeinsammit Ausbildern komplexe Arbeitsaufträ-ge für die Schüler planen, wenn in derVorbereitung der Sonderschullehrerines darum geht, den einzelnen Schülernje angemessene Aufgaben für eineUnterrichtsstunde zu erarbeiten oderwenn in der Hauptschule die eigenstän-dige Arbeit von Schülern durch Aufga-ben- bzw. Arbeitspläne strukturiert wer-den muss. Auffällig ist, dass einige derhier schreibenden Lehrer und Lehre-

rinnen immer weniger ein-zelne Unterrichtsstunden in-tensiv vorbereiten, sondernmit Hilfe der komplexen Auf-gabenstellungen oft in mittel-fristigen Zeiträumen planen.Die Beiträge zeigen auch auf,wie auf unterschiedlicheWeise Entlastung in derUnterrichtsvorbereitungstä-tigkeit gefunden werden kann– nämlich nicht nur durch Ab-kürzungs-Strategien undMuster im Kontext des Ent-wurfs von Aufgabenstellun-gen, sondern auch durch Ko-operation, die ein kollegialesReflexionsforum bilden kann.

Literatur

Bauer, K-O/ Kopka, A./ Brindt, S.: Päda-gogische Professionalität und Lehrerar-beit. Eine qualitativ empirische Studieüber professionelles Handeln und Be-wusstsein. Weinheim und München1999, 2. Auflage.Böhm-Kasper, O. / Bos, W. / Körner, S.C. /Weishaupt, H.: Sind 12 Schuljahre stres-

siger? Belastung und Beanspru-chung von Lehrern und Schülernam Gymnasium. Weinheim undMünchen 2001Kolbe, F.-U.: Handlungsstrukturund Reflexivität. Untersuchun-gen zur VorbereitungstätigkeitUnterrichtender. Unveröff. Ha-

bilitationsschrift Fakultät für Sozial- undVerhaltenswissenschaften der Univer-sität Heidelberg 1998

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Unterricht vorbereiten

Dr. phil. Kerstin Rabenstein,Assistentin an der TU Berlin,

Dr. phil. habil. Sabine Reh,Professorin für Allgemeine und Historische

Eziehungswissenschaft an der TU Berlin,Franklinstr. 28/29,

10587 Berlin

E-Mail: [email protected];[email protected]

Unterrichtsvorbereitung ist eineAufgabenplanung, die erlaubt, immer auch den

Interaktionsverlauf zu beobachten undLernprobleme zu erkennen.

In die Unterrichtsvorbereitung

des Sonderschulunterrichts fließt

die Lerngeschichte jedes einzel-

nen Kindes ein. Dabei ist es wich-

tig, den Handlungsraum für jeden

Einzelnen so zu planen, dass des-

sen Stärken berücksichtigt wer-

den. So kann jeder sich als Gestal-

ter seines Lernprozesses erfahren

und die Lehrerin die Rolle einer

Beobachterin einnehmen.

Emma lernt dabei, die Formen fühlendzu unterscheiden und ihr Sprechgerät si-tuationsangemessen zu benutzen, umNina meine Arbeitsanweisungen zuübermitteln. Nina macht Erfahrungen inder Klassifikation als Grundlage mathe-matischen Handelns und lernt sprachli-che Anweisungen in Handlung umzu-setzen. Die Erzieherin strukturiert dieArbeit entsprechend meiner Vorgaben.

Vorzubereiten sind also drei Mathe-matikstunden für jeweils zwei Schüler,die sich den Lernstoff in unterschied-licher Weise aneignen.

Das Beispiel zeigt Unterricht und sei-ne Vorbereitung an unserer Schulformin seiner typischen Anforderung der Ziel-und Inhaltsdifferenzierung.

Was kann helfen, diese Arbeit in an-gemessener Zeit gut zu bewältigen?

Die individuelleEntwicklungsdokumentation

Unmittelbar nach der Einschulung be-ginnen wir mit der Dokumentation derLerngeschichte jedes einzelnen Kindes.In der Erkenntnis, dass jedes Kind in sei-ner Entwicklung eine Vielzahl von Ein-flüssen erfährt, sind wir besonders dar-auf erpicht, möglichst viel über dieaußerschulischen Lebensumstände un-serer Schüler zu erfahren und eine kon-tinuierliche Kommunikation zwischenschulischem und außerschulischem All-tag zu etablieren. Aber auch innerhalbder Schule gibt es unterschiedliche Be-gegnungen mit dem lernenden Kind:Unterricht in wechselnden Gruppenzu-sammensetzungen, Therapie in Einzel-und Gruppensituationen, das soziale Ge-schehen in einer Ganztagsschule. Sie alleermöglichen unterschiedliche Blickwin-kel, deren Zusammenführung immer ge-nauere Annäherungen an das Lernen je-des einzelnen Kindes zulässt. Neben derLernstandsanalyse richtet sich der Blickvor allem auf die individuellen Aneig-

nungsprozesse, denen meine Vorberei-tung Raum geben muss. Also beachte ich, dass ich für Leo stetsein unauffälliges Sicherungsnetz aus ein-fachen Aufgaben bereithalten muss, weiler immer wieder an seinem Könnenzweifelt. Ich weiß, dass Jan immer ganzfür sich gelernt hat, weil er auf diese Art

Mittwochmorgen im pädagogischen Pa-radies: In meiner 4. Klasse mit zwölfSchülern beginnt mit zwei Lehrerinnen,einer Erzieherin und zwei Zivildienst-leistenden der Mathematikunterricht.Ich bin für sechs Kinder zuständig.

Dienstagabend im pädagogischen Fe-gefeuer: Vorbereitung für meinen Ma-thematikunterricht am nächsten Mor-gen. Jan und Leo arbeiten an der Sub-traktion im Hunderterraum. Dabei ge-hen sie unterschiedlich vor: Jan mag aufseinen Lernwegen nicht gestört werden.Auch wenn er schon tief im Unterholzsteckt, ergreift er meine helfende Handnur ungern. Leo liebt die geführte Tourauf bekannten Wegen, sein Streckenge-dächtnis lässt ihn häufig im Stich.

Tom und Lisa hantieren mit der An-zahl fünf in unterschiedlichen Reprä-sentationen. Lisa entwickelt dabei ihrebasismathematischen Fähigkeiten, Zah-len sind nicht bedeutsam für sie. Tom nä-hert sich allmählich den Rechenopera-tionen. Die beiden arbeiten besondersausdauernd, wenn die Aufgaben in kur-ze Spielsituationen eingebunden sind.

Nina und Emma erkennen und sortie-ren mit Hilfe ihrer Betreuer geometri-sche Grundformen.

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Für jeden Schüler planenUnterrichtsvorbereitung in einer speziellen Sonderschule

am erfolgreichsten mit seiner starkenSehbehinderung lebt und dass ich darumseine Wege mitgehen muss, auch wennich kürzere kenne.

Den Schülern Handlungsräume gebenund Stärken nutzen

Dank der oben beschriebenen Diversitätmeiner Schülergruppe komme ich garnicht erst in die Versuchung zu denken,ich könnte alle Fäden des Lerngesche-hens in der Hand halten. Vielmehr mussich in der Vorbereitung Lern- und Hand-lungsräume einrichten, in denen sich dieSchüler aktiv mit ihrem Thema ausein-ander setzen können und in denen ich

die Rolle des Beobachters einnehme. Dasgibt mir die Zeit, Tom und Lisa die Lustam Hantieren mit der Fünfermengedurch eine neue Spielidee zu verlängern,Leo zu bestärken und Jan aus dem Di-ckicht zu retten. Außerdem sehe ich,wann und wie ich in ihren Lernprozes-sen die Weichen stellen kann und an wel-chen Stellen Einzelzuwendung ange-bracht ist. Ein wichtiger Teil meinernächsten Unterrichtsvorbereitung findetalso schon in der Unterrichtsstunde statt.

Schüler können nur dann aktive Ge-stalter ihres Lernprozesses sein, wennsich seine Struktur nicht an ihren Defi-ziten, sondern an ihren Stärken orien-

tiert. Das geht weit über das unver-zichtbare Loben und Bestärken hin-aus. Lisa fängt immer noch einmal vonvorn an, sie ist durch die Schwierig-keiten des Metiers nicht zu entmuti-gen. Dies ermöglicht die für sie er-forderliche Übefrequenz. Emma istsehr interessiert an der Kommunika-tion mit ihren Mitschülern, darumsetzt sie sich den Mühen des Sprech-geräts aus. Die Stärken der Kinder zukennen und kreativ zu nutzen ist einenorm wichtiger Anteil der Unter-richtsvorbereitung.

Ein Lernpaket für jedes Kind packen

Unterricht kann nicht ausschließlichin individualisierter Form stattfinden.Der Aspekt des gemeinsamen Lernensin der Klassengemeinschaft ist eben-so wichtig, und die Notwendigkeitendes Schulalltags erfordern auchUnterrichtsstunden, in denen einigeSchüler in für sie nicht optimalerForm lernen müssen. Hier muss dieVorbereitung Ausgleich schaffen unddafür sorgen, dass jedem Kind die be-vorzugten Lernkanäle, die günstigstenSozialformen, die sinnvollstenÜbungsweisen angeboten werden.Das kann durch die Arbeit mit einemWochenplan-Konzept geschehen,durch wechselnde Lerngruppen,durch Freiarbeit mit eng strukturier-tem Material. Ein solches Lernpaketfür jeden Schüler zu packen gehört indie Übersichtsplanung und wird durchdie oben erwähnte Entwicklungsdo-kumentation und die Beobachterrol-

le des Lehrers in möglichst vielen Unter-richtssituationen erleichtert.

Personelle Ressourcen einplanen

Die durchgehende Doppelbesetzung mitLehrer und Erzieher, die Möglichkeitender äußeren Differenzierung durch ei-nen zweiten Lehrer und die in unsereSchule integrierte Therapie bieten Mög-lichkeiten des individualisierten Unter-richts, die durch Vorbereitung zu opti-mieren sind. Erzieher können Gruppenübernehmen und mit ihnen selbständigoder nach Vorgaben arbeiten. Sie kön-nen Gruppen bei der Arbeit beobachtenund bei Bedarf unterstützen. Sie könnensich innerhalb einer Stunde auf wech-selnde Gruppen beziehen. Spontan wirdeine solche Arbeitsteilung aber sichernicht qualitativ befriedigend verlaufen,auch ihre Planung gehört daher in dieVorbereitung einer jeden Stunde, eben-so wie eine unkomplizierte zeitsparendeKommunikation darüber.

Technische Hilfen nutzen

Computereinsatz erleichtert die Vorbe-reitung differenzierten Unterrichtsenorm. Die Möglichkeit, das Layout ei-nes Arbeitsblatts in Schriftgröße und Ab-satzweite den Bedürfnissen eines jedenSchülers anzupassen, ist gar nicht hochgenug zu schätzen. Für den zielgleichenUnterricht kann ich mit wenig Arbeits-einsatz angepasstes Material erstellen.Spezielle Software mit schultypischenZeichensätzen und Programme zum un-komplizierten Erstellen eigener Arbeits-blätter sind ebenfalls hilfreich im Sinnegrößerer Arbeitsökonomie und Arbeits-zufriedenheit.

Und so führt der Weg durchs Fegefeuerder Vorbereitung dann doch immer wie-der ins Paradies des Unterrichts.

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Unterricht vorbereiten

Cornelia Kleiber,Schule Hirtenweg

– Schule für Körperbehinderte – ,Holmbrook 10–12,

22605 Hamburg,E-Mail: Cornelia [email protected]

Unterrichtsplanung in Form der Erstellung

von Arbeits- bzw. Aufgabenplänen für

längere Zeiträume ermöglicht es, auf die

Unterschiedlichkeit der Schüler und Schüle-

rinnen auch in Hauptschulklassen einzuge-

hen. Gleichzeitig zwingt diese Art der

Unterrichtsvorbereitung dazu, disziplinier-

ter die Verteilung des »Stoffes« und die an-

gestrebten, unterschiedlichen Kompeten-

zen im Auge zu behalten.

sentationen, Heftführung usw. werdeneingeführt und nach und nach er-weitert.

• Stärker selbstgesteuertes Lernen er-fordert einen stabilen gemeinsamenRahmen, der durch Rituale zur Kon-fliktregelung (Klassenrat, Klassen-ratsbuch, Lobzettel, »Schlimme-Wör-ter-Zettel«, Streitschlichtung, Klas-senlehrerstunde), Rituale der Ge-sprächsführung (Wortmeldeliste, Re-geln), Rituale der Gemeinsamkeit(Klassenraumgestaltung, Präsentierenvon Unterrichtsergebnissen, Exkur-sionen, Ausflüge, Feste, gemeinsamesKochen u.ä.) aufgebaut wird.

• Vor Beginn der Arbeit mit dem Wo-chenplan müssen Regeln klar verein-bart werden.

• Wir unterrichten im Klassenlehrer-team und decken bis auf die FächerEnglisch, Chemie und den Wahl-pflichtbereich den gesamten Fächer-kanon durch das Team ab.

• Unser Klassenraum ist dafür geeignetin mehreren Kleingruppen in Ruhe zuarbeiten (Vorraum, Zwischenraum,Gruppenraum, Klassenraum).

• Wir erstellen Wochenpläne in Mathe-matik und Deutsch getrennt, wobei dieFächer Arbeits- und Berufsorientie-rung, Geschichte und Ethik epochaldazu kommen.

• Wir versuchen, die Wochenpläne so zugestalten, dass fächerübergreifenddaran gearbeitet werden kann.

Was bedeutet das für dieUnterrichtsvorbereitung?

Diese Form der Unterrichtsorganisationhat Konsequenzen für die Unterrichts-vorbereitung. Für Klassenlehrer vonKlassen, die in diesem Stil unterrichtetwerden – ich bin etwa mit zwei Drittelmeiner Unterrichtsstunden in meiner

Andere Unterrichtsorganisation

Wir haben uns aus unterschiedlichenGründen, die hier nicht ausgeführt wer-den können, entschieden, in unsererHauptschulklasse mit »Wochenplänen«zu arbeiten. Wochenplanarbeit verste-hen wir als eine Methode, mit der manSchüler und Schülerinnen in kleinenSchritten von der Fremdsteuerung zumselbstgesteuerten Lernen befähigenkann. Sie müssen bei der Wochenplan-arbeit Fähigkeiten erwerben, Problemeund Aufgaben selbständig, zielorientiertund sachgerecht zu bearbeiten. Dabeikann auf ihre individuellen Vorausset-zungen Rücksicht genommen werden;der Lehrer kann sich Freiräume für dieindividuelle Begleitung von Schülernschaffen.

Um so arbeiten zu können, haben wirdie Organisation unseres Unterrichts ver-ändert:• Zu Beginn der 7. Klasse (besser noch

in Klasse 5) starten wir mit einerUnterrichtssequenz zum sozialen Ler-nen.

• Die notwendigen Arbeitstechniken wiePartnerarbeit, Gruppenarbeit, Prä-

Klasse tätig – besteht Unterrichtsvorbe-reitung im Wesentlichen in der Erstel-lung von Arbeitsplänen und deren Kor-rektur. Das nimmt bis zu 80 Prozent derVorbereitungszeit in Anspruch. Dabei isthier – wie natürlich auch in der Unter-richtsvorbereitung als Planung einzelnerStunden – viel Zeit für die einmal pro Wo-che stattfindende Suche in Büchern, an-gebotenen Arbeitsmaterialsammlungenund eigenen alten Arbeitsblättern zu ver-wenden. Sind die Pläne einmal erstellt,ergibt sich daraus (zumeist) die Arbeit inallen Unterrichtsstunden der Woche –auch die Notwendigkeit, noch einmal et-was in einer Plenumssituation zu erläu-tern oder zu einem bestimmten Komplexein Unterrichtsgespräch zu führen.

Die Erstellung von Wochenarbeitsplä-nen zwingt dazu, in anderen zeitlichenDimensionen zu planen. Ich bin ge-zwungen, die Verteilung des »Stoffes«anders im Blick zu behalten, als wennich – nachdem ich zu Beginn eines Halb-jahres mir einmal den Bildungsplan vorAugen geführt und den »Stoff« auf dieWochen verteilt habe – im Folgenden le-diglich von einer zur anderen Stunde pla-ne. Jetzt ist die Frage des »Stoffes« undseiner Verteilung immer präsent, wennich einmal in der Woche die Pläne er-stelle. Möglicherweise bin ich, weil ichgrößere Zeiträume der Schülerarbeit»verplane« als eine einzelne Unter-richtsstunde, disziplinierter im Hinblickauf Fragen, wie ich etwas verteile, wozueine Aufgabe gehört, also welche Di-mensionen des »Stoffes« einerseits undder angestrebten Kompetenzen ande-rerseits thematisch werden.

Entscheidend ist jede Woche neu dieÜberlegung: Wie muss das Unterrichts-material beschaffen sein, damit es fürdie eigenständige Arbeit am Wochenplangeeignet ist? Wie können in den Plänen

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Thema

Abkehr von derStundenvorbereitungLängerfristige Aufgabenplanung in Hauptschulklassen

die Lernvoraussetzungen der einzelnenSchüler und Schülerinnen berücksichtigtwerden? Wie kann ich die Pläne so ge-stalten, dass sie für verschiedene Lern-typen geeignet sind? Geben sie Anre-gungen zur Eigengestaltung? Was sollüberhaupt gelernt, geübt, erfahren wer-den? Wie bieten sie eine Vielfalt von Ar-beitsmethoden? Gibt es offene Aufga-benstellungen, aber auch kreativeÜbungsmöglichkeiten? Was sind diePflichtaufgaben, Wahlpflichtaufgaben,Zusatzaufgaben? Wie sieht die Ergeb-niskontrolle aus?

Beispiel für einen Wochenplan

Der folgende Arbeitsplan für das FachDeutsch deckt auch Aufgaben im Rah-men der Arbeits- und Berufsorientierungab. Die Schüler nehmen am Projekt »Pra-xisLerntag« teil und müssen am Ende je-den Trimesters eine »besondere be-triebliche Lernaufgabe« beschreiben.

Die Pläne, die erstellt werden, müssenwieder verwendbar sein, um den großenAufwand, der in der Erstellung der Plä-ne liegt, vernünftig zu nutzen. Natürlichwerden die Dateien mit den Arbeitsplä-nen gespeichert. So ist es möglich, im-mer wieder auf sie zurückzugreifen undsie ohne großen Aufwand zu verändern,also den jeweiligen Bedingungen und Ge-gebenheiten anzupassen.

Probleme

Ein Problem, das wir auch aus der Pla-nung einzelner Stunden kennen, sichaber möglicherweise in dieser Form derVorbereitung stärker negativ auswirkenkann, ist das Über- oder Unterschätzendes zeitlichen Aufwandes, den die Schü-ler oder Schülerinnen für die Lösung derAufgaben benötigen.

Ein weiteres Problem, das wir nochnicht vollständig befriedigend gelöst ha-ben, ist die Korrektur der Wochenpläne:Wir sammeln jede Woche die Wochen-pläne ein und korrigieren und bewertensie. Das führt zu einem erheblichen undzeitaufwändigen Arbeitsanfall. NachMöglichkeit geben wir auch Lösun-gen/Korrekturbögen ein, damit die Schü-ler die Korrektur selbst vornehmen kön-nen. Aber wir haben immer noch keinenWeg gefunden, in welcher Form wir »si-

chern« können, dass die Schüler unsereKorrekturen beachten und daraus ler-nen, also mit den Ergebnissen wirklichweiter arbeiten.

Noch nicht überzeugend ist unsere Lö-sung für die Bewertung der Leistungen,die die Schüler mit der Anfertigung derWochenpläne erbringen. Die Zensurenin den Fächern setzen sich bekanntlichzusammen aus »schriftlichen Klassen-arbeiten«, »mündlichen Leistungen« und»anderen schriftlichen Leistungen«. Wirrechnen die Wochenpläne zu den »an-deren schriftlichen Leistungen«. Somitmacht die Note in den Wochenplänen ca.ein Drittel der Gesamtzensur aus.

Dennoch sind wir überzeugt davon,dass die Entscheidung für diese Art derUnterrichtsorganisation nicht nur unse-re Vorbereitungstätigkeit verändert undim beschriebenen Sinne qualifiziert hat,sondern auch neue Lernmöglichkeiten fürdie Schüler und Schülerinnen eröffnet.

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Unterricht vorbereiten

Margrit Liedtke-Schöbel,Fritz-Köhne Schule,Marckmannstr. 61,

20539 Hamburg,E-mail: [email protected]

Abb. 1: Auszug aus einen Wochenplan

Ausgabe: Montag, 6.9.04Abgabe: Montag, 13.9.04Name: ____________________

Thema: Hilfe zur Anfertigung der »besonderen Lernaufgabe«»Berichten« und »Beschreiben«

Montag/Dienstag 6./7.9. Wiederholung: Berichte anfertigen

Ein Bericht ist kurz, sachlich, klar, in der richtigen Reihenfolge,

denn er enthält keine wörtliche Rede

keine Gedanken und Meinungen

Ein Bericht will den Leser/Hörer informieren, nicht unterhalten

Ein Bericht wird im Präteritum geschrieben.

Er beantwortet folgende Fragen: Was? Wer? Wann? Wo? Wie? Warum?

Aufgabe 1:

Auf Seite 190 in Wortstark 9 siehst du Fotos, die über Tätigkeiten Auskunft geben, dieMarco während des PraxisLerntages im Altersheim verrichtet. Stell dir vor, du wärstMarco und sollst einen Bericht über deine Arbeit im Altersheim anfertigen. Fertige fürMarco einen Tagesbericht an:1. Finde eine Überschrift2. Mach dir Stichworte über welche Tätigkeiten du berichten willst.3. Sortiere die Tätigkeiten in der richtigen Reihenfolge,

so dass sich ein Tagesablauf ergibt.4. Achte auf einen abwechslungsreichen Satzbau. Folgende Konjunktionen (Bindewör-

ter, d.h. mit Konjunktionen kann man Wörter, Satzglieder und Sätze miteinander ver-binden) können dir dabei helfen:

• erweiternde: und, auch, außerdem, ferner, noch, sowie, sowohl … als auch,weder … noch;

• begründende: denn, daher, darum, deshalb, da, weil;• gegensätzliche: aber, hingegen, doch, jedoch, trotzdem, obgleich, obwohl, sondern; • zeitliche: dann, zuvor, darauf, danach, hinterher, später5. Vermeide ständige Wiederholungen

hin regelmäßig Unterricht gemeinsamvor.

Zwei Leistungskurse zusammenvorbereiten

Die engste Zusammenarbeit ergab sichein Jahr nach dem Berufseinstieg, als wirbeide einen Leistungskurs Englisch über-nahmen. Wir standen vor der Heraus-forderung und der Chance, vier Leis-tungskurssemester so zu gestalten, dassdie jungen Erwachsenen sowohl auf dasAbitur als auch auf wissenschaftlichesArbeiten vorbereitet werden würden.

Die Zusammenarbeit bestand vor al-lem aus folgenden Aspekten: • Klärung der Zielsetzung der jeweili-

gen Einheit, • Planung und detaillierte inhaltliche

Vorbereitung der Unterrichtseinheit, • Didaktisierung der Lerngegenstände

und • Reflexion des stattgefundenen Unter-

richts.Dabei führte uns die konkrete Vorberei-tungsarbeit zur Diskussion über das, wasfür uns ein guter Englischunterrichtbeinhalten sollte, was wir also den Schü-lern und Schülerinnen mitgeben wollten,wiederum zur Planung der nächsten Wo-chen.

Die Themen der Unterrichtseinheitenwurden auf unterschiedliche Weise ge-boren: den landeskundlichen Unter-richtsstoff »Südafrika« hatte die eineschon einmal im Mittelstufen-Unterrichtbehandelt. Außerdem versprach die da-malige politische Situation einen aktuel-len Bezug. Das projektorientierte The-ma »soap operas« brachte die andereein, weil sie dort die Möglichkeiten zurproduktiven und schülerorientierten Ar-beit sah, der Gegenstand »American Dre-am« wurde gemeinsam ausgehandelt

Die Geschichte unserer Zusammenarbeitbegann zu Beginn des zweiten Semes-ters des Referendariats unter dem Druckder ersten anstehenden Hospitationen.Aus den guten Erfahrungen mit gegen-seitigen Beratungen erwuchs die Ein-sicht, dass wir uns durch eine enge Zu-sammenarbeit im privaten Rahmen dasermöglichen konnten, was wir in den Se-minaren und an den Schulen nicht er-fuhren: eine intensive Auseinanderset-zung mit den Anforderungen, die an unsherangetragen wurden, eine eingängigeBeschäftigung mit den Teufeln im Detailbeim Unterrichten, Ideen und kollegialeRatschläge. Wir trafen uns bald wö-chentlich, wobei wir unseren jeweiligenUnterricht im Fach Englisch gemeinsamvorbereiteten. Zwar unterrichteten wirin unterschiedlichen Lerngruppen, mus-sten uns also auf die Themen der ande-ren jeweils einlassen, profitierten jedochdurch die gegenseitige Ideengebung, Be-ratung und kritische Rückmeldung. Sobeschlossen wir nach dem Examen dieZusammenarbeit beim Berufseinstiegweiter zu führen. Obwohl wir an unter-schiedlichen Schulen – die eine an derGesamtschule, die andere am Gymna-sium – arbeiteten, bereiteten wir weiter-

und die Behandlung eines der DramenShakespeares wurde durch die Rah-menrichtlinien vorgegeben. Wir plantendie Einheiten in ihren Verläufen ge-meinsam: vom Einstieg bis zur abschlie-ßenden Klausur. Die Grobplanung stell-ten wir zu Beginn des Semesters her, dieFeinplanung lief während unserer wö-chentlichen Treffen. Dabei teilten wir unsdie Materialsuche, das Erstellen der Ar-beitsblätter und der Klausuren und be-rieten uns gegenseitig bei den Korrek-turen.

Didaktisierung: Keine Frage ist zu klein

Insbesondere bei der Didaktisierung er-wies sich die Zusammenarbeit als gro-ßer Vorteil. Keine Frage war zu klein:Wie gestalte ich einen zur Lerngruppepassenden Einstieg in eine Unterricht-seinheit? Kreatives Schreiben oder bes-ser visuelle Impulse? Welche Frage stel-le ich genau? Nehme ich damit nicht zu-viel vorweg? Passt eine musikalischeUntermalung oder wird das zuviel?

Wir strebten eine große Methoden-vielfalt an. Ein Höhepunkt hierbei stell-te die von uns arbeitsteilig vorbereiteteund von den Lernenden beider Kurse aneinem Projekttag gemeinsam durchge-führte Simulation einer Verhandlung dersüdafrikanischen Wahrheitskommissiondar. Für die Schüler ergab sich durch dieKonfrontation mit einer anderen Lern-gruppe eine größere Ernsthaftigkeit imUmgang mit ihren Aufgaben und ihrenRollen in der Simulation.

Meist trieb uns die Neugier: Wie istdenn die Stunde bei dir gelaufen? Wiehaben die Schüler reagiert? Daraus er-gab sich die Chance, über Lernsituatio-nen und Schüler- sowie Lehrerverhaltenzu reflektieren. Reizvoll und fruchtbarwar das Nachdenken an den Stellen, an

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Von kooperativer Unterrichtsvorbereitung

profitieren Berufseinsteiger. Enge Zusammen-

arbeit bietet Unterstützung, Beratung, Ideen

und kritische Rückmeldung. Ein solches Re-

flexionsforum kann sicher aber auch erfah-

renen Lehrkräften helfen, die Vorbereitung

besonderer Unterrichtsvorhaben anzuge-

hen, die entstehenden Belastungen zu sen-

ken und den Unterricht zu verbessern.

Kooperative Unterrichtsvorbereitung Eine Gesamtschullehrerin und eine Gymnasiallehrerin arbeiten zusammen

denen unsere beiden Lerngruppenunterschiedlich auf ein gleiches Arran-gement reagiert hatten. Eine kreativeSchreibaufgabe bearbeitete der eineKurs mit großem Ideenreichtum und Lustan der Sprache, während im andereneinfache und kurze Texte produziertwurden. Das führte in den weiteren Vor-bereitungen zu einer feineren Abstim-mung auf die jeweilige Lerngruppe:Raum für kreatives Arbeiten für die ei-nen, stärkere Hilfen zur Ideensammlung,zur Strukturierung und zur Textüberar-beitung für die anderen.

Häufig fungierte dabei die eine alsIdeengeberin für die andere – unbelas-tet von den Befindlichkeiten der unbe-kannten Schüler und den organisatori-schen Schwierigkeiten der fremdenSchule sprudelten die Ideen schnellerhervor. Für einen Englisch-Grundkursbeispielsweise wählte eine von uns dasThema »Utopien«. Wir suchten nach ei-nem geeigneten Einstieg. Der anderenkam die Idee, die Schüler zunächst selbstUtopien entwerfen zu lassen: Sie sollteneine Insel malen und so mit Symbolenversehen, dass sie anhand der Bilder spä-ter auf Englisch ihre ideale Welt vor-stellen konnten. Der Vorschlag wirktewegen der Materialbeschaffung und desZeitaufwands für die erste zunächst ab-schreckend. Aber bei genauerem und inder Zusammenarbeit fast erzwungenemHinsehen passte der Vorschlag – schließ-lich waren viele Schüler auch im Leis-tungskurs Kunst.

Eine aufwändige Arbeitsweise?

Wir erhielten von Kollegen immer wie-der einmal die Rückmeldung, dass sieunsere Arbeitsweise aufwändig fänden.Wir hingegen empfanden sie damals alsEntlastung, nicht nur wegen der obenbeschriebenen Arbeitsteilung, sondernvor allem wegen der Möglichkeit des ge-meinsamen Arbeitens auf gleicher Au-genhöhe. In der Zusammenarbeit be-fanden wir uns in symmetrischen Rollen.Wir waren in der gleichen Situation, imgleichen Maße interessiert an den Unter-richtsthemen und -methoden und hattendurch den kontinuierlichen Austauschauch ein Bild von der jeweilig anderenLerngruppe. Der hier stattfindende in-

tellektuelle und emotionale Austauschbereicherte uns stärker als es Gesprä-che in der Pause im Lehrerzimmer oderzwischen Tür und Angel je können.

Durch die gemeinsame Arbeit im ver-trauten Rahmen konnten wir die erstenHerausforderungen des Berufeinstiegs,der zu unserer Zeit noch ohne institu-tionelle Begleitung stattfand, meistern.Neben der Reflexion fachlicher und fach-didaktischer Fragen hatten große Be-deutung auch die Gespräche zu den pä-dagogischen Aufgaben, vor die wir ge-stellt waren. Ein offenes Ohr für Schwie-rigkeiten mit Schülern und Schülerin-nen, ein Reflexionsrahmen, um Szena-rien für den Umgang mit schwierigen Si-tuationen zu entwerfen, Unterstützungund Zuspruch, wenn es um konsequen-tes Handeln oder Einfordern von Ver-lässlichkeit und Höflichkeit ging – all des-sen konnten wir uns sicher sein.

Nachdem die Leistungskurse ihr Abiturabgelegt hatten, fand die intensive Zu-sammenarbeit leider ein Ende. Äußere Be-dingungen, Schwangerschaft und Eltern-zeit, aber auch das Lehrerarbeitszeitmo-dell erschwerten die Kooperation auf re-gelmäßiger Basis. Hatten die Kollegen also

Recht gehabt: Als dauerhafte Einrichtungwird unsere Art der kooperativen Unter-richtsvorbereitung zur Belastung?

Wir wünschen uns beide heute, mitKollegInnen enger zusammenzuarbeitenund vor allem besondere Unterrichts-vorhaben gemeinsam vor- und nachzu-bereiten. Unserer Ansicht nach würdedas auch jetzt noch zu Qualitätssteige-rungen der Vorbereitungsarbeit und desUnterrichts selber beitragen. Schulensollten Möglichkeiten zur Zusammenar-beit schaffen, z.B. durch Einrichtung vonArbeitsplätzen in den Schulen und durchgemeinsame Zeitfenster im Stundenplan.

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Unterricht vorbereiten

Gudrun Tiemeier,Lehrerin an der Ida-Ehre-Gesamtschule,

Bogenstraße 36,20144 Hamburg,

E-Mail: [email protected] Wiese,

Lehrerin am Gymnasium Allee,Max-Brauer-Allee 83,

22765 Hamburg

Blockunterricht in der Schule. UnsereSchüler erhalten einen Arbeitsauftrag,für dessen Erfüllung in einer bestimm-ten Zeit sie im Betrieb und in der Schu-le arbeiten müssen. Vorschläge für einensolchen Auftrag machen zumeist die Aus-bilder aus den Betrieben und gemeinsammit den Lehrerteams beraten und bear-beiten wir die Vorschläge. Wir entwickelnschließlich einen gemeinsamen Arbeits-auftrag, in dem die einzelnen Phasen ei-nes vollständigen betrieblichen Arbeits-prozesses, von der Auftragsannahme biszur Auftragsabgabe, enthalten sind. Inden Sitzungen halten wir Eckpunkte fest,die an jeden Ausbildungsbetrieb perEmail verschickt werden.Herr Boden: Wie ist diese Zusammenarbeitzwischen Schule und Betrieb entstanden?Herr Stammer: Wir haben einen Modell-versuch zur Förderung arbeitsprozess-bezogener Kompetenzen durchgeführtund in diesem Modellversuch haben wireine sehr enge Kooperation mit den Be-trieben entwickelt. Viele Absprachen wa-ren nötig und wir sind so mit der Zeit zu-sammengewachsen. Es ist also kein No-

Herr Boden: Hier sitzen ein Lehrerteamder Gewerbeschule G17 aus der Abtei-lung »Industriemechaniker« und, wennich richtig gezählt habe, neun Ausbilderaus verschiedenen Ausbildungsbetrie-ben zusammen. Es handelt sich um einTreffen, bei dem gemeinsam Unterrichtvorbereitet und Lernsituationen entwi-ckelt werden. Was tun Sie?Herr Stammer: Tatsächlich planen wir ge-meinsam Unterricht – und mehr als den

vum für uns, dass wir jetzt alle hier zu-sammensitzen. Herr Boden: Können Sie kurz beschrei-ben, wie überhaupt so ein konkretes, vonIhnen gestaltetes Lernprojekt – die Er-füllung eines solchen Arbeitsauftragesstellt ja gewissermaßen ein Projekt dar– aufgebaut ist? Herr Gahrens: Wir starten immer mit ei-nem ganz konkret beschrieben Arbeits-auftrag, der die Schule und den Betriebverpflichtet, an diesem ArbeitsauftragStück für Stück zu arbeiten und ihn um-zusetzen. Unser erster Arbeitsauftragzum Beispiel war die Herstellung einerHebevorrichtung. Dazu mussten sehrviele einzelne Punkte abgearbeitet wer-den. In einem ersten Schritt, einem Zei-traum von etwa drei Wochen, planen dieSchüler, unterstützt durch die Schule, dieBearbeitung; dann wird ein bestimmtesProdukt gefertigt und der Fertigungs-prozess wird dokumentiert. Teil des Ar-beitsauftrages ist es schließlich, diesesProdukt, das die Auszubildenden im Be-trieb hergestellt haben, in der Schule denanderen Schülern noch einmal zu prä-

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Thema

Der ArbeitsauftragUnterrichsplanung als Projektplanung von Betrieb und Schule

Durch die Einführung lernfeldorientierten

Arbeitens hat sich auch die Unterrichts-

vorbereitung in den Berufsschulen ver-

ändert. Ausbilder und Lehrer planen

gemeinsam den schulischen Unterricht und

die betriebliche Ausbildung der Lernenden,

indem sie langfristig zu den Lerngegen-

ständen »Arbeitsaufträge« entwickeln, die

die Ausbildung strukturieren.

sentieren. Und dazu kommen wir Aus-bilder auch in die Schulen.Herr Boden: Was ist der Vorteil der Zu-sammenarbeit?

Frau Köppen: Die Kontakte zwischenSchule und Betrieb sind das Salz in derSuppe, es ist das, was uns immer wiedervoran bringt. Wir werden alle auf Feh-ler gestoßen. Wir haben uns in den er-sten Planungen Illusionen gemacht, dasses genau so geht, wie wir geplant haben,und dann mussten wir feststellen: es gehtdoch nicht so. Unser gegenseitiges Ver-ständnis wächst und auch unsere Kennt-nis. Die Lehrer wissen, was im Betrieblaufen kann und wir umgekehrt: Was ge-schieht eigentlich ganz konkret in derSchule.Herr Boden: Welche Erfahrungen habendie Lehrer gemacht? Herr Neubert: Wir haben gemerkt, dassdie Bedingungen für solchen Unterricht,z. B. für Gruppenarbeit, oft erst geschaf-fen werden müssen. Die gruppenar-beitsorientierten Lernprozesse sind wirLehrer noch nicht gewohnt und viele derSchüler auch nicht; es fehlt die notwen-dige Selbständigkeit. Dieser Unterricht –so ist mein Eindruck – ist schwieriger alsder alte. Herr Stammer: Wir sind am Anfang einesLernprozesses, in der Umsetzung derLernfelder in Lerngegenstände und Ar-beitsaufträge, da muss man noch viel Ar-beit investieren. Und es gibt in der Or-ganisation der Schule vieles, was nochverbessert werden muss, z. B. die Kon-zeption von Räumen und deren lern-feldgerechte Einrichtung. Und überflüs-sig wird natürlich nicht die Planung vonlehrgangsähnlichen Unterrichtsab-schnitten; teilweise ist deren Planung,weil es keine abgegrenzten Fächer undFachzuständigkeiten mehr gibt, für dieLehrenden schwieriger. Herr Fehrmann: Unsere Schüler gehenmotiviert in den Ausbildungsbetrieb undwollen an dem Projekt weiterarbeiten. Ge-legentlich hören sie dort: »Das Projektkommt später, jetzt arbeiten wir nach dem

(alten) Ausbildungsplan.« Diese Auszu-bildenden fordern ganz im Sinne des ge-meinsamen Projektes mehr Zeit, um diegestellten Arbeitsaufträge zu bearbeiten.

Das finde ich spannend. Schule und Be-trieb erscheinen so in den Augen des Aus-zubildenden als gleichwertige Partner.Herr Pehlke: Man spürt phasenweiseeine enorme Motivation der Schüler. Fra-gen, wie die: »Warum machen wir diesoder warum jetzt das«, die wir früheroft gehört haben, gibt’s nicht mehr. Esist eben klar, dass jetzt dieses und jenesberechnet werden muss, weil es zu die-sem Zeitpunkt in diesem Projekt sach-lich anliegt und die Inhalte stehen in ei-nem ganz engen Zusammenhang mit-einander.

Herr Timpe: Das sehe ich auch im Betrieb.Die Auszubildenden haben mehr Inter-esse, an diesen Projekten zu arbeiten,weil nachher etwas herauskommt, weilletztendlich ein Gerät hergestellt wird,das man präsentieren kann. Vorher ha-ben wir unsere sture Arbeit an denimmergleichen Ausbildungsgegenstän-den gemacht. Jetzt gibt es bei den Auf-gaben, die wir mit der Schule zusammenentwickelt haben, ein wesentlich größe-res Interesse, daran zu arbeiten. Herr Boden: Ihre Treffen hier scheinenauf den ersten Blick – gerade für denje-nigen, der seine Unterrichtsvorbereitun-gen bisher ausschließlich zu Hause ge-macht hat – mehr Arbeit zu sein. HabenSie das Gefühl, dass sich dieses Engage-ment bezogen auf Ihre Zufriedenheit oderIhre Entlastung und auch bezogen auf dieQualität der Ausbildung lohnt?Herr Wortmann: Sicherlich ist jeder An-fang mit Mehrarbeit verbunden; aber ichsehe das auch positiv. Ich denke, wirkommen noch in eine Phase, wo wir da-von profitieren. Dann können wir sagen:Okay, das ist jetzt abgehakt, das können

wir. Jetzt müssen wir schauen, wie wir– gewissermaßen als Unterrichtsvorbe-reitung – die Arbeitsaufträge erweiternkönnen oder ob wir andere formulieren,ob wir andere Vorrichtungen oder wasauch immer nehmen, um die Unter-richtsarbeit noch weiter zu optimieren. Herr Hansen: Zwei Blöcke haben wir janun schon durchgeführt und dort Er-fahrung gesammelt. Mit diesen Erfah-rungen können wir nun das nächste er-ste Ausbildungsjahr erwarten. Was liefschlecht, was lief da gut? Was hat sichvon unseren Überlegungen eigentlichwieder gefunden? Welche Intentionenkonnten wir umsetzen? Oder wie kön-nen wir an der einen oder anderen Stel-le, an der wir im ersten DurchgangSchwierigkeiten hatten, optimieren? Ichdenk, da deutet sich auch eine gewisseZeitersparnis an. Herr Boden: Sie werden sicherlich ihreerfolgreiche Arbeit fortsetzen. Gibt es et-

was, wo sie sagen, da brauchen wirUnterstützung, Hilfe, Mittel?Herr Stammer: Ja, Zeit; wir brauchenmehr Zeit!

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Unterricht vorbereiten

Das Gespräch führteHarald Boden,

Li–Hamburg – Referat Berufliche Bildung,Felix-Dahn-Straße 3,

20357 Hamburg,E-Mail: [email protected]

mit Roland Stammer (G 17),

Stefan Gahrens (Blume-Stahlservice)Petra Köppen (Sasol Wax GmbH),

Manfred Neubert (G 17),Roland Fehrmann (G 17),

Stefan Pehlke (G 17),Joachim Wortmann (G 17),

Peter Hansen (G 17)sowie weiteren Vertretern der G 17 (E-Mail:[email protected]) und den Ausbildern

der beteiligten Firmen.

Die Kontakte zwischen Schule und Betrieb sind das Salz in der Suppe.

Sicherlich ist jeder Anfang mit Mehrarbeit verbunden.

zum Sehen und Übernehmenvon Aufgaben anzuregen,dann erlebt man, wie Aufga-ben eine Beziehung zwischenMenschen und der sie umge-benden Welt stiften. Allerdingssieht man auch, dass diese Be-ziehung von den beteiligtenMenschen standpunktabhän-gig wahrgenommen wird undinsofern eine Aufgabe/Lückeimmer für jemanden be-stimmtes und in bestimmterWeise da ist. Das bedeutet,dass nur Aufgaben, die einen

Bezug zur »Welt« der konkreten Ler-nenden gewinnen, von ihnen als Aufga-ben wahrgenommen und übernommenwerden können. Damit Unterricht nichteine Veranstaltung mit jeder Menge Ant-worten auf nicht gestellte Fragen, jederMenge Lösungen für gar nicht wahrge-nommene Aufgaben ist, hat man als Leh-rerinnen und Lehrer also das Problem,aufgabenhaltige Situationen zu schaffen,damit man (erst) dann Ideen für die Lö-sung von Aufgaben und Fragen lern-wirksam ins Spiel bringen kann.

Aufgaben müssen in der Welt desAdressaten präsent sein

Dass die Mühe eines solchen Aufgaben-Stellens sich lohnt, zeigt sich, wenn man– auch an sich selbst – beobachtet, waspassiert, wenn jemand eine Aufgabe alssolche erkannt hat und bereit ist, sichdem, was dann passiert, auszusetzen:Man kann beobachten, wie der Blick indie umgebende Welt sich in eine Kon-zentration der Aufmerksamkeit auf alljene Phänomene und Sachverhalte ver-ändert, die mit der wahrgenommenenAufgabe/Lücke in Zusammenhang ste-hen (könnten). Zugleich erlebt man, wiesich eine Mobilisierung des Wissens undKönnens, der Erfahrungen und Einstel-

»Man wächst an seinen Aufgaben.« »Derhat sich seiner Aufgabe nicht gestellt.«»Hast du deine Aufgaben gemacht?«»Ich finde, hier ist überhaupt nicht klar,was die Aufgabe sein soll.« »Das warnicht meine Aufgabe.« »Die Aufgabe war‘ne echte Überforderung.« – Man sieht:Der Gebrauch des Wortes »Aufgabe« istdurchaus vielfältig. Gibt es eine Quint-essenz all dieser Sätze? Vielleicht die:Durch Aufgaben, die Menschen sehen,übernehmen, ablehnen oder auch nichtabwehren können, geraten sie in irgend-eine Beziehung zu der sie umgebendenWelt. Den verschiedenen Aufgaben alsBeziehungsstiftern ist dabei gemeinsam,dass sie immer auf etwas verweisen, dasfehlt. Mit anderen Worten: Der Satz »Dasist eine Aufgabe« ist ein anderer Aus-druck für den Satz »Da ist eine Lücke.«

Aufgaben sind Lücken im Verständnisder Welt

Man könnte sagen: ein aufgabenorien-tierter Unterricht ist einer, der für Ler-nende solche Lücken im Verständnis derWelt, im Beherrschen und Gestalten vonSituationen, im eigenen Wissen und Kön-nen erfahrbar und bearbeitbar macht.Gelingt es durch aufgabenhaltige Ler-nangebote Schülerinnen und Schüler

lungen ergibt, die nützlich sein könnten,um die Aufgabe zu bearbeiten. Diesedoppelte Konzentration der eigenen Po-tenziale auf die Aspekte von Welt, die füreine wahrgenommene Aufgabe von Be-deutung sind, ist der Motor des Lernensaus eigenem Antrieb und mit wirksamemErtrag. Er fehlt, wenn eine (z. B. von Leh-renden) gestellte Aufgabe in der Welt derAdressaten nicht präsent ist oder prä-sent gemacht werden kann oder derenBearbeitungsmöglichkeiten merklichübersteigt. Zwar gibt es dann einen an-deren Modus, sich doch mit der Aufga-be zu beschäftigen. Er resultiert daraus,dass Menschen generell, also auch Schü-lerinnen und Schüler, Bedürfnisse nachAnerkennung, Nicht-Auffallen, Zurecht-kommenwollen etc. haben. Diesen Be-dürfnissen zu entsprechen, kann seiner-seits zur Aufgabe werden. Zwar ist dieBearbeitung dann extrinsisch motiviert,sie führt aber trotzdem manchmal dazu,sich auf die Welt der gestellten Aufgabeeinzulassen. Oft endet der Bezug zur Auf-gabenwelt, wenn das angestrebte ex-trinsische Motiv befriedigt, die Zensurgegeben, das Lob erreicht, eine Aner-kennung ausgesprochen worden ist –sehr häufig und problematischerweiseauch ohne dass die Lücke in der Aufga-benwelt und im eigenen Wissen und Kön-nen wirklich geschlossen wurde. Und sokann potentiell eine Lernkarriere im er-folgreichen Ansammeln von Noten undAnerkennungen bestehen, deren Errei-chung das wirkliche Lösen von sich stel-lenden und übernommenen Aufgabensystematisch unterläuft.

Aufgaben müssen angenommen werden

Man kann ermessen, wie viel entlasten-der – auch und gerade für den Lehren-den – und lernträchtiger ein Unterrichtist, wenn die Lern-Aufgaben erfahrbarund mit der jeweils verfügbaren Kompe-

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Thema

Die AlternativeEin aufgabenorientierter Unterricht

Wenn Unterrichtsvorbereitung – wie in diesem Heft in

einigen Erfahrungsberichten angedeutet – für Lehrer

und Lehrerinnen heißt, sich Aufgaben zu überlegen,

welche den Schülern und Schülerinnen gestellt wer-

den und deren Bearbeitung durch die Lerner und

Lernerinnen gleichzeitig die Struktur des Unterrichts

bestimmt, so könnte man hier eine radikale Wende

angedeutet sehen: ein aufgabenorientierter Unter-

richt. Renate Girmes schreibt dafür ein Plädoyer.

tenz bearbeitbar erscheinen. Dann ent-steht bei den Lernenden die Zuversicht,sich der sichtbar werdenden Aufgabe mitErfolgsaussichten zuwenden zu können.Ist das der Fall, dann gibt es das Sich-von-einer-Aufgabe-gefangen-nehmen-lassen,das Vergessen von Zeit und Kontext, diedauerhafte Aufgabenbearbeitungsakti-vität aus eigenem Antrieb. In solchen Si-tuationen »trägt« eine Aufgabe eine(Lern-)Aktivität quasi wie von selbst alsMittler zwischen Sachverhalten in derAufgabenwelt und Potenzialen auf Seitender AufgabenbearbeiterInnen.

Um welche Aufgabe dreht sich eigentlichmein Fach?

Kann Unterricht so gestaltet werden, dassdas gelingt, werden Sie fragen. Ja, aber an-ders als üblich, ist die Antwort. Es kämedarauf an, dass man Lern-Aufgaben ent-

wirft, die Lerner soerreichen können,dass sie sich ihnen –und das heißt jedemeinzelnen auf seineArt – stellen. Dazuaber benötigt manzum ersten ein Ver-ständnis vom spezi-fischen Beitrag deseigenen Faches zumBildungs- und Ent-wicklungsprozessder Lerner allge-mein und für eine je-weilige Entwick-lungs-/ Altersphaseim Besonderen.Das, was einemLehrenden gewis-sermaßen selbstver-ständlich erscheint– die Frage: Um wel-che Aufgaben drehtsich eigentlich meinFach? – muss sichderjenige, der lang-fristig seinen Unter-richt plant, wiederneu vor Augen füh-ren und er muss dieFrage nach den Auf-gaben ganz konkretfür die jeweiligen

Kinder oder Jugendlichen, für die er denUnterricht plant, beantworten. Man musssein Fach also hinsichtlich seines »Bilden-den Sinns« vermessen und auf dieserGrundlage die geeigneten Aufgaben finden,die sowohl das Fach in seinem Bildungs-wert repräsentieren, als auch in der Lagesind, die Lerner in ihrer Lebenswelt zu er-reichen. Das zu leisten ist nicht einfach abermöglich.

Unterschiedliche Aufgabengestaltungfür die verschiedenen Lerner

Dazu benötigt man aber zweitens denMut und die Möglichkeit, dieses in län-gerfristigen Vorhaben und in unter-schiedlichen Aufgabengestaltungen fürdie verschiedenen Lerner zu realisieren.Denn es ist ein ersichtlich wenig Erfolgversprechendes Verfahren, Lernende zuraktiven Übernahme von Aufgaben zu be-

wegen, indem man davon ausgeht, dassdiese gleichzeitig und im 45-Minutentaktdie gleichen Aufgaben und Aufgabenlö-sungen in der gleichen methodischen Zu-gangsweise zu bearbeiten versuchen, mitdem Ziel, dabei zu gleichen Ergebnissenzu kommen. Genau dieses wenig erfolg-versprechende Verfahren gilt aber als»selbstverständlich« und man hätte alsoein historisch gewachsenes Verständnisvon »Unterricht«, in dem Lehrerinnenund Lehrer das eigentlich Unmöglichedurch methodisches Geschick herbei zu-führen versuchen, mindestens partiell zuverabschieden.

Alternativ wäre Unterricht vielleichtbesser und Erfolg versprechender als einvielfältiges Lernangebot für unter-schiedliche Schüler und Schülerinnen inden Aufgabenwelten der Fächer und inderen übergreifenden Zusammenhängenzu denken. Er hätte fremde, unvertrau-te, zu erschließende Welten über Aufga-ben individuell zugänglich zu machenund dabei zugleich über die Summe dergestellten Aufgaben so etwas wie dasGanze der jeweiligen Fächer für die Ler-ner verbindlich zu erschließen.

Wege zu einem aufgabenorientiertenUnterricht zeigt das Buch »(Sich) Aufga-ben stellen« (siehe auch www.bildungs-aufgaben.de), mit dem sich alle, die aneinem solchen Unterricht und einer ent-spannteren und wirksameren Unter-richtsarbeit Interesse haben, ermutigtsehen sollten, die aufgabenorientierte Al-ternative zum gängigen Unterricht zuplanen und zu realisieren.

Literatur

Renate Girmes: (Sich) Aufgaben stellen.Seelze 2004

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Unterricht vorbereiten

Dr. Renate Girmesist Professorin am Institut für

Erziehungswissenschaft an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg,

Zschokkestr. 32, G40B-135,39104 Magdeburg,

E-Mail: [email protected]

Merkmale qualitätsvoller AufgabenAufgabe muss vom Prozess des Lernens aus entwickelt wer-den,

• sodass sie eine Schwierigkeit isoliert; • sodass sie die Lerner in unterschiedlicher Weise ernsthaft

irritiert; • sodass die Lerner sie mit ihren Ressourcen für lösbar hal-

ten.

Merkmale einer günstigen Situation für die Aufgabenbearbeitung• ausreichend Zeit vorhanden• individuelle Anknüpfungspunkte, damit die Lerner sich für

eine Aufgabe erwärmen können;• Intuition und unscharfe Annäherungen müssen zulässig

sein.

Fragen, mit denen ich die Qualität meiner Aufgabenpraxis überprüfen kann:• Gibt es eine Hauptschwierigkeit bei der Aufgabenstellung,

deren Stellenwert im Kontext des Bildungswertes meinesFaches ich mir hinreichend deutlich gemacht habe?

• Weiß ich, was die Probleme und Schwierigkeiten der (meis-ten,einiger, einzelner) Schüler und Schülerinnen bei der Be-arbeitung der Aufgabe sein werden? Habe ich diese bei derAufgabenstellung antizipiert

• Weiß ich eigentlich, ob und inwiefern meine Aufgaben-stellung eine Irritation (kognitiv, sozial u.a.) für die Schü-ler und Schülerinnen enthalten könnte?

• Weiß ich, welche Voraussetzungen die Schüler zu habenmeinen, um die gestellte Aufgabe zu bearbeiten?

sprüchen nicht mehr genügte. Nach an-derthalb Jahren Lehrer-Dasein merkeich, dass ich einen Schritt zurück gehe

in Richtung Referen-dariat: Ich habe mirjetzt ein Formblattangelegt, auf dem ichden Unterrichtschriftlich vorbereite. DK: Ich war nach demReferendariat erst

mal durch den Schulalltag total über-fordert und dadurch überhaupt nicht inder Lage den Unterricht so genau zu pla-nen. Die Menge der Unterrichtsstundenwar sehr groß. Aber jetzt schreibe ichmir auch wieder eine Planung auf. DasLernziel überlege ich mir für jede Stun-de. Das habe ich eine Zeit lang nicht ge-macht und dadurch waren die Stundenoft schwammig – für mich und die Schü-ler. TG: Das finde ich sehr interessant, weilich mir das Ziel gerade nicht überlege.Ich bestimme jetzt den Unterrichtsinhalt,

die Phasen, den zeit-lichen Verlauf, dieLernschritte und dieSozialform, abernicht die Ziele. DK: Den Inhalt legeich auch fest. Trotz-dem überlege ich mirden Fokus. Ich habe

angefangen, nach jeder Stunde alleSchüler noch einmal zusammenzuholen.Durch das Feedback der Schüler zumErtrag der Stunde habe ich dann ge-merkt, ob ich meine Ziele erreichenkonnte. SJ: Bei meinem Deutschunterricht in derGrundschule kann ich allgemeine Lern-ziele oft nur schwer formulieren, weil dieLernstände der Schüler so vielfältig sind.Ich gebe dann auch differenzierte Auf-

se besondere Art der Vorbereitung beivielen Seminarleitern zum Dogma.DK: Jeder Seminarleiter hatte seine ei-gene Vorstellung, wiedie schriftliche Unter-richtsplanung ausse-hen sollte. Die konn-te eine gute Übungsein und ein Gerüstbilden. Aber jetzt istmeine Unterrichts-planung viel klarer, realistischer undmehr mit der Praxis verbunden.

Und was hat sich danach verändert?

SJ: Ich hatte in Bezug auf die Unter-richtsplanung im Referendariat das Ge-fühl, ein Ideal vermittelt bekommen zuhaben. Das beinhaltete genauestens fürdiese Lerngruppe zu planen, die einzel-nen Unterrichtsschritte zu überlegen undabzuwägen und das Material meist selbstzu entwerfen. Dem kann ich jetzt garnicht gerecht werden. Nach dem Refe-rendariat musste ich für mich also eineandere, eine »abge-speckte« Form vonUnterrichtsplanungentwickeln.CS: Das denke ichauch. Es war auf je-den Fall im Referen-dariat wichtig füruns, von einer gut ge-planten Unterrichtsstunde aus zu gehen.TG: Genau. Im Referendariat gab es di-verse Stunden, die auf dem Papier bis insDetail geplant wurden. Nach dem Refe-rendariat habe ich mich zunächst nichtmehr schriftlich vorbereitet. Ich habe z.B. viel mit dem Mathematikbuch gear-beitet und die Materialien und Themenrecht schnell heraus gesucht. Aber ichhabe gemerkt, dass der Unterricht teil-weise schlechter wurde und meinen An-

Was hat man im Referendariat gelernt?

SJ: Ich habe im Referendariat gut gelernt,Frontalunterricht zu planen. Aber nichtwie ich geöffneteren Unterricht organi-siere – das ist ja ein bekannter Vorwurf!Die Stunden sollten genauestens durch-dacht sein. Und wenn ich als Lehrerinmehr in der eigenen Hand habe, kannich sie auch besser berechnen und len-ken. DK: Ja sicher warst du nicht so frei. Aberich konnte schon Unterricht präsentie-ren, der offener war, in dessen Strukturdie Schüler freier agieren konnten.SJ: Ja. Aber eine kleinschrittige Unter-richtsplanung ist zum Beispiel bei Sta-tionenarbeit sehr aufwändig, kompliziertund arbeitsintensiv. Denn konsequen-terweise muss man dann für jede Stationein Lernziel formulieren. CS: Die Notwendigkeit der einzelnenPunkte einer Unterrichtsvorbereitungwie Sachanalyse oder didaktische Ana-lyse sind unstrittig. Aber leider wird die-

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Thema

Zwischen kleinschrittigerPlanung und RoutinenWie verändert sich die Unterrichtsvorbereitung nach dem Referendariat?

Im Gespräch erläutern vier junge Lehrer

und Lehrerinnen vier verschiedener Grund-

bzw. Haupt- und Realschulen – Thorben

Gust (TG), Silke Jessen (SJ), Doro Kleffner

(DK), Christian Schulz (CS) –, welche unter-

schiedliche Bedeutung für sie das hat, was

jeweils im Referendariat gelernt und prakti-

ziert wurde. Bei der allmählichen Aus-

bildung von Routinen greifen die einen spä-

ter wieder zurück auf Referendariatserfah-

rungen, die anderen vermissen in den

schriftlichen Unterrichtsplanungen dieser

Zeit die Tauglichkeit für den Schulalltag.

Nach dem Referendariat habe ichmich zunächst nicht mehr

schriftlich vorbereitet. Aber ichhabe gemerkt, dass der Unterricht

teilweise schlechter wurde.

ich plane eine Stundenstruktur, so wie ich es im Referendariat

gelernt habe. Nur gehe ich jetztviel lockerer mit schriftlicher

Unterrichtsplanung um.

gaben für die Schüler und Schülerinnen.Aber ich plane eine Stundenstruktur, sowie ich es im Referendariat gelernt habe.Nur gehe ich jetzt viel lockerer mitschriftlicher Unterrichtsplanung um alsim Referendariat. Wenn ich das richtigsehe, greifen wir aber doch alle auf be-stimmte Elemente der Unterrichtspla-nung, wie man sie im Referendariat ge-lernt hat, zurück. Also war das, was wirda machen mussten, nicht umsonst odernicht nur für die Prüfungsstunden. DK: Ja. In diesem Sinne waren viele Ele-mente von Unterrichtsplanung im Refe-rendariat ein Angebot. Was du davonmitnimmst, ist dir selbst überlassen. TG: Ich finde interessant, dass ich diver-se im Referendariat geplante Stundenwieder gebe. Solche detailliert geplan-ten Stunden funktionieren auch in an-deren Lerngruppen. Ich hätte eigentlichLust wieder viel mehr Zeit in die Unter-richtsplanung zu investieren, aber dasgeht eben nicht.

DK: Also ich investiere wieder viel Zeitin die Planung. Ich führe sie oft mit mei-ner Kollegin zusammen durch. Wir pla-nen eine oder zwei Wochen im Block.

Da ist dann jede Stunde »gesichert«.Das Problem ist nur, dass es unplanba-re Situationen gibt. Wenn z. B. zweiSchüler im Unterricht private Proble-me ausfechten ... Hospitationsstundensind deshalb planbar gewesen, weil dieSchüler vorher »eingenordet« wurden.Als ich anfing, ohne Mentoren zu ar-beiten, war mein Hauptproblem, dieSchüler in den Griff zu kriegen. DieUnterrichtsplanung war da eigentlichegal.

TG: Bei mir waren die Disziplin und dieHerstellung einer Arbeitsatmosphäre zuAnfang, als ich allein unterrichtete, auchein Problem. Aber ich glaube, dass dasauch mit meiner schlechteren Unter-richtsplanung zusammen hing. Die Ein-stellung: »Ich bin jetzt fertig mit diesergenauen Vorbereitung – der Unterrichtwird schon laufen« ist tatsächlich falsch.

Wie bekommt man Routinen?

SJ: Vielleicht geht es jetzt darum, Routinenauszubilden, die die Unterrichtsvorberei-tung erleichtern. Wie bildet man die aus?CS: Meine Ideen über Unterricht, überdas, was man machen kann, sind we-sentlich größer geworden. Man bekommtimmer mehr gute Unterrichtsbeispiele.Gleichzeitig gibt es aber noch tausendandere Aspekte, die man im Unterrichtgern umsetzen würde.DK: Es gibt Stunden, da ist mir von derUnterrichtsplanung her alles relativ klar.Das sind eingespielte Abläufe, wie z. B.

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Unterricht vorbereiten

Wenn ich im Referendariat diePlanung aufgeschrieben habe,glich das dem Schreiben eines

Standardbriefes.

»In der Teamarbeit hat man viel mehr Ideen. Im Grunde genommen muss man Strategien entwickeln,wie man gemeinsam viele Ideen entwickelt und das so vielleicht schneller schafft.«

die Arbeit mit Filmausschnitten. Das sindStunden, die laufen immer gut. Aberwenn ich im Chemieunterricht ins Laborgehe, muss ich jeden Schritt genau pla-nen. Da gehe ich so vor wie im Referen-dariat, um die Materialschlachten vor-her zu durchdenken und selbst nicht denÜberblick zu verlieren. SJ: Das ist sicher so: Wenn man fachfremdunterrichtet, braucht man mehr Vorbe-reitung als in einem Unterrichtsfach, dasman studiert hat. Da ist es schwieriger,Routinen im Sinne von erprobten unddann eben auch – je nach Anlass in derStunde – variierbaren Abläufen auszu-bilden. Als Techniklehrer lernt man inder Ausbildung vielleicht etwas über dieGestaltungsmöglichkeiten in der Phaseder Materialausgabe, so wie ich als Re-ligionslehrerin verschiedene möglicheUnterrichtsabläufe im Umgang mit Ge-schichten kennen gelernt habe. Das istnämlich ein Punkt, an dem ich jetzt mer-ke, dass ich schon über gewisse Routi-nen verfüge. DK: Im fachfremden Unterricht muss ichmich als Lehrerin selbst stärker orien-tieren. Sonst lässt man sich von denSchülern und ihren Fragen verwirrenoder übersieht spannende Ansätze in denStunden. TG: Gerade Situationen, in denen mirwichtige Aspekte durch die Lappen ge-gangen sind, waren für mich der Anlasszurückzukehren zu der schriftlichen Vor-bereitung in Tabellenformat. SJ: Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht müs-ste man genauer klären, was das Pro-blem ist: entweder das, was die Schülerbieten oder was sich in einer Situationdarbietet an Möglichkeiten, nicht aus-geschöpft zu haben, oder inhaltliche As-pekte des Themas vergessen zu haben,weil man sich das in der Vorbereitungnicht noch mal vor Augen geführt hat.Welche Hilfe für das Erkennen der Situ-ation bietet die tabellarischen Form derUnterrichtsplanung? DK: Im Referendariat hat man sich vieleGedanken über die Unterrichtsstundengemacht, weil man musste. Die Gedan-ken waren dann aber oberflächlich.Wenn ich im Referendariat die Planungaufgeschrieben habe, glich das demSchreiben eines Standardbriefes.

CS: Betrifft das die schriftliche Unter-richtsplanung überhaupt?DK: Ja. Ich hatte das Gefühl, ich mussmich dabei beweisen, aber ich habe sienicht gemacht, weil ich dann daran oderdamit gearbeitet habe.SJ: Ich glaube, die Planung war nicht nureine – sozusagen – »nach Schema F«. Ichmerke das daran, dass ich weniger ex-perimentierfreudig bin im Moment. Diegeforderte umfangreiche Unterrichts-planung im Referendariat hat nämlich

bewirkt, dass ich etwa ganz bewusst Me-thoden ausprobiert habe. Jetzt ist es vielhäufiger so, dass ich auf ein Arbeitsblattzurückgreife, das schon da ist, um mei-ne aktuelle Belastung durch die Unter-richtsvorbereitung zu reduzieren. TG: Mir fehlt häufig auch das richtige Ar-beitsblatt und die Zeit es selbst herzu-stellen. CS: Ich entwerfe fast alle Materialenselbst. Die Sachen aus den Büchern sindoft viel zu schlecht zum Kopieren. TG: Meine ästhetischen Ansprüche an Ar-beitsblätter sind schon gesunken.DK: Vielleicht habe ich es da in meinemEpochenunterricht einfacher. Ich be-schäftige mich eben immer nur mit ei-nem Thema zur Zeit. Und für ein Projektentwickele ich dann für die gesamte Wo-che genügend Arbeitsmaterial.SJ: Das mache ich jetzt in der Grund-schule auch verstärkt, solch eine mittel-fristige Planung. Im Referendariat habeich viel mehr auf die einzelne Unter-richtsstunde hin vorbereitet.

Was erleichtert Unterrichtsvorbereitung?

TG: Wünschenswert wäre für mich einenRaum zu haben, der mit Unterrichtsma-terialien bestückt ist. Damit ich für dieUmsetzung meiner Unterrichtsideen aufdieses Material zurückgreifen kann. DK: Für eine individuelle Materialsamm-lung wird ja seit Jahrzehnten viel Ener-

gie und Zeit aufgewendet. Ziel wäre es,diese Sammlung in der Schule zu haben. CS: Mein Ziel ist, Klassenlehrer in derGrundschule zu werden und nicht mehrals Fachidiot im Stundentakt durch ver-schiedene Lerngruppen zu toben. Wenndu die Lerngruppe besser kennst, mit ihrbesser verbunden bist und die volle Ver-antwortung trägst, kannst du länger-fristiger planen. TG: Schwierig finde ich bei der Unter-richtsplanung festzulegen, welcheSchwerpunkte ich eigentlich setzen will.Diese Entscheidungsphase, dieser Fin-dungsprozess kostet mich am meistenZeit. Ich wünsche mir also bei der Unter-richtsplanung eine größere Entschei-dungsfähigkeit.DK: In der Teamarbeit hat man viel mehrIdeen. Im Grunde genommen muss manStrategien entwickeln, wie man gemein-sam viele Ideen entwickelt und das sovielleicht schneller schafft.SJ: Im Referendariat fiel es mir immeram schwersten, ein Thema für die Schü-ler bedeutsam werden zu lassen. Undmir nutzen Kenntnisse über die ver-schiedenen Entwicklungstheorien da nurwenig. Ich erhoffe mir daher – und daswürde für mich Unterrichtsvorbereitungerleichtern – immer mehr Schülersicht-weisen auf die Themen meiner Fächerkennen zu lernen, über sie etwas zu er-fahren, um Arrangements schaffen zukönnen, in denen sie sich selbständig et-was erschließen.

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GHR-

Schu

le

26

Thema

Dr. Silke Jessen,Grundschullehrerin,

Schule Chemnitzstraße,Virchowstr. 80,

22767 Hamburg,E-Mail: [email protected]

Für mich würde es dieUnterrichtsvorbereitungerleichtern, wenn ich die

Schülersichtweisen auf dieThemen meiner Fächer besser

kennen würde.

Hamburg macht Schule 3|2005 27

Serv

ice

Unterricht vorbereiten

richts-Methoden von Hilbert Meyer dazuan neue Wege zu gehen.

Meyer, Hilbert (1999): Unterrichts-Me-thoden, Bd. 2, Praxisband. Frankfurta. Main: Cornelsen Scriptor

Tipp für Vertretungsstunden

Die »Themenblätter im Unterricht« derBundeszentrale für politische Bildungeignen sich auch zur fachfremden Ge-staltung von Vertretungsstunden in derSekundarstufe I. Sie stellen einen Klas-sensatz mit 26 Arbeitsblättern zu ak-tuellen Themen aus Politik und Gesell-schaft (z. B. zu den Themen »GetrennteWelten?«, »Soziale Gerechtigkeit«, »Zi-vilcourage«, »Aktien«, »Lust auf Ler-nen«, »Familie und Frauenrolle«, »Mob-bing«, »Pop und Politik«, »Familienban-de«, »Heimat ist, wo ich mich wohl füh-le«) bereit. Sie sind für ein bis zwei Schul-stunden konzipiert. Ihr Einsatz wird er-leichtert durch vier Seiten Lehrerhand-reichung mit einer kurzen inhaltlichenund methodischen Einführung. Auf denInternetseiten der Bundeszentrale fürpolitische Bildung finden sich darüberhinaus weitere zahlreiche Anregungenzu diesen Themen.

Die »Themenblätter im Unterricht«finden Sie unter: www.bpb.de/publika-tionen. Alle Ausgaben sind auch als PDFzum Herunterladen verfügbar wahlweisefarbig oder s/w. Oder Sie können unterfolgender Adresse einen Katalog zu al-

Unterrichtsvorbereitung

Wer sein Wissen über Metho-de und Didaktik aktualisierenwill, findet in dem Buch vonThomas Unruh und SusannePetersen viele neue Impulsefür die Unterrichtsgestaltung.Das Buch macht Lust aufübersichtlich strukturiertenund transparenten Unter-richt, den gerade unstrukturierte Schü-ler brauchen. Es bietet Checklisten zurPlanung und Auswertung von Unterricht,wertvolle Tipps für die verschiedenenPhasen des Unterrichts und Hinweise fürProbleme, wie z. B. fehlende Disziplin.

Unruh, Thomas; Petersen, Susanne(2004): Guter Unterricht. Handwerks-zeug für Unterrichtsprofis. Lichtenau:AOL-Verlag

Gruppenarbeit und kooperatives Arbei-ten im Unterricht läuft nicht von selbst,sondern muss eingeführt und eingeübtwerden. Der Unterrichtsalltag des Leh-rers wird erleichtert, wenn die Vorbe-reitung und Durchführung von Grup-penarbeit nach immer denselben Regelnverläuft. Deswegen ist die positive Wir-kung von Ritualen im Schulalltag wiederins Blickfeld gekommen. Im Zentrum desBuches stehen detaillierte Vorschläge fürRituale, die Schüler/innen mehr Selbst-ständigkeit und Mitbestimmung einräu-men. Die Autorin stützt sich auf eigeneErfahrungen und auf die von Kollegin-nen und Kollegen an Hamburger Schu-len.

Petersen, Susanne (2001): Rituale fürkooperatives Lernen in der Sekundar-stufe I. Frankfurt a. Main: CornelsenScriptor

Wie mache ich es mal anders? Wenn Siebei der Unterrichtsvorbereitung auf derSuche nach abwechslungsreichen Me-thoden sind, regt der Praxisband Unter-

len Publikationen der Bundeszentrale fürpolitische Bildung anfordern: Bundes-zentrale für politische Bildung, Adenau-erallee 86, 53113 Bonn

Tipps für Aufgabenstellungen in dergymnasialen Oberstufe

In Loseblattsammlungen veröffentlichtder Stark-Verlag »Unterrichtsmateria-

lien für Lehrkräfte« und »Ab-itur- Prüfungsaufgaben« füralle Fächer und Bundeslän-der. Die Materialien erleich-tern – auch unter den Bedin-gungen des Zentralabiturs –die Formulierung von ober-stufenadäquaten Aufgaben-stellungen für Übungsstundenund Klausuren. Sie stellenumfangreiches Material zur

Verfügung, das sich für Unterricht undPrüfungen einsetzen lässt. Die Aufga-benstellungen unterstützen nicht nur An-fänger bei der Vorbereitung von Unter-richt und der Durchführung von Prü-fungen.

Eine Übersicht über das Angebot ist zufinden unter www.stark-verlag.de/

STARK Verlag, Postfach 1852, 85318Freising, Tel: 08161-1790, Fax: 08161-17951, E-Mail: [email protected]

Link-Tipps zur »schnellen Vorbereitungvon Zuhause aus«

Im Internetportal www.zum.de stellenLehrer ihre Unterrichtsvorbereitung insNetz und damit anderen Lehrer zur Ver-fügung. Aus ganzen Unterrichtseinhei-ten und Projekten können also Kollegenentweder nur Anregungen oder konkre-te Arbeitsblätter und Aufgabenstellun-gen übernehmen. In manchen Fächernlassen sich die ins Netz gestellten Mate-rialien auch direkt mit Hilfe eines Be-amers im Unterricht verwenden. EineSuchfunktion unterstützt den Nutzer. Ne-ben Unterrichtsmaterialien werden auchLink-Tipps angeboten, Mailinglisten be-kannt gegeben, die Möglichkeit zumChatten eröffnet. Mitarbeiten kann jederals fachspezifischer Koordinator oder alsAutor.

Kerstin Rabenstein (Kontakt s. S. 13)

Hinweise undMaterialien

»Man hat ja doch ein mulmiges Gefühl,wenn man den Teilnehmern den Feed-backbogen aushändigt«, so Max Z. zu ei-nem seiner Kollegen. Wie Max Z. habenalle Lehrkräfte der Fachschule geradeeinen periodischen Pflichtcheck übersich ergehen lassen. Und viele habenauch das obligatorische Feedbackge-spräch auf Basis der Fragebogenaus-wertung in der Klasse bereits durchge-führt.

Entwicklung eines Feedbacksystems

Wir wissen, dass die Fachschüler eineBeurteilung des Unterrichts unbedingtwollen. Auch deshalb hat das Teilneh-mer-Feedback an der AWS eine langeTradition und ist im Schulprogramm ver-ankert.(vgl. auch Artikel in HMS 1/98).Dabei wurden die lehrerbezogenen Fra-gebögen unter Berücksichtigung der An-regungen der Fachschüler mehrfach ge-ändert. Inzwischen muss jeder Lehrer ineinem bestimmten Zeitraum den Stan-dardfragebogen einsetzen und alsGrundlage für das Feedbackgesprächauswerten.

Eine Berichtspflicht gegenüber derSchulleitung gibt es jedoch noch nicht.Im Rahmen von Mitarbeitergesprächenwird allerdings Bezug auf das indivi-duelle Feedback genommen. Auch ge-ben viele Kollegen von sich aus ihre Er-gebnisse an die Leitung weiter.

Neu hinzugekommen ist eine Befra-gung, die zusammengefasst über die Leis-tung aller in einer Klasse unterrichten-den Lehrer berichtet. Der einzelne Leh-rer bleibt also anonym. Diese »klassen-bezogene« Befragung wird zentral durchdie Schulleitung ausgewertet. Die Schul-leitung ist somit informiert über die unter-schiedliche Bewertung der Lehrerteamsdurch die Teilnehmer. Dieser Fragebogen

soll in Zukunft um Fragen des Teamver-haltens von Lehrern erweitert werden.

Dem einzelnen Lehrer erlaubt der Ver-gleich der klassenbezogenen Auswer-tung mit seinem individuellen Ergebnisgewissermaßen eine Standortbestim-mung. So kann Max Z. feststellen, in wel-chen Bereichen sein Ergebnis vomDurchschnitt abweicht bzw. wo es exaktdem Durchschnitt entspricht.

Ein weiterer Feedbackbaustein ist dieso genannte periodische Klassenspre-cherunde: Hier geht es um eher Grund-sätzliches. Wie können aus Sicht derSchüler positive Entwicklungen für denUnterricht und die Organisation derSchule eingeleitet bzw. verstärkt wer-den? Welche Maßnahmen schlagen siezur Beseitigung festgestellter Mängelvor? Wie sollte das bestehende Feed-backsystem weiter entwickelt werden?Darüber hinaus kommt der Klassen-sprecherrunde auch eine gewisse Kon-trollfunktion zu. So wird hier öffentlich,wenn Lehrer ihre Feedbackgesprächenicht durchführen oder nicht ernst neh-men. Die Klassensprecherrunde ist un-verzichtbar, so lange es keine Berichts-pflicht über das lehrerbezogene Feed-back an die Schulleitung gibt.

Nutzen des Schülerfeedbacks

Feedback ist dem Grundsatz des Dialogsverpflichtet. Deswegen ist den Feed-backgesprächen auf Basis ausgewerte-

ter Fragebögen eine so große Bedeutungbeizumessen. Sie beinhalten die selteneChance, den Unterrichtsalltag mit einergewissen Distanz zu betrachten. GuteFeedbackgespräche – das wissen wir ausErfahrung – verbessern das Unter-richtsklima erheblich.

Allerdings kann sich eine bisher fürdie Beteiligten ungünstige Unterrichts-situation durch das Gespräch auch ver-schlechtern, wenn die Lehrkraft dasFeedback nicht ernst nimmt oder nichtentsprechend vorbereitet in das Ge-spräch hineingeht.

Teilnehmerfeedback bewirkt durchseinen bloßen Einsatz bereits eine Ver-besserung des Unterrichtsklimas. MaxZ. jedoch steht dem Schülerfeedbacktrotzdem noch ambivalent gegenüber.Die Auswertung seiner individuellenFragebögen zeigt zwar in der Zu-sammenschau, dass er seine Arbeitüberdurchschnittlich gut macht. In ei-nigen Punkten sehen die Schüler abernoch Schwächen. So könnte Max Z. bei-spielsweise mehr für die Visualisierungtun. Auch sollte er regelmäßiger dieUnterrichtsergebnisse am Ende der Ein-heit in verständlicher Form zu-sammenfassen. Gut finden nahezu alleseiner Schüler, dass er vorwiegend ak-tivierende Unterrichtsmethoden nutztsowie Materialien und Projektergeb-nisse etc. zum Herunterladen auf dieAWS-Site stellt.

Nun muss er sich dem Dialog stellen.»Eigentlich ist durch die Befragung jaauch nichts schlechter geworden, manwird lediglich dazu gezwungen, die Ist-Situation zu reflektieren und kann damitUnsicherheiten über das Ereignis Unter-richt abbauen«, denkt Max. Ob über-haupt und in welcher Form Max dieseGesprächsinhalte und -ergebnisse mit

Hamburg macht Schule 3|2005

Werkstatt Schule

28

Periodisches Schüler-FeedbackSchüler sorgen für diagnostischen Durchblick

Um Feedback als Teil der Quali-

tätsverbesserung des Unterrichts

zu etablieren, müssen Lehrerinnen

und Lehrer immer wieder über

hohe Hürden springen. An der

staatlichen Abendwirtschafts-

schule ist dies weitgehend gelun-

gen, es gibt eine Feedbackkultur.

Kollegen und Schulleitung teilt, will ersich aber ganz allein vorbehalten.

Eine systematische Information derSchulleitung über die Ergebnisse desTeilnehmerfeedbacks wäre nützlich. Siekönnte der Vorbereitung von Maßnah-men zur Beseitigung aufgedeckterSchwächen dienen. Auf Grundlage derAuswertungen könnten auch Problemethematisiert werden, die zwar bekanntsind, aber wegen falscher Rücksicht-nahme nicht bearbeitet wurden.

So haben die Ergebnisse unserer letz-ten klassenbezogenen Befragung an derAWS zur Organisation schulinterner Se-minare zur Verbesserung der Metho-denkompetenz geführt. Die Befragungenzeigten nämlich bei sonst sehr akzepta-blen Ergebnissen, dass die Schüler bzgl.der Methodenvielfalt Defizite bei denLehrern sehen. Das Feedback trug sodazu bei, dass ein bereits vereinzelt vor-getragenes Anliegen zur Fortbildungstärker wahrgenommen wurde. Hervor-zuheben ist an dieser Stelle, dass ein un-günstiges Feedbackergebnis Konse-quenzen haben muss.

Je deutlicher der Nutzen des Feed-backs für die Beteiligten desto geringerwird der Widerstand gegen eine gene-relle Berichtspflicht über individuelle Be-fragungsergebnisse sein.

Feedback als Kern der internenEvaluation

Um die Erfahrungen und Kompetenzenauch der ehemaligen Schüler für dieSchulentwicklung zu nutzen, planen wir,in Zukunft regelmäßig einige Jahre nachder Abschlussprüfung unsere Ehemali-gen zu befragen über ihren Verbleib, dieKarriere, die Arbeitsplatzsicherheit inZusammenhang mit der Leistung derAWS. Diese Absolventenbefragung be-findet sich zurzeit in der Testphase.

Evaluationsdaten sind über die Site derAWS schulintern öffentlich. Öffentlich-keit allein aber ist nicht ausreichend. EinBlick von außen auf diesen Bereich derinternen Evaluation durch qualifizierteZertifizierer sollte zusätzlich erfolgen.Damit der interne Check auch einerMetaevaluation durch Externe zugäng-lich ist, empfiehlt sich ein standardisier-

tes und unbürokratisches Verfahren, dasdie Art und Weise der Auswertung undDokumentation exakt vorschreibt.

Das Schülerfeedback in den Formenindividueller und klassenbezogener Be-fragung sowie Feedbackgespräch undKlassensprecherrunde ist ein ausge-sprochen sensibles Kernelement einerinternen prozessorientierten Evaluation.Der Wert dieses Instrumentariums istentscheidend abhängig davon, wie gutdie Probleme der Akzeptanz, der Trans-parenz, der Verbindlichkeit und der Da-tenhoheit für die Leitung an einer Schu-le geregelt werden können, wie auch dieFrage nach den Schlussfolgerungen bzw.Konsequenzen. – Dennoch muss ver-standen werden, dass das Schülerfeed-back nur einen – wenn auch wichtigen –Ausschnitt schulischer Evaluation bildetund Vernetzungen mit anderen relevan-ten Bereichen der Organisation unbe-dingt in die interne Evaluation einzube-ziehen sind (Vgl. dazu die Grafik).

Dieter Schrader, Staatliche Abendwirtschaftsschule (H12),

E-Mail: [email protected]

Hamburg macht Schule 3|2005

Werkstatt Schule

29

KlassensprecherrundeSchüler und Schulleitung

Lehrerbezogener FragebogenSchüler beantworten

standardisierte Fragen

(zur Zeit keine Berichtspflicht an SL)

Klassenbezogene BefragungSchüler beantworten standardisierte Fragen

über die Unterrichtsqualität in ihrerjeweiligen Klasse

(Auswertung zentral bei SL, die L-Teamserhalten das jeweilige Klassenergebnis)

Absolventenbefragung(Auswertung bei der SL)

AWS-Site

FeedbackgesprächLehrer

Beratung (Konsequenzen, weitere QM-Maßnahmen)

Ergebnis

Ergebnisse

Beratung über Konsequenzen, weitere Maßnahmen des QM

aggregiertes Ergebnis

Schulleitung (SL),verantwortlich für Qualitätssi-cherung

MA-Gespräch (Thematisierungdes indiv. Feedbacks)

Am 14. Juli 2005 wurden erste Ergeb-nisse des zweiten PISA-Länderver-gleichs vorab veröffentlicht. Der 18 Sei-ten umfassende Vorbericht – nachzule-sen unter www.pisa.ipn.uni-kiel.de/Vor-information_E.pdf – präsentiert Über-sichten mit den Ländermittelwerten,Standardfehlern und Leistungsvertei-lungen in den untersuchten Kompe-tenzbereichen. Darüber hinaus werdenauf der Basis eines MittelwertvergleichsVeränderungen gegenüber PISA 2000mitgeteilt – allerdings ohne Hamburgund Berlin, die seinerzeit die Mindest-teilnahmequoten (80 Prozent) verfehlthatten; lediglich die Gymnasien konn-ten in den ersten Ländervergleich ein-bezogen werden. Diesmal lag die Beteiligung in Hamburgbei rund 94 Prozent (Tests) bzw. knapp80 Prozent (Fragebogen). Getestet wur-den jeweils 25 Fünfzehnjährige aus 37Gesamtschulen, 16 Integrierten Haupt-und Realschulen, 35 Hauptschul- und 29Realschulzweigen sowie aus 42 Gymna-sien, die nach dem Zufallsprinzip aus-gewählt worden waren. Zwischen MitteApril und Ende Mai 2003 bearbeitetendie Schüler 120 Minuten lang eins von13 verschiedenen Testheften mit jeweilsvier Aufgabenblöcken, anschließend füll-ten sie bei vorliegender Einverständnis-erklärung der Erziehungsberechtigtenrund eine dreiviertel Stunde lang einenumfangreichen Fragebogen aus.

Mittelwertvergleich

Die Hamburger Jugendlichen belegenPlatz 15 im Bereich der mathematischenKompetenz, Platz 13 in der Lesekompe-tenz und Platz 14 im Bereich der natur-wissenschaftlichen Kompetenz. Mit 19(Mathematik), 22 (Lesen) bzw. 13 Punk-ten (Naturwissenschaften) liegen die imMittel erreichten Testleistungen jeweilssignifikant unter dem OECD-Durch-schnitt. Günstiger fällt das Ergebnis imProblemlösen aus: Mit 5 Punkten überdem Mittelwert der 31 OECD-Staaten lie-

gen die Hamburger Schüler im bundes-deutschen Vergleich auf Platz 10.Die Berücksichtigung des ökonomischen,sozialen und kulturellen Status der Schü-lerschaft sowie des Migrationshinter-grundes führt zwar zu einer »Korrektur«des Mittelwertes (in Mathematik um 7Skalenpunkte) und infolge der zum Teilerheblichen Unterschiede zwischen denLändern zu einem günstigeren Rangplatz(im Mathematik Platz 12 statt Platz 14),allerdings gehört Hamburg zur Gruppejener Länder, in denen ein insgesamt nie-driges Kompetenzniveau mit einer en-gen Kopplung an die soziale Herkunft derSchüler einhergeht.

Leistungsverteilungen

Eine genauere Betrachtung der Leis-tungsverteilungen in den einzelnen Kom-petenzbereichen ergibt für die mathe-matische Kompetenz, dass das obereLeistungsviertel der Hamburger Schülerinnerhalb des OECD-Durchschnitts liegtund mindestens die Kompetenzstufe 4erreicht, dass aber das untere Leis-tungsviertel allenfalls die Kompetenz-stufe 1 erreicht und ein nennenswerterTeil der Schülerschaft nicht einmal überelementare mathematische Fähigkeitensicher verfügt.Ähnliches gilt für die naturwissen-schaftliche Kompetenz. Auch hier er-reicht das obere Leistungsviertel derHamburger 15-Jährigen mindestens dieKompetenzstufe 4 und liegt innerhalbdes OECD-Durchschnitts, während dasuntere Viertel, insbesondere die unter-sten 10 Prozent der Schülerschaft, le-diglich über elementare Kenntnisse ver-fügt.Auch im Bereich der Lesekompetenz liegtdas obere Viertel der Hamburger Schü-lerschaft innerhalb des OECD-Durch-schnitts, hier gehören die 10 Prozent leis-tungsstärksten 15-Jährigen sogar zu den»Top Ten« der berichteten OECD-Staa-ten. Wiederum ist das ungünstige Ab-schneiden im nationalen und internatio-

nalen Vergleich auf die schwachen Leis-tungen des unteren Viertels zurückzu-führen, das allenfalls über elementareLesefähigkeiten verfügt.

Risikogruppe

Der Leistungsabstand zwischen leis-tungsstarken und leistungsschwachenSchülern ist in kaum einem anderenLand so ausgeprägt wie in Hamburg. Ins-besondere die Förderung des unterenLeistungsviertels erweist sich als unzu-reichend. Dass die Schüler dieser »Risi-kogruppe« über ein weit höheres Lern-potenzial verfügen, zeigen die Ergebnisseim Problemlösetest: Hier liegt auch dasuntere Viertel innerhalb des OECD-Durchschnitts. Die Schüler dieser Grup-pe sind also durchaus in der Lage, kom-plexe Aufgabenstellungen zu verstehenund ihr Wissen auf alltagspraktische Pro-blemsituationen anzuwenden. Dabei ist zu bedenken, dass sich ein er-heblicher Teil dieser Jugendlichen infol-ge von Späteinschulung und Klassen-wiederholung zum Testzeitpunkt erst inder 8., etliche sogar erst in der 7. Klas-senstufe befand. Hinzu kommt, dass diezwischen 1993 und 1995 eingeschultenSchülerinnen und Schüler aufgrund derdamaligen Stundentafel insbesondere inder Grundschule erheblich wenigerUnterricht gehabt haben als beispiels-weise die bayerischen Schüler – die Ver-lässliche Halbtagsgrundschule wurdeerst in der zweiten Hälfte der 90er Jah-re eingeführt.So weisen die Ergebnisse der KESS-Untersuchung, die etwa zeitgleich mitPISA 2003 in den vierten Klassen derHamburger Grundschulen durchgeführtwurde, darauf hin, dass die in den zu-rückliegenden Jahren ergriffenen Maß-nahmen zur besseren Förderung insbe-sondere sozial benachteiligter Schülererste Früchte tragen – die 1999 einge-schulten Hamburger Viertklässler lagenin Mathematik sogar vor Bayern.

Ulrich Vieluf

Hamburg macht Schule 3|2005

Schulforschung

30

Hamburg im LändervergleichPISA 2003

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Mit Schuljahresbeginn 2005/06 begin-nen diejenigen 270 Referendarinnenund Referendare an den Schulen mitder Phase eigenständigen Unterrichts(12 Stunden bedarfsdeckender Unter-richt, Kernphase), die im Mai 2005 denVorbereitungsdienst mit der Startpha-se am Landesinstitut für Lehrerbildungund Schulentwicklung begonnen haben. • Es gibt 64 neue Referendare für das

Lehramt an beruflichen Schulen,• 92 für das Lehramt an der Primarstu-

fe und der Sekundarstufe I,• 84 für das Lehramt an Gymnasien und• 30 für das Lehramt an Sonderschulen.Mit 1388 Bewerbungen für diese 270Plätze gab es zum Mai 2005 nahezugleich viele Interessierte für einen Platzim Vorbereitungsdienst in Hamburg wiezum 1.11.2004 (Bewerbungszahl befin-det sich auf sehr hohem Niveau – 5 Be-werberinnen/Bewerber bewerben sichfür einen Platz).

Inzwischen sind auch schon die erstenDaten über das Bewerbungsverfahrenum einen Platz im Vorbereitungsdienstzum 1.11.2005 ausgewertet: Mit deut-lich mehr als 1500 Bewerbungen ist diesdie höchste Bewerberzahl aller Zeiten!

Geschlecht

Über 60 Prozent der neu Eingestelltensind weiblich. Der Anteil von männlichenReferendaren ist nach wie vor am höchs-ten für das Lehramt an beruflichen Schu-len (48 Prozent), am geringsten bei den-jenigen für das Lehramt an Sonder-schulen (19 Prozent).

Herkunftsland

68 Prozent der neu Eingestellten habendas 1. Staatsexamen in Hamburg absol-viert, 32 Prozent – so viel wie noch nie –kommen aus anderen Bundesländern.Es gibt kaum ein Bundesland, das unterden »Neuen« nicht vertreten ist. Be-sonders hoch ist inzwischen der Anteilderjenigen, die aus Schleswig-Holsteinkommen, gefolgt von Berlin, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen.

Alter

Das Durchschnittsalter ist mit 31,5weiterhin leicht gesunken – obwohl dieZahl der Seiteneinsteigerinnen und Sei-teneinsteiger, die aufgrund ihrer vorhe-rigen Erfahrungen in der Regel ältersind, erheblich gestiegen ist. Dies liegtdaran, dass die Referendarinnen und Re-ferendare mit Lehramtsabschluss jetztin deutlich jüngerem Alter den Vorbe-reitungsdienst beginnen. Fast 30 Prozentsind unter 28 Jahren, fast 15 Prozent so-gar unter 26 Jahren.

Leistung

53 Prozent der neuen Referendarinnenund Referendare haben einen Noten-mittelwert, der besser als 2,0 ist. 25 Pro-zent haben einen Notenmittelwert von1,2 oder besser, 14 Prozent haben sogareine 1,0. Der Gesamtdurchschnitt liegtmit 1,8 noch besser als bei den letztenEinstellungsrunden.

Wartezeit

50 Prozent derjenigen, die einen Platzfür das Lehramt an Sonderschulen er-halten haben, und 30 Prozent der Gym-nasialreferendare haben länger als zweiJahre auf diesen Platz gewartet (es gibtalso lange Wartezeiten für zukünftige

Gymnasial- und Sonderschullehrkräfte,nur Mangelfächler und Bewerberinnenund Bewerber mit sehr guten Leistun-gen sind sofort eingestellt worden). Nurfür »Mangelfächer« sind Bewerberschnell eingestellt worden; grundsätzlichwurden möglichst die Bewerber mitmerklich überdurchschnittlichen Exa-mensleistungen bei den Einstellungenvorgezogen.

Seiteneinstieg

Der Anteil der Referendarinnen und Re-ferendare, die für Mangelfächer über denSeiteneinstieg eingestellt wurden, hatsich noch einmal gesteigert (16 Prozent).

Für das Lehramt an beruflichen Schu-len sind 32 Prozent der neu Eingestell-ten in den Fachrichtungen Elektrotech-nik, Farbtechnik, Kinder- und Jugend-hilfe und Wirtschaftswissenschaften Sei-teneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger,für das Lehramt an Gymnasien zehn Pro-zent in den Fächern Physik und Infor-matik, für das Lehramt an der Primar-stufe/Sek. I sind es zehn Prozent in denFächern Chemie, Physik und Musik. Soviele Seiteneinsteiger hat es noch nie ge-geben.

Dr. Maren Knebel-Pasinski,Amt für Bildung,

B 2-LI

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BBS-Info

Vorbereitungsdienst

So viele Bewerber wie noch nie

Materialien für den Start nach dem Referendariat

Literaturverfilmungen

Biedermann und die BrandstifterFernsehverfilmung des gleichnamigen Thea-terstücks von Max Frisch mit Siegfried Lo-witz in der Hauptrolle unter der Regie vonRainer Wolffhardt.

80 min, sw, 1967, Video: 42 43075

Der Richter und sein HenkerDie Verfilmung von Franz Peter Wirth nachdem gleichnamigen Roman von FriedrichDürrenmatt: ein pointierter »film noir« ausden Anfängen des Fernsehens.

85 min, sw, 1957, Video: 42 02983; zum Vergleich:die Verfilmung von Maximilian Schell: 42 41209

SiddhartaDer in Indien unter der Regie des ameri-kanischen Regisseurs Conrad Rooks miteinheimischen Schauspielern gedrehteSpielfilm hält sich eng an die literarischeVorlage von Hermann Hesse.

82 min, 1973, Sprache: deutsch, engl., Bonusmate-rial, DVD: 46 40161

Der SteppenwolfSpielfilm von Fred Haines nach dem gleich-namigen Roman von Hermann Hesse.

107 min, 1974, Sprache: deutsch, engl., DVD: 46 40160

Geografie

DiamantenGezeigt werden detailliert die Entstehung,der Abbau und die Verarbeitung eines kost-baren Bodenschatzes. Schauplatz des Filmsist Südafrika.

15 min, Video: 42 43081

Leben auf den HalligenDie räumliche Lage von Halligen im schles-wig-holsteinischen Wattenmeer, das Lebenund Arbeiten der Halligbewohner sowie dieAuswirkungen von Sturmfluten bilden dieSchwerpunkte des Films.

15 min, Video: 42 43083; DVD: 46 40169

SüßhungerWie funktioniert der Zucker-Weltmarkt?Drei Jahre lang verfolgt die Fernsehrepor-tage die Spuren des Anbaus und der Ver-marktung von Zucker in der Dominikani-schen Republik, in Mexiko, an der New Yor-

ker Warenterminbörse und auf schleswig-holsteinischen Zuckerrübenfeldern. Dar-gelegt werden die Mechanismen von Bil-ligproduktion, Subventionspolitik und Pro-fitkämpfen der internationalen Konzerne.

45 min, Video: 42 31062

Geschichte

Der Pharao und sein VolkAm Beispiel von Ramses II. vermittelt derFilm in Spielszenen und Realaufnahmenein Bild von der Funktion eines Pharaos alsgottgleicher Herrscher, Bauherr und Ober-befehlshaber im Ägyptischen Reich vor demHintergrund der gesellschaftlichen Gliede-rung.

16 min, Video: 42 43077; DVD: 46 40165

DelphiDie Bedeutung Delphis als Orakelstätte undpolitisches Machtzentrum, veranschaulichtin Realaufnahmen, Spielfilmszenen undComputeranimationen.

15 min, Video: 42 43078; DVD: 46 40166

Alltag eines Söldners im 30-jährigenKriegNach zeitgenössischen Tagebuchaufzeich-nungen in Szene gesetzte Spielfilmaus-schnitte zeigen am Beispiel eines Söldnersden Alltag in der Armee während des Drei-ßigjährigen Krieges sowie Not und Elendder Zivilbevölkerung.

15 min, Video: 42 43079; DVD: 46 40167

Medienverleih im LI, Hartspung 23

Für die Bestellung genügt ein Anruf oderFax; aus dem Internet-Katalog ist soforteine E-Mail-Bestellung möglich:

www.li-hamburg.de/medienverleih

Telefonische Bestellungen unter 4 28 01-2885/86/87, per Fax: 42801-2888 oder perE-Mail: [email protected]

Textzusammenstellung und Beratung:Annette Gräwe

Tel.: 4 28 01-35 86E-Mail: [email protected]

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Neu im Medienverleih

Bei einem Rundgang durch die Grund-schule Wildschwanbrook an einem Tagder offenen Tür wollten mir die michbegleitenden Viertklässler mit Stolz»unsere« Lesestadt zeigen. Ich hatteschon davon gehört, konnte mir aberwenig darunter vorstellen. Staunendblickte ich kurz darauf in den zur Le-sestadt umgestalteten Klassenraum –eine Märchenstadt, wie mir schien.Um die freie Mitte des Raumes, denMarktplatz, gruppierten sich farbenfrohgestaltete Häuserfassaden – Einrichtun-gen dieser Stadt, die als Reisebüro, Thea-ter, Kinder-Uni, Hobbywerkstatt ge-kennzeichnet waren. Vorne die Stadt-verwaltung, rechts vom Eingang dasPostamt, in einem angrenzenden Raumdas Rechenzentrum und eine Leseecke.Hinter den bunten Häuserkulissen dieArbeitsstationen, Tische, Gestühl, Rega-le mit Arbeitsmaterialien: Bücher, Map-pen, Bilder, Grafiken, CDs etc. Alles wohl-geordnet und in einem blitzsauberen Zu-stand. Die Märchenstadt schien auf diekleinen Bewohner zu warten. Ich bat dieInitiatorin Barbara Wilde um eine Ein-ladung zu einer Stunde in der Lesestadt,Herr Nico Hansen, Mitglied der Bezirks-versammlung Wandsbek, schloss sichdieser Bitte an.

Wenige Wochen später betraten wirmit Barbara Wilde die »Lesestadt«, die»Bewohner« gingen bereits auf ihren»Arbeitsplätzen« ihren Tätigkeiten nach.

Häufig sehen Klassen in Besucherneine willkommene Unterrichtsunterbre-chung, die es auszudehnen gilt. Die Jun-gen und Mädchen blickten bei unsererVorstellung jedoch nur flüchtig auf, umsich sofort wieder ihren Vorhaben zuwidmen. Sie lasen, blätterten, machtensich auf Karteikarten Notizen, sprachenruhig mit Nachbarn, suchten sich ande-re Bücher. Wir gingen in die Knie, umauf gleicher Augenhöhe mit ihnen zusprechen. Sie gaben bereitwillig und aus-führlich Antwort, vermittelten uns aberletztlich den Eindruck: Wir stören. DieAtmosphäre hatte etwas von spieleri-

scher Selbstvergessenheit an sich. AmStundenende trugen die Mitarbeiter desTheaters unter Benutzung ihrer Notizenihre Arbeitsergebnisse kurz vor.

Die »Gründung« dieser Lesestadt

Im Mai 2003 trat das Kollegium derGrundschule zu einer Ganztagskonferenzzusammen, um vor dem Hintergrund dessozial gemischten Einzugsgebietes – 30Prozent der Schüler sind nichtdeutscherHerkunft – das Problem Förderung derLese- und Schreibkompetenz zu beraten.Im Brainstorming ihrer Arbeitsgruppetrug Barbara Wilde ihre Idee der Lese-stadt vor. Die Ganztagskonferenz ent-schied sich nach einer eingehenden Dis-kussion einstimmig für dies Projekt.

Die Raumfrage war durch die Schul-leitung schnell gelöst, offen und zunächstunlösbar schien die Frage der auf 6000Euro geschätzten Investitionskosten:Sperrholzkulissen, Mobiliar, geeigneteArbeitsmaterialien. Monate später konn-te die Schulleiterin, Angela Zielke, demKollegium diese Frage als geklärt mit-teilen. Sowohl die Schulbehörde wie auchlokale Firmen, die von diesem Vorhabenüberzeugt waren, sicherten die notwen-dige Unterstützung zu.

Nach Herstellung der Häuserfassadendurch einen Schreiner im Januar 2004begann deren weitere Bearbeitung: An-bau der Scharniere, Ausmalen mit Öko-farben, Gestaltung der Fassaden – Be-schriftung, Anfertigung von Rahmen fürPinups an den einzelnen Einrichtungenzur Bekanntmachung aktueller Infor-mationen. In mehreren Proben mit Klas-sen wurde die für mehrere Jahrgängegeeignete optimale Sitzhöhe des Mobili-ars ermittelt, in weiteren Versuchen mitden Schülern die Frage der für einzelneStationen geeigneten Arbeitsmaterialiengeklärt. So zum Beispiel Kinderbrock-haus, Kinderduden, Sachbücher Biolo-gie und Geographie, Scrabblespiele fürdie Kinder; kinderbelletristische Litera-tur mit Aufgabenmappen für die Lesee-cke; Reisekataloge, Erdkundebücher,

Weltkarte für das Reisebüro; Laptop mitverschiedenen Softwareprogrammen,mathematische Quizspiele für das Re-chenzentrum; Postfächer für das Post-amt; Schreibmaterialien, Karteikartenfür alle Stationen etc.

Im Rahmen einer Feststunde im Mai2004 wurde die Lesestadt eingeweiht.Seit Schuljahrsbeginn 2004 /2005 besu-chen die 2. /3. / 4. Klassen regelmäßig dieLesestadt. Geplant ist die Beschaffungvon Lesematerialien auch für die 1. Klas-sen.

Eine Stunde in der Lesestadt

Am Stundenbeginn trifft sich die Klassein der Stadtverwaltung. Die Schüler kom-men mit eigenen Aufgaben, sprechen ge-meinsam Themen ab oder erhalten Hil-fe von Barbara Wilde, die beispielsweiseauf die Arbeitsanweisungen in der Hob-bywerkstadt hinweist. Die Wahl der Ar-beitsstationen ergibt sich aus Vorbe-sprechungen, die Klassenlehrerin Wildeachtet auf Stationswechsel bei den Schü-lern. Die Stunde endet mit dem Vortrageinzelner Arbeitsgruppen oder mit einerAuswertung in der Stadtverwaltung. Da-nach wird aufgeräumt.

Was leistet die Lesestadt?

»Beim Lesen im Klassenunterricht bleibtnur wenig Zeit für den einzelnen Schü-ler. Das Abfragen der Lesehausaufgabenist ein Zeitfaktor. Nicht alle Schüler sindinteressiert. Es gibt unterschiedlicheLeseinteressen. In jeder Klasse gibt esProblemkinder. Die Lesestadt aber er-reicht eine Stunde lang alle Schüler«, soBarbara Wilde. Der unbefangene Beob-achter sieht, dass sie Leseangebote fürverschiedene Begabungen bereithält:Den zukünftigen Hauptschüler zieht esbeispielsweise in die Hobbywerkstatt, woer eine Arbeitsanweisung in ein Produktumsetzen kann. Der Realschüler mit sei-ner Neigung zum pragmatisch-organi-satorischen Umgang von Sachtexten be-vorzugt das Reisebüro. Die Schüler mitwissenschaftlicher Neugier wählen zum

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Grundschule Wildschwanbrook

Die Lesestadt: Ort des lernenden Handels

Beispiel immer wieder die Kinder-Uni.

Schreibkompetenz: Über die No-tizen hinaus, die sich die Schülerauf den einzelnen Stationen ma-chen, bietet die Lesestadt vieleSchreibanlässe. Im Postamt hatjede Klasse ihr Postfach. Dort wer-den die Briefe aufgegeben, die anSchüler anderer Klassen, Lehrer,Schulleitung, Eltern gerichtet wer-den können, der Postamtsleiterstellt sie den Adressaten zur ra-schen Beantwortung zu. Auf dergroßen Wunschtafel können Schü-ler ihre Wunschzettel anheften,wenn sie beispielsweise ein Ka-ninchen kaufen oder verkaufenwollen oder einen Brieffreund su-chen.

Die Lehrerkonferenzen habenzum Ende des Halbjahres und desSchuljahres bei den Schülern deut-liche Fortschritte in der Lese- undSchreibkompetenz festgestellt.

Die Bildungsstadt

Die Schüler erwerben nicht nurWissen, sie lernen auch, wie mansich Wissen verschafft. Mit dem Zu-wachs an Informationen beginnensie, Zusammenhänge zu sehen, die

sie durch Stationswechsel vertie-fen. Barbara Wilde weist besondersschwächeren Schülern Aufgabenmit besonderer Verantwortung zu.Die Lesestadt fördert Schlüssel-kompetenzen, positive Einstellun-gen, Verhaltensweisen, Persön-lichkeitseigenschaften.

Nach den Erfahrungen des er-sten Jahres neigt die Klassenleh-rerin inzwischen mehr und mehrdazu, die Bezeichnung Lesestadtdurch den Begriff Bildungsstadt zuersetzen.

Reinhard MeyerMitglied der Schuldeputation

in der BBS; Tel.: 6 78 01 48

E-Mail: [email protected]

Weitere Informationen: SchuleWildschwanbrook; Schulleiterin:Angela Zielke; KlassenlehrerinBarbara Wilde; Tel.: 66 99 91 02;Wildschwanbrook 9, 22145 Ham-burg; vgl. dazu das Buch von Hans-Heinrich Rütimann: »Die Lese-stadt. Spiele, die auf der Hand lie-gen« (1989): Der Autor offeriertverschiedene Ausgestaltungsmög-lichkeiten des Projekts (»Arbeits-stätte«, Freizeitraum …).

Geo-Abiturpreise 2005

Sechs Schülerinnen undSchüler geehrtAuch in diesem Jahr zeichnete der Landesver-band Hamburg im Verband Deutscher Schulgeo-graphen wieder Abiturientinnen und Abiturien-ten für hervorragende Leistungskursklausurenmit dem »Geo-Abiturpreis« aus.Zu den diesjährigen Preisträgern zählen Felix zurBorg (Albrecht-Thaer-Gymnasium), Frieder Bou-hamilitzky (Kurt-Tucholsky-Gymnasium), DanielCyganek (Helene-Lange-Gymnasium), Shalini Ghosh(Gymnasium Altona), Drazen Jurjevic (GymnasiumKaiser-Friedrich-Ufer) und Raphael Neuburg (Jo-hanneum).

Den genannten Abiturientinnen und Abiturien-ten wurde bescheinigt, ein besonders gelungenesBeispiel für die Bearbeitung einer material gebun-denen Klausur gegeben zu haben. Ein besondererDank gilt den betreuenden Fachlehrerinnen undFachlehrern, die durch ihre Unterrichtsarbeit dasFundament für solch preiswürdige Schülerarbeitengelegt haben.

Ulrich Brameier,Vorsitzender des

Verbandes Deutscher Schulgeographen,Landesverband Hamburg

National Geographic Wissen 2005

Auf der Suche nachHamburgs bestenGeographieschülernWelches asiatische Land ist in zwei Staaten ge-teilt? Notiere drei regenerative Energiequellen!Wie heißt der Veränderungsprozess, bei dem alte,traditionelle Wirtschaftszweige durch neue ersetztwerden? Solche und ähnliche Aufgaben musstenvon den Teilnehmern des 5. Wettbewerbs »Natio-nal Geographic Wissen« beantwortet werden.Rund 3500 Hamburger Schülerinnen und Schüler ha-ben sich in diesem Jahr erneut an dem vom VerbandDeutscher Schulgeographen in Kooperation mit derZeitschrift National Geographic veranstalteten Wett-bewerb »National Geographic Wissen« beteiligt.

Sieger auf Landesebene wurde wie im VorjahrMartin Riecke vom Gymnasium Meiendorf. Er konn-te sich in einem spannenden Wettstreit gegen dieNächstplazierten Thies Wilkening, Gymnasium Süd-erelbe, Daniel Jährig, Friedrich-Ebert-Gymnasium,Dustin Paloh, Gymnasium Eppendorf, und MareikeBurba, Gymnasium Othmarschen, durchsetzen.

Ulrich Brameier

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Die Klasse 4a mit Barbara Wilde

ler können zwischen klassischem Gym-nasium und der Sekundarschule wählen.Die Sekundarschule birgt unter einemDach Real- und Hauptschule. Wer die Se-kundarschule besucht, hat das Ziel, dieMittlere Reife zu schaffen.«Die Düsseldorfer Zeitung lobt die gym-nasiale Oberstufe in Sachsen-Anhalt.Hier seien die zentralen Prüfungen ver-bindlich. Und: »In der Oberstufe machendie Kernfächer Deutsch, Mathe, Fremd-sprachen und Naturwissenschaft dieHälfte der Stundenzahl aus. Der Rest sindWahlpflichtfächer. Die Klassenverbändebleiben erhalten« (ebd.).

Hamburger Abendblatt

Das Hamburger Abendblatt (HA) verweistzunächst auf den ersten Bundesländer-vergleich vor drei Jahren: »Bayerns 15-jährige Schüler haben bei den PISA-Auf-gaben einen Lernvorsprung von fast zweiSchuljahren gegenüber den gleichaltri-gen Jungen und Mädchen aus Bremengezeigt« (14.7.05). Woran liegt das? Das

HA zitiert, die Antwort suchend, den bay-erischen Kultusminister Sigfrid Schnei-der (CSU), der meint: »Die sogenannten68er haben in Bayern nicht so tiefe Spu-ren hinterlassen« (ebd.). Im Freistaathabe es »keine Debatte über die Sinn-haftigkeit der Sekundärtugenden wieFleiß, Ordnung, Pünktlichkeit oder Ver-lässlichkeit« gegeben (ebd.).

Der Tagesspiegel

Die Berliner Zeitung Der Tagesspiegel(19.7.05) meint, der »PISA-Länderver-gleich hat die Befürworter der Gemein-schaftsschule in der SPD ausgebremst«.Genauer: »Innerhalb Deutschlands hatder PISA-Vergleich ergeben, dass dieBundesländer über dem Bundesdurch-schnitt und auch über dem internatio-nalen Schnitt liegen, die auf ein drei-gliedriges Schulsystem setzen und aufGemeinschaftsschulen verzichten«(ebd.). Der Tagesspiegel weiter: »Auchdie Aufsteiger der vergangenen drei Jah-re, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thü-ringen, die sich mit ihren Leistungen zumTeil ins obere Drittel katapultiert haben,setzen auf das gegliederte Schulsystem«(ebd.).

Frankfurter Rundschau

Die Frankfurter Rundschau (FR) unter-scheidet sich von den bisher zitiertenBlättern. Die FR lässt Hans-GüntherRolff, den ehemaligen Leiter des Dort-munder Instituts für Schulentwicklung,zu Wort kommen. Er meint, Arbeiter-und Migrantenkinder könnten »viel-leicht« am besten über ein »eingliedri-ges Schulsystem« gefördert werden(9.8.05) – über eine »gemeinsame Er-ziehung bis zum Ende der Pflichtschul-zeit«. Erst danach könnten »Aufgliede-rung und Spezialisierung, also Gymna-sium und Berufskolleg« folgen.

Frankfurter Allgemeine Zeitung

Ganz anders als die linksliberale FRschreibt die liberalkonservative Frank-furter Allgemeine Zeitung (FAZ) zum

Nach der Veröffentlichung der neues-ten Pisa-Studie stellen sich viele Fra-gen. Wichtige Print-Medien haben ihreAntworten auf einige Fragen veröf-fentlicht.

Die Zeit

Das Wochenblatt Die Zeit registriert, dassBremen es zum Beispiel zwar schwererhat, weil es in diesem Stadtstaat über-proportional Schüler aus Migrationsfa-milien gibt. Aber – das zeigt eine »Zu-satzinformation der PISA-Forscher«:»Sie haben – Wunder der Statistik! – ineiner Zusatzberechnung so getan, alshätten alle Bundesländer die gleiche Si-tuation und den gleichen Anteil von Ein-wandererkindern – die Reihenfolge derBundesländer würde sich kaum verän-dern« (14.7.2005). »Unsere Spitzenrei-ter Bayern, Sachsen und Thüringen sind(zusammen mit Brandenburg) gleichzei-tig die Sieger in Punkto Gerechtigkeit. Indiesen Ländern sind die Leistungen derSchüler am wenigsten an die soziale Her-kunft ›gekoppelt‹, wie die Bildungsfor-scher sagen« (ebd.). Die Zeit schlussfol-gert: »Augenscheinlich ist das Fordernvon Leistungen ein entscheidender Fak-tor auf dem Weg zu mehr sozialer Ge-rechtigkeit an den Schulen« (ebd.). DieWochenzeitschrift kritisiert, dass »dieLeistungen der besten und der schlech-testen Schüler vielmehr auseinander alsin den PISA-Siegerländern« (ebd.) liegen.Die Zeit lobt hier beispielsweise Thürin-gen und Sachsen. Sie seien »relativ er-folgreich, weil sie neben dem Gymna-sium nur eine weitere Schulform ken-nen« (ebd.). Und: »Bayern fährt besserals jene Länder, die neben Haupt- undRealschule und Gymnasium zusätzlichGesamtschulen eingeführt haben. GenugStoff zum Nachdenken also« (ebd.).

Rheinische Post

Die NRW-Tageszeitung Rheinische Post(15.7.05) verweist darauf, dass das er-folgreiche Sachsen-Anhalt ein zweiglied-riges Schulsystem hat: »Eltern und Schü-

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PISA 2003-Auswertung

Schulpolitik: Was Medien meinen

PISA-Ländervergleich, es »gibt wenigerGrund denn je, das dreigliedrige Schul-system einem Einheitsschulsystem nachskandinavischem Vorbild zu opfern. Viel-mehr liegen die Länder, die auf ein drei-gliedriges Schulsystem mit hohen Quali-tätsstandards in allen Schularten gesetzthaben, in Führung – und zwar nicht des-halb, weil ihre Gymnasiasten so gute Er-gebnisse vorzuweisen hätten« (15.7.05).»Den Sprung in die internationale Spit-zengruppe« – so die FAZ in ihrem Leit-artikel – »hat ausgerechnet Bayern er-reicht, das die geringste Übergangsquo-te zum Gymnasium aufzuweisen hat, da-für aber enorm leistungsstarke Haupt-und Realschulen« (ebd.). Die FAZ provo-ziert vielleicht manche Leser, wenn sieweiter meint, »vielleicht stimmt das auchdiejenigen nachdenklich, die nach im-mer mehr Abiturienten verlangen, umdiese dann mit Kurzstudiengängen undBachelorabschlüssen an den Hochschu-len abzuspeisen« (ebd.). Scharf kritisiertdie FAZ, dass »ein bayerischer Schülerbis zu seinem fünfzehnten Lebensjahrnoch immer tausend Stunden mehrUnterricht erhalten hat als ein Gleichalt-riger in Nordrhein-Westfalen« (ebd.). Fa-zit der FAZ: »Eigentlich entscheidend«sei insgesamt »nicht das jeweilige Schul-system, sondern der kluge und bedach-te Umgang mit vorhandener Schultradi-tion« (ebd.). Wichtig ist für die Frank-furter Tageszeitung vor allem: »GuterUnterricht, qualifizierte Lehrer und vorallem eine klare Priorität für das Leis-tungsprinzip sind die Erfolgsgarantien«(ebd.).

Dann betont die FAZ doch wiederumdie Wichtigkeit des Systems (16.7.05). Siemeint, »dreigliedrige Schulsysteme, diein keiner Schulart das Fördern beim For-dern vernachlässigen, wirken sich (…)ebenso positiv aus wie zweigliedrige«.Hingegen: »Vier- und fünfgliedrige Schul-systeme benachteiligen untere Leis-tungsgruppen, weil sich sofort soge-nannte ›Restschulen‹ bilden« .

Süddeutsche Zeitung

Die Süddeutsche Zeitung (SZ) fordert an-gesichts des relativ schlechten Ab-schneidens vieler deutscher Schülermehr Geld für die Schulen – insbeson-

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dere für »Haupt- und Gesamtschulen, wodie Risikogruppe groß ist« (13.7.05).»Das Problem in Deutschland ist derhohe Anteil von Schülern, die bei PISAnicht einmal die unterste Kompetenz-stufe bewältigen. Da hilft es nicht, tür-kische Eltern in die Pflicht zu nehmen,die selbst ihre Muttersprache oft auchnur mündlich beherrschen. An jedemKindergarten sollten Sprachlehrer ar-beiten – nicht für einen Tag in der Wo-che, sondern täglich« (ebd.). Weiter heißt

es im SZ-Resumee: »Wenn zudem Er-zieherinnen für die Kindergärten inten-siver ausgebildet werden, wird es rich-tig teuer. Deutschland braucht aber einsolches nationales Programm, um denAnteil der Risikogruppe zu senken. Bis-her scheiterte das an den Haushaltspo-litikern und am Kompetenzgerangel zwi-schen Bund und Ländern. So vergeht dieZukunft der Kinder« (ebd.).

Manfred Schwarz

Quelle: Die Zeit vom 21. 7. 05

Vor Begeisterung überschlugen sich lo-kale Medien. Die Ostthüringer Zeitungzum Beispiel jubelte: »EisenacherSchule auf Platz neun.« Die LeipzigerVolkszeitung schrieb ganz stolz: »Sach-sen elfmal unter Top Hundert.« Und imWesten frohlockte die Frankfurter NeuePresse: »Die beste Schule steht imOdenwald.«Schade: All’ die Medien waren ‘reinge-fallen – auf eine angeblich solide erar-beitete, »wissenschaftliche« Studie. Waswohl kaum ein Beobachter der (Fach-)Szene für möglich gehalten hatte: Aus-gerechnet das Kölner Wirtschaftsmaga-zin Capital hatte eine Exklusiv-Studie(»Die 100 besten Schulen in Deutsch-land«) veröffentlicht, die das Papier nichtwert war, auf das sie gedruckt war. Nurscheinbar seriös hatten skrupelloseBlattmacher ein Ranking erstellt undgroßspurig behauptet: »Die Studie zeigterstmals bundesweit Schulen mit gym-nasialer Oberstufe, die sich beste Notenverdienten.«

Capital, Microsoft und das Marktfor-schungsinstitut Europressedienst hattenbehauptet, sie hätten die Untersuchungüber deutsche Schulen »gemeinsam mitdem Institut für Schulentwicklungspla-nung (IFS)« durchgeführt.

Pech – denn der Leiter des IFS an derUniversität Dortmund, Heinz GünterHoltappels, hat genau dies in Abrede ge-stellt und sogar rechtliche Schritte ge-gen die »Schulforscher« angedroht. Holt-appels zur taz: »Wir haben mit der Stu-die nichts zu tun.« Vielmehr habe die»Zusammenarbeit« nur darin bestanden,dass das IFS den Autoren der Studie de-zidiert davon abgeraten habe, bestimm-te Parameter zu verwenden.

Und Ernst Rösner, Wissenschaftler amIFS, hat die Studie vernichtend beurteilt:Die Daten ließen »keine angemessenenRückschlüsse auf die Qualität der Schu-len und ihre pädagogische Arbeit« zu.

Mit welchen Kriterien haben Capital-Redakteure gearbeitet? Das Magazinhatte 3 480 staatliche und private Gym-nasien und Gesamtschulen angeschrie-ben und darum gebeten, dass sie selbstihre Ausbildungsstätten beschreibensollten – nach den Hauptmaßstäben»Schulprofil«, Ausstattung, Schulgebühr,Kursangebot, Kommunikation, Schüler-betreuung etc. Die Fragen richteten sichvor allem an die Schulleitungen. So hießes beispielsweise:1.Wie ist die Erfolgsquote? Gefragt wur-

de zum Beispiel nach der Abiturien-tenquote – unbekümmert nach demfragwürdigen Motto: Wo die wenigstenSchüler bei der Reifeprüfung durch-fallen, da ist die beste Schule.

2.Wie lautet das Konzept? (Capital: »Diebesten Schulen haben eine klare Aus-richtung«)

3.Wie ist der Gebäudezustand?4.Wird eine besondere Schüler- und El-

ternberatung angeboten?Die Schulleitungen beantworteten dieFragen frei – nach eigenem Gusto.

Was wohl vielen Capital-Lesern zu-nächst gar nicht auffiel, ist die Tatsache,dass nur 575 Schulen ihre selbst ausge-füllten Fragebögen zurückschickten. Dietaz recherchierte sogar, dass die relativ

wenigen Schulleitungen, die schließlichdoch ihre Fragebögen Capital zur Ver-fügung stellten, dies häufig erst nach»freundlichen Worten und viel Überzeu-gungsarbeit« (Capital-Chefredakteur KaiStepp) getan hätten. Die Kultusministe-rien in Thüringen, Sachsen-Anhalt unddas Saarland hatten gleich ihren Schul-leitungen keine Genehmigung zur Teil-nahme an der Aktion erteilt – die zu-ständigen Ministerialen hielten sie vonAnfang an für fragwürdig. AnnetteReichmann, Pressesprecherin des saar-ländischen Bildungsministeriums, hatteabwehrend gemeint: »Studien solltenwissenschaftlich erarbeitet sein.« Auchetliche Fach-Verbände äußerten sich kri-tisch. Hans-Peter Meidinger, Vorsitzen-der des Deutschen Philologenverbandes,meinte, er halte nichts von diesem Test.

Die Capital-Redakteure hatten – sofand der Focus heraus – auf besondereArt und Weise Forschungen angestellt.Demnach hatten die Capital-Recherchenlängst begonnen, als das Magazin sichan das IFS wandte – mit der Bitte um Mit-hilfe. Ernst Rösner dazu: Das Instituthabe Bedenken geäußert und unter an-derem vorgeschlagen, die Schulen zu be-suchen. Genau dies geschah grundsätz-lich nicht.

Ein weiteres Manko: »Die Noten derSchulen und die Leistungen der Lehrerspielen im Capital-Ranking keine Rolle– als ob ein Restaurantführer Noten ver-teile, ohne das Essen gekostet zu haben«(Focus).

Für Hamburg hatte Capital übrigensfolgende »wissenschaftlich« fundierteErkenntnisse gewonnen: Demnach ge-langte das Gymnasium Farmsen bundes-weit auf Platz 35. Auf weitere Plätze ka-men die Wichern-Schule (53) und dasGymnasium Oberalster (57). Auf diesemWege errang die Gesamtschule Steils-hoop Platz 75.

Manfred Schwarz

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Capital-Studie: Scheinbar wissenschaftlich

Bundesdeutsches Schul-Ranking:Wunsch und Wirklichkeit

Baden-Württemberg

Arbeitsbedingungen:Neue Organisationder LehrerarbeitszeitIm neuen Schuljahr 2005 / 2006 gibt esin Baden-Württemberg neue Modell-versuche: Hier werden neue Unter-richtsorganisationen und modifizierteBestimmungen zur Lehrerarbeitszeiterprobt. Das landesweite Projekt füralle Schultypen wird mit 200.000 EURvom Land gefördert. Die Gewerkschaft Erziehung und Wis-senschaft (GEW) erklärte dazu, hier bö-ten sich für Lehrer und Kinder neue Mög-lichkeiten, auch außerhalb eines 45-Mi-

nuten-Taktes zu arbeiten. Die Gewerk-schaft fordert außerdem eine Auswei-tung der Modellphase auf alle Schulen,die neue Arbeitsmodelle testen wollen.

Zur Erprobung stehen in Baden-Würr-temberg auch neue Bestimmungen desKultusministeriums zur Lehrerarbeits-

zeit. Nach diesen Regelun-gen können Schulleitungendie Pflichtstundenzahl vonLehrern um zwei Wochen-stunden nach oben oderunten anpassen – je nachArbeitsbelastung. DerPhilologenverband gab indiesem Zusammenhang zubedenken, dass die Vielfäl-tigkeit der Lehrertätigkeitsowie der zeitliche Auf-wand praktisch nicht er-fassbar seien. Bei Gymna-

sien zum Beispiel liege dasvon der Landesregierung verordnete De-putat bei 25 unterrichtlichen Wochen-stunden, die tatsächliche wöchentlicheArbeitszeit belaufe sich aber auf 45 bis50 Stunden.

KBZusätzliche Infos: www.kultusministerium.baden-wuerttemberg.de

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BBS-Info

Bei der jüngsten Pisa-Studie haben diedeutschen Schüler besser abgeschnit-ten als beim ersten internationalen Bil-dungstest im Jahre 2000. Wiederumeinsam an der Spitze: der Freistaat Bay-ern. Insgesamt schneiden insbesonde-re die Stadtstaaten und Nordrhein-Westfalen nicht gut ab. Außerdem:Schüler mit schwachem sozialen Hinter-grund – deutsche und vor allem Kinderausländischer Herkunft – bilden nachwie vor im deutschen Bildungssystemdie sogenannten »Risikogruppen«.Die OECD hat seit dem Jahr 2000 alledrei Jahre den Bildungsstand 15-jähri-ger Jugendlicher in den Industriestaa-ten überprüft – in den Disziplinen Lesen,Mathematik und Naturwissenschaften.Die Ergebnisse der ersten Pisa-Studiewaren für Deutschland niederschmet-ternd: Die drittgrößte Wirtschaftsnationder Welt musste sich beim Bildungstestmit einem hinteren Rang begnügen. Et-was besser waren die Ergebnisse imPisa-Jahr 2003.

Die im Juli 2005 vorgestellte Pisa-E-Studie, in der die einzelnen Bundeslän-der getestet wurden, macht deutlich,dass sich die Kenntnisseund Kompetenzen der 15-jährigen Schüler insgesamtin der Bundesrepublik ver-bessert haben. Spitzenrei-ter ist wiederum der Frei-staat Bayern: »Das südlicheBundesland hat sich alsdeutsches Musterland in dieinternationale Topliga vor-gearbeitet« (iwd 29/2005).

International überdurch-schnittlich schnitt auch dieSchülerschaft in Sachsenund Baden-Württemberg ab.Dies gilt in Sachen Mathematik und Na-turwissenschaften auch für das Bundes-land Thüringen.

Im Vergleich zum letzten Pisa-Test ha-ben inzwischen die ostdeutschenBundesländer ihre Positionen verbessert.Dies gilt insbesondere für Sachsen-An-halt, Sachsen, Thüringen und Branden-burg. Die ostdeutschen Länder verbes-

serten sich primär in den Bereichen Ma-thematik und Naturwissenschaften.

Die Stadtstaaten Hamburg, Berlin undBremen sowie das Bundesland Nordrhein-Westfalen haben wiederum weit unter-durchschnittlich abgeschnitten. Fazit inder Radsportsprache: Bayern ist wiederim gelben Trikot – Bremen trägt erneut die»rote Laterne«. Allerdings hat sich auchder Stadtstaat an der Weser verbessert.

Schon der PISA-Schock 2000 erwies sichaus Sicht des iwd (ebd.) auch als heilsam.Wenig später seien etliche Reformen imBildungssystem initiiert – und bald auchhäufig vorangetrieben worden. Vorschul-kinder – auch und insbesondere Kinder mitMigrationshintergrund – erhalten nun, soder iwd, früher eine Sprachförderung. Vielflexibler werde inzwischen das Schulein-trittsalter »gehandhabt«. Dies und die Ent-wicklung von vielen neuen »Ganztags-schulen sind wichtige Schritte, um auchKindern aus bildungsfernen Familien denWeg in eine erfolgreiche schulische Aus-bildung zu ebnen« (ebd.). Und: Bundes-weite Bildungsstandards in den einzelnenSchulfächern und die Einführung von Zen-tralprüfungen »sorgen dafür, dass das Leis-

tungsprinzip und der Wettbewerbsgedan-ke im Bildungssystem gefördert werden«(ebd.). Nicht nur der iwd hofft, dass die heu-tigen positiven schulpolitischen Reform-ansätze nach der PISA-Studie 3 vertieftwerden.

KBWeitere Informationen finden sich unter:www.pisa.ipn.uni-Kiel.de

»Nicht abgeguckt!« Quelle: Rheinische Post

Pisa-Studie 2003

Bayern: Brillant beim Bildungstest

Lernmittelbeschaffung I

Bayern: NeuesSystemNun müssen auch Bayerns Eltern Bü-chergeld für ihre Kinder entrichten –(einheitlich) 20 Euro in den Grundschu-len, 40 Euro in den übrigen Schulberei-chen. Jedenfalls dann, wenn die Sorge-berechtigten die Lernbücher ihrer Kin-der insgesamt nicht privat kaufen wol-len. Freilich: Es gibt auch hier Sozial-Re-gelungen. Zum Beispiel verlangt man abdem dritten Kind keinerlei Gelder.Der CSU-Abgeordnete Georg Eisenreicherklärte, die Landesregierung wolle mitden neuen Vorschriften auch eine Re-duzierung der »teils astronomischenKopierkosten« und »bessere Lernbe-dingungen« erreichen.

Anders sehen das Opposition und derBayerische Städtetag. Sie befürchten vorallem stark erhöhte Verwaltungskosten.

Der Staatssekretär im Kultusministe-rium, Karl Freller, meint dagegen: »DerFreistaat Bayern ist ganz bewusst nichtden Weg anderer Länder der Bundesre-publik gegangen, die Lernmittelfreiheitaufzuheben, sondern hat den Weg einermaßvollen Eigenbeteiligung gewählt.«Und jeder Unterhaltsverpflichtete kön-ne sich doch frei entscheiden: Die Zah-lungspflicht entfalle, wenn die Eltern allefür das Schuljahr vorgesehenen Schul-bücher selbst beschaffen wollen.

MSzWeitere Informationen unter:

www.km.bayern.de

Das Kultusministerium in Thüringenhat neue Regelungen für die Beschaf-fung von Lehr- und Lernmitteln veröf-fentlicht. Die neuen Vorschriften habenauch im Freistaat zu Diskussionen undAuseinandersetzungen geführt. Wor-um geht es in diesem ostdeutschenBundesland?In einem Brief des Staatssekretärs KjellEberhardt heißt es zu den Normen, esgehe darum, einen soliden Lernmittel-bestand zu sichern, der »inhaltlich ak-tuell« ist »und sich in einem für den Be-nutzer akzeptablen Zustand« befindet.In den letzten zwei Jahren seien Lern-mittel im Wert von über 14 MillionenEuro beschafft worden, die den Schülernin der Ausleihe weiterhin zur Verfügungstünden. »Der Bestand« müsse »natür-lich jährlich gesichert, ergänzt und ak-tualisiert werden« – das könne, soschreibt der Staatssekretär im Auftragvon Kultusminister Jens Goebel, »unterden immer schwieriger werdendenHaushaltsbedingungen aber nur gelin-gen, wenn neue Finanzierungsmodellezur Anwendung kommen«. Nach demjetzt geltenden Konzept ist die Teilnah-me am Ausleihsystem grundsätzlich frei-willig. »Wer sich nicht daran beteiligenwill, muss andererseits sicherstellen,dass alle von der Schule zur Ausleihe vor-gesehenen Lernmittel rechtzeitig vorSchuljahresbeginn auf eigene Kostenselbst beschafft werden.« Auf die benö-tigten Lernmittel machen die jeweiligen

Schulen mittels ei-nes »Schulbuch-zettels« aufmerk-sam.

Diejenigen El-tern, »die auch zu-künftig Lernmittelvon der Schuleausleihen möch-ten, müssen sich hingegen zu dem vondort festgelegten Termin verbindlich an-melden und einen Teil der Kosten derLernmittelfreiheit in Form einer Pau-schale übernehmen«.

Wie hoch sind die Kosten? Der Staats-sekretär fährt fort, die »Zuzahlung proKind und Schuljahr beträgt bis zur Klas-senstufe 4 maximal 22,50 Euro und abder Klassenstufe 5 maximal 45,00 Euro«.Aus der Sicht des Ministerialen ist das»auf den ersten Blick keine geringe Sum-me«. Er meint aber, »dass der Betrag nuretwa ein Fünftel dessen ist, was für dieAnschaffung aller Lernmittel gebrauchtwird«. Auf jeden Fall bekomme der je-weilige Schüler, wenn er sich für eineTeilnahme an der Lernmittelausleiheentscheidet, alle Lernmittel von derSchule gestellt.Gebührenermäßigungengibt es zum Beispiel für Familien mit zweioder drei Kindern – bei vier oder mehrKindern sind für die Lernmittel keineGelder zu zahlen.

Manfred SchwarzZusätzliche Informationen: www.thueringen.de/tkm/schule/schulwesen/vorschriften/sbk

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Lernmittelbeschaffung II

Thüringen: Neue Regelungen

Kultusminister Prof. Dr. Jens Goebel

Lernmittelbeschaffung III

Sachsen-Anhalt: ProBuch bis zu drei EuroEbenfalls in Sachsen-Anhalt gibt es einneues System zur Lernbücher-Auslei-he in Schulen. Die Unterhaltsverpflich-teten, die für ihre Schulkinder alleLernbücher privat kaufen wollen, kön-nen dies tun. Alle anderen Erziehungs-berechtigten müssen sich an einemneuen Ausleih-System beteiligen.Grundsätzlich sind pro ausgeliehenemSchulbuch drei Euro zu entrichten. Je

nach sozialer Lage der Unterhaltsver-pflichteten kann diese Gebühr reduziertwerden – maximal auf einen Euro proLernmittel.

Genauer – nach der geltenden Lern-mittelkostenentlastungsverordnung –:Empfänger von laufender Hilfe zum Le-bensunterhalt oder nach dem Bundes-sozialhilfegesetz bzw. dem Asylbewer-berleistungsgesetz müssen pro »Einheit«einen Euro bezahlen. Mehrkinderfami-lien – mit schulpflichtigen Söhnen oderTöchtern – zahlen zwei Euro (drei undvier Kinder) bzw. einen Euro (ab fünf Kin-

dern). Gehen Lernmittel verloren, so sindpro »Einheit« fünf Euro zu zahlen. Auchdie Mahngebühren sind festgelegt: ZweiEuro werden bei der ersten Mahnung fäl-lig, drei Euro bei der zweiten.

MSzMehr Informationen unter:

www.asp.sachsen-anhalt.de/presseapp/stk/2004/522_200

4.htm bzw. www.mk-intern.bildung-lsa.de/Bildung/ve-lernmittelkos

tenentlastung.pdf; www.mk-intern.bildung-lsa.de/Bildung/er-

lernmittel.pdf

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Schülerzeitungswettbewerb

Der Spiegel ehrt die Besten Jedes Jahr kommt es zum »Show-Down« beim Schülerzeitungswettbe-werb des Nachrichtenmagazins DerSpiegel. So auch 2005: Rund 10.000Schülerzeitungsmacher planten,schrieben, gestalteten und akquirier-ten Anzeigen. Ihr Blatt sollte pünktlichzum Einsendeschluss beim Spiegel an-kommen. 953 Titel, knapp die Hälfte al-ler deutschen Schülerzeitungen, habenes geschafft. Der Spiegel bewertet jour-nalistische Leistungen (Schreibe, Lay-out, Fotos, Umbruch, Inhalt, Titelblatt...), die politische Ausrichtung spieltkeine Rolle.15 Juroren sichteten 2200 Beiträgenunterschiedlichster Art und benanntendann die jeweils zehn besten in diversenKategorien. Prämiert hat Der Spiegel die-ses Jahr insgesamt 80 Schülerzeitungen.26 Schülerinnen und Schüler wurdeneingeladen zur Siegerehrung nach Ham-burg. Das Redaktionsteam der »Schü-lerzeitung des Jahres« fliegt in denHerbstferien für eine Woche nach Ma-drid. Die dortige Spiegel-Korresponden-tin betreut die Gewinner. Die Top Ten in

den acht verschiedenen Kategorien er-halten - wie in den vergangenen Jahren– jeweils Geld- bzw. Sachpreise. Außer-dem: Der Hermann-Gmeiner-Fonds lädtwiederum sechs erfolgreiche Nach-wuchsjournalisten in drei SOS-Kinder-dörfer ein – dieses Mal nach Brasilien,Vietnam und Südafrika.

»Schülerzeitung des Jahres« wurdeein Neuling, die Glocke vom Johann-Phil-ipp-von-Schönborn-Gymnasium im frän-kischen Münnerstadt. Zweitbeste wur-den die Vorjahressieger vom Rückenwinddes Adalbert-Stifter-Gymnasiums in Pas-sau – erst auf Platz 3 kam ein nicht-bay-erisches Gymnasium, Der Spargel vomErich Kästner-Gymnasium in Laatzen beiHannover. Der Spiegel lobt deswegen vorallem die Schüler aus dem Süden – undspricht von den »brillanten Bayern«.

Nach Hamburg gingen zwei Preise.Den achten »Foto«-Preis erhielt ArneSemsrott vom katholischen GymnasiumSophie-Barat. Im Bereich »Heftinhalt«belegte die Schülerzeitung »Peperoni«von der Gesamtschule Walddörfer.

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Weitere Informationen – auch zumnächsten Wettbewerb: www.schule.spie-gel.de/schuelerzeitungen/nachrichten/

Bundesländer und Jugendpresse

HerausragendeSchülerzeitungenprämiertVor den Sommerferien sind die 26 bestenSchülerzeitungen Deutschlands ausge-zeichnet worden. Der Wettbewerb unterder Schirmherrschaft von Bundespräsi-dent Horst Köhler war von der Kultusmi-nisterkonferenz (KMK) in Zusammenar-beit mit der Jugendpresse Deutschlandausgeschrieben worden. Es gab im Jahr2005 mehr als 1.700 Einsendungen. In die-sem Wettbewerb geht es auch darum, wieweit die jeweilige Schülerzeitung die »de-mokratische Teilhabe« am gesellschaft-lichen und schulischen Geschehen fördert.Mit den Auszeichnungen, die in diesem Jahrzum zweiten Mal vergeben wurden, wer-den herausragende Leistungen von Schü-lerzeitungsredaktionen gewürdigt. Die Prei-se sind nach Schularten getrennt vergebenworden – außerdem gab es mehrereSonderpreise.

Die ersten Preise gingen in diesem Jahran die Schülerzeitungen der Grundschuleam Waldschlösschen in Bielefeld (Nordr-hein-Westfalen), der Hauptschule im GFK-Schulzentrum in Speyer (Rheinland-Pfalz),der Staatlichen Realschule in Viechtach, desAdalbert-Stifter-Gymnasiums in Passau(Bayern), der Gottlieb-Daimler-Schule inSindelfingen (Baden-Württemberg) und derMartin-Schule in Augsburg (Bayern).

Künftig wird dieser Wettbewerb allein vonden Bundesländern veranstaltet.

KBMehr Informationen: [email protected];[email protected]

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Die Gewinner von der Glocke

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In einer Feierstunde wurden am 29. Mai2005 in der Energiehalle der DeutschenArbeitsschutzausstellung in Dortmunddie Sieger des 40. BundeswettbewerbsJugend forscht gekürt. In Anwesenheitvon Bundespräsident Horst Köhler undBundesbildungsministerin EdelgardBulmahn nahmen sie ihre Auszeich-nungen entgegen. Unter dem diesjährigen Motto »Dernächste Level« stellten sich insgesamt218 Finalisten mit 120 Projekten einerfachkundigen Jury aus Wirtschaft und

Hochschule. Die Stiftung Jugend forschte. V. richtete den Bundeswettbewerb indiesem Jahr zusammen mit der Bundes-anstalt für Arbeitsschutz und Arbeits-medizin (BAuA) in der Deutschen Ar-beitsschutzausstellung (DASA) aus.

Bundessieger wurden zum Beispiel: • Sebastian Hess (19) Dietrich-Bonhoef-

fer-Gymnasium, Wiehl (NRW), mit demBiologie-Thema: »Moose, die Tierefangen«

• Christoph Budelmann (19) GymnasiumSyke (Niedersachsen), mit dem Tech-

nik-Thema: »Entwicklung eines spar-samen elektronischen Lichtmanage-mentsystems«.

Hamburg

117 Jahre war niemand auf die Idee ge-kommen, die Reihenfolge der Buchsta-benanordnung auf der Schreibmaschin-entastatur in Frage zu stellen. Den Ham-burger Schülern Torsten Rieger (19) undPeter Stoye (19) vom Charlotte-Paulsen-Gymnasium sowie Justus Menzel (17) vonder Rudolf-Steiner-Schule war aufgefallen,dass häufig genutzte Buchstaben auf derTastatur meistens an schwer erreichbarenStellen am Rande liegen. Damit sollte frü-her verhindert werden, dass die Schreiberzu schnell tippten. Denn: Als QWERTZ – sodie ersten sechs Buchstaben der oberstenBuchstabenreihe - 1888 zum Standardwurde, hätte sich die Tastatur beim schnel-len Schreiben zu leicht verhakt. Ein Argu-ment, das für Computertastaturen aller-dings nicht mehr gilt. Mit dem neuen Kon-zept »Schneller tippen auf einer neuen Ta-statur« belegten die drei Schüler den er-sten Platz im Fachgebiet Arbeitslehre.

Rainer Wagner (Li),Landeswettbewerbsleiter

Jugend forscht,E-Mail: [email protected]

Jugend forscht: Bundespräsident zu Gast

Köhler ehrt die Sieger – auch aus Hamburg

Jugend forscht in Dortmund: Bundespräsident Horst Köhler mit Ehefrau Eva Luise im Gespräch mit Sarah Peters vom Hamburger Gymnasium Rissen.

Unter dem Motto »Es gibt immer etwaszu entdecken!« startet Jugend forschtin die neue Wettbewerbsrunde. Ab sofort können sich wieder alle Ju-gendlichen mit Interesse für Naturwis-senschaften, Mathematik und Technikbei Deutschlands bekanntestem Nach-wuchswettbewerb anmelden.

Am Wettbewerb können in allenBundesländern junge Menschen bis zumAlter von 21 Jahren teilnehmen. Das The-ma ihres Projektes dürfen die Nach-wuchsforscher dabei frei wählen. ZumWettbewerb zugelassen sind sowohl Ein-zelpersonen als auch Gruppen mit maxi-mal drei Teilnehmern. Anmeldeschluss fürdie neue Runde ist der 30. November

2005. Für die Anmeldung reicht zunächstdas Thema. Bis zum 10. März 2005 müs-sen die Langfassungen bei dem Unter-nehmen Beiersdorf AG eingereicht wer-den. Am 27. und 28. März präsentiert Bei-ersdorf erfolgreiche Jugend forscht-Ar-beiten und ehrt die Gewinner. Weitere In-formationen und die Online-Anmeldunggibt es unter www.jugend-forscht.de. Ins-gesamt werden Geld-, Sach- und Sonder-preise im Gesamtwert von 900.000 Eurovergeben.

Speziell in Hamburg können Interes-sierte Informationen zur »BesonderenLernleistung« in Kombination mit einerJugend forscht-Arbeit vom Landesinsti-tut für Lehrerfortbildung und Schulent-

wicklung erhalten. Das nächste Seminarfür Lehrkräfte und Schülerinnen undSchüler (Zielgruppe: Sek.II) findet am 29.September von 15.00 bis 18.00 Uhr statt(Ort: Felix-Dahn-Str. 3, Raum 406; An-meldung: 4 28 01-36 50, E-Mail: [email protected]).

Der Wettbewerb Schüler experimentie-ren wird vom 20. bis 23. Februar durch-geführt. Einzelheiten zu Schüler experi-mentieren erfahren Sie von Willfred Kru-se, Tel.: 64 50 37-51 (-03) oder 668 22 43.

Weitere Infos: Landeswettbewerbslei-ter Jugend forscht E-Mail: [email protected]

Rainer Wagner (Li)

Anmeldeverfahren und Wettbewerbstermine

Jugend forscht in Deutschland – und speziell in Hamburg

Hamburg macht Schule 3|200546

Marktplatz

1) Interkulturelle Konflikte –Interkulturelle Mediation

Wie beraten Lehrerinnen und Lehrer,wenn es an ihren Schulen Eltern undSchülerinnen mit Migrationshintergrundgibt? Oder wenn es Unterschiede in Wer-ten, Lebensstilen und gegenseitigen Er-wartungen gibt? Auch in diesem Schul-jahr bietet das Beratungsfeld Interkul-turelle Erziehung Fortbildungen zumThema Interkulturelle Konflikte an.

Angeboten werden zwei Veranstal-tungsreihen:Zielgruppe: alle Interessierten (vgl. LI-

Programm Nr.: 1433-007); Termi-ne: Mi, 21.09. /19.10. /16.11.2005

Zielgruppe: BeratungslehrerInnen (Nr.2430-034); Termine: Do, 29.09./20.10./10.11.2005

jeweils 15–18 Uhr, Ort: LI, Felix-Dahn-Straße 3

2) Zwischen Hamburg und Istanbul,Kabul, Moskau und Accra?

Schülerinnen und Schüler an Hamburger SchulenDiese Veranstaltungsreihe bietet dieMöglichkeit, Informationen über die ver-schiedenen kulturellen und religiösen Le-bensweisen der Schülerinnen und Schü-ler und deren Familien aus Ländern wieder Türkei, Afghanistan, der ehemaligenSowjetunion und Afrika zu erhalten, Mi-gration und ihre Folgen anhand von

rechtlichen Barrieren, sprachlichenSchwierigkeiten und kulturellen Neu-orientierungen zu beleuchten und anBeispielen und Biografien die verschie-denen ökonomischen, familiären undpsychologischen Situationen eingewan-derter Familien in Hamburg zu erkun-den.

Termine:

Do, 15.09.05 SchülerInnen und Fami-lien mit türkischem Hintergrund

Do, 27.10.05 SchülerInnen und Fami-lien mit afghanischem Hintergrund

Do, 24.11.05 SchülerInnen und Fami-lien mit deutsch-russischemHintergrund

Do, 16.02.05 SchülerInnen und Fami-lien mit afrikanischem Hinter-grund

3) Materialhinweise

»Islam im Klassenzimmer«Auf der Frankfurter Buchmesse 2005wird die Körber-Stiftung ihre neueste Pu-blikation »Islam im Klassenzimmer« prä-sentieren. Das Buch, das viele Praxis-beispiele zum Thema bietet, entstand un-ter der fachlichen Beratung des INKA,Interkultureller Arbeitskreis der Leh-rerfortbilder der 16 Bundesländer.

(Weitere Informationen zu INKA un-ter: www.lehrerfortbildung.de)

Regine Hartung,Dragica Brügel

Fachtagung Anfang Oktober

Qualitätsentwicklung undSchulbegleitforschungQualitätsentwicklung und Schul-begleitforschung ist das Thema der10. öffentlichen Fachtagung desNordverbundes Schulbegleitfor-schung am 6. und 7.10.05 an derUniversität Osnabrück. Schulbe-gleitforschung wird in Koopera-tion von Wissenschaftlern undLehrkräften durchgeführt, wen-det sich Fragen der Schulpraxiszu und strebt Ergebnisse an, diedarüber hinaus relevant sind. DieVorträge werden sich mit Qua-litätsmanagement und externerEvaluation durch Schulinspektionbeschäftigen. In Workshops wer-den Ergebnisse aus Projekten derSchulbegleitforschung vorgestellt.

Information und Anmeldung:Universität Osnabrück, Fachbe-reich Erziehungs- und Kulturwis-senschaften, Prof. Dr. Ingrid Kun-ze und Prof. Dr. Claudia Solzba-cher; Tagungsbüro: Sigrid Büch-ner, Tel. 05 41/9 69-44 85; [email protected]

Leserbrief zu HMS 2/05

Abschreckendes BeispielAuf dem Titelblatt zeigen Sie einejunge Dame, die unter dem Ar-beitstitel »Berufsorientierung«dabei ist, mit einer Handbohr-maschine ein Stoffgemisch zu ho-mogenisieren und dabei ihre lan-gen Haare in gefährliche Nähedes Bohrfutters bringt. DiesesBild kann bestenfalls als ab-schreckendes Beispiel dafür her-halten, wie man es nun wirklichnicht machen darf. Außer demHaarnetz bzw. Schutzhelm fehlenauch Sicherheitsschuhe undSchutzbrille!

Klaus-Peter Jochimski,Gewerbeschule G 18

Service-Angebote des LI

»Herausforderungen der Einwanderungsgesellschaft in der Schule«

Anmeldung, Beratung und Präsenzbibliothek:

Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulent-wicklung, LIF 14, Interkulturelle Erziehung, FrauHartung / Frau Brügel, Felix-Dahn-Str.3, Raum317, 20357 Hamburg, LZ: 745 / 5026E-Mail: [email protected] und [email protected]; Internet: www.li-hamburg.de/interkulturelle-erziehung; Tel.:4 28 01-21 29 / -21 92/ Fax: -27 99; Sprechzeit:dienstags 14–15 Uhr und n. V.

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