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Aktoren auf Basis des magnetorheologischen Effekts
Der Technischen Fakultät der
Universität Erlangen-Nürnberg
zur Erlangung des Grades
DOKTOR-INGENIEUR
vorgelegt von
Florian Zschunke
Erlangen, 2005
II
Als Dissertation genehmigt von
der Technischen Fakultät der
Universität Erlangen-Nürnberg
Tag der Einreichung: 20.06.2005
Tag der Promotion: 22.09.2005
Dekan: Prof. Dr. A. Winnacker
Berichterstatter: Prof. Dr. P.O. Brunn
Prof. Dr. Ing. K. Strauß
III
Abstrakt
Die vorliegende Dissertation befasst sich mit Aktoren die auf der Basis des
magnetorheologischen (MR) Effekts arbeiten. Dabei werden magnetorheologische
Materialien verwendet, die aus einer nichtmagnetischen Matrix und darin verteilten
magnetischen Partikeln bestehen. Bei Anlegen eines magnetischen Feldes zeigen
sie eine dramatische Änderung der rheologischen Eigenschaften. Dieser
magnetorheologische Effekt kann in Aktoren genutzt werden. Die Materialien, die hier
vorgestellt werden sind die magnetorheologischen Flüssigkeiten und das
Festkörperpendant, die magnetorheologischen Elastomere.
Im Rahmen dieser Arbeit werden die physikalischen Zusammenhänge, die für ein
Verständnis der Effekte notwendig sind, diskutiert. Experimentelle Untersuchungen
an MR-Flüssigkeiten und MR-Elastomeren zeigen neue Erkenntnisse in der
Charakterisierung und bei den MR-Elastomeren bei den Herstellungsmethoden
dieser Materialien. Auf diesen Erkenntnissen aufbauend, wird für jedes Material ein
Konzept und der Aufbau eines Aktorprototypen vorgestellt. Auf der Seite der MR-
Flüssigkeit ist dies ein semiaktiver Schwingungsdämpfer, dessen dynamische
Eigenschaften sich elektrisch steuern lassen. Neben Modifikationen an der
Konzeption des Dämpfers wird eine Simulation der Flüssigkeitsströmung im Dämpfer
vorgestellt, mit der sich die Dämpfkräfte berechnen lassen. Der Aktor, der auf den
MR-Elastomeren basiert ist ein Schwingungstilger, dessen variable Eigenfrequenz in
Abhängigkeit eines aufgebrachten Magnetfelds gezeigt werden kann.
IV
Abstract
This work presents actuators based on the magnetorheological effect. Hereby
materials consisting of a non-magnetic matrix and dispersed magnetic particles are
used. Upon the application of a magnetic field they show a high but reversible
change of their rheological behavior. This magnetorheological effect can be utilized in
actuators. They materials present here are magnetorheological fluid and the solid
analogue the magnetorheological elastomer.
In this work the physical backround for understanding the effect is discussed.
Experimental investigations on MR-fluids and MR-elastomers show new findings in
the characterisation and in the case of the elastomers the productionmethods of
these materials. Based on these results for each of the materials a concept and the
design of an actuator prototype are presented. For the MR-fluids it is a semiactive
vibrationdamper whose dynamic properties could be electrically controlled. Not only
some modifications are presented but a simulation of the fluid flow which allows a
prediction of the damping forces is shown. The actuator based on the MR elastomers
is a mass damper, whose natural frequency can be tuned by changing the applied
magnetic field.
V
Danksagung Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strömungsmechanik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg in der Arbeitsgruppe Rheologie. An erster Stelle danke ich meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Peter O. Brunn. Er hat mit vielen fachlichen Diskussionen und wichtigen Anregungen viel zum Gelingen meiner Arbeit beigetragen. Die angenehme und freundliche Arbeitsatmosphäre, die viel Raum für Eigeninitiative und Kreativität ließ, haben die Umsetzung meiner Arbeit wesentlich nach vorne gebracht. Ferner gilt mein Dank Herrn Prof. Dr.-Ing. Karl Strauß für die Übernahme des Koreferats. Außerdem möchte ich der Firma WEGU, dort insbesondere Herrn Horst Zimmermann, der bayerischen Forschungsstiftung und der Stiftung Industrieforschung für die finanzielle Unterstützung meiner Arbeit danken. Dem Lehrstuhl für Regelungstechnik gilt mein Dank für die vielen Messungen und die fachliche Unterstützung sowie dem deutschen Institut für Kautschuktechnologie, insbesondere Herrn Dr. Thomas Alshuth, für die ausgesprochen gute Zusammenarbeit. Insbesondere gilt mein Dank auch den Kolleginnen und Kollegen am Lehrstuhl für Strömungsmechanik für ihre Unterstützung jeglicher Art, die ich während meiner Arbeit erhalten habe. Hervorheben möchte ich hier besonders Martin Steven, der mir stets wichtige Anregungen bei meiner Arbeit gegeben hat, Max Brand der mich mit vielen Ideen unterstützt hat, Stefan Diezinger, der auch immer ein offenes Ohr für mich hatte und Alejandro Peugnet, der sich stets um die Tücken der EDV gekümmert hat. Natürlich möchte ich auch meinen vielen studentischen Hilfskräften danken, besonders Rosa Rivas für die gute Unterstützung und Zusammenarbeit. Nicht zuletzt möchte ich meiner Mutter danken, die meine Ausbildung ermöglicht hat. Erlangen, Juni 2005 Florian Zschunke
VI
VII
Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung.........................................................................................................1 1.1 Einführung ............................................................................................1
1.2 Stand der Technik.................................................................................2
1.3 Motivation und Ziel der Arbeit ...............................................................3
2 Magnetorheologische Materialien....................................................................5 2.1 Magnetische Eigenschaften..................................................................5
2.2 Der magnetorheologische Effekt...........................................................7
2.3 Magnetorheologische Flüssigkeiten....................................................15
2.3.1 Grundlagen, Anforderungen und Zusammensetzung .........................15
2.3.2 Verwendete Flüssigkeit .......................................................................15
2.3.3 Rheologische Beschreibung ...............................................................15
2.4 Magnetorheologische Elastomere ......................................................15
2.4.1 Grundlagen, Anforderungen und Zusammensetzung .........................15
2.4.2 Verwendete MR-Elastomere...............................................................15
2.4.3 Rheologische Beschreibung ...............................................................15
3 Rheologische Untersuchungen......................................................................15 3.1 Versuchsdurchführung........................................................................15
3.1.1 Stationäre Messungen ........................................................................15
3.1.2 Instationäre Messungen......................................................................15
3.2 Experimenteller Aufbau.......................................................................15
3.2.1 Rotationsrheometrische Untersuchungen...........................................15
3.2.2 Servohydraulisches Elastomer-Prüfsystem ........................................15
4 Numerische Methoden ..................................................................................15 4.1 Finite-Volumen-Methode für die Lösung der Strömungsprobleme......15
4.1.1 Grundgleichungen...............................................................................15
4.1.2 Finite-Volumen-Methode.....................................................................15
4.2 Finite-Elemente-Methode für die Lösung der magnetischen Feldverteilung ..15
4.2.1 Grundgleichungen...............................................................................15
4.2.2 Finite-Elemente-Methode....................................................................15
5 Charakterisierung von MR-Materialien ..........................................................15 5.1 Ergebnisse der Charakterisierung von magnetorheologischen Flüssigkeiten15
5.1.1 Fließkurven .........................................................................................15
5.1.2 Temperaturabhängigkeit der rheologischen Eigenschaften ................15
VIII
5.1.3 Oszillationsmessungen ...................................................................... 15
5.1.4 Zusammenfassung der Ergebnisse der rheologischen Charakter-
isierung der MR-Flüssigkeit ................................................................ 15
5.2 Ergebnisse der Charakterisierung von magnetorheologischen
Elastomeren ....................................................................................... 15
5.2.1 Rheologische Eigenschaften .............................................................. 15
5.2.2 Magnetische Eigenschaften ............................................................... 15
5.2.3 Zusammenfassung der Charakterisierung der MR-Elastomere.......... 15
6 Aktoren auf der Basis des MR-Effektes ........................................................ 15 6.1 Aktoren............................................................................................... 15
6.2 MR-Schwingungsdämpfer .................................................................. 15
6.2.1 Konzeption eines MR-Schwingungsdämpfers .................................... 15
6.2.2 Experimentelle Ermittlung der dynamischen Eigenschaften des MR-
Dämpfers............................................................................................ 15
6.2.3 Verbesserung der Eigenschaften durch Einsatz eines Zusatzventils . 15
6.2.4 Simulation des Dämpfers mit CFD ..................................................... 15
6.3 MRE - Schwingungstilger ................................................................... 15
6.3.1 Konzeption eines MR-Schwingungstilgers ......................................... 15
6.3.2 Experimentelle Ermittlung der dynamischen Eigenschaften des MR-
Schwingungstilgers ............................................................................ 15
7 Zusammenfassung und Ausblick .................................................................. 15 8 Literaturübersicht .......................................................................................... 15 9 Anhang.......................................................................................................... 15
IX
Nomenklatur
Einige der verwendeten Formelzeichen sind doppelt belegt. Bei mehrdeutigen
Zeichen ist bei der Erläuterung das entsprechende Kapitel, in dem das Zeichen
anders als in der restlichen Arbeit belegt ist, mit angegeben.
Lateinische Symbole:
Größe Erläuterung Einheit
A Fläche m³
B magnetische Flussdichte T
RB Remanenz T
SB Sättigungsflussdichte T
D elektrische Flussdichte As/m²
ijD Deformationsgeschwindigkeitstensor 1/s
ElE elektrische Feldstärke V/m
E Energie J
YE Young Modul Pa
F Kraft N
dF Dämpfkraft N
G Elastizitätsmodul Pa
'G Speichermodul Pa
''G Verlustmodul Pa
H magnetische Feldstärke A/m
KH Koerzitivfeldstärke A/m
I elektrische Stromstärke A
2I zweite Invariante 1/s²
J Polarisation T
PJ mittlere Partikelpolarisation T
SJ Sättigungspolarisation der Partikel T
K Clausius-Mossoti-Funktion
X
M Drehmoment Nm
N Drehzahl 1/s
AU Ausgangsspannung V
DU Wechselwirkungsenergiedichte J/m³
PV Partikelvolumen m³
V& Volumenstrom m³/s
V Volumen m³
a Fittingparameter abh.
Ta Lageparameter
na Fourierkoeffizient
b Fittingparameter abh.
b Breite in Kapitel 3.2.2. m
Tb Steigungsparameter 1/K
nb Fourierkoeffizient
c viskoser Dämpfungskoeffizient Ns/m
Pd Partikeldurchmesser m
f Frequenz Hz
h Höhe m
Ph Plattenabstand m
j elektrische Stromdichte A/m³
k Federkonstante N/m
l Länge m
dm magnetisches Dipolmoment T m³
m Konsistenzfaktor Pa sn
n Fließexponent
p Druck Pa
dr Dämpfkonstante Ns/m
s Abstand m
t Zeit s
t Tiefe in Kapitel 3.2.2. m
XI
st Schwingungsdauer s
90t Zeitintervall s
u Geschwindigkeit m/s
iu i-Komponente der Geschwindigkeit mit i = x,y,z m/s
ju j-Komponente der Geschwindigkeit mit j = x,y,z m/s
v Geschwindigkeit m/s
kv Kolbengeschwindigkeit m/s
w Geschwindigkeit m/s
x kartesische Koordinate m
ix kartesische Koordinate mit i = x,y,z m
jx kartesische Koordinate mit j = x,y,z m
ex Erregeramplitude m
1x Amplitude m
2x Amplitude m
dx Deformation m
y kartesische Koordinate m
z kartesische Koordinate m
Griechische Symbole:
Größe Erläuterung Einheit
α Regelungsparameter
sα Sättigungsmaß
γ Scherung
γ& Scherrate 1/s
cγ& Übergangsscherrate 1/s
0γ Deformationsamplitude
δ Verlustwinkel °
ε Dehnung
ε& Dehnrate 1/s
XII
0ε Dielektrizitätskonstante As/Vm
1ε Dielektrizitätszahl
η Viskosität Pas
1η erste Bereichsviskosität Pas
2η zweite Bereichsviskosität Pas
dη Dehnviskosität Pas
Mµ relative Matrixpermeabilität
Pµ relative Partikelpermeabilität
rµ relative Permeabilität
0µ magnetische Feldkonstante 4710−⋅π Vs/Am
ρ Dichte kg/m³
σ Normalspannung Pa
τ Schubspannung Pa
Yτ Fließgrenze Pa
ijτ Reibungstensor Pa
0τ Schubspannungsamplitude Pa
φ Volumenbruch
χ elektrische Leitfähigkeit S/m
ω Kreisfrequenz 1/s
eω Eigenkreisfrequenz 1/s
1 Einleitung
- 1 -
1 Einleitung
Dieses Kapitel ist eine kurze Einführung in die Arbeit: Aktoren auf Basis des
magnetorheologischen Effekts. Zunächst wird eine Übersicht über Aktoren und die
magnetorheologischen Materialien gegeben. Ein erster Überblick wird im Stand der
Technik dargestellt, der in den folgenden Kapiteln noch erweitert wird. Abschließend
werden die Motivation und das Ziel dieser Arbeit dargestellt.
1.1 Einführung
Schwingungen treten bei fast allen technischen Anwendungen auf, bei denen Teile
bewegt werden, also bei Transportmitteln und Maschinen. Motoren geben neben der
gewünschten, in der Regel gleichförmigen Kraft auch veränderliche unerwünschte
Schwingungen an die Umgebung ab. In der Praxis ist es oft notwendig diese zu
unterdrücken oder abzuschwächen, um Lärm und Strukturermüdungen zu
vermeiden. In der Automobilindustrie werden zur Schwingungsunterdrückung vielfach
so genannte Schwingungstilger und Schwingungsdämpfer eingesetzt. Diese Bauteile
sind jedoch in der Regel auf einen engen Frequenzarbeitsbereich beschränkt. Ziel
dieser Arbeit ist es diesen Arbeitsbereich deutlich zu erweitern, indem die Bauteile
adaptiv gestaltet werden, um sich also an eine veränderliche Anregungsfrequenz
anpassen zu können.
Die Umsetzung erfolgt auf der Basis von „Smart Materials“. Diese Materialien, die
auch intelligente Werkstoffe, multifunktionale oder adaptive Materialien genannt
werden, können ihre rheologischen Eigenschaften, ihre Länge oder das Volumen
durch einen steuerbaren externen Parameter wie Licht, elektrische oder magnetische
Felder variieren. Die hier behandelten Materialien verändern ihre rheologischen
Eigenschaften innerhalb von wenigen Millisekunden durch Anlegen eines
magnetischen Feldes und werden daher magnetorheologische (MR) Materialien
genannt. Diese Materialien können in Bauteilen eingesetzt werden, die als Aktoren
bezeichnet werden. Ein Aktor ist, verallgemeinert betrachtet, die Verbindung
zwischen der Steuerung und einem zu steuernden Prozess. Aktoren sollen
Energieflüsse, Massen- oder Volumenströme zielgerichtet einstellen [1]. Die
potentielle Anwendung der hier beschriebenen Materialien ist also der Aufbau eines
1 Einleitung
- 2 -
Energiewandlers zur variablen Übertragung von Kräften. Der Vorteil der
Energiewandler auf der Basis des magnetorheologischen Effektes ist der einfache
Aufbau. Ebenfalls lässt die Technologie eine Minimierung der Anzahl der
beweglichen Teile zu. Dadurch ist ein geringer Verschleiß und eine hohe Dynamik
gewährleistet, die auch durch die schnelle Reaktionszeit der Materialien verbessert
wird.
1.2 Stand der Technik
Die hier betrachteten magnetorheologischen (MR) Materialien, den
elektrorheologischen Materialien ähnliche Substanzen, können ihre rheologischen
Eigenschaften durch Anlegen eines äußeren Magnetfeldes schnell und reversibel
verändern. Sie gehören somit zur Klasse der "Smart Materials". Die am weitesten
verbreiteten MR-Materialien sind die MR-Flüssigkeiten (MRF). Die ersten
Entdeckungen und Anwendungen dieser Technologie können bereits in den 40er
Jahren des 20. Jahrhunderts Jacob Rabinow des US National Bureau of Standards
zugerechnet werden. Rabinow hat zahlreiche Patente veröffentlicht, darunter zum
Beispiel die Entwicklung einer magnetorheologischen Kupplung [2]. Zeitgleich wurde
von Willis Winslow die elektrorheologische Flüssigkeit entdeckt [3]. Aufgrund der zu
geringen Leistungsfähigkeit sind diese Materialien jedoch wieder für viele Jahrzehnte
in Vergessenheit geraten. Mitte der achtziger Jahre wurden diese Ideen wieder
aufgegriffen und es wurden zahlreiche Veröffentlichungen zu ER-Flüssigkeiten
gemacht. Anfang der neunziger Jahre rückten auch die magnetorheologischen
Flüssigkeiten wieder in den Fokus des Interesses und seitdem arbeiten einige
Forschungsgruppen auf diesem Gebiet. Das Hauptinteresse an diesen Materialien ist
der Einsatz in mechatronischen Systemen, da sie eine robuste und einfache
Schnittstelle zwischen der Steuerungselektronik und den mechanischen
Komponenten darstellen. Der Hauptgrund für das Interesse an MR-Flüssigkeiten
beruht auf dem Bedarf nach einem einfachen, schnellen und robusten Ventil, um
semiaktive Dämpfung möglich zu ermöglichen. Dies können MR-Fluid Technologien
bereits leisten. So sind viele Dämpfer auf Basis der MR-Flüssigkeiten in
verschiedenen Bauformen erfolgreich entwickelt worden. [4][5][6]. Diese Dämpfer
werden auch teilweise schon kommerziell vertrieben. Hauptsächlich werden sie als
1 Einleitung
- 3 -
Vibrationsunterdrückung z.B. bei KFZ-Sitzen und Maschinen, aber auch bei
Bauwerken eingesetzt [7][8][9]. Auch andere Verwendungen, wie z.B. die in einer
Beinprothese, wurden bereits erfolgreich umgesetzt. Das Anwendungsspektrum
dieser Materialien ist sehr vielfältig. So sind MRFs bereits als Ventile, Kupplungen,
Rehabilitationsinstrumente und Medien für Hochpräzisionspolituren eingesetzt
worden[10][11][12].
Das Festkörperanalogon der MR-Flüssigkeiten sind die magnetorheologischen
Elastomere (MRE), deren Entwicklung durch die Flüssigkeiten inspiriert wurde.
Während konventionelle passive Elastomermaterialien in Bauteilen zur Aufhängung,
Vibrationsisolierung und Dichtung eingesetzt werden, können steuerbare
Elastomerkomponenten noch viel weiter reichende Aufgaben erfüllen. Der
Hauptfokus der Anwendung von MR-Elastomeren ist die variabel einstellbare
Aufhängung von schwingenden Teilen, da diese Materialien im Gegensatz zu den
MR-Flüssigkeiten ausschließlich im Pre-Yield Regime arbeiten. Sie können also als
semiaktive Lagerelemente, Buchsen oder als Aufhängungen mit variabler Steifigkeit
eingesetzt werden [13][14]. Zwar sind einige Veröffentlichungen zu diesem Thema
bekannt, jedoch ist bisher kein marktfähiges Produkt auf Basis des
magnetorheologischen Elastomers entwickelt worden.
1.3 Motivation und Ziel der Arbeit
Der Stand der Technik zeigt, dass es eine Vielzahl von potentiellen Anwendungen für
die Nutzung des MR-Effektes gibt. Ziel dieser Arbeit ist es, mögliche Anwendungen
von MR-Materialien aufzuzeigen. Am Beispiel von steuerbaren Flüssigkeitsdämpfern
und Schwingungstilgern soll dargestellt werden, wie das Design dieser Aktoren mit
Hilfe von Messungen der Materialeigenschaften und basierend darauf mit
analytischen bzw. numerischen Hilfsmitteln erfolgreich realisiert werden kann. Dabei
wird für den Flüssigkeitsdämpfer eine kommerzielle Flüssigkeit verwendet und für
den Schwingungstilger ein Elastomer entwickelt. Hauptfokus bei der
Dämpferentwicklung ist also die Beschreibung der Materialien und basierend darauf
die Umsetzung in einen Aktor. Die Tilgerentwicklung hingegen hat sich auf die
Entwicklung und Herstellung des Elastomermaterials selbst konzentriert, das in
einem einfachen Aktor zur Anwendung kommt.
1 Einleitung
- 4 -
Dieser Einleitung folgt in Kapitel 2 ein Überblick über die magnetorheologischen
Materialien, wobei zunächst der Stand der Forschung bei der Modellvorstellung
gezeigt wird. Dann wird jeweils auf die MR-Flüssigkeiten und Elastomere
eingegangen. Hier werden Grundlagen, Anforderungen und die Zusammensetzung
gezeigt, bevor die verwendeten Materialien beschrieben werden. Abschließend
werden in diesem Kapitel die Möglichkeiten der rheologischen Beschreibung
erläutert. Kapitel 3 stellt die unterschiedlichen Messverfahren und die verwendeten
Versuchsanlagen vor, mit denen die Materialien charakterisiert werden. Die
numerischen Methoden, die für die Simulation des Flüssigkeitsverhaltens und der
magnetischen Feldverteilung verwendet wurden, werden in Kapitel 4 kurz vorgestellt.
Die Ergebnisse der Charakterisierung der Materialien werden in Kapitel 5
beschrieben. In Kapitel 6 wird schließlich gezeigt, wie basierend auf den Ergebnissen
von Kapitel 5 Aktoren ausgelegt und aufgebaut werden können. Der Vergleich der
Messungen mit der Auslegung zeigt dies. Das abschließende 7. Kapitel fasst die
Ergebnisse zusammen und gibt einen Ausblick auf die zukünftigen Möglichkeiten auf
diesem Forschungsgebiet.
2 Magnetorheologische Materialien
- 5 -
2 Magnetorheologische Materialien
2.1 Magnetische Eigenschaften
Die magnetischen Eigenschaften beeinflussen maßgeblich den MR-Effekt und damit
die Leistungsfähigkeit der MR-Materialien. Im folgenden Kapitel wird daher ein kurzer
Überblick über die allgemeinen Grundlagen der magnetischen Eigenschaften
gegeben, die für das Grundverständnis des MR-Effektes notwendig sind.
Befindet sich Materie in einem Magnetfeld, so wird sie polarisiert und erhält somit ein
magnetisches Dipolmoment dm . Im Volumen V des magnetisierten Körpers wird das
magnetische Dipolmoment
∫=V
d JdVm (2.1)
hervorgerufen. Die magnetische Polarisation J verändert die magnetische
Flussdichte B und es gilt
JHB += 0µ (2.2)
mit der magnetischen Feldstärke H und der magnetischen Feldkonstante 0µ .
Dieser Zusammenhang kann auch durch Einführung der relativen Permeabilität rµ
als
HB r 0µµ= (2.3)
beschrieben werden. Durch die relative Permeabilität kann man drei Stoffgruppen
unterscheiden:
• Diamagnetische Stoffe mit 10 ≤≤ rµ
• Paramagnetische Stoffe mit 21 ≤< rµ
• Ferromagnetische Stoffe mit rµ
2 Magnetorheologische Materialien
- 6 -
Sättigungsmagnetisierung BS magnetisiert. Wird die Feldstärke dann wieder
reduziert, so erreicht man den Remanenzpunkt BR.
B
H
BR
-HK HK
BS
Abbildung 1:Magnetisierungskurve eines ferromagnetischen Materials
Erst durch Anlegen der Koerzitivfeldstärke HK wird die Probe wieder entmagnetisiert.
Ferromagnetische Materialien lassen sich dabei in zwei Gruppen einteilen: zum
einen in die weichmagnetische, bei der keine Remanenz auftritt und somit auch keine
Hystereseschleife und zum anderen in die hartmagnetische Gruppe, die dagegen
eine maximale Remanenz zeigt, wobei der in Abbildung 1 gezeigte Verlauf sich zu
einem Rechteck verändert. Gleichung (3.2) gilt somit nur für weichmagnetische
Substanzen. Der dargestellte Verlauf zeigt somit eine Mischform zwischen weich-
und hartmagnetischem Verhalten und kommt dem realen Verhalten am nächsten
[15].
2 Magnetorheologische Materialien
- 7 -
2.2 Der magnetorheologische Effekt
Der magnetorheologische (MR) Effekt ist eine reversible Änderung des Fließ- und
Deformationsverhaltens bestimmter Materialien unter dem Einfluss eines äußeren
magnetischen Feldes. Diese Änderung tritt innerhalb von Millisekunden auf. Das
Material besteht dabei aus einer Matrix, die fest oder flüssig sein kann, und den
dispergierten magnetischen Partikeln. Der MR-Effekt wird durch mehrere Parameter
beeinflusst. So wirken sich die Korngrößenverteilung, die Sättigungsmagnetisierung
der dispergierten Partikel und die rheologischen Eigenschaften der Matrix auf der
Materialseite auf den MR-Effekt aus. Der Effekt wird aber auch sehr stark durch
externe Parameter wie Temperatur, Belastung und durch die Stärke und Ausrichtung
des magnetischen Feldes bestimmt [16]. Im Folgenden werden die
Modellvorstellungen erläutert, die das Verhalten der magnetorheologischen
Materialien erklären. Diese Modellvorstellungen sind denen der Beschreibung des
elektrorheologischen Effekts sehr ähnlich, da hier anstatt des elektrischen Feldes ein
magnetisches Feld angelegt wird und die Berechnungsansätze nahezu identisch
sind. Zunächst wird die Modellvorstellung im Bereich des Pre-Yield-Regimes
erläutert, das sowohl das Verhalten der MR-Flüssigkeit, als auch das des MR-
Elastomers beschreiben kann. Dieses Modell muss jedoch noch für die MRFs um
den Bereich des Fließens erweitert werden. Das Modell zum Verhalten der MRE
ähnelt dem der MRF im Pre-Yield-Regime, da sich gezeigt hat, dass die Elastomere
nur einen MR-Effekt zeigen, wenn die magnetischen Partikel zu Kettenstrukturen
ausgerichtet wurden. Messungen von unstrukturierten Partikelverteilungen haben
kaum eine Veränderung des rheologischen Verhaltens gezeigt [17][18].
Die meisten Modelle für die Beschreibung des Verhaltens von magnetorheologischen
Materialien basieren auf dem Modell der Kettenbildung. Bei diesem Modell geht man
davon aus, dass die dispergierten Partikel kettenartige Strukturen ausbilden. Diese
Kettenbildung konnte bereits mehrfach anhand von Modellsuspensionen durch
Messungen nachgewiesen werden [19] [20]. Bei MREs wird die Kettenbildung
üblicherweise durch Induzieren eines Magnetfeldes bei der Vulkanisation erzielt.
Diese Kettenstrukturen sind mechanisch belastbar und bewirken durch die
Einschränkung der Beweglichkeit bzw. durch die interpartikulären Anziehungen eine
2 Magnetorheologische Materialien
- 8 -
Zunahme des Fließwiderstands oder der Elastizität. Diese Veränderung ist sowohl im
Pre-Yield-Bereich durch die Zunahme des Elastizitätsmoduls oder der Fließgrenze
als auch im Post-Yield-Regime bei den Flüssigkeiten durch eine Erhöhung der
Viskosität messbar [21][22].
Für diese Kettenbildung gibt es zwei unterschiedliche physikalische Interpretationen.
Der eine Ansatz gibt die Dipol-Dipol-Beeinflussung als Grund an, der andere geht
von einer Verzerrung des Magnetfeldes in der unmittelbaren Umgebung jedes
Partikels aus. Bei dem Dipol-Dipol-Modell wird davon ausgegangen, dass das
externe Magnetfeld eine Partikelpolarisation induziert und die resultierende
magnetostatische Kraft zu einer Aggregatbildung entlang der magnetischen
Feldlinien führt. Die Dipole ziehen sich dabei wie Permanentmagnete an, wenn diese
gleich ausgerichtet sind. Abbildung 2 zeigt zwei gleiche Partikel, deren jeweilige Mitte
entlang der Feldlinien des angelegten Feldes ausgerichtet wird. Im Fall der vertikalen
Anordnung (a) kommt es zu einer Anziehung, im Fall der horizontalen Anordnung der
Partikel (b) zu einer Abstoßung der magnetischen Dipole. In der Abbildung sind zwei
Fälle skizziert, bei der die Richtung der Partikelpolarisation in Abhängigkeit der
Clausius-Mossoti-Funktion K gezeigt wird. Diese ist definiert als [23]
MP
MPKµµ
µµ2+
−= (2.4).
Dabei ist µ die relative Permeabilität der Partikel oder der Matrixflüssigkeit. Im Fall
der MR-Flüssigkeiten ist µPartikel >> µMatrix und K somit positiv.
Abbildung 2: Partikelwechselwirkung bei induzierten Dipolmomenten mit (a) vertikaler und (b)
horizontaler Anordnung
2 Magnetorheologische Materialien
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Bei der Modellvorstellung der Verzerrung des Magnetfeldes kommt es zu einer
Verstärkung des Magnetfeldes in Polnähe der Partikel und zu einer Abschwächung
am Äquator für K > 0. Dieser Effekt kehrt sich für K < 0 um. Die
Partikelwechselwirkungen sind im Fall dieses Modells also in ihrer Wirkung identisch
mit der der Dipol-Dipol-Wechselwirkung. Von Jolly et al. wurde ein Modell vorgestellt,
das von dieser Wechselwirkung ausgeht und eine Verteilung der magnetischen
Flussdichte innerhalb der einzelnen Teilchen berücksichtigt [13].
Unter Einfluss des magnetischen Feldes bilden die magnetisierbaren Partikel das
magnetische Dipolmoment m aus. Abbildung 3 zeigt zwei Partikel einer Kette mit
einem Dipolmoment m, die entlang der Feldlinien eines äußeren Magnetfeldes B
ausgerichtet sind. Diese stark vereinfachte Darstellung wird im Folgenden benutzt,
um die Einflussfaktoren auf den magnetorheologischen Effekt aufzuzeigen. Das
Modell ermöglicht keine exakten, quantitativen Aussagen über die Höhe des
Effektes, da den Multipolwechselwirkungen aufgrund der Komplexität der
Beschreibung keine Rechnung getragen werden kann. Dieses Modell ist jedoch gut
geeignet, um qualitative Aussagen über die Einflussfaktoren auf den
magnetorheologischen Effekt zu treffen.
Abbildung 3:Magnetische Wechselwirkung zwischen zwei um ∆x zueinander gescherte Partikel mit
dem Dipolmoment m
Die magnetische Wechselwirkungsenergie E12 zweier Dipole gleicher Stärke ist [24]
2 Magnetorheologische Materialien
- 10 -
( ) 2/322022
22
124
)31(
xhxh
hmE
M
d
∆+∆+
−=
µπµ (2.5),
wobei µ0 die magnetische Feldkonstante ist und die Partikel mit vertikalem Abstand h
horizontal um ∆x zueinander verschoben sind. Durch Einführung der Scherung
hx∆
=γ (2.6)
folgt aus (2.5)
( ) 2/523022
1214)2(
+
−=
γµπµγ
hmEM
d (2.7).
Unter der Annahme, dass die Partikel in langen Ketten angeordnet sind, wobei nur
die Wechselwirkung benachbarter Teilchen berücksichtigt wird (Multipolwechsel-
wirkungen werden nicht berücksichtigt), kann die Energiedichte UD einer gescherten
Kette durch Multiplikation der Wechselwirkungsenergie (Gleichung 2.7) mit der
Anzahl der Teilchen und Division durch das Volumen wie folgt bestimmt werden:
( ) 2/5230222
123)2(
+
−=
γµµπφγ
hdmU
PM
dD (2.8).
Hier ist φ der Volumenbruch der Partikel in der Flüssigkeit und dP der
Teilchendurchmesser. Die durch das Anlegen eines Magnetfeldes induzierte
Schubspannung τ ergibt sich aus der Ableitung der Wechselwirkungsenergiedichte
UD nach der Scherung γ [13]
( ) 2/72330222
129)4(+
−=
∂∂
=γµµπ
φγγγ
τhd
mU
PM
dD (2.9).
Mit der mittleren Partikelpolarisation
P
dP V
mJ = (2.10),
die sich aus dem Quotienten des magnetischen Moments und dem Partikelvolumen
berechnet, ergibt sich:
( ) 2/72302322
18)4(+
−=
γµµγγτ
hJdm
M
PPd (2.11).
Daraus wird deutlich, dass die Schubspannung von der Polarisation der dispergierten
Teilchen abhängig ist. Ausgehend von den Polen der Partikel bilden sich Bereiche
magnetischer Sättigung. Geht man von einem teilgesättigtem Teilchen aus, so kann
2 Magnetorheologische Materialien
- 11 -
die mittlere Partikelpolarisation auf der Basis einer einfachen geometrischen
Überlegung berechnet werden. In Abbildung 4 ist dies zu sehen. Das Teilchen lässt
sich in den gesättigten Bereich, der hier dunkelgrau dargestellt ist, und den restlichen
teilgesättigten Bereich aufteilen. Vereinfacht ist die Sättigungsfront als Gerade mit
dem Abstand s vom Mittelpunkt des Partikels mit einem Radius rP dargestellt [13].
Abbildung 4: Sättigungsmodel der Partikel
Somit ist die mittlere Polarisation JP eines Partikels
( ) ( ) ⎟⎟⎠
⎞⎜⎜⎝
⎛−+−= ∫∫
Pr
sPs
s
Px
P
P dxxrJdxxrJr
J 220
22
3
32
1 πππ
(2.12).
JS ist die Sättigungspolarisation der Partikel und Jx die magnetische
Polarisationsdichte im Abstand x des Partikelmittelpunktes im magnetisch
ungesättigten Bereich. Diese kann als
sP
Px Bxr
srJ 2222
−−
= (2.13)
dargestellt werden.
Um die Abhängigkeit der mittleren Polarisationsdichte der Partikel JP in Abhängigkeit
der magnetischen Flussdichte B darzustellen, kann vereinfachend
HJB SS 0µ+≈ (2.14)
angenommen werden, da der magnetische Widerstand im ungesättigten Bereich der
Teilchen vernachlässigbar gegenüber dem im gesättigten Teil ist. Damit ergibt sich
2 Magnetorheologische Materialien
- 12 -
für die mittlere Polarisationsdichte in Abhängigkeit der Flussdichte mit dem
Sättigungsmaß P
s rs
=α [13]
3
33
321
)1(23
s
Sss
P
JBJ
φα
αα
+
−−= (2.15).
Aus (2.11) und (2.15) wird deutlich, dass zwischen τ und B ein quadratischer
Zusammenhang besteht, also τ ∼ B2. Zu erkennen ist weiterhin, dass dieser
Zusammenhang durch die Sättigungspolarisationsdichte Js der Partikel limitiert wird.
Diese Beschreibung kann (verglichen mit den tatsächlichen Messungen der
rheologischen Eigenschaften) allerdings nur einen qualitativen Verlauf wiedergeben.
Das Modell der Kettenbildung in Flüssigkeiten, wie in Abbildung 5 gezeigt, kann
damit allerdings auch erklärt werden.
Abbildung 5: Modellvorstellung zur Strukturbildung in magnetorheologischen Flüssigkeiten:
(a) Kettenreste haften an der Poloberfläche wobei sich eine Gleitzone bildet [26]; (b) Kurzketten füllen
den Raum zwischen den Polen [27]; (c) Bildung von säulenartigen Strukturen in einer MR-Flüssigkeit
2 Magnetorheologische Materialien
- 13 -
Aus Gleichung (2.7) ist ersichtlich, dass es energetisch vorteilhaft ist, wenn die
Partikel möglichst eng aneinander gruppiert sind. Diese Ordnung erfolgt bei den
Flüssigkeiten bei Anlegen des Magnetfeldes im Betrieb und muss bei den MRE
während des Vulkanisierens erfolgen, da dies nach Aushärten der Matrix nicht mehr
möglich ist. Die Anordnung der Partikel erfolgt durch die Anziehung von Nord- und
Südpol zweier Partikel, wie schon in Abbildung 2 gezeigt wurde. Aus diesen Gründen
folgt eine Ordnung der Partikel zu kettenartigen Aggregaten. Diese sind idealerweise
als fadenartige Strukturen, in der Realität allerdings als Partikelsäulen ausgebildet,
wie in Abbildung 5 (c) schematisch zu sehen ist. Bei hohen Volumenanteilen des
Feststoffs sind sogar labyrinthartige Strukturen zu beobachten [20]. Werden diese
Strukturen belastet, kommt es zunächst zu einer elastischen Deformation. Bei MRF
geht diese Deformation bei weiterer Erhöhung der Kraft dann in Fließen über, da die
Aggregate auseinander brechen. Diese Grenzkraft kann als Fließgrenze τY
interpretiert werden.
Für die fließende Suspension existieren im Wesentlichen zwei Modellvorstellungen,
die auf der einen Seite davon ausgehen, dass die Kettenreste an der Poloberfläche
haften und sich eine Gleitzone ausbildet, wie in Abbildung 5 (a) zu sehen ist.
Abbildung 5 (b) zeigt die alternative Vorstellung, dass sich Kurzketten frei in der
Flüssigkeit bewegen und so die Viskosität erhöhen. Vieles spricht dafür, dass die Art
der Strukturbildung von der Belastungsgeschwindigkeit abhängt. So sind bei
geringen Scherraten und bei stationären Messungen lange Ketten zwischen den
Polen zu beobachten, während bei hinreichend hohen Scherraten nur Kettenreste zu
finden sind oder die Struktur fast vollständig aufgelöst ist [28]. Dieses Phänomen
kann durch die langsame Partikelbewegung der magnetischen Teilchen durch die
Flüssigkeitsmatrix erklärt werden, die zum Aufbau der Kettenstrukturen notwendig ist.
Da sich trotzdem eine Erhöhung des Fließwiderstands auch bei hohen Scherraten
einstellt und auch schon nach wenigen Millisekunden zu messen ist, müssen die
Gründe auch noch andere Ursachen haben [29]. Dies kann mit der Einschränkung
der Partikel- oder Kettenrotation erklärt werden [30]. In Abbildung 6 ist dies
exemplarisch an einer einzelnen Partikelkette zu sehen. Eine Scherung bewirkt eine
Kettenrotation mit der zugehörigen Vortizität oder Wirbelstärke aufgrund der viskosen
Reibung der Matrixflüssigkeit (Abbildung 6 (a)). Wird ein Magnetfeld B angelegt,
richtet sich, wie bereits in Abbildung 2 gezeigt, die Partikelpolarisation und daraus
resultierend die Kettenstruktur entlang der Feldrichtung aus.
2 Magnetorheologische Materialien
- 14 -
Abbildung 6: Behinderung der Partikelrotation durch das magnetische Feld: (a) schematische
Darstellung der Partikelrotation mit der Wirbelstärke bei einer einfachen Scherung zwischen zwei
Platten; (b) Wirbelstärke steht parallel zur Feldrichtung, keine Behinderung der Fluidrotation; (c)
Wirbelstärke steht senkrecht zur Feldrichtung, maximale Behinderung der Fluidrotation
Wenn die Wirbelstärke, wie in Abbildung 6 (b) gezeigt, parallel zur Feldrichtung steht,
tritt keine Beeinflussung der Kettenrotation auf. In Abbildung 6 (c) steht die
Wirbelstärke senkrecht zu der Magnetfeldrichtung. Hier kommt es durch die viskosen
Kräfte zu einem Moment, das die Kettenausrichtung gegen das induzierte und in
seiner Richtung feste magnetische Moment verändert. Es entsteht ein magnetisches
Drehmoment, das die freie Kettenrotation in der Strömung verhindert. Bei einzelnen
Partikeln kann dieser Effekt auch auftreten, wobei er jedoch stark von der Néelschen
Relaxationszeit abhängt, also von der Zeit, die für die Umorientierung eines
magnetischen Moments in einem Partikel benötigt wird. Diese liegt für die
weichmagnetischen Partikel in einem Bereich von 10-7 Sekunden [31]. Bei
hartmagnetischen Partikeln wäre diese Zeit zwar durchaus von technischer
Bedeutung, durch die Hysterese der Magnetisierung und die damit verbundenen
Probleme der Reproduzierbarkeit der Fließeigenschaften als Funktion des
Magnetfeldes existiert für Suspensionen dieser Teilchen jedoch kaum ein
technisches Interesse.
Die Einschränkung der Rotation der Partikelketten in Abhängigkeit der Richtung des
magnetischen Flusses bewirkt ein anisotropes Verhalten der MR-Flüssigkeiten, das
eine Modellbildung erschwert. Der maximale Strömungswiderstand wird erreicht,
wenn die Aggregate transversal zur Strömungsrichtung stehen [32].
2 Magnetorheologische Materialien
- 15 -
Die beschriebenen Eigenschaften der magnetorheologischen Flüssigkeiten lässt
verschiedene Wirkprinzipien von MRF-Energiewandlern zu, die nach der Art der
Krafteinwirkung auf die Flüssigkeit differenziert werden können. In Abbildung 7 sind
diese Belastungsarten schematisch dargestellt.
Abbildung 7: Schematische Darstellung der Belastungsarten bei MRFs: (a) Schermodus; (b)
Ventilmodus; (c) Quetschmodus
Im Schermodus befindet sich die Flüssigkeit zwischen zwei gegeneinander
gescherten Flächen und wird, wie in Abbildung 7 (a) zu sehen ist, belastet, indem die
obere Fläche mit der Kraft F und der Geschwindigkeit u geschert wird. Das
Magnetfeld B wird dabei transversal angelegt. Bei der Ventilanordnung (b) fließt das
MRF in einem Kanal, wobei ebenfalls ein Magnetfeld transversal angelegt wird. Der
benötigte Druck p korrespondiert hier mit dem Volumenstrom V& . In (c) ist der
Quetschmodus abgebildet, bei dem die Flüssigkeit zwischen den beiden Platten
gequetscht wird, die mit der Geschwindigkeit u bewegt werden. Die resultierende
Normalkraft F wird so über das Magnetfeld B gesteuert [33]. Die Belastungsarten der
MR-Elastomere unterscheiden sich etwas von den MRFs. Da die MREs stets im Pre-
Yield-Regime arbeiten, kommen für den Einsatz meist nur oszillatorische
Belastungen in Frage. Abbildung 8 zeigt diese Verwendung von MR-Elastomeren im
(a) Schermodus und (b) im Dehn- bzw. Quetschmodus.
Abbildung 8: Belastungsarten bei magnetorheologischen Elastomeren: (a) Schermodus; (b)
Dehnmodus
.
2 Magnetorheologische Materialien
- 16 -
2.3 Magnetorheologische Flüssigkeiten
2.3.1 Grundlagen, Anforderungen und Zusammensetzung
Grundlagen
Magnetorheologische Flüssigkeiten sind Suspensionen aus magnetisierbaren
Teilchen und einer nichtmagnetischen Basisflüssigkeit. Bedeutung für die technische
Anwendung bekommen diese Flüssigkeiten vor allem dadurch, dass sie ihre
rheologischen Eigenschaften in Abhängigkeit des magnetischen Feldes ändern
können. So nimmt der Fließwiderstand deutlich mit wachsender magnetischer
Flussdichte zu. Diese Erhöhung tritt innerhalb von Millisekunden auf und wurde als
magnetorheologischer Effekt erstmals Ende der 40er Jahre des 20. Jahrhundert von
Rabinow und Winslow beschrieben [2][3]. Der Prozess ist bis zu einer maximalen
Grenze stufenlos steuerbar und vollständig reversibel. MRFs müssen von den
Ferrofluiden differenziert werden, die zwar auch aus ferromagnetischen Teilchen
bestehen, jedoch unter dem Einfluss eines Magnetfeldes nur eine geringe
Viskositätszunahme zeigen. Die magnetisierbaren Partikel der MRF bilden im
Magnetfeld Dipole, die sich entlang der Feldlinien zu kettenförmigen Strukturen
ausrichten[35][36].
Anforderungen
Um magnetorheologische Flüssigkeiten sinnvoll einsetzen zu können, müssen diese
verschiedene Anforderungen erfüllen. Der Hauptaspekt ist hier ein hoher,
reproduzierbarer relativer Effekt. Weiterhin müssen die Flüssigkeiten über einen
hohen Temperaturbereich einsetzbar sein, dürfen kaum abrasiv sein und müssen
gute Schmiereigenschaften aufweisen. Die Langzeitstabilität ist ein weiterer wichtiger
Gesichtspunkt, so müssen die Flüssigkeiten möglichst sedimentationsstabil sein und
es muss eine gute Redispergierbarkeit gewährleistet sein. Bei einem Einsatz in der
Automobilindustrie spielen auch noch Punkte wie die Entsorgung und die
ökologische Unbedenklichkeit eine Rolle. Nicht alle Punkte sind bei jeder Anwendung
2 Magnetorheologische Materialien
- 17 -
von Bedeutung. Daher ist es oft notwendig die MR-Flüssigkeiten auf die Anwendung
abzustimmen [37].
Zusammensetzung
MRF bestehen im Wesentlichen aus drei Komponenten: der Flüssigkeitsmatrix, den
dispergierten, ferromagnetischen Partikeln und einem Stabilisator. Die
Basisflüssigkeit oder Matrix dieser Suspensionen ist zumeist Mineral- oder Silikonöl,
dessen Dichte im Bereich von 3-4 [kg/m³] liegt [38]. Für besondere Anwendungen
sind jedoch auch Flüssigkeiten auf Wasserbasis entwickelt und untersucht worden
[39]. Die Basisflüssigkeit sollte niederviskos sein und über einen großen
Temperaturbereich stabil sein. Der Viskositätsbereich der Basisflüssigkeit liegt in der
Regel in einem Bereich von 0,01 - 1,0 [Pas] bei 293 [K]. Maßgeblich für die
Leistungsfähigkeit der MR-Flüssigkeit ist die zweite Komponente, die Partikel. Die
verwendeten Feststoffe für MR-Fluide sind üblicherweise ferromagnetische,
sphärische Partikel, die in einer Volumenkonzentration von 20 - 40% eingesetzt
werden.
Die maximal übertragbare Schubspannung wird üblicherweise durch die
Sättigungsmagnetisierung der dispergierten Partikel bestimmt; daher ist es
vorteilhaft, Teilchen mit einer möglichst hohen Sättigungsmagnetisierung zu wählen.
Die tatsächliche Stärke des MR-Fluids korreliert direkt mit dem Quadrat der
Sättigungsmagnetisierung [13][40][41]. Reineisen hat die höchste Sättigung der
bekannten Elemente, die bei etwa 2,1 [T] liegt. Daneben gibt es aber auch noch Fe-
Co-Legierungen, die einen Wert von bis zu 2,4 [T] aufweisen[42][43]. Messungen
haben den Vorteil dieser Materialien gegenüber Reineisenpartikeln gezeigt [44].
Diese Legierungen sind jedoch verhältnismäßig teuer und so werden für MR-
Flüssigkeiten meist Eisencarbonylteilchen eingesetzt, die als thermisches
Zersetzungsprodukt aus Fe(CO)5 gewonnen werden [45]. Wichtig, um einen
reproduzierbaren Effekt zu erzielen, ist auch die geringere Koerzivität der Partikel.
Die Partikelgröße liegt typischerweise zwischen 2-5 [µm]. Es sind aber sowohl
Flüssigkeiten mit kleineren Partikeln bis hin zum Nanometerbereich als auch mit
größeren Partikeln (
2 Magnetorheologische Materialien
- 18 -
Diese weisen jedoch eine deutlich geringere magnetische Sättigung auf. Ein weiterer
Nachteil ist die hohe Basisviskosität dieser Suspensionen aufgrund der hohen
spezifischen Oberfläche des Feststoffs [46]. Die Flüssigkeiten mit größeren Partikeln
eignen sich lediglich für spezielle Anwendungen, werden die Nachteile der deutlich
schnelleren Sedimentation und der erhöhten Abrasivität nicht durch die einfachere
Dispergierbarkeit kompensiert. Es hat sich gezeigt, dass sich die Leistungsfähigkeit
der Flüssigkeiten durch eine geeignete Korngrößenverteilung der magnetischen
Partikel positiv beeinflussen lässt [47][48].
Um die Partikel fein dispergiert zu halten, ist die dritte Komponente der MR-
Flüssigkeiten, der Stabilisator, notwendig. Dabei muss zwischen zwei Mechanismen
unterschieden werden. Zum einen muss das Agglomerieren der Partikel
untereinander und zum anderen das Sedimentieren der Partikel in der
Flüssigkeitsmatrix verhindert werden. Die Art des Stabilisators richtet sich nach der
Konzentration der verteilten Partikel. Für niederkonzentrierte MR-Suspensionen kann
ein gelformendes Additiv eingesetzt werden, das eine schützende kolloidale Struktur
in der Flüssigkeit ausbildet. In diese Struktur sollen die Partikel eingebettet sein, so
dass Agglomeration und Sedimentation verhindert werden. Bei Belastung soll sich
diese Struktur echt thixotrop verhalten. Als Beispiel für ein solches strukturbildendes
Additiv ist Silikagelstaub zu nennen, der durch seine hohe spezifische Oberfläche die
aktiven Partikel adsorbiert. Auch Co-γ-Fe2O3- und CrO2-Partikel werden als
stabilisierendes Additiv eingesetzt. Höher konzentrierte MR-Suspensionen werden
durch Beschichten der Partikel stabilisiert. Dieser Überzug ist durch ionische Bindung
an diese Oberfläche der Partikel adsorbiert und verhindert so durch Abstoßen die
Agglomeration. Durch geeignete Wahl der Beschichtung und der Flüssigkeitsmatrix
verhindert diese ebenfalls durch ionische Anziehung ein Absinken der Partikel. Für
diese Oberflächenbeschichtung werden Oleinsäure, metallische und alkalische
Seifen, Sulfonate, phosphatische Ester oder Stearinsäure benutzt [38][49][50].
Entscheidend ist auch bei der Auswahl der Beschichtung, dass keine chemischen
Wechselwirkungen mit der Matrixflüssigkeit auftreten.
2 Magnetorheologische Materialien
- 19 -
2.3.2 Verwendete Flüssigkeit
Für die Messungen wurde die kommerzielle Flüssigkeit MRF 132AD der Firma Lord
Cooperation, Cary NC benutzt. Die Flüssigkeit basiert auf einer Mineralölmatrix und
zeichnet sich durch eine schnelle Ansprechzeit, einen hohen relativen Effekt, einen
breiten Temperaturbereich, eine geringe Sedimentationsneigung und eine einfache
Redispergierbarkeit aus. Als aktive Partikel sind Eisencarbonylteilchen enthalten. Die
Flüssigkeit ist durch Additive sedimentationsstabilisiert, wobei genaue Einzelheiten
über die Zusammensetzung aufgrund von Sicherheitsbestimmungen nicht bekannt
sind. Für die Arbeit hat es sich als sinnvoll erwiesen, eine kommerzielle Flüssigkeit,
die den Stand der Technik darstellt, zu verwenden, da das Flüssigkeitsverhalten vor
allem in Hinblick auf die Verwendbarkeit in Aktoren beschrieben werden sollte und es
nicht das Ziel war eine Verbesserung der Flüssigkeit vorzunehmen. Die
physikalischen Eigenschaften der Flüssigkeit sind in Tabelle 1 zusammengefasst
[51].
Flüssigkeitsmatrix Mineralöl
Temperaturbereich -40°C - 130°C
ρ 3,09
Feststoffgewichtsanteil 81,64%
Wärmeausdehnungskoeffizient [Volumeneinheit pro °C]
0 - 50 °C 0,55 x 10 -3
50 - 100 °C 0,66 x 10 -3
100 - 150 °C 0,67 x 10 -3
Wärmekapazität 0,8 [J/kgK]
Flammpunkt >>150°C
Tabelle 1: Physikalische Eigenschaften der MRF 132 AD [51]
2 Magnetorheologische Materialien
- 20 -
2.3.3 Rheologische Beschreibung
Das rheologische Verhalten von MR-Fluiden kann durch einfache rheologische
Modelle beschrieben werden [13][46][52]. Diese Modelle werden dem anisotropen
Verhalten der Flüssigkeiten zwar nicht gerecht, aber sie sollen im Folgenden
verwendet werden, um das Flüssigkeitsverhalten mit einem kommerziellen CFD
Programm zu simulieren [32].
Hier wird das Herschel-Bulkley-Modell vorgestellt, das ein verallgemeinertes
Bingham Modell darstellt. Bei diesem Modell geht man von der Ausbildung einer
Fließgrenze Yτ aus. Diese beschreibt die Belastungsgrenze unterhalb der sich die
Flüssigkeit wie ein Festkörper verhält und bei Überschreiten zu fließen beginnt. Das
Ausbilden der Fließgrenze lässt sich durch das Aufbrechen der Mikrostrukturen
erklären, deren Entstehen bereits in 2.1. erläutert wurde. Die Fließgrenze erscheint
im modifizierten Modell also als eine Funktion der magnetischen Flussdichte, wie aus
(2.11) und (2.15) folgt.
Aus dem allgemeinen Herschel-Bulkley-Modell folgt somit für Yττ > :
nmBY γττ &+= )( (2.16)
1)(),( −+= nmBB Y γγ
τγη &&
& (2.17).
Dabei ist m der Konsistenzfaktor und n der Fließexponent. Die hier beschriebene
Fließgrenze Yτ soll den Übergang zwischen dem elastoviskosen Festkörperverhalten
zu dem viskoelastischen Flüssigkeitsverhalten darstellen, wobei das elastische
Verhalten durch 0=γ& für Yττ < charakterisiert ist [53].
2 Magnetorheologische Materialien
- 21 -
2.4 Magnetorheologische Elastomere
2.4.1 Grundlagen, Anforderungen und Zusammensetzung
Grundlagen
Elastomer ist der Sammelbegriff für alle gummiartigen Werkstoffe, i.e. Naturgummi
und Kunstgummi. Diese polymeren Werkstoffe sind organisch, hochmolekular und
werden überwiegend synthetisch hergestellt. Kennzeichnend für das Polymer ist die
Herstellung aus Monomeren durch deren Vernetzung. Maßgebend für die elastischen
Eigenschaften ist die Anzahl der Vernetzungsknoten, die sich durch die
Randbedingungen der Polymerisation gut einstellen lässt. Somit lässt sich das
elastische Verhalten dieser Werkstoffe gezielt verändern [54].
Daher werden Elastomere schon seit langem zur Schwingungs- und
Lärmunterdrückung eingesetzt, bei denen zyklische Deformationen bei einer
bestimmten Frequenz oder einer Bandbreite von Frequenzen auftreten. Beispiele
sind hier Maschinenaufhängungen, Fundamentfedern oder Bindeglieder elastischer
Kupplungen. Die dynamisch-mechanischen Eigenschaften dieser Elastomere sind
dabei stark von der Belastungsart, also der Frequenz und der Deformation, sowie der
Temperatur und der Zusammensetzung abhängig [55].
Auf der Basis des Konzeptes der MR-Flüssigkeiten ist erst vor einigen Jahren die
Idee entstanden, den MR-Effekt auch bei Elastomeren auszunutzen. Diese
Materialien bestehen aus einer Elastomermatrix, in der die aktiven Partikel fest
eingebettet worden sind. Sie werden analog zu den Suspensionen
magnetorheologische Elastomere (MREs) genannt. Verbessert werden kann dieser
Effekt durch die Ausrichtung der Partikel. Durch Anlegen eines magnetischen Feldes
bei der Aushärtung lassen sich die Materialeigenschaften gezielt auf die Anwendung
abstimmen. Der Effekt, der sich hier steuern lässt, ist die interpartikuläre Anziehung,
die bei einer Deformation des Materials überwunden werden muss und somit ein
verändertes Elastizitätsmodul resultieren lässt [56].
2 Magnetorheologische Materialien
- 22 -
Anforderungen
Die Hauptanforderung an das MRE ist, wie bei den MRFs, ein hoher
reproduzierbarer relativer Effekt. Eine weitere Anforderung an das Material ist die
Dauerfestigkeit. Alle Elastomere zeigen sich empfindlich gegenüber Temperatur,
Alterung durch Degradation und extreme mechanische Belastung. Die
Dauerfestigkeit ist der Widerstand des Materials gegenüber jeglicher Veränderung
der mechanischen und dynamischen Eigenschaften während des Betriebes. Das
Material kann nur sinnvoll eingesetzt werden, wenn eine gewisse Lebensdauer ohne
deutliche Veränderung gewährleistet ist [57]. Die wichtigsten Anforderungen sind in
Tabelle 2 zusammengestellt [59].
Konstruktive Anforderungen Verarbeitungseigenschaften
Mechanische Eigenschaften Rheologische Eigenschaften
Härte, Schubmodul, Druckmodul Vernetzungseigenschaften
Bruchverhalten Lagerungseigenschaften
Weiterreißwiderstand
Kälteverhalten Zusatzanforderungen
Abrieb Witterungs-, Ozon- und UV- Beständigkeit
Gleitverhalten Temperaturbeständigkeit
Dynamische Eigenschaften Brandverhalten
Wärmeentwicklung Kontaktverhalten
Dämpfung Elektrische Eigenschaften
dynamisches Risswachstum
hoher relativer MR-Effekt
Tabelle 2: Grundanforderungen an MR-Elastomere
Zusammensetzung
MREs bestehen aus einer Elastomermatrix, in die weichmagnetische Partikel
eingebunden sind. Die verwendeten magnetischen Substanzen sind üblicherweise
mit denen der MRFs identisch. Es werden meist Eisencarbonylteilchen eingesetzt,
denen, wie oben bereits beschrieben, die Vorteile der hohen
Sättigungsmagnetisierung und der weichmagnetischen Eigenschaften inhärent sind.
Die hohe Sättigungsmagnetisierung hat einen hohen relativen MR-Effekt zur Folge
2 Magnetorheologische Materialien
- 23 -
und die weichmagnetischen Eigenschaften stellen eine einfache Regelung sicher, da
bei der Magnetisierung keine Hysterese auftritt. Die Partikelgröße der benutzten
Teilchen liegt in einem Bereich von 1 nm bis 50 µm. Die Volumenkonzentration liegt
bei bis zu 30% [13][40][41][60].
Die elastische Matrix, in der die magnetischen Partikel eingebunden sind, ist ein
Elastomer, das sich dadurch kennzeichnet, dass es ein bis zur
Zersetzungstemperatur vernetzter Polymerwerkstoff ist. Die Polymere werden aus
Monomeren gebildet, die dann durch die so genannte Vulkanisation oder das
Aushärten chemisch zu einem Netzwerk verbunden werden, wobei das Material in
einen hochelastischen Zustand übergeht. Das Netzwerk hat einen weitmaschigen
Charakter, das die Kettensegmente zwischen den Vernetzungsstellen noch sehr
beweglich hält. Um die mechanischen Eigenschaften auf die Anforderungen
anzupassen, werden den Elastomeren verschiedene Zusätze beigemischt. Auf der
einen Seite sind dies chemische Zusatzstoffe, wie Weichmacher und Vernetzer, und
auf der anderen Seite Füllstoffe. Hierbei unterscheidet man zwischen aktiven und
inaktiven Füllstoffen. Aktive Füllstoffe wie z.B. Ruß sollen die mechanischen
Eigenschaften verbessern, während inaktive Füllstoffe als Volumenextender
eingesetzt werden, wodurch die Kosten gesenkt werden können [57].
2 Magnetorheologische Materialien
- 24 -
2.4.2 Verwendete MR-Elastomere
Das verwendete MRE wurde auf der Basis eines gängigen kommerziellen Gummis,
des EPDM (Ethylen Propylen Diene Elastomer), aufgebaut, das aus Ethylen,
Propylen und einem Termonomer polymerisiert wird. Der Polymerisations-
mechanismus ist in Abbildung 9 dargestellt [59].
CH2 CH2 CHH2C
CH3
CH2
CH CH3
CH2H2C CH
H2C
CH3
*H2C
*
x y z n
CH CH3
+ +
Abbildung 9: Polymerisation von EPDM aus Ethylen Propylen und Termonomer
Die Polymere werden mit Schwefel vulkanisiert, wobei hier meist
Beschleunigersysteme verwendet werden, bei deren Einsatz die Vulkanisationsdauer
von einigen Stunden auf bis unter eine halbe Stunde reduziert werden. Diese
Reaktion ist recht komplex und der Einfachheit wegen in Abbildung 10 schematisch
als reine Schwefelvulkanisierung dargestellt. Die Struktur der Produkte variiert,
darauf wird hier jedoch nicht näher eingegangen.
H2C
CH CH3
RR
2S8
H2C
CH CH2
RRH2C
CHCH2
RR
Sn
Abbildung 10: Vereinfachte Darstellung der EPDM Vulkanisation
EPDM-Gummis sind zufällige amorphe Terpolymere, bei denen eine geringe Menge
an nichtkonjugierten Dienen der Flexibilität und der einfachen Vulkanisation dient.
Die typischerweise gesättigte Struktur der Hauptketten macht die Elastomere
gegenüber Witterung und Ozon beständig. Auch zeigt sich das Material ohne
besondere Zusatzstoffe bis 100°C hitzebeständig. Als Kohlenwasserstoff-Polymer
besitzt EPDM eine hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber polaren Flüssigkeiten, eine
gute Tieftemperaturflexibilität und sehr gute elektrisch isolierende Eigenschaften.
2 Magnetorheologische Materialien
- 25 -
In Tabelle 3 ist eine typische EPDM-Zusammensetzung zu sehen, bei der
Eisenteilchen dispergiert sind. Die Einheit [phr] beschreibt Gewichtsanteile pro 100
Gewichtsanteile Gummi (parts by weight per 100 parts by weight of rubber). Die
Funktion der Inhaltsstoffe ist auf der rechten Seite der Tabelle angegeben. In den
Mischungen wurde als Kautschukbasis EPDM (Buna EP g 5450) verwendet und mit
einem Weichmacher (Sunpar) fließfähig gemacht. Zur Vulkanisation wurde ein
praxisrelevantes Schwefelsystem verwendet, das eine gewisse Zeit zur
Partikelausrichtung zulässt.
Inhaltstoff [phr] Funktion
EPDM (Buna EPG 5450) 100 Polymer
Ruß (N 550) 30 festigender Füllstoff
Sunpar 2280 50 Weichmacher
Eisenpartikel 400 MR-Effekt
ZnO RS 5 Vernetzer
Stearinsäure 1 Vernetzer
Schwefel 1,4 Vernetzer
Rhenogran ZBEC-70 1,5 Beschleuniger
Geniplex 80 0,6 Beschleuniger
MBT 0,6 Beschleuniger
CBS 0,6 Beschleuniger
Tabelle 3: Eine typische Ethylen-Propylen Diene Monomer (EPDM) Formulierung mit Eisenpartikeln
Als aktive Substanz wurden Carbonyleisenpartikel der Firma BASF eingebracht, die
in verschiedenen Korngrößenverteilungen erhältlich sind. Die Korngröße variiert
dabei in einem Bereich von 1 - 30 µm. Die Eisenpartikel werden durch den
Eisenpentacarbonylprozess hergestellt. Dabei wird destillativ aufgereinigtes
Eisenpentacarbonyl (Fe(CO)5) thermisch zersetzt. Im Verlauf dieses
Zersetzungsprozesses bilden sich auf Kristallisationskeimen sphärische Teilchen,
wobei gleichzeitig die charakteristische Schalenstruktur aufgebaut wird. Dabei
bestimmen die Zersetzungsbedingungen die wichtigsten Eigenschaften wie z.B. die
Korngrößenverteilung. Die Partikel zeichnen sich durch eine hohe chemische
Reinheit aus; Sie sind sphärisch und porenfrei. Für die späteren
Materialeigenschaften wie den relativen Effekt ist die Korngrößenverteilung der
dispergierten Partikel von großer Bedeutung. So lässt sich ein höherer MR-Effekt bei
2 Magnetorheologische Materialien
- 26 -
größeren Teilchen erwarten. Die Dauerfestigkeit des Elastomers wird jedoch durch
den Einsatz größerer Partikel sinken. Dies ist in Abbildung 11 zu sehen. Hier wurden
Lebensdauertests an EPDM-Mischungen mit dispergierten Partikeln verschiedener
mittlerer Korngröße durchgeführt, wobei sich gezeigt hat, dass größere Teilchen zu
einer deutlichen Lebensdauererniedrigung durch die verstärkte Rissbildung führen
[58].
2,0
2,1
2,1
2,2
2,2
2,3
2,3
100 1000 10000 100000 1000000
Lebensdauer in Zyklenzahl
Max
imal
e D
efor
mat
inon
[%]
EPDM
EPDM mit Glaskugeln 203µm
EPDM mit Glaskugeln 71µm
Abbildung 11: Lebensdauertest von gefüllten EPDM-Systemen in Abhängigkeit der Deformation bei
Variation der Partikelgröße der dispergierten Glaskugel [58]
2 Magnetorheologische Materialien
- 27 -
Untersuchungen haben gezeigt, dass eine Ausrichtung der magnetischen Teilchen
während der Vulkanisation nötig ist, um einen MR-Effekt zu erzielen. Zu diesem
Zweck wurde ein Elektromagnet aufgebaut, der das Anlegen eines transversalen
Magnetfeldes während der Aushärtung der Elastomere unter Druck ermöglicht.
(a) (b)
B
Presse
F
FElastomer
Magnetfluss
Spule
Abbildung 12: Vulkanisierungseinrichtung für die MRE Proben Herstellung mit transversalem
Magnetfluss: (a) Aufbau (b) schematische Darstellung des Aufbaus
In Abbildung 12 (b) ist der Aufbau schematisch dargestellt. Die Kautschukmischung
befindet sich zwischen zwei Polen eines Elektromagneten, der aus der Spule und
dem Magnetfluss besteht, der ein vertikales Magnetfeld erzeugt. Die Presse erfüllt in
dem Aufbau zwei Aufgaben. Zum einen wird die Probe durch die eingebauten
Heizplatten erhitzt und zum anderen wird der Kautschuk, der sich in einer Form
befindet, verpresst. Das Verpressen ist notwendig, um ein Verdampfen der niedrig
siedenden Komponenten der Kautschukmischung zu verhindern. Durch das
Magnetfeld werden die Eisenteilchen in Richtung des Magnetfeldes in säulenartigen
Strukturen ausgerichtet.
2 Magnetorheologische Materialien
- 28 -
2.4.3 Rheologische Beschreibung
Um das Elastomer rheologisch zu beschreiben eignet sich am besten das Modell der
Viskoelastizität, bei dem die rheologischen Eigenschaften der Materialien zwischen
denen des idealen Festkörpers und dem idealviskosen Verhalten liegen.
Das elastische Verhalten wird über das Hook'sche Gesetz beschrieben:
γτ G= (2.18 a)
mit der Schubspannung τ, dem Elastizitätsmodul G und der Scherung γ. Das viskose
Verhalten kann mit dem Newtonschen Gesetz beschrieben werden
γητ &= (2.19 a).
Hier ist η die Viskosität und γ& die Scherrate. Alternativ kann der Hook'sche
Festkörper als
dxkF ⋅= (2.18 b)
und das Newtonsche Gesetz auch in der Form
⎟⎠⎞
⎜⎝⎛=
dtdxcF (2.19 b)
mit der Kraft F , der Deformation xd, der Federkonstante k und dem viskosen
Dämpfungskoeffizient c geschrieben werden. Die Beschreibung des Verhaltens von
Elastomeren kann über einfache Modelle wie das Kelvin-Voigt-Modell erfolgen. Die
bildliche Vorstellung dieses Modells entspricht der Parallelschaltung eines viskosen
Dämpferglieds und einer elastischen Feder. Für die MR-Elastomere ergibt sich eine
Abhängigkeit des viskosen Anteils und des Elastizitätsmoduls von der magnetischen
Flussdichte und es folgt somit:
γηγτ &)()( BBG += (2.20).
Die Gleichungen (2.18 a) bis (2.20) beschreiben allerdings nur das Verhalten bei
einer einfachen Scherung.
Das elastische Dehnungsverhalten kann analog zu der obigen Gleichung als
εσ YE= (2.21)
mit der Normalspannung σ , dem Young Modul (elastisches Dehnmodul) E und der
Dehnung ε beschrieben werden. Folglich ergibt (2.19a) für die Dehnung:
εησ &d= (2.22)
2 Magnetorheologische Materialien
- 29 -
Anisotropem Verhalten können diese einfachen Beschreibungen nicht gerecht
werden. Einfache Modelle zur Beschreibung eines gedämpften Feder-Masse-
Schwingers können damit jedoch befriedigt werden [53].
3 Rheologische Untersuchungen
- 30 -
3 Rheologische Untersuchungen
Für die Auslegung von MR-Aktoren ist eine rheologische Charakterisierung der
Materialien notwendig. Die Durchführung der Messungen und die dafür verwendeten
verschiedenen Messsysteme, die sich aus den zu bestimmenden
Materialeigenschaften ergaben, werden im Folgenden beschrieben.
3.1 Versuchsdurchführung
Um das Verhalten der magnetorheologischen Materialien zu charakterisieren,
wurden sowohl Messungen bei quasistationären Strömungsbedingungen, als auch
bei instationären Bedingungen durchgeführt. Die Stärke der Magnetfelder wurde
jedoch, falls dies nicht anders beschrieben wird, konstant gehalten.
3.1.1 Stationäre Messungen
Durch stationäre Messungen werden die Fließ- und Viskositätskurven bestimmt, die
das viskose Verhalten der Flüssigkeiten beschreiben. Durch diese Untersuchungen
können die Parameter von einfachen Flüssigkeitsmodellen, wie die des
beschriebenen Herschel-Bulkley Modells, ermittelt werden.
Zur Messung der Fließkurve wird die Scherrate variiert und die resultierende
Schubspannung gemessen, womit die entsprechende Viskosität berechnet werden
kann. Daraus lässt sich das Flüssigkeitsverhalten in einem begrenzten
Scherratenbereich erkennen, wobei die Messung nach oben durch die Instabilität der
Strömung und nach unten durch die Genauigkeit des Messgeräts begrenzt wird. Um
das komplexe Fließverhalten von MRFs vollständig zu beschreiben, ist die alleinige
Aufnahme der Fließkurve nicht geeignet, da vor allem Parameter wie die
Fließgrenze, die bei sehr kleinen Scherraten bestimmt wird, nicht exakt und
reproduzierbar dargestellt werden können.
Die Aufnahme von Fließkurven für MREs ist nicht sinnvoll, da diese nur im Pre-Yield-
Regime arbeiten. Die Fließkurven wurden durch Vorgabe der Schergeschwindigkeit,
3 Rheologische Untersuchungen
- 31 -
also im "controlled shear rate mode" oder CSR-Modus gemessen. Diese Methode ist
sinnvoll, wenn Fließgeschwindigkeiten simuliert werden sollen. Bei einem konstanten
Plattenabstand ph wurde die Motordrehzahl N und damit die
Rotationsgeschwindigkeit des Messkörpers variiert und dabei die nötige
Motorleistung und somit das Drehmoment M gemessen. Die Messungen der
Fließkurven wurden kontinuierlich durchgeführt, indem die Scherrate stetig
logarithmisch erhöht wurde. Die Messpunktdauer jedes Messpunktes bei einer
diskreten Scherrate ist dabei so gewählt, dass sich quasistationäre Bedingungen für
diesen Punkt einstellen.
3.1.2 Instationäre Messungen
Um die viskoelastischen Eigenschaften der MR-Materialien zu bestimmen, wurden
instationäre Messungen durchgeführt. Die dynamische Belastung von Materialien
durch eine schwingende Deformation oder eine schwingende Spannung ist eine
Standardmessmethode zur Bestimmung der rheologischen Eigenschaften. Im
Vergleich der stationären Scherung ist die oszillatorische Beanspruchung bei kleiner
Amplitude eine zerstörungsfreie Prüfmethode, da die Ruhestrukturen des Stoffes
kaum verändert werden. Die periodischen Signale lassen sich mit großer Genauigkeit
messen und nichtperiodische Störungen können leicht ausgeschaltet werden. Die
Auflösung des Rheometers wird so bei sehr kleinen Kräften und Deformationen
gegenüber den stationären Messungen optimiert.
Bei der oszillierenden Deformation wird das Material mit einer sinusförmigen
Scherung ( )tγ belastet. Die Amplitude der Schwingung beträgt 0γ und die
Kreisfrequenz ω mit fπω 2= , wobei f die Anregungsfrequenz ist.
( ) )sin(0 tt ωγγ ⋅= (3.2)
Somit ergibt sich für die Schergeschwindigkeit ( )tγ&
( ) )2
sin()cos( 00πωωγωωγγ +⋅=⋅= ttt& (3.3).
Zur Bestimmung der viskoelastischen Parameter der Materialprobe muss zwischen
dem small-amplitude-oscillatory-shear (SAOS) und dem large-amplitude-oscillatory-
shear (LAOS) unterschieden werden, bei dem die Deformationsamplitude im Fall der
3 Rheologische Untersuchungen
- 32 -
SAOS Messung innerhalb des linearviskoelastischen (LVE) Bereichs und bei der
LAOS Messung oberhalb des LVE liegt [61].
Lineare Viskoelastizität
Bei ausreichend geringer Deformationsamplitude, ist die Schubspannungsantwort
auf die oben beschriebene oszillierende Scherbeanspruchung ebenfalls sinusodial.
( ) )sin(0 δωττ +⋅= tt (3.4)
δ wird als der Verlustwinkel bezeichnet und 0τ als Schubspannungsamplitude. In
Abbildung 13 ist eine sinusodiale Deformations-vorgabe mit resultierender
phasenverschobener Schubspannungsantwort zu sehen.
Abbildung 13: Oszillatorische Messung im LVE Bereich - Schubspannungsantwort bei vorgegebener
Amplitude
Der elastische Anteil der linearen Eigenschaften wird als Speichermodul bezeichnet
δγτ cos'
0
0⎟⎟⎠
⎞⎜⎜⎝
⎛=G (3.5),
der viskose Anteil als Verlustmodul
δγτ sin''
0
0⎟⎟⎠
⎞⎜⎜⎝
⎛=G (3.6).
Bei kleinen Amplituden sind 'G und ''G von der Deformation 0γ unabhängig und nur
von ω abhängig [53]. Dies wird als linearviskoelastischer (LVE) Bereich bezeichnet.
Abbildung 14 zeigt einen typischen Amplituden-Sweep, bei dem die Grenze des
3 Rheologische Untersuchungen
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LVE-Bereichs durch das Abfallen von 'G und ''G zu sehen ist. Bei der Messung wird
bei konstanter Anregungsfrequenz ein Amplitudenbereich vermessen.
Abbildung 14: Amplituden-Sweep mit der Grenze des viskoelastischen Bereichs
Nichtlineare Viskoelastizität
Für die meisten viskoelastischen Stoffe ist die Schubspannungsantwort bei
Deformation oberhalb des LVE Bereichs nicht sinusodial. Beschreibungen mit 'G , ''G
und δ haben daher keine physikalische Bedeutung. In den letzten Jahren wurden
jedoch Messungen in dem nichtlinearen Gebiet, bei dem die Deformationsamplituden
oberhalb des LVE-Bereichs liegen, durchgeführt. Das Verhalten von
Polymerschmelzen, hochkonzentrierten Suspensionen und ER-Flüssigkeiten wurde
so bereits erfolgreich untersucht.
Eine wichtige Anwendung dieser Methode ist die Untersuchung der Fließgrenze
solcher Flüssigkeiten, die einen Übergang zwischen linearem und nichtlinearem
Verhalten darstellt. Dieses Übergangsverhalten ist jedoch noch nicht vollständig
untersucht worden [62][63][64].
Die Messungen, bei der die Oszillationsamplitude oberhalb des LVE-Bereichs
gewählt wird, werden, wie oben bereits erwähnt, als "large-amplitude-oscillatory-
shear" (LAOS) Messungen bezeichnet. In dem nichtlinearen Bereich ist die Theorie
der linearen Viskoelastizität nicht mehr gültig, da das Verhalten nicht durch eine
einfache Sinusschwingung beschrieben werden kann. Die Oszillationsmessung von
Oppanol, die in Abbildung 15 zu sehen ist, zeigt dies deutlich. Mit steigender
3 Rheologische Untersuchungen
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Deformationsamplitude ist eine zunehmende Verzerrung der idealen
Sinusschwingung der Schubspannungsantwort zu sehen.
Abbildung 15: Schubspannungsantwort der Oszillationsmessung von Oppanol für verschiedene
Deformationsamplituden
Wenn Materialien, die eine Fließgrenze zeigen, einer periodischen Scherung
ausgesetzt werden und die Fließgrenze dabei überschritten wird, kann in dem
Antwortsignal eine Verzerrung beobachtet werden. Die Form des periodischen
Messsignals ist typischerweise nicht symmetrisch [65].
Bei Betrachtung einer Messung unter LAOS-Bedingungen sieht man bei der
resultierenden Schubspannungsantwort, dass sich ein charakteristisches
periodisches Wellensignal ausbildet. Die Antwort kann demnach durch eine
Reihenentwicklung dargestellt werden, bei der die Terme höherer Ordnung mit
wachsender Amplitude an Bedeutung gewinnen. Dieses Signal kann mit Hilfe einer
Fourier Reihe der ungeraden Oberschwingungen dargestellt werden
( ) )sin(,1
mungeradem
m tmt δωττ +⋅= ∑∞
=
(3.7).
Die Amplituden mτ und die Phasenverschiebung mδ hängen sowohl von der
Deformationsamplitude, als auch von der Anregungsfrequenz ω ab.
3 Rheologische Untersuchungen
- 35 -
Im Allgemeinen ist die Fourier-Transformation eine invertierbare, lineare und
komplexe Umwandlung, deren Intervall nicht begrenzt ist. Ein wichtiges Merkmal der
Fourier-Transformation ist die Linearität:
)()()()( ωω bGaFtbgtaf FT +⎯→←+ (3.8)
Jede Überlagerung in der Zeitdomäne führt zu einer Überlagerung in der
Frequenzdomäne. Die Fourier-Analyse ist somit eine quantitative Beschreibung, bei
der periodische Schwingungsverläufe verglichen werden können [66].
Bei der Durchführung einer LAOS-Messung zeigt sich, dass für eine Flüssigkeit mit
schwindendem Gedächtnis nur die ungeraden Oberschwingungen existieren. Dies ist
in Abbildung 16 deutlich zu sehen. Hier wurde eine LAOS mit Oppanol durchgeführt
um das Messgerät zu überprüfen. Mit Zunahme der Deformationsamplitude ist eine
deutliche Vergrößerung der ungeraden Oberschwingungen zu sehen. Während bei
(a) nur die dritte Oberschwingung zu sehen ist, kann man bei (c) sehr deutlich
ebenfalls die fünfte Oberschwingung erkennen.
Abbildung 16: Auswertung der LAOS-Messung von Oppanol; Fourierspektrum der Rohdaten der
Schubspannungsantwort bei einer Deformationsamplitude 0γ von (a) 2 [-], (b) 4 [-] und (c) 8 [-] und
einer Anregungsfrequenz π
ω2
von 1 [Hz]
3 Rheologische Untersuchungen
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Bei der Analyse der Oberschwingungen wird die Betrachtung auf die dritte
Oberschwingung begrenzt, wobei das Verhältnis )/( 13 II betrachtet wird. [67][68][69].
Pipkin-Diagramm
Die verschiedenen Bereiche in denen Flüssigkeiten unterschiedliches Verhalten
zeigen, lassen sich am besten mit dem Pipkin-Diagramm beschreiben. Im
Pipkindiagramm wird die Deformationsamplitude 0γ gegen die Deborah-Zahl De
aufgetragen. Die Deborahzahl ist der Quotient aus der flüssigkeitsspezifischen
charakteristischen Relaxationszeit λ und der Zeitkonstante ft , die die Strömung
charakterisiert.
ft
De λ= (3.8)
Bei einer oszillierenden Strömung kann die charakteristische Zeit auch als ωγ 0
1=ft
beschrieben werden und für die Deborahzahl ergibt sich somit:
ωλγ 0=De (3.9).
Abbildung 17: Pipkin-Diagramm mit den Bereichen des unterschiedlichen Verhaltens bei
oszillatorischer Scherbeanspruchung
3 Rheologische Untersuchungen
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Bei kleinen Deborahzahlen verhält sich das System wie eine Newtonsche Flüssigkeit.
Je höher die Deborahzahl wird, umso elastischer ist das Flüssigkeitsverhalten und
entspricht mehr und mehr einem Hook'schen Festkörper. Die Übergangsbereiche
werden als die bereits beschriebene lineare oder nichtlineare Viskoelastizität
gekennzeichnet.
Lissajous-Diagramm
Die Abweichung von linearem zu nichtlinearem Verhalten kann grundsätzlich auch
mit dem Lissajous Diagramm dargestellt werden. Das von dem französischen
Physiker J.A. Lissajous entwickelte Diagramm wird in der Literatur häufig dazu
verwendet, um harmonische Verzerrungen darzustellen. Die Lissajous Figuren sind
zwar nicht geeignet, um die Daten quantitativ auszuwerten, ermöglichen aber
dennoch eine gute qualitative Darstellung der Messergebnisse. In Abbildung 18 ist
eine Lissajous-Darstellung für die Messung von Oppanol zu sehen.
Abbildung 18: Lissajous-Figuren für die Oszillationsmessung von Oppanol bei verschiedenen
Deformationsamplituden
3 Rheologische Untersuchungen
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Das Diagramm entsteht aus der Überlagerung zweier Schwingungen. In diesem Fall
kann die Deformationsvorgabe gegen die Drehmomentantwort aufgetragen werden.
Ist die Spannungsantwort in Phase mit der Deformation, entsteht idealerweise eine
Linie. Liegt die Antwort um 90° phasenverschoben, resultiert ein Kreis. So kann leicht
idealviskoses und idealelastisches Verhalten gezeigt werden. Zwischen diesen
Extremfällen, in denen das viskoelastische Verhalten liegt, stellen sich die
Messungen als Ellipse dar.
Für nichtlineares Verhalten ist eine Verzerrung dieser Figuren als Resultat der
Oberschwingungen zu erwarten. In der Darstellung der Messergebnisse kann man
deutlich dieses Verhalten sehen. Bei kleiner Deformationsamplitude ist noch eine
ideale Ellipse zu sehen, die mit steigender Amplitude zunehmend verzerrt wird.
3 Rheologische Untersuchungen
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3.2 Experimenteller Aufbau
3.2.1 Rotationsrheometrische Untersuchungen
Für die Charakterisierung der MR-Flüssigkeit und des unvulkanisierten MREs wurden
Untersuchungen in einem rotatorischen System durchgeführt. In dem Messsystem
wird eine Scherung vorgegeben, bei der ein transversales Magnetfeld variabler
Stärke angelegt werden kann.
Für die rotationsrheometrischen Untersuchungen wurde das Searle-System
Rheometer UDS 200 der Firma Paar Physica verwendet. Das Rheometer kann
sowohl im "controlled stress" (CS)-Modus, bei dem das Drehmoment vorgegeben
wird, als auch im "controlled rate" (CR)-Modus mit Vorgabe der Drehzahl betrieben
werden. Das Messgerät kann sowohl stationäre als auch instationäre Messungen
durchführen. Die wichtigsten technischen Daten des Messgeräts sind in Tabelle 4
aufgeführt.
Drehmomentbereich 0,5 µNm- 150mNm
Drehmomentauflösung 0,01 µNm
Winkelauflösung < 1µrad
Drehzahlauflösung 10-5 bis 1000 min-1
Frequenzbereich 10-4 bis 100 Hz
Tabelle 4: Technische Spezifikation des Rotationsrheometers UDS200
Als Messgeometrie wurde der kommerzielle Messeinsatz MR 100 verwendet, der
speziell zur Untersuchung für magnetorheologische Flüssigkeiten ausgelegt ist.
Hierbei handelt es sich um eine Platte-Platte-Messanordnung mit einem
Durchmesser von 20 [mm] und einem Plattenabstand von 1 [mm], der
gegebenenfalls variiert werden kann. Das Messsystem wird durch einen
Flüssigkeitskreislauf temperiert und hat somit, abhängig von der Flüssigkeit, einen
Temperaturbereich von maximal 233 bis 423 [k]. Die Messanordung ist in Abbildung
19 zu sehen. In der Platte-Platte Anordnung befindet sich die zu vermessende
Flüssigkeit im Messspalt. Durch die Spule wird ein Magnetfeld erzeugt, das von dem
Kern transversal den Messspalt durchströmt. Von dort bewegt sich der Magnetfluss
3 Rheologische Untersuchungen
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durch die Flussführung aus hochpermeablen Weicheisen, die aus einer
abnehmbaren Kappe und einem Mantel um die Spule besteht. Zwischen der
Messgeometrie und dem Magnetfeld besteht keine Wechselwirkung, die die
Messergebnisse beeinflussen könnte [70].
Abbildung 19: Platte - Platte-Messgeometrie: (a) Messsystem MR 100; (b) schematische Darstellung
des Messsystems mit der Flussführung
Die technischen Spezifikationen der Platte-Platte Messzelle TEK 70 MR sind in
Tabelle 5 zusammengefasst.
Plattendurchmesser 20 mm Plattenabstand 1 mm Schubspannungsfaktor 31,03 Pa/ 0,05 mNm Scherratenfaktor 1,047 Füllvolumen 0,4 ml Spulenwindungen 495 Temperaturbereich -20 - 100 °C
Tabelle 5: Technische Spezifikation der magnetorheologischen Messzelle TEK 70 MR
Die Feldverteilung im Messspalt ist weitgehend homogen und in Abbildung 20 zu
sehen.
3 Rheologische Untersuchungen
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(a) (b)
Abbildung 20: FEM-Simulation der magnetischen Feldverteilung in der Platte-Platte Messgeometrie:
(a) vektorielle Darstellung der Flussdichte; (b) skalarer Betrag der Flussdichte
Die vektorielle Darstellung der Flussdichte zeigt den gewünschten transversalen
Verlauf des magnetischen Flusses. Das Magnetfeld wurde über ein Labornetzgerät
gesteuert. Dabei wurde der Strom indirekt über die Spannung bei bekanntem
Widerstand bestimmt. Die Feldstärke in Abhängigkeit von der Stromstärke wurde
über eine FEA bestimmt, deren Methode noch in Kapitel 4.2 erläutert wird. Die
Ergebnismatrix wurde über A
BdAB A
∫= gemittelt und die resultierenden Feldstärken
sind in Abbildung 21 für das MRF 132 LD zu sehen.
0
100
200
300
400
500
600
700
800
900
0 1 2 3 4 5 6I [A]
B [m
T]
Abbildung 21: Mittlere Magnetfeldstärke innerhalb der Platte-Platte-Geometrie in Abhängigkeit der
angelegten Stromstärke für MRF 132 AD
3 Rheologische Untersuchungen
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Bei der Platte-Platte Anordnung des Messsystems ist die Scherrate γ& eine Funktion
des Plattenradius. Unter der Annahme, dass der Plattenradius groß im Vergleich zum
Plattenabstand ist (h
3 Rheologische Untersuchungen
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Das UDS 200 hat zwei Mehrzweckbuchsen mit einem Spannungsbereich von -10 bis
+10 V bei einer Auflösung von 16 Bit. Das Zeitintervall für die Ausgabe ist 100 µs.
Die Ausgangsspannung AU kann über
MessgrößeFaktorOffsetU A ⋅+= (3.2)
mit der tatsächlichen Messgröße korreliert werden. Der Faktor wurde bei den
Messungen an die Messgrößen angepasst, um eine größtmögliche Genauigkeit zu
erzielen. Die Ausgangsspannung wird dann über das Speicheroszilloskop
aufgenommen und kann dann zur weiteren Analyse im PC weiterverarbeitet werden.
Die Ansteuerung und die Einstellung der Messprofile des Rheometers erfolgt über
den PC. Dazu kann das Standardprogramm zur Ansteuerung der Rheometers
verwendet werden. Dabei kann sehr variabel die Messpunktdauer, die
Messpunktanzahl, die Anzahl der Rohwerte, die bei stationären Messungen zur
Mittelung herangezogen werden, und die Einregelzeit bis zur Aufnahme der
Rohwerte eingegeben werden.
3 Rheologische Untersuchungen
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3.2.2 Servohydraulisches Elastomer-Prüfsystem
Die rheologische Charakterisierung der MR-Elastomere erfolgte in Scherung und
Zug- und Druckbeanspruchung. Bei den verschiedenen Beanspruchungsarten
konnte über Elektromagnete ein Magnetfeld angelegt werden. Auf den Aufbau und
die Durchführung der Messungen wird im Folgenden eingegangen.
Die Untersuchungen der rheologischen Eigenschaften der MR-Elastomere wurden
an dem servohydraulischen Elastomer-Prüfsystem MTS 831.50 durchgeführt. Hier
können Untersuchungen an Laborprüfkörpern unter Zug-, Druck- und
Scherbeanspruchung bei 150 bis 473 [K], einer Frequenz von 0,01 bis 1000 [Hz] und
bei Amplituden von 0,1 bis 100 [%] durchgeführt werden. Der Kraftbereich erstreckt
sich bis ± 5 [kN] und der Wegbereich bis ± 25 [mm].
Abbildung 23: Servohydraulik-Prüfstand MTS 831.50 mit Doppelschersandwich und Elektromagneten
Um das anisotrope Verhalten der MR-Elastomere messen zu können, wurden
verschiedene Belastungsarten durch unterschiedliche Messgeometrien realisiert.
Diese Messanordnungen sind in Abbild