Post on 19-Oct-2020
Aufmerksamkeitsdefizithyper-aktivitätsstörung (ADHS)(ADHS)
Prof Dr med Michael GünterProf. Dr. med. Michael GünterKlinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie
Wintersemester 2017/2018Wintersemester 2017/2018
"Ob der Philipp heute stillWohl bei Tische sitzen will ?"Wohl bei Tische sitzen will ?Also sprach in ernstem TonDer Papa zu seinem Sohn,Und die Mutter blickte stummU d d e utte b c te stuAuf dem ganzen Tisch herum.Doch der Philipp hörte nicht,ppWas zu ihm der Vater spricht.Er gaukeltUnd schaukelt,Er trappeltUnd zappeltAuf dem Stuhle hin und her."Philipp, das missfällt mir sehr !"
© 2017 – Prof. Dr. med. Michael Günter
Seht, ihr lieben Kinder, seht,Wi ' d Phili it ht !Wie's dem Philipp weiter geht !Oben steht es auf dem Bild.Seht! Er schaukelt gar zu wild,Bis der Stuhl nach hinten fällt;Bis der Stuhl nach hinten fällt;Da ist nichts mehr, was ihn hält;Nach dem Tischtuch greift er, schreit.
Doch was hilft‘s? Zu gleicher ZeitFallen Teller, Flasch' und Brot.Vater ist in großer NotVater ist in großer Not,Und die Mutter blicket stummAuf dem ganzen Tisch herum.
© 2017 – Prof. Dr. med. Michael Günter
© 2017 – Prof. Dr. med. Michael Günter
MSSBMcArthur Story Stem BatteryMcArthur Story Stem Battery
Familienvergnügen mit verletztem Kindg g
Die Geschichten:Geschichten:Aufwärmgeschichte Geburtstagsfeier1. Ausflug in den Park2 B h2. Barny suchen3. Der verlorene Schlüssel4. Was ist mit dem/der
Freund/in los?5 Di h iß S5. Die heiße Suppe6. Familienvergnügen mit
verletztem Kind7. Das Meerschweinchen
f i t i htfrisst nicht8. Das Monster in der
Dunkelheit9. Neue Nachbarn
Tübingen-Basel-Wien Version: Günter et al., 1999
© 2017 – Prof. Dr. med. Michael Günter
Definition I
Leitsymptome1 Unaufmerksamkeit (Aufmerksamkeitsstörung Ablenkbarkeit)1. Unaufmerksamkeit (Aufmerksamkeitsstörung, Ablenkbarkeit)2. Überaktivität (Hyperaktivität, motorische Unruhe)3. Impulsivität
Beginn vor dem 6. Lebensjahr
• Mindestens in zwei Lebensbereichen
p
- Vorherrschend unaufmerksamer Subtyp- Vorherrschend hyperaktiv-impulsiver Subtyp- Gemischter SubtypGemischter Subtyp
„Zusatzsymptome/Comorbidität“ extrem vielfältig (es gibt Listen mit über 100) u.a.- Störung des Sozialverhaltens/Dissozialität/Substanzmissbrauch
E b k it- Erregbarkeit- Distanzlosigkeit- Niedriges Selbstwertgefühl- Aggressive/depressive Störung- Aggressive/depressive Störung
© 2017 – Prof. Dr. med. Michael Günter
Definition II
Leitsymptome(jeweils extrem ausgeprägt im Verhältnis zu gleich alten Kindern)(jeweils extrem ausgeprägt im Verhältnis zu gleich alten Kindern)1. Unaufmerksamkeit (Aufmerksamkeitsstörung, Ablenkbarkeit)
Mangel an Ausdauer und Konzentration, Abbruch bei Beschäftigungen Häufiger Wechsel von einer Tätigkeit zur anderenäu ge ec se o e e ät g e t u a de e Ablenkbarkeit (durch externe Stimuli) Unfähigkeit, die Aufmerksamkeit zu teilen
Mangelnde Aufmerksamkeit für Details Hört oft nicht zu Verliert oft Dinge Ist vergesslich Ist vergesslich
© 2017 – Prof. Dr. med. Michael Günter
Definition III
Z l hili
2. Überaktivität (Hyperaktivität, motorische Unruhe)
Zappelphilipp Desorganisierte, überschießende Aktivität Kann nicht stillsitzen, steht oft auf Exzessives Rennen oder herumklettern Exzessives Rennen oder herumklettern Ausgeprägte Redseligkeit, Lärmen Schwierigkeiten still zu sein
Mangel an normaler Vorsicht und Zurückhaltung
3. Impulsivität
Mangel an normaler Vorsicht und Zurückhaltung Unfallneigung Regelverletzungen aus Impulsivität Distanzlosigkeit gegenüber Erwachseneng g g Platzt mit der Antwort heraus, bevor die Frage beendet ist Geht nicht auf andere ein Kann nicht warten, bis er/sie an der Reihe ist (im Spiel, in Gruppen)
© 2017 – Prof. Dr. med. Michael Günter
Lineare Modellvorstellungen
Medizinisch-genetisches Modell
Neurotransmitter
Verhalten MedikationGenetik
SomatischeSchädigung
Psychosoz.Schädigung
Pädagogische/th ti hSchädigung
Traumatisierung Verhaltentherapeutische Interventionen
Umwelt
Soziales/Beziehungsmodell
Umwelt
© 2017 – Prof. Dr. med. Michael Günter
Ätiologie I
Multifaktorielle Störung (Biederman & Faraone 2005, Tannock 1998)Tannock 1998)
Neurobiologische FaktorenNeurobiologische FaktorenGenetisch-Transmitterstörung (Dopaminsystem: z.B. Dopamintransporter (Schimmelmann et al. 2006),Noradrenalinsystem, Zusammenwirken mehrerer Gene, RR ca. 1, 2-2)- Temperamentsfaktor (Levy et al. 1997)
Schädigungsbedingt- Rauchen während der SchwangerschaftRauchen während der Schwangerschaft- Alkoholkonsum, Benzodiazepinkonsum während der SS, bei Fetalem Alkoholsyndrom 90% ADHD- chronisch hypoxische Zustände, Geburtskomplikationen und niedriges GG- Chronische (subklinische) Bleiintoxikation, Infektionen
© 2017 – Prof. Dr. med. Michael Günter
Neurobiologie der Aufmerksamkeitssteuerung im Gehirn
vorderes Aufmerk-samkeitssystem
hinteres Aufmerk-samkeitssystem
Aus: Schulte-Markwort und Zinke 2005, modifiziert nach Himelstein
samkeitssystem samkeitssystem
2000
Blaue Linien vermitteln die dopaminerge Steuerung, orange Linien dieorange Linien die noradrenerge Steuerungder Aufmerksamkeit
© 2017 – Prof. Dr. med. Michael Günter
Darstellung der Wirkung von MPD im Gehirn
Ausgangspunkt: Erhöhung des Dopamintransporters(mittlerweile fraglich als(mittlerweile fraglich als ätiologischer Mechanismus)
D t ll d V i dDarstellung der Verminderung der Rezeptorverfügbarkeit im Striatum durch Methylphenidatmittels Applikation von 11C-mittels Applikation von Craclopride
Volkow et al. 2005
Mechanismus: MPD bindet an DAT und verdrängt Dopamin höhere Konzentration von DA niedrigere Rezeptorverfügbarkeit
© 2017 – Prof. Dr. med. Michael Günter
Ätiologie II
Psychosoziale Faktoren
-Fernsehkonsum im Kleinstkindesalter (Christakis et al. 2004)
- niedriger Sozialstatus (Hjern et al. 2010, Medikamenteneinnahme abhängig von Sozialhilfeempfänger 3fach, Bildungsstatus der Mutter 3fach, alleinerziehend 2fach, Psychische Erkrankung der Eltern 2,5fach)
- dagegen West Virginia: weiße Schuljungen 33% Prävalenz! (Le Fever et al. 1999)-
h f iliä K flikt ät li h K i i lität hi h Stö- schwere familiäre Konflikte, väterliche Kriminalität, psychische Störungder Mutter, Fremdplatzierung (Biederman et al. 1995)
frühkindliche Traumatisierung Deprivation Misshandlung Missbrauch- frühkindliche Traumatisierung, Deprivation, Misshandlung, Missbrauch
© 2017 – Prof. Dr. med. Michael Günter
Komplexeres interaktionelles Modell
Neurotransmitter
Verhalten MedikationGenetik
SomatischeSchädigung
e NeuronaleNetzwerke
Pro
zess
een
etis
che
Psychosoz.Schädigung
Pädagogische/
Epi
ge
Schädigung
Traumatisierung Verhalten
g gtherapeutische Interventionen
Um eltUmwelt
© 2017 – Prof. Dr. med. Michael Günter
„Neurodarwinismus“ –Entwicklungsselektion, Erfahrungsselektion, Reentrant Mapping
Edelman, 1992
© 2017 – Prof. Dr. med. Michael Günter
Vermittelnde Variablen und aktuelle
Neurotransmitter
Verhalten MedikationGenetik
SomatischeSchädigung Neuronale
NetzwerkeMentale RepräsentationenMotivationAffektsteuerung
Comorbidität >50%Interaktion Therapeutische Beziehung
Psychosoz.S hädi
Pädagogische/Schädigung
Traumatisierung Verhalten
g gtherapeutische Interventionen
Umwelt© 2017 – Prof. Dr. med. Michael Günter
Konsequenzen I
1. Vorsicht: ADHS ist wegen seiner vielfältigenSymptomatik ein kinderpsychiatrischer „Circusy p p yBarnum“
2 S d it i lfälti bi h i l “ bi h2. Syndrom mit vielfältiger, „biopsychosozialer“, bishernur teilweise geklärter Ätiologie und Pathogenese
3. Häufig „Komorbidität“ mit emotionalen Störungen,Störungen des Sozialverhaltens,gTeilleistungsstörungen
Umfangreiche mehrstündige Diagnostik auf verschiedenen Ebenen erforderlich zusätzliche detaillierte Abklärung:erforderlich, zusätzliche detaillierte Abklärung:
Emotionale StörungenStörungen des SozialverhaltensStörungen des Sozialverhaltens
© 2017 – Prof. Dr. med. Michael Günter
Diagnostik bei ADHS I
Exploration der Familie und Exploration und Untersuchung des Patienten hinsichtlich Auftreten Variabilität der Leitsymptomey p Ungünstiger Temperamentsmerkmale im Säuglingsalter und Beginn der Störung Verlauf der Symptomatik psychosozialer und emotionaler Belastungsfaktoren Vorhandensein emotionaler oder anderer Störungeng
Informationen von Kindergarten oder Schule hinsichtlich Einschätzung, Häufigkeit, Intensität und Variabilität der Symptomatik gegebenenfalls Lern- und Leistungsstörungeng g g g Hinweisen auf psychosoziale BelastungenErgänzend kann ein Fremdbeurteilungsbogen (z.B. FBB-HKS ), der jeweils von Eltern und Lehrern ausgefüllt werden kann, vor allem im Lehrerurteil wertvolle Zusatzinformationen liefern.
Intelligenz, Entwicklungs- und Leistungsdiagnostik In der Regel ist eine zumindest orientierende Intelligenzdiagnostik erforderlich, um Überforderungen oder Unterforderungen auszuschließen. Bei Hinweisen auf Teilleistungsstörungen oder sonstige Leistungsproblemen ist eine umfassende g g g g pLeistungsdiagnostik notwendig. Bei Vorschulkindern ist eine umfassende Entwicklungsdiagnostik, vor allem auch der
h i l E t i kl f d li h
Diagnostik bei ADHS IIDiagnostik bei ADHS II
Weitere testpsychologische Diagnostik Ergänzend können testpsychologische Untersuchungen zur Aufmerksamkeit (z. B. TAP, Aufmerksamkeitsbelastungstest) zusätzliche Hinweise geben. Das testpsychologische Ergebnis darf niemals alleine zur Stellung der Diagnose verwendet werdenniemals alleine zur Stellung der Diagnose verwendet werden.
Somatische Diagnostik Neurologische Untersuchung zur Abklärung von Beeinträchtigungen. gegebenenfalls EEG bzw MRT Untersuchung wenn Hinweise auf eine hirnorganische gegebenenfalls EEG- bzw. MRT-Untersuchung, wenn Hinweise auf eine hirnorganische Komponente oder auf ein Anfallsleiden vorhanden sind, EEG-Untersuchung insbesondere dann, wenn eine medikamentöse Behandlung mit Amphetaminen geplant ist. Bei Planung einer medikamentösen Behandlung allgemeine körperliche Untersuchung u.a. im Hinblick auf mögliche Kontraindikationen und unerwünschte Wirkungen (z BHinblick auf mögliche Kontraindikationen und unerwünschte Wirkungen (z.B. Wachstumsverzögerung)
Konsequenzen II
4. Methylphenidat hat bei ca. 70% der betroffenenKinder eine unspezifische! Wirkung auf HyperaktivitätKinder eine unspezifische! Wirkung auf Hyperaktivitätund Aufmerksamkeit, nicht jedoch auf Impulsivität,Sozialverhalten, emotionale Störung, g
Alleinige Gabe von Methylphenidat ist daher in der Regel nichtAlleinige Gabe von Methylphenidat ist daher in der Regel nicht zulässig
Auslassversuche 1x jährlich mit Fremdbeurteilung sind notwendig; genaue Verlaufsbeobachtung hinsichtlich der Entwicklung expansiver od. emotionaler Störungen ist erforderlichElternberatung, Selbstmanagementtraining bei einfachen Fällen; Ergotherapie Psychotherapie evtl stationäre Behandlung bei
rof Dr med Michael Günterrof. Dr. med. Michael Günter
nik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie ik Snikum Stuttgart
ntrum für Seelische Gesundheitntrum für Kinder- und Jugendmedizin – Olgahospital (kooptiert)
ießnitzweg 24g374 Stuttgart
Mail: m guenter@klinikum-stuttgart deMail: m.guenter@klinikum stuttgart.de