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Klassiker! 2
Albrecht Mayer
Orpheus Chamber Orchestra
Donnerstag 8. Dezember 2011 20:00
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Bitte beachten Sie:
Ihr Husten stört Besucher und Künstler. Wir halten daher für Sie an den Garderoben
Ricola-Kräuterbonbons bereit und händigen Ihnen Stoff taschen tücher des Hauses
Franz Sauer aus.
Sollten Sie elektronische Geräte, insbesondere Handys, bei sich haben: Bitte
schalten Sie diese zur Vermeidung akustischer Störungen aus.
Wir bitten um Ihr Verständnis, dass Bild- und Tonaufnahmen aus urheberrechtlichen
Gründen nicht gestattet sind.
Wenn Sie einmal zu spät zum Konzert kommen sollten, bitten wir Sie um Verständnis,
dass wir Sie nicht sofort einlassen können. Wir bemühen uns, Ihnen so schnell wie
möglich Zugang zum Konzertsaal zu gewähren. Ihre Plätze können Sie spätestens
in der Pause einnehmen.
Sollten Sie einmal das Konzert nicht bis zum Ende hören können, helfen wir Ihnen
gern bei der Auswahl geeigneter Plätze, von denen Sie den Saal störungsfrei (auch
für andere Konzertbesucher) und ohne Verzögerung verlassen können.
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Klassiker! 2
Albrecht Mayer Oboe
Orpheus Chamber Orchestra
Donnerstag 8. Dezember 2011 20:00
Pause gegen 20:50
Ende gegen 21:50
Wir danken der Galeria Kaufhof für die Weihnachtsdekoration
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PROGRAMM
Paul Hindemith 1895 – 1963
Kammermusik Nr. 1 op. 24,1 (1922)
Sehr schnell und wild
Mäßig schnelle Halbe. Sehr streng im Rhythmus
Quartett
Finale 1921
Richard Strauss 1864 – 1949
Konzert für Oboe und kleines Orchester D-Dur TrV 292 (1945)
Allegro moderato
Andante
Vivace – Allegro
Pause
Andrew Norman *1979
Apart, Together (2011)
für Orchester
Europäische Erstaufführung
Joseph Haydn 1732 – 1809
Sinfonie Es-Dur Hob. I:103 (1795)
(»Mit dem Paukenwirbel«)
Adagio – Allegro con spirito
Andante più tosto Allegretto
Menuet – Trio
Finale. Allegro con spirito
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ZU DEN WERKEN DES HEUTIGEN KONZERTS
Unvereinbares mischen –Paul Hindemiths Kammermusik Nr. 1
Paul Hindemith, einer der bedeutendsten deutschen Komponisten
des 20. Jahrhunderts, ist heutzutage selten in deutschen Konzert-
sälen zu hören. Das ist unverständlich, ist doch gerade Hindemith
die Gratwanderung zwischen Bewahrung und Erneuerung der Tra-
dition samt Schöpfung einer modernen, vitalen Tonsprache auf
sehr fassliche Weise gelungen, was sich auch in der am heutigen
Abend gespielten Kammermusik Nr. 1 zeigt.
In den 1920er-Jahren erregte Hindemith zunächst als junger Wil-
der mit unterhaltsam-anarchischen Werken wie dem Einakter
Das Nusch-Nuschi oder dem Orchesterstück Rag Time (wohltem-
periert) Aufsehen, widmete sich dann in zunehmendem Maße
großen Formen wie der Oper und der Sinfonie und fand zu einer
Musiksprache von betont ethischer Haltung. Der Zwölftontechnik
Schönbergs setzte er ein System freier Tonalität jenseits von Dur
und Moll entgegen, dass er in seiner Unterweisung im Tonsatz auch
theoretisch fundierte. Seine 1934 mit großem Erfolg uraufgeführte
Sinfonie Mathis der Maler brachte die Nationalsozialisten gegen
ihn auf, der Komponist wurde von Joseph Goebbels öffentlich
als »atonaler Geräuschemacher« diffamiert. 1936 folgte das Auf-
führungsverbot seiner Werke in Deutschland. Hindemith, auch
Dirigent, bedeutender Theoretiker und gefragter Solo-Bratschist,
verlegte seine Konzerttätigkeit ins Ausland, ging ins Exil in die
Schweiz und emigrierte schließlich 1940 in die USA, deren Staats-
bürgerschaft er 1946 annahm. Acht Jahre nach Kriegsende kehrte
er nach Europa zurück, übersiedelte in die Schweiz an den Genfer
See.
Die Kammermusik Nr. 1 op. 24,1 entstand in Hindemiths früher
experimentellen Phase der 1920er Jahre. Sie steht ganz im Zeichen
des Neoklassizismus: Als Gegenreaktion auf die überbordende
Emotionalität der Spätromantik suchten Komponisten wie etwa
Igor Strawinsky oder Maurice Ravel die Rückkehr zur ›Objektivität‹
auf dem Weg der Wiederbelebung vorromantischer Zustände.
Das schlug sich in der Vorliebe für kleinere Besetzungen nieder,
in der verstärkten Verwendung kontrapunktischer Strukturen
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innerhalb einer transparenten Instrumentation, in einer einfache-
ren Harmonik sowie in der Verwendung älterer Formen wie der
Suite, Toccata, Passacaglia oder des Concerto grosso.
Ein Stil, der auch die viersätzige Kammermusik Nr. 1 prägt, die als
erste einer Reihe von sieben Werken gleichen Titels entstand, die
Hindemith zwischen 1921 und 1927 komponierte. In allen sieben
Kammermusiken ist die Satzreihenfolge suitenartig locker und
zielt der Komponist mit anarchischem Humor auf parodistische
und provokante Effekte. Uraufgeführt wurde die 1. Kammermusik
zur Eröffnung der »Donaueschinger Kammermusik-Aufführun-
gen zur Förderung zeitgenössischer Tonkunst« 1922, die im Jahr
zuvor erstmals stattgefunden hatten und für deren Ausrichtung
Hindemith dann selbst von 1923 bis 1930 als Mitglied des Pro-
grammkommitees mitverantwortlich war. Die Kammermusik Nr. 1
wurde als Sensation gefeiert. Schon die bunte solistische Beset-
zung aus Streichquintett, Akkordeon, Trompete, Klavier, Xylo-
phon, Flöte, Klarinette, Fagott und Schlagzeug inklusive Sirene
und einer mit Sand gefüllten Blechbüchse muss die Ohren der
Zuhörer schockiert haben. In der frech-fröhlichen Kombination
von E- und U-Musik, den harten, kraftvollen Tanzrhythmen und
der effektvollen Instrumentierung kann man zweifelsohne die
Erfahrungen Hindemiths als Musiker in Tanz- und Theaterkapel-
len heraushören.
Wie ein Fanal wirkt der erste rasend schnelle Kopfsatz: eine stür-
mische Begrüßung. Ein grotesker, clownesker Marsch schließt
sich an. An dritter Stelle steht ein verträumtes, pastorales Quar-
tett aus drei Holzbläsern und vereinzelten Tönen des Xylophons.
Höhepunkt ist ohne Zweifel der Schlusssatz, übertitelt mit Finale
1921 zu Ehren der ersten Donaueschinger Musiktage. Es beginnt
geräuschhaft mit gedämpft wuselnden Streichern und perkussi-
ver Klavierbegleitung. Harte Schläge unterbrechen immer wie-
der das Geschehen, das sich mehr und mehr verdichtet. Plötzlich
spielt die Trompete einen Foxtrott in G-Dur des damals beliebten
Schlagerkomponisten Wilm Wilm, während gleichzeitig Läufe in
allen möglich anderen Dur-Tonarten zu hören sind, bis das Geheul
einer Sirene dem Ganzen Einhalt gebietet.
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Aus der Zeit gefallen –Richard Strauss’ Konzert für Oboe
und kleines Orchester D-Dur
In Richard Strauss’ Spätwerk manifestiert sich die resignative Flucht
vor der furchtbaren Realität der letzten Kriegsjahre. Deutschland
lag in Schutt und Asche, so auch München, seine Heimatstadt. Für
den alten Mann versank eine Welt in Trümmern, mit der sein Anse-
hen, seine musikalische Identität und seine Wirkungsmöglichkeiten
eng verbunden waren: die deutsche Kultur. Auch die eigene zwie-
spältige Rolle, die der greise Komponist im nationalsozialistischen
Deutschland gespielt hatte – er war unter anderem fast zwei Jahre
lang Präsident der Reichsmusikkammer gewesen – mögen ihm zu
denken gegeben haben, zumindest was den Umstand betrifft, dass
er sich für sein Verhalten rechtfertigen musste. All diese Gefühle
scheinen in seinen 1945 komponierten Metamorphosen auf, einem
schwerblütigen, tieftraurigen Abgesang auf eine Epoche. Ein Trau-
erstück, in dem Strauss etwas larmoyant auch den »Widerschein«
seines »ganzen vergangenen Lebens« erblickte.
Gegenüber dem resignativen Tonfall zeigt sich im Spätwerk aber
noch eine andere Seite des alten Strauss: Die Flucht in ablenkende
Unterhaltung, wie sie in seinem letzten Bühnenstück Capriccio,
einem »Konversationsstück für Musik«, zutage trat. Auch das Kon-
zert für Oboe und kleines Orchester, das mit den Gattungstraditio-
nen an keiner Stelle bricht und in schönstem Dur und Moll erklingt,
ist in diesem Kontext zu sehen. Unendlich fließen die Melodien
im Andante, Heiterkeit verstrahlt das kecke Kehraus-Finale. Als
hätte es die beiden Weltkriege niemals gegeben und auch die
musikalische Avantgarde nicht. Als »Handgelenksübung«, »um
die Langeweile müßiger Stunden zu vertreiben, da man nicht den
ganzen Tag Skat spielen kann«, hat Strauss sein Werk bezeichnet,
das aus der Zeit gefallen scheint. Und doch ist es für Oboisten und
ihr in punkto Solokonzert vernachlässigtes Instrument ein Glücks-
fall. Hochvirtuos, kapriziös und brillant auf der einen Seite, dabei
in den Rahmensätzen in strukturell hochkomplexe Vorgänge ver-
wickelt und vor allem im Andante zu lyrisch beseeltem Gesang
aufgefordert, kann die Oboe hier das gesamte Spektrum ihrer
Ausdrucksmöglichkeiten präsentieren.
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Strauss hat sein Oboenkonzert im Juli 1945 begonnen und im
Oktober desselben Jahres beendet. Im Februar 1946 erlebte es in
Zürich seine Uraufführung, seine finale Gestalt erhielt es Anfang
1948, als Strauss die Coda des letzten Satzes noch einmal für
die Druckausgabe überarbeitete. Inspiriert wurde er zu seinem
Oboenkonzert von einem in seiner Nähe stationierten amerikani-
schen Soldaten, dem 24-jährigen John de Lancie, in Friedenszei-
ten Oboist des Philadelphia Orchestra.
Das Konzert ist traditionell dreisätzig mit schnellen Außensätzen
und einem langsamen in der Mitte. Alle drei Sätze gehen attacca
(also pausenlos) ineinander über, der zweite wird mit dem Finale
über eine Solokadenz verbunden. Oboisten brauchen in diesem
extrem anspruchsvollen Solokonzert einen langen Atem: Sie sind
beständig in Bewegung, werden nur gelegentlich unterbrochen
von Tutti-Zwischenspielen.
Das Phänomen Wahrscheinlichkeit –Andrew Normans Apart, Together
Der in Brooklyn lebende US-amerikanische Komponist Andrew
Norman – geboren 1979 in Grand Rapids, Michigan – lässt sich bei
seiner Arbeit gerne von visuellen Formen und Strukturen inspi-
rieren. Das kommt von seiner lebenslangen Begeisterung für die
Architektur. Kritiker loben Normans »gewagten Reihungen und
schwindelerregenden Farben« und seinen »chaplinesken Witz«
gleichermaßen.
Sein zehnminütiges Stück für Kammerorchester Apart, Together
schrieb er 2011 als Auftragswerk des Orpheus Chamber Orches-
tra im Rahmen des »Project 440«, mit dem der Klangkörper sein
40jähriges Jubiläum feiert. Die Uraufführung fand am 2. Dezember
2011 in Easton, Pennsylvania statt. Besetzt ist Apart, Together mit
Streichern und Schlagwerk und jeweils zwei Flöten, Oboen, Klari-
netten, Fagotten, Hörnern und Trompeten. Der Titel Apart, Together
ist dabei Programm. Bei der Komposition ließ sich Norman von
der Tatsache inspirieren, dass das Orpheus Chamber Orchestra
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stets ohne Dirigenten auftritt. Apart, Together erforsche Phäno-
mene wie Wahrscheinlichkeit, kollektiven Ausdruck und indivi-
duelle Identität in einer Konzertmusik, so Andrew Norman. »Das
Stück, das ich für dieses Ensemble komponiert habe«, schreibt
er, »wird sich nie zweimal gleich anhören; ich bitte die Musiker,
auf der Bühne Entscheidungen zu treffen, die Form, Tempo und
Struktur dieser Erfahrung verändern. Manchmal lösen sie sich
absichtlich voneinander und spielen aus ihrem eigenen Zeitge-
fühl heraus. Dann wieder schichten sie zufällige Strukturen auf-
einander, die an die Farbkleckse auf den Gemälden von Jackson
Pollock erinnern, und in einigen Schlüsselmomenten finden sie
zusammen und spielen mit jener einvernehmlichen Zielstrebigkeit
und Ausdruckskraft, die wir mit der besten gemeinsamen Musik
verbinden. […] Außerdem wollte ich Orpheus’ klanglichem Aben-
teuergeist ein Denkmal setzen und schrieb ein Stück, das einige
der sonderbaren, auf Lärm beruhenden Geräusche verarbeitet,
die man mit akustischem Instrumente erzeugen kann. Als Brat-
schist liebe ich diese kratzigen, beinahe elektronischen Klänge;
es macht nicht nur Spaß, sie zu spielen, sondern sie erschaffen
auch einen Kontext, in dem die vertrauteren und traditionelleren
›schönen‹ Töne des Orchesters wieder frisch, ausdrucksstark und
bedeutsam klingen«.
Formexperimente als Sensation –Joseph Haydns Sinfonie Hob. I:103
Es-Dur »Mit dem Paukenwirbel«
Beethoven komponierte neun Sinfonien, und in seinem Bann
überschritten auch die nachfolgenden Komponistengenerationen
nur selten diese magische Zahl. Vor Beethoven sah das anders
aus. Mozart komponierte 41 und Haydn gar 104 Sinfonien. Mozart
und Haydn mussten sich noch nicht mit der Anforderung plagen,
beim Schreiben einer Sinfonie »mit allen zur Verfügung stehenden
Mitteln eine Welt aufzubauen«, wie es Gustav Mahler später ein-
mal formulierte. Das Sinfonienschreiben ging im 18. Jahrhundert,
in der die Sinfonie überhaupt erst zu ihrer eigenen Sprache und
Form fand, leichter von der Hand. In der Besetzung, im Umfang
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und in der Satzfolge war man noch relativ frei. Erst im Laufe der
Jahrzehnte zeigte sich eine Tendenz zu klassischer Viersätzigkeit
mit einem ersten Satz in Sonatenform, einem langsamen Satz in
Liedform, einem Menuett mit Trio sowie einem Rondo-Finale.
Wie in anderen Gattungen durchmisst Joseph Haydn in den gut
50 Jahren seiner Schaffenszeit auch in der Sinfonie einen radika-
len Stilwandel, experimentiert mit den unterschiedlichsten Form-
typen und erarbeitet sich nach und nach eine unverwechselbare
Idiomatik, die auf Fasslichkeit angelegt ist und gleichzeitig ein
völlig neues musikalisches Vergnügen am geistvollen Dialog und
an intellektuellen Späßen offenbart. Mit seinen 104 Sinfonien
schuf er einen musikalischen Kosmos, der in seiner Vielfalt kaum
zu übertreffen ist. Zu Gipfelwerken der Gattungsgeschichte wur-
den vor allem die letzten 12 »Londoner Sinfonien«, die Haydn
im Zenit seiner Schaffenskraft zwischen 1791 und 1795 für den in
London lebenden Konzertunternehmer Johann Peter Salomon
geschrieben hatte. Zu dieser Werkgruppe gehört auch die Sin-
fonie Hob. I:103 in Es-Dur. Das Werk entstand während Haydns
zweitem London-Aufenthalt in den Jahren 1794/95, wo der mitt-
lerweile international hochberühmte Komponist in zahlreichen
Konzerten seine Werke zur Aufführung brachte und frenetisch
gefeiert wurde. Hier erklang am 2. März 1795 auch erstmals seine
103. Sinfonie.
Wie fast alle »Londoner Sinfonien« beginnt auch Hob. I:103 mit
einer langsamen Einleitung, deren Motivik und Thematik auf alle
weiteren Sätze ausstrahlt. Vor allem stellt der erste Satz aber
Haydns »radikalsten Versuch einer Verschränkung von langsa-
mer Einleitung und Allegro auf mehreren Ebenen« dar (Ludwig
Finscher). Schon der Beginn der Sinfonie mit einem Paukenwir-
bel und einem finsteren Thema, dessen Kopf an die Dies-irae-
Sequenz aus der Totenmesse erinnert, ist unerhört und radikal neu.
Das erneute Auftauchen dieser Einleitungstakte innerhalb des fol-
genden fröhlich gestimmten Allegro-Satzes verbreiten Schrecken
und Düsternis – ein neuartiges formales Mittel zwecks plötzlichem
Stimmungsumschwung. Dem ansonsten heiter-optimistischen
Allegro liegt die Sonatenform zugrunde, die ausschließlich mit
tänzerischen Themen arbeitet, die Haydn nach allen Regeln seiner
Kunst der motivisch-thematischen Verarbeitung unterzieht.
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Das Andante an zweiter Stelle ist ein Variationensatz, in dem Haydn
zwei marschartige Themen – eines in c-Moll und eines in C-Dur –
nebeneinander stellt und abwechselnd variiert. Dabei verwandeln
die Themen ihren Charakter, zum Violonsolostück, Militärmarsch
oder zur Naturidylle mit Vogelsgesang. Haydn soll die beiden
Themen der kroatischen und ungarischen Volkmusik abgelauscht
haben. Überhaupt ist seine 103. diejenige seiner Sinfonien, »in
der volksmusikalische Töne die größte Rolle spielen« (Finscher).
Auch im dritten Satz, einem Menuett mit kontrastierendem Trio,
offenbart sich das: »Jetzt geht es um dezidiert österreichische
Volksmusik, Jodel-Figuren im Menuett und Ländlerfiguren im Trio,
das durch die beiden konzertierenden Klarinetten einen ›tanzbo-
denhaften‹ Tonfall« erhält (Finscher).
Auch das Thema des Finales soll auf ein kroatisches Volkslied
zurückgehen, erscheint aber gekoppelt an einen Hornruf, der den
Satz auch eröffnet. Hier führt der Meister brillant vor, wie man
mit dem Kopfmotiv eines einzigen Themas einen ausführlichen
musikalischen Prozess am Laufen halten kann.
Verena Großkreutz
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BIOGRAPHIEN
Albrecht Mayer
Albrecht Mayer studierte bei Gerhard
Scheuer, Georg Meerwein, Ingo Goritzki
und Maurice Bourgue, begann seine
berufliche Laufbahn 1990 als Solo-Obo-
ist der Bamberger Symphoniker und
wechselte 1992 in die gleiche Position
zu den Berliner Philharmonikern. Als
Solist ist Albrecht Mayer international
äußerst gefragt. Auf der Suche nach sei-
nem persönlichen Klangideal gründete
er unlängst sein eigenes Ensemble New
Seasons. Neben den Solo-Projekten ist ihm zudem die Kammer-
musik sehr wichtig, zu seinen Partnern zählen u. a. Nigel Kennedy
und Hélène Grimaud, mit der er die Schumann-Romanzen auf CD
eingespielt hat. Begleitet vom Orpheus Chamber Orchestra gab
Albrecht Mayer 2007 sein Debüt in der New Yorker Carnegie Hall.
2008 war er »Artiste étoile« beim Lucerne Festival.
Auf der Suche nach neuem Repertoire leiht Albrecht Mayer auch
gern Werken für andere Instrumente oder Gesang seine (Oboen-)
Stimme. Besondere Aufmerksamkeit erregten die Bach-Tran-
skriptionen Lieder ohne Worte sowie sein Album New Seasons
mit Händel-Transkriptionen, die sogar den Sprung in die deut-
schen Pop-Charts schafften. Seine CD Auf Mozarts Spuren mit
dem Mahler Chamber Orchestra und Claudio Abbado hielt sich
über Monate in den deutschen Klassik-Charts und wurde zudem
in die Bestenliste der Deutschen Schallplattenkritik aufgenom-
men. Im August 2008 erschien das Album In Venice, im Herbst
2009 folgte eine weitere CD mit Werken von Johann Sebastian
Bach. Im August 2010 erschien das aktuelle Album Bonjour Paris.
2004, 2008 und 2010 wurde Albrecht Mayer mit dem renommierten
ECHO Klassik ausgezeichnet. Im Dezember 2006 erhielt er den
E. T. A.-Hoffmann-Kulturpreis seiner Heimatstadt Bamberg. Alb-
recht Mayer spielt eine Oboe und eine Oboe d’amore der Gebrüder
Mönnig. In der Kölner Philharmonie war er zuletzt im Dezember
vergangenen Jahres zu hören.
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Orpheus Chamber Orchestra
Das Orpheus Chamber Orchestra wurde 1972 von dem Cellis-
ten Julian Fifer und einigen Musikerkollegen gegründet, um
ein abwechslungsreiches Orchesterrepertoire mit den Techni-
ken eines Kammermusikensembles aufzuführen. Als eines der
wenigen selbstverwalteten Ensembles führt das Orpheus Cham-
ber Orchestra diese Philosophie bis heute weiter und arbeitet
ohne Dirigenten und mit regelmäßig rotierenden musikalischen
Führungspositionen. Das Ensemble bezieht die Musiker in alle
Aspekte der Organisation ein und verändert damit die herkömm-
lichen Rollenbilder von Musikern, Dirigenten und Orchestern
grundlegend. Im Laufe seiner Geschichte hat sich das Orpheus
Chamber Orchestra mit seinen erfolgreichen Einspielungen, Kon-
zerten und durch die Zusammenarbeit mit angesehenen Solisten
einen ausgezeichneten Ruf erworben. Neben zahlreichen In- und
Auslandstourneen gestaltet das Orchester eine Konzertreihe in
der Carnegie Hall und tritt regelmäßig in bedeutenden New Yorker
Kulturzentren auf.
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Zu den Solisten, die in jüngerer Zeit beim Orpheus Chamber
Orchestra gastierten, zählen der Pianist Garrick Ohlsson, die
Sopranistin Kate Royal, die Geiger Vadim Gluzman und Arabella
Steinbacher und der Pianist Rudolf Buchbinder.
Neben dem klassischen Repertoire spielt das Orpheus Chamber
Orchestra regelmäßig zeitgenössische Kompositionen, darunter
auch Werke, die vom Ensemble in Auftrag gegeben wurden. In der
Saison 2010/2011 startete das »Project 440«, in dessen Rahmen das
Orchester Kammerorchesterwerke bei jungen, noch unbekannten
Komponisten in Auftrag gibt. Bereits in der Saison 2009/2010 prä-
sentierte das Orchester neue Werke von Sir Peter Maxwell Davies
und Aaron Jay Kernis – die letzten beiden Beiträge zum Projekt
»New Brandenburgs Commissions«, in den sechs neue Werke ver-
schiedener zeitgenössischer Komponisten mit Bezug zu Johann
Sebastian Bachs Brandenburgischen Konzerten entstanden.
Die Diskographie des Orchesters umfasst über 70 Alben, darunter
das mit einem Grammy ausgezeichnete Album Shadow Dances:
Stravinsky Miniatures. Der umfangreiche Einspielungskatalog ent-
hält außerdem die Barockklassiker, Werke von Haydn, Mozart,
Dvořák, Grieg und Tschaikowsky sowie auch einige Meisterwerke
des 20. Jahrhunderts. 2007 erschienen Vivaldis Die vier Jahreszei-
ten mit der Violinistin Sarah Chang. Eine Sammlung mit Klavier-
konzerten von Mozart mit Jonathan Biss folgte 2008.
Neben den Konzertauftritten und CD-Einspielungen engagiert
sich das Orpheus Chamber Orchestra auch im Bildungsbereich.
2003 wurde das Orpheus Institute gegründet, und im Access
Orpheus-Programm bietet das Orchester hunderten von New Yor-
ker Schülern durch Workshops, offene Proben und Konzerte die
Möglichkeit, praktische musikalische Erfahrungen zu sammeln.
Im März 2007 wurde das Orpheus Chamber Orchestra mit dem
neu gestifteten Worldwide Award for the Most Democratic Work-
places ausgezeichnet. Die Preise werden von der in Austin, Texas,
ansässigen Organisation WorldBlu, Inc., verliehen. In der Kölner
Philharmonie war das Orpheus Chamber Orchestra zuletzt im Feb-
ruar 2009 zu Gast.
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Die Besetzung des Orpheus Chamber Orchestra
ViolineRonnie BauchCyrus BeroukhimMartha CaplinLiang-Ping HowJoanna JennerRenée JollesSophia KessingerTodd PhillipsRichard RoodMiho SaegusaEric Wyrick
ViolaChristof HuebnerShmuel KatzDaniel PannerNardo Poy
VioloncelloEric BartlettMelissa Meell Jonathan SpitzJames Wilson
KontrabassKarl DotyJordan Frazier
FlöteElizabeth MannSusan Palma Nidel
OboeMatthew DineJames Austin Smith
KlarinetteAlan KayDavid Singer
FagottCynde IversonFrank Morelli
HornLawrence DiBelloStewart Rose
TrompeteCarl AlbachLouis Hanzlik
PosauneRichard Clark
PaukeMaya Gunji
SchlagzeugMaya Gunji
KlavierMargaret Kampmeier
CembaloPaolo Bordignon
AkkordeonBill Schimmel
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Dezember
SA 1720:00
Trio WandererJean-Marc Phillips-Varjabédian ViolineRaphaèl Pidoux VioloncelloVincent Coq Klavier
Ludwig van BeethovenTrio für Klavier, Violine und Violoncello D-Dur op. 70,1 »Geistertrio«
Franz LisztTristia - La Vallée d’Obermannfür Klavier, Violine und Violoncello
Johannes BrahmsTrio für Klavier, Violine und Violoncello Nr. 1 H-Dur op. 8
MI 2120:00
Richard Galliano Septet: Richard Galliano AkkordeonJean-Marc Phillips-Varjabédian ViolineSébastien Surel ViolineJean-Marc Apap ViolaEric Levionnois VioloncelloStéphane Logerot KontrabassDimitri Naiditch Piano
Piazzolla Forever
DO 2220:00
Ludwig Sebusund viele kölsche Künstler
Kölsche Weihnacht
Es ist schon eine kleine Tradition: Bereits zum vierten Mal sammelt die Kölner Philharmonie für bedürftige Menschen und freut sich über Ihre Mithilfe: Wir bitten Sie, dem christlichen Geist des Weihnachtsfestes entsprechend, Weih-nachtsgeschenke für Kölner Obdachlose unter dem Baum im Foyer der Kölner Philharmonie abzulegen.
SA 2415:00
Heiligabend
Blechbläser der Kölner DommusikKölner DomchorEberhard Metternich LeitungMädchenchor am Kölner DomOliver Sperling LeitungChristoph Biskupek Moderation
Wir warten aufs Christkind
MO 2620:00
2. Weihnachtstag
Bill Ramsey voc
Paul Kuhn & seine Big Band
JAZZ-POPS XXVI – »old friends«
Er ist einer der dienstältesten Jazzer hierzulande und hat mit seinem Charme ganze Generationen verzaubert: »Paul-chen« Kuhn. Sein Konzert am 2. Weih-nachtsfeiertag ist schon liebgewonnene Tradition, wenn der »Mann am Klavier« die Kölner zum Mitswingen animiert.
KÖLNMUSIK-VORSCHAU
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MI 2818:00
Salome Kammer SprecherinRisgar Koshnaw vocJerome Ibrahim Todd Rapper
Klangforum WienJean Deroyer Dirigent
Peter Böhm KlangregieFlorian Bogner Sound Design
Patrick CorillonOskar Serti geht ins Konzert. Warum?Eine Nachdenklichkeit in sieben Teilen mit einer Vernissage. Dramatisches Konzert für großes Ensemble und Philharmoniepersonal
Werke von Georges Aperghis, Wladimir Tarno-polski, Beat Furrer, Stefano Gervasoni, Franco Donatoni, Erik Satie, Peter Ablinger, Salvatore Sciarrino, Bern-hard Gander, Giacinto Scelsi, Olga Neuwirth, Iannis Xenakis, Matthias Pintscher, Gerald Resch, Bernhard Lang
Vielleicht gehören Sie ja auch zu den Personen, die ins Konzert gehen, um Musik zu hören. Daran ist prinzipiell nichts falsch. Sollte dieses Motiv aller-dings bisher der einzige Grund für Ihren Besuch gewesen sein, wäre es möglich, dass Sie einiges versäumt haben. Oskar Serti (Budapest, 1881 – Amsterdam, 1959), der meistgelesene ungarische Schriftsteller in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und ein begeisterter Freund der Musik erfüllte sich seine Sehnsüchte und Träume mit ungezähl-ten Besuchen in den großen Konzert-häusern der Welt. Gemeinsam mit dem Personal der Kölner Philharmonie folgt das Klangforum Serti und seiner Gelieb-ten, der gefeierten Pianistin Cathérine de Selys. Während einer langen Kon-zertnacht werden uns die bizarren Abenteuer Sertis erzählt und mit der »Collection Serti« eine äußerst eigenar-tige Sammlung von Musikinstrumenten vorgestellt. Eine Reise voller Überra-schungen und neuer Erkenntnisse.
Kloing 2
IHR NÄCHSTES ABONNEMENT-KONZERT
MI01
Februar 20:00
Cappella Andrea Barca András Schiff Klavier und Leitung
Wolfgang Amadeus Mozart Konzert für Klavier und Orchester Nr. 9 Es-Dur KV 271 (1777)»Jeunehomme«
Franz Schubert Sinfonie Nr. 2 B-Dur D 125 (1814 – 15)
Ludwig van Beethoven Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5 Es-Dur op. 73 (1809)
Klassiker! 3
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Redaktion: Sebastian Loelgen
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Sonntag25.12.2011
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Weihnachten in der Kölner
PhilharmonieCordula Breuer Blockflöte Martin Sandhoff Flöte Christian Poltéra Violoncello
Werke von Marc-Antoine Charpentier, Carl Philipp Emanuel Bach, Antonio Vivaldi, Georg Philipp Telemann u. a.
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