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Andrea Kühn Das Joint-Venture als spezielle Form der internationalen Kooperation - Markterschließungsstrategie für den deutschen Mittelstand in Indien? Untersuchung der Motive, Gründung und Erfolgsfaktoren

Arbeitspapier Nr. 9 Bremen, Mai 2008

Impressum:

LEMEX-Lehrstuhl für Mittelstand, Existenzgründung und Entrepreneurship Prof. Dr. Jörg Freiling

und

Förderverein für Mittelstandsforschung e.V.

als Herausgeber der Reihe

„Bremer Arbeitspapiere zur Mittelstandsforschung“

Korrespondenzadresse:

LEMEX-Lehrstuhl für Mittelstand, Existenzgründung und Entrepreneurship

Fachbereich Wirtschaftswissenschaft

Universität Bremen

Wilhelm-Herbst-Straße 5

D-28359 Bremen

E-Mail: lemex@uni-bremen.de

www.lemex.uni-bremen.de

ISSN: 1612-6637

Copyright 2008

Bremer Arbeitspapiere zur Mittelstandsforschung

Eine Kooperation des Lehrstuhls für Mittelstand, Existenzgründung und Entrepreneurship

der Universität Bremen mit dem Förderverein für Mittelstandsforschung e.V., Bremen

Arbeitspapier Nr. 9

Andrea Kühn

Thema:

Das Joint-Venture als spezielle Form der internationalen Kooperation – Markterschließungsstrategie für den deutschen Mittelstand in Indien?

Untersuchung der Motive, Gründung und Erfolgsfaktoren

Bremen, Mai 2008

Mission der „Bremer Arbeitspapiere zur Mittelstandsforschung“

Grundlegende Motivation

Die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft hängt in maßgeblicher Weise von der mittel-

ständischen Wirtschaft ab. Im Gegensatz zu seiner volkswirtschaftlichen Bedeu-

tung wird der Mittelstand in der akademischen Diskussion nur selten adäquat be-

rücksichtigt. Der Förderverein für Mittelstandsforschung e.V., Bremen, sowie der

Lehrstuhl für Mittelstand, Existenzgründung und Entrepreneurship (LEMEX) der

Universität Bremen geben gemeinschaftlich eine Arbeitspapierreihe heraus, um

aktuelle Ergebnisse zu publizieren, die gleichermaßen forschungs- als auch pra-

xisrelevant sind. Beide Institutionen fühlen sich in besonderer Weise dem Standort

Bremen verbunden und beabsichtigen mit den „Bremer Arbeitspapieren zur Mit-

telstandsforschung“ zugleich eine regionale Förderung. Die Papiere werden zum

Teil in deutscher, zum Teil in englischer Sprache publiziert.

Die Träger der „Bremer Arbeitspapiere zur Mittelstandsforschung“

Förderverein für Mittelstandsforschung e. V., Bremen:

Zielsetzung des Fördervereins für Mittelstandsforschung e.V. ist es, regionale In-

formationen über die Situation des Mittelstandes aufzuarbeiten und gleichzeitig

wissenschaftliche Grundlagen für eine regionale Mittelstandspolitik erstellen zu

helfen. Der Förderverein versteht sich als ein Bindeglied zwischen mittelständi-

scher Unternehmenspraxis und Wissenschaft. Er schreibt u.a. den Studienpreis

für Mittelstandsforschung für herausragende wissenschaftliche Arbeiten (Diplom-,

Bakkalaureats-, Master- und Doktorarbeiten) aus, die auf den Mittelstand bezoge-

ne Themen zum Gegenstand haben.

Lehrstuhl für Mittelstand, Existenzgründung und Entrepreneurship, Bremen:

Der Lehrstuhl wurde zum 1.4.2001 als Stiftungsgastprofessur „Management mit-

telständischer Unternehmen im internationalen Geschäft“ besetzt und zum

10.1.2002 in einen dauerhaften Lehrstuhl des Fachbereichs 7 (Wirtschaftswissen-

schaft) der Universität Bremen umgewandelt. Die Stiftungsmittel für die Gastpro-

fessur wurden vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft bereitgestellt.

Der Lehrstuhl konzentriert sich auf die Mittelstands- und Gründungsforschung, auf

den Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis, auf die Identifikation for-

schungsrelevanter Themenstellungen in der Praxis sowie auf Lehrveranstaltungen

zu den genannten Themen in deutscher und englischer Sprache. Der Lehrstuhl

bietet mit dem Fach „Dienstleistungs-, KMU- und Gründungsmanagement“ eine

spezielle Betriebswirtschaftslehre für den mittelständischen Bereich an.

Geleitwort Indien ist im Aufbruch! Meldungen dieses Inhalts gehören seit einiger Zeit zu den

täglichen Nachrichten – nicht nur den Wirtschaftsmeldungen. Mittal kauft Europas

Stahlwerke, Tata erwirbt Jaguar und Land Rover. Firmen, die vor kurzem auf dem

europäischen Markt kaum bekannt waren, treten plötzlich als Global Player auf.

Einer von fünf Menschen auf unserem Planeten ist Inder. In Indien entsteht un-

übersehbar ein Zentrum der Forschung, Fabrikation und IT-Dienstleistungen. Zu-

sätzlich zu den vielen bereits gut ausgebildeten und Englisch sprechenden Ar-

beitskräften entwickelt sich auch ein riesiger Absatzmarkt für Investitions- und

Konsumgüter. Ferner gibt es seit mehr als 60 Jahren ein stabiles, politisches Sys-

tem – die größte und funktionierende Demokratie der Welt. Indien steigt trotz aller

Armutsprobleme der ländlichen Bevölkerung, trotz aller traditionellen Denkge-

wohnheiten, trotz noch hoher Analphabetenquote und trotz einer schwerfälligen,

korrupten Bürokratie beharrlich in den Kreis der potentiellen Weltmächte auf. Nach

der selbstbewussten Auffassung des indischen Premiers Manmohan Singh wird

das 21. Jahrhundert sogar „das indische Jahrhundert“ sein. Teils irritiert sieht die

Welt derzeit, dass auf dem indischen Subkontinent ein Riese herangewachsen ist,

der schon heute das ökonomische und politische Weltgeschehen mitbestimmt.

Indien tritt inzwischen als weltweiter Konkurrent von Ressourcen, Arbeitskräften

und Märkten auf.

Indien wird von Europa entdeckt – nach 500 Jahren erneut! So sehen einige Öko-

nomen und Historiker mit dem Beginn der europäischen Welteroberung auch den

Beginn der Globalisierung. 1498 hatte Vasco da Gama endlich den Seeweg nach

Indien gefunden, dem Land, mit bisher dem auf dem beschwerlichen, zeitrauben-

den Landweg der profitable Gewürzhandel durchgeführt wurde. Die eurozentri-

sche Sicht der Welt schuf zunächst und verfestigte später die Teilung der Welt in

Entwicklung und Unterentwicklung. Indien erlitt einen schweren Bedeutungsver-

lust. Erst im 19. Jahrhundert pries der amerikanische Schriftsteller Mark Twain

Indien als „das Land, das alle Menschen zu sehen wünschen“. Indische (Welt-)

Religionen beschäftigten europäische Theologen, Historiker und Philosophen. Erst

die wirtschaftlichen Notstandsmaßnahmen im Jahr 1990 und die darauf folgenden

marktwirtschaftlichen Reformen bildeten die Voraussetzungen für Indiens unglaub-

lichen, rasanten Sprung in die Weltökonomie des 21. Jahrhunderts. Unverständli-

cherweise ist aus deutscher Sicht der indische Markt durch deutsche Unterneh-

men bisher stark vernachlässigt worden. Der Blick richtet sich verstärkt auf China,

obwohl der im Rahmen der Globalisierung ständig wachsende Konkurrenzdruck

nationaler und internationaler Anbieter auch die mittelständischen Unternehmen

zum Eintritt in ausländische Märkte zwingt. Insbesondere werden internationale

Kooperationen als strategische Option nur selten als Möglichkeit genutzt.

In diesem Zusammenhang stellt die Arbeit von Frau Andrea Kühn einen wichtigen

Beitrag zum Grundverständnis internationaler Kooperation mit Blick auf Indien dar.

Sie setzt Orientierungspunkte für eine erfolgreiche Markterschließungsstrategie für

Mittelständler, wobei die Ursachen für das Scheitern bisheriger deutsch-indischer

Gemeinschaftsunternehmen und die Faktoren und Bedingungen für einen ge-

meinsamen Erfolg untersucht werden. Indien wird als Wirtschaftsraum vorgestellt,

um die wirtschaftlichen, rechtlichen, gesellschaftlichen und politischen Rahmen-

bedingungen für den deutschen Investor zu erkennen. Motive deutsch-indischer

Joint-Ventures und Gründungsprozesse werden analysiert und Gründe für das

Scheitern aber auch Erfolgsfaktoren aufgezeigt. Das Ziel schließlich, die Bedin-

gungen für eine erfolgreiche deutsch-indische Joint-Venture-Gründung heraus zu

arbeiten, wird schließlich überzeugend erreicht.

Als akademischer Betreuer dieser Diplomarbeit habe ich mich sehr gefreut, dass

Frau Andrea Kühn dafür den ersten Preis des Studienpreises 2007 des Bremer

Fördervereins für Mittelstandsforschung e.V. erhalten hat.

Weyhe, März 2008 Prof. Dipl. Georg Volker Hannemann

Vorwort

Die Charakterisierung des Mittelstandes als Herzblut oder als Rückgrat der Wirt-

schaft kennzeichnet dessen hohe Bedeutung für den Standort Deutschland und

damit auch eines meiner Motive für die nachfolgende Arbeit. Um diesem Rückgrat

auch in Zukunft ausreichend Tragfähigkeit zu verleihen, ist die Orientierung über

nationale Grenzen hinweg schlichtweg unverzichtbar geworden.

Deutsche Mittelständler sind zweifellos aktiv und erfolgreich im Ausland; reden wir

jedoch von einem Engagement auf dem asiatischen Kontinent, bleibt der Focus

auf China gerichtet. Verkannt wird dabei, dass Indien ebenfalls zu einer Wirt-

schaftsmacht herangewachsen ist und enorme Potenziale bietet. Vor kurzem wur-

de gar über die deutsch-indischen Wirtschaftsbeziehungen als eine Geschichte

der verpassten Gelegenheiten berichtet. Dem möchte ich mit meiner Arbeit entge-

gen wirken und eine Möglichkeit aufzeigen, wie die Erschließung des indischen

Marktes vorgenommen werden kann.

Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Hannemann für seine fachliche Unterstüt-

zung und Motivation, Herrn Prof. Dr. Herle als Zweitgutachter, dem German-Indian

Roundtable (GIRT), insbesondere Herrn Schröder von der Hako-Werke Internatio-

nal GmbH sowie Herrn Eberhardt von der Indian-German Consultancy Agency

(igca) GmbH.

Bremen, März 2008 Andrea Kühn

DIE AUTORIN

Andrea Kühn

Kantstr. 53

28201 Bremen

ankuehn@web.de

Kurzlebenslauf Frau Andrea Kühn beendete im Jahr 1996 ihre schulische Ausbildung mit dem

Abitur am „Johann-Heinrich-v.-Thünen-Gymnasium“ in Rostock. Nach der Ausbil-

dung zur Industriekauffrau bei einem Energieversorgungsunternehmen in Rostock

nahm sie im Zeitraum 1999/2000 am 16. Parlamentarischen Patenschaftspro-

gramm (Inwent) in den USA teil. Nach der Rückkehr erfolgte 2001 die Aufnahme

des Studiums der International Studies of Global Management an der Hochschule

Bremen, welches einen zweisemestrigen Auslandsaufenthalt in einem Schwellen-

land vorsieht. Das theoretische Auslandssemester absolvierte sie im Jahr 2003 an

der „Universidad Técnica Federico Santa María“ in Valparaíso, Chile. Im An-

schluss realisierte sie das praktische Auslandssemester als Projektassistentin in

einer chilenischen Unternehmensberatung in Viña del Mar. Das Studium schloss

sie im Jahr 2006 mit Auszeichnung mit der Erlangung des Grades Diplom-

Kauffrau (FH) ab.

Nach zweijähriger Beschäftigung im strategischen und operativen Einkauf, arbeitet

Frau Kühn seit April 2008 im Rahmen des Führungskräftenachwuchsprogramms

bei einem führenden Bremer Logistikunternehmen.

Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ................................................................................... IV Tabellenverzeichnis ........................................................................................ IV Abkürzungsverzeichnis ...................................................................................V 1. EINLEITUNG......................................................................................................... 1 1.1 Problemstellung und Zielsetzung............................................................. 1

1.2 Aufbau der Arbeit und Vorgehensweise .................................................. 2

1.3 Begriffsabgrenzung: mittelständische Unternehmen ............................... 3

2. INTERNATIONALE KOOPERATIONEN .............................................................. 4 2.1 Begriffsklärung und Merkmale ................................................................. 4

2.2 Klassifizierung internationaler Kooperationen.......................................... 6

2.2.1 Kapitalbeteiligung .................................................................................... 6

2.2.2 Kooperationsrichtung............................................................................... 7

2.2.3 Kooperationsgegenstand......................................................................... 8

2.3 Motive und Ziele ...................................................................................... 9

2.4 Die Transaktionskostentheorie als Erklärungsansatz für

internationale Kooperationen................................................................. 13

2.4.1 Transaktion und Transaktionskosten..................................................... 14

2.4.2 Grundannahmen und Einflussgrößen.................................................... 15

2.4.3 Kritik ....................................................................................................... 18

2.5 Internationale Kooperationen ohne Kapitalbeteiligung .......................... 18

2.5.1 Übertragung schlüsselfertiger Anlagen.................................................. 18

2.5.2 Managementverträge............................................................................. 19

2.5.3 Lizenzverträge ....................................................................................... 20

2.5.4 Franchising ............................................................................................ 21

2.6 Internationale Kooperationen mit Kapitalbeteiligung: Joint-Venture ...... 22

2.6.1 Überblick................................................................................................ 22

2.6.2 Definition................................................................................................ 24

2.6.3 Phasen in der Joint-Venture Entwicklung .............................................. 26

2.6.4 Vorteile................................................................................................... 27

2.6.5 Probleme und Risiken............................................................................ 28

I

3. INDIEN ALS WIRTSCHAFTSRAUM .................................................................. 30 3.1 Der Reformprozess................................................................................ 32

3.1.1 Ursachen ............................................................................................... 32

3.1.2 Maßnahmen........................................................................................... 35

3.2 Politische Rahmenbedingungen ............................................................ 38

3.3 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen .................................................... 41

3.3.1 Wirtschaftliche Entwicklung ................................................................... 41

3.3.2 Wirtschaftsstruktur ................................................................................. 42

3.3.3 Außenwirtschaft ..................................................................................... 45

3.4 Rechtliche Rahmenbedingungen........................................................... 46

3.5 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen ................................................ 48

3.6 Stärken und Potentiale .......................................................................... 51

3.7 Schwächen und Problembereiche ......................................................... 54

4. DEUTSCH-INDISCHE JOINT-VENTURES......................................................... 58 4.1 Investitionsklima .................................................................................... 58

4.2 Bestandsaufnahme der deutsch-indischen Joint-Ventures.................... 61

4.3 Motive der Joint-Venture Partner ........................................................... 64

4.3.1 Motive der deutschen Unternehmen...................................................... 64

4.3.2 Motive der indischen Unternehmen ....................................................... 67

4.4 Interkulturelle Einflussfaktoren............................................................... 69

4.5 Gesetzliche Rahmenbedingungen......................................................... 73

4.5.1 Institutionen ........................................................................................... 75

4.5.2 Genehmigungsverfahren ....................................................................... 76

4.5.3 Gesellschaftsformen .............................................................................. 77

4.6 Gründungsprozess ................................................................................ 78

4.6.1 Partnerwahl............................................................................................ 79

4.6.1.1 Die Suche nach einem geeigneten Partner und Kontaktaufnahme....... 80

4.6.1.2 Anforderungskriterien und Erwartungen ................................................ 82

4.6.1.3 Evaluation und Selektion ....................................................................... 84

4.6.2 Der Verhandlungsprozess ..................................................................... 85

4.6.2.1 Vorbereitung .......................................................................................... 86

4.6.2.2 Ablauf..................................................................................................... 87

4.6.3 Die Vertragsgestaltung .......................................................................... 89

4.6.3.1 Allgemeiner Aufbau ............................................................................... 89

4.6.3.2 Die Inhalte im Einzelnen ........................................................................ 90

II

4.7 Gründe für das Scheitern von Joint-Ventures und

Erfolgsfaktoren....................................................................................... 94

4.7.1 Unzulängliche Vorbereitung................................................................... 94

4.7.2 Nicht ausreichende Berücksichtigung der indischen Mentalität............. 96

4.7.3 Unsystematische Partnerwahl ............................................................... 97

4.7.4 Divergierende Zielvorstellungen ............................................................ 98

4.7.5 Streit über Kompetenzverteilung und Unternehmensführung................ 99

4.7.6 Mangelnde Kooperationsbereitschaft .................................................. 100

4.7.7 Misstrauen ........................................................................................... 101

4.8 Zweckmäßigkeit des Joint-Ventures im Vergleich mit anderen

Formen der Markterschließung am Beispiel 100%ige Tochter-

gesellschaft .......................................................................................... 102

5. FALLBEISPIEL: HAKO-WERKE INTERNATIONAL GMBH, BAD OLDESLOE......................... 105 5.1 Unternehmensprofil ............................................................................. 105

5.2 Motivation für ein Engagement in Indien.............................................. 107

5.3 Die Entscheidung für ein Joint-Venture und die Partnerwahl .............. 109

5.4 Vertragsgestaltung............................................................................... 110

5.5 Problembereiche und Konfliktpotential ................................................ 112

5.6 Ergebnisse........................................................................................... 114

5.7 Erfolgsfaktoren..................................................................................... 114

6. FAZIT................................................................................................................. 117 LITERATURVERZEICHNIS .............................................................................. 120

III

Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Beispiele von Kooperationen nach dem Kriterium Kooperationsgegenstand......... 9

Abb. 2: Bedeutung der Allianzmotive................................................................................ 11

Abb. 3: Einflussfaktoren in der Transaktionskostentheorie ............................................... 15

Abb. 4: Kooperationsformen zwischen Macht und Hierarchie .......................................... 29

Abb. 5: Staatsflagge Indien............................................................................................... 30

Abb. 6: Emblem Indien...................................................................................................... 30

Abb. 7: Landkarte Indien................................................................................................... 30

Abb. 8: Indiens Anteil am Welthandel von 1948 bis 1991................................................. 33

Abb. 9: Sitzverteilung in der 14. Lok Sabha...................................................................... 40

Abb. 10: Wirtschaftswachstum von 1990/91 bis 2005/06 ................................................. 41

Abb. 11: Sektorale Verteilung, 1990/91 und 2004/05 ....................................................... 44

Abb. 12: Regionale Disparitäten, dargestellt am BIP pro Kopf ......................................... 50

Abb. 13: Entwicklung FDI von 1991/92 bis 2004/05 ......................................................... 60

Abb. 14: Entwicklung Joint-Ventures von 1981 bis 2002.................................................. 61

Abb. 15: Höhe der Kapitalbeteiligung ............................................................................... 63

Abb. 16: Höchstbeteiligungsgrenzen in div. Sektoren....................................................... 75

Abb. 17: Phasen der Joint-Venture Gründung.................................................................. 79

Abb. 18: Eckpunkte des Joint-Venture Vertrages ............................................................. 91

Abb. 19: Strukturen der HAKO Holding GmbH & Co.KG................................................ 106

Abb. 20: Umsatz nach Regionen 2004, gesamt 321 Mio. EUR ...................................... 107

Abb. 21: Gründung Roots Multiclean Ltd. ....................................................................... 110

Abb. 22: Roots Multiclean Ltd. in Coimbatore, Tamil Nadu ............................................ 116

Tabellenverzeichnis Tab. 1: Beispiele von Kooperationen nach dem Kriterium Kooperationsrichtung ............... 8

Tab. 2: Datenblatt Indien................................................................................................... 31

Tab. 3: Regionale Disparitäten, dargestellt an diversen sozialen Indikatoren .................. 51

IV

Abkürzungsverzeichnis Abb. Abbildung

ADB Asian Development Bank

AG Aktiengesellschaft

ASEAN Association of South East Asian Nations

bfai Bundesagentur für Außenwirtschaft

BIP Bruttoinlandsprodukt

BJP Bharatiya Janata Party

BPO Business Process Outsourcing

Bsp. Beispiel

bzw. beziehungsweise

ca. circa

CPI Communist Party of India

CPM Communist Party of India-Marxist

DB Deutsche Bank

DEG Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft

d.h. das heißt

DIHK Deutsch-Indische Handelskammer

DIPP Department of Industrial Policy and Promotion

div. diverse

EPZ Export Processing Zones

etc. et cetera

EOU Export Oriented Unit

EUR Euro

e.V. eingetragener Verein

evt. eventuell

F&E Forschung und Entwicklung

f. folgende

ff. fortfolgende

FDI Foreign Direct Investment

FERA Foreign Exchange Regulation Act

FIIA Foreign Investment Implementation Authority

FIPB Foreign Investment Promotion Board

gesch. geschätzt

V

GIRT German-Indian Roundtable

GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GOI Government of India

GuV Gewinn und Verlust

HPCL Hindustan Petroleum Corporation Ltd.

Hrsg. Herausgeber

IBM International Business Machines

igca Indian-German Consultancy Agency

IMF International Monetary Fund

INC Indian National Congress

INR Indische Rupie

IP&ID Investment Promotion and Infrastructure Development

ISO International Standardisation Organisation

IST Indian Standard Time

IT Informationstechnologie

km2 Quadratkilometer

KMU Kleinere und mittlere Unternehmen

LKW Lastkraftwagen

LOI Letter of Intent

lt. laut

Ltd. Limited

Mio. Millionen

MNC Multinational Company

MOU Memorandum of Understanding

Mrd. Milliarden

NCMP National Common Minimum Program

NDA National Democratic Alliance

o.g. oben genannt

o.V. ohne Verfasser

RBI Reserve Bank of India

rd. rund

S. Seite

SAARC South Asian Association for Regional Co-operation

SCT Scheduled Castes and Tribes

VI

SEZ Special Economic Zones

SIA Secretariat for Industrial Assistance

u.a. und andere, unter anderem

UNCTAD United Nations Conference on Trade and Development

UPA United Progressive Alliance

USA United States of America

USD Dollar

usw. und so weiter

u.U. unter Umständen

vgl. vergleiche

VR Volksrepublik

vs. versus

WTO World Trade Organization

z.B. zum Beispiel

zit. n. zitiert nach

z.T. zum Teil

VII

1. EINLEITUNG

1.1 Problemstellung und Zielsetzung

Es ist längst kein Geheimnis mehr: Die zukünftigen globalen Wachstumsmärkte

liegen in Asien! Dennoch scheint derzeit Asien als attraktiver Investitionsstandort

nicht über China hinauszureichen. Auf der Suche nach einem geeigneten Diplom-

arbeitsthema war die massive Vernachlässigung des indischen Marktes durch

deutsche Unternehmen geradezu augenscheinlich. Liest man in der Presse dann

doch über ein Indien-Engagement; dann fast immer in Verbindung mit großen

Namen, wie Siemens, Thyssen-Krupp, Bosch oder BMW. Ohne Zweifel stellt die

Internationalisierung für die meisten mittelständischen Unternehmen, dem oft zi-

tierten „Herzblut der deutschen Wirtschaft“, ein schwieriges Unterfangen dar.

Dennoch zwingt zunehmender Konkurrenzdruck nationaler und internationaler

Anbieter auch diese Firmen zum Eintritt in ausländische Märkte. Doch vielfach

befinden sich diese auf Grund einer restriktiven Ressourcensituation gegenüber

Großunternehmen in einer nachteiligen Position und sind daher gar nicht in der

Lage eine autonome Markterschließung vorzunehmen. Trotzdem werden interna-

tionale Kooperationen als strategische Option für einen Markteintritt bislang ver-

halten genutzt. Daher soll im Rahmen dieser Arbeit ein Grundverständnis zu die-

sem Thema geschaffen werden. Des Weiteren soll eine Diskussion der indischen

Rahmenbedingungen erfolgen, um den Subkontinent als Investitionsumfeld zu

beleuchten.

Zudem müssen sich Mittelständler vielfach dem Vorwurf stellen, sich bislang zu

sehr auf ihr Bauchgefühl als auf eine Strategie zu verlassen.1 Ziel dieser Arbeit ist

es deshalb, Orientierungspunkte für eine erfolgreiche Markterschließungsstrategie

zu markieren. Dies schließt die Identifikation von Ursachen für das Scheitern

deutsch-indischer Gemeinschaftsunternehmen und Faktoren als Bedingung für

den gemeinsamen Erfolg ein. Ergebnis dieser Arbeit soll die Beantwortung der

Frage sein, ob das Joint-Venture für ein mittelständisches Unternehmen eine ge-

eignete Markteintrittstrategie darstellt.

1 vgl. Leendertse, 2005, S.80

1

1.2 Aufbau der Arbeit und Vorgehensweise

Zur Beantwortung dieser Problemstellung erfolgt im Anschluss an eine kurze Ein-

leitung zunächst im zweiten Teil die Einbettung des Themas in einen theoreti-

schen Rahmen. Dabei wird der Kooperationsbegriff erläutert und der Transakti-

onskostenansatz, der die Entstehung von internationalen Kooperationen grund-

sätzlich klärt, diskutiert. Nach der anschließenden Vorstellung verschiedener Ko-

operationsformen ohne Kapitalbeteiligung, schließt dieser Teil mit der Einführung

des Joint-Ventures als Kooperationsform mit Kapitalbeteiligung ab. Der dritte Teil

behandelt Indien als Wirtschaftsraum und dient zur Klärung der politischen, wirt-

schaftlichen, rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für den aus-

ländischen Investor. Die in den vorherigen Teilen geschaffenen Grundlagen wer-

den im vierten Teil, der deutsch-indische Joint-Ventures thematisiert, zusammen-

geführt. Hierbei werden insbesondere die Motive der Partner aufgegriffen und das

Gründungsprozedere eines Joint-Ventures untersucht. Nachfolgend werden Grün-

de für das Scheitern und Erfolgsfaktoren aufgezeigt. In Teil fünf verdeutlicht das

Fallbeispiel der HAKO-Werke International GmbH, Bad Oldesloe, die Erfahrungen

eines mittelständischen Unternehmens in Indien, die 1993 den Markteintritt in

Form eines Joint-Ventures wagten. Die Ergebnisse dieser Arbeit werden im sechs-

ten Teil, dem Fazit, dargestellt.

Neben dem intensiven Studium von Literaturquellen und Reporten der indischen

Regierung sowie internationaler Organisationen erfolgte für die Untersuchung der

Problemstellung die mehrmalige Teilnahme am German-Indian Roundtable (GIRT)

in Hamburg, einem Forum für mittelständische Unternehmen in Indien. Des Weite-

ren wurden Einzelinterviews mit Rechtsanwalt Jan Eberhardt von der Indian-

German Consultancy Agency (igca) GmbH und Herrn Rüdiger Schröder, dem Ge-

schäftsführer der HAKO-Werke International GmbH geführt.

2

1.3 Begriffsabgrenzung: mittelständische Unternehmen

Im Rahmen dieser Arbeit werden lediglich mittelständische Unternehmen, nicht

aber Großunternehmen berücksichtigt. Seit 1. Januar 2005 empfiehlt die Europäi-

sche Kommission Unternehmen mittlerer Größe als solche zu klassifizieren, wenn

diese bis zu 250 Beschäftigten, einen Jahresumsatz von bis zu 50 Mio. EUR und

eine Bilanzsumme von bis zu 43 Mio. EUR aufweisen.2

Dennoch kann keinesfalls von einer einheitlichen Durchsetzung dieser Empfeh-

lung gesprochen werden. Demnach definiert Hr. Rüdiger Schröder, der Geschäfts-

führer der HAKO-Werke International GmbH, ein mittelständisches Unternehmen

bis zu einem Umsatz von 500 Mio. EUR.

In dieser Arbeit soll auf die Definition nach Quack zurückgegriffen werden, wenn

von mittelständischen Unternehmen die Rede ist. Diese umfassen 50 bis 500 Be-

schäftigte und einen Jahresumsatz von bis zu 50 Mio. EUR als qualitative Merk-

male.3

2 European Commission, 2005 3 vgl. Quack, 2000, S.13f.

3

2. INTERNATIONALE KOOPERATIONEN

2.1 Begriffsklärung und Merkmale

Nach einer Periode der Nichtbeachtung konnte das Thema Kooperation als For-

schungsgegenstand in der Betriebswirtschaftslehre seit der zweiten Hälfte der

80er Jahre einen enormen Interessenzuwachs verzeichnen.4

Das Phänomen der Kooperation jedoch ist nicht neu: „Bereits das Römische

Recht kannte die Partnerschaft zur Realisierung eines bestimmten Vorhabens o-

der einer Transaktion“5. Seit dieser „Renaissance“ sind zahlreiche Veröffentlichun-

gen diverser Autoren erschienen, in denen der Versuch einer einheitlichen Defini-

tion unternommen wurde. Dies ist bisher nicht gelungen und so existiert in der

Literatur ein Kontinuum, an dessen Extrema jeweils eine eng und eine weit ge-

fasste Auslegung des Kooperationsbegriffes stehen. Eine großzügige Interpretati-

on stellt die Definition von Quack dar, der „jede Form der Zusammenarbeit von

Personen und Institutionen im Wirtschaftsleben als Kooperation“6 bezeichnet. Im

Gegensatz dazu grenzt Sell den Kooperationsbegriff wie folgt ein:

• „Eine zwischenbetriebliche Zusammenarbeit, zwischen mindestens zwei recht-

lich und wirtschaftlich, in den von der Kooperation nicht betroffenen Gebieten,

selbstständigen Unternehmen,

• zur gemeinsamen Durchführung von Aufgaben,

• die in der Regel auf mittlere bis längere Frist angelegt ist“7.

Einige Autoren, z.B. Bidlingmaier, sehen zusätzlich die Notwendigkeit einer expli-

ziten Vereinbarung als Voraussetzung für das Entstehen einer Kooperation.8

4 Balling, 1998, S.6 5 Taubman,1956, zit.n. Balling, 1998, S.29 6 Quack, 2000, S.10 7 Sell, 2002, S.3

4 8 vgl. Bidlingmaier, 1967, S.357

Um den internationalen Bezug herzustellen, wird der Begriff in Anlehnung an die

o.g. Definition um ein weiteres Kriterium erweitert. Die internationale Kooperation

ist demnach eine „grenzüberschreitende auf stillschweigenden oder vertrag-lichen Vereinbarung beruhende Zusammenarbeit zwischen mindestens zwei rechtlich selbstständigen und in den nicht von der Kooperation betroffenen Bereichen auch wirtschaftlich nicht voneinander abhängigen Unternehmen zur gemeinsamen Durchführung und Koordination von Aufgaben, die in der Regel auf mittlere bis längere Frist angelegt ist“9.

„Grenzüberschreitend“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die betroffenen

Unternehmen ihren Hauptsitz in verschiedenen Ländern haben. „Stillschweigende

oder vertragliche Vereinbarung“ bedeutet, dass die Zusammenarbeit bewusst her-

beigeführt und explizit vereinbart wird und nicht auf zufälliger Basis geschieht, da

sonst kein „aktives und zielgerichtetes Zusammenwirken vorliegt“10. Die Wahrung

der rechtlichen Selbstständigkeit bewirkt eine zwischenbetriebliche Zusammenar-

beit, d.h. zwischen und nicht innerhalb der Unternehmen.

Der Verweis auf die wirtschaftliche Unabhängigkeit ist von Belang, da dieser die

Abgrenzung zur Konzentration (Bsp. Fusion, Akquisition) verdeutlicht. „Die Kon-

zentration unterscheidet sich (…) von der Kooperation dadurch, dass eine dauer-

hafte wirtschaftliche Verbindung unter einer einheitlichen Leitung hergestellt

wird“11. Das Kriterium der Dauer als Voraussetzung wird unterschiedlich bewertet.

Während einige Verfasser, z.B. Quack, von einer längerfristigen und kontinuierli-

chen Zusammenarbeit, die nicht auf einzelne Geschäftsvorgänge beschränkt ist,

ausgehen12, sehen andere eine dauerhafte Verbindung als nicht zwingend not-

wendig an. So relativiert Sell dieses Merkmal durch den Zusatz „in der Regel“ in

seiner o.g. Definition.

9 Straatmann, 2000, S.23f. 10 Schneider, 1973, S.43 11 Benisch, 1972, S.152 12 vgl. Quack, 2000, S.11

5

2.2 Klassifizierung internationaler Kooperationen

Zwischenbetriebliche Kooperationen können nach einer Reihe von Kriterien klassi-

fiziert werden, wie z.B. nach der Kapitalbeteiligung, der Kooperationsrichtung, Ko-

operationsgegenstand, Kooperationsdauer, Anzahl der Partner, Rechtsform etc.13,

da bislang eine einheitliche Systematisierung fehlt. In dieser Arbeit soll lediglich

auf drei der o.g. Möglichkeiten eingegangen werden

2.2.1 Kapitalbeteiligung

Es ist möglich, internationale Kooperationen sowohl ohne als auch mit kapitalmä-

ßigem Einsatz einzugehen. Unter Kooperationen ohne Kapitalbeteiligung werden

die verschiedenartigsten Ausprägungen von Vertragsgestaltungen verstanden, die

die Notwendigkeit von besonderen Absprachen einschließen und über den reinen

Kauf am anonymen Markt hinausgehen.14 Zu dieser Form gehören Verbundge-

schäfte, die Übertragung schlüsselfertiger Anlagen, Management- und technische

Beratungsverträge, Lizenzverträge, das Franchising und die internationale Kopro-

duktion.

Bei Kooperationen mit Kapitalbeteiligung handelt es sich um Minder- und Mehr-

heitsbeteiligungen. Joint-Ventures werden ebenfalls zu dieser Gruppe gezählt.

Kutschker konstatiert, dass „tendenziell die Bindungsintensität zwischen Koopera-

tionspartnern von den nicht-vertraglichen Bindungen zu den Kapitalbeteiligten hin

zunimmt, da das in die Kooperation eingebrachte und zu erhaltende Kapital das

Eigeninteresse an einem kooperativen Wohlverhalten stärkt“15.

13 vgl. Hirschmann, 1998, S.27 14 vgl. Straatmann, 2000, S.38

6 15 Kutschker, 1994, S.125

2.2.2 Kooperationsrichtung

Die Klassifizierung nach der Kooperationsrichtung ist das am häufigsten verwen-

dete Klassifizierungskriterium. Demnach unterscheidet man zwischen horizonta-

len, vertikalen und diagonalen Kooperationen.

Horizontale Kooperationen beziehen sich auf die Zusammenarbeit von Unterneh-

men, die sich auf der gleichen Stufe der Wertschöpfungskette befinden und dem-

nach auch miteinander im Wettbewerb stehen. Die Ausnutzung von Größende-

gressionseffekten, die gemeinsame Realisierung von F&E Aktivitäten und die Er-

reichung von Wettbewerbsvorteilen gegenüber Dritten werden als Antriebskräfte

für diese horizontale Ausrichtung der Zusammenarbeit verstanden16.

Vertikal kooperierende Unternehmen sind solche, die auf vor- bzw. nachgelager-

ten Wirtschaftsstufen zusammenwirken. „Vertikale Kooperationen werden zwi-

schen dem Nachfrager und seinen Beschaffungsquellen gebildet“17.

Lateral bzw. diagonal forcierte Kooperationen werden zwischen Unternehmen ver-

schiedener Branchen geschlossen. Derartige Kooperationen sind eine attraktive

Alternative für Unternehmungen, die auf stark konvergierenden Märkten agieren,

da Produkte und Leistungen als Einheit gebündelt angeboten werden können.

Die Befragung von Quack, zeigt, dass mit etwa 64 % Kooperationen von Unter-

nehmen, die auf einem verwandten Geschäftsfeld tätig sind (horizontale Allianzen)

gegenüber vertikalen (34 %) und Allianzen mit Unternehmen aus anderen Ge-

schäftsfeldern (2 %) bevorzugt werden.18

16 vgl. Wrona/Schell, 2003, S.316 17 Berg, 1981, S.73 18 vgl. Quack, 2000, S.56

7

Tab. 1: Beispiele von Kooperationen nach dem Kriterium Kooperationsrichtung

Horizontal Vertikal Diagonal

gemeinsame F&E langfristige Verträge mit

Zulieferern

gemeinsame Werbe- und Ver-

triebsmaßnahmen

branchenfremder

Unternehmen

Koproduktion von

Komponenten

Abschluss von Verträgen

eines Autoherstellers mit

Vertragswerkstätten

gemeinsames Grundlagenfor-

schung zwischen Automobil- und

Flugzeugherstellern

gemeinsamer Vertrieb

Übergabe des Kunden-

dienstes an andere

Unternehmen

Abschluss von Verträgen eines

Autoherstellers mit Versicherungs-

unternehmen

Quelle: Eigene Darstellung, auf der Grundlage von Sell, 2002, S.18f.

2.2.3 Kooperationsgegenstand

Als weiteres Klassifizierungskriterium eignet sich der Kooperationsgegenstand.

Schubert/Küting sind der Auffassung, dass „jede betriebliche Teilaufgabe Gegens-

tand der Kooperation sein“19 kann, da jeder Unternehmensbereich zum Erfolg bei-

trägt. Normalerweise wird die Zusammenarbeit jedoch auf einen oder wenige be-

triebliche Sektoren beschränkt. Eine empirische Untersuchung aus dem Jahr 1999

ergab, dass mittelständische Unternehmen besonders häufig in den Bereichen

Absatz/Vertrieb (74,8%) und Produktion, einschließlich F&E (54,5%), kooperie-

ren.20

19 Blohm, 1969, Sp. 892, zit. n. Schubert/Küting, 1981, S.130

8 20 vgl. Zentes/Swoboda, 1999, S.51

Abb. 1: Beispiele von Kooperationen nach dem Kriterium Kooperationsgegenstand

Verwaltung und Personalwe-sen - Zusammenarbeit im Rechnungs- wesen - Inkassogemeinschaften - Zusammenarbeit bei Kredit- beschaffung und -sicherung - Zusammenarbeit in Aus- und Fortbildung

Produktion - Gemeinschaftliche Forschung und Entwicklung - Zusammenarbeit bei der Normung und Typung - Gemeinschaftliche Benutzung von Produktionsanlagen - Gemeinschaftlicher Kunden- und Reparaturdienst

Einkauf - Einkaufsgemeinschaften - Gemeinschaftliche Beschäftigung von Einkäufern

Beschaffung und Auswertung von Informationen - Erfahrungs- und Meinungsaustausch - Marktinformationsverfahren - Gemeinschaftliche Marktforschung und Markterkundung - Konjunktur- u. Marktstrukturanalysen - Betriebs- u. Branchenvergleiche - Kalkulationsschema

KOOPERATIONSGEGENSTAND

Absatz - Gemeinschaftlicher Verkauf - Gemeinschaftliche Werbung - Gütezeichengemeinschaften - Transport- u. Lagergemeinschaften

Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Balling, 1998, S.45

2.3 Motive und Ziele

Ohne Zweifel haben sich die unternehmerischen Rahmenbedingungen in den letz-

ten 20 Jahren rasant entwickelt und stellen somit veränderte Wettbewerbsanforde-

rungen an die Unternehmen. Als Ursachen werden u.a. die Globalisierung, die

drastische Reduzierung der Produkt- und Technologielebenszyklen sowie die

gleichzeitig steigenden Entwicklungskosten, die zunehmende Wettbewerbsintensi-

tät und die rasch wechselnden Kundenbedürfnisse angeführt.21 Die Sättigung und

der zunehmende Konkurrenzdruck durch in- und ausländische Anbieter auf natio-

nalen Märkten bewegen Unternehmen zum Eintritt in Auslandsmärkte. Probleme

ergeben sich für mittelständische Unternehmen insbesondere auf Grund von Res-

sourcenrestriktionen, z.B. eingeschränkte Ausstattung mit Eigen-kapital, schwieri-

ge Beschaffung von Fremdkapital, begrenzte Personalkapazität und der Mangel

an Management-Techniken sowie Auslandserfahrung.22 Prinzipiell befinden sich

Unternehmen kleiner und mittlerer Größe im Prozess der Internationalisierung we-

9

21 vgl. Rotering, 1992, S.1 22 vgl. Rumer, 1994, S.32

gen der o.g. Umstände in einer nachteiligen Position gegenüber Großunterneh-

men.23

Diese Rahmenbedingungen begünstigen nicht nur, sondern zwingen vielmehr die

mittelständischen Unternehmen, internationale Kooperationen als Strategie zur

Überwindung dieser Schwächen und zur langfristigen Sicherung der Wettbewerbs-

fähigkeit zu prüfen. Zahlreiche empirische Studien untersuchen die Motive für das

Eingehen von grenzüberschreitenden Kooperationen. Als grundsätzliche An-

triebsmomente lassen sich jedoch die Erschließung von Märkten, der Zugang zu

Ressourcen, die Ausnutzung von Kosten- sowie Zeitvorteilen identifizieren. In ihrer

empirischen Studie über die „Motive und Erfolgsgrößen internationaler Kooperati-

on mittelständischer Unternehmen“ aus dem Jahr 1999 stellen Zentes / Swoboda

die „Erschließung neuer Absatzmärkte, die Sicherung bzw. Ausweitung bestehen-

der Absatzmärkte, die Nutzung von Kostenvorteilen und die Erzielung länderspezi-

fischen Know-hows“24 als wichtigste Kooperationsmotive fest.

Zentes / Swoboda betonen, dass kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) Ko-

operationen als Möglichkeit zur Ressourcensubstitution nutzen: “je geringer also

die Ressourcen der KMU sind, desto stärker suchen sie eine Kompensation in in-

ternationalen strategischen Kooperationen“24. Dennoch kommen die beiden Auto-

ren zu dem Ergebnis, dass den o.g. ressourcenunabhängigen Motiven eine weit-

aus größere Bedeutung zukommt.

Dem widerspricht die Verfasserin dieser Arbeit, da alle der genannten Motive zu-

mindest mittelbar von der Ressourcenausstattung des jeweiligen Unternehmens

abhängen. Ebenfalls Lubritz sieht die eingeschränkte Ressourcenverfügbarkeit als

Motiv für die Aufnahme einer internationalen Kooperation. Des Weiteren betont er

in diesem Zusammenhang, dass die Erschließung ausländischer Märkte in Koope-

ration mit einem Partnerunternehmen insbesondere für KMU geeignet sind, da

diese oft nicht den hohen Ressourcenanforderungen, die eine autonome Er-

schließung mit sich bringt, gewachsen sind.25

23 vgl. Zentes/Swoboda, 1999, S.57 24 Zentes/Swoboda, 1999, S.57

10 25 vgl. Lubritz, 1996, S.34f.

Abb. 2: Bedeutung der Allianzmotive

88,8

76,5

72,4

71,4

64,3

64,2

62,2

59,8

58,8

56,7

41,9

41,8

23,5

15,5

1,0

9,2

17,3

9,2

14,3

13,3

15,3

18,6

12,4

19,6

7,1

13,3

8,2

7,2

10,2

14,3

10,2

19,3

21,4

22,5

22,4

21,7

28,9

23,7

51,0

44,9

68,3

77,3

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Vermeidung von Investitionsrestriktionen

Verbesserung der Rohstoffversorgung

Reaktion auf Konkurrenz

Sicherung/Ausweitung best. Beschaffungsmärkte

Zugang zum technischen Know-how

Risikoreduzierung

Nutzung von Ressourcen

Erschliessung neuer Beschaffungsmärkte

Gewinnung von Auslandserfahrung

Gewinnung von Zeitvorteilen

Nutzung von Kostenvorteilen

Erzielung von länderspezifischen Know-how

Sicherung/Ausweitung best. Absatzmärkte

Erschliessung neuer Absatzmärkte

keine/geringe Bedeutung mittlere Bedeutung hohe/sehr hohe Bedeutung

1 2 3 4 5

4,07

3,77

3,16

3,05

2,51

2,37

2,34

2,24

2,20

2,15

1,11

1,85

1,85

1,51

Mittelwert

Quelle: Eigene Darstellung, auf der Grundlage von Zentes/Sowboda, 1999, S.52

Wrona/Schell identifizieren als Antriebsmomente den Zugriff auf Ressourcen (Ver-

triebskanäle, Produktionsstätten, Lagerräume) sowie auf das länderspezifische

Know-how.26 Darüber hinaus sieht Sell in einem Ressourcenpool der beteiligten

Unternehmen, die Chance, zügig und kostengünstig die Erschließung regional

neuer Märkten zu betreiben.27 Unternehmen versuchen mit dem Eingehen einer

Kooperation ein bestimmtes Ziel, wie z.B. den Eintritt in einen unbekannten Markt,

gemeinsam mit einem Partner besser und/oder schneller als im Alleingang reali-

sieren zu können. Übergeordnetes Ziel einer internationalen Kooperation ist die

Erreichung eines „Joint Competitive Advantage“28 und beabsichtigt die nachhaltige

Stärkung und Verbesserung der eigenen Wettbewerbsposition der Partnerunter-

nehmen. Eine grobe Einteilung ergibt folgende Zielkategorien: Wirtschaftlichkeits-

und Rentabilitätserhöhung, Ertragssteigerung, Kostensenkung und Risikominde-

rung.29

26 Wrona/Schell, 2003, S.318 27 vgl. Sell, 2002, S.88f. 28 Lubritz, 1996, S.37 29 vgl. Staudt/Kriegesmann/Behrendt, 1996, S. 924

11

In Anlehnung an Porter/Fuller identifiziert Morschett folgende Ziele:30

• Erzielung von Skalenvorteilen („Economies of Scale“) und Lernkurven- effekten

Kooperationen werden gegründet, um Kostendegressionen zu erreichen, indem

z.B. Produktionskapazitäten gemeinsam genutzt oder Fixkosten anteilig getra-

gen werden. Bei Lernkurveneffekten handelt es sich um Kostersparnisse, die

mit der kumulierten Ausbringungsmenge im Zeitablauf (nicht während einer be-

stimmten Periode) einhergehen, die auf das Prinzip „learning-by-doing“ zurück-

gehen. Auf Grund größerer Volumina können diese Effekte in einer Kooperation

schneller erreicht werden.31

• Zugang zu notwendigen Fähigkeiten und Fachkenntnissen Es wird unterstellt, dass die Partner über ein unterschiedliches Niveau an

Know-how verfügen. Entweder wird ein Unternehmen versuchen, fehlendes

Wissen durch die Kenntnisse des Partners zu kompensieren oder es handelt

sich um komplementäre Fähigkeiten, die die Parteien gebündelt einsetzen.

• Verringerung der Risiken Um Fehlschläge zu vermeiden und Risiken zu reduzieren, gehen Unternehmen

Kooperationen ein. So streben z.B. Unternehmen, die zum ersten Mal ein En-

gagement im Ausland oder die Erschließung eines neuen Marktes planen,

Partnerschaften mit bereits auslandserfahrenen Unternehmen an.32

• Einflussnahme auf den Wettbewerb Hierbei handelt es sich um die mögliche Beeinflussung der Marktstrukturen

durch Kooperationen, z.B. die Durchsetzung von entwickelten Technologien als

Standard. Dies trifft jedoch aus Gründen der fehlenden Bedeutung nur begrenzt

auf mittelständische Unternehmen zu.32

30 vgl. Morschett, 2003, S.392 31 vgl. Hirschmann, 1998, S.21; Kutschker/Schmid, 2005, S.427; Hill, 1998, S.363; Lubritz, 1996, S.38

12 32 vgl. Lubritz, 1996, S.38f.

• Umgehung von Handelshemmnissen Durch Kooperationen können tarifäre (Zölle) und nicht-tarifäre Handelsbarrie-

ren, z.B. Einfuhrgebühren, Einfuhrkontingente, local-content-Bestimmungen,

Diskriminierung von ausländischen Unternehmen bei Ausschreibungen etc.

umgangen werden. Dabei werden die marktspezifischen Kenntnisse vom loka-

len Partner genutzt, um Zugang zu Beschaffungsquellen, Vertriebskanälen,

staatlichen Institutionen und Behörden sowie zum Markt zu erhalten.32

Weiterhin kann in einigen Ländern, z.B. Japan, vorwiegend allerdings in Ent-

wicklungsländern, z.B. Indien, keine Marktpräsenz auf Grund gesetzlicher Be-

stimmungen, die die Beteiligung eines inländischen Unternehmens vorsehen,

aufgebaut werden.

• Komplementärer Technologietausch Die Realisierung von Synergien zwischen den beteiligten Unternehmen soll

durch einen komplementären Technologietausch erreicht werden.

• Gewinnung von Zeitvorteilen Zeitvorteile können durch die Koordination betrieblicher Tätigkeiten der Part-

nerunternehmen gewonnen werden. Diese Abstimmung zielt auf die Erreichung

des o.g. „Joint Competitive Advantage“ durch z.B. reduzierte Entwicklungs- und

Markteinführungszyklen ab, den die kooperierenden Unternehmen gegenüber

anderen Wettbewerbern besitzen.

2.4 Die Transaktionskostentheorie als Erklärungsansatz für

internationale Kooperationen

Ansätze, die das Phänomen Kooperation zu klären versuchen, gibt es zahlreiche.

Dennoch existiert kein ganzheitlicher Erklärungsansatz für die Entstehung und den

Erfolg von Kooperationen. Zu den Theorien, die rationales Handeln der Entschei-

dungsträger voraussetzen, gehören die Transaktionskosten- und Spieltheorie so-

wie der Ressource-Dependence Ansatz. Diese Theorien differieren in ihrer jeweils

unterschiedlichen Zieldimension. Während der Transaktionskostenansatz die Kos-

13

tenminimierung in den Vordergrund stellt, betonen spieltheoretische Ansätze den

potenziellen Nutzen. Der Ressource-Dependence Ansatz unterstreicht hingegen

die Vermeidung des drohenden Autonomie- und Machtverlustes in Situationen, die

von Interdependenzen gekennzeichnet sind. Bisher ist es jedoch noch nicht ge-

lungen, sozialwissenschaftliche und psychologische Aspekte, z.B. Vertrauen in

theoretische Erklärungsgefüge einzuarbeiten. Einen ersten Versuch bieten Netz-

werkansätze, die vordergründig die Beziehung der Partner betrachten.33

2.4.1 Transaktion und Transaktionskosten

Die Transaktionskostentheorie bildet den Pfeiler der neuen Institutionenökonomik

und erklärt die Entstehung von Kooperationen grundsätzlich. Im Mittelpunkt dieses

Ansatzes steht die Transaktion, die nach Picot die Anbahnung, Vereinbarung,

Kontrolle und Anpassung eines Leistungstausches umfasst, der dem eigentlichen

Gütertausch vorgeschaltet ist.34 Die Übertragung von Verfügungsrechten, „proper-

ty-rights“, steht dabei im Vordergrund.35 Es werden zwei Typen der Transaktion

unterschieden: „Markt“ oder „Hierarchie“ (Unternehmung). Märkte werden durch

Geld, Hierarchien durch Macht gesteuert.36 Die beiden Typen „bilden die Extrem-

punkte auf einem Kontinuum von Steuerungsstrukturen, „governance structu-

res““37. Sämtliche Punkte, die zwischen diesen beiden Extrema liegen, werden als

Form der Kooperation mit zunehmender Bindungsintensität verstanden.

Transaktionskosten, die also im Prozess einer Transaktion anfallen, werden wie

folgt unterteilt:

„1. Anbahnungskosten, z.B. Informationssuche und -beschaffung über potentiel-

le Transaktionspartner und deren Konditionen;

2. Vereinbarungskosten, z.B. Intensität und zeitliche Ausdehnung von Verhand

lungen, Vertragsformulierung und Einigung;

33 vgl. Schäper, 1996, S.100f. 34 vg. Picot, 1982, S. 269f. 35 vgl. Picot/Reichwald/Wigand, 2003, S.49 36 vgl. Erlei/Leschke/Sauerland, 1999, S.177f.

14 37 Schäper, 1996, S.62

3. Kontrollkosten, z.B. Sicherstellung der Einhaltung von Termin-, Qualitäts-,

Mengen-, Preis- und evt. Geheimhaltungsvereinbarungen;

4. Anpassungskosten, z.B. Durchsetzung von Termin-, Qualitäts-, Mengen-, und

Preisänderungen auf Grund veränderter Bedingungen während der Laufzeit

der Vereinbarung“34.

Abb. 3: Einflussfaktoren in der Transaktionskostentheorie

Markt Hierarchie

Zuordnung spezifischerOrganisationsformen auf dem

Kontinuum

Höhe der Transaktionskosten

SpezifitätUnsicherheitHäufigkeit

Begrenzte RationalitätOpportunismus

KOOPERATION

Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Balling, 1998, S.58

2.4.2 Grundannahmen und Einflussgrößen

Zwei Hypothesen werden für das Entstehen von Transaktionskosten getroffen:

1. Begrenzte Rationalität: Ohne Zweifel wollen die Beteiligten rational handeln, können dieses auf Grund von

menschlich eingeschränkter Rationalität jedoch nur bedingt. Daher können nicht

alle Kosten kalkuliert und mögliche Unsicherheiten bzw. Störungen des Vertrages

kontrollierbar gemacht werden.38

38 vgl. Schäper, 1996, S.63; Killich/Luzcak, 2003, S.47

15

2. Opportunismus: Die involvierten Parteien werden versuchen, den individuellen Nutzen zu maximie-

ren, auch wenn dies bedeutet, den Partner absichtlich zu täuschen, z.B. durch das

Verschweigen von Informationen oder die Nichteinhaltung von vertraglichen Kon-

ditionen.38 Derzeit können Transaktionskosten nicht kalkuliert werden. Daher er-

folgt die Bewertung über die Charakteristika der Transaktionen. Dabei gilt es fol-

gende Einflussgrößen zu beachten:

1. Spezifität: Dieses Kriterium ist von zentraler Bedeutung in der Bestimmung der Transakti-

onskosten und kennzeichnet Transaktionen nach der Zuordnung zu einem eindeu-

tigen und exklusiven Verwendungszweck. Je spezifischer eine Transaktion, umso

höher ist der Schaden, den man erleidet, wenn diese nicht im Sinne ihrer ur-

sprünglich angedachten Verwendung abgeschlossen wurde. Je höher der Spezifi-

tätsgrad der zu erbringenden Leistung, desto abhängiger ist einer der Transakti-

onspartner. Diese Abhängigkeit würde, unterstellt man opportunistisches Handeln,

vom anderen ausgenutzt werden, z.B. durch Erhöhung der Lieferpreise.39

Williamson40 unterscheidet folgende Arten von Spezifität:

• Standortspezifität („site specifity“):

Investitionen in ortsgebundene Anlagen

• Spezifität des Sachkapitals („physical asset specifity“):

Investitionen in spezifische Maschinen und Technologien

• Spezifität des Humankapitals („human asset specifity):

Investitionen in spezifische Mitarbeiterqualitäten

• Zweckgebundene Sachwerte („dedicated assets“):

Investitionen in an sich unspezifische Anlagen, die jedoch bei Wegfall der Trans-

aktion Überkapazität darstellen würden.

39 vgl. Lubritz,, 1996, S.123; Killich/Luzcak, 2003, S.48f.; Picot/ Reichwald/Wigand, 2003, S.50ff.

16 40 Williamson, 1990, zit.n. Picot/Reichwald/Wigand, 2003, S.50f.

2. Unsicherheit: Zwei Typen der Unsicherheit können unterschieden werden. Bei der Umweltunsi-

cherheit handelt es sich um nicht prognostizierbare Änderungen in der Transakti-

onsatmosphäre, die die Gesamtheit aller relevanten sozialen, rechtlichen und

technologischen Rahmenbedingungen darstellt. Höhere Transaktionskosten ent-

stehen durch nachträgliche Anpassungen des Vertrages auf Grund von terminli-

chen, preislichen oder konditionellen Veränderungen. Die Verhaltensunsicherheit

spiegelt die bereits erwähnte Grundannahme der menschlich begrenzten Rationa-

lität und die Furcht vor dem opportunistischen Verhalten des Partners wider. „In-

formationsverkeilung“ kennzeichnet eine Situation, in der Informationen ver-

schwiegen oder verzerrt werden, um einen individuellen Vorteil herbeizuführen.

Die zusätzliche Beschaffung und Übertragung von Informationen, die diesen Ü-

bervorteilungen entgegenwirken sollen, erhöhen die Transaktionskosten.39

3. Häufigkeit: Je häufiger standardisierte oder sich wiederholende Transaktionen auftreten, des-

to niedriger sind die durchschnittlichen Kosten, z.B. durch Spezialisierungsvorteile

und Lerneffekte. Im Verlauf einer kontinuierlichen Geschäftspartnerschaft können

die Partner, aus der Häufigkeit der Transaktionen resultierend, Vertrauen und ge-

genseitige Wertschätzung aufbauen, die opportunistisches Handeln, zumindest

teilweise, verhindert.41

Balling kommt demnach zu dem Ergebnis: Je höher die Spezifität, Unsicherheit

und die Häufigkeit, „desto höher werden Transaktionskosten einer marktlichen

Koordination und desto stärker bewegt sich die Organisation der Transaktionen

weg vom „Markt“ hin zu „Hierarchien““42. Als Grundsatz der Transaktionskosten-

theorie kann schlussfolgernd festgestellt werden: „Organisiere Deine Transaktio-

nen so, dass Dir aus Deiner begrenzten Rationalität möglichst geringe Kosten ent-

stehen, und versuche gleichzeitig, Dich vor möglichen opportunistischen Verhalten

zu schützen“43. Es wird demnach diejenige Organisationsform gewählt, die mini-

male Transaktionskosten beinhaltet.

41 vgl. Woratschek/Roth, 2003, S.158 42 Balling, 1998, S.59 43 Killich/Luzcak, 2003, S.48

17

2.4.3 Kritik

Hauptkritikpunkt an der Transaktionskostentheorie ist, dass bislang Transaktions-

kosten nicht quantifiziert werden können. Daher kann dieser Ansatz lediglich Emp-

fehlungen zur bestmöglich geeigneten Organisationsform geben. Weiterhin wird

das Verhältnis der Transaktionskosten zu anderen Kostenarten ignoriert und gibt

keinerlei Aufschluss über den potentiellen Nutzen einer bestimmten Organisati-

onsform. Wie bereits dargestellt, werden auch in der Transaktionskostentheorie

sozialwissenschaftliche und psychologische Gesichtspunkte nicht aufgegriffen, die

die Wirkungsweise von Kooperation erklären könnten. Bresser stellt in diesem Zu-

sammenhang fest, dass „der Transaktionskostenansatz bestenfalls eine Partia-

lerklä-rung strategischer Netzwerke ermöglicht. Der Transaktionskostenansatz

vernachlässigt eine große Zahl von Faktoren, die sich alle auf die Evolution strate-

gischer Netzwerke auswirken können, zum Beispiel Produktionskosten, Erträge,

strategische Wahlfreiheiten, Macht- und Konfliktprozesse usw.“44.

2.5 Internationale Kooperationen ohne Kapitalbeteiligung

Internationale Kooperationen können in sehr unterschiedlichen Formen auftreten

und entsprechend klassifiziert werden, wie bereits in Kapitel 2.2 ausgeführt. In

dieser Arbeit soll auf die wichtigsten Ausprägungen eingegangen werden, die sich

auf Grund des kapitalmäßigen Engagements ergeben.

2.5.1 Übertragung schlüsselfertiger Anlagen

Bei der Übertragung schlüsselfertiger Anlagen, auch „turnkey project“ genannt,

handelt es sich um Projekte, bei denen ein Unternehmen für einen ausländischen

Kunden eine komplette Produktionsanlage erstellt und diese übergibt („to hand

over the key“).45 Gegenstand dieser Projekte können sowohl „Hardware-Leistun-

gen, z.B. Bauleistungen, die Übertragung von Maschinen und Einrichtungen (...)

als auch Dienstleistungen (…), z.B. Planungs- und Projektierungsaufgaben, Mon- 44 Bresser, 1992, S.V-VI

18 45 vgl. Hill, 1998, S.611

tage und Montageüberwachung, Inbetriebsetzung, Personalschulung und Bera-

tungsleistungen im technischen und organisatorischen Bereich“46, sein. Der Export

von Prozesstechnologie, wie man die Übertragung schlüsselfertiger Anlagen e-

benfalls bezeichnen könnte, ist vor allem für Entwicklungsländer von großem Inte-

resse.

Vorteile: In (Entwicklungs-)Ländern mit protektionistischen Tendenzen, z.B. Restriktionen

von Foreign Direct Investment (FDI), ist die Übertragung schlüsselfertiger Anlagen

oftmals eine attraktive Alternative für Unternehmen, da es vielen Entwicklungslän-

dern an „state-of-the-art“ Technologie mangelt. Das benötigte Know-how, das das

anbietende Unternehmen besitzt, stellt einen bedeutenden immateriellen Vermö-

genswert dar. Die Übertragung schlüsselfertiger Anlagen eröffnet die Möglichkeit

auf Kundenanforderungen einzugehen und eine individuelle Problemlösung zu

entwickeln, die auch Finanzierungsüberlegungen einschließen.47

Nachteile: Man unterstellt Unternehmen, die schlüsselfertige Anlagen anbieten, kein langfris-

tiges Interesse an einem Engagement im Land zu haben. Dies wird problematisch,

wenn sich das Land als Hauptabnehmermarkt herausstellt. Mittelständische Un-

ternehmen setzen sich bei dieser Form der Kooperation dem Risiko aus, Wettbe-

werbsvorteile, die durch die Konzentration auf Kernkompetenzen entstanden sind,

zu verlieren.

2.5.2 Managementverträge

Bei Managementverträgen geht es vorrangig um die zeitlich befristete Bereitstel-

lung von Humankapital. Führungskräfte, aus der „contracting firm“, mit techni-

schem oder kaufmännischem Hintergrund fungieren dabei als Berater für den aus-

ländischen Vertragspartner, der „managed firm“. Dies wird entweder auf die

Führung des gesamten Unternehmens ausgeweitet oder partiell auf wichtige Be-

reiche begrenzt.48 Während der ausländische Partner Management-Know-how

46 Sell, 2002, S.9 47 vgl. Straatmann, 2001, S.52f. 48 vgl. Quack, 2000, S.62; Lubritz, 1996, S.5; Kutschker/Schmid, 2005, S.900

19

erwirbt, kann das inländische Unternehmen von den spezifischen Marktkenntnis-

sen profitieren.

Vorteile: Für die „contracting firm“ besteht kein Marktrisiko, da diese das vereinbarte Entgelt

nicht in Abhängigkeit des erzielten Erfolgs erhält. Für Unternehmen, die in der Zu-

kunft einen eigenständigen Markteintritt erwägen, sind Managementverträge ein

geeigneter Weg, um erste Erfahrungen in dem Markt zu sammeln.49

Nachteile: Das Risiko, sich Konkurrenten selbst zu „züchten“, ist bei Managementverträgen

durch die Weitergabe von strategisch wichtigen Fähigkeiten und Kenntnissen,

sehr hoch. Managementverträge kommen in äußerst spezifischen Situationen und

häufig nur in Verbindung mit Lizenz- und Franchiseverträgen zum Einsatz. Daher

kann von einer geringeren Bedeutung für mittelständische Unternehmen ausge-

gangen werden.49

2.5.3 Lizenzverträge

Unter Lizenzierung versteht man „vertragliche Abkommen, mit denen inländische

Lizenzgeber intangible Vermögenswerte ausländischen Lizenznehmern unter be-

stimmten Bedingungen zur Verfügung stellen“50. Es ist möglich, Lizenzverträge

nach einer Reihe von Kriterien zu systematisieren. So differenziert man z.B. nach

dem Gegenstand des Vertrages zwischen Patent-, Gebrauchsmuster-, Warenzei-

chen und Know-how Lizenz. Der Lizenznehmer verpflichtet sich seinerseits zur

Zahlung von Gebühren, die in Form von Fixbeträgen bei der Lizenzerteilung,

„down payment“, umsatzabhängigen Gebühren, „royalties“, oder Pauschalgebüh-

ren, „lump sum fee“, erhoben werden können. Beim so genannten „cross-

licensing“ gewähren die Vertragspartner gegenseitig Nutzungsrechte.51

49 vgl. Kutschker/Schmid, 2005, S.900f. 50 Kutschker/Schmid, 2005, S.838f.

20 51 vgl. Quack, 2000, S.61

Vorteile: Lizenzgeber können ohne großen personellen und finanziellen Aufwand und mit

kalkulierbarem Risiko in einen unbekannten ausländischen Markt eintreten. Vor

allem für Unternehmen, denen die finanziellen Ressourcen fehlen, um eine Markt-

präsenz zu entwickeln, ist die Lizenzierung eine interessante Option. Oft können

lokale Marktkenntnisse, die der Lizenznehmer besitzt, genutzt werden. Des Weite-

ren bedeuten die vom Lizenznehmer zu entrichtenden Gebühren bei entsprechen-

der Bonität eine stabile und kontinuierliche Ertragsquelle.52

Nachteile:

Der schwerwiegendste Nachteil der Lizenzierung besteht im Abfluss von Know-

how und die Gefahr, dass nach Beendigung des Vertrages der Lizenznehmer zu

einem Konkurrenten wird. Eine unübersehbare Schwäche von Lizenzverträgen ist

die fehlende Kontrolle über die Aktivitäten des Lizenznehmers. Ein Nichteinhalt

von Qualitätsstandards auf nationaler Ebene könnte zu einem Imageschaden des

ganzen Unternehmens führen. In Ländern, in denen der Schutz geistigen Eigen-

tums nicht ausreichend garantiert wird, kommt es häufig zur Weiterlizenzierung an

Dritte durch den Lizenznehmer. Die Möglichkeit, den Markt in „eigener Regie“ zu

bearbeiten und damit das Produkt nach eigenen Vorstellungen zu positionieren, ist

für den Lizenzgeber durch Einschränkungen im Lizenzvertrag nur limitiert mög-

lich.52

2.5.4 Franchising

Hierbei handelt es sich um einen komplexen Lizenzvertrag. „Beim Franchising ü-

berlässt (…) ein inländischer Franchisegeber einem rechtlich selbstständigen aus-

ländischen Franchisenehmer ein umfassendes, häufig bereits seit langem einge-

führtes und erprobtes Beschaffungs-, Absatz-, Organisations- und Management-

konzept (…)“53. Der Franchisenehmer zahlt einmalig Abschlussgebühren und lau-

fende Gebühren, die umsatzabhängig sind. Dafür verpflichtet sich der Franchise-

geber u.a. zur Übertragung von Nutzungsrechten, Unterstützung im Aufbau der

Geschäftstätigkeiten, Organisierung von Marketingmaßnahmen und zur Schulung 52 vgl. Kutschker/Schmid, 2005, S.842ff. 53 Kutschker/Schmid, 2005, S.847

21

des Personals. Der Franchisenehmer tätigt die notwendigen Investitionen zur Ge-

schäftsaufnahme, verpflichtet sich zur Einhaltung sämtlicher Ausführungsbestim-

mungen und zur Wahrung des Images.54

Vorteile: Unternehmen, die Franchising als Eintrittsstrategie in ausländische Märkte nutzen,

können dies ohne erheblichen finanziellen Einsatz und Risiko tun. Zusätzlich be-

hält der Franchisegeber weitestgehend die Kontrolle über die Vermarktung der

Produkte und kann diese selbst ausrichten und überprüfen. Die Festsetzung und

die geforderte Erreichung von einheitlichen Standards durch alle Franchisenehmer

ermöglichen eine kohärente und abgestimmte Präsenz.55

Nachteile: Die Vorteile werden z.T. aufgehoben, da standardisierte Lösungen nicht für alle

Produkte bzw. Branchen geeignet sind. Vielfach sinkt die Motivation des Franchi-

senehmers dramatisch, da individuelle Entscheidungs- und Handlungsfreiheiten

limitiert sind. Die Steuerung und Kontrolle, z.B. die Einhaltung von Qualitätsstan-

dards, innerhalb eines u.U. globalen Franchisenetzwerkes erscheint problema-

tisch. Dies kann bei nicht systemkonformen Verhalten zu einem Reputationsver-

lust des gesamten Unternehmens führen.55

2.6 Internationale Kooperationen mit Kapitalbeteiligung: Joint-Venture

2.6.1 Überblick

Das Joint-Venture zählt zu den bedeutendsten, aber auch zu den umstrittensten

Kooperationsformen, wie die folgende Anekdote verdeutlichen soll:

Ein Huhn schlägt einem Schwein die Gründung eines Joint-Ventures vor. Das

Schwein fragt, was denn gemeinsam vermarktet werden solle. Daraufhin erwidert

das Huhn: „Ham und Eggs“. Das Schwein überlegt eine geraume Weile, ist impo-

niert von dem Marktpotential und wiegt Vor- und Nachteile ab. Dennoch kommen

54 vgl. Kutschker/Schmid, 2005, S.849f.; Quack, 2000, S.63f.

22 55 vgl. Kutschker/Schmid, 2005 S.851f.; Hill, 1998, S.409

dem Schwein nach langer Bedenkzeit Zweifel: „Nach diesem Geschäft bin ich a-

ber tot, während du besser denn je weiterlebst.“ „Was sonst“, antwortet das Huhn,

„ist der Sinn eines Joint-Ventures?“56

Diese Anekdote zeigt, dass mit der Gründung erhebliche Risiken für zumindest

einen der Partner einhergehen. Einige Autoren, z.B. Rumer halten eine Misser-

folgsquote von bis zu 70% für realistisch.57 Dabei relativiert er allerdings gleichzei-

tig seine Aussage, indem er die hohe Quote des Scheiterns auf ein schwieriges

politisches und wirtschaftliches Umfeld bei der Joint-Venture Gründung zurück-

führt. Eisele schätzt, dass ca. 30 bis 60 % scheitern.58 Trotz dieser Aussagen er-

freuen sich internationale Joint-Ventures nach wie vor anhaltender Beliebtheit.

Auch Unternehmen mittlerer Größe entdecken diese strategische Alternative auf

dem Weg ins Ausland für sich, weil Stärken kombiniert und Ressourcen geschont

werden können.

Während Joint-Ventures in ihrem Ursprungsjahrzehnt, den 60er Jahren, genutzt

wurden, um die internationale Expansion voranzutreiben, lag der Schwerpunkt im

darauf folgenden Jahrzehnt in der Konsolidierung finanziell angeschlagener Un-

ternehmen. In den 80er Jahren ging es vorwiegend um die Steigerung der Innova-

tionsfähigkeit durch die Kombination von technologischem Know-how. Heute wer-

den Joint-Ventures gegründet, um Standortvorteile zu nutzen, Markteintritts-

barrieren zu überwinden und Märkte und Technologien zu erschließen.59 In die-

sem Zusammenhang hat die Erschließung von Entwicklungs- und Schwellenlän-

dern durch Unternehmen aus Industrieländern einen besonders hohen Stellen-

wert, da oftmals die Gesetze dort die Beteiligung eines lokalen Unternehmens

verlangen. Grundsätzlich scheint der Einsatz eines Joint-Ventures in Märkten, die

ineffiziente Produkt- und Kapitalmärkte, hohes Risiko und gleichzeitig große

Wachstumspotentiale aufweisen, geeigneter als zwischen Unternehmen hoch

entwickelter Länder.59

56 vgl. Eisele, 1995, S.IX 57 vgl. Rumer, 1994, S.63 58 vgl. Eisele, 1996, S.86 59 vgl. Bleicher/Hermann, 1991, S.5; Rumer, 1994, S.64; Fröhls, 1995, S.11

23

2.6.2 Definition

Wörtlich übersetzt bedeutet Joint-Venture „gemeinsames Wagnis“ oder auch „ge-

meinschaftliche Unternehmung“ und wird als eine Teilmenge von Kooperationen

verstanden. Lubritz betont in diesem Zusammenhang, dass das Joint-Venture zu

den Kooperationsformen mit der höchsten Bindungsintensität zählt.60 Während vor

allem in der angloamerikanischen Literatur der Terminus Joint-Venture zusam-

menfassend als „jegliche Form der zielgerichteten Zusammenarbeit“61 verwendet

wird, steckt man die begrifflichen Grenzen in der deutschsprachigen Literatur deut-

lich enger. Demnach sind die Definitionsmerkmale eines internationalen Joint-

Ventures folgende: „mindestens zwei in der Trägerschaft selbständige Unterneh-

men verschiedener Nationen verfolgen einen bestimmten Zweck und tragen in

einem gemeinsamen Vorhaben die beiderseitige führungsmäßige Verantwortung

sowie das finanzielle Risiko aus einem rechtlich und organisatorisch separaten

Tochterunternehmen“62.

Zusätzlich kann eine Eigenkapitalbeteiligung, resultierend aus der Gründung eines

neuen Unternehmens, als Abgrenzungskriterium berücksichtigt werden.63 Nach

diesem Kriterium wird zwischen Equity-Joint-Ventures und Contractual-Joint-

Ventures differenziert. Das Equity-Joint-Venture entspricht der o.g. Definition und

kann als Minoritäts- (höchstens 49%), Paritäts- (50:50) oder Majoritätsbeteiligung

(mindestens 51%) gehandhabt werden. Das Kapitalbeteiligungsverhältnis ist von

enormer Bedeutung für die Stabilität und den potentiellen Erfolg, da es Regelun-

gen zur Gewinnaufteilung und zur Führung des Gemeinschaftsunternehmens be-

trifft. Bleicher/Hermann heben in diesem Zusammenhang hervor, dass das Ver-

hältnis der Anteile „Symbolcharakter für den Geist der Partnerschaft“64 hat. Von

den Autoren werden sehr unterschiedliche Empfehlungen über das Kapitalbeteili-

gungsverhältnis der beiden Parteien ausgesprochen. Rumer, beispielsweise, hält

eine Mehrheitsbeteiligung für erstrebenswert, um „entsprechende Kompetenzen

im Management des Joint-Ventures zu erlangen“65. Währenddessen spricht sich

Eiseler für eine Paritätsbeteiligung aus, da dies echte Bereitschaft zur Kooperation 60 vgl. Lubritz, 1996, S.49 61 Filliol, 1994, S.14 62 Eisele, 1995, S.15 63 Schwarting diskutiert diesen Aspekt sehr ausführlich. vgl. Schwarting, 1995, S.37f. 64 Bleicher/Hermann, 1991, S.22

24 65 Rumer, 1994, S.70

ausdrückt.66 Er vertritt die Auffassung, dass dem Vertrauen zwischen den Partnern

und nicht dem Kapitalverhältnis eine Schlüsselfunktion für den Erfolg eines Joint-

Ventures zukommt. Erst das Vertrauen ermöglicht, so Eisele, eine effiziente Koor-

dination auf Grund eines gemeinsamen Werte- und Normengefüges.66 Die Befra-

gung von Quack hat wiederum eine äußerst positive Bewertung von Minderheits-

beteiligungen ergeben.67

Die Autorin dieser Arbeit hält eine Paritätsbeteiligung für bedenklich, da Entschei-

dungen nur im Konsens getroffen werden können. Bestenfalls verzögert dies den

Entscheidungsprozess. Schlimmstenfalls geraten die Partner in eine Pattsituation,

in der keine Einigung erzielt werden kann, dem so genannten „dead-lock“. Die

Handlungsunfähigkeit des Managements würde die Verfolgung eines gemeinsa-

men und bestimmten Zieles unmöglich machen und als Konsequenz das gesamte

Joint-Venture in Frage stellen. Um Pattsituationen zu vermeiden, könnte ein Kapi-

talbeteiligungsverhältnis gewählt werden, bei dem sich die Anteile nur unwesent-

lich voneinander unterscheiden, z.B. „golden share“, „casting vote“.68 Andere Vari-

anten bestehen in der Wahl eines „Neutralen“ in das entscheidende Organ oder

der Einsatz eines rotierenden Vorsitzenden, der die letzte Entscheidung trifft.

Dennoch ist bei den vorangegangenen Überlegungen nicht zu unterschätzen,

dass das Kapitalverhältnis häufig nur unvollständig die realen Einflussmöglichkei-

ten reflektiert. So konstatiert Eisele, dass der Partner mit einer Minoritätsbeteili-

gung größeren Einfluss ausüben kann, da dieser „örtlich oder sachlich dem Joint-

Venture näher steht oder weil der Mehrheitspartner den Eindruck seiner Dominanz

vermeiden möchte“69. Weiterhin verlangen Joint-Ventures, eingegangen mit Part-

nern aus Industrie- oder Entwicklungsländern, einen unterschiedlichen Ansatz in

dieser Frage. Eine Untersuchung vom Tomlinson nennt Joint-Ventures in Entwick-

lungsländern erfolgreicher, gemessen an der Rentabilität, in denen ausländische

Investoren ihre Kontrollfunktion moderat wahrnahmen.70 Killing stellt eine eindeuti-

ge Korrelation zwischen unbefriedigender Leistung eines Joint-Ventures und do-

minanter ausländischer Kontrolle fest.71 Die Zusammenarbeit im Rahmen eines

66 vgl. Eisele, 1996, S. 103 67 Quack, 2000, S.63 68 Kutschker/Schmid, 2005, S.862 69 Eisele, 1996, S.103 70 vgl. Tomlinson, 1970, S. 147 71 vgl. Killing, 1983, S. 21ff.., zit. n. Paquin, 1999, S.50

25

Contractual-Joint-Ventures entspricht ebenfalls der o.g. Definition, allerdings ohne

dabei eine separate neue Unternehmung zu schaffen.

2.6.3 Phasen in der Joint-Venture Entwicklung

Wie sämtliche Kooperationsvorhaben durchläuft ebenfalls das Joint-Venture in

seiner Entwicklung verschiedene Abschnitte. Die Hauptphasen, die eine differente

Ablaufdauer besitzen und wiederum in Subabschnitte unterteilt werden können,

umfassen die Gründungs-, Betriebs- und Auflösungsphase.72 Innerhalb der se-

quentiell ablaufenden Hauptphasen können sich die Teilphasen in deren Verlauf

durchaus überlappen. Demnach kann im Gründungsprozess während der Part-

nerevaluation und -selektion bereits mit den Vorbereitungen zur Vertragsverhand-

lung begonnen werden.

In der ersten Phase im Lebenszyklus des Joint-Ventures, der Gründung, werden

konstitutive Entscheidungen getroffen, die die langfristigen Rahmenbedingungen

für das Joint-Venture festlegen und nicht ohne erhebliche Aufwendungen revidiert

werden können. Dazu gehören die Wahl des Standortes, der Rechtsform und der

Organisationsstruktur.73 Weis zufolge ist die Gründung ein „finanziell-juristischer

zeitbeanspruchender Akt (…), welcher ein rechtliches, sozial und wirtschaftlich

selbständiges Unternehmen entstehen lässt“.74 Komponenten der Gründungspha-

se sind die Analyse des eigenen Unternehmens sowie des Investitionsumfeldes,

die Partnerevaluation und -selektion und die Vertragsverhandlung und -gestaltung.

Die Phase wird mit der Errichtung des Gemeinschaftsunternehmens und der Auf-

nahme der Geschäftstätigkeit abgeschlossen.

In der darauf folgenden Betriebsphase steht die laufende Geschäftstätigkeit im

Vordergrund und bedeutet damit laufende Führung, Steuerung und kontinuierliche

Anpassung des Joint-Ventures auf Grund gesellschaftlicher, ökologischer, techno-

logischer, rechtlicher und ökonomischer Modifikationen.75

72 vgl. Weis, 1998, S.21f. 73 vgl. Hopfenbeck, 2002, S.175 74 Weis, 1998, S.21

26 75 vgl. Weis, 1998, S.24

In der letzten Phase, der Auflösung wird die unwiderrufliche Entscheidung getrof-

fen, die Kooperation zu beenden. Ursachen für eine Beendigung können die Errei-

chung des vereinbarten Gründungszweckes oder auch krisenhaften Situationen,

z.B. strategische Krise und Liquiditätskrise, sein.75 Dabei wird die Mehrzahl der

Joint-Ventures über eine Übernahme aller Anteile durch einen Partner aufgelöst,

um danach als Tochterunternehmen weitergeführt zu werden. Ebenfalls denkbar

ist die Beendigung über die Rückübereignung der jeweils eingebrachten Vermö-

genswerte und Rechte oder über eine Stilllegung des Joint-Ventures.76

2.6.4 Vorteile

Goldenberg nennt das Joint-Venture die „wichtigste unternehmerische Eintrittskar-

te zu vielen der meistbevölkerten Länder der Erde“77, z.B. China und Indien, und

verdeutlicht somit die herausragende Bedeutung des Joint-Ventures als Markt-

eintrittsstrategie. In einigen Ländern wird der freien Entscheidung für ein Joint-

Venture vorgegriffen, da ein 100%iges Tochterunternehmen auf Grund gesetzli-

cher Bestimmungen nicht zulässig ist und die Beteiligung eines lokalen Partners

nicht umgangen werden kann. Das Joint-Venture ist demnach geeignet, protektio-

nistische Tendenzen, z.B. Ausschluss von ausländischen Investoren von öffentli-

chen Ausschreibungen, Fusions- und Akquisitionsverbote zu umgehen.78

Gemeinschaftsunternehmen werden weiterhin eingegangen, um den Markteintritt

zu beschleunigen. Häufig nimmt die eigenständige Markterschließung, wie z.B. die

Errichtung eines Tochterunternehmens zuviel Zeit in Anspruch oder kann auf

Grund limitierter Ressourcen nicht erfolgen. Bleicher/Hermann bemerken hier-

zu:„In wenigen anderen Organisationsformen können Unternehmen ihre Stärken

so geschickt kombinieren und gleichzeitig ihre Ressourcen so sehr schonen“79.

Durch die Bündelung der Ressourcen wird die Erreichung von „Economies of

Scope“ möglich. Ein weiterer Vorteil besteht im Zugang zu spezifischen Markt-

kenntnissen, z.B. Nachfrage- und Bedarfsstrukturen, Vertriebsnetze, über die der

lokale Partner verfügt. Aber auch Kontakte zu Kunden, Lieferanten und Behörden 76 vgl. Zielke, 1992, S.247 77 Goldenberg, 1990, S.11 78 vgl. Eisele, 1995, S.24f. 79 Bleicher/Hermann, 1991, S. 5

27

stehen im Vordergrund. Das Motto der Unternehmen ist damit: „Wir liefern das

Know-how, der Partner das Know-who“.70 Ein Joint-Venture ermöglicht demnach

die zügige Assimilation des ausländischen Unternehmens an die ökonomische,

rechtliche und soziokulturelle Umwelt. Zusätzlich erlauben Gemeinschaftsunter-

nehmen eine Kapitalaufteilung und eine Risikostreuung unter den Partnern. Ein

nicht zu unterschätzender Aspekt, der mit der Beteiligung eines Partners einher-

geht, ist die Chance von diesem zu lernen und neue Kompetenzen zu erwerben.

Für Hamel/Prahalad ist dies einer der wichtigsten Gründe ein Joint-Venture einzu-

gehen.80

2.6.5 Probleme und Risiken

Joint-Ventures sind kein Allheilmittel und dürfen nicht überstürzt eingegangen

werden, da zahlreiche Schwierigkeiten auftreten können. Es sollte niemals über-

sehen werden, dass es sich bei einem Joint-Venture um eine „Ehe“ aus strategi-

schen Gründen handelt. Oftmals kann das neu gegründete Unternehmen nicht so

konfiguriert werden, wie es die Partner wünschen, da staatliche Bestimmungen,

z.B. Partnerwahl oder Kapitalbeteiligung, dies verhindern. Alle Entscheidungen

müssen mit dem Partner nicht nur abgestimmt, sondern mit ihm gemeinsam be-

schlossen werden; selbstbestimmtes Handeln, wie die bewusst gesteuerte Positi-

onierung auf dem ausländischen Markt, ist nicht möglich. Dies bedeutet vielfach

einen langwierigen und schwierigen Entscheidungsfindungsprozess, der dem

Joint-Venture die Flexibilität und Reaktionsfähigkeit, z.B. bei veränderten Markt-

bedingungen, raubt. Verstärkt wird dieser Nachteil durch kulturelle Differenzen.81

Berücksichtigt man die Annahmen, die in Kapital 2.4.2 getroffen wurden, nutzen

die Partner auf Grund ihrer opportunistischen Einstellungen die Abhängigkeit der

anderen Partei aus, um die eigenen Interessen durchzusetzen. In vielen Joint-

Ventures wird nicht das optimale Verhältnis zwischen Kooperation und Wettbe-

werb geschaffen. Geschäftsaktivitäten in zahlreichen Ländern zu verfolgen, be-

deutet oft die Zusammenarbeit mit verschiedenen lokalen Partnern in den Aus-

landsmärkten. Dies beinhaltet u.U. die Verwässerung der Unternehmensstrategie,

80 vgl. Hamel/Doz/Prahalad, 1983, S. 134f.

28 81 vgl. Kutschker/Schmid, 2005, S.867f.

welche besonders für Unternehmen problematisch ist, die eine globale Ausrich-

tung der Strategie verfolgen.

Die Bewertung des Erfolgs bleibt nach wie vor ein weiterer Kritikpunkt. Da die Un-

ternehmen mit teilweise sehr unterschiedlichen Zielen das Joint-Venture eingehen,

erfolgt auch die Zielerreichung unter recht ungleichen Gesichtspunkten.81 Ein

Nachteil, den alle Kooperationen teilen, ist die Weitergabe von sensiblem Know-

how und damit die potentielle Gefahr, das eigene Unternehmen zu schwächen.

Die Instabilität, zu der das Joint-Venture neigt, basiert auf den zuvor beschriebe-

nen Sachverhalten.

Abb. 4: Kooperationsformen zwischen Macht und Hierarchie

Markt HierarchieKooperation

Lizenzvertrag/Franchising

Joint- Venture

100%-Tochterunternehmen

Kaufvertrag

Partner-bindung

Kapital-bindung

MarktMarkt HierarchieKooperation

Management-vertrag

Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Sydow, 1995, S. 104; Schuchardt, 1994, S. 20

29

3. INDIEN ALS WIRTSCHAFTSRAUM

Abb. 5: Staatsflagge Indien Abb. 6: Emblem Indien

Quelle: www.asienforever.de

e

Quelle: www.projektindien.com

Abb. 7: Landkarte Indien

Quelle: www.landkarte-online.net

30

Tab. 2: Datenblatt Indien Fläche 3.287.590 km²

Angrenzende Länder Bangladesh, Bhutan, Burma, China, Nepal, Pakistan

G E O G R A F I E

Größte Städte

Mumbai (Bombay), Dehli (Hauptstadt), Kolkata (Kalkut-

ta), Bengaluru (Bangalore), Chennai, Karnavati (Ahme-

dabad)

Offizieller Name Republik Indien

Politisches System Demokratisch föderale Republik

Verwaltung 28 Bundesstaaten, 7 Bundesterritorien

Amtssprachen Hindi, Englisch, Assami, Bengali, Gujuaratis, Kannada,

Kashmiri, Konkani, Malayalam, Manipuri, Marathi, Ne-

pali, Oriya, Punjabi, Sanskrit, Sindhi, Tamil, Telugu,

Urdu

P O L I T I K

Premierminister Manmohan Singh (seit Mai 2004)

Gesamtbevölkerung 1.080.264.388 (2005 gesch.)

Bevölkerungswachstum 1,4% (2005 gesch.)

Ethnische Gruppen 72% Indo-Arier, 25% Draviden, 3% Mongoloid

Lebenserwartung 64,35 Jahre

Altersstruktur 0-14 Jahre: 31,2%

15-64 Jahre: 63,9%

65 Jahre: 4,9% (2005 gesch.)

B E V Ö L K E R U N G

Alphabetisierungsrate 60%

Währung 1 Indische Rupie (INR) = 100 Paise (P)

Bruttoinlandsprodukt

pro Kopf

629,01 Mrd. USD (2004/05)

564 USD (2003)

Inflationsrate 5%

Erwerbstätige Bevölkerung 482,2 Mio. (2004 gesch.)

W I R T S C H A F T

Arbeitslosenrate 9,2% (2004 gesch.)

Quelle: Eigene Darstellung, auf Grundlage von CIA, 2005; GOI, 2005a; Auswärtiges Amt, 2005

31

3.1 Der Reformprozess

3.1.1 Ursachen

Nach ungefähr 200 Jahren Kolonialherrschaft durch Großbritannien erlangte In-

dien am 15. August 1947 die Unabhängigkeit. Zu diesem Zeitpunkt gehörte der

Subkontinent zu einem der ärmsten Länder der Welt, gekennzeichnet von Unter-

entwicklung, unvorstellbarer Armut und häufig auftretenden Hungersnöten. Indi-

sche Historiker halten es für eine unbestreitbare Tatsache, dass die Mehrheit der

Inder während der Zeit der Kolonialherrschaft, wenn schon nicht direkt vom Hun-

gertod betroffen, so doch am Rande des Verhungerns lebte.82

Der erste Premierminister, Jawaharlal Nehru von der Partei „Indian National Cong-

ress (INC)“, erklärte, dass neben der Beschleunigung des Wirtschaftswachstums

die Herausforderung Indiens im „the ending of poverty and ignorance and disease

and inequality of opportunity“83 bestünde. Als der geeignete Weg zur Verwirkli-

chung dieser ehrgeizigen Zielvorstellungen erschien ihm die schnelle und staatlich

geführte Industrialisierung Indiens basierend auf Fünfjahresplänen. Zu diesem

Zweck wurden bestimmte Schlüsselindustrien, Teile der Schwer- und Grundstoff-

industrie, so genannte „commanding heights“, verstaatlicht. Die Leicht- bzw. Kon-

sumgüterindustrie, die als strategisch nicht wichtig erachtet wurde, blieb der Pri-

vatwirtschaft vorbehalten. Sämtliche Investitionen, ob Errichtungs-, Erweiterungs-

oder Disinvestition, wurden durch ein komplexes Lizenzsystem (licence raj) regu-

liert und bedurften einer staatlichen Genehmigung. Diese „dual“ bzw. „mixed eco-

nomy“ stellte nach Nehrus Auffassung die „goldene Mitte“ zwischen dem Sozia-

lismus und dem Kapitalismus dar.84 Um die politisch gewonnene Unabhängigkeit

aufrechterhalten zu können, sah man es als essentiell an, auch wirtschaftlich un-

abhängig zu sein. Die Furcht, von multinationalen Konzernen einverleibt zu wer-

den, war enorm; schließlich war Indien von der britischen Handelsgesellschaft „E-

ast India Company“ kolonialisiert worden, bevor 1858 die britische Krone die

vollständige Kontrolle übernahm. Dies führte zur einer Politik der „Self Reliance“,

um jedwede ausländische Einflussnahme zu vermeiden, und äußerte sich in einer 82 vgl. Chandra, 1992, S.11, zit. n. Ghose, 2003, S.45 83 Ansprache vor der Constituent Assembly, Neu Delhi, 14. August 1947, zit. n. Planning Commission, 2002, S.9

32 84 vgl. Matter, 2000, S.381f.

außergewöhnlich restriktiven Investitionspolitik. Der 1973 erlassene „Foreign Ex-

change Regulation Act (FERA)“ beschnitt ein ausländisches Engagement auf ma-

ximal 40%. Überschritt eine geplante Investition diese Höchstgrenze, musste eine

Genehmigung eingeholt werden, die nur erteilt wurde, wenn es sich um Technolo-

gien handelte, die von nationaler Bedeutsamkeit waren.85 Eine hohe Anzahl tarifä-

rer (Zölle bis zu 200%) und nicht-tarifärer Handelsbarrieren kennzeichneten die

importsubstituierende Außenwirtschaft Indiens.86 Die zuvor beschriebenen Maß-

nahmen führten zu einer zunehmend gravierenden Isolierung Indiens vom Welt-

markt. Der Anteil am Welthandel ging von 2,2% im Jahre 1948 auf 0,53% in 1991

zurück.87

Abb. 8: Indiens Anteil am Welthandel von 1948 bis 1991

0,00

0,50

1,00

1,50

2,00

2,50

1945 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995

Jahr

%

Quelle: Eigene Darstellung, auf der Grundlage von WTO, 2004, S.30; Hauff/Michaelis, 2003, S.273

Weitere Konsequenzen dieser langjährigen binnenwirtschaftlich orientierten Politik

waren neben zurückgehenden Exporten, ineffiziente Produktionsstrukturen und

Unternehmen, die dem internationalen Wettbewerbsdruck nicht standhalten wer-

den. Zusätzlich hatte das „licence raj“ eine Umgebung geschaffen, in der Korrupti-

on, Nepotismus und Bürokratie ungehemmt gedeihen konnten. Zwischen 1951

und 1981 wuchs die Wirtschaft um durchschnittlich 3,5% pro Jahr und wurde da-

85 vgl. Ghose, 2003, S.129 86 vgl. Matter, 2000, S.383 87 vgl. WTO, 2004, S.30; Hauff/Michaelis, 2003, S.273

33

her als „Hindu-growth rate“ bezeichnet.88 Die geringen Zuwächse waren damit

nicht ausreichend, um das jährliche Bevölkerungswachstum von knapp 2,2%89 zu

kompensieren. Die Vision Nehrus, der gesamten indischen Bevölkerung ein Leben

ohne Armut zu garantieren, konnte nicht verwirklicht werden. Selbst wenn die all-

gemeine Lebenserwartung (1947: 33 Jahre, 1991: 60 Jahre) und der Lebensstan-

dard stiegen, war Armut weit verbreitet. 37,5% der 629 Mio. Inder lebten 1990/91

unterhalb der Armutsgrenze.90 Erst in den 80er Jahren begannen Politiker und

Wirtschaftsexperten sich einzugestehen, dass die verfolgte Politik die wirtschaftli-

che Entwicklung und den Fortschritt nicht nur zum Stillstand gebracht, sondern

Indien vielmehr beträchtlich zurückgeworfen hatte.

Rajiv Gandhi (INC), Sohn Indira Gandhis, unternahm über eine drastische Erhö-

hung der Auslandsverschuldung erste zaghafte Liberalisierungsversuche im Jahr

1985. Bürokratie, Furcht vor einem Machtverlust und das auf Grund von Korrupti-

onsvorwürfen angeschlagene Image des Premierministers verhinderten allerdings

die ernsthafte Verfolgung der Reformierungsabsichten. Dennoch half es den ei-

gentlichen Reformprozess ein paar Jahre später vorzubereiten.91 Mitte 1991 war

die Regierung, unter dem im Juni gewählten Premierminister, Narasimha Rao

(INC), zum Handeln gezwungen, da sowohl die innenpolitische als auch die au-

ßenwirtschaftliche Situation Indien in eine schwere Krise stürzte. Folgende Gründe

werden als Auslöser für das umfangreiche Reformpaket betrachtet:

1. Internationale Institutionen, wie der International Monetary Fund (IMF), die

World Bank und die Asian Development Bank (ADB) sowie ausländische Gläu-

biger zweifelten an der Kreditwürdigkeit Indiens und waren nicht länger bereit,

die marode Wirtschaft zu unterstützen. Indien war mit kurzfristigen Verbindlich-

keiten in Höhe von 70 Mrd. USD und einem Budgetdefizit in Höhe von ca. 10%

des Bruttoinlandsproduktes (BIP) hoch verschuldet. Im Juni 1991 verfügte In-

dien nur noch über Devisen für Importe von 14 Tagen.89

88 vgl. Ghose, 2003, S.59; Rieger, 1989, S.91f. 89 vgl. Bronger/Wamser, 2003, S.332ff. 90 vgl. Ghose, 2003, S.59

34 91 vgl. Joshi/Little, 1996, S.2

2. Nullwachstum der Industrie - das letzte Wachstum lag 12 Jahre zurück

(1979/1980).92

3. Steigende Staatsausgaben sowie Produktions- und Versorgungsengpässe re

sultierten in einer kontinuierlich wachsenden Inflationsrate, die Mitte 1991 20%

betrug.89

4. Das Handelsbilanzdefizit belief sich auf 106,4 Mrd. INR, ungefähr

6 Mrd. USD.89

5. Der Kollaps der Sowjetunion als wichtiger Exportmarkt und die immer schwieri

ger werdende Finanzierung von Ölimporten auf Grund des Golfkrieges.

6. Der ungebremste wirtschaftliche Aufstieg Chinas, welches sich bereits 1978 der

Weltwirtschaft öffnete und marktwirtschaftlich orientierte Reformen verfolgte.

3.1.2 Maßnahmen

Der von Premierminister Rao initiierte Transformationsprozess beendete die Ära

des „dritten Weg“ Indiens und damit auch die Steuerung und Kontrolle der Wirt-

schaft durch den Staat. Gleichzeitig wurde die „inward-looking“ und „self-reliant“

Haltung aufgegeben und man öffnete sich wieder ausländischen Einflüssen. Das

Hauptaugenmerk der Reformen lag auf den Bereichen Industrie, Handel, Aus-

landsinvestitionen und Technologietransfer und zielte auf eine Verbesserung der

Position Indiens im internationalen Wettbewerb ab. Aber auch das Ziel, der Armut

ein Ende zu setzen, wurde erneut aufgegriffen und Priorität eingeräumt. Die wich-

tigsten Maßnahmen im Verlauf des 1991 begonnenen und bis heute andauernden

Reformprozesses lassen sich wie folgt gliedern:93

92 vgl. Bronger, 1996, S. 327 93 vgl. Bronger/Wamser, 2003, S.334; Wamser, 2005, S.41f. (Zusammenstellung verschiedener Autoren)

35

1. Geldpolitik Bereits im Juli 1991 wurde die Indische Rupie (INR) stark abgewertet. Nach

Einführung der Teilkonvertibilität im Frühjahr 1992, ist die indische Währung seit

Februar 1993 im Außenhandelsverkehr voll konvertierbar.

2. Deregulierung von Foreign Direct Investment (FDI)

Die maximale Kapitalbeteiligung für einen ausländischen Investor sich in einem

Joint-Venture zu engagieren, wurde in 34 Prioritätsbereichen (1991) von 41 auf

51% erhöht. Fünf industrielle Sektoren, die für Indien strategisch, gesellschaft-

lich und umweltpolitisch bedeutsam waren, wurden dem Staat vorbehalten: 1.

Waffen und Munition, 2. Atomenergie, 3. Eisenbahn, 4. Kohle, 5. Bergbau (Ei-

sen, Mangan, Chrom, Gips, Schwefel, Gold, Diamanten, Kupfer, Zink)

3. „Automatic Route“ und „Foreign Investment Promotion Board (FIPB)“

Bis auf eine kurze Negativliste entfiel in den meisten Bereichen die Genehmi-

gungspflicht. Investitionen, die keiner staatlichen Zustimmung bedürfen, können

seither über die „Automatic Route“, welche eine Registrierung bei der indischen

Zentralbank darstellt, angemeldet werden. Investitionen, die nicht über die „Au-

tomatic Route“ registriert werden können, müssen durch das FIPB geprüft und

bewilligt werden. Die weiteren Aufgaben des von der Regierung eingesetzten

Ausschusses sind die Förderung von ausländischen Investitionen und die For-

mulierung sowie Anwendung von transparenten Richtlinien und Verfahren.

4. Liberalisierung des Außenhandels

Tarifäre Handelsbarrieren wurden schrittweise über Jahre hinweg auf einen

durchschnittlichen Basiszollsatz von 35% reduziert. Nur 5% aller Produkte, wie

z.B. tierische Fette, Talg, sind derzeit noch von Importrestriktionen betroffen.94 5. Privatisierung

Die Rückführung von Staatsunternehmen, den „heiligen Kühe der indischen

Volkwirtschaft“, in die die Privatwirtschaft wurde ebenfalls im Rahmen des Re-

formpaketes 1991 initiiert.

36 94 vgl. European Commission Asia Investment Facility, 2002, S.42

6. Abschaffung der Standortbeschränkung Investoren wurde die Möglichkeit eingeräumt, den Standort der Ansiedlung frei

zu wählen. Davon ausgenommen sind Ballungsräume mit mehr als einer Million

Einwohnern. Diese Beschränkung gilt allerdings nur für Industriezweige die als

umweltverschmutzend gelten. Jedoch kann diese Restriktion durch eine Indust-

rielizenz teilweise umgangen werden.

7. Abbau des Lizenzwesens

Das Lizenzwesen wurde für die meisten Branchen komplett abgeschafft. Aus-

nahme bilden Industriezweige, die der Staat sich vorbehielt (siehe 2.) oder die

weiterhin der Lizenzpflicht, z.B. die Destillation und Brauen alkoholischer Ge-

tränke, elektronische Ausrüstungsgegenstände für Raumfahrt- und Verteidi-

gung, unterliegen. Die Pflicht zur Lizenzierung gilt ebenfalls weiterhin für Sekto-

ren, die für die Klein- und mittelständische Industrie gesichert werden sollen.

Dennoch erfolgte die Veräußerung und Umstrukturierung von Staatsunternehmen

nur sehr zögerlich. Auch die potentiellen Gewinne hielten sich in Grenzen, da der

Staat seine Mehrheitsbeteiligungen nur widerwillig aufgeben wollte. Der Rangara-

jan-Ausschuss, benannt nach dem Vorsitzenden Dr. C. Rangarajan, wurde zur

Beurteilung der Unternehmen eingesetzt.95 Der Ausschuss schlug „die Umwand-

lung der Staatsunternehmen in Aktiengesellschaften, die Bestimmung der ange-

strebten Höhe der staatlichen Beteiligung im Einzelfall, die finanzielle Sanierung

und die Prüfung der Möglichkeiten, Anteile als Mittel der Ressourcenmobilisierung

auszugeben“96, vor. Massive Unterstützung, im Vorhaben die Wirtschaft umzu-

strukturieren, fand Premierminister Rao in seinem Finanzminister Dr. Manmohan

Singh, der maßgeblichen Anteil an der Formulierung und Durchsetzung der Re-

formenschritte hatte. Singh setzte sich für eine behutsame und sukzessiv stattfin-

dende Öffnung und damit (Re-)Integration in die Weltwirtschaft ein. Wie bereits

erwähnt, ist der, vor ca. 14 Jahren eingeleitete Transformationsprozess bis heute

nicht abgeschlossen und konnte auch nicht durch zahlreiche Machtwechsel, z.B.

durch die „Bharatiya Janata Party (BJP)“ im Jahr 1998 unterbrochen werden, auch

wenn dies von Beobachtern befürchtet worden war.

95 vgl. Rieger, 2001, S.322f. 96 Rieger, 2001, S.323

37

3.2 Politische Rahmenbedingungen

Ebenso heterogen wie die indische Topographie ist die Parteienlandschaft. Im

Jahr 2004 waren 781 Parteien97 in Indien registriert. Nur eine Handvoll größerer

Parteien verfolgt ein Wahlprogramm oder definiert für sich eine ideologische

Grundhaltung. Mehrheitlich folgen die so genannten Klientelparteien einer charis-

matischen Führungspersönlichkeit. Aus diesem Grund ist das Parteisystem stän-

digen und extremen Veränderungen unterworfen, da häufig mit dem Tod der Füh-

rungspersönlichkeit die gesamte Partei stirbt. Ebenso oft kommt es zum

Zerwürfnis und zur Spaltung von Parteien auf Grund persönlicher Konkurrenz-

kämpfe oder „Abwerbung“ von Abgeordneten.98Die wichtigsten und größten Par-

teien Indiens sind:

1. „Indian National Congress (INC)“, Gründung: 1885

Bekannteste Vertreter sind neben Mahatma Gandhi und Jawaharlal Nehru, die

die Unabhängigkeitsbewegung anführten, Indira und Rajiv Gandhi. Die INC ver-

folgt das Ziel der Säkularisierung und der nationalen Integration. Im Zeitraum

von 1947-1996 waren alle Premierminister Mitglieder der INC. Ausnahme bilden

die Zeiträume 1977-1980 und 1989-1991.99

2. „Bharatiya Janata Party (BJP)”, Gründung: 1980

Die BJP, die indische Volkspartei, ist nach der INC die zweitstärkste politische

Kraft. Die Zielsetzung der Partei ist die Transformation Indiens in eine einfluss-

reiche und fortschrittliche Nation mit hinduistischer Orientierung (Hindunationa-

lismus). Die erste Amtsübernahme im Jahr 1996 scheiterte bereits nach 13 Ta-

gen an Uneinigkeiten über die Koalitionsmöglichkeiten mit anderen Parteien.

1998 konnte die BJP erneut, diesmal mit 12 anderen Parteien die Regierung

bilden. Die Koalition zerbrach nur ein Jahr später auf Grund von Streitigkeiten.

Dennoch gewann die BJP die Neuwahlen im September/Oktober 1999 und

konnte mit der Koalition „National Democratic Alliance (NDA)“, bestehend aus

97 Election Commission, 2004a, S.6 98 vgl. Töpfer, 2000

38 99 vgl. Wamser, 2005, S.80

der BJP und 23 anderen Parteien100, Indien regieren. Der Premierminister war

in beiden Amtsperioden Atal Behari Vajpayee.

3. „Communist Party of India (CPI)”, Gründung: 1925, und “Communist Party of India-Marxist (CPM)”, Gründung: 1964

Die CPM entstand durch Abspaltung von der CPI und ist die wichtigste kommu-

nistische Partei Indiens. Im Gegensatz zum Kommunismus des einstigen Ost-

blocks streben indische Kommunisten nicht die Einführung einer rigiden Plan-

wirtschaft an. Prioritätsbereiche sind die Privatisierung unrentabler

Staatsunternehmen und die Schaffung eines attraktiven Investitionsklimas für

ausländische Interessenten.

Neben den drei großen Parteien gibt es über 730 Regionalparteien97, von denen

über 170101 zu den landesweiten Wahlen im Mai 2004 antraten. Seit den 80er Jah-

ren gewinnen diese kleinen und regional starken Parteien an Bedeutung und füh-

ren zu einem Machtverlust der Zentralregierung zugunsten einer verstärkten Regi-

onalisierung, z.B. bei der Distribution von finanziellen Ressourcen. Des Weiteren

rücken wieder zunehmend kulturelle Faktoren wie Kaste, Religion und ethnische

Gesichtspunkte in den Vordergrund bei der Entscheidung der Wähler.

Völlig unerwartet kam die vernichtende Niederlage der BJP bei den Unionswahlen

im Mai 2004. Ursächlich für diese deutliche Abwahl war die Unfähigkeit der BJP,

die in einer Million Dörfern lebende und von Armut gebeutelte Landbevölkerung

von dem Slogan „India is shining“ zu überzeugen. Immer wieder wurde über

Selbstmorde von Bauern berichtet, die keine Überlebenschancen sahen, während

sich in den Städten Eliten bildeten. Demnach gab es allein im Zeitraum Mai-Juni

2004 im Bundesstaat Andrah Pradesh 300 offiziell registrierte Bauernselbstmor-

de.102 Das Konzept der Opposition, die Unterversorgung und die defizitäre Infra-

struktur für einen Großteil der Bevölkerung zum Wahlkampfthema zu machen,

ging auf. Nach der Nominierung von Sonia Gandhi, der Witwe des früheren Pre-

mierministers Rajiv Gandhi, stellt die Kongresspartei mit Dr. Manmohan Singh er-

neut den Premierminister. Auf die Koalitionsregierung „United Progressive Alliance 100 Hardgrave, 1999 101 lection Commission, 2004b, S.1ff. E102 vgl. Sharma, 2004

39

(UPA)“, bestehend aus der INC und 14 weiteren Parteien, reagierten ausländische

Investoren überaus skeptisch, wie und in welchem Tempo der Reformprozess wei-

tergeführt würde. Da die INC nicht über die Mehrheit der Stimmen im Unterhaus

(lok sabha) verfügt, ist sie bei Entscheidungen auf die Unterstützung der als re-

formunwillig eingeschätzten linken Parteien angewiesen, die nicht an der Koalition

beteiligt sind. Dennoch verkündete Premierminister Singh die Fortführung der Re-

formen, jedoch „mit einem menschlichen Antlitz“. Zu weiteren Prioritätsbereichen

wurden im Rahmen des „National Common Minimum Program (NCMP)“ die Ar-

mutsbekämpfung und die Entwicklung ländlicher Gebiete erklärt.

Abb. 9: Sitzverteilung in der 14. Lok Sabha

SitzeOppositionOppositionSitzeRegierungRegierung

138

12

11

7

17

Bharatiya Janata Party (BJP)

Shiv Sena (SHS)

Biju Janat Dal (BJD)

Janata Dal United Party (JD-U)

TDP, SAD, AITY, NPF, NMF

145

21

16

9

26

Indian National Congress (INC)

Rashtriya Janata Dal (RJD)

Dravida Munnetra Kazhagam (DMK)

National Congress Party (NCP)

TRS, JMM, MDMK, LJNSP, JKPDP,RPI (A), MUL, PMK, RPI, AC, KEC (M)

185BJP + 9 weitere Parteien217INC + 14 weitere Parteien

SitzeOppositionOppositionSitzeRegierungRegierung

138

12

11

7

17

Bharatiya Janata Party (BJP)

Shiv Sena (SHS)

Biju Janat Dal (BJD)

Janata Dal United Party (JD-U)

TDP, SAD, AITY, NPF, NMF

145

21

16

9

26

Indian National Congress (INC)

Rashtriya Janata Dal (RJD)

Dravida Munnetra Kazhagam (DMK)

National Congress Party (NCP)

TRS, JMM, MDMK, LJNSP, JKPDP,RPI (A), MUL, PMK, RPI, AC, KEC (M)

185BJP + 9 weitere Parteien217INC + 14 weitere Parteien

Quelle: Eigene Darstellung, auf der Grundlage von Wamser, 2005, S.83

40

3.3 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

3.3.1 Wirtschaftliche Entwicklung

Nach einem leichten wirtschaftlichen Einbruch im Haushaltsjahr 2002/03* ver-

zeichnete Indien im darauf folgenden Jahr ein Rekordwachstum von 8,5%103 und

damit das höchste Wachstum in der Geschichte überhaupt, abgesehen von den

Jahren 1975 und 1988. Ebenso konnte für das Jahr 2004/05 trotz eines unzurei-

chenden Süd-West Monsuns, international steigender Stahl- und Ölpreise und der

verheerenden Tsunami-Katastrophe im Dezember 2004, ein Wirtschaftswachstum

von 6,9%103 erreicht werden.

Abb. 10: Wirtschaftswachstum von 1990/91 bis 2005/06

6,9

6,9

8,5

4,0

5,8

4,4

6,1

6,5

4,8

7,8

7,3

6,3

5,0

5,1

0,8

5,6

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9

2005/06

2004/05

2003/04

2002/03

2001/02

2000/01

1999/00

1998/99

1997/98

1996/97

1995/96

1994/95

1993/94

1992/93

1991/92

1990/91

Jahre

%*Prognose

*

Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage von GOI, 2005a, S.3; Joshi/Little, 1996, S.17

Das BIP beträgt 2004/05 629,01 Mrd. USD104 und bedeutet Indiens Aufstieg zum

zweitgrößten Wachstumsmotor Asiens hinter China. Dennoch bleibt das durch-

schnittliche BIP pro Kopf von 564 USD105 2003 niedrig im Vergleich zu anderen

asiatischen Nationen wie China (1.100 USD105), den Philippinen (989 USD105) und

Indonesien (970 USD105). Noch in den 70er Jahren hatte Indien ein höheres BIP

pro Kopf als China. Die Inflation stieg in 2004/05 auf Grund hoher Rohöl- und

* Anm.: Das indische Haushaltsjahr beginnt am 1.April und endet am 31.März des darauf folgenden Jahres. 103 GOI, 2005a, S.1 104 Auswärtiges Amt, 2005 105 UNDP, 2005, S.267f.

41

Rohstoffpreise für Bodenschätze um rd. 1% im Vergleich zum Vorjahr auf durch-

schnittlich 5%104.

Das Haushaltsdefizit, sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene, ist nach wie

vor Grund zur Beunruhigung und wird auf 4,4106-6%107 des BIPs für das Haus-

haltsjahr 2004/05 geschätzt. Der 2003 verabschiedete „Fiscal Responsibility and

Budget Management Act“ verfolgt die Zielsetzung, bis zum Jahr 2008 das Haus-

haltsdefizit vollständig zu eliminieren. Dieses Ziel kann ohne eine erhebliche Er-

höhung der Staatseinnahmen nicht erreicht werden. Ohnehin wird der Haushalt

von Zins- und Personalzahlungen, Subventionen und Verteidigungsausgaben fast

vollständig aufgezerrt. Für Programme zur Verbesserung der Infrastruktur und Be-

kämpfung der Armut bleibt nur geringer Handlungsraum. Positiv bewertet wurde

die Einführung der Mehrwertsteuer am 1. April 2005, die nach Warengruppen und

Regionen gestaffelt sind. Derzeit liegen jedoch noch keine Schätzungen vor, wie

hoch die Einnahmen sein werden.

Die indischen Währungsreserven beliefen sich im Mai 2005 auf 140 Mrd. USD108.

Währenddessen betrug die Auslandsverschuldung im Dezember 2004

120,9 Mrd. USD100 und setzt sich vor allem aus langfristigen Verbindlichkeiten zu-

sammen. Auch wenn es damit gelungen ist den Anteil von 28,7% am BIP 1991

deutlich zu verringern, ist Indien lt. der „Economic Survey 2004/05" der weltweit

achtgrößte Debitor.109 Die INR blieb stabil und kann sich gegen die Welthandels-

währungen, wie USD und EUR behaupten.

3.3.2 Wirtschaftsstruktur

Ebenfalls in Indien vollzieht sich ein Wandel bezüglich der Bedeutung der einzel-

nen Wirtschaftssektoren. Die Landwirtschaft hat seit 1950 massiv an Bedeutung

verloren, wenn man den Anteil am BIP betrachtet. Trotz alle dem arbeitet der

größte Teil der Bevölkerung mit über 57%110 in der Landwirtschaft. Der unzurei-

106 Lamprecht, 2004, S.463 107 Bergé, 2004, S.303 108 o.V., 2005a 109 vgl. GOI, 2005a, S.137f.

42 110 GOI, 2005a, S.230

chende Monsun ist die Ursache, dass für diesen Wirtschaftszweig im Jahr 2004/05

ein Nullwachstum verzeichnet wurde. Noch in 2003/04 hatte die Landwirtschaft mit

einem gewaltigen Wachstum von 9,1%111 auf Grund eines sehr guten Monsuns

großen Anteil am Wirtschaftswachstum von insgesamt 8,5%. Die wichtigsten Er-

zeugnisse sind Tee, Kaffee, Reis, Getreide, Ölfrüchte, Milch, Gummi, Fisch und

Geflügel. Der Sektor ist einerseits durch beträchtliche Subventionen und anderer-

seits durch eine enorm hohe Unproduktivität gekennzeichnet. Schätzungen zufol-

ge verkommen 40%112 der landwirtschaftlichen Erzeugnisse entweder direkt auf

den Feldern oder während des Verarbeitungsprozesses. Dieser Bereich wird da-

mit zu einem äußerst attraktiven Betätigungsfeld für jegliche Unternehmen die auf

dem Gebiet des „Food Processing“ angesiedelt sind.

Indiens Industriesektor ist ebenso heterogen wie weite Teile der Wirtschaft. Auf

der einen Seite gibt es fortschrittliche und international wettbewerbsfähige Unter-

nehmen; auf der anderen Seite existieren Unternehmen, die mit veralteten Tech-

nologien und dementsprechend ineffizient produzieren.113 Im Zeitraum von April

bis Dezember 2004 konnte der industrielle Sektor ein Wachstum von 8,4%114 ver-

zeichnen. Damit verfügt Indien über den fünftgrößten Industriesektor in der Grup-

pe der Entwicklungsländer und den elftgrößten weltweit.115 Die Wachstumsbran-

chen sind die Automobilindustrie, chemische Industrie, Biotechnologie- und

Pharmaindustrie, Maschinen- und Ausrüstungsbau (einschließlich Textilmaschi-

nen) sowie die Nahrungsmittelindustrie.116

Auch 2004/05 bleibt der Dienstleistungssektor die Zugmaschine der wirtschaftli-

chen Entwicklung und verzeichnet das größte Wachstumspotential. 2004/05 konn-

te ein Wachstum von 8,8%117 erzielt werden. Umso erstaunlicher ist die Tatsache,

dass trotz dieser enormen Bedeutung für die indische Volkswirtschaftlich nur rund

25% aller Beschäftigten in diesem Sektor tätig sind. Zudem scheint es, als habe

Indien die Industrialisierungsphase ausgelassen und sei direkt von einer Agrarge-

sellschaft in eine vom Dienstleistungssektor dominierte Gesellschaft übergegan-

111 BFAI, 2005, S.24 112 nach Aussage von Herrn U.S.Becker auf dem Treffen des German-Indian Roundtable (GIRT), 11. Juli 2005 113 vgl. Hauff, 1999, S.236 114 GOI, 2005a, S.140 115 vgl. Hauff, 2004, S.92 116 vgl. BFAI, 2005, S.10f; Müller, 2005, S.19 117 BFAI, 2005, S.22

43

gen. Weltruf genießt Indien inzwischen als bedeutender Offshore Standort für IT-

basierte Geschäftsprozesse, dem so genannten „Business Process Outsourcing

(BPO)“ wie die Buchhaltung, Kunden- und Personalverwaltung sowie Computer-

wartung und -betreuung. Sogar die radiologische Begutachtung von Tomografien

wird von amerikanischen Unternehmen nach Indien ausgelagert. Potentielle

Wachstumsbranchen sind neben der IT-Branche der Einzelhandel, die Telekom-

munikation, insbesondere die Mobiltelephonie, und der Tourismus. In Deutschland

ist besonders in diesem Jahr der Trend von Bollywood-Filmproduktionen spürbar.

Abb. 11: Sektorale Verteilung, 1990/91 und 2004/05

1990/91 1990/91

2004/05 2004/05

Anteil BIP Anteil Beschäftigung

39,7

29,3

31,0

57,6

21,9

20,5

64,7

20,0

15,3

57,0

25,0

18,0

in %

Landwirtschaft

Industrie

Dienstleistungen

Quelle: Eigene Darstellung, auf der Grundlage von Gosalia, 2003, S.296; RBI, 2005, S.228; Mund,

2005, S.9

Im Allgemeinen sind die einzelnen Sektoren durch eine Vielzahl von klein- und

mittelständischen Unternehmen, die sich häufig in Familienbesitz befinden, ge-

kennzeichnet. Ein weiteres Charakteristikum der indischen Wirtschaft ist nach wie

vor die außerordentliche Bedeutung des öffentlichen Sektors. 2001 befanden sich

noch immer drei Viertel der indischen Industrieproduktion im Besitz des Staates.118

Die fast 20 Mio. im öffentlichen Sektor beschäftigen Arbeiter und Angestellte stel-

len damit die größte „army of civil servants in the world“119.

118 vgl. Rieger, 2001, S.319

44 119 Shankar, 2002, zit. n. Wamser, 2005, S.68

Weiterhin muss bei der Analyse ein beträchtliches Problem berücksichtigt werden:

der größte Teil des indischen Wirtschaftsleben spielt sich im informellen Sektor ab

und wird daher nicht erfasst.

3.3.3 Außenwirtschaft

Die Wirtschaftsreformen von 1991 führten nicht nur zu einer Zunahme an auslän-

dischen Investitionen, sondern lösten ebenso eine nie da gewesene Dynamik des

indischen Außenhandels aus. Im Haushaltsjahr 2004/05 konnte diese äußerst po-

sitive Entwicklung ebenfalls weitergeführt werden. Die Exporte wuchsen um 25,3%

auf 80 Mrd. USD104. Hauptexportgüter sind Bekleidung, Stoffe, Garne, Leder und

Lederwaren, Edelsteine und Schmuck, Teppiche, Ingenieurwaren, pharmazeuti-

sche Erzeugnisse, Software und landwirtschaftliche Erzeugnisse, z.B. Tee, Kaffee,

Nüsse, Reis, Meereserzeugnisse.120 Besondere Bedeutung kommt dem Export

von Dienstleistungen zu, der insgesamt 31%121 der Exporte ausmacht. Hauptab-

nehmerländer der Produkte sind die Vereinigten Staaten von Amerika (USA), die

Vereinigten Arabischen Emirate, Hongkong, Großbritannien, die Volksrepublik

(VR) China und Deutschland. Im gleichen Zeitraum verzeichneten die Importe ein

Wachstum von 35,6% auf 106 Mrd. USD104, resultierend nicht nur aus gestiege-

nen Einfuhren sondern auch aus erheblichen Preissteigerungen für Öl und Stahl.

Das Handelsbilanzdefizit hat sich demnach im Vergleich zum Vorjahr fast verdop-

pelt und liegt nunmehr bei 26 Mrd. USD.104 Hauptimportgüter sind Rohöl, Maschi-

nen, elektronische Güter, Gold und Silber, Edelsteine, Chemikalien. Die wichtigs-

ten Handelspartner sind hierbei die USA, Belgien, die VR China, Singapur,

Australien, Großbritannien und Deutschland.

Zwar ist Deutschland ein wichtiger Handelspartner für Indien, nicht aber umge-

kehrt. Nur 0,4% (3,3 Mrd. EUR) aller deutschen Exporte 2004 gingen nach Indien.

Ähnlich sieht es bei den Importen aus: nur 0,5% (2,9 Mrd. EUR) aller Güter wur-

den aus dem Subkontinent importiert.122 Sowohl bei den Exporten als auch bei

den Importen landet Indien abgeschlagen hinter mehr als 30 anderen Nationen als

Handelpartner. Schlussfolgerung dieser Situation kann nur sein, dass deutsche 120 BFAI, 2004, S.16 121 GOI, 2005a, S.112 122 Statistisches Bundesamt, 2005

45

Unternehmen noch nicht ausreichende die (zukünftige) Rolle Indiens in der Welt-

wirtschaft erkannt haben und bisher in ungenügendem Maße Geschäftsbeziehun-

gen mit Indien verfolgen. Die am 31. August 2004 verabschiedete „Foreign Trade

Policy 2004-2009“ formuliert die Richtlinien der weiteren außenwirtschaftlichen

Entwicklung und verfolgt die Ziele, den Anteil Indiens am Welthandel von derzeit

0,8% bis 2009 zu verdoppeln und die Policy als wichtiges Instrument in der Gene-

se von Arbeitsplätzen einzusetzen.123 Seit Januar 2005 ist Indien Vollmitglied der

World Trade Organization (WTO) und versucht die Vorgaben zu erfüllen.

Von der am 1. Januar 2006 in Kraft tretenden Freihandelszone „South Asian As-

sociation for Regional Cooperation (SAARC)“ werden weitere Impulse für die Stei-

gerung des Außenhandels ausgehen. Die Mitglieder haben vereinbart, sukzessiv

Zölle und Handelsbarrieren abzubauen. So haben sich Indien, Pakistan und Sri

Lanka zum Abbau ihrer Importzölle auf 0-5% bis 2013 verpflichtet.124 Die anderen

Mitgliedsstaaten haben bis 2015 Zeit die Zollsenkungen zu realisieren. Sensible

Produkte können von den einzelnen Ländern von diesen Vorgaben befreit werden.

Es bestehen bereits seit 1965 so genannte „Export Processing Zones (EPZ)“, die

allerdings nicht die gewünschten Ergebnisse brachten. Die Errichtung von insge-

samt 18 Sonderwirtschaftszonen, „Special Economic Zones (SEZ)“, nach dem

Vorbild Chinas, soll nun in besonderem Maße Export orientierte Industrien fördern

und attraktive Standortbedingungen in Form von Steuer- und Außenhandelsprivi-

legien für ausländische Investoren schaffen. Im Haushaltsjahr 2004/05 flossen ca.

5,3 Mrd. USD125 als FDI nach Indien und bedeutet damit die Fortsetzung des posi-

tiven Trends des vergangenen Jahres.

3.4 Rechtliche Rahmenbedingungen

Indien gilt als die „größte“ Demokratie der Welt, wobei das Kriterium für diesen

Superlativ die Bevölkerungsanzahl ist. Die Grundlage des Staates, der Neutralität

allen Religionen gegenüber garantiert (Säkularität), ist die am 26. Januar 1950

verabschiedete Verfassung. Angesichts der 28 Bundesstaaten und sieben Bun-

123 GOI, 2005a, S.116 124 vgl. Bergé, 2004, S.305

46 125 UNCTAD, 2005, S.306

desterritorien, in denen die gleichen demokratischen Prinzipien angewendet wer-

den und zahlreichen ethnischen Gruppen und Religionen ist Indien in der Tat er-

staunlich stabil. Jüngste Demonstration dieser Stabilität ist der fast reibungslos

verlaufende Regierungswechsel im Mai 2004. Die Gleichheit, die jedem indischen

Bürger vor dem Gesetz zugesichert wird, macht Indien zum Rechtsstaat. Dies gilt

jedoch nur begrenzt. Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit Indiens kommen auf, wenn

z.B. der Wirtschaftsreferent der Deutschen Botschaft in Neu Delhi, Herr Dr. Oliver

Lamprecht, anlässlich einer Sitzung des GIRT am 11. Juli 2005, über die Situation

der Frauen in den ländlichen Regionen berichtet, die nicht wissen, was es heißt,

persönliche Rechte zu haben. Tatsache ist, dass die Mehrheit der indischen Be-

völkerung keinen Nutzen vom Prinzip der Rechtsstaatlichkeit ihres Landes ziehen

kann. Demnach bleibt es für viele „benachteiligte und am Rande der Gesellschaft

lebende Menschen schlichtweg illusorisch, sich auf ihr Recht zu berufen, ge-

schweige denn, dieses einzuklagen“126.

Ein Erbe der Kolonialherrschaft ist die Orientierung am englischen Rechtssystem

und dem Fallrecht (Case Law) als Basis. Das „Case Law“ unterscheidet sich

grundsätzlich am augenscheinlichsten von deutschen Rechtsregeln im Vergleich

zu anderen Rechtskreisen. Nur selten gibt es zusammenfassende Gesetzestexte,

es wird vielmehr auf Grund von z.T. Jahrhunderte alten Präzedenzfällen entschie-

den.127 So kommt es z.B. bei Vertragsabschlüssen mit indischen Unternehmen

regelmäßig zur Verwirrung und ungeduldigen Reaktionen seitens der deutschen

Unternehmer, da durch zahlreiche Erläuterungen und Anhänge, in denen alle

möglichen Vertragsstörungen detailliert geregelt sind, der Vertrag sehr umfang-

reich wird. Ein auf britischem Recht basierendes Rechtssystem wird allgemein

positiv bewertet. Kritisiert werden hingegen die Behäbigkeit des Rechtssystems

und die mangelhafte Rechtsdurchsetzung. Demzufolge kann ein Rechtsstreit zwi-

schen zwei privaten Unternehmen infolge von Vertragsverletzungen bis zu

15 Jahre dauern. Eine rechtliche Auseinandersetzung mit einem Staatsunterneh-

men kann sich sogar bis zu 25 Jahre hinziehen. Schätzungen zufolge gibt es der-

zeit 23 Mio. schwebende Gerichtsverfahren.128 Um die Gerichte zu entlasten und

die mühselige Durchsetzung von Rechtsansprüchen zu vermeiden, wurde 1996

126 Dohrmann/Fischer, 2001, S.145 127 vgl. Bernstorff, 2002, S.2f. 128 vgl. Wamser, 2005, S.404f.

47

der „Arbitration Act“ für die außergerichtliche Einigung zwischen Geschäftspart-

nern erlassen. Dieser trug allerdings nicht wirklich zu Erleichterung der Situation

bei, da die Entscheidungen eines Schiedsverfahrens anfechtbar sind, sobald das

Staatsinteresse, „public policy“ beeinträchtigt ist. Da bislang das Staatsinteresse

keiner Definition unterliegt, ist es ein gern eingesetztes Mittel der unterlegenen

Partei.128 Ein internationaler Vergleich der World Bank, der „Enforcing Contracts

Index“, stuft das indisches Rechtssystem als eines der langsamsten und ineffek-

tivsten weltweit auf dem 93. Platz von insgesamt 134 Nationen ein.129 Gründe

hierfür sind chronisch überlastete Richter, die Vielfalt an möglichen Verzögerungs-

taktiken, die fehlende technische Ausstattung und die Korruption der Rechtsbe-

hörden.

3.5 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen

Die gesellschaftlichen und auch kulturellen Rahmenbedingungen können in dieser

Arbeit nicht einmal annähernd geklärt werden. Es soll vielmehr ein Einblick in die

Vielfalt und Andersartigkeit der indischen Gesellschaftsstrukturen gewährt werden.

Die Sprachenvielfalt ist dabei ein Charakteristikum. Neben den offiziellen Amts-

sprachen Hindi und Englisch, werden 17130 weitere als Amtssprachen durch die

Verfassung anerkannt.

Weiteres Merkmal des Subkontinents ist die Fülle an Religionen. Demnach sind

rund 82% der Bevölkerung Hindus, ungefähr 11,5% Moslems, rund 3% Christen,

2% Sikhs und 0,7% Buddhisten. Weitere 0,8% gehören anderen religiösen Grup-

pen wie Jains, Parsen, Juden und sonstigen an.131 Diese vielschichtige Zusam-

mensetzung der indischen Gesellschaft sorgt ohne Zweifel für soziale Spannun-

gen. Daher kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen,

besonders zwischen fundamentalistischen Moslems und radikalen Hindus, wie

z.B. der Bombenanschlag in Neu-Delhi im Oktober des vergangenen Jahres mit

51 Toten.

129 vgl. World Bank, 2005, S.248f. 130 CIA, 2005

48 131 vgl. Krack, 2004, S.15

In enger Verbindung mit dem Hinduismus steht das Kastenwesen, das selbst In-

dien-Unkundigen ein Begriff ist. Zwar wurde das Kastenwesen de jure im § 15 der

Verfassung vor mehr als 50 Jahren abgeschafft, dennoch existiert es de facto wei-

ter und ist in der indischen Gesellschaft in allen Bereichen präsent. Der Begriff

„Kaste“ stammt vermutlich vom portugiesischen Wort „casta“ für Rasse, Sorte,

Züchtung und ähnelt in seiner Bedeutung dem (nord-)indischen Ausdruck „Jati“.

Die Geburt in eine Jati, bedeutet für den Menschen die hierarchische Eingliede-

rung in eine bestimmte soziale Gruppe und damit die Zuweisung einer üblicher-

weise endgültigen Position innerhalb der indischen Gesellschaft. Identifizierbar ist

die jeweilige Kaste über den Familiennamen, Beruf, Sprache, Kleidungs-, Speise-

und Glaubenseigenarten.132 „Die Jati ist damit eine Schicksals-, Lebens-, Berufs-

und Heiratsgemeinschaft“133.

Die Hauptkasten, die weiter in Subkasten unterteilt werden, sind: 1. Brahmanen

(Priester, Gelehrte), 2. Kshatriyas (Krieger), 3. Vaishyas (Adel), 4. Shudras (Bau-

ern, Handwerker). Die kastenlosen Harijans (wörtlich: „Kinder Gottes“), auch „Un-

berührbare“ genannt, bezeichnen sich selbst als Dalits (Ausgestoßene). An dieser

Situation ändern auch Quotenregelungen für „Scheduled Castes and Tribes

(SCT)“ nichts, die den Zugang z.B. zu Ausbildungs- und Universitätsplätzen für

Niederkastige erleichtern sollen. Im Gegenteil, das Kastenbewusstsein in den

Köpfen wird eher noch gefestigt.

Ungeachtet der Bemühungen der verschiedenen Regierungen seit 1947 konnte

die Armut nicht beseitigt werden. Zwar konnte der Anteil der in Armut lebenden

Bevölkerung seit 1994 um 10%134 verringert werden. Die Abnahme ist Reflektion

der gesunkenen Kindersterblichkeit von 79135 im Jahr 1992 auf heute 56136 pro

1.000 Geburten und der erhöhten Lebenserwartung von 59135 Jahren in 1992 auf

64136 Jahre in 2005. Dennoch bleibt Indien, lt. „World Development Report 2005“,

eine der ärmsten Regionen weltweit, in der ca. 35% der Bevölkerung mit weniger

als 1 USD pro Tag auskommen müssen und damit mehr als 380 Mio. Einwohner

betrifft. Ungefähr 80% der Bevölkerung stehen nicht mehr als 2 USD pro Tag zur

132 vgl. Jürgenmeyer/Rösel, 2000, S.79 133 Jürgenmeyer/Rösel, 2000, S.79 134 CIA, 2005 135 Drezé/Sen, 1995, S.213 136 CIA, 2005

49

Verfügung.137 Dies bedeutet somit eine Erhöhung der absoluten Zahl der in Armut

lebenden Menschen resultierend aus dem Bevölkerungswachstum. Der Umstand,

dass im Wesentlichen nur die urbanen Regionen vom wirtschaftlichen Aufschwung

profitieren, führt zu immer größer werdenden regionalen Disparitäten und sich ver-

schärfenden sozialen Konflikten. Während Goa, Andhra Pradesh, Delhi, Himchal

Pradesh, Karnataka, Kerala, Maharashtra und Tamil Nadu vom wirtschaftlichen

Aufschwung in den letzten Jahren profitieren konnten, bleiben Bundesstaaten, die

bereits früher unterentwickelt waren, es auch weiterhin. Dies trifft insbesondere

auf die „BIMARU*“- Staaten (auch Hindi-Herzland) und Orissa zu.

Abb. 12: Regionale Disparitäten, dargestellt am BIP pro Kopf

Quelle: Wamser, 2005, S.134

137 vgl. World Bank, 2005, S.258 * Anm.: Die BIMARU-Staaten sind Bihar, Madhya Pradesh, Rajasthan und Uttar Pradesh; bimar bedeutet krank auf Hindi.

50

Tab. 3: Regionale Disparitäten, dargestellt an div. sozialen Indikatoren A lphabe-

t is ierungs-rate in %

Unter der A rmuts-grenze

in %

Kinder-sterblich-

keit

pro 1.000

Geburten-rate

pro 1.000

H D I X

Bezugsjahr 2001 1999-2000 2001 2002 2001

Bundesstaat M ännlich Weiblich Urban Rural

Andhra Pradesh 60,47 62,79 65,00 15,77 62 20,70 0,416 0,310 0,238

Bihar 47,00 65,66 64,79 42,60 61 30,90 0,367 0,318 0,208

Gujarat 69,14 63,12 64,10 14,07 60 24,70 0,479 0,288 0,233

Haryana 67,91 64,64 69,30 8,74 62 26,60 0,509 0,285 0,240

Karnataka 66,64 62,43 66,44 20,04 55 22,10 0,478 0,321 0,241

Kerala 90,86 71,67 75,00 12,72 10 16,90 0,638 0,290 0,240

M adhya Pradesh 63,74 59,19 58,01 37,43 85 30,40 0,394 0,312 0,241

M aharashtra 76,88 66,75 69,76 25,02 45 20,30 0,523 0,345 0,258

Orissa 63,08 60,05 59,71 47,15 87 23,20 0,404 0,292 0,242

Punjab 69,65 69,78 72,00 6,16 51 20,80 0,537 0,290 0,238

Rajasthan 60,41 62,17 62,80 15,28 78 30,60 0,424 0,281 0,209

Tamil Nadu 73,45 67,00 69,75 21,12 44 18,50 0,531 0,398 0,279

Uttar Pradesh 56,27 63,54 64,09 31,15 80 31,60 0,388 0,327 0,245

West Bengal 68,64 66,08 69,34 27,02 49 20,50 0,472 0,328 0,224

Indien 64,84 63,87 66,91 26,10 63 25,00 0,472 0,341 0,258

Lebenserwartung

in Jahren

2001-2005 1999-2000

Gini R atio für

P ro -Ko pf-Ko nsumausgaben

Quelle: Eigene Erstellung, auf der Grundlage von Planning Commission, 2002; GOI, 2005a

3.6 Stärken und Potentiale

Indien kann allen Befürchtungen und Zweifeln zum Trotz auf eine stabile Demo-

kratie seit fast 60 Jahren verweisen. Der Demokratisierungsindex sieht Indien hin-

ter Japan als zweitdemokratischstes Land Asiens.138

Der 1991 initiierte Transformationsprozess und der damit verbundene tief greifen-

de Strukturwandel wurde und wird noch heute entgegen aller innenpolitischen Wi-

derstände und Machtwechsel fortgeführt. Indien befindet sich demzufolge auch

weiterhin auf dem Weg zu einem marktwirtschaftlichen System. Auf der einen Sei-

te wurde ausländischen Investoren der Marktzugang ermöglicht und zunehmend

vereinfacht. Während 1991/92 nur 75 Mio. USD FDI nach Indien flossen, waren es

2004/05 über 5 Mrd. USD.139 Auf der anderen Seite zwingt es lokale Unterneh-

men, effektiv und hohen Qualitätsstandards entsprechend zu produzieren, um im

internationalen Wettbewerb zu bestehen. Weitere Maßnahmen der Regierung

138 López-de-Silanes et. al. 1999, zit.n. Wamser, 2005, S.33f. 139 UNCTAD, 2005, S.306

51

werden die Senkung der noch immer hohen Zölle und die Erhöhung der Beteili-

gungsgrenzen in verschiedenen Sektoren für ausländische Investoren beinhalten.

Fortschritte konnten ebenfalls bei der Verbesserung der Infrastruktur, wie z.B. der

Ausbau des Autobahnnetzes „Goldenes Viereck“, gemacht werden.

Insgesamt konnte der Subkontinent seine Attraktivität als Investitionsstandort

verbessern. Demnach urteilt der „FDI Confidence Index“ für 2004 der Manage-

mentberatung A.T. Kearney, dass nur die USA und China noch mehr Anziehungs-

kraft als Ziel für Auslandsinvestitionen besitzen.140 Besonders interessant dabei

sind die Gewinnaussichten, denn im “Schnitt verdienen ausländische Investoren in

Indien fast ein Drittel mehr auf ihr eingesetztes Kapital als in China“ lt. Hrn. Hein-

rich von Pierer, Aufsichtsratvorsitzender von Siemens auf der, im September in

Berlin 2005 stattfindenden, Indien-Konferenz des Handelsblatts.141

Wachstumsraten von durchschnittlich 6%142 in den 90er Jahren kennzeichnen die

Dynamik des wirtschaftlichen Aufschwungs. Im August 2005 verkündete “The

Economist” „Economic growth, (…), a stockmarket that (…) had risen by more

than 50% in a year; buoyant exports, a credit boom and bulging reserves of for-

eign exchange. India is, once again, enjoying a burst of economic optimism”143.

Wie in dem Zitat angedeutet verfügt Indien über einen fortschrittlichen Finanz- und

Kapitalmarkt. Der indische Aktienmarkt ist mittlerweile zum fünftgrößten in Asien

angewachsen und befindet sich weiterhin auf „Rekordjagd“.144 Experten der Deut-

schen Bank (DB) Research trauen der indischen Wirtschaft ebenfalls in den

nächsten 10 bis 15 Jahren eine jährliche Steigerung von 6% zu.142 Möglich wären

sogar bis zu 8% Zuwachs, wenn es der Regierung gelänge, die Reformen zügiger

und aggressiver voranzutreiben. Unbezweifelbar ist, dass Indien in 10 bis 30 Jah-

ren nach den USA und China die drittgrößte Volkswirtschaft sein wird.145 Ein gro-

ßer Vorteil gegenüber China „schlummert“ bislang noch in der Demografie. Wäh-

rend das Durchschnittsalter in Indien derzeit bei 24,7 Jahren liegt, wird sich China

(derzeit: 31,8 Jahre) als erstes Entwicklungsland der Herausforderung einer al-

ternden Bevölkerung stellen müssen.145 Ein weiterer Standortvorteil ergibt sich aus 140 vgl. A.T. Kearney, 2004a 141 Müller, 2005, 18f 142 vgl. Mund, 2005, S.3 143 o.V., 2005b, S.44 144 vgl. Bloomberg, 2005, S.21

52 145 vgl. Schnaas, 2005, S.26ff.

den niedrigen Lohnkosten und der hohen Verfügbarkeit an Arbeitskräften und Ma-

nagementpersonal. Lt. einem Bericht der „Financial Times Deutschland“ beträgt

der indische Durchschnittslohn in Abhängigkeit von Ausbildungsstand und Stand-

ort ein Viertel bis ein Zehntel der westlichen Lohnkosten.146 Arbeitskräfte sind nicht

nur hinreichend quantitativ vorhanden, sondern auch in einer Bandbreite mit un-

terschiedlichen Fähig- und Fertigkeiten. Ebenso unbestritten ist die Qualität des

sekundären und tertiären Bildungssystems: einige der besten Universitäten Asiens

befinden sich in Indien, die durch eine hohe Anzahl von Forschungseinrichtungen

ergänzt werden. Diese Kombination von niedrigen Lohnkosten und hohem Bil-

dungsniveau spielt eine entscheidende Rolle für den Erfolg Indiens. Verstärkt wird

dieser Effekt von dem Faktum, dass indische Manager und Fachkräfte die engli-

sche Sprache beherrschen.

Indien konnte sich in der Welt der Informationstechnologie einen erstklassigen

Namen machen und besitzt sein eigenes „Silicon Valley“ in Bangalore im Bundes-

staat Karnataka. Der Export von Software und IT-basierten Dienstleistungen

wuchs äußerst rasant von 0,5 Mrd. USD in 1995 auf 12 Mrd. USD in 2003/04. Die

Software von mehr als der Hälfte der Fortune 500-Unternehmen wird inzwischen

auf dem indischen Subkontinent programmiert.147 Hr. Azim Premji, der Chef von

Wipro, einem indischen Software-Giganten in Kalkutta, meint:„Den Doppelkräften

Informationstechnologie und Globalisierung gehört Indiens Zukunft“148. Im Ver-

gleich zu China, das als „Fabrik der Welt“ die Hardware produziert, gilt Indien als

„Entwicklungslabor der Erde“. Weiterhin gehört Indien zu den wenigen Ländern

auf die sich das Offshoring von front-und back-office Tätigkeiten derzeitig konzent-

riert.* Der “Offshore Location Attractiveness Index 2004” von A.T. Kearney schätzt

Indien sogar als derzeit attraktivstes Ziel für das Offshoring von Prozessen ein.149

Zunehmend wird der indische Subkontinent nicht nur als Produktions- und Ent-

wicklungsstandort, sondern als einer der größten potentiellen Absatzmärkte der

Welt wahrgenommen. Über die tatsächliche Anzahl der zur Mittelschicht gehören-

den Bevölkerung gibt es allerdings recht unterschiedliche Schätzungen. Von bis

146 vgl. Hagel/Brown, 2005, S. 28 147 vgl. Bronger/Wamser, 2003, S.316 148 Follath, 2005, S.131

*Anm.:front office= customer interaction, back office =data processing, finance, accounting, human resources, knowledge services 149 vgl. A.T.Kearney, 2004b, S.2

53

zu 350 Mio. Einwohnern ist dort die Rede.150 Konservative Schätzungen ge-hen

allerdings eher von 120 bis 150 Mio. kaufkräftigen Einwohnern aus. Wie hoch die

Unterschiede in den Analysen sein mögen, unbestritten bleibt, dass die indische

Mittelschicht ungebrochen wächst und die Kaufkraft rasant zunimmt. Die Konsum-

ausgaben stiegen im Zeitraum von 1994 bis 2000 um ca. 80% an.151 Es muss in

diesem Zusammenhang deutlich gemacht werden, dass es für deutsche Unter-

nehmen fatal wäre, dieses gewaltige Marktpotential zu ignorieren.

Großes Potential liegt auch in den bislang nur wenig genutzten natürlichen Res-

sourcen, die zahlreich in Indien vorhanden sind. Demzufolge gibt es bedeutende

Vorkommen von Kohle (viertgrößte Reserve der Welt), Eisenerze, Manganerze,

Glimmer, Bauxite, Titanerze, Chromeisenerze, Erdgas, Diamanten und Erdöl.152

Wenn auch nur langsam, beginnt sich das Image Indiens zu wandeln. Nicht länger

gelangt das Land ausschließlich dann in die Presse, wenn es als Armutshaus der

Welt angeprangert wird. Dies ist überaus wichtig, da deutsche Unternehmen in

noch umfangreicherem Maße und stärker auf das Potential Indiens aufmerksam

gemacht werden müssen. Angesichts dieser Stärken, über die Indien verfügt, re-

sümiert Hr. Heinrich von Pierer auf der Indien-Konferenz: „Es gibt keinen Zweifel

mehr, dass Indien auf dem Sprung ist zu einem wichtigen Spieler in der Weltwirt-

schaft“141.

3.7 Schwächen und Problembereiche

Hr. Jürgen Fitschen, Mitglied des erweiterten Konzernvorstandes der Deutschen

Bank, äußerte bedauernd auf der Indien-Konferenz des Handelsblatts „Mich er-

schüttert wie wenig Indien immer noch aus seinem Riesenpotenzial macht“141.

Doch Indien nutzt nicht nur nicht seine Potentiale. Es existieren gravierende Prob-

leme, die den Aufstieg zur Weltwirtschaftsnation verzögern oder auf negative Wei-

se nachhaltig beeinträchtigen könnten, wenn diese nicht bewältigt werden. Mit der

Übernahme der Regierung UPA im Mai 2004 drosselte man, als Zugeständnis an

150 Ray, 2005; Michler, 2005 151 Planning Commission, 2002, S.147

54 152 CIA, 2005

die kommunistischen Parteien, das Tempo des Reformprozesses. So urteilt “The

Economist” im August 2005 „Also alarming some economists is the government’s

inability to pursue any additional liberalising economic reforms”143. Gesetzesvor-

haben, wie z.B. die Befreiung der SEZ von den rigiden Arbeitsgesetzen im Mai

dieses Jahres, werden immer wieder mit Verweis auf Verbesserungsmöglichkeiten

verzögert und auch die Freigabe von Branchen für ausländische Investoren, z.B.

Versicherung, stagniert.153

Die Privatisierung von Staatsunternehmen kommt auf Grund von Widerständen

aus dem politischen wie aus dem privaten Sektor bereits seit Reformbeginn nur

schleppend voran. Seit Beginn der Privatisierungsbemühungen konnten nur ca.

41% der geplanten Erlöse aus dem Verkauf von Staatsunternehmen realisiert

werden.154 Die Veräußerung von Gewinn bringenden staatlichen Unternehmen,

z.B. Hindustan Petroleum Corporation Ltd. (HPCL), wurde mit dem Regierungs-

wechsel gestoppt.155 Mit der Ernüchterung der potentiellen ausländischen Investo-

ren einhergehen ausbleibende Einnahmen, die den Staatshaushalt entlasten

könnten. Wie bereits in Kapitel 3.3.1 erörtert, stellt das hohe Haushaltsdefizit eine

Gefährdung der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung Indiens dar und ist Ursache,

dass wichtige Infrastrukturmaßnahmen nicht durchgeführt werden können. Dabei

konstatiert Hr. Heinrich von Pierer auf der Indien-Konferenz: „Kommt Indien bei

der Verbesserung seiner Infrastruktur nicht voran, wird sich dies klar als Wachs-

tumsbremse erweisen“141.

Tatsache ist, dass Investitionsprojekte vollkommen ver-worfen oder z.B. nach Chi-

na vergeben werden, weil es zu tagelang andauernden Elektrizitätsausfällen

kommt. Hinzu kommen ein unzureichend ausgebautes und desolates Straßenver-

kehrsnetz sowie eine defizitäre Wasservorsorgung. So besteht in den 12 größten

indischen Städten eine durchschnittliche Unterversorgung von mehr als 40% mit

Trink- und Brauchwasser.156 Ebenso marode ist das Schienenverkehrsnetz. “The

Economist” schlussfolgert demzufolge im August 2005: „An “infrastructure index“

produced by the government showed hardly any growth in July. (…) Shortages of

153 o.V., (2005b), S.56 154 vgl. Wamser,2005, S.67 155 vgl. Bergé, 2004, S.303 156 vgl. Mertens/Deo, 2003, S.261

55

electricity and bottlenecks in transport will be big constraints on India’s future rate

of growth”143.

Die Attraktivität Indiens als Investitionsstandort wird zusätzlich von der überaus

schwerfälligen Bürokratie und der weit verbreiteten Korruption gemindert. Der

Subkontinent belegt im „Korruptionsindex“ von Transparency International den 90.

Rang von 146 Nationen.157 Einer „Doing-Business-Studie“ der World Bank zufolge

ist mit 37,4%158 die Korruption das größte Hindernis. Lt. dem Geschäftsführer ei-

nes mittelständischen Unternehmens mit Tochtergesellschaft in Indien, statten

Inspektoren alle zwei Wochen der Unternehmung einen Besuch ab, um „nach dem

Rechten zu schauen“. Neben der bitteren Armut werden ferner die hierarchischen

Gesellschaftsstrukturen als Ursachen gesehen.

Trotz der Senkung der Importzölle und dem Abbau von Handelshemmnissen im

Zuge der Reformen 1991, bleibt Indien ein Land mit einem extrem protektionisti-

schen Klima. Das durchschnittliche indische Zollniveau ist sechsmal höher als das

europäische und dreimal höher als das der „South Asian Association for Regional

Cooperation (ASEAN)“-Staaten.159 Das komplizierte System sieht für eine Reihe

von Produkten unterschiedliche Zollsätze vor, die einer enormen Bandbreite unter-

liegen können. Die durchschnittliche Basic Duty von 35% ist demnach nur eine

von mindestens vier Komponenten, von denen für alle Importe zumindest die Spe-

cial Basic Duty (10% des Basic Duty), Additional Duty (24%, 32% oder 40% ab-

hängig von der Güterkategorie) und Special Additional Duty (4%) hinzukom-

men.159 Staatliche Auflagen, wie z.B. aufwendige Etikettierungsvorschriften, und

der Widerstand indischer Unternehmer-Lobbys mit dem Ziel der ausländischen

Konkurrenz den Marktzugang zu verwähren, sind weitere protektionistische Maß-

nahmen. Indien versucht mit aller Macht zum Erzrivalen China aufzuschließen.

Doch während China seinen Anteil am Welthandel auf 6%160 steigern konnte,

steht Indien sich auf dem Weg zurück in die Weltwirtschaft selbst im Weg. Der

„Globalization Index 2004“ von A.T. Kearney und Foreign Policy verweist Indien

auf den vorletzten Rang von 63 untersuchten Nationen. Nur der Iran schneidet

157 vgl. Transparency International, 2004, S.61 158 World Bank, 2005, S.246 159 vgl. European Commission Asia Investment Facility, 2002, S.46f.

56 160 WTO, 2004, S.30

schlechter ab.161 Weiterer Handlungsbedarf besteht auf dem Gebiet der Unter-

nehmenssteuern, die mit 35,9%162 im Jahr 2004 für ausländische Unternehmen zu

den höchsten in Asien gehören und einer enormen Komplexität sowie ständigen

Änderungen unterliegen. Reformbedürftig ist ebenso die völlig veraltete Arbeitsge-

setzgebung.

Die bereits in Kapitel 3.5 angesprochene Kluft zwischen armen und reichen Bun-

desstaaten wird zur Zerreißprobe für den Zusammenhalt Indiens. Ebenso die im-

mer größer werdende Schere zwischen der mittellosen Landbevölkerung und der

wachsenden Mittelschicht ist ein schwelender Unruheherd. Falls es der Regierung

nicht gelingt, alle Bevölkerungsgruppen in den Fortschritt einzubinden und vom

Wirtschaftswachstum profitieren zu lassen, droht sogar politische Instabilität, die

unweigerlich die Anziehungskraft Indiens auf ausländische Investoren schmälern

würde. Die Frage, die es in diesem Zusammenhang zu stellen gilt, ist: Wird Indien

ewig die „developed developing economy“ bleiben, als die der verstorbene ehema-

lige Gouverneur der indischen Zentralbank und Berater der Regierung Gandhi,

L.K. Jha, Indien 1986 betitelte?

161 A.T. Kearney/Foreign Policy, 2005, S.55 162 UNCTAD, 2004, S.78

57

4. DEUTSCH-INDISCHE JOINT-VENTURES

4.1 Investitionsklima

Die Reformen 1991 bedeuteten den Beginn der Transformation Indiens von einer

staatlich gelenkten Planwirtschaft in eine Marktwirtschaft, die schrittweise vollzo-

gen und bislang noch nicht abgeschlossen wurde. Die Maßnahmen wie die Ab-

schaffung des Lizenzsystems, die Deregulierung von FDI und die Vereinfachung

des Genehmigungsprozesses, die den Zugang zum indischen Markt für ausländi-

sche Unternehmen ermöglichten, signalisierten, dass die indische Regierung den

Beitrag, welchen ausländische Investitionen für die wirtschaftliche Entwicklung

eines Landes leisten, erkannt hatte. Den Reformschritten folgte unmittelbar ein

sprunghafter Anstieg der Investitionszuflüsse, die 1997 den Höchststand von

3,6 Mrd. USD163 erreichten. Im Vergleich dazu betrugen die Investitionen 1991

lediglich ca. 75 Mio. USD164. Nach einer Periode der Stagnation mit Zuflüssen von

ca. 2,5 Mrd. USD163 jährlich, stiegen die ausländischen Direktinvestitionen erneut

in 2001 auf 3,4 Mrd. USD163.

Das Klima für ausländische Unternehmen hat sich demnach stark gewandelt; heu-

te sind Investitionen nicht nur politisch willkommen, sondern vielfach umworben.

Während sich die indische Zentralregierung um eine transparente und liberale In-

vestitionspolitik bemüht, haben die einzelnen Bundesstaaten wahre Werbefeldzü-

ge im Kampf um die meisten ausländischen Investitionen begonnen. Am erfolg-

reichsten warben in den letzten Jahren Maharashtra, Delhi, Karnataka, Tamil

Nadu, Andhra Pradesh und Gujarat, die die entwickelten Staaten Indiens darstel-

len und seit 1991 kumuliert über 55% der Investitionen für sich verzeichnen konn-

ten.165 Insgesamt registrierte Indien im Jahr 2004/05 Investitionszuflüsse von

5,3 Mrd. USD166. Laut Handels- und Industrieminister Kamal Nath sollen die Aus-

landsinvestitionen bis März 2006 auf 6,5 Mrd. USD167 anziehen. Während noch

vor den Reformen Europa der Hauptinvestor war, verliert der Kontinent seitdem

bezüglich der Investitionssummen kontinuierlich an Bedeutung. Mittlerweile konnte

163 Kumar, 2004, S.125 164 UNCTAD, 2004 165 vgl. Kumar 2004, 146 166 UNCTAD, 2005, S.306

58 167 o.V., 2005d, S.13

sich die USA als wichtigster Investor positionieren, selbst wenn Mauritius die

Rangliste der Hauptinvestoren seit Jahren anführt. Grund ist ein besonderes In-

vestitions- und Steuerabkommen, so dass ein Großteil der (ausländischen) Inves-

titionen über Mauritius nach Indien gelangt. In der Rangfolge werden die Plätze

drei bis fünf von den Niederlanden, Großbritannien und Japan eingenommen. Im

Zeitraum von 1991 bis Dezember 2004 investierte die deutsche Wirtschaft kumu-

liert ungefähr 1,25 Mrd. USD in Indien. In 2004 lagen die deutschen Direktinvesti-

tionen bei 125 Mio. USD und Deutschland damit auf dem sechsten Rang. Zwar

nahmen die deutschen Investitionen in den letzten Jahren zu, sind aber insgesamt

noch recht gering.168

Die Schwerpunkte der Investitionstätigkeiten bilden der Telekommunikationssek-

tor, die Transportindustrie, der Elektronikbereich einschließlich Computersoftware,

der Handelsbereich und der Dienstleistungssektor.169 Obwohl Indien seit den 90er

Jahren einen enormen Zuwachs verzeichnen kann (2004: 5,3 Mrd. USD166), sind

die Investitionszuströme im Vergleich zu anderen Entwicklungs- und Schwellen-

ländern, insbesondere China (2004: 60,6 Mrd.

USD166), dennoch gering.

Da Indien und China unterschiedliche Methoden anwenden, um die Höhe der In-

vestitionen zu berechnen, ist ein direkter Vergleich nur begrenzt möglich. Indien

verzichtete bislang auf die Anwendung der international anerkannten FDI-

Definition im „Balance of Payments Manual“ des IMFs und berücksichtigt lediglich

„frische“ Investitionen. Die indische Regierung bemüht sich erst seit Kurzem um

die Anpassung der FDI-Definition an internationale Normen. Währenddessen be-

ziehen chinesische Berechnungen ebenfalls Reinvestitionen aus erzielten Gewin-

nen ein. Insgesamt sollen zwischen 25- 50%170 des als FDI deklarierten Kapitals

aus chinesischen Quellen stammen, die über das Ausland zurück nach China ge-

langen. Mit dem so genannten „Round Tripping“ versuchen chinesische Unter-

nehmen die Steuererleichterungen, von denen ausländische Investoren z.B. in

Hongkong oder Macao profitieren, für sich zu nutzen. Demnach wird angenom-

men, dass die Investitionshöhe Indiens um bis zu 81% unterschätzt und die Chi-

168 vgl. BFAI, 2005, S.7 169 vgl. BFAI, 2004, S.18 170 Wamser, 2005, S.115

59

nas stark überschätzt wurde.171 Nichtsdestotrotz kann die unterschiedliche Be-

rechnung nicht darüber hinwegtäuschen, dass das indische Investitionspotential

nicht ausgeschöpft wird und Indien lt. des „Inward FDI Performance Index 2002“

der United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) als Under-

performer gilt.172 Neben der Bürokratie und Unsicherheit über die Reformbereit-

schaft der neuen Regierung als Ursache, wirken sich ebenfalls das niedrige Ein-

kommensniveau und die defizitäre Infrastruktur negativ auf die Investitionshöhe

aus.173 Doch lediglich die Rolle Indiens als Underperformer in die Waagschale zu

werfen, wäre grundfalsch. Demzufolge beurteilt A.T Kearney Indien als attraktivs-

ten Investitionsstandort weltweit hinter China und den USA. In der Bewertung als

Hochrisikostandort schneidet Indien sogar besser als China ab. Weiterhin äußer-

ten sich ca. 65% der ausländischen Investoren zufrieden über die Erreichung ihrer

Gewinnziele in Indien.174

Abb. 13: Entwicklung FDI von 1991/92 bis 2004/05

0

1.000

2.000

3.000

4.000

5.000

6.000

1991/92 1992/93 1993/94 1994/95 1995/96 1996/97 1997/98 1998/99 1999/00 2000/01 2001/02 2002/03 2003/04 2004/05

Jahre

Mio

. US

D

Quelle: Eigene Darstellung, auf der Grundlage von UNCTAD, 2004, 2005

171 vgl. Goyal, 2004, S. 93 172 vgl. European Commission Asia Investment Facility, 2002, S.31 173 vgl. Kumar, 2004, S.130f.

60 174 vgl. BFAI, 2005, S.28f

4.2 Bestandsaufnahme der deutsch-indischen Joint-Ventures

In den Jahren nach dem Beginn des Reformprozesses, setzte buchstäblich ein

Boom von Kooperationen im Allgemeinen und von Joint-Ventures im Speziellen

ein. Maßgeblich für den sprunghaften Anstieg von Joint-Venture Neugründungen

in dieser Zeit war die Möglichkeit für ausländische Investoren, sich an einer indi-

schen Unternehmung mehrheitlich beteiligen zu können. Demnach lag die Anzahl

der genehmigten Joint-Ventures im Zeitraum von 1991 bis 1994 bei 288.175 Eben-

so wuchs die Zahl derjenigen Gemeinschaftsunternehmen, die de facto ihren Ge-

schäftsbetrieb aufnahmen.

Seit Beginn der regelmäßigen Aufzeichnungen der Deutsch-Indischen Handels-

kammer (DIHK) im Jahr 1957 wurden bis Ende 2002 insgesamt 37.196 ausländi-

sche Kooperationsabkommen von den indischen Behörden genehmigt. Davon

wurden 5.102 Kooperationen mit deutschen Unternehmen geschlossen. Weitere

Kooperationspartner kommen aus den USA (7.891), Großbritannien (4.784), Ja-

pan (2.750), Italien (1.568), Schweiz (1.505), Frankreich (1.488), Niederlande

(1.398) und Mauritius (1.208).175

Abb. 14: Entwicklung Joint-Ventures von 1981 bis 2002

0

20

40

60

80

100

120

140

160

180

1981 1985 1989 1993 1997 2001

Jahr

Anza

hl

Quelle: Eigene Darstellung, auf Grundlage von DIHK, 2003, S.VII

175 DIHK, 2003, S.VIIff.

61

Erkennbar ist die deutliche Verschiebung vom Abschluss einer ausschließlich

technischen Kooperation (Lizenzvertrag) hin zur technischen Kooperation in Ver-

bindung mit einer finanziellen Beteiligung (Joint-Venture) nach 1991.

Die Anzahl der genehmigten Kooperationen und der tatsächlich existierenden dif-

feriert jedoch nach wie vor enorm. Nach Schätzungen der DIHK kommen ungefähr

25%175 der Genehmigungen nicht über das Verhandlungsstadium hinaus. Gründe

hierfür sind z.B. Uneinigkeit über die Konditionen zur Errichtung des Gemein-

schaftsunternehmens oder mangelnde Gewinnaussichten infolge veränderter

Wirtschaftsbedingungen. Des Weiteren werden Genehmigungen für technische

Kooperationen für einen Zeitraum von acht bis zehn Jahre erteilt und so stellt der

neu genehmigte Vertrag lediglich die Verlängerung einer bereits bestehenden Ko-

operation dar. Nach Berücksichtigung dieses Sachverhaltes verbleibt ein Gesamt-

bestand von insgesamt 1.595 deutsch-indischen Kooperationen, an denen 780

indische und 777 deutsche Unternehmen beteiligt sind. Der Grund dieser Diskre-

panz liegt in der Tatsache, dass zahlreiche Unternehmen mehrere Kooperationen

pflegen. 611 der insgesamt 1.595 Kooperationsabkommen haben sowohl techni-

schen als auch finanziellen Charakter und sind demnach Joint-Ventures.175*

Eine Aufschlüsselung nach Branchen ergibt, dass insbesondere der deutsche Ma-

schinenbau das Joint-Venture als Eintrittsmöglichkeit in den indischen Markt nutzt.

Weitere wichtige Wirtschaftszweige, die mit einem Partner kooperieren, sind die

Elektrotechnik und Elektronik, die Automobilindustrie und ihre Zulieferer sowie die

Chemie und die Pharmazie.175 Außerordentlich hohe Anziehungskraft für die An-

siedlung deutsch-indischer Joint-Ventures besitzt die Region Mumbai und Pune im

Westen Indiens. Zu den attraktiven Standorten zählen ebenso der Industriegürtel

rund um Delhi im Norden, die Zentren Bangalore, Coimbatore und Chennai im

Süden sowie Kalkutta und Teile Westbengalens. Einer Untersuchung von Wamser

zufolge sind mehrheitlich mittelständische Unternehmen in Indien tätig.176 Wie be-

reits in Kapitel 2.6.2 ausgeführt, können Joint-Ventures als Minderheits-, Paritäts-,

oder Mehrheitsbeteiligung gegründet werden. Bei den deutsch-indi-schen Ge-

meinschaftsunternehmen variiert der Kapitalanteil zwischen 2,5% und 100%.

* Anm.: Die DIHK zählt hierzu ebenfalls 100%ige Tochterunternehmen, deren Gesamtanzahl Ende 2002 149 betrug. Diese werden in der Abb. 15 ebenfalls berücksichtigt, jedoch gesondert dargestellt

62 176 vgl. Wamser, 2005, S.223

Dennoch ist ein deutlicher Trend zur Mehrheitsbeteiligung und zur 100%igen

Tochtergesellschaft erkennbar. Gründe hierfür sind die Anhebung des ausländi-

schen Kapitalanteils an Joint-Ventures auf bis zu 51% in 34 Industriezweigen

1991, die Erhöhung der Kapitalbeteiligungsgrenzen und die vollständige Freigabe

einiger Sektoren seitdem. Darüber hinaus lässt sich eine weitere Tendenz feststel-

len: Seit einigen Jahren verringert sich kontinuierlich insgesamt die Anzahl der neu

genehmigten Joint-Ventures. Demgegenüber steht eine Zunahme von Genehmi-

gungen für 100%ige Tochtergesellschaften. Dies erlaubt die Schlussfolgerung,

dass je stärker sich der indische Markt öffnet, desto mehr ausländische Unter-

nehmen auf die Einbeziehung eines lokalen Partners in Form eines gemeinschaft-

lich gegründeten Unternehmens verzichten.

Abb. 15: Höhe der Kapitalbeteiligung

1991 2002in %

54,8

10,7

34,5

24,2

13,3

25,7

24,4

12,4

dt. Minderheit Parität dt. Mehrheit 100%ige Tochtergesellschaft unbekannt (zumeist neu)

Quelle: Eigene Darstellung, auf der Grundlage von Geissbauer/Siemsen, 1995, S.38; DIHK, 2003,

S.IX

63

4.3 Motive der Joint-Venture Partner

4.3.1 Motive der deutschen Unternehmen

In den ersten vier Jahrzehnten nach Wiedererlangung der Unabhängigkeit war

Indiens Wirtschaft von massiver staatlicher Planung und Kontrolle sowie einer

Vielzahl von dirigistischen Eingriffen gekennzeichnet. Nichtsdestotrotz existierten

in den Unternehmen bereits finanzielle Beteiligungen durch ausländische Partner,

die jedoch vorwiegend aus der Zeit vor der Unabhängigkeit stammten. In Sekto-

ren, die von der indischen Regierung als strategisch bedeutsam eingestuft wur-

den, war es indischen Unternehmen gestattet, ein Technologie-Lizenzabkommen

einzugehen, welches häufig eine finanzielle Beteiligung einschloss. Gleichwohl

war die ablehnende Haltung der indischen Regierung einer ausländischen Prä-

senz gegenüber deutlich spürbar und gipfelte in der Beschränkung ausländischen

Kapitals an Firmen auf einen Anteil von 40% Ende der 70er Jahre. Bis zur Libera-

lisierung 1991 hatten deutsche Unternehmen oftmals kaum eine Möglichkeit, auf

dem indischen Markt überhaupt aktiv zu werden - geschweige denn in direkter und

unabhängiger Form. Wurde der Investitionsantrag von den verantwortlichen Be-

hörden nicht von vornherein abgelehnt, wie in 50%177 aller Anträge vor Reformbe-

ginn, war eine Marktbearbeitung demnach oftmals nur über Lizenzverträge oder

ein Joint-Venture möglich.178

Unmittelbar nach den Liberalisierungsmaßnahmen bestanden neben den Höchst-

grenzen für eine Beteiligung in vielen Sektoren weitere Gründe ein Joint-Venture

zu errichten. Zum einen wurden Investitionsprojekte nur genehmigt, wenn ein indi-

scher Partner als Befürworter agierte oder dieser konnte durch das, an anderer

Stelle bereits erwähnte, „Know-Who“ Genehmigungsprozesse erleichtern und be-

schleunigen. Zum anderen verfügten zu diesem Zeitpunkt nur die wenigsten aus-

ländischen Unternehmen über Erfahrungen auf dem indischen Markt, der in seiner

Erschließung besondere Anforderungen stellt. Das gegründete Gemeinschaftsun-

ternehmen konnte dementsprechend von den Marktkenntnissen des indischen

Mutterhauses profitieren.

177 RKW, 1998, S.17

64 178 vgl. Matter, 2000, S.393

Nach wie vor gibt es, ungeachtet der Fortschritte in der Öffnung der indischen

Wirtschaft, weiterhin ausschlaggebende Motive den Markteintritt in Form eines

Joint-Ventures zu favorisieren. Demnach gilt das wirtschaftliche Umfeld noch im-

mer als stark kontrolliert und mit einer Vielzahl von Restriktionen und Einschrän-

kungen in vielen Wirtschaftsbereichen, z.B. Landwirtschaft und Printmedien, als

überreguliert. Des Weiteren kann in vielen Industrien auch heute noch nicht die

Beteiligung lokaler Partner vermieden werden, u.a. im Einzelhandel, in der Versi-

cherungs- und Telekommunikationsindustrie. Die Gründung einer 100%igen Toch-

tergesellschaft ist in einigen Bereichen daher ausgeschlossen. Selbst in Sektoren,

die inzwischen keinerlei Beschränkungen mehr unterliegen, nimmt die Gründung

eines Tochterunternehmens viel Zeit in Anspruch und ist mit einem hohen Verwal-

tungsaufwand verbunden.

Im Vergleich zu anderen Kooperationsformen, z.B. Lizenzverträge, die nach einem

bestimmten Zeitraum auslaufen, werden in der Errichtung eines Joint-Ventures

Bemühungen zum Aufbau einer langfristigen Präsenz in Indien deutlich. Dies soll

durch die feste Bindung an den Partner, die in einem Gemeinschaftsunternehmen

eingegangen wird, erreicht werden. Darüber hinaus wird im Gegensatz zu einer

rein technischen Kooperation größere Einflussnahme auf Management und lokaler

Produktion und damit die Einhaltung von Produktivitäts- und Qualitätsstandards

möglich. Gleichzeitig kann das Ausmaß des Technologie- und Know-How-

Transfers besser kontrolliert und gesteuert werden.179 Oftmals mangelt es den

Unternehmen, insbesondere mittelständischen, beim Eintritt an Erfahrungen und

einem ausreichenden Pool von Informationen. Dieses Informationsdefizit äußert

sich in geringeren Kenntnissen, „z.B. über lokale Marktbedingungen, über fremde

Sitten und Gebräuche und schlechtere Kontakte zu lokalen Behörden, Arbeits-

märkten und Zulieferfirmen gegenüber einheimischen Unternehmen“180. Die Mög-

lichkeit, an diesen Kenntnissen, den vorhandenen Geschäftsbeziehungen und

dem damit offensichtlichen Wettbewerbsvorteil teilzuhaben, ist vielfach Antriebs-

moment in der Entscheidung für die Gründung eines Joint-Ventures und gegen

eine 100%ige Tochtergesellschaft. Besonders für den deutschen Mittelstand inte-

ressant dürfte in diesem Zusammenhang der Umstand sein, dass es in Indien „ei-

179 vgl. Geissbauer/Siemsen, 1995, S.28 180 Thi Nam Ha, 1997, S.18

65

nen breiten Mittelstand mit langjährigen Erfahrungen in Handel, Produktion und

Dienstleistungen“181 gibt. Der erleichterte Zugang zu indischen Distributionskanä-

len und zu qualifiziertem Personal sowie vom Partner eingebrachte Infrastruktur,

z.B. Immobilien, Produktionsanlagen etc. sprechen ebenso für eine Kooperation.

Der Zugriff auf die Ressourcen des Partners impliziert die Schonung der eigenen

und wird in einigen Fällen darüber hinaus zur notwendigen Voraussetzung für den

Eintritt in den indischen Markt. Eine Vielzahl deutscher mittelständischer Unter-

nehmen kann sich schlichtweg den außerordentlich kostspieligen und zeitrauben-

den Aufbau eines eigenen Distributionsnetzes im Alleingang nicht leisten und wäre

gezwungen, Ambitionen bereits in der Projektierungsphase wieder zu verwerfen.

Besonders während der Gründungsphase kann das Joint-Venture vom Personal-

stamm des indischen Partners profitieren, da Mitarbeiter relativ kurzfristig tempo-

rär oder permanent transferiert werden können. Verfügt das indische Partnerun-

ternehmen zudem über eine gewisse Reputation, kann dies den

Rekrutierungsprozess entscheidend vereinfachen und es können Mitarbeiter mit

den erforderlichen Qualifikationen gewonnen werden, die es vorziehen, in presti-

geträchtigen Häusern tätig zu sein.182

Des Weiteren ist es möglich, dass der indische Partner über zusätzliches Land

und noch nicht genutzte Immobilien verfügt, die eingebracht werden können. E-

benfalls denkbar ist die Ansiedlung des Joint-Ventures auf dem Gelände des indi-

schen Stammhauses. Die damit verbundenen Kosteneinsparungen können ein

beachtliches Ausmaß annehmen, da Preise für den Erwerb oder Anmietung von

Immobilien, in Abhängigkeit vom Standort prohibitiv hoch sein können. Dem Re-

port „Global Market Rents“ von CB Richard Elis (CBRE) zufolge gilt Mumbai als

eine teuersten Städte Asiens hinter Tokio und noch vor Metropolen wie Shanghai

und Taipei.183 Die zuvor genannten Argumente bedeuten für das deutsche mittel-

ständische Unternehmen letztendlich nicht nur einen beschleunigten, sondern

auch günstigeren Zugang zum Binnenmarkt, dessen Erschließung das vorder-

gründige Ziel des Indien-Engagements ist. Joint-Ventures werden vor allem ge-

gründet, um den lokalen Markt zu bedienen. Demnach ist es wahrscheinlich, dass

181 Geissbauer, 1998, S.145 182 vgl. Filliol, 1994, S.136

66 183 CBRE, 2005, S.3

Unternehmen, die den lokalen Markt bedienen wollen, mit einem indischen Partner

kooperieren.184

Die Entscheidung, eine Investition in einem ausländischen und unbekannten Um-

feld zu tätigen, bei dem es sich zusätzlich um ein Entwicklungsland handelt, ist mit

hohem unternehmerischem Risiko behaftet. Das Eingehen einer Kooperation dient

demgemäss als Instrument zur Risikominderung. Zudem kann die Summe für die

Anfangsinvestition verringert werden. Auf Grund des hohen Risikos erfolgt die Er-

schließung eines internationalen Marktes häufig stufenweise. Die Kooperation in

Form eines Joint-Ventures ist ein denkbarer Schritt auf dem Weg zu einem selb-

ständigen Engagement auf dem indischen Markt. Abschließend kann als Motiv für

die Errichtung eines Joint-Ventures die oft kritisierte, kurzfristige Ausrichtung deut-

scher Unternehmen aufgeführt werden. Im Gegensatz zu einem Tochterunter-

nehmen kann die Gewinnschwelle schneller erreicht und Kosten eingespart wer-

den, was der Interessenslage deutscher Unternehmen entspricht. Nichtsdestotrotz

sollten deutsche Investoren die Alternative Gemeinschaftsunternehmen nicht auf

Grundlage des zuletzt genannten Motivs wählen, da Kurzzeitorientierung auf dem

indischen Markt unangebracht ist.

4.3.2 Motive der indischen Unternehmen Die zunehmende Isolierung Indiens im Zeitraum von 1947 bis 1991 bedeutete ne-

ben der Abkopplung vom Welthandel ebenso eine Stagnation der Modernisierung

und des technologischen Fortschritts des Landes. „Dies erklärt sich u.a. aus der

lange Zeit dominierenden Strategie der Importsubstitution bzw. dem System der

Mixed Economy, in denen das Ziel des Produktivitätswachstums grundsätzlich

nicht im Mittelpunkt steht“.185 Für die geschützten indischen Unternehmen bestan-

den weder Anreiz noch Notwendigkeit, effiziente Produktionsstrukturen aufzubau-

en und zu unterhalten. Noch heute operieren viele indische Unternehmen, insbe-

sondere die dem Staatssektor angehören, mit geringer Produktivität auf Grund

veralteter Anlagen und vermarkten Produkte niedriger Qualität. Um diese Entwick-

lungslücken zu schließen, ist die Gründung von Kooperationen im Allgemeinen

184 Beena/Bhandari/Bhaumik/Gokarn/Tandon, 2004, S.137 185 Hauff, 1999, S.241

67

und Joint-Ventures im Besonderen, von Seiten der indischen Regierung beson-

ders willkommen. Das zuvor genannte Argument ist für indische Unternehmen das

Hauptmotiv, eine Partnerschaft mit einem ausländischen Unternehmen einzuge-

hen, da besonders das Joint-Venture für den Transfer von modernen Technolo-

gien und Know-How im Bereich von Marketing, Distribution und Management ge-

eignet scheint. Die Kooperation mit einem deutschen Unternehmen ist darüber

hinaus attraktiv, da Produkte „Made in Germany“ einen exzellenten Ruf in Indien

genießen. Dies gilt insbesondere für die Maschinen- und Anlagebau- sowie Che-

miebranche.186

Lokale Anbieter suchen gemeinsam mit einem ausländischen Partner einen Weg,

die internationale Wettbewerbsfähigkeit über eine Steigerung der Produktivität und

die Herstellung qualitativ hochwertiger Produkte zu erlangen. Dies schließt eine

Auseinandersetzung mit den hohen Qualitätsanforderungen des deutschen Betei-

ligten ein und führt nicht selten zur Überforderung des indischen Unternehmens.

Die Einführung und Zertifizierung von Qualitätsstandards, z.B. der ISO-

Normenfamilie sind dennoch wichtige und von indischer Seite ebenso als notwen-

dig erachtete Maßnahmen, um sich von der Konkurrenz abheben zu können. Im

Zusammenhang mit dem Technologie- und Wissenstransfer ist der Aspekt des

Lernens vom ausländischen Partner und das Einbringen eigener Konzepte für in-

dische Unternehmer von essentiellem Belang. Oftmals werden Gemeinschaftsun-

ternehmen im Rahmen von Diversifizierungsmaßnahmen eingegangen, da der

indische Partner eine Ausweitung seiner Geschäftsaktivitäten sucht.

Wie bereits in Kapitel 4.3.1 aufgeführt, ist die Möglichkeit den Partner langfristig an

sich zu binden, gleichfalls für indische Unternehmen Beweggrund für die Errich-

tung eines Joint-Ventures, mit dem beide Partner ihren Willen zur dauerhaften und

formellen Zusammenarbeit besiegeln.186

Die Gründung eines Joint-Ventures wird in vielen Fällen vom Aufbau neuer Fabri-

kationsanlagen begleitet. Dabei kann der indische Partner von Kosteneinsparun-

gen und gleichzeitigen Ertragssteigerungen profitieren, da weniger Material für die

gleiche Ausbringungsmenge benötigt wird und mehr Produkte in kürzerer Zeit mit

68 186 vgl. Geissbauer/Siemsen, 1995, S.29

einer geringeren Ausschussquote hergestellt werden können. Gleichzeitig impli-

ziert der Einsatz moderner Maschinen vielfach die kostengünstige Weiterqualifizie-

rung des Personalstammes des indischen Unternehmens in Form von Schulun-

gen, Training oder gar Fachkräfteaustausch mit dem deutschen Partner-

unternehmen. Die zunehmende Globalisierung der Märkte und die damit verbun-

denen Chancen wollen natürlich auch indische Unternehmer nicht ungenutzt las-

sen und streben daher den Eintritt auf internationale Märkte an. Mit Hilfe des deut-

schen Partners könnte das indische Unternehmen entweder den nationalen Markt

als „Hub“ für eine Exportstrategie von Produkten in Nachbarländer nutzen oder

erste Erfahrungen auf dem deutschen Markt sammeln und Kontakte aufbauen.

Abschließend lässt sich jedoch feststellen, dass die indischen Unternehmen keine

besondere Präferenz für ein Joint-Venture haben und lediglich den expliziten Vor-

stellungen des deutschen Partners entsprechen.186

4.4 Interkulturelle Einflussfaktoren

Im Rahmen dieser Arbeit kann nur ein Einblick in die komplexe und deutschen

Unternehmern kompliziert scheinende indische (Geschäfts-)Kultur gewährt wer-

den. Dennoch ist es unerlässlich sich bereits in einem frühen Stadium des Enga-

gements mit dieser Thematik auseinander zusetzen, da eine ungenügende Vorbe-

reitung ein Zustandekommen einer Geschäftsbeziehung von vornherein verhin-

dern oder zu Konflikten und unter Umständen zum Scheitern führen kann. Die

Annahme, dass sich kulturelle Gegebenheiten nicht auf die Geschäftsbeziehung

auswirken oder sich indische Geschäftsleute den westlichen Gepflogenheiten völ-

lig angeglichen haben, ist ein schwerwiegender Irrtum.

Wie bereits in Kapitel 3.5 erläutert, sind die indischen kulturellen und gesellschaft-

lichen Rahmenbedingungen sehr komplex und unterscheiden sich deutlich von

denen Deutschlands, d.h. die kulturelle Distanz zwischen beiden Staaten ist e-

norm.187 Zwei Autoritäten auf dem Gebiet des interkulturellen Managements sind

die niederländischen Experten Geert Hofstede und Fons Trompenaars. Hofstede

führte im Zeitraum zwischen 1967 bis 1973 in 53 Niederlassungen des internatio-

187 vgl. Hecht-El Minshawi, 1998, S.2f

69

nalen Unternehmens International Business Machines (IBM) eine Untersuchung

durch, mit dem Ziel, zu beweisen, dass die Unternehmenskultur in den Zweigstel-

len nicht überall die Gleiche sein konnte, da die nationale Kultur nicht vollständig

überdeckt wird. Auch wenn die Repräsentativität dieser Studie vielfach angezwei-

felt wurde, entwickelte Hofstede fünf Dimensionen, die die Ausprägungen der un-

terschiedlichen Kulturen verdeutlichen. Bei den Dimensionen handelt es sich um:

1. Machtdistanz

2. Individualismus vs. Kollektivismus

3. Unsicherheitsvermeidung

4. Maskulinität vs. Feminität

5. langfristige vs. kurzfristige Orientierung

Auf zwei soll an dieser Stelle eingegangen werden. Bei der ersten Dimension

handelt es sich um „Machtdistanz“, welche „das Ausmaß, bis zu welchem die we-

niger mächtigen Mitglieder von Institutionen bzw. Organisationen eines Landes

erwarten und akzeptieren, dass die Macht ungleich verteilt ist“188. Kulturen, bei

denen eine hohe Machtdistanz, z.B. Indien, festgestellt wurde, sind eher bereit

Ungleichheit unter den Mitgliedern der Gesellschaft zu tolerieren. Religionen wie

der Hinduismus, der jedem Mensch auf Grund guter und schlechter Taten in vo-

rausgegangenen Leben seinen Platz zuweist (Karma), begünstigen eine hohe

Machtdistanz. Des Weiteren gibt es in diesen Kulturen entweder keine oder nur

geringe Mobilität in vertikaler Richtung innerhalb der Hierarchien, wie sie im indi-

schen Kastenwesen verankert ist. Indische Unternehmen sind demnach stark hie-

rarchisch gegliedert, in denen Macht und Autorität ungleich verteilt sind und von

den Angestellten Führung und Anleitung durch den Vorgesetzten erwartet wird.189

Auf der einen Seite gelten indische Arbeitnehmer als wenig selbständig, die nur

geringfügig eigeninitiativ tätig werden. Dennoch verfügen sie über ein hohes Maß

188 Hofstede, 2001, S.33

70 189 vgl. Kreuser, 2002, S.151

an Anpassungsfähigkeit an Hierarchien- und Strukturenwechsel.190 Mitarbeiter in

indischen Unternehmen zeigen sich bedingungslos und absolut loyal, wenn der

Vorgesetzte seine Fürsorgepflicht sowohl in materieller als auch in immaterieller

Form wahrnimmt. Ausdruck der Loyalität eines indischen Angestellten ist es, dem

Vorgesetzten nicht zu widersprechen, ihn nicht zu kritisieren und zu verbessern,

um dessen Gesicht unter allen Umständen zu wahren. Ebenso werden Zielvorga-

ben, die unrealistisch sind oder beispielsweise aus Zeitmangel nicht erfüllt werden

können, nicht angezweifelt.191 Ebenso sollte ein deutscher Unternehmer es tun-

lichst vermeiden, den indischen Gesprächspartner offen zu kritisieren oder ihm mit

einem „deutschen Nein“ zu antworten, da dies bedeutet, die Kompetenz des Ge-

genübers anzuzweifeln und alle bisherigen Bemühungen dadurch zunichte ge-

macht würden.

Eine weitere von Hofstede identifizierte Kulturdimension ist „Individualismus vs.

Kollektivismus“ und kennzeichnet den Grad, „inwieweit sich Mitglieder einer Ge-

sellschaft als einzelne, unabhängige Individuen oder als Mitglieder einer Gruppe

verstehen“192. In kollektivistischen Gesellschaften, zu denen auch Indien gehört,

besitzt die Familie zweifellos zentralen Stellenwert, die im Leben eines Inders

„Geborgenheit, von der Wiege bis zum Scheiterhaufen“193 gibt. Ebenfalls im Ge-

schäftsleben erfolgt Definition und Beurteilung des Einzelnen über seine Gruppen-

zugehörigkeit, die z.B. durch Kaste, Bildungsniveau oder Alter bestimmt wird. Die

Gruppe schützt und stärkt seine eigenen Mitglieder, grenzt sich jedoch klar von

anderen, so genannten „Out-Groups“, ab. Eine wichtige Rolle für den Zusammen-

halt unter den Mitgliedern spielen zwischenmenschliche Beziehungen und Harmo-

nie, die es in jedem Fall zu erhalten gilt, auch wenn dies bedeutet, bewusst Infor-

mationen zurückzuhalten. Entscheidungen, die in erster Linie dem Allgemeinwohl

der Gruppe dienen, werden vorwiegend im Konsens getroffen, da die einzelnen

Mitglieder kaum bereit sind, eigene Verantwortung zu übernehmen.

Einige Jahre später entwickelte Trompenaars sieben eigene Kulturdimensionen,

die sich z.T. mit denen Hofstedes decken: 1. Spezifisch vs. diffus, 2. Sequentielle

vs. synchrone Zeiteinteilung, 3. Neutral vs. affektiv, 4. Errungener vs. zugeschrie- 190 vgl. Wamser, 2005, S.256 191 vgl. Kreuser, 2002, S.206 192 Wamser, 2005, S.96 193 Krack, 2004, S.32

71

bener Status, 5. Universalismus vs. Partikularismus, 6. Individualismus vs. Komm-

unitarismus, 7. Interne vs. externe Kontrolle.194 Die erste Dimension beschäftigt

sich mit der Frage, inwieweit das persönliche Verhältnis zwischen Verhandlungs-

partnern eine Geschäftsbeziehung beeinflusst.195 In spezifischen Kulturen sind

Beziehungen über Verträge geregelt. Im Gegensatz dazu zählen in einer diffusen

Kultur, wie Indien, der Aufbau einer persönlichen Beziehung und Geduld als un-

vermeidbare Vorbedingungen für jede geschäftliche Beziehung. Erste Gespräche

führen in Indien in den seltensten Fällen bereits zu Vertragsabschlüssen und die-

nen lediglich dem gegenseitigen Kennen lernen.

Zu diesem Zweck werden, für westliche Unternehmer teilweise sehr persönliche

Fragen zu Familienstand, dem Ehepartner, dessen beruflichen Tätigkeit und An-

zahl der Kinder gestellt. Gespräche werden normalerweise durch Smalltalk einge-

leitet, in denen Alltägliches wie Wetter, Politik und Sport besprochen werden.

Selbst wenn Geschäftsessen generell in Restaurants, in Hotels oder Clubs statt-

finden, kann es vorkommen, dass der indische Geschäftspartner seinen deut-

schen Gast nach Hause zum Essen einlädt. Diese Einladung ohne wirklich triftigen

Grund auszuschlagen, käme einem Affront gleich, ist sie doch Ausdruck der ho-

hen Wertschätzung und Respekts des indischen Gegenübers.196 Für alle Unter-

nehmen, die ein Indien-Engagement ernsthaft anstreben, gilt: „Wer in Indien Ge-

schäfte machen will, darf den Aufbau einer freundschaftlichen Beziehung nicht

außer acht lassen“197.

Das Gefühl für Zeit ist eine weitere von Trompenaars untersuchte Dimension. In

Indien hat sie im Gegensatz zu Deutschland eigentlich keine Bedeutung, da sich

im Grunde früher oder später alles wiederholt. Sie wird nicht als ein knappes und

wertvolles Gut betrachtet, was den Indern den Ruf, unzuverlässig und chronisch

unpünktlich zu sein, eingebracht hat. Die Inder entschuldigen sich bei Unpünkt-

lichkeit gern selbst-ironisch mit der „inoffiziellen“ Zeit „Indian Standard Time

(IST)“.198 Häufig kann der Termin nicht zum ausgemachten Zeitpunkt stattfinden,

da der indische Gesprächspartner noch in einer anderen Besprechung oder noch

194 vgl. Trompenaars, 2004, S.35f. 195 vgl. Trompenaars, 2004, S.67f. 196 vgl. Kreuser, 2002, S.186 197 Kreuser, 2002, S.216

72 198 vgl. Krack, 2004, S.140

nicht in der Firma eingetroffen ist. Denkbar sind ebenfalls Verzögerungen auf

Grund familiärer Verpflichtungen. Deutsche Unternehmer sind hier aufgefordert,

Verspätungen verständnisvoll und geduldig hinzunehmen, selbst aber zu den ver-

einbarten Terminen pünktlich zu erscheinen. Ungeduld hingegen wird in Indien

nicht als Tugend aufgefasst und sie zu zeigen, bedeutet sein Gesicht und damit

den Respekt des anderen zu verlieren. Die Kulturdimensionen, sowohl von

Hofstede als auch von Trompenaars, sollten als Richtlinien dienen und nicht als

absolut gültige Wahrheit interpretiert werden. So existieren in einer Vielzahl von

multinationalen Konzernen und manch indischem Unternehmen nicht länger jene

Strukturen, die durch starre Hierarchie und ungleiche Verteilung von Autorität cha-

rakterisiert sind. Ebenso kann man von der indischen Kultur nicht mehr als rein

kollektivistisch reden. Die Gruppe der „India’s New Yuppies“ leben sehr wohl kon-

sumorientiert und individualistisch und kennzeichnet jene Mitglieder der Bevölke-

rung, die nach Universitätsstudium, u.a. im Ausland, gut bezahlte Jobs bekommen

und innerhalb kürzester Zeit in Führungspositionen aufsteigen.199 Nichtsdestotrotz

sollten deutsche Unternehmer die Eigenarten der indischen (Geschäfts-)Kultur

kennen und respektieren, da das Zwiebelprinzip von Trompenaars in Indien Gül-

tigkeit zu besitzen scheint. Es besagt, dass Veränderungen vornehmlich

oberflächliche Verhaltensweisen tangieren und nicht jene traditionelle

Wertevorstellungen und Normen berühren, die seit der Kindheit tief in der

Persönlichkeit verankert sind.200

4.5 Gesetzliche Rahmenbedingungen

Das 1956 erlassene indische Gesellschaftsrecht, „Companies Act“ und das Devi-

senbewirtschaftungsgesetz, der „Foreign Exchange Management Act (FEMA)“ von

1999, bilden die Gesetzesgrundlage für ausländische Investitionen und Devisen-

transaktionen.201 Seit Einführung der neuen Wirtschaftspolitik 1991 und der damit

verbundenen schrittweisen Öffnung des indischen Marktes bemüht sich die indi-

sche Regierung um eine liberale und transparente Investitionspolitik, um ausländi-

sche Direktinvestitionen zu erleichtern. Demnach kann der ausländische Investor

199 vgl. Wamser, 2005, S.375 200 vgl. Trompenaars, 2004, S.29ff. 201 vgl. DEG, 2002, S.35ff.

73

zwischen der Gründung eines „Liaison Office“, eines Projektbüros „Project Office“,

einer Zweigniederlassung „Branch Office“, eines Joint-Ventures oder einer

100%igen Tochtergesellschaft „Wholly Owned Subsidiary“ als Markteintrittsform

wählen. Grundsätzlich sind Investitionen und Gewinne „frei rückführbar mit Aus-

nahme von Fällen, in denen die Genehmigung laut offizieller Sektorpolitik spezifi-

schen Bedingungen unterliegt“202.

Gegenwärtig können die Partnerunternehmen selbst über die Höhe der ausländi-

schen Beteiligung entscheiden. Demnach kann in der ganzen Bandbreite von ei-

ner Minderheitsbeteiligung bis hin zur 100%igen Tochtergesellschaft gewählt wer-

den. Dennoch ist der Umfang des Engagements häufig davon abhängig, in

welcher Branche der Investor tätig ist, da eine Vielzahl von Sektoren noch immer

einer Lizenzpflicht oder Höchstbeteiligungsgrenzen unterliegt. Die Sektoren Atom-

energie und Eisenbahntransport sind bis dato vollständig dem öffentlichen Sektor

vorbehalten und ermöglichen daher keinerlei Investitionstätigkeit.203 FDI ist weiter-

hin in den Bereichen Glückspiel, Lotterie, Einzelhandel und Landwirtschaft (mit

Ausnahme von Tee) nicht erlaubt.204

In sechs Bereichen, die umwelt-, gesundheits-, sicherheitspolitische sowie strate-

gische Bedeutung für Indien haben, ist die Einholung einer Lizenz nach wie vor

obligatorisch: 1. Destillation and Brauen von Alkohol, 2. Zigarren, Zigaretten und

Tabakersatzprodukte, 3. Luft- und Raumfahrttechnik sowie Verteidigungsausrüs-

tung, 4. industrielle Sprengstoffe, 5. gefährliche Chemikalien und 6. Arzneistoffe

und pharmazeutische Produkte.203 Der Lizenzierungspflicht unterliegen gleichfalls

die Industriebereiche, die den klein- und mittelständischen Unternehmen vorbehal-

ten sowie die Ansiedlung von Industriebetrieben an Standorten, die nicht als In-

dustriestandort ausgewiesen sind.205 Grund-sätzlich ist der Standort inzwischen

jedoch frei wählbar.

202 GOI, 2005b, S.11 203 GOI, 2005c, S.105f. 204 GOI, 2005b, S.2

74 205 vgl. GOI, 2005b, S.6

Abb. 16: Höchstbeteiligungsgrenzen in div. Sektoren

Bran

chen

• Printmedien• Versicherungs-

wesen• Verteidigung• Rundfunk

• Tele-kommunikation

• Fernsehen• Investitions-

gesellschaften im Infrastruktur- u.Dienstleistungs-sektor

• nationale Flug-gesellschaften

• Privatbanken• Atomare

Mineralien• Satellitentechnik

• Software-entwicklung

• Werbebranche• Bergbau

(außer Diamantenu.a. Edelsteine)

• Food Processing• Großhandel

≤ 26% ≤ 49% ≤ 74% ≤ 100%

Quelle: Eigene Darstellung, auf Grundlage von GOI, 2005b, S.34f.

4.5.1 Institutionen

Folgende Institutionen sind in den Genehmigungsprozess involviert:

1. Secretariat for Industrial Assistance (SIA) Das SIA dient als Teil des Department of Industrial Policy and Promotion

(DIPP) im Industrieministerium als “zentrale Vermittlungsstelle für Unterneh-

merunterstützung, Investorenförderung, Entgegennahme und Bearbeitung al-

ler von der Regierung zu genehmigenden Anträge, Mitteilung von Regie-

rungsentscheidungen über eingereichte Anträge, Unterstützung von

Unternehmen und Investoren bei der Planung von Projekten (einschließlich

Kontakten mit anderen Organisationen und Verwaltungen der einzelnen Bun-

desstaaten) und Überwachung der Projektdurchführung“206. Darüber hinaus

informiert das SIA über Änderungen in der Investitions- und Technologiepolitik

durch die indische Regierung.

2. Foreign Investment Promotion Board (FIPB) Das FIPB, welches ebenfalls dem DIPP untersteht, ist verantwortlich für die

Überprüfung der Investitionsanträge, die die Voraussetzung für eine Anmel-

dung über die “automatic route” nicht erfüllen. Des Weiteren gehören zu den

Aufgaben des FIPB die Schaffung von transparenten Verfahren und Investiti-

onsrichtlinien sowie die Förderung von ausländischen Direktinvestitionen.201 206 GOI, 2005d, S.25

75

3. Foreign Investment Implementation Authority (FIIA) Die im SIA eingegliederte FIIA unterstützt die ausländischen Unternehmen in

der zügigen Abwicklung der genehmigten Investitionen und bietet weiterhin ei-

nen Betreuungsservice an, der Hilfe „bei der Einholung der notwendigen Ge-

nehmigungen, der Klärung praktischer Fragen und der Kontaktaufnahme mit

Regierungsstellen zur Lösung von Problemen“ umfasst.201

4. Investment Promotion and Infrastructure Development (IP & ID) Cell Die Aufgaben der IP & ID Cell beinhalten u.a. die Verbreitung von Informatio-

nen über das Investitionsklima in Indien, die Erleichterung von Investitionen

und die Partnersuche für Investitionsprojekte.201

4.5.2 Genehmigungsverfahren

Noch vor 1991 musste das „Secretariat for Industrial Approval (SIA)“, das in „Sec-

retariat for Industrial Assistance“ umbenannt wurde, alle Investitionsanträge bewil-

ligen. Gegenwärtig sind grundsätzlich alle ausländischen Direktinvestitionen über

die „Automatic Approval“, die eine Registrierung bei der Reserve Bank of India

(RBI) darstellt, anmeldbar mit Ausnahme von lizenzpflichtigen Investitionen, von

Anträgen ausländischer Investoren, die bereits ein Joint-Venture oder Abkommen

über die Nutzung von Warenzeichen/Markennamen mit einem indischen Partner

eingegangen sind und eine Investition im gleichen oder verwandten Geschäftsfeld

beabsichtigen (Press Note 1 (2005 Serie)) sowie von allen Investitionsanträgen,

die die für den entsprechenden Sektor geltende Höchstbeteiligungsgrenze über-

schreiten.207 Dabei ist es ausreichend, das zuständige RBI-Regionalbüro über die

Investition innerhalb von 30 Tagen nach Überweisung des Eigenkapitals oder

Ausgabe der Gesellschaftsanteile mittels eines Formulars zu informieren. Die „Au-

tomatic Approval“ bietet dem Investor eine erhebliche Zeitersparnis, da die erfor-

derlichen Genehmigungen innerhalb weniger Wochen erteilt werden.207 Das FIPB

ist hingegen für die Genehmigung der Investitionsanträge verantwortlich die nicht

den Voraussetzungen einer automatischen Genehmigung durch die RBI entspre-

chen und daher der Zustimmung der indischen Regierung bedürfen. Dieses Ver-

76 207 vgl. GOI, 2005b, S.1

fahren der Einzelgenehmigungen wird daher „Specific Approval“ genannt. Hierbei

muss die Genehmigung vor Durchführung der Investition beantragt werden, über

die je nach Sachlage individuell entschieden wird. Das FIPB tritt mit dem ausländi-

schen Investor in Verhandlungen und beurteilt den Investitionsantrag hinsichtlich

des Gesamtnutzens für Indien. Grundsätzlich wird dann über den Investitionsan-

trag innerhalb von 30 Tagen entschieden.208

4.5.3 Gesellschaftsformen

Die Joint-Venture Gesellschaft kann als Neugründung oder als Umwandlung einer

bereits bestehenden indischen Gesellschaft erfolgen. Dabei wird ein Teil des

Stammkapitals an das ausländische Partnerunternehmen übertragen und in der

Satzung dessen Rechte aufgenommen.209 Dennoch raten Experten wie Rechts-

anwalt Jan Eberhardt von der igca GmbH von dieser Alternative ab, da Probleme

hinsichtlich der Bewertung bestehender Vermögensgegenstände auftauchen

könnten und mögliche Altschulden übernommen würden. Da das indische Gesell-

schaftsrecht nicht zwischen indischen und ausländischen Unternehmen unter-

scheidet, ist das deutsch-indische Joint-Venture eine „indische Gesellschaft mit

unabhängiger Rechtsstellung getrennt von der ausländischen Muttergesellschaft“

und unterliegt ebenso wie andere in Indien gegründete Gesellschaft dem Compa-

nies Act.210 In dieser Arbeit wird die Gründung des Joint-Ventures als Kapitalge-

sellschaft angenommen, daher wird nur auf die entsprechenden Gesellschaftsfor-

men eingegangen. Die nur selten angewandten Varianten sind die Gründung des

Joint-Ventures als Personengesellschaft oder als „Joint Working Agreement“.210

1. Private Company Die mit der deutschen GmbH vergleichbare Gesellschaftsform verfügt über ein

Stammkapital von mindestens 100.000 INR (= 1 lakh) und wird von wenigstens

zwei Gesellschaftern gegründet. Neben der Anzahl der Gesellschafter, die 50

nicht überschreiten darf, ist die Haftung auf das eingelegte Kapital beschränkt.

Darüber hinaus existieren Restriktionen, die die Veräußerung von Geschäftsan-

208 vgl. GOI, 2005d, S.18 209 vgl. DIHK, 2001, S.23f 210 vgl. DEG, 2002, S.49ff.

77

teilen durch die Gesellschafter betreffen. Ebenso ist es untersagt, öffentlich die

Anteile zum Kauf anzubieten.211

2. Public Company

Für die Public Company, der deutschen AG ähnelnd, gelten die Beschränkun-

gen der Private Company nicht. Demnach können die Gesellschafter ihre Kapi-

talanteile frei veräußern. Die Public Company muss über ein Stammkapital von

mindestens 500.000 INR und sieben Gesellschaftern verfügen. Der mit der

Gründung eines Joint-Ventures in dieser Gesellschaftsform verbundene Auf-

wand ist relativ hoch.211 Bei der Firmierung ist zu beachten, dass eine Public

Limited Company mit der Bezeichnung „Limited“ und eine Private Limited Com-

pany mit „Private Limited“ abschließt.

Da ausländische Gesellschaften dem indischen Gesellschaftsrecht, „Companies

Act“ unterliegen, müssen diese ebenfalls den Registrierungsbestimmungen nach-

kommen. Demnach ist die Gesellschaft beim „Registrar of Companies“ in dem

Bundesstaat anzumelden, in dem diese ihren Sitz haben wird.

4.6 Gründungsprozess

Dem eigentlichen Gründungsprozess geht eine intensive Phase der Informations-

beschaffung voraus, die das Fundament für jedes Auslandsengagement darstellt

und daher keinesfalls unterschätzt oder vernachlässigt werden sollte. Zunächst

muss eine eingehende Überprüfung der unternehmensinternen Ressourcen und

damit die Feststellung, ob das eigene Unternehmen überhaupt in der Lage ist, ei-

ne Investitionstätigkeit aufzunehmen, erfolgen.212 Die Erstellung eines Stärken-

Schwächen-Profils hilft bei der Beantwortung dieser Problemstellung. Des Weite-

ren gilt es, zuverlässige und tiefgründige Informationen über die indischen Rah-

menbedingungen, die ebenso die Markt-, Branchen- und Konkurrenzsituation ein-

schließen, zu gewinnen. Da das unternehmerische Umfeld in Indien ständigen

Veränderungen unterworfen ist, bedarf es einer kontinuierlichen Aktualisierung der

211 vgl. DEG, 2002, S.51f.; GOI, 2005b, 14

78 212 vgl. Geissbauer/Siemsen, 1995, S.32

erhobenen Daten. Die schriftliche Fixierung der Ergebnisse aus der Informations-

beschaffungsphase in einem Informationsplan dient damit als Basis nachfolgender

unternehmerischer Entscheidungen.213

Nachdem Indien als Investitionszielland und der Markteintritt in Form eines Joint-

Ventures als geeignet befunden wurden, beginnt nun der Prozess der eigentlichen

Errichtung des Gemeinschaftsunternehmens. Bereits in einer frühen Phase der

Gründung sollte über mögliche Konfigurationen des Joint-Ventures nachgedacht

werden. Dabei können mehrere Modelle überprüft werden, um sie auf Grund z.B.

rechtlicher oder ressourcenbedingter Restriktionen von vornherein auszuschließen

oder sie in die engere Wahl zu ziehen. Die Erkenntnisse und mitunter entwickelte

Präferenzen können als Kriterium in die Evaluation möglicher Partner einfließen.

Des Weiteren gewähren die erworbenen Kenntnisse Sicherheit in der Verhand-

lungsphase und verhindern, dass das eigene Unternehmen „Opfer“ einer Über-

rumpelungstaktik wird. Trotz Präferenzen bezüglich der Joint-Venture Ausgestal-

tung sollte das Unternehmen flexible und offen für alternative Vorschläge sein,

denn dem indischen Partner die eigenen Vorstellungen ohne jede Rücksicht auf

dessen Bedürfnisse lediglich aufzudiktieren, schafft eine denkbar schlechte Basis

für eine langwierige und erfolgreiche Zusammenarbeit.214

Abb. 17: Phasen der Joint-Venture Gründung

JointVenture

Informations-beschaffung

Partner-wahl

Verhandlungs-prozess

Vertrags-gestaltung

Genehmigung Registrierung

Quelle: Eigene Darstellung

4.6.1 Partnerwahl

Die Bedeutung des lokalen Partners für den Erfolg oder Misserfolg eines Joint-

Ventures kann nicht genug betont werden. Dieser sollte erst nach sorgfältigster

213 vgl. Weis, 1998, 184ff 214 vgl. Weis, 1998, S. 221

79

Prüfung und nicht nach einer groben Einschätzung ausgewählt werden. Obwohl

die Einbeziehung mehrerer Partner in ein Joint-Venture denkbar ist, soll im Rah-

men dieser Arbeit auf die Errichtung eines Gemeinschaftsunternehmens zwischen

zwei Partnern, der so genannten Joint-Venture Triade, eingegangen werden.

4.6.1.1 Die Suche nach einem geeigneten Partner und Kontaktaufnahme

Einen Mangel an kooperationswilligen Unternehmen werden deutsche Unterneh-

mer in Indien nicht beklagen müssen. Mögliche Partner, die für die Gründung ei-

nes Gemeinschaftsunternehmens in Indien in Frage kommen, sind:

• „staatliche Unternehmen und Regierungsstellen,

• private Unternehmen bzw. Investoren,

• öffentliche Entwicklungshilfegesellschaften bzw. internationale Organisationen

und

• Banken bzw. Venture-Capital-Fonds“215.

In diesem Zusammenhang kann festgestellt werden, dass vorwiegend mit der

zweiten Gruppe, den privaten Unternehmen bzw. Investoren, kooperiert wird. Auf

der Suche nach einem Partner kann das deutsche Unternehmen entweder eine

aktive oder eine passive Rolle einnehmen. Eine aktive und zielgerichtete Ausrich-

tung der Suche findet Ausdruck in der Teilnahme an Delegationsreisen, die z.B.

von Wirtschaftsverbänden wie dem Ostasiatischen Verein e.V. oder Handelskam-

mern angeboten werden und Messen. Interessensverbände wie der German-

Indian-Roundtable (GIRT) bieten regelmäßig Stammtische in mehreren Städten

an, in denen man mit anderen vor allem mittelständischen Unternehmern in

zwangloser Atmosphäre Kontakte knüpfen und Erfahrungen austauschen kann.

80 215 Weis, 1998, S.226

Zudem können in Deutschland Informationen über mögliche Kooperationspartner

eingeholt und Kontakte vermittelt werden durch die Deutsch-Indische Handels-

kammer (DIHK), der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG)

und Bundesagentur für Außenwirtschaft (bfai).

Nicht zu unterschätzen ist bei der Partnersuche ebenfalls der persönliche Kontakt

zu anderen, bereits indienerfahrenen Joint-Venture Managern. Hinweise und

Ratschläge von ihnen können das Erfahrungsdefizit wenigstens z.T. kompensie-

ren. Oftmals tun sich deutsche Geschäftsleute schwer, andere Unternehmen, um

Informationen und Rat zu fragen, weil es als Eingeständnis einer Schwäche miss-

verstanden wird. Scham und falscher Stolz können jedoch in diesem Fall einen

hohen Preis haben. Eine passive Rolle einzunehmen, bedeutet nicht zielgerichtet

nach einem Partner zu „fahnden“, sondern vielmehr eine „Positioning-Watching-

Waiting“-Strategie zu verfolgen. Hierbei wird eine abwartende Position eingenom-

men bis man eher zufällig auf einen Partner stößt. Hauptargument für eine derarti-

ge Strategie ist die Möglichkeit, hohe Suchkosten zu vermeiden. Selbst wenn die

passive Suche durchaus erfolgreich sein kann, ist es ratsam aktiv einen Partner zu

suchen, da es möglich wird, eine große Anzahl von potentiellen Kooperationspart-

nern kennen zu lernen und zu vergleichen.216

Neben dem Lerneffekt und den ersten Erfahrungen im Umgang mit indischen Un-

ternehmen, kann das Ergebnis dieses Prozesses die Erkenntnis sein, dass das

eigene Anforderungsprofil überdacht und angepasst werden muss. Neben den

aktiven und passiven Suchstrategien, verfügen häufig deutsche Unternehmen be-

reits über langjährige Handelsbeziehungen oder Geschäftsfreundschaften zu ei-

nem indischen Partner, bevor es überhaupt zu Verhandlungen über die Gründung

eines gemeinsamen Unternehmens kommt. Die erste Kontaktaufnahme erfolgt in

den meisten Fällen per Anschreiben, das neben der Vorstellung des eigenen Un-

ternehmens auch die Information darüber enthält, wie man auf das indische Un-

ternehmen aufmerksam geworden ist. Im Folgenden werden üblicherweise die

Motive des Anschreibens dargelegt. Dies endet mit der Frage, ob ebenfalls Inte-

resse an einer Zusammenarbeit besteht.217

216 vgl. Weis, 1998, S.260 217 vgl. Quack, 2000, S.84

81

4.6.1.2 Anforderungskriterien und Erwartungen

Weitaus problematischer als das „Aufspüren“ kooperationswilliger Unternehmen

scheint dagegen die Evaluation und damit die Identifikation eines tatsächlich ge-

eigneten indischen Partners zu sein. Sinnvoll ist daher die Erstellung eines Kata-

loges mit detaillierten Anforderungen, der die Eigenschaften des Idealpartners

formuliert. Dabei werden die Merkmale, über die der zukünftige Kooperationspart-

ner verfügen sollte, mit Hilfe zweier Kriterien bewertet. Muss-Kriterien, „Knock-

Out-Criteria“ sind jene, die das potentielle Partnerunternehmen zwingend erfüllen

muss und für die weitere Berücksichtigung im Auswahlverfahren ausschlaggebend

sind. Kann-Kriterien, „Additional-Criteria“ dienen dazu, die Kandidaten, die sich in

der engeren Wahl befinden, voneinander hinsichtlich besonderer Vorzüge oder

Eignung zu unterscheiden.218 Bei der Formulierung des Kataloges muss ein Kom-

promiss zwischen möglichst detaillierten und dennoch erfüllbaren Anforderungen

geschaffen werden, da bei zu unrealistischen Wunschvorstellungen u.U. kein pas-

sender Partner gefunden werden.

Die Mehrheit der deutschen Unternehmen, die beabsichtigen, mit einem indischen

Unternehmen zu kooperieren, erwartet umfangreiche Markterfahrung in der Ziel-

branche. Das zukünftige Partnerunternehmen sollte sich auf dem regionalen oder

sogar nationalen Markt etabliert haben und eine gewisse Reputation besitzen. Des

Weiteren sollte der ideale Partner über beständig gute Beziehungen zu Lieferan-

ten, Distribuenten und Kunden verfügen, die überdies kontaktiert werden können,

um den Ruf des Unternehmens einzuschätzen. Häufig werden ebenfalls fundierte

Erfahrungen in den Bereichen Im- und Export vorausgesetzt.219 Eine solide Fi-

nanzsituation des indischen Kooperationspartners ist ebenso wichtige Vorbedin-

gung, da diese nicht nur das eigene finanzielle Risiko begrenzt, sondern zudem

den Zugang zu externen Finanzierungsquellen im Zuge möglicher Expansionsbe-

strebungen verbessert.219 Als weitere Variable in der Entscheidung für ein be-

stimmtes Unternehmen als zukünftigen Partner gilt, ob bestimmte Ressourcen,

z.B. Grundstücke, Gebäude, Personal mitgenutzt werden können. Ein indisches

Unternehmen scheint demnach interessant, wenn dieses „wichtige Rohstoffe lie-

218 vgl. Weis, 1998, S.251

82 219 vgl. Geissbauer/Siemsen, 1995, S.33

fern kann, über effiziente Produktionsanlagen verfügt, ein weit reichendes Distribu-

tionsnetz unterhält oder selbst Abnehmer der gemeinsamen Produktion ist“220.

Ebenso spielt der Ausbildungsstand des Personals sowohl im Management als

auch in anderen Schlüsselfunktionen eine wichtige Rolle in diesem Zusammen-

hang. Selbst wenn der Einfluss von Behörden und staatlichen Institutionen kon-

stant abnimmt, erwarten deutsche Unternehmen ein dichtes Netzwerk von Kontak-

ten, das genutzt werden kann, um Bürokratiehindernisse abzubauen und um einen

Wettbewerbsvorteil durch Informationsvorsprünge zu erlangen.219 Darüber hinaus

sollte der indische Kooperationspartner langjährige und gute Beziehungen zu

Banken unterhalten.

Vielfach wird von Unternehmen ebenfalls die Kompatibilität der Unternehmenskul-

turen als Entscheidungskriterium herangezogen. Diese umfasst die „erlernten Wis-

sens- und Erfahrungsvorräte, die Wertvorstellungen, Denkmuster und Verhaltens-

normen“ und repräsentiert „auch stets landesspezifische Werte und Normen“221.

Gerade weil es sich bei der Unternehmenskultur um ein tief verwurzeltes und u.U.

seit Jahrzehnten praktiziertes Werte- und Normgefüge handelt, gilt die Zusam-

menführung zweier verschiedener Kulturen als äußerst schwierig und ist, wenn

überhaupt, nur sehr langsam möglich. Zentrale Bedeutung kommt im Rahmen der

Partnerwahl dem Wunsch deutscher Unternehmer zu, in Indien einen vertrauens-

würdigen Partner zu finden. Den Aufbau einer persönlichen Beziehung, gekenn-

zeichnet durch Respekt füreinander und Vertrauen schon vor oder während der

Verhandlungsphase, sehen deutsche Unternehmen als wichtige Voraussetzung

für ein erfolgreiches gemeinsames Wagnis an. Diese Erwartungshaltung ent-

spricht den Aussagen, die bereits in Kapitel 2.6.2 getroffen wurden. Demzufolge

ist gegenseitiges Verständnis und Vertrauten ist die Basis jeglicher Kooperation.

220 Geissbauer/Siemsen, 1995, S.33 221 Quack, 2000, S.75

83

4.6.1.3 Evaluation und Selektion

Nachdem eine Grobauswahl getroffen wurde, sollten insbesondere für die Grün-

dung eines Joint-Ventures mehrere potentielle Partner sorgfältig und gewissenhaft

evaluiert werden, da es sich um eine recht intensive Form der Zusammenarbeit

mit hohem Kapitaleinsatz handelt. Lediglich ein Unternehmen in diesen Prüfungs-

prozess einzubeziehen, ist nicht empfehlenswert, da man sich um wichtige Ver-

gleichsmöglichkeiten bringt. Dennoch ist die Berücksichtigung nur eines möglichen

Kandidaten in der Praxis keine Ausnahme.222

Elementarer Bestandteil im Zuge des Evaluierungsprozesses sind Reisen nach

Indien, um den potentiellen Partner und die örtlichen Gegebenheiten kennen zu

lernen. Firmenbesichtigungen ermöglichen die Bewertung des Standortes allge-

mein, der vorhandenen Produktionsanlagen, Qualität der Produkte und des Ge-

ländes für eine spätere Expansion. Gespräche mit dem Management und weiteren

hochrangigen Mitarbeitern geben überdies Aufschluss über Unternehmenspolitik, -

kultur und fachliche Kompetenzen. Des Weiteren sollten die Eigentumsverhältnis-

se durchleuchtet werden. Referenzen zum Unternehmen über Image, Bonität und

Marktstellung können von Wettbewerbern eingeholt werden. Ratsam ist zudem,

falls es sich um ein indisches Familienunternehmen handelt, sich über das Ge-

schäftsgebaren und den Ruf der Familie vor Ort zu informieren. Möglicherweise

erhält man Hinweise auf Probleme oder Konflikte innerhalb der Familie, die die

Unternehmenspolitik beeinflussen könnten. Die finanzielle Situation des möglichen

Kooperationspartners kann durch Überprüfung der betriebswirtschaftlichen Unter-

lagen, z.B. Bilanz, GuV-Rechnung und Auftragsbücher erfolgen. Ebenso sind die

Kennzahlen Gewinn, Wirtschaftlichkeit, Produktivität und Rentabilität wichtige Indi-

katoren für die Zielerreichung eines Unternehmens. Die erhobenen Daten ergeben

ein Ist-Profil der infrage kommenden Unternehmen, das mit dem im Anforderungs-

katalog erstellten Soll-Profil verglichen wird. Befragungen unter Unternehmen ha-

ben ergeben, dass solche, die mehrere potentielle Partner im Evaluationsprozess

berücksichtigt und dabei die im Katalog festgelegten Anforderungen genannten

84 222 vgl. Weis, 1998, S.261f.

Kriterien überprüft haben, erfolgreicher waren im Bestreben um ein dauerhaftes

Engagement im Rahmen eines Gemeinschaftsunternehmen.223

Indische Geschäftsleute sind berühmt und gleichermaßen berüchtigt für die Fähig-

keit, eine harmonische und vertrauensvolle Atmosphäre schaffen zu können. Trotz

dessen darf bei der Selektion des Partners nicht vergessen werden, dass es sich

bei der Errichtung eines Joint-Ventures um eine strategische Zweckehe handelt.

Das favorisierte Unternehmen sollte demnach objektiv auf Grundlage der im Be-

wertungsverfahren erreichten Punkte und nicht aus Sympathie selektiert werden.

4.6.2 Der Verhandlungsprozess

Nach den ersten Treffen, in denen festgestellt wird, ob die „Chemie“ stimmt und

man zueinander passt, beginnt nun die eigentliche Phase der Vertragsverhand-

lung. Nicht zu unterschätzen ist die Sympathie der Entscheidungsträger füreinan-

der, denn sie hat maßgeblichen Anteil am Erfolg für die Kooperation. Insbesonde-

re in Indien dienen diese ersten Treffen dem Aufbau der bereits in Kapitel 4.4

erwähnten persönlichen Beziehung, ohne jedoch verbindliche Zusagen treffen zu

müssen. Die Erstellung des Stärken- und Schwächenprofils des eigenen Unter-

nehmens in Vorbereitung auf den Markteintritt ist hilfreiches Dokument im Ver-

handlungsprozess, auf dessen Grundlage die strategische Zielsetzung für das En-

gagement bestimmt werden kann.

Verhandlungen im indischen Umfeld können mitunter recht langwierig sein und

haben oftmals fast politischen Charakter, „da die Geschäftsbeziehung zwischen

den Verhandlungspartnern als Teil gesamtwirtschaftlicher Beziehungen des aus-

ländischen und indischen Staates“ verstanden wird.224 Auch in dieser Phase der

Joint-Venture Gründung gilt: je gründlicher die Vorbereitung, desto größer die

Chancen für ein Erfolg versprechendes Resultat.

223 vgl. Weis, 1998, S.272 224 vgl. Weis, 1998, S.278

85

4.6.2.1 Vorbereitung

Eine sorgfältige Vorbereitung ist eine unerlässliche Voraussetzung für eine erfolg-

reiche Vertragsverhandlung, um eine eigene Taktik entwickeln und mit dieser den

Verhandlungsprozess aktiv mitgestalten zu können. „Je sorgfältiger sich das Un-

ternehmen auf die Verhandlungen vorbereitet, desto besser ist es in der Lage, die

Geschehnisse zu beeinflussen“.225

Die Phase der Vorbereitung setzt sich aus einer inhaltlichen und einer formalen

Komponente zusammen. Die inhaltliche Vorbereitung wiederum kann in zwei Be-

standteile unterteilt werden. Die erste, die so genannte psychologische Vorberei-

tung, dient der Klärung von der Funktion des Gespräches sowie des Kommunika-

tionsstiles.226 Wie bereits zuvor in Kapitel 4.4 angesprochen ist das gegenseitige

Kennen lernen und der Aufbau einer Vertrauensbasis für Gespräche mit indischen

Geschäftspartnern elementar. Bezüglich der Kommunikationsstile differenziert der

britische Kulturanthropologe, Edward T. Hall zwischen low- und high-context-

Kulturen. In low-context-Kulturen, wie der deutschen, wird direkt, klar und sachlich

argumentiert. Seine Meinung offen und kritisch zu äußern, ist Teil des Kommuni-

kationsverständnisses. In Indien, einer high-context-Kultur, ist wie etwas gesagt

wird wichtiger, als das was. Intonation, Lautstärke und der nonverbalen Kommuni-

kation kommen in diesen Kulturen eine große Bedeutung zu. In einer Konversation

bedienen sich die Inder einer blumigen Sprache und verzichten auf die Mitteilung

bloßer Fakten, da viele Informationen auf Grund des engmaschigen Beziehungs-

netzwerkes als vorausgesetzt gelten und deshalb nicht explizit geäußert werden

müssen.227

Die zweite Komponente, die faktenorientierte Vorbereitung, zielt auf die Formulie-

rung von Zielen ab, die das Ergebnis der Verhandlungen darstellen und deren Er-

reichung sichergestellt werden sollen.226 Es gilt zusätzlich zu klären, welche Infor-

mationen, z.B. über Partnerunternehmen einschließlich der Entscheidungsträger

und über das eigene Unternehmen, für die Verhandlung relevant sind.

225 Weis, 1998, S.279 226 vgl. Quack, 2000, S.86f.

86 227 vgl. Kreuser, 2002, S.217f.

Der zweite Teil der Vorbereitungsphase umfasst die formale Vorbereitung, in der

das Verhandlungsteam, der Verhandlungsort, die Terminplanung und die Tages-

ordnung festgelegt werden. Die einzelnen Mitglieder des Verhandlungsteams soll-

ten über interkulturelle wie auch soziale Kompetenzen verfügen und bereits Erfah-

rungen im Verhandeln mit ausländischen Partnern gesammelt haben. Die

Besprechungen können am Standort des eigenen Unternehmens, dem des indi-

schen Verhandlungspartners oder an einem neutralen Ort stattfinden. Häufig fin-

den die Verhandlungen in Indien in neutraler Atmosphäre in Hotels oder Clubs

statt. Als Verhandlungsort wird Indien von deutschen Unternehmen bevorzugt, um

bei dieser Gelegenheit das Profil vom Gesprächspartner und der Rahmenbedin-

gungen zu komplettieren.228 Wie bereits in Kapitel 4.4 angesprochen, muss be-

sonders in Indien die Terminplanung äußerst anpassungsfähig gestaltet und mit

ausreichend Zeitpuffer versehen werden. In diesem Zusammenhang gilt es, die

Vielzahl an religiösen und politischen Feiertagen zu berücksichtigen, die von Jahr

zu Jahr variieren. Das Kernelement dieser der Verhandlung vorangehenden Pha-

se ist es, Affinität für die unterschiedlichen Kulturzugehörigkeiten zu entwickeln

und sich bewusst zu werden, dass Verlauf und Inhalt der Gespräche mit indischen

Geschäftsleuten von den uns vertrauten abweichen werden.

4.6.2.2 Ablauf

Üblicherweise werden die Gespräche durch die Begrüßung, die Überreichung von

Gastgeschenken und dem zuvor erwähnten Smalltalk eröffnet. Zur Eröffnung für

Verhandlungen mit indischen Unternehmern gehört zusätzlich der Austausch von

Visitenkarten. Dieser ist in Indien enorm wichtig, da er Aussage über die akademi-

sche Ausbildung, berufliche Stellung und den damit verbundenen Status trifft.229

Grundsätzlich gilt, nur mit den Gesellschaftern oder Geschäftsführern zu verhan-

deln, da Entscheidungen in indischen Unternehmen auf oberster Ebene getroffe-

nen werden.230 Sowohl die anfängliche Unterhaltung über scheinbar belanglose

Dinge als auch der Austausch von Visitenkarten sind Handlungen, um eine per-

sönliche Beziehung zu schaffen. Das Ziel ist es, das Vertrauen des indischen Ge-

228 vgl. Weis, 1998, S.279f. 229 vgl. Kreuser, 2002, S.175 230 vgl. Kreuser, 2002, S.159

87

schäftspartners zu gewinnen und damit das Fundament für Geschäfte auf dem

indischen Subkontinent zu legen.

Trotz hoher Flexibilität und eines beträchtlichen Verhandlungsspielraumes, die

zweifelsfrei erforderlich sind, um den Bedürfnissen beider Parteien gerecht zu

werden, sollte das deutsche Unternehmen nicht um jeden Preis auf einen Kon-

sens aus sein und eigene Vorstellungen und Anforderungen an eine Zusammen-

arbeit aufgeben. Laut Aussage von Rechtsanwalt Jan Eberhardt von der igca

GmbH sind die „Inder hinter der weichen Front knallhart“, besitzen eine ausge-

prägte Händlermentalität und sind extrem preissensitiv. Indische Geschäftsleute

sind zudem als äußerst geschickte Verhandlungspartner bekannt, die ihr Verhal-

ten an die gerade gegebenen Umstände adaptieren können und daher eine voll-

ständige Einschätzung der Absichten schwierig ist. Darüber hinaus gelten sie als

glänzende Rhetoriker, die in der Lage sind, im Bruchteil einer Sekunde von einem

harmonisch geprägten in einen energisch aggressiven Kommunikationsstil zu

wechseln.231 Falls es in einer Verhandlungsrunde zu derartigem Verhalten kommt,

ist es die Aufgabe des deutschen Gesprächspartners, ruhig zu bleiben und die

Verhandlung auf der sachlichen Ebene weiterzuführen. Des Weiteren sind, zumin-

dest für deutsche Verhältnisse, ungewöhnliche Geschäftspraktiken während des

Verhandlungsprozesses zu erwarten. So sind in die Verhandlungen viele Perso-

nen involviert, von denen weder Name noch Position bekannt ist. Es ist ebenso

möglich, dass während einer Besprechung einige Angestellte die Verhandlung

verlassen, während andere, ebenfalls unbekannte Personen, die Räumlichkeiten

betreten.232

Erst in dieser Phase können eigene Ideen über Umfang und Gestaltung der Ko-

operation, mit Berücksichtigung der Interessen des Partners, konkretisiert werden.

Optional kann vor Aufnahme der Verhandlungen eine Vertraulichkeitsvereinba-

rung, „Non Disclosure Agreement (NDA)“, zwischen den beiden Parteien ge-

schlossen werden, um sich die Diskretion des indischen Verhandlungspartners

bezüglich der Verwendung vertraulicher Informationen zu sichern. In den einzel-

nen Verhandlungsrunden wird versucht über den Gegenstand der Zusammenar-

231 vgl. Kreuser, 2002, S.217

88 232 vgl. Kreuser, 2002, S.224

beit, gemeinsame Zielsetzung, Höhe der Beteiligung, Rechte und Pflichten der

Partner, und Gewinnverteilung zunächst eine Annäherung der üblicherweise stark

divergierenden Ausgangspositionen und letztendlich eine Einigung durch beidsei-

tige Zugeständnisse und Kompromisse zu erreichen. In dem so genannten „Letter

of Intent (LOI)“, einer Absichtserklärung, legen die Parteien die grundsätzlichen

Absichten und Zielsetzungen des Joint-Ventures schriftlich nieder.233 Konnte eine

Einigung in den wesentlichen Punkten erzielt werden, wird die Grobstruktur im

„Memorandum of Understanding (MOU)“ festgehalten und dient somit dem indi-

schen Partner als Unterlage für die Beantragung notwendiger Genehmigung und

Registrierung bei den Behörden. Die erteilten Genehmigungen besitzen eine Gül-

tigkeit von zwei Jahren und markieren den Zeitraum, in dem die Parteien verbind-

liche Vereinbarungen treffen müssen.234 Wie beim LOI handelt es sich beim MOU

um einen Vorvertrag, der nicht rechtlich bindend ist. Die schriftliche Niederlegung

der erzielten Fortschritte ist auf Grund der vorherrschenden „Chaltahai-

Einstellung“ in Indien außerordentlich wichtig. Diese besagt, dass solange es gut

läuft, es so weiter laufen kann und dann sieht man weiter. Da wenig ausgespro-

chen wird, gilt alles als neu verhandelbar, falls sich neue Gegebenheiten einstellen

sollten.227 Die endgültige Struktur und Ausgestaltung des Gemeinschaftsunter-

nehmens wird nach der Einigung detailliert im „Joint-Venture-Agreement“ schrift-

lich fixiert.

4.6.3 Die Vertragsgestaltung

4.6.3.1 Allgemeiner Aufbau

Im Kapitel 3.4 wurde bereits darauf hingewiesen, dass Indien ein auf britisches

Recht beruhendes Rechtssystem besitzt und sich somit ebenso die Vertragsges-

taltung am „Common Law“ orientiert. Auch wenn ein Handschlag und das „Wort

eines Freundes“ ausreichen, um die Kooperation zu besiegeln, ist die schriftliche

und präzise formulierte Niederlegung des Vereinbarten in Indien elementar und

dient der eigenen Absicherung. Grundsätzlich kann dieses Abkommen individuell

gestaltet werden. Beim „Joint-Venture-Agreement“ handelt es sich demnach um

233 vgl. Weis, 1998, S.283 234 vgl. Matter, 2000, S.387

89

einen formlosen, privatrechtlichen Vertrag zwischen den beiden Gründungspart-

nern, der sowohl technische als auch kaufmännische Inhalte der zukünftigen Ko-

operation regelt.235 Im „Financial Collaboration Agreement“, dem Vertrag über die

finanzielle Zusammenarbeit, der zwischen beiden Partnern vereinbart wird, wer-

den die Höhe der Kapitalbeteiligung, die Organisation sowie die Rechten und

Pflichten der Partner festgehalten.209 Darüber hinaus wird ein zweiter Vertrag, das

„Technical Collaboration Agreement“, zwischen dem ausländischen Unternehmen

und dem neu gegründeten Joint-Venture geschlossen. Dieser Lizenzvertrag klärt

die Einzelheiten des Technologietransfers, insbesondere die „Vermittlung oder

Weitergabe von Produktinformationen, Training des Personals, Qualitätssicherung

der Produkte und Integration regelmäßiger Verbesserungen“.236

Wie bereits im Kapitel 4.5.3 ausgeführt, kann das Joint-Venture als Private Limited

Company oder als Public Limited Company gegründet werden. Für beide Gesell-

schaftsformen müssen neben dem eigentlichen „Joint-Venture-Agreement“ die

Gründungsurkunde, das „Memorandum of Association “ und die Satzung, die „Ar-

ticles of Association“, ausgearbeitet werden. Während im „Memorandum“ der Ge-

schäftszweck dokumentiert wird, enthalten die „Articles“ Vereinbarungen, die die

Organisation und die Verwaltung der Gesellschaft betreffen. Sämtliche Verträge,

die durch die Unterschrift der ranghöchsten Delegationsmitglieder ratifiziert wer-

den, unterliegen dem indischen Recht. Juristische Beratung durch eine indische

Anwaltskanzlei, private Beratungsunternehmen oder Institutionen wie der DIHK

sollte frühzeitig in der Phase der Vertragsgestaltung in Anspruch genommen wer-

den, um späteren Unstimmigkeiten aus dem Weg zu gehen.

4.6.3.2 Die Inhalte im Einzelnen Wie angedeutet, ist der Joint-Venture Vertrag formlos und daher die Ausgestal-

tung von Fall zu Fall unterschiedlich, dennoch sollten Eckpunkte wie die Grund-

struktur der Kooperation, der Einsatz von Ressourcen, Organisation und Koordina-

tion, Ergebnisverwendung, Konflikt- und Vertrauensregelungen sowie die Beendi-

gung der Kooperation unbedingt vereinbart werden.237

235 vgl. Weis, 1998, S.286 236 Matter, 2000, S.388

90 237 vgl. Quack, 2000, S.104

Auf einige ausgewählte Punkte wird in diesem Abschnitt eingegangen. Die Partei-

en einigen sich in dem „Joint-Venture-Agreement“ über die mögliche Einbringung

von Sachmitteln, z.B. Gebäuden oder Maschinen und deren Bewertung, von im-

materiellen Vermögensgegenständen, z.B. Lizenzen oder Nutzungsrechte an

Technologien und/oder Markenzeichen, von Humanressourcen und von finanziel-

len Mitteln. Hierbei ist die Höhe der Kapitalbeteiligung von großer Bedeutung, da

diese den Erwerb eines bestimmten gesellschaftsrechtlichen Anteils an einer Per-

sonen- oder Kapitalgesellschaft darstellt und somit über den Grad der Einfluss-

nahme auf die Steuerung des Joint-Ventures entscheidet.238 Die Höhe des einzu-

bringenden Kapitals ist im „Memorandum“ und „Articles of Association“ fixiert.

Zudem kann die Einbringung in Raten und zu einem Zeitpunkt, an dem das Unter-

nehmen die Einlage benötigt, erfolgen. Mögliche Konstellationen für den deut-

schen Partner beinhalten eine Minderheits- (bis zu 50%), Paritäts- (50:50) oder

Mehrheitsbeteiligung (über 50%). Erst ab einer Beteiligung von mindestens 26%

verfügt das deutsche Unternehmen über eine Sperrminorität, mit der es gelingt,

wichtige Entscheidungen die nach dem „Companies Act“ von 1956 einer Dreivier-

tel-Mehrheit bedürfen wie z.B. Erhöhung des Kapitals, Änderungen in der Grün-

dungsurkunde, Start eines neuen Geschäftsbereiches, Änderung des Namens und

die Blockierung der Aufnahme eines hohen Kredites per Veto.209 Abb. 18: Eckpunkte des Joint-Venture Vertrages

Der Joint Venture

Vertrag

Grundstruktur- Zweck der Zusammenarbeit- Kooperationsbereiche- Beginn u. Dauer der Kooperation- Fragen der Haftung

Ergebnisverwendung- Gewinn- u. Verlustverteilung- Ansprüche an Erfindungen u.

Schutzrechte

Einsatz von Ressourcen- materielle- immaterielle- finanzielle- personelle- organisatorische Organisation u. Koordination

der Kooperationsaufgaben- Aufgabenbeschreibung- Zuständigkeiten- Entscheidungsbefugnisse- Informationsrechte

Konflikt- u. Vertrauensregelung- Verhandlung in speziellen Gremien- Einsatz von Mediatoren- Schieds- u. ordentliche Gerichte- Geheimhaltung- Wettbewerbsverbot- Vertragsstrafen

Beendigung der Kooperation- Konsequenzen bei Ausscheiden

eines Partners- Auflösung der Kooperation als

Ganzes- Ausschluss von Kündigungen

Quelle: Eigene Darstellung, auf der Grundlage von Quack, 200, S.119 238 vgl. Quack, 2000, S.108

91

Eine paritätische Beteiligung bedeutet, dass beide Partner gemeinsam die Unter-

nehmenspolitik bestimmen und gleichermaßen am Verlust oder Erfolg des Joint-

Ventures beteiligt sind. In einer Mehrheitsbeteiligung behält es sich der deutsche

Partner vor, die bestimmende Instanz für unternehmenspolitische Entscheidun-

gen, z.B. Anpassung des Produktprogramms zu sein. Dies erleichtert die Koordi-

nation der Aktivitäten zwischen dem Joint-Venture und dem deutschen Stamm-

haus, birgt auf der anderen Seite jedoch die Gefahr, dass der indische Partner

schnell Interesse am gemeinsamen Erfolg des Gemeinschaftsunternehmens ver-

liert.239 Ein wichtiger Aspekt in der Organisation der Kooperationsaufgaben ist ne-

ben der Schaffung von Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichen die Bestimmung

der Geschäftsführung.

Denkbar sind hier die Varianten der Geschäftsführung durch das deutsche Unter-

nehmen, den indischen Partner, externe indische Manager oder durch beide Part-

ner gemeinsam. Die Gewinnung und Entsendung von Expatriates für einen dauer-

haften Einsatz in Indien ist gerade in mittelständischen Unternehmen schwierig

und kann häufig wegen der hohen finanziellen Aufwendungen nicht realisiert wer-

den. Dieser Umstand und die größere Erfahrung, ein Unternehmen in Indien zu

leiten, sind Gründe für die Geschäftsführung durch den indischen Partner, auch

wenn dieser nicht über die Kapitalmehrheit verfügen sollte. Eine gemeinsame Ge-

schäftsführung findet man oftmals in Joint-Ventures mit paritätischen Beteiligungs-

verhältnissen. Die Einstellung eines externen indischen Geschäftsführers gilt als

attraktive Lösung, da dieser weder mit der deutschen noch mit der indischen Seite

eine Verbindung unterhält und daher keinem Interessenskonflikt ausgesetzt ist.

Des Weiteren verfügt ein externer indischer Manager über Kenntnisse über die

lokalen Verhältnisse auf der einen Seite, ist aber auf der anderen Seite deutlich

günstiger als ein deutscher Expatriate.240

Als unternehmerisches Organ mit Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis

trifft in Indien das „Board of Directors“, einer Kombination aus Vorstand und Auf-

sichtsrat, alle wichtigen Entscheidungen.209 Weiterhin gilt das „Board of Directors“

als wichtiges Kontrollinstrument des Joint-Ventures. Die Anzahl der Board-

239 vgl. Geissbauer/Siemsen, 1995, S.39f.

92 240 vgl. Geissbauer/Siemsen, 1995, S.42f.

Mitglieder spiegelt dabei nicht zwangsläufig die Beteiligungsverhältnisse wider.

Der Partner, dem die Geschäftsführung zugesprochen wurde, stellt üblicherweise

den „Managing Director“, die andere Seite dafür häufig den „Chairman“, der den

Vorsitz des „Boards“ innehält. Vorstellbar ist ebenfalls die Übertragung beider Äm-

ter auf eine Person. Ist das deutsche Unternehmen für den technischen Bereich

verantwortlich, sollte es einen „Technical Director“ im „Board“ stellen. Des Weite-

ren ist es zweckmäßig, „Alternate Directors“ zu bestellen, wenn die regelmäßige

Anwesenheit eines „Directors“ an den „Board Meetings“ nicht gewährleistet ist,

z.B. weil dieses Amt von einem Manager des deutschen Partnerunternehmens

bekleidet wird. Dabei handelt es sich vorwiegend um indische Wirtschaftsprüfer,

Rechtsanwälte oder in Indien lebende Ausländer, die dann stellvertretend für den

„Director“ agieren.241

Da indische Unternehmen häufig stark hierarchisch orientiert sind, ist es ratsam

einen hochrangigen Mitarbeiter oder den Geschäftsführer des deutschen Unter-

nehmens zum „Member of the Board“ zu bestellen, um den Führungsanspruch im

neu gegründeten Joint-Venture zu unterstreichen und zu sichern. In diesem Zu-

sammenhang ist außerdem zu berücksichtigen, dass der indische Partner Perso-

nen zu „Directors“ ernennen könnte, denen es nicht an Prestige, dafür aber an

fachlicher Kompetenz mangelt. Regelungen im „Joint-Venture Agreement“ zur Er-

gebnisverteilung beziehen sich auf die Gewinn- und Verlustermittlung sowie deren

Verteilung, über die die Jahreshauptversammlung des Unternehmens nach Emp-

fehlung des „Board of Directors“ entscheidet. Zusätzlich wird unter diesem Aspekt

der Anspruch auf die Nutzung und Verwertung gemeinsamer Erfindungen ge-

klärt.242 Die Bestimmung einer unabhängigen Wirtschaftsprüfgesellschaft, die

durch das indische Gesellschaftsrecht vorgeschrieben ist, wird ebenfalls im Ver-

trag festgehalten und bezweckt die Bewertung der Unternehmenssituation durch

eine neutrale Instanz.

Bereits zu Beginn der Kooperation sollten so genannte Ausstiegsszenarien erar-

beitet und im Vertrag niedergelegt werden. Bevor man in Indien jedoch überhaupt

ein Joint-Venture eingeht, sollte man sich mit den Konsequenzen der Press Note

241 vgl. Geissbauer/Siemsen, 1995, S.37 242 vgl. Quack, 2000, S.110

93

18 (1998 Serie), der so genannten „No Objection Clearance“ befassen, die besagt,

dass die Genehmigung des (Ex-)Partners erforderlich ist, um ein neues Unter-

nehmen zu gründen, erneut eine Zusammenarbeit einzugehen oder auch nur ein

Lizenzabkommen über die Nutzung von Warenzeichen/Markennamen zu unter-

zeichnen. Selbst wenn die Press Note 1 (2005 Serie) diese Praxis im vergange-

nen Jahr korrigiert hat, in dem sie die Anwendung auf Investitionen im gleichen

Geschäftsfeld beschränkt, bedeutet dies unter Umständen die Aufwendung enor-

mer finanzieller Mittel, um sich regelrecht „freizukaufen“.243 Im Anschluss findet die

Phase der Einholung von Genehmigungen und der Registrierung des deutsch-

indischen Joint-Ventures bei den Behörden statt.

4.7 Gründe für das Scheitern von Joint-Ventures und Erfolgsfaktoren

Staatliche Restriktionen, die schier undurchdringbare Bürokratie, die schwierige

Infrastruktursituation und die nach wie vor weit verbreitete Korruption stellen ohne

jeden Zweifel große Herausforderungen für das deutsch-indische Joint-Venture

dar, dennoch sind es hauptsächlich folgende endogene und damit firmeninterne

Einflussfaktoren, die für das Scheitern von Kooperationen bereits vor oder nach

der Aufnahme der Geschäftstätigkeit verantwortlich sind:

4.7.1 Unzulängliche Vorbereitung

Viele deutsche Unternehmen verfügen vor Beginn ihres Indien-Engagements nicht

über ausreichende Kenntnisse über die Komplexität und Schwierigkeitsgrad des

lokalen Marktes. Die überzogenen Vorstellungen vom Standort Indien beginnen

bei einer zu optimistischen Schätzung des Marktpotentials, das eine kaufkräftige

Mittelschicht von über 350 Mio. Menschen, wie bereits in Kapitel 3.6 erwähnt, um-

fassen soll. Trotz kaum vorhandener Marktforschung ist eine eigene fundierte Be-

darfsanalyse elementar.244 Sich dabei nur auf offizielle indische Schätzungen zu

verlassen, wäre grob fahrlässig, da diese zumeist überhöht und nicht aktuell sind.

243 vgl. GOI, 2005c, S.9

94 244 vgl. Geissbauer/Siemsen, 1995, S.56

Konsequenz einer nicht ausreichenden Indienvorbereitung kann ebenfalls der Ein-

tritt in den indischen Markt mit einer falschen Strategie sein. Allgemein gilt der in-

dische Konsument als sehr preissensitiv, der den Preis tendenziell über die Quali-

tät stellt. Nichtsdestotrotz werden Kundenbindungsmaßnahmen und hohe Service-

standards immer wichtiger, um die Loyalität der Kunden zu gewinnen.245 Oftmals

müssen das Produktprogramm oder Produkte selber modifiziert und der Preis an

die indischen Verhältnisse angepasst werden. Auch dem Lockruf Indiens als Bil-

ligproduktionsland sollte man nicht ungeprüft folgen. Indien verfügt sicherlich noch

immer über ein allgemein niedriges Kostenniveau und damit über einen wichtigen

Standortvorteil. Dennoch zeigt die Befragung von Wamser, dass diejenigen Pro-

banden, die Niederlassungen in den Zentren wie Mumbai und Delhi haben, über-

durchschnittlich unzufrieden mit dem Kostenniveau und der -entwicklung sind. Zu-

dem bedeuten in Indien oftmals niedrige Kosten ebenso niedrige Produktivität und

Qualität.246 Erst nach einer kritischen Berücksichtigung aller Kostenfaktoren sollte

die Entscheidung, in Indien zu investieren, getroffen werden.

Eine angemessene Vorbereitung berücksichtigt neben allen indienrelevanten In-

formationen auch eine Einschätzung der Stärken und Schwächen des eigenen

Unternehmens. Ausgangspunkt jedes Auslandsengagements muss die Beantwor-

tung der Frage sein, ob das Unternehmen über finanzielle Ressourcen und aus-

reichend Kapazitäten verfügt, um die Geschäftstätigkeit in einem ausländischen

Zielmarkt aufnehmen und auch über eine längere Durststrecke hinweg aufrechter-

halten zu können. Gerade in Indien ist eine „geduldige“ und gleichermaßen flexible

Zeitplanung überaus wichtig. Lt. einer Befragung von Weis, muss der Zeitbedarf

mit dem Faktor drei multipliziert werden, um einen realistischen Planungshorizont

zu erhalten.247 Eine falsche zeitliche Planung ist demnach immer Ausdruck einer

mangelhaften Vorbereitung.

Zu einer angemessenen Vorbereitung gehören ebenso Markterkundungsreisen

nach Indien und die Einbindung von Beratern, Experten und erfahrenen Joint-

Venture Managern. Dies gewinnt insbesondere an Bedeutung, wenn z.B. mittel-

ständische Unternehmen nicht über die entsprechenden Ressourcen verfügen, um

245 vgl. European Commission Asia Investment Facility, 2002, S.19 246 vgl. Wamser, 2005, S.344ff. 247 vgl. Weis, 1998, S.196

95

Datenerhebungen eigenständig vorzunehmen. Sämtliche Ergebnisse sollten

schriftlich in einem Informationsplan festgehalten werden, dessen Daten regelmä-

ßig überprüft und aktualisiert werden. Weis stellt ebenfalls in seiner Untersuchung

fest, dass Erfahrungen in der Gründung von Joint-Ventures auf anderen ausländi-

schen Märkten durchaus hilfreich sind, dennoch garantieren diese nicht unbedingt

den Erfolg des Joint-Ventures in Indien.248

4.7.2 Nicht ausreichende Berücksichtigung der indischen Mentalität

Wie in Kapitel 4.4 dargestellt ist die indische (Geschäfts-)Kultur äußerst komplex

und nicht mit der deutschen vergleichbar. Da die Auseinandersetzung mit der

Mentalität und Verhaltensweisen des indischen Partners einen weiteren Erfolgs-

faktor darstellt, ist eine entsprechende Vorbereitung, um die notwendige Sensibili-

tät zu entwickeln, unverzichtbar. Eisele zufolge ist die psychische Distanz, mit der

das „Gefühl der Vertrautheit zu einem Markt oder Land“ bezeichnet wird, von e-

normer Signifikanz. Er empfiehlt Kooperationen vorwiegend mit Partnern einzuge-

hen, die eine möglichst niedrige Distanz aufweisen. Weisen die potentiellen Part-

ner große Differenzen bezüglich „Sprache, Kultur, Verbraucherverhalten, Rechts-

normen, Kaufkraft, Verhandlungspraktiken etc.“ auf, sollte der Markteintritt über

ein Joint-Venture nur nach reiflicher Überlegung und äußerst vorsichtig erfol-

gen.249

Dennoch kann, nach Meinung der Verfasserin dieser Arbeit, die enorme psychi-

sche Distanz zwischen Deutschland und Indien - zumindest teilweise - durch in-

tensive Vorbereitung kompensiert werden. Darüber hinaus wird dem indischen

Partner Respekt und das „Commitment“ bewiesen, das für eine langfristige und

enge Zusammenarbeit nötig ist. Die lokalen kulturellen Gegebenheiten zu kennen,

bedeutet weiterhin, dass eine nachteilige Position, in die man sich durch Naivität

und Unkenntnis manövriert, vermieden werden kann. Ein ausgeprägtes Kulturver-

ständnis ermöglicht z.B. einen leichteren Umgang mit dem indischen „No prob-

lem“-Syndrom, dem deutsche Unternehmen bei der Beantwortung wichtiger Fra-

248 vgl. Weis, 1998, S.209

96 249 vgl. Eisele, 1995, S.136

gestellungen häufig zuviel Gewicht beimessen, dass tatsächlich jedoch keinerlei

Aussagekraft besitzt. Jene Unternehmen, die nicht die Auseinandersetzung mit

der indischen Geschäftskultur suchen, reagieren mit großer Irritation auf von deut-

scher Seite häufig kritisierten Charaktereigenschaften der indischen Partner, wie

z.B. die ausgeprägte indische Händlermentalität und Unzuverlässigkeit in punkto

Einhaltung von Terminen oder der Erfüllung von Vereinbarungen.

4.7.3 Unsystematische Partnerwahl

Ganz entscheidende Bedeutung für den Erfolg eines Joint-Ventures kommt der

Wahl des Partners zu. Allzu häufig wird auf eine aktive und systematische Part-

nersuche verzichtet und das Unternehmen, zu dem als erstes Kontakt bestand, als

Partner für das Joint-Venture ausgewählt. Bestenfalls bringt sich das Unterneh-

men um die Möglichkeit herauszufinden, ob der gewählte Partner der bestmögli-

che ist, schlimmstenfalls setzt es sich dem Risiko aus, in seinen Bemühungen den

indischen Markt zu erschließen, zu scheitern. Vorwiegend mittelständische Unter-

nehmer stehen in der Kritik, unternehmerische Entscheidungen weniger auf Grund

strategischer Überlegungen zu fällen, sich sondern vielmehr lediglich auf ihr

Bauchgefühl zu verlassen. Einer strategischen Partnerwahl sollte in jedem Fall ein

Soll-Partnerprofil zu Grunde liegen, in dem die wichtigsten Anforderungskriterien

fixiert wurden.

Im Rahmen der Evaluierung sollte ebenso erwogen werden, ob nicht sogar aus

bislang bestehenden Geschäftsbeziehungen eine intensivere Zusammenarbeit in

Form eines Gemeinschaftsunternehmens entwickelt werden kann. Demnach ist

das Risiko des Scheiterns als gering zu bewerten, wenn bereits im Vorfeld eine

Partnerschaft wachsen und ein Vertrauensverhältnis geschaffen werden konnte.

Ist dies nicht der Fall, sollte die Evaluierung mehrerer potentieller Kandidaten un-

bedingt auf der Grundlage der im Soll-Profil festgelegten Kriterien erfolgen. Neben

der Kompatibilität der „harten Faktoren“, z.B. Größe und Ressourcenbasis, die

bereits von Bleicher/Hermann als förderlich für den Erfolg konstatiert wird250, ist lt.

Eisele eine Ähnlichkeit der „weichen Organisationsmerkmale“, die sich auf Kultur,

250 vgl. Bleicher/Hermann, 1991, S.22

97

Führungsstile und -instrumente sowie die Strategie einer Unternehmung beziehen,

ein ebenso nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor.251 Die Kongruenz der Unter-

nehmensstrategien und Organisationskulturen der Partner ermöglichen demzufol-

ge eine einfachere Führung des Gemeinschaftsunternehmens. Auf Grund der be-

reits im Kapitel 4.6.3.2 ausgeführten Press Note 18 (1998 Serie), „No Objection

Clearance“ sowie der Press Note 1 (2005 Serie) ist eine umfangreiche Evaluation

und sorgfältige Selektion des Partners für ein deutsch-indisches Joint-Venture von

enormer Bedeutung.

4.7.4 Divergierende Zielvorstellungen

Ein weiterer Hauptgrund für das Misslingen von Joint-Ventures ist das Versäumnis

der Partner, die Erwartungen und Zielsetzungen an das gemeinsame Unterneh-

men abzustimmen. Zielvorstellungen sollten bereits in einem frühen Stadium der

Verhandlungsphase geäußert und mit denen des indischen Partners in Einklang

gebracht werden. Unterbleibt diese Analyse oder wird nicht rechtzeitig vorgenom-

men, so stellt Eisele fest, ist die Entwicklung von ernsthaften Konflikten nur eine

Frage der Zeit.252 „Zielkonflikte treten insbesondere bei Fragen der Unterneh-

mensführung, bei Investitionsentscheidungen oder bei der Entscheidung über eine

lang- oder kurzfristige Ertragsorientierung auf“253. Die Übereinstimmung von stra-

tegischen Interessen und Zielsetzungen sollte, um Missverständnisse und Schwie-

rigkeiten von vornherein aus dem Weg zu räumen, schriftlich und detailliert im

„Joint-Venture-Agreement“ niedergelegt sein. Deren Einhaltung und Weiterent-

wicklung sollte Gegenstand regelmäßiger Überprüfungen sein. Ist eine Einigung

über die Zielsetzungen nicht möglich oder absehbar, dass diese in der Zukunft

divergieren, sollten, Eisele zufolge, die Unternehmen auf die Gründung eines

Joint-Ventures verzichten.252

251 vgl. Eisele, 1995, S.115 252 vgl. Eisele, 1996, S.99

98 253 vgl. Geissbauer/Siemsen, 1995, S.79

4.7.5 Streit über Kompetenzverteilung und Unternehmensführung

Das Gerangel um Kompetenzbereiche oder die Unternehmensführung resultiert

häufig aus dem Versäumnis, während der Verhandlungsphase klare Vereinbarun-

gen über die Aufgabenverteilung zwischen den Partnern zu treffen. Dies ist jedoch

wichtige Voraussetzung für die Koordination der Aktivitäten und die Steuerung des

Joint-Ventures. Kommt es auf Grund mangelnder Kompetenzverteilung zu Fehl-

entscheidungen, sind kostspielige Korrekturmaßnahmen notwendig, um das Joint-

Venture wieder „auf Kurs“ zu bringen. Deshalb ist eine sorgfältige und ausführliche

Gestaltung des Vertrages, in dem Kompetenzen eindeutig dem jeweiligen Partner

zugewiesen werden, von besonderer Bedeutung. Demnach könnte dem indischen

Partner die Verantwortung über die Produktion übertragen werden, während dem

deutschen Partnerunternehmen die Qualitätssicherung als Kompetenzbereich

vorbehalten ist.254

Um eine für beide Seite zufriedenstellende Lösungen herbeizuführen, sollte die

Verhandlungsphase gewissenhaft geplant und mit ausreichend Zeitpuffer verse-

hen werden. Wichtiger als detaillierte Vertragsvereinbarungen ist jedoch in diesem

Zusammenhang die Erreichung eines tatsächlichen Konsenses zwischen den

Partnern. Dies gilt ebenso für die Festlegung der Unternehmensführung. Während

deutsche Unternehmen dem indischen Partner häufig nicht die alleinige Unter-

nehmensführung zutrauen oder die Durchsetzung der eigenen Interessen nicht

gewährleistet sehen, befürchten indische Unternehmen die Entsendung von deut-

schen Expatriates, die im deutschen Partnerunternehmen nicht zu den erfolg-

reichsten zählen oder über keine Indienerfahrung verfügen. Wie bereits in Kapitel

4.6.3.2 erwähnt, ist die Bestellung eines externen indischen Managers zum Ge-

schäftsführer eine sinnvolle Alternative, bei der beide Seiten eine loyale Interes-

senvertretung erwarten können.

254 vgl. Geissbauer/Siemsen, 1995, S.54

99

4.7.6 Mangelnde Kooperationsbereitschaft

Die unzureichende Kooperationsbereitschaft ist einer der häufigsten Vorwürfe, mit

denen indische Unternehmen die deutschen Partner konfrontieren. Dabei werden

insbesondere mangelndes Engagement, fehlender Support und unzureichende

Kommunikation kritisiert. Ein Grund liegt sicherlich in der unterschiedlichen strate-

gischen Bedeutung, die dem Joint-Venture von den Partnerunternehmen beige-

messen wird. Für die Mehrheit der deutschen Partner stellt das gemeinsame Un-

ternehmen eine von mehreren Komponenten in der internationalen Strategie dar,

von dem erwartet wird, dass es sich unternehmerischen Entscheidungen unter-

ordnet. Demgegenüber sehen die indischen Partner in dem Gemeinschaftsunter-

nehmen die Möglichkeit, die eigene Wettbewerbsposition nachhaltig zu verbes-

sern und so die eigene Existenzgrundlage auf dem nationalen Markt zu sichern.

Aus diesem Grund sollte Verständnis für die Situation des Partners gezeigt und

Bemühungen unternommen werden, um eine faire Lösung zu finden, die den Be-

dürfnissen beider Seiten gerecht wird.255 Des Weiteren ist es die Aufgabe des

deutschen Partners, das Joint-Venture von Gründung bis zur Auflösung ständig zu

begleiten und die notwendige Unterstützung zu gewährleisten. Dabei spielen die

physische Präsenz, z.B. durch die regelmäßige Teilnahme an den Board Meetings

und die kontinuierliche Kommunikation zwischen den Partnern eine wesentliche

Rolle, um letztendlich die Entwicklung des Joint-Ventures mitzubestimmen.

Ein weiterer Grund für die mangelnde Kooperation von Seiten der deutschen Part-

ner ist die Furcht vor einem übermäßigen Technologie-Transfer, der dem deut-

schen Partner seinen vorhandenen Wettbewerbsvorsprung entzieht und dem indi-

schen Partner die Chance gibt, sich längerfristig in lokale oder gar internationale

ernstzunehmende Konkurrenz zu entwickeln. In jedem Fall sollten bei Gründung

eines Joint-Ventures Maßnahmen zur Technologiesicherung getroffen werden, die

ein über den vertraglich vereinbarten hinausgehenden Knowledge-Transfer unter-

binden. Neben vertraglichen Vereinbarungen im „Technical Collaboration Agree-

ment“ sollten zu diesem Zweck ebenfalls organisatorische Maßnahmen ergriffen

werden. Demnach macht die Unterbringung des Joint-Ventures auf dem Firmen-

100 255 vgl. Geissbauer/Siemsen, 1995, S.81

gelände eine vollständige Geheimhaltung unmöglich. Erschwert wird die Geheim-

haltung ebenso, wenn Mitarbeiter des indischen Partnerunternehmens im gemein-

samen Unternehmen beschäftigt werden, selbst wenn der Zutritt nur auf Grund

einer Zugangsberechtigung erlaubt ist.256

Die Ernennung von „Gatekeepern“ im deutschen Unternehmen, die als einzige zur

Weitergabe von Informationen berechtigt sind und derart den Informationsfluss

steuern und überwachen, ist äußerst sinnvoll. Bei all diesen Maßnahmen sollte

jedoch nicht übersehen werden, dass es längerfristig nicht möglich ist, das eigene

Unternehmen gegen eine Abwanderung von Technologie vollständig abzuschot-

ten. Mit Eingang einer Kooperation gewährt man dem ausländischen Partner das

Recht und die Pflicht zu lernen und vom eigenen Wissen zu profitieren. Genau als

solches wird das Joint-Venture vom indischen Partner verstanden; als Instrument

in einer lernenden Organisation. Mit dieser Einstellung ist das indische Pendant

vielen deutschen Partnern einen Schritt voraus.

4.7.7 Misstrauen

Die oben genannten Maßnahmen können zum einen recht aufwendig sein, zum

anderen könnten sie vom indischen Partner als mangelnder Vertrauensbeweis

gewertet werden. Die Situation, in der der indische Partner seinem deutschen Ge-

genüber das Vertrauen entzieht, kommt einem Scheitern der Kooperation gleich.

Dennoch ist gegenseitiges Verständnis und Vertrauen als Basis jeglicher Koopera-

tion nicht als indienspezifisch zu bezeichnen. Eisele zufolge ist das Vertrauen ein

ganz wesentlicher Faktor für den Erfolg eines jeden Joint-Ventures. Er geht sogar

noch einen Schritt weiter und bezeichnet das Vertrauen als eine „conditio sine qua

non“ und somit als Grundlage jeder Kooperation.257

Die Bedeutung des Vertrauens resultiert aus der begrenzten Rationalität beider

Kooperationspartner, die es unmöglich macht, auf zukünftige Geschehnisse adä-

quat zu reagieren und auf die Kompensierung fehlender Informationen zu verzich-

256 vgl. Filiol, 1994, S.176ff 257 vgl. Eisele, 1995, S.150

101

ten.258 Demnach ersetzt das Vertrauen zwischen den Partnern diese fehlenden

Informationen, ermöglicht so einen erweiterten Handlungsspielraum und bedeutet

letztlich den Verzicht der Beteiligten auf opportunistische Handlungsweisen.259

Wichtige Voraussetzung für das Schaffen einer vertrauensvollen Beziehung ist die

Bereitschaft beider Partner in dieses zu investieren und langfristig zu pflegen.

Kennzeichen einer von Misstrauen geprägten Partnerschaft, sind die Besetzung

von wichtigen Positionen mit eigenem Personal, der Verweis auf die vertraglichen

Vereinbarungen in Konfliktfällen sowie die „sparsame“ Ausstattung des Joint-

Ventures mit Finanz- und Humanressourcen. Eisele stellt zusammenfassend fest,

dass von einer Gründung eines Joint-Ventures eindringlich abgesehen werde soll-

te, falls die Partner nicht in der Lage sein sollten, ein von Vertrauen geprägtes

Verhältnis aufzubauen.258

4.8 Zweckmäßigkeit des Joint-Ventures im Vergleich mit anderen Formen der Markterschließung am Beispiel 100%ige Tochtergesell- schaft

Den Vorzügen, die das Joint-Venture als besonders enge Form der Kooperation

bietet, stehen hohe Risiken und Kosten gegenüber, die u.U. den Verlust der ge-

samten Investitionssumme bedeuten können. Die für die hohe Misserfolgsquote

verantwortlichen Gründe wurden bereits im vorigen Punkt, Kapitel 4.7, dargelegt.

In Kapitel 4.2 wurde der Trend zur Erschließung des indischen Marktes in Form

einer 100%igen Tochtergesellschaft, „wholly owned subsidiary“, ausgeführt. Nach

Meinung von Dr. Mahavadi von der Mahavadi Management & Technology Servi-

ces GmbH wird sich diese Tendenz in den kommenden Jahren fortsetzen und so-

gar noch verstärken.260 Ursächlich für diese Verschiebung ist die zunehmende

Öffnung des Marktes durch den Abbau gesetzlicher Restriktionen für ausländische

Investitionen. Seit Januar 1997 ist die Genehmigung von Tochtergesellschaften

gesetzlich geregelt.

Vorher unterlagen sämtliche Anträge auf Gründung einer 100%igen Tochterunter-

nehmung einer Einzelgenehmigung und wurden daher von Fall zu Fall beurteilt 258 vgl. Eisele, 1996, S.101 259 vgl. Eisele, 1995, S.152f

102 260 Aussage auf dem Treffen des German-Indian Roundtable (GIRT), 12. September 2005

und entschieden. Inzwischen kann ein ausländisches Unternehmen in einigen In-

dustriebereichen sogar unter der „Automatic Approval“ der RBI eine Tochterge-

sellschaft gründen und damit auf die Einbeziehung eines indischen Partners ver-

zichten. Die Vorteile des geschäftlichen „Alleinganges“ liegen eindeutig in der

Unabhängigkeit und der damit verbundenen Eigenverantwortung. Es besteht we-

der Abstimmungsbedarf mit einem Partnerunternehmen noch ist eine Einmischung

in die Geschäftspolitik zu befürchten. Deutsche Unternehmen argumentieren den

Verzicht auf einen indischen Partner mit der Begründung, eigenständig eine höhe-

re Effektivität und Produktivität erreichen zu können. Zudem kann die Gefahr eines

unerwünschten Technologietransfers reduziert werden.261

Die Gründung einer Tochtergesellschaft ist vor allem für solche Unternehmen ge-

eignet, die bereits über gründliche Marktkenntnisse und ausreichende Ressourcen

verfügen, um sämtlichen Erfordernissen eines alleinigen Markteintritts zu entspre-

chen. Insbesondere multinationale Unternehmen (MNC), die eine globale Strate-

gie verfolgen, bevorzugen die uneingeschränkte Kontrolle über eine ausländische

Tochtergesellschaft, um die Einhaltung globaler Qualitätsstandards zu gewährleis-

ten.184

In Indien ist die Gründung einer 100%igen Tochtergesellschaft nach wie vor mit

einem nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand verbunden und ist nicht in allen

Industriebereichen zugelassen. Darüber hinaus ist die Errichtung einer eigenstän-

digen Präsenz, insbesondere der Aufbau von Vertriebsstrukturen, in Indien über-

aus zeit- und kostenaufwendig und bedeutet ein hohes unternehmerisches Risiko.

Demzufolge repräsentiert der Markteintritt über eine Kooperation bzw. Joint-

Venture für mittelständische Unternehmen oftmals die einzige Alternative, über-

haupt in Indien tätig zu werden, da die Zusammenarbeit mit einem lokalen Part-

nerunternehmen einen erleichterten und beschleunigten Marktzugang ermöglicht.

Ein deutsch-indisches Joint-Venture bedeutet insbesondere für ein mittelständi-

sches Unternehmen die Möglichkeit, in einem ausländischen Geschäftsumfeld

Erfahrungen zu sammeln, die bei einer späteren Expansion auf weitere Zielmärkte

eingebracht werden können. Zudem gibt die notwendige Adaptation der Produkte

261 vgl. Geissbauer/Siemsen, 1995, S.30

103

an indische Bedürfnisse wichtige Impulse für deren Weiter- bzw. Neuentwick-

lung.262

Ein Joint-Venture bietet außerdem die Chance, positive Elemente indischer und

deutscher Managementstile miteinander zu kombinieren, um so eine effektive Un-

ternehmensstruktur und Unternehmenskultur zu schaffen.263 Die Entscheidung,

die Markterschließung in Form eines Joint-Ventures und damit in Zusam-

menarbeit mit einem indischen Partner oder unabhängig über eine 100%ige Toch-

tergesellschaft vorzunehmen, lässt sich nicht generalisieren und muss vor dem

Engagement von jedem Unternehmen individuell getroffen werden. Der Ge-

schäftsführer der DIHK, Hr. Dirk Matter, rät im Fall einer Joint-Venture Gründung

sowohl von einer Minoritäts- als auch von einer Paritätsbeteiligung ab, da in die-

sen Konfigurationen die Steuerung und Kontrolle des Joint-Ventures nicht gewähr-

leistet werden könne. Selbst wenn eine Paritätsbeteiligung mit jeweils 50% zu-

nächst eine „win-win-situation“ für beide Partner bedeutet, können

Unstimmigkeiten und Machtgerangel, wie bereits in Kapitel 2.6.2 beschrieben, zur

völligen Manövrierunfähigkeit des Joint-Ventures führen.

Joint-Ventures sind vor allem dann empfehlenswert, wenn die potentiellen Part-

nerunternehmen Interesse an einer längerfristigen Zusammenarbeit hegen.264 In

jedem Fall muss bei Überlegungen hinsichtlich der Form des Engagements in In-

dien, das bei einer Auflösung eines Joint-Ventures benötigte „Non-Objection Certi-

ficate“ des ehemaligen indischen Partnerunternehmens, berücksichtigt werden.

262 vgl. Geissbauer/Siemsen, 1995, S.74 263 vgl. Geissbauer/Siemsen, 1995, S.55

104 264 vgl. DIHK, 2001, S.19

5. FALLBEISPIEL:

HAKO-WERKE INTERNATIONAL GMBH, BAD OLDESLOE

5.1 Unternehmensprofil

Die Erfindung der ersten Kleinmotorhacke durch Hans Koch kennzeichnet die An-

fänge des Unternehmens HAKO im Jahr 1924. Das exakte Datum der Gründung

ist nicht mehr nachvollziehbar, gleichwohl erfolgte mit Beginn der Montage und

Serienfertigung von Motorhacken in Pinneberg im Jahr 1948 die formelle Aufnah-

me der Geschäftstätigkeit. Der Umzug des Unternehmens 1954 von Pinneberg

nach Bad Oldesloe, dem heutigen Hauptsitz HAKOs, markiert einen weiteren Mei-

lenstein in der Entwicklung. Sieben Jahre später startete das Unternehmen die

Kehrsaugmaschinenfertigung. Neben der Herstellung und dem Vertrieb von Ma-

schinen für die Gebäude- und Bodenreinigung sowie der Außenreinigung, die die

Kernkompetenzen der HAKO darstellen, umfasst das aktuelle Produkt-Portfolio die

Bereiche Transportlogistik und Grundstückpflege. Die Mission sieht das Unter-

nehmen in der Unterstützung der Kunden bei der „kontinuierlichen Verbesserung

von Qualität, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit der professionellen Bo-

denreinigung und Grundstückpflege.“265 Das breite Produktprogramm, das zu-

nehmend eine Ausrichtung auf Großkunden, z.B. Handelsketten und Großindust-

rie erfährt, wird durch individuelle Beratung und einem Paket an Kundenbindungs-

maßnahmen wie Finanzdienstleistungen, Gebrauchtmaschinen und Leihgeräten

sowie einem mobilen Kundendienst komplettiert. Neben hohen Qualitätsstandards

bilden Forschung und Entwicklung weitere Eckpfeiler in der HAKO-Unternehmens-

philosophie: demnach gilt die Prämisse, 30% Umsatz mit Produkten zu generie-

ren, die nicht länger als drei Jahre auf dem Markt sind. Diese Strategie findet ins-

265 www.hako.com

105

besondere im Umsatz der Hako-Werke für das Geschäftsjahr 2004 ihren Nieder-

schlag, der um 9,2% auf 116,7 Mio. EUR stieg und damit das beste Ergebnis in

der Unternehmensgeschichte, mit derzeit rd. 830 Mitarbeitern, repräsentiert. Die

HAKO-Werke GmbH bildet den Nukleus der 1996 gegründeten internationalen

HAKO Holding GmbH & Co. KG. Zu dieser Holding zählen auf der einen Seite

mehrere Produktgesellschaften, in denen arbeitsteilig an verschiedenen Standor-

ten in Bad Oldesloe, Trappenkamp/Bad Segeberg, Glindow, Walthershausen, Ko-

zalin (Polen), Adison und Minneapolis (USA) sowie in Coimbatore (Indien) produ-

ziert wird. Auf der anderen Seite unterhält die HAKO Holding GmbH & Co. KG ein

weltweites Distributionsnetz in Form eigener Vertriebsgesellschaften, z.B. in

Skandinavien, Frankreich, Spanien, China und Australien sowie eine Vielzahl von

Händlern und Importeuren in über 60 Ländern.

Abb. 19: Strukturen der HAKO Holding GmbH & Co.KG

55,6

98,6

100%

100%

100%

100%

100%

100%

Produkt- gesellschaften

Hako-Werke, D

PowerBoss

Minuteman, USA

Vertrieb Hako-Werke, D

Labor Hako, F

Hako G&G Group, Skand.

Hako Machines, GB

Hako España, E

Hako Italy, I

Hako Netherland Group, NL

Hako Belgium, B

Hako Polska, Pol

Hako Australia, AUS

I & B Cleaning, China

Wega Nova, CH

Händler Importeure , Indien

Multicar, D

100%

26%

100%

100%

100%

90,1

100%

20%

100%

100%

100%

99,9

Hilco Chemie, NL

Hako Technology, Pol

Hako Holding GmbH & Co.KG

Hako-Werke International

Vertrieb

Parker

Multi-Clean

Quelle: Eigene Darstellung, auf Grundlage von HAKO, 2005, S.11

Bereits in den 60er Jahren begann die globale Ausrichtung der Geschäftsaktivitä-

ten des Unternehmens, dass derzeit ca. 60% des Umsatzes außerhalb Deutsch-

lands erzielt.

106

Abb. 20: Umsatz nach Regionen 2004, gesamt 321 Mio. EUR

19,8%

3,0%

37,3%

39,9%

Inland Europa USA Fernost

Quelle: Eigene Erstellung, auf Grundlage von HAKO, 2005, S.8

Von dieser Erfahrung und der hohen Affinität zur Erschließung von ausländischen

Märkten profitierend, begann HAKO mit eigenen finanziellen Mitteln im Jahr 1993

die Erschließung des indischen Marktes. Die Gesellschaft war eines der ersten

deutschen Unternehmen, die ein dauerhaftes Engagement in Indien nach den ein-

geleiteten Wirtschaftsreformen Anfang der 90er Jahre anstrebten. Die Ausgangs-

position für jenes Geschäftsjahr kann nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand

ermittelt werden. Dennoch ist festzustellen, dass HAKO zu diesem Zeitpunkt noch

die Strukturen eines mittelständischen Unternehmens besaß.

5.2 Motivation für ein Engagement in Indien

In den 90er Jahren erkannte die Geschäftsleitung von HAKO, dass sich in Asien

die neuen globalen Wachstumsmärkte entwickeln und dort neue Möglichkeiten

eröffnen würden. Um dieses Potential nicht ungenutzt zu lassen, wurde über ein

Engagement auf dem asiatischen Kontinent in Form einer Produktionsstätte nach-

gedacht. China und Indien, beides Länder, in denen zu diesem Zeitpunkt die

107

Gründung einer 100%igen Tochtergesellschaft nicht möglich war, wurden in Be-

tracht gezogen. Zum Zweck der Markterkundung wurden mehrere Sondierungs-

reisen in einem Zeitraum von neun Monaten nach China und Indien unternommen,

auf denen bereits Kontakt zu verschiedenen Unternehmen hergestellt wurde. In

Indien stellte man fest, dass der Markt für Reinigungsmaschinen mit einem ge-

schätzten Volumen von 1 Mio. EUR verhältnismäßig klein war und dass nur einige

Importeure dort agierten. Auf Grund der geringen Marktgröße wurde auf eine um-

fassende Marktstudie verzichtet und lediglich eine Übersicht zur Markt-, Konkur-

renz- und Kundensituation erstellt.

Im Vergleich zwischen indischen und chinesischen Rahmenbedingungen wurde

die Rechtssicherheit auf dem indischen Subkontinent als höher eingeschätzt. Dar-

über hinaus wurden das englischsprachige Managementpersonal, die Orientierung

an das englische Rechtssystem und die Verfügbarkeit hoch qualifizierter Ingenieu-

re in Indien positiv bewertet. Der ausschlaggebende Aspekt in der Wahl des ge-

eigneten Investitionsstandorts war jedoch die Einschätzung in Indien einen besse-

ren Partner gefunden zu haben. Während die chinesischen Unternehmen hohe

Anfangsinvestitionen als Voraussetzung für das Eingehen einer erfolgreichen Zu-

sammenarbeit erwarteten, stimmten die Vorstellungen der indischen Verhand-

lungspartner, zunächst ein kleines Unternehmen zu gründen und dann gemein-

sam langfristig zu wachsen, mit denen HAKOs überein. Darüber hinaus wäre die

Aufbringung derartig hoher Summen für das Unternehmen nicht möglich gewesen.

Zudem entsprach die Beschränkung auf die Rolle des Fabrikanten der chinesi-

schen Unternehmen während der ausländische Partner Know-how als auch finan-

zielle Ressourcen bereitstellen zu hat, nicht den Anforderungen von HAKO. Im

Gegensatz dazu überzeugte die Bereitschaft der indischen Unternehmen, eine

aktive Rolle in einer möglichen Kooperation zu übernehmen. Indien schien dem-

nach bei der Beurteilung aller Faktoren schlichtweg die bessere Lösung zu sein.

Die Tatsache, dass die Bemühungen um einen Eintritt auf den indischen Markt

kurz nach Initiierung des Reformprozesses begannen, ist eher zufällig.

108

5.3 Die Entscheidung für ein Joint-Venture und die Partnerwahl

Generell besteht keine Ausrichtung der HAKO-Unternehmenspolitik, die Erschlie-

ßung eines ausländischen Marktes in Form eines Joint-Ventures vorzunehmen.

Dennoch entsprach diese Option der Risikostrategie des Unternehmens, für das

Indien-Engagement einen starken und erfahrenen Partner einzubinden, der bereits

in der Region etabliert war und über Kenntnisse der lokalen Rahmenbedingungen

verfügte. Zudem erwartete HAKO vom zukünftigen Partnerunternehmen die Un-

terstützung im Umgang mit den schwierigen bürokratischen Verhältnissen, für den

viel Zeit und Geld hätte aufgewendet werden müssen. Darüber hinaus bestand zu

dieser Zeit keine weitere Alternative um auf dem indischen Markt direkt tätig zu

werden. Die Gesellschaft verfolgte anfänglich eine aktive Suchstrategie, die je-

doch nicht zum Erfolg führte. Bei der Evaluierung der potentiellen Partner, die an-

hand von Bilanzen, Geschäftsberichten (so fern vorhanden) und Firmenbesichti-

gungen in Indien erfolgte, entsprach kein indisches Unternehmen den Anforde-

rungen. Außer einer soliden Finanzsituation erwartete HAKO eine vernünftig struk-

turierte Tätigkeitsweise und Exporterfahrungen aus Handelsbeziehungen zu west-

lichen Firmen.

Die Beziehungen zum heutigen Joint-Venture Partner gehen auf die Kontaktauf-

nahme des indischen Unternehmens, dass 1991 auf der Frankfurter Messe „Au-

tomechanika“ auf HAKO aufmerksam wurde, zurück. ROOTS Industries Inc., ge-

gründet 1970, ist einer der führenden indischen Hupen-Hersteller mit Hauptsitz in

Coimbatore im Bundesstaat Tamil Nadu. ROOTS suchte zu dieser Zeit nach Opti-

onen seine Geschäftstätigkeit zu diversifizieren. Zudem glaubte das indische Un-

ternehmen an das hohe Potential von Reinigungsmaschinen auf dem Subkonti-

nent. Nach Überprüfung der betriebswirtschaftlichen Unterlagen wurde gemein-

schaftlich ein Business Plan für drei Jahre entwickelt, um Zweck und Ziel des

Joint-Ventures sowie die benötigten finanziellen Ressourcen abzubilden. Daraus

ergab sich für HAKO und ROOTS eine hohe Kongruenz der Zielvorstellungen oder

wie Herr Rüdiger Schröder, Geschäftsführer der HAKO-Werke International GmbH

es bezeichnet, eine „Überkreuz-Interessenslage“. ROOTS unterhielt zu diesem

Zeitpunkt bereits ein Joint-Venture mit Bosch und signalisierte damit HAKO, dass

109

es sich bereits mit den hohen Qualitätsanforderungen westlicher Unternehmen

hatte auseinandersetzen müssen. Auf eine umfangreiche Evaluation verzichtete

ROOTS, da das Unternehmen HAKO als überaus kompetenten Partner wahr-

nahm.

5.4 Vertragsgestaltung

Die bereits erwähnte hohe Zielkongruenz der Unternehmen ist ausschlaggebend

für die relativ kurze und konfliktfreie Verhandlungsphase, die mit Unterzeichnung

der Verträge nur zwölf Monate nach Kontaktaufnahme abgeschlossen werden

konnte. Die Ausgestaltung des Vertragswerkes, bestehend aus dem „Joint-

Venture Agreement“, „Technical Collaboration Agreement“ und einem „Exclusive

Sales Contract“, erfolgte in Kooperation mit der Deutsch-Indischen Handelskam-

mer. Auf Grundlage der zuvor genannten Verträge wurde 1993 die Joint-Venture

Gesellschaft unter dem Namen Roots Multiclean Ltd. in Coimbatore im Bundes-

staat Tamil Nadu als Public Limited Company mit einer Summe von 510.000 DM

als Stammkapital gegründet.

Abb. 21: Gründung Roots Multiclean Ltd.

Quelle: Eigene Darstellung

110

Hauptsächlich wurde Coimbatore als Standort für das Joint-Venture gewählt, da

das indische Partnerunternehmen dort seinen Hauptsitz hat. Zudem ist Tamil Na-

du durch die Ansiedlung zahlreicher Maschinenbauunternehmen ein äußerst att-

raktives Tätigkeitsumfeld. Des Weiteren verweist der Geschäftsführer der HAKO-

Werke International GmbH auf die weniger komplexen Religionsstrukturen als im

Norden, die sich auf die Mitarbeiterschaft auswirken und Konfliktpotential hätten

darstellen können. Während sich die neu errichtete Produktionsstätte nicht auf

dem Firmengelände des indischen Partners befindet, wurden die Bereiche Verwal-

tung und Marketing in dessen Geschäftsräumen untergebracht.

Am Gemeinschaftsunternehmen hält HAKO eine Beteiligung von 26% und

ROOTS Industries 34%. Die verbleibenden 40% befinden sich gestreut im Besitz

verschiedener Anteilseigner, unter ihnen viele Mitarbeiter. Die Minderheitsbeteili-

gung HAKOs war angestrebt worden, um die Notwendigkeit einer Konsolidierung,

die eine höhere Beteilung zur Folge gehabt hätte, zu vermeiden. Dennoch verfügt

HAKO über eine Sperrminorität, um bei bestimmten Themen, z.B. Änderung des

Produktprogramms ein Veto einlegen zu können. Dies bedeutet, dass es sich bei

Roots Multiclean Ltd. um ein Unternehmen mit indischer Identität handelt, nicht

nur im rechtlichen sondern vielmehr im Sinne der Unternehmensmentalität und der

Wirkung nach außen. Inzwischen gibt es aber erste Überlegungen, die Kapitalein-

lage zu einem noch nicht definierten Zeitpunkt zu erhöhen. Die vertraglich verein-

barten Aufgaben des Joint-Ventures bestehen zum einen in der Produktion eines

kleinen Teiles des weltweiten Angebotsspektrums an Reinigungsmaschinen und

zum anderen im Vertrieb einschließlich Service von importierten HAKO-Produkten.

Der Vertrieb der Produkte erfolgt über ein eigenes Netz aus neun Verkaufs- und

Service-Niederlassungen in den Ballungszentren sowie über Händler in dünner

besiedelten Regionen. Im Vertrag existiert keine Klausel, die die Höhe des Local

Sourcing regelt, allerdings wird versucht, auf Grund der immer noch sehr hohen

Importzöllen einen möglichst großen Anteil der Materialen in Indien zu beschaffen.

Neben den klassischen Entwicklungszentren Deutschland und USA, findet seit

ungefähr drei Jahren eine begrenzte Entwicklungsaktivität in Indien statt. Während

HAKO sich im Kooperationsabkommen verpflichtete, das Joint-Venture mit finan-

ziellen Ressourcen und Know-how auszustatten, war die Aufgabe des indischen

111

Partners die Einbringung von Management und personellen Ressourcen. Rege-

lungen über den Umfang des Knowledge-Transfers finden sich im „Technical Col-

laboration Agreement“. Um einem darüber hinaus gehenden unbeabsichtigten

Knowledge-Transfer vorzubeugen, werden Produkte in Indien produziert, die be-

reits seit längerem zum Portfolio von HAKO gehören. Ferner wird versucht, den

Informationsfluss zu steuern und zu überwachen.

Das Joint-Venture wird von einem indischen „Managing Director“, der ebenfalls

Mitglied des zehnköpfigen „Board of Directors“ ist, geführt. Während ROOTS e-

benfalls den „Chairman“ und somit den Vorsitzenden des „Boards“ stellt, vertritt

der Geschäftsführer der HAKO-Werke International GmbH als Mitglied des

„Board“ die Interessen des deutschen Partners. Es finden vierteljährlich „Board-

Meetings“ statt, an denen der Geschäftsführer der HAKO-Werke International

GmbH mindestens an zwei teilzunehmen versucht. Für den Fall seiner Abwesen-

heit und die dauerhafte Vertretung vor Ort wurde ein „Alternate Director“ bestellt.

Auf Grund der Kostenintensität wurden bisher keine deutschen Expatriates ent-

sandt und dies ist auch für die Zukunft nicht angedacht. Der Joint-Venture Vertrag

enthält zusätzlich eine Klausel, die die Beendigung der Kooperation thematisiert.

In diesem Zusammenhang wurde ein Ausstiegsszenario erarbeitet, in dem sich die

Joint-Venture Partner dazu verpflichten, sich gegenseitig die Anteile zum Kauf an-

zubieten. Der Geschäftsführer der HAKO-Werke International GmbH äußert sich

zufrieden über die Einhaltung der Verträge durch den indischen Partner und sieht

keine Notwendigkeit für eine nachträgliche Anpassung der Verträge.

5.5 Problembereiche und Konfliktpotential

In der Anfangsphase entsprachen sowohl die Produktivität als auch die Qualität

nicht den Erwartungen des deutschen Kooperationspartners. Auf Grund organisa-

torischer Rahmenbedingungen befanden sich beide Kenngrößen auf einem nied-

rigen Niveau, so dass über einen Zeitraum hinweg größere Anstrengungen benö-

tigt wurden, um befriedigende Ergebnisse in Bezug auf Produktivität und Qualität

zu erreichen. In dieser Phase wurden beispielsweise Mitarbeiter der Qualitätssi-

cherung der HAKO-Werke nach Indien entsandt, die die Produktion des ersten

112

Loses überwachten und dabei die erforderlichen Qualitätsstandards verdeutlich-

ten. Das bisher erreichte Kosten-/Produktivitätsverhältnis ist akzeptable, jedoch

noch verbesserungswürdig.

Nach wie vor ist es allerdings ein großes Problem geeignete und kompetente Her-

steller, die hochwertige Komponenten liefern, zu finden. Aus diesem Grund wurde

im Oktober 2004 eine „Export Oriented Unit (EOU)“ errichtet. Dabei handelt es

sich um eine Produktionsstätte, die ausschließlich für den Export produziert und

steuerliche Erleichterungen bzw. Anreize erhält. Ein weiterer Grund für die Errich-

tung ist die Möglichkeit, Komponenten vom Weltmarkt ohne Einfuhrzölle zu impor-

tieren. Dennoch kritisiert der Geschäftsführer der HAKO-Werke International

GmbH die schwerfällige und undurchschaubare Bürokratie, die u.a. die Realisie-

rung staatlich geförderter Projekte behindert. So ist z.B. nicht erlaubt, Produkte,

die nicht in der EOU, aber in unmittelbarer Nähe von demselben Unternehmen

produziert wurden, in die EOU zu verlagern oder in einem Container mit Produkten

der EOU zu transportieren. Weiterhin funktioniert der Transport des Materials so-

wie der gefertigten Produkte nicht reibungslos, da das ohnehin desolate Straßen-

netz nicht für große LKWs ausgelegt ist. Doch nicht nur die externen Rahmenbe-

dingungen stellen Herausforderungen für die Joint-Venture Partner dar. Demnach

ergab sich im Zeitraum von 1997 bis 2001, während der Abwesenheit des vorma-

ligen und heutigen Geschäftsführers der HAKO-Werke International GmbH, eine

Krisensituation, die das Joint-Venture insgesamt gefährdete.

In dieser Zeit nahmen die Verantwortlichen der HAKO-Werke nicht ihre Rolle als

unterstützender Kooperationspartner wahr. Das Joint-Venture Roots Multiclean

wurde vernachlässigt und die Kommunikation sowie Koordination zwischen den

Partnern verebbte. Auf Grund grober Qualitätsmängel stand man kurz vor dem

Entschluss, die Produktion zurück nach Deutschland zu verlagern. Damit stand

das Joint-Venture zweifellos unmittelbar vor der Auflösung. Diese konnte jedoch

mit der Rückkehr des heutigen Geschäftsführers durch ausführlichen Dialog mit

dem indischen Partner und, wie zuvor beschrieben, die Durchsetzung der Quali-

tätsansprüche abgewendet werden.

113

Zukünftige Konflikte könnten sich ergeben, falls Indien als Entwicklungsstandort

aus einer gruppeninternen Entscheidung heraus nicht genügend berücksichtigt

und Roots Multiclean die Weiterentwicklung zum Entwicklungszentrum verwährt

würde. Gegenwärtig wird mit jährlichen Zuwachsraten von 30% auf dem indischen

Markt gerechnet, die allerdings nur über die Weiter- und Neuentwicklung von Pro-

dukten, in die sich der indische Kooperationspartner stärker eingebunden sieht,

erreicht werden können.

5.6 Ergebnisse

Das Joint-Venture Multiclean Roots hat die Erwartungen beider Stammhäuser er-

füllt. Während HAKO der Eintritt in den indischen Markt gelang, konnte der indi-

sche Partner ein neues Geschäftsfeld aufbauen, hohe Zuwachsraten realisieren

und Qualität sowie Know-how4 erlangen. Die Produkte sind nach Anpassung des

Preises und Veränderung einiger Bauteile auf Grund der lokalen Gegebenheiten

durchaus wettbewerbsfähig und derzeit nahezu konkurrenzfrei. Es existieren im-

portierte Konkurrenzprodukte, die jedoch über Handelshäuser und Händler ver-

trieben werden und damit deutlich schlechter positioniert sind.

Für die derzeit 260 beschäftigten Mitarbeiter war das Geschäftsjahr 2004/05 mit

einem Umsatz von 6,4 Mio. EUR erneut ein sehr erfolgreiches Jahr. Bis auf die

Jahre 1993/94 und 1997/98 war Roots Multiclean immer profitabel und konnte den

Gewinn nach Steuern auch im Geschäftsjahr 2004/05 um 45% im Vergleich zum

Vorjahr steigern. Das heutige Verhältnis beschreibt der Geschäftsführer der HA-

KO-Werke International GmbH als eines, dass von hohem gegenseitigem Re-

spekt, Vertrauen und beidseitiger Kooperationsbereitschaft gekennzeichnet ist.

5.7 Erfolgsfaktoren

Voraussetzung einer jeden erfolgreichen Kooperation, so der Geschäftsführer der

HAKO-Werke International GmbH, ist die wirkliche Bereitschaft zu kooperieren.

Eine weitere Schlüsselkomponente für den Erfolg eines Joint-Ventures besteht in

114

der Wahl des Partners, der eine sorgfältige und genaue Prüfung vorangehen soll-

te. Der Geschäftsführer vergleicht ein Gemeinschaftsunternehmen mit einer Ehe,

für die ebenso ein Partner gefunden werden müsse, mit dem man sich vertrüge,

damit diese funktionieren und Bestand haben könne. Eine ebenso große Rolle

spielt in dieser strategischen Ehe das Vertrauen, dass nur durch große Anstren-

gungen beider Seiten geschaffen und aufrechterhalten werden kann. Zudem muss

besonderes Einfühlvermögen für die indischen Besonderheiten in Bezug auf Un-

ternehmenskultur und Tätigkeitsweisen, entwickelt werden. Seit ungefähr vier bis

fünf Jahren findet regelmäßig ein Fachkräfteaustausch aus den Bereichen Produk-

tion, Qualität und Entwicklung statt, die nicht nur auf die kontinuierliche Verbesse-

rung der Produkte abzielt, sondern auch dem Kulturenaustausch und dem Kennen

lernen der „anderen Seite“ dient.

Bevor das Joint-Venture gegründet wird, sollte unbedingt ein gründlicher Vergleich

der Zielvorstellungen erfolgen, z.B. wie bei Roots Multiclean durch die gemeinsa-

me Erarbeitung eines Business Plans. Ziele und Inhalte des Joint-Venture sollten

sehr genau im Vorfeld definiert und ausführlich im Kooperationsabkommen fest-

gehalten werden. Unabdingbar für den Erfolg einer deutsch-indischen Kooperation

ist die Präsenz vor Ort, z.B. durch die regelmäßige Teilnahme an den Board Mee-

tings, um die Richtung, in die das Joint-Venture vorangetrieben werden soll, mit-

zubestimmen. Es reicht nicht, die Umstände aus der Ferne zu beurteilen und zu

kritisieren. Die Anwesenheit vor Ort ist notwendig, um Probleme zu lösen und um

dem indischen Partnerunternehmen die Unterstützung, die es benötigt, anbieten

zu können. Joint-Venture gelten anspruchsvoller als Tochtergesellschaft, da sie

einen höheren Koordinationsaufwand bedeuten und damit mehr Zeit beanspru-

chen, die die Unternehmen auch bereit sein müssen zu investieren. Die fortwäh-

rende Kommunikation und der Informationsaustausch zwischen den Partnern gel-

ten als ganz wesentliche Erfolgsfaktoren für ein Joint-Venture.

Die Frage nach der Zweckmäßigkeit eines Joint-Ventures beantwortet Herr

Schröder, sei abhängig von einer Vielzahl von Faktoren, wie z.B. finanzielle Res-

sourcen und Managementkapazität. Ein Joint-Venture bedeutet zunächst zwar

den geringeren Investitionsaufwand, dafür ist das Risiko zu Scheitern allerdings

größer. Dennoch schätzt er die Erschließung des indischen Marktes in Form eines

115

Joint-Ventures als zweckmäßig für mittelständische Unternehmen ein und würde

erneut eine Kooperation mit einem indischen Partner eingehen.

Abb. 22: Roots Multiclean Ltd. in Coimbatore, Tamil Nadu

Quelle: Hako

116

6. FAZIT

Die Arbeit zeigt, dass die internationale Kooperation als Markteintrittsform für mit-

telständische Unternehmen eine attraktive Alternative ist. Kooperationen werden

von dieser Kategorie Unternehmen häufig zur Erschließung neuer Absatzmärkte,

Nutzung von Kostenvorteilen und Erzielung länderspezifischen Know-hows ge-

wählt.

Ziel einer jeden internationalen Kooperation ist die Erreichung des „Joint-Com-

petitive Advantage“, welcher die Wettbewerbsposition der Partnerunternehmen

nachhaltig stärken und verbessern soll. Das Joint-Venture als spezielle Ausprä-

gung der internationalen Kooperation zeigt sich dabei als besonders enge und

höchst anspruchsvolle Form der Zusammenarbeit, bedingt durch die hohe Bin-

dungsintensität auf Grund der Kapitalbeteiligung der Partnerunternehmen. Trotz

der hohen Misserfolgsquote des „gemeinsamen Wagnisses“ ist die Gründung von

Joint-Ventures äußerst populär, da gekonnt Stärken kombiniert und Ressourcen

geschont werden können.

Seit 1991, mit dem Beginn der Wirtschaftsreformen, öffnet Indien schrittweise den

nationalen Markt und ermöglicht auch deutschen Unternehmen den Zutritt. Mit

einem jährlichen Wirtschaftswachstum von 6,9% für 2004/05 sowie 2005/06 ist

Indien inzwischen zum zweiten Wachstumsmotor Asiens nach China aufgestie-

gen. Indiens Ministerpräsident Manmohan Singh traut dem Land sogar bis zu 10%

Wachstum in den nächsten zwei bis drei Jahren zu.266 Das Land bietet Investiti-

onsmöglichkeiten in vielen Branchen, z.B. die Automobil-, Biotechnologie und

Pharmaindustrie, chemische Industrie, Maschinen- und Ausrüstungsbau sowie die

Nahrungsmittelindustrie. Darüber hinaus gilt der Subkontinent als weltweit bedeu-

tendster Offshore Standort. Auch als Absatzmarkt, mit 150 bis 350 Mio. kaufkräfti-

gen Einwohnern, Tendenz steigend, gelangt Indien mehr und mehr in den Fokus

des globalen Interesses. Es ist bereits die Rede von einem neuen asiatischen Ti-

ger. Doch die aufstrebende Volkswirtschaft hat noch eine andere Seite. Demnach

mindern die defizitäre Infrastruktur, Korruption, Bürokratie, das weiterhin protektio-

nistische Klima, z.B. Höchstbeteiligungsgrenzen in einer Vielzahl von Sektoren

266 o.V. 2005d, S.13

117

und die zunehmenden regionalen Disparitäten die Attraktivität Indiens als bedeu-

tendes Investitionszentrum.

Die komplexen Rahmenbedingungen, fehlende Erfahrung und Informationen las-

sen mittelständische Unternehmen die Alternative Joint-Venture als Markter-

schließungsstrategie in Betracht ziehen. Des Weiteren wurden das Interesse am

Aufbau einer langfristigen Präsenz, die Nutzung von Partnerressourcen und des-

sen Kenntnisse, die Möglichkeit der Risikominderung als Hauptmotive für die Ein-

bindung eines indischen Partnerunternehmens identifiziert. Den Markteintritt, der

nicht hätte im Alleingang bewältigt werden können, zügig und kostengünstig vor-

nehmen zu können, ist primäres Ziel einer Joint-Venture Gründung eines deut-

schen, mittelständischen Unternehmens. Der Gründungsprozess, dem eine inten-

sive Informationsbeschaffungsphase vorausgeht, umfasst die Partnerwahl, den

Verhandlungsprozess, die Vertragsgestaltung und die abschließende Genehmi-

gung und Registrierung durch bzw. bei den indischen Behörden. Es wurde festge-

stellt, dass trotz enorm anspruchsvoller Rahmenbedingungen, die hohe Misser-

folgsquote vor allem „hausgemachte“ Ursachen hat. Als Bedingungen für den

Erfolg einer deutsch-indischen Joint-Venture Gründung wurden folgende Faktoren

erarbeitet:

1. Umfangreiche Vorbereitung

2. Auseinandersetzung mit der indischen Mentalität

3. Aktive und systematische Partnerwahl

4. Abstimmung der Zielvorstellungen beider Partner

5. Konsens plus Regelungen über Kompetenzverteilung und Unternehmensfüh-

rung

6. Aufrichtige Kooperationsbereitschaft

7. Vertrauen

118

Bei Berücksichtigung der zuvor genannten Erfolgsfaktoren ist das Joint-Venture

für ein mittelständisches Unternehmen durchaus eine geeignete Markterschlie-

ßungsstrategie, selbst wenn derzeit auf Grund der zunehmenden Liberalisierung

der Trend zur Gründung einer 100%igen Tochtergesellschaft existiert.

Die Frage nach einer optimalen Markterschließungsstrategie kann jedoch nicht

allgemeingültig beantwortet werden, da diese von jedem Unternehmen individuell

entwickelt werden muss. Dennoch hat die Arbeit das Ziel, Auskunft über Indien als

Investitionsstandort und strategische Hinweise, wie ein mittelständisches Unter-

nehmen erfolgreich den Markteintritt über ein Gemeinschaftsunternehmen realisie-

ren kann, zu geben. Es bleibt zu hoffen, dass auch Mittelständler im Joint-Venture

eine Alternative sehen, um am Riesenpotential Indiens zu partizipieren, denn wie

Dr. Lamprecht, Wirtschaftsreferent der Deutschen Botschaft in Neu-Delhi am 11.

Juli 2005 auf einem Stammtischtreffen des GIRT in Hamburg verkündete: “Noch

ist es nicht zu spät, sich in Indien zu engagieren!“

119

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Nr. 2:

Freiling, Jörg / Estevão, Maria-José:

Wirtschaftlichkeitsrechnung von E-Business-Investitionen im Mittelstand

– Problemstellungen und Lösungsmöglichkeiten

Bremen 2003

Nr. 3:

Siebert, Marco:

Die Stiftung als Gestaltungsinstrument der Unternehmensnachfolge aus

steuerlicher Sicht

Bremen 2004

Nr. 5:

Schulenburg, Nils:

Preparing Latido for Basel II – Vorbereitung eines kleinen Dienstleistungsunter-

nehmens auf die neuen Basler Eigenkapitalrichtlinien

Bremen 2004

Nr. 6:

Winkler, Stefan

Zyklusphänomene in der BWL und ihre Bedeutung für das Management

von Unternehmen

Bremen 2006

Nr. 7:

Lowski, Björn / Rodewald, Inga / Scholz, Thilo / Soffel, Janina:

Existenzgründung aus der Arbeitslosigkeit – Eine empirische Untersuchung der

Förderinstrumente Überbrückungsgeld und Existenzgründungszuschuss

Bremen 2006

Nr. 8

Schade, Michael

Imagetransfer durch Sportsponsoring

Bremen 2007

Nr. 9

Kühn, Andrea

Das Jointventure als spezielle Form der internationalen Kooperation – Markter-

schließungsstrategie für den deutschen Mittelstand in Indien?

Bremen 2008

Nr. 10 (in Vorbereitung)

Rohde, Eva

Eine kompetenzorientierte Betrachtung der Mitarbeiter-Kunden-Interaktion in Be-

zug auf Dienstleistungsunternehmungen unter Berücksichtigung des

Empowerments

Bremen 2008

Kontaktadresse für Bestellungen und Rückfragen jeglicher Art:

LEMEX-Lehrstuhl für Mittelstand, Existenzgründung und Entrepreneurship

Frau Heidrun Sobing

Universität Bremen

Fachbereich 7 - Wirtschaftswissenschaft

Postfach 33 04 40

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