Boris Ricken/david seidl* Unsichtbare Netzwerke: Nutzen und … · 2017. 10. 19. · Unsichtbare...

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  • Dieses Dokument ist lizenziert für WISO-NET, uINTF738.Alle Rechte vorbehalten. © zfbf Schmalenbachs Zeit. f. betriebswirts. Forschung. Download vom 18.01.2017 10:51 von www.wiso-net.de.

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    BorisRicken/davidseidl*

    Unsichtbare Netzwerke: Nutzen und Grenzen des Einsatzes der sozialen Netzwerkanalyse in der Unternehmenspraxis

    Zusammenfassung

    die Relevanz von interaktion, Kommunikation und unsichtbaren, sozialen Bezie-hungenimunternehmensalltagistseitgeraumerZeitbekannt.mitdersozialennetz-werkanalyse verfügt die Wissenschaft über eine elaborierte methode zur analysesolcher Phänomene. trotz ihrer weiten Verbreitung in der Wissenschaft und ihresbreitenpraktischenanwendungspotenzialskommtdernetzwerkanalyseinderPraxisbisherjedochlediglicheinPionierstatuszu.EinwesentlicherGrunddafürist,dassesbishernichtausreichendgelungenist,diesequantitativeanalysemethodemitdenfürPraktikerrelevantenqualitativen,einzelfallspezifischenaspektenvonProblemenzukombinieren.imRahmeneinesmehrjährigen,fallstudienbasiertenForschungspro-jekteshabenwireinVerfahrenentwickelt,welcheseinesolcheKombinationermög-licht.indiesemartikelstellenwirdasVerfahrenvorundillustrierenseinestärkenundschwächenanhandzweierkonkreterFallbeispiele.

    JEL-Classification: B49,m10,m14.

    Keywords: Casestudy;method;socialnetworkanalysis;socialRelations. Fallstudie;methode;sozialeBeziehungen;sozialenetzwerkanalyse.

    1 Einleitung

    In Wissenschaft und Praxis ist hinlänglich bekannt�, dass ein Großteil des tatsächlichen Betriebsgeschehens jenseits der formalen Strukturen in unsichtbaren, informellen sozialen Netzwerken verläuft�. Die Charakterisierung als „unsichtbar“ trägt hierbei dem Umstand Rechnung, dass diese Beziehungsnetzwerke in ihrer Gesamtheit nicht direkt erfassbar sind. Ein Blick auf das Organigramm oder die Prozesslandkarte zeigt zwar die offizi-ellen Kommunikationskanäle, sagt aber noch nichts darüber aus, wer mit wem tatsächlich zusammenarbeitet oder Informationen und Wissen austauscht.

    � Die Wissenschaft machte diese Erkenntnis bereits im Rahmen der Hawthorne-Experimente in den �930er-Jah-ren Publik.Vgl. Roethliberger/Dickson (�964), erstmals (�939).

    � Vgl. Krackhardt/Hanson (�994), S. �.

    * Dr. Boris Ricken, PPCmetrics AG, Bereichsleiter Unternehmensentwicklung & IT, Badenerstrasse 6, Postfach, 80�� Zürich, Schweiz, boris.ricken@ppcmetrics.ch; Prof. David Seidl, Universität Zürich, Lehrstuhl für Orga-nisation und Management, Universitätsstrasse 84, 8006 Zürich, Schweiz, david.seidl@uzh.ch.

    ** Die Autoren danken zwei anonymen Gutachtern für wertvolle Hinweise.

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    Unsichtbaren sozialen Netzwerken wird in der Unternehmenspraxis eine zunehmende Bedeu-tung beigemessen. So ergab eine aktuelle Befragung von �.000 Führungskräften und Orga-nisationsexperten, dass das Management von Netzwerkbeziehungen als eines der zentralen Zukunftsthemen angesehen wird. Gleichzeitig schätzen sich diesbezüglich nur wenige Unter-nehmen als kompetent ein3. Verschiedene Studien zeigen zudem, dass sich Manager oftmals irren, wenn es darum geht, die Netzwerke außerhalb ihres eigenen, direkten Kontaktkreises zu beschreiben4. Ein intuitives Vorgehen reicht hier in der Regel nicht aus – vielmehr bedarf es einer systematischen Methode, um solche sozialen Netzwerke transparent zu machen.

    2 Die soziale Netzwerkanalyse

    2.1 Hintergrund

    Mit der sozialen Netzwerkanalyse verfügt die Wissenschaft seit geraumer Zeit über eine elaborierte Methode zur Erfassung und Analyse unsichtbarer sozialer Beziehungen. Obwohl keineswegs neu, erfreut sich die Methode in den letzten Jahren zunehmender Beliebtheit in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften: Die Anzahl an Publikationen im Bereich der Netzwerkforschung wächst exponenziell�. In einem jüngst erschienenen Artikel im renommierten Wissenschaftsmagazin „Science“ wird die Netzwerkanalyse aufgrund ihres Erklärungspotenzials sogar als „Goldmine“6 für die Sozialwissenschaften bezeichnet.

    2.2 definitionsozialernetzwerke

    Bei einem sozialen Netzwerk handelt es sich allgemein um ein Set von Akteuren, welche durch ein Set von Beziehungen miteinander verbunden sind�. Als „Akteure“ können hierbei Individuen, Teams, Gruppen, Abteilungen oder auch Organisationen fungieren. Vereinfacht lassen sich folgende Typen von Netzwerkbeziehungen unterscheiden8:

    Kommunikationsbeziehungen beziehen sich auf den Informations- oder Wissensaus-tausch zwischen Organisationsmitgliedern. Evaluations- und Gefühlsbeziehungen beschreiben die Wahl von Freunden, Ratgebern oder Vertrauenspersonen.Transaktionsbeziehungen beschreiben den Transfer von Ressourcen wie Finanzmittel, Arbeit oder Material.

    3 Studie „Organisation �0��“, durchgeführt von der Boston Consulting Group (BCG), der Schweizerischen Gesellschaft für Organisation und Management (SGO) und weiterer Organisationen,Vgl. BCG et al. (�009); Roghé et al. (�009; �0�0).

    4 Vgl. Krackhardt (�990); Casciaro (�998); Kilduff/Krackhardt (�008).� Vgl. Borgatti/Foster (�003), S. 99�.6 Borgatti et al. (�009), S. 89�.� Vgl. Jansen (�006), S. �8; Borgatti/Foster (�003), S. 99�.8 Für den Einsatz außerhalb des Unternehmens können noch weitere Kategorien relevant sein. Für einen aus-

    führlichen ÜberblickVgl. Knoke Kublinski (�98�), S. ��; Wasserman/Faust (�994), S. �8; Jansen (�006), S. �8f.; Borgatti et al. (�009), S. 894.

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    2.3 theoretischeundmethodischeGrundlagen

    Die der Netzwerkforschung zugrundeliegenden theoretischen Überlegungen gehen in der Regel von der Annahme eines rekursiven Verhältnisses von Handlungen und soziale Bezie-hungen aus9:

    Soziale Netzwerke beeinflussen die Handlungen von Managern, indem sie Informati-onen und Ressourcen zur Handlungsrealisierung bereitstellen.Die Handlungen der Manager prägen wiederum die sozialen Netzwerke, indem durch Interaktion neue Beziehungen geschlossen, existierende Beziehungen aufrechterhalten oder alte beendet werden.

    Der Einfluss sozialer Netzwerke auf die individuellen Handlungsmöglichkeiten wird häufig auch mit dem Konzept des sozialen Kapitals in Verbindung gebracht�0. Das heißt, je „besser“ der Akteur mit anderen Akteuren vernetzt ist, desto höher ist sein soziales Kapital. Anders als andere Kapitalarten, wie ökonomisches Kapital oder Humankapital, ist soziales Kapital dabei nicht vollständig im Besitz einzelner Akteure. Vielmehr ist es abhängig von den direkten und indirekten Beziehungen, die ein Akteur in einem Netz-werk zu anderen unterhält��.

    Soziale Netzwerke lassen sich über verschiedene Erhebungsverfahren, wie Befragungen, Interviews, Beobachtungen oder Daten- und Dokumentenanalyse, erfassen��. Die Befra-gung ist dabei die derzeit in der Netzwerkforschung am häufigsten angewandte Erhe-bungsmethode. Sie eignet sich aufgrund ihres im Verhältnis zu anderen Methoden relativ geringen Aufwands besonders gut für den Einsatz in der Unternehmenspraxis�3. Der Befragte wird dabei mit einer Aussage bzw. Frage, dem so genannten Namensgenerator, konfrontiert. Diese adressiert den konkreten Beziehungsinhalt (beispielsweise die Art der Kommunikation oder Transaktion), der erfasst werden soll�4. Sofern alle Netzwerkmit-glieder bekannt sind, kann ein geschlossener Fragebogen mit einer Liste aller potenziellen Interaktionspartner verwendet werden. Aus dieser wählt der Befragte dann diejenigen Personen aus, für welche die jeweilige Aussage zutrifft.

    Die Netzwerkforschung verfügt über eine Vielzahl an Methoden zur Analyse sozialer Netz-werke��, von denen sich einige auch für den Einsatz in der Unternehmenspraxis eignen. Dabei kann vereinfacht unterschieden werden zwischen Methoden, die am Einzelakteur ansetzen, und solchen, die sich auf das Gesamtnetzwerk beziehen. Auf der Ebene der Akteure

    9 Vgl. für einen Überblick Kilduff/Tsai (�003), S. 3�-6�.�0 Vgl. Coleman (�998); Portes (�998); Lin (�00�); Adler/Kwon (�00�); Burt (�00�).Vgl. beispielsweise für einen

    Überblick im Zusammenhang mit der Netzwerkforschung Borgatti/Foster (�003), S. 993f.�� Vgl. Jansen (�006), S. �6.�� Siehe ausführlich Wasserman/Faust (�994), S. 4�-��.Vgl. zu neueren Erhebungsmethoden durch tragbare Sen-

    sorenplattformen, sog. „social badges“, den Beitrag von Fischbach/Schoder/Gloor (�009).�3 Verschiedene Studien haben zudem gezeigt, dass sich durch Befragungen sehr zuverlässige Daten über regelmä-

    ßig wiederkehrende Interaktionen erfassen lassen.Vgl. Freeman/Romney/Freeman (�98�).�4 Vgl. im Detail Jansen (�006), S. 80f.; Hollstein (�006), S. ��f.; Franke/Wald (�006), S. ��6f.�� Für eine ausführlichere Darstellung weiterer Methoden siehe die einschlägigen Übersichten von Wasserman/

    Faust (�994), Jansen (�006) oder Scott (�99�).

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    finden sich insbesondere verschiedene Methoden zur Zentralitätsberechnung. Diese zielen darauf ab, die wichtigsten und aktivsten Akteure in einem Netzwerk zu identifizieren�6:

    Die Gradzentralität eines Akteurs gibt an, wie viele direkte Beziehungen ein Akteur im Netzwerk unterhält. Sie kann als Indikator für die Aktivität einzelner Organisati-onsmitgliedern im Netzwerk gelten.Die Nähezentralität erfasst die Nähe eines Akteurs zu allen anderen Akteuren im Netz-werk. Weist ein Manager eine hohe Nähezentralität auf, so hat er schnellen Zugriff auf die im Gesamtnetz fließenden Informationen.Die Zwischenzentralität eines Akteurs misst schließlich, wie oft ein Akteur auf der kürzesten Verbindungsstrecke zwischen anderen Akteuren liegt. Manager mit einer hohen Zwischenzentralität verfügen oftmals über besondere Einfluss- und Kontroll-möglichkeiten.

    Auf der Ebene des Gesamtnetzwerkes beziehungsweise seiner Teile stehen Methoden zur Berechnung der Netzwerkdichte im Zentrum. Als Dichte bezeichnet man das Verhältnis vorhandener Beziehungen zur Anzahl maximal möglicher Beziehungen. Sie kann einen Wert zwischen 0 und �00% annehmen. In der Unternehmenspraxis kann es beispielsweise von Interesse sein, die Dichte sozialer Beziehungen zwischen Abteilungen oder Hierarchie-stufen zu berechnen, um Verbesserungspotenziale hinsichtlich horizontaler oder vertikaler Schnittstellen zu identifizieren.

    In der Literatur herrscht Uneinigkeit darüber, inwieweit sich die obigen Maßzahlen zu verschiedenen Erfolgsgrößen in Bezug setzen lassen��. So kommen beispielsweise Balkundi und Harrison (�006) zu dem Schluss, dass Teams mit zentralen Gruppenleitern leistungs-fähiger sind, da sie über einen besseren Ressourcenzugriff verfügen�8. Demgegenüber argu-mentieren Boyd und Taylor (�998), dass eine hohe Zentralität von Gruppenleitern in einer niedrigeren Leistungsfähigkeit der Gruppen resultiert, wenn man in der Analyse den Aufwand zur Aufrechterhaltung der persönlichen Beziehungen mitberücksichtigt�9. Wie wir in Abschnitt 3 noch zeigen werden, sind beim Einsatz obiger Methoden in der Unter-nehmenspraxis letztlich immer die jeweiligen Gegebenheiten des konkreten Einzelfalls in der Analyse zu berücksichtigen.

    Neben den erwähnten Methoden existiert eine Vielzahl weiterer, zum Teil komplizierter Verfahren, wie beispielsweise die Berechnung des Prestiges von Akteuren, die Analyse ihrer strukturellen Äquivalenz, die Blockmodellanalyse oder die Identifikation von Cliquen. Diese sind jedoch oft auf relativ spezifische Problemstellungen ausgerichtet und eignen sich somit weniger für den breiten Einsatz in der Unternehmenspraxis.

    �6 Vgl. Freeman (�9�9).�� Vgl. für einen kurzen Überblick Fischbach/Schoder/Gloor (�009), S. �f.�8 Vgl. Balkundi/Harrison (�006), S. 49 ff.�9 Vgl. Boyd/Taylor (�998), S. � ff.

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    2.4Praktischesanwendungspotenzial

    Die soziale Netzwerkanalyse adressiert Problemstellungen, in welchen Interaktionen zwischen Organisationsmitgliedern im Mittelpunkt stehen. Sie ermöglicht dabei eine wichtige, jedoch keineswegs allumfassende Analyse. Sofern andere Problembereiche mit betroffen sind, wie beispielsweise im Bereich der Strategie, der Kultur oder der Finanzen ist die Netzwerkanalyse durch andere Methoden zu ergänzen. Im Folgenden wollen wir kurz einige typische Einsatzbereiche und Fragestellungen der Netzwerkanalyse vorstellen:

    Analyse von Geschäftsprozessen: Werden die Geschäftsprozesse des Unternehmens durch die sozialen Netzwerke gelebt? Vorbereitung und Evaluation von Reorganisationen: Wo gibt es enge Prozessabhängig-keiten, die durch neue Organisationslösungen zu berücksichtigen sind?Strategieentwicklung und -implementierung: Erlauben die unsichtbaren Netzwerke die Weiterleitung strategierelevanter Informationen an die Entscheidungsträger (beispiels-weise bezüglich Markt, Kunden, Wettbewerber etc.)?Post-Merger/Akquisitions-Integration: Inwieweit sind die zusammengeführten bezie-hungsweise akquirierten Unternehmensteile mit dem Käuferunternehmen vernetzt? Einführung neuer Produkte und Dienstleistungen: Funktioniert die Zusammenarbeit im Hinblick auf neue Produkte und Dienstleistungen?Mitarbeiterfluktuation: Wo besteht das Risiko, wertvolle Spezialisten aufgrund mangelnder Integration ins soziale Netzwerk zu verlieren?Wissens- und Innovationsmanagement: Besteht ein regelmäßiger Austausch zwischen den relevanten Wissensträgern?

    3 Praktisches Verfahren zum Einsatz der Netzwerkanalyse

    3.1 PotentielleHindernissefürdenEinsatzdernetzwerkanalyseinderunternehmenspraxis

    Trotz des breiten Anwendungspotenzials und obwohl die soziale Netzwerkanalyse bereits seit den �930er-Jahren in der Wissenschaft eingesetzt wird�0, kommt ihr vor allem im deutschen Sprachraum in der Praxis immer noch lediglich ein Pionierstatus zu. Hierfür lassen sich insbesondere zwei Gründe ausmachen: Erstens fehlten in der sozialen Netzwerkanalyse bis vor kurzem noch einfache Berechnungs- und Visualisierungsverfahren. Dieses Defizit wurde in jüngster Zeit allerdings durch die Entwicklung neuer Softwareapplikationen überwunden, mit deren Hilfe auch Laien soziale Netzwerke interpretieren und analysieren können��. Zweitens hat sich die soziale Netzwerkanalyse bisher im Wesentlichen auf die Analyse von Korrelationen zwischen bestimmten Netzwerkeigenschaften (Zentralität, Dichte etc.) und Erfolgsgrößen (Innovationsrate, Arbeitsleistung etc.) beschränkt��. Während solche Zusam-menhänge in wissenschaftlicher Hinsicht sehr interessant sein können, fehlt ihnen meist die

    �0 Vgl. Moreno (�934); Roethlisberger/Dickson (�966), erstmals (�939).�� Vgl. Brandes/Wagner (�003).�� Vgl. für einen Überblick beispielsweise Brass et al. (�004).

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    direkte praktische Relevanz: Sie sind in der Regel zu abstrakt, als dass sich daraus konkrete Handlungsempfehlungen ableiten ließen�3. Es bedarf daher eines Verfahrens, mit dem sich die quantitative, abstrakte Netzwerkanalyse mit den für Praktiker relevanten qualitativen, einzelfallspezifischen Aspekten von Problemen verbinden lässt�4.

    3.2 ForschungsprogrammzurVerfahrensentwicklung

    Im Rahmen eines mehrjährigen Forschungsprojekts haben wir ein Verfahren entwickelt, mit dem sich zentrale Methoden der Netzwerkanalyse in der Unternehmenspraxis anwenden lassen��. Dazu verwendeten wir eine Forschungsmethode, welche als „Inno-vative Action Research“ bezeichnet wird. Diese wurde auch für die Entwicklung anderer praxisorientierter Verfahren, wie beispielsweise der Balanced Scorecard�6, eingesetzt.

    Die Entwicklung des Verfahrens gestaltete sich als iterativer Prozess, der Theorie und Praxis durch eine Serie mehrerer Fallstudien miteinander verband und sich für jede Fall-studie aus vier Phasen zusammensetzte (vgl. Abbildung 1): Ausgehend vom konkreten Problem eines Unternehmens (Phase �) wurde mithilfe theoretischer Überlegungen der Netzwerk- und Organisationsforschung sowie des Projektmanagements eine erste Verfah-rensversion entwickelt (Phase �). Diese wurde in einem konkreten Projekt eingesetzt (Phase 3) und evaluiert (Phase 4). Dieser Prozess wiederholte sich über mehrere Fall-studien hinweg, sodass das Verfahren kontinuierlich weiterentwickelt wurde und einen zunehmenden Allgemeinheitsgrad aufwies��.

    Abbildung 1: Forschungsprozess

    2. Fall

    Phase 3:. …

    … Fall

    Phase 1: …

    Phase 4: … Phase 2: …

    Phase 3: …

    Phase 4: …

    Theorie

    Praxis

    1. Fall

    Theorie

    Praxis

    2. Fall

    TheoretischesVorverständnis

    Phase 2:Verfahrensentwicklung

    Phase 4:Evaluation

    Phase 2:Verfahrensentwicklung

    Phase 3: Verfahrens-

    einsatz

    Phase 1: Problem des 2. Falls

    Phase 1:Problem des

    Einzelfalls

    �3 Vgl. Kieser/Nicolai (�003).�4 Vgl. zu den Charakteristika eines solchen Verfahrens Ricken (�00�), S. �3-66.�� Zur Logik der technologischen Forschung allgemein siehe Seidl et al. (�009).�6 Vgl. Kaplan (�998), S. 90.�� Vgl. zu diesem Prozess und seiner wissenschaftstheoretischen Begründung ausführlich Ricken (�00�), S. �0ff,

    Seidl et al. (�009).

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    3.3 Verfahrensbeschreibung

    Das auf Basis des „Innovative Action Research“ entwickelte Verfahren berücksichtigt sowohl theoretische Überlegungen als auch problemrelevante Aspekte des konkreten Einzelfalls. Dazu kombiniert es quantitative Methoden (Mitarbeiterbefragung) mit quali-tativen Elementen (Dokumentenanalyse, Einzelinterviews, Workshops). Das Verfahren wird in der Form eines Projekts eingesetzt und besteht aus sieben Phasen�8:

    Phase �: Zu Beginn des Projektes ist das zu lösende Problem zu identifizieren. Gleichzeitig ist das Projekt zu planen, das heißt, es sind eine Projektvision und eine Projektorganisation zu definieren sowie eine Aktivitäten-, Ressourcen- und Kommuni-kationsplanung vorzunehmen. Dies lässt sich am besten im Rahmen einer dafür einbe-rufenen Sitzung mit den Managern des entsprechenden Unternehmens durchführen.Phase �: In der zweiten Phase leiten die Manager diejenigen sozialen Netzwerke aus dem Problemkontext (beispielsweise den Geschäftsprozessen) ab, zu denen eine Befra-gung durchgeführt werden soll. Hierzu führt man eine Dokumentenanalyse, verschie-dene Einzelinterviews sowie einen Workshop mit dem Management zur Herausbildung eines Konsenses durch. Beispielsweise beschloss das Management in einem von uns durchgeführten Projekt, für den Einkaufs- und Logistikprozess das Kommunikations-netzwerk „Informationen zur bereichsübergreifenden Bedarfsplanung“ zu erfassen. Phase 3: Im Anschluss werden die zuvor ausgewählten Netzwerke im Rahmen einer Befragung der betroffenen Mitarbeiter erfasst und analysiert. Zur Analyse werden die in Abschnitt 2.3 dargestellten Netzwerkmaße, wie beispielsweise Gradzentralität und Dichte, berechnet und visualisiert.Phase 4: In einem zweiten Workshop identifiziert das Management Stärken und Schwächen der sozialen Netzwerke, indem es die Netzwerkmaße in Bezug zum Problemkontext setzt. Handelt es sich beispielsweise um ein Koordinationsproblem, so kann die Rolle von Abteilungen im Geschäftsprozess mit deren durchschnittlicher Grad- oder Nähezentralität verglichen werden.Phase �: Für die identifizierten Stärken und Schwächen entwickeln die Manager nun konkrete Maßnahmen. Als Unterstützung dienen ihnen dabei generische Steuerungsdi-mensionen, denen in der Netzwerkforschung ein Einfluss auf die Genese sozialer Netz-werke zugeschrieben wird�9. Zu ihnen zählen das Führungsverhalten, die formalen Strukturen eines Unternehmens, kontaktfördernde Maßnahmen beispielsweise in der Form informeller Anlässe, Human-Ressourcen-Praktiken, Kommunikationstechnolo-gien sowie die räumliche Arbeitsplatzanordnung (vgl. Abbildung 2).Phase 6: Im Rahmen der Implementierungsphase gilt es zunächst, die Mitarbeiter für die Umsetzung der zuvor beschlossenen Maßnahmen zu gewinnen. Zudem sind eine Imple-mentierungsorganisation festzulegen und eine Kommunikationsplanung vorzunehmen.Phase �: Schließlich erfolgt die Überwachung der Maßnahmen hinsichtlich ihres Inhalts, der definierten Fristen und des Budgets. Weiterhin wird eine Kontrolle der aus den Maßnahmen resultierenden Ergebnisse vorgenommen. Dazu führt man nach einem bestimmten Zeitraum (meist nach zwölf Monaten) eine Follow-up-Befragung mit den Mitarbeitern durch und erfasst die sozialen Netzwerke erneut.

    �8 Für die ausführliche Darstellung jeder einzelnen PhaseVgl. Ricken/Seidl (�0�0).�9 Zur theoretischen Herleitung der SteuerungsdimensionenVgl. ausführlich Ricken (�00�), S. �08-�09.

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    Abbildung 2: Generische Steuerungsdimensionen sozialer Netzwerke

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    Formale Strukturen

    Human-Ressourcen-Praktiken

    B ürostandortB ürodesign

    Kommunikationstechnologien

    Soziale Netzwerke

    Kontaktfördernde Maßnahmen

    Führungsverhalten

    Instant MessagingExpertendatenbankenSoftwaregestützte Gruppen-unterstützungssystemeE-Mail-Anwendungen

    PersonalauswahlEinführung neuer MitarbeiterPersonal- und TeamentwicklungBe- und Entlohnungssysteme

    Arbeitsplatz-anordnung

    Arbeitsteilung Weisungs- und EntscheidungskompetenzenBereichs-und hierarchieübergreifende GremienFormale Prozessdefinitionen

    Freizeit-veranstaltungenWorkshops

    VorbildfunktionProjektarbeitInitiierung von BeziehungenKommunikationBe- und Entlohnung

    Der Aufwand zur Realisierung eines solchen Projektes liegt, abhängig von der Unterneh-mensgröße und der untersuchten Problemstellung, bei etwa �� Personentagen. Zusätz-lich entstehen Aufwendungen für die Umsetzung von Maßnahmen. Diese sind, wie bei allen Veränderungsprojekten, abhängig von den identifizierten Schwächen und der Art und Ausgestaltung der in Phase � beschlossenen Maßnahmen.

    4 Anwendungsbeispiele

    Das oben dargestellte Verfahren wurde von uns in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Management in verschiedenen Unternehmen eingesetzt, weiterentwickelt und evaluiert. Im Folgenden wollen wir die praktische Funktionsweise des Verfahrens anhand zweier Fallbeispiele aufzeigen, in denen die charakteristische Vorgehensweise besonders deut-lich wird30. Diese sind in Tabelle 1 im Überblick dargestellt. Die Fälle erlauben eine systematische Evaluation des Nutzens der Netzwerkanalyse und damit erste Schluss-folgerungen hinsichtlich der Möglichkeiten und Grenzen ihres Einsatzes in der Unter-nehmenspraxis.

    30 Für eine detaillierte Darstellung der beiden Fallbeispiele vgl. Ricken/Seidl (�0�0).

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    Tabelle 1: Übersicht über Anwendungsbeispiele

    Holcim Geberit

    ca. 80.000 Mitarbeiter ca. 5.700 Mitarbeiter

    Untersuchte Einheit Bereich «Marketing & Innovation» von Holcim Indonesien

    Verschiedene Abteilungen des F&E Prozesses (bspw. Beschaffung, Konstruktion, Vertrieb, etc.)

    Befragter Mitarbeiter 180 100

    Ausgangsproblem Einführung eines neuen Franchisesystems Weiterentwicklung des F&E Prozesses

    Erfasste Kommunikations-netzwerke

    „Business Processes“

    „Market & Competitors“ „Product Characteristics“ „Customer Complaints“

    „Ideen für neue Produkte“, „Lösungsmöglichkeiten» „technische, produktbezogenen Informationen“ „vermarktungsrelevante Informationen» „Marktfeedback über eingeführte Produkte“

    Identifizierte Schwächen (Auszug)

    Bspw. für Netzwerk Solusi Rumah: Niedrige Anzahl an Kommunikationskontakten Zahlreiche Abteilungen nicht involviert Kommunikation von wenigen Einzelpersonen abhängig

    Bspw. für Netzwerk „Feedback vom Markt“: Projektleiter zu wenig in das Feedback vom Mark eingebunden

    Beschlossene Maßnahmen (Auszug)

    Human-Ressources-Maßnahmen:Durchführung regelmäßiger Vertriebsaktivitäten und Schulungen für die Vertriebsmitarbeiter

    „Solusi Rumah“

    Unternehmensgröße

    Kontaktfördernde Aktivitäten: Einführung eines Buddy- bzw. Mentoren-Systems zwischen Außendienst und Zentrale

    Formale Strukturen und Prozesse: Verstärkte Durchführung von Koordinationssitzungen zu „Solusi Rumah“

    Human-Ressources-Maßnahmen: Vertiefte Schulung Projektleiter Formale Strukturen und Prozesse: Projektleiter mit mehr Zeit für Projektabschluss Arbeitsplatzanordnung: Pilotprojekt, in welchem alle Projektmitarbeiter versuchsweise im selben Raum angesiedelt werden sollten

    4.1 sozialenetzwerkeinder„marketing&innovation“abteilungvonHolcimindonesien

    Unternehmensbeschreibung und AusgangsproblemBei unserem ersten Anwendungsbeispiel handelt es sich um ein Projekt, welches wir in Zusam-menarbeit mit der Abteilung „Marketing & Innovation“ von Holcim Indonesien durchgeführt haben. Holcim Indonesien ist Bestandteil der Holcim-Gruppe, einem global tätigen Hersteller von Zement, Zuschlagstoffen und Transportbeton mit etwa 80.000 Mitarbeitern und Produk-tionsanlagen in über �0 Ländern. Holcim Indonesien verfügt derzeit über etwa �.300 Mitar-beiter und betreibt zwei große Zementwerke auf der Indonesischen Hauptinsel Java.

    Ein wesentlicher Bestandteil der Marktstrategie von Holcim Indonesien ist die Einführung und Etablierung eines innovativen Franchisesystems mit der Bezeichnung „Solusi Rumah“ (Indonesisch für „Lösungen für den Häuserbau“). Im Rahmen dieses Konzepts werden Betonfertigprodukte über lizenzierte Einzelhändler direkt an den Konsumenten verkauft. Mit der Einführung dieses neuen Vertriebskanals sah sich die „Marketing & Innova-tion“-Abteilung von Holcim Indonesien vor großen organisatorischen Herausforderungen, beispielsweise der Definition neuer Prozesse und der Sicherstellung der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Abteilungen. Um die entsprechenden Kommunikationsflüsse zu verbessern, wurde ein Projekt zu Analyse der sozialen Netzwerke initiiert.

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    Phase 1: ProjektplanungIm Rahmen der Projektplanung wurden die wesentlichen Aktivitäten sowie ein Projekt-team definiert. Dieses bestand aus einer lokalen Projektleiterin und den Abteilungsleitern des Bereiches „Marketing & Innovation“.

    Phase 2: FragendefinitionUm die relevanten sozialen Netzwerke aus dem Problemkontext abzuleiten, führten wir �� Einzelinterviews mit den Managern und Mitarbeitern des Bereiches durch. In diesen Inter-views konnten aus den Geschäftsprozessen 4� verschiedene soziale Beziehungen abgeleitet werden. Aus diesen wählte das Management im Rahmen eines Workshops fünf Kommu-nikationsnetzwerke zu den Themen „Business Processes“, „Solusi Rumah“, „Market & Competitors“, „Produkt Characteristics“ und „Customer Complaints“ aus.

    Phase 3: DatenerfassungDie in der Phase � ausgewählten Netzwerke wurden mittels einer Online-Befragung der �80 Mitarbeiter des Bereiches erfasst. Beispielsweise fragten wir für das Netzwerk „Solusi Rumah“: „With which persons do you communicate on average at least once a month about topics related to the Solusi Rumah development plan (e.g. targeted number of fran-chises, timing, growth plan etc.)?“ Für jedes Netzwerk wurden Gradzentralität und Dichte berechnet und visualisiert (vgl. Abschnitt 2.3).

    Phase 4: Identifikation von Stärken und SchwächenZur Identifikation von Stärken und Schwächen führten wir einen Workshop mit dem Projektteam durch. Als Referenzpunkt dienten dabei die in Phase � identifizierten Geschäftsprozesse. Die Analyse lässt sich am Beispiel des Netzwerkes „Solusi Rumah“ veranschaulichen, welches in Abbildung 3 dargestellt ist. Die Größe der Knoten in der Abbildung repräsentiert dabei die Gradzentralität der einzelnen Akteure.

    Die Workshopgruppe sah es zunächst als Stärke an, dass die beiden Abteilungen „Sustainable Construction“ und „Franchise“ die ihnen zugedachte Rolle als Informati-onsdrehschreibe für „Solusi Rumah“ wahrnahmen. Dies machte die Gruppe an der über-durchschnittlich hohen Gradzentralität der Mitarbeiter dieser Bereiche fest (symbolisiert durch die Größe der Knoten in Abbildung 3). Darüber hinaus machte das Projektteam allerdings diverse Schwächen aus:

    Zunächst stellte man fest, dass die durchschnittliche Anzahl an Beziehungen pro Akteur (Gradzentralität) mit �,� Kontakten deutlich unter derjenigen der anderen Netzwerke, wie beispielsweise „Market & Competitors“ (durchschnittlich 6,� Bezie-hungen pro Akteur) oder „Business Processes“ (durchschnittlich 4,6 Beziehungen pro Akteur), lag.Zugleich wurde deutlich, dass zahlreiche Abteilungen noch nicht in die Kommunika-tion über „Solusi Rumah“ involviert waren. So sieht man beispielsweise in Abbildung 3, dass nur wenige Mitglieder der drei Vertriebsorganisationen (Region I, II, III) über-haupt Beziehungen zum Thema „Solusi Rumah“ aufwiesen.

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    572 zfbf64august2012562-582

    Abbildung 3: Kommunikationsbeziehungen im Netzwerk „Solusi Rumah“

    CustomerCare

    MarketIntelligence

    DepartmentHead

    Region II

    Region III Region I

    FranchiseMarketing &

    Branding

    Tec. Services

    TransformalSales

    M&S

    SuitableConstruction

    Je dicker ein Punkt, desto

    höher die Gradzentralität

    des Akteurs

    Schließlich stellte das Management fest, dass die gesamte Kommunikation im Netz-werk über wenige Einzelpersonen lief. Beispielsweise verfügte der Leiter der Abteilung „Franchise“ über eine hohe Gradzentralität (großer Knoten in Abbildung 3), während die Mehrzahl seiner Mitarbeiter nur relativ wenige Kontakte hatte.

    Zusammen mit der Analyse der anderen Netzwerke gelangte man so zu 60 verschiedenen Stärken und Schwächen. Aus diesen wurden schließlich im Rahmen einer strukturierten Diskussion acht Schwächen für eine gezielte Maßnahmenentwicklung ausgewählt.

    Phase 5: MaßnahmenentwicklungIm Rahmen der oben dargestellten generischen Steuerungsdimensionen (vgl. Abschnitt 3.3) entwickelte das Management verschiedene Maßnahmen zur Behebung der identifizierten Probleme. Beispielsweise wurde für die Schwäche „Niedrige Kommunikation bezüglich Solusi Rumah“ die Umsetzung unter anderem folgender Maßnahmen beschlossen:

    Formale Strukturen und Prozesse: Verstärkte Durchführung von Koordinationssit-zungen zu „Solusi Rumah“. Diese sollten als formale Plattform zur Herausbildung neuer Kommunikationsbeziehungen zwischen den Mitarbeitern dienen.

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    KontaKtstudium

    zfbf64august2012562-582 573

    Human-Ressources-Maßnahmen: Durchführung regelmäßiger Vertriebsaktivitäten und Schulungen für die Vertriebsmitarbeiter, um auf diese Weise die für eine Teilnahme im Kommunikationsnetzwerk „Solusi Rumah“ notwendigen Fachkenntnisse zu vermit-teln. Zudem Entwicklung von Key Performance Indicators (KPIs) für „Solusi Rumah“, um auf diese Weise Anreize für die Interaktion und Kommunikation hinsichtlich dieses Themas zu schaffen.Kontaktfördernde Aktivitäten: Einführung eines Buddy- bzw. Mentoren-Systems zwischen Außendienst und Zentrale, um die räumliche Distanz zu überbrücken und die Außendienstmitarbeiter stärker mit Mitarbeitern der Zentrale zu vernetzen.

    Phase 6: ImplementierungIn den folgenden Monaten setzten die Führungskräfte der „Marketing & Innovation“-Abteilung die Maßnahmen um. Dabei war es förderlich, dass sämtliche Führungskräfte an der Analyse von Schwächen und der Entwicklung von Maßnahmen beteiligt gewesen waren und diese unterstützten.

    Phase 7: KontrolleZur Evaluation der Effektivität der beschlossenen und umgesetzten Maßnahmen führten wir nach zwölf Monaten erneut eine Analyse der Netzwerkbeziehungen durch. Um den Erhebungsaufwand gering zu halten, wurde beschlossen, sich hierbei auf diejenigen vier Netzwerke zu fokussieren, für die der größte Verbesserungsbedarf identifiziert worden war. Die neu erhobenen Netzwerkdaten wurden hierzu den ursprünglichen Daten gegen-über gestellt. So wurde unter anderem die Anzahl an Beziehungen pro Mitarbeiter vor (erste Erhebung) und nach (zweite Erhebung) der Maßnahmenimplementierung verg-lichen (vgl. Abbildung 4).

    Abbildung 4: Durchschnittliche Anzahl Beziehungen pro Netzwerk

    2.81.1 1.2

    7.56.5

    2.51.7

    8.8

    0

    2

    4

    6

    8

    10

    12

    1. Customer complaints 2. SR development plan 3. SR benefits 4. Overall communication

    +127%

    +132%

    +42%

    +17%

    Erste Erhebung Zweite Erhebung (12 Monate später)

    Dabei zeigte sich, dass für fast alle Netzwerke die Anzahl an Beziehungen pro Akteur deut-lich gesteigert werden konnte. So erhöhte sich die durchschnittliche Anzahl Beziehungen für das Netzwerk „Customer Complaints“ von �,8 auf 6,� und für „Solusi Rumah develop-

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    ment plan“ von �,� auf �,� (vgl. Abbildung 4). Bereits der Vergleich der Visualisierung des Netzwerkes „Solusi Rumah“ vor (vgl. Abbildung 3) und nach (vgl. Abbildung 5) der Maßnahmenimplementierung macht deutlich, dass verschiedene Abteilungen (beispiels-weise Marketing & Branding, Region II etc.) nun wesentlich stärker in die Kommunika-tion involviert waren.

    Abbildung 5: Netzwerk „Solusi Rumah“ (nach zwölf Monaten)

    CustomerCare

    MarketIntelligence

    DepartmentHead

    Region II

    Region III Region I

    Marketing &Branding

    Tec. Services

    TransformationalSales

    M&S

    SuitableConstruction

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    KontaKtstudium

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    In Ergänzung hierzu befragten wir alle �80 Mitarbeiter des Bereiches zu den von ihnen wahrgenommenen Veränderungen. Die überwiegende Mehrzahl der Mitarbeiter (64%) stimmte der Aussage zu, dass sich die Kommunikation zwischen den Abteilungen seit der Implementierung der Maßnahmen verbessert habe („agree“ und „strongly agree“ in Abbildung 6).

    Abbildung 6: Einschätzung der Befragten zur Kommunikationsverbesserung

    1% 4%8%

    18%

    49%

    15%

    5%

    0%

    10%

    20%

    30%

    40%

    50%

    2.Disagree

    4.Undecided,but tend to

    agree

    5.Agree

    1. Stronglydisagree

    3.Undecided,but tend to

    disagree

    6.Strongly

    Agree

    0. Do notKnow

    “From my opinion, the communication to other departments of the Marketing & Innovation Directorate has improved over the last 12 months.”

    Allerdings konnten nicht alle Verbesserungspotenziale realisiert werden. Beispielsweise war die Vertriebsabteilung Region III immer noch sehr schwach in das Netzwerk „Solusi Rumah“ integriert (vgl. Abbildung 5). Insgesamt sprachen die Daten aber für eine Annä-herung an das Ziel, die Kommunikationsbeziehungen in den vier Netzwerken zu inten-sivieren3�. Einschränkend ist hierbei jedoch anzumerken, dass bei dieser Analyse der erhöhte (Zeit-)Aufwand zur Aufrechterhaltung der zusätzlichen Netzwerkbeziehungen nicht berücksichtigt ist, wodurch der Nutzen der Maßnahmen letztlich etwas geschmä-lert wird.

    4.2 sozialenetzwerkeiminnovations-undEntwicklungsprozess(iPE)derGeberitaG

    Unternehmensbeschreibung und AusgangsproblemUnser zweites Anwendungsbeispiel bezieht sich auf ein Projekt, welches wir in Zusam-menarbeit mit der Geberit-Gruppe durchgeführt haben. Bei Geberit handelt es sich um ein überaus erfolgreiches Unternehmen der Sanitärtechnik. Im Jahr �008 beschäftigte das Unternehmen weltweit rund �.�00 Mitarbeitende, erwirtschaftete einen Umsatz von �,� Milliarden CHF und einen Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortisation

    3� Eine alternative Erklärung für die Verbesserung, beispielsweise verändertes Antwortverhalten der Befragten, kann letztlich allerdings nicht vollständig ausgeschlossen werden, erscheint aber eher unwahrscheinlich.

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    (EBITDA) von 649 Millionen CHF. Ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg von Geberit sind Innovationen und die Weiterentwicklung der eigenen Produkte und Systeme. Dazu verfügt Geberit über den Innovationsprozess Entwicklung (IPE), welcher ein verbindliches Vorgehen für alle F&E-Tätigkeiten festlegt.

    Im Laufe der Jahre hat Geberit den IPE fortlaufend weiterentwickelt. Im Anschluss an eine dieser Weiterentwicklungen wollte der zuständige Konzernleiter analysieren, inwieweit die Prozessneuerungen tatsächlich durch die beteiligten Mitarbeiter gelebt werden. Um die Rolle der beteiligten Teams sowie deren Interaktionen transparent zu machen, wurde auch hier die soziale Netzwerkanalyse eingesetzt.

    Phase 1 bis 2: Projektplanung und FragendefinitionIm Anschluss an die Projektplanung begann das Management, diejenigen sozialen Netzwerke zu definieren, die einerseits für den IPE relevant waren und bei denen man andererseits das größte Verbesserungspotenzial vermutete. Auf diese Weise wählte das Management fünf verschiedene Netzwerke für eine Erhebung aus. Dabei handelte es sich um die Kommunikationsnetzwerke zu den Themen „Ideen für neue Produkte“, „Lösungs-möglichkeiten“, „Technische, produktbezogene Informationen“, „Vermarktungsrelevante Informationen“ und „Marktfeedback über eingeführte Produkte“ (im Folgenden kurz „Marktfeedback“).

    Phasen 3 bis 4: Datenerfassung und Identifikation von Stärken / SchwächenDiese Netzwerke erfassten wir im Rahmen einer Online-Befragung mit �00 Mitarbeitern. Beispielsweise wurde für das Netzwerk „Marktfeedback“ gefragt: „Mit wem kommuni-zieren Sie durchschnittlich mindestens einmal innerhalb von drei Monaten über Markt-feedback im Hinblick auf eingeführte Produkte (beispielsweise Kundenzufriedenheit, Umsatzzahlen, Reklamationen, Produktqualität, Vertriebserfahrungen etc.)?“

    Die so erhobenen Daten analysierte das Management in einem Workshop. Als Diskussi-onsgrundlage für das Netzwerk „Marktfeedback“ diente unter anderem eine Netzwerkvisu-alisierung wie sie in Abbildung 7 wiedergegeben ist. Diese zeigt die Kommunikationsdichte zwischen den verschiedenen Abteilungen im IPE. So nutzten die Abteilungen Q (Quali-tätsmanagement) und Services hinsichtlich des Themas „Marktfeedback“ 6,�3% aller maximal möglichen Kommunikationsbeziehungen.

    Das Management sah es nun als Stärke an, dass das Qualitätsmanagement (Q) eine zentrale Rolle hinsichtlich „Marktfeedback“ einnahm. Anhaltspunkt dafür war unter anderem die relativ hohe Kommunikationsdichte, welche das Qualitätsmanagement zu allen anderen Abteilungen unterhielt (vgl. Abbildung 7). Als Schwäche identifizierten die Manager den Umstand, dass die Projektleiter (PL-Pool) zu wenig in das Feedback vom Markt eingebunden waren, was sich in der unterdurchschnittlichen Kommunikationsdichte der Projektleiter (PL-Pool) zu den meisten anderen Abteilungen manifestierte (vgl. Abbildung 7). Eine mögliche Ursache dieser Schwäche sah das Management darin, dass die Projektleiter zu schnell in neue Projekte involviert wurden und nicht genug Gelegenheit hatten, sich gezielt mit dem Feed-back vom Markt zu befassen. In ähnlicher Art und Weise identifizierte die Arbeitsgruppe des Projektteams Stärken und Schwächen auch für die anderen vier Netzwerke.

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    KontaKtstudium

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    Abbildung 7: Dichte zwischen Abteilungen für das Netzwerk „Marktfeedback“

    PMI = Produktmanagement International ZM = Zentrales Marketing

    FP = Fertigungsplaner PL-Pool = Projektleiter Pool AT = Anwendungstechniker

    Q = Qualitätsmanagement LPM = Länderproduktmanagement

    Phasen 5 bis 7: Maßnahmenentwicklung, Implementierung und KontrolleIm Rahmen der oben dargestellten generischen Steuerungsdimensionen entwickelte das Management eine Reihe von Maßnahmen zur Behebung der identifizierten Schwächen, beispielsweise:

    Human-Ressources-Maßnahmen: Das Management beschloss, die Schulung der Projekt-leiter in den F&E-Projekten des IPE zu vertiefen, um deren Stellung im Kommunika-tionsnetzwerk zu stärken.Formale Strukturen und Prozesse: Das Management entschied, den Projektleitern mehr Zeit zum Abschluss von Projekten einzuräumen, um ihnen eine verstärkte Partizipa-tion im Netzwerk „Marktfeedback“ zu ermöglichen.

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    Arbeitsplatzanordnung: Weiterhin beschloss das Management, ein Pilotprojekt zu initi-ieren, in welchem alle Projektmitarbeiter versuchsweise im selben Raum angesiedelt werden sollten. Durch die räumliche Nähe sollte die Kommunikation zwischen allen Beteiligten intensiviert werden.

    Die so beschlossenen Maßnahmen wurden durch das Management umgesetzt und im Rahmen einer Maßnahmenkontrolle überwacht.

    5 Nutzen und Grenzen der Netzwerkanalyse

    Abschließend wollen wir das dargestellte Verfahren zur Netzwerkanalyse nochmals einer kritischen Würdigung unterziehen. Dazu stellen wir zunächst die subjektive Nutzenein-schätzung der Manager dar, welche an den von uns durchgeführten Projekten beteiligt waren. Anschließend gehen wir auf Grenzen der Netzwerkanalyse ein und leiten hieraus ihren zukünftigen Entwicklungsbedarf ab.

    5.1 FeedbackderProjektteilnehmerzumnutzendernetzwerkanalyse

    Die Erfassung des subjektiv wahrgenommenen Nutzens der Netzwerkanalyse wurde mithilfe eines halbstrukturierten Fragebogens mit �8 offenen Fragen vorgenommen. Diesen verteilten wir im Anschluss an die Maßnahmenentwicklung (Phase �) an die Mitglieder der Projektteams. Dabei wurden fünf der von uns durchgeführten Projekte systematisch evaluiert. Die Projektteams bestanden aus jeweils vier bis acht Managern, womit der Fragebogen von insgesamt �� Managern ausgefüllt wurde. Die daraus resul-tierenden Ergebnisse sind somit zwar nicht repräsentativ, sie geben jedoch einen ersten Hinweis auf den möglichen Nutzen des vorgestellten Verfahrens. Die zentralen Ergebnisse lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

    (�) �� von �� Managern (8�%) gaben an, dass sie mit den Projektergebnissen zufrieden oder sehr zufrieden seien.

    (�) �� von �� Managern der Projektteams (8�%) antworteten, dass nach ihrer Beurtei-lung das jeweilige Projekt tatsächlich zu Veränderungen führen wird. Dabei basiert die Einschätzung verschiedener Manager auf der Tatsache, dass am Schluss jedes Projektes konkrete Maßnahmen entwickelt wurden.

    (3) Als wahrgenommenen Nutzen nannten die Manager:den Diskussionsprozess über das Thema an sich („Workshopcharakter“; „Austausch mit Kollegen“; „offene Diskussion“; „zwanglose Diskussion über diverse Themen“)eine adäquate Beschreibung der Ist-Situation, die Identifikation von Schwächen und die Entwicklung von Maßnahmen („wertvolle Beschreibung der Ist-Situa-tion“; „gute Widerspiegelung der aktuellen Situation“; „the most positive aspect is that concrete results could be developed and measures implemented“; „gezielte Maßnahmen zur weiteren Optimierung des Prozesses“)

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    KontaKtstudium

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    die Möglichkeit einer Buttom-up-Analyse und Maßnahmenentwicklung im Gegen-satz zu einem Top-Down-Vorgehen („the acknowledgement towards improvements could therefore be achieved in a bottom up approach versus commonly practiced top down instruction“)die strukturierte Analyse und Quantifizierung eines qualitativen Aspektes des Unternehmens („quantitative results from qualitative subject“)die motivierende Wirkung des Projektes und die Herausbildung eines geteilten Verständnisses des Managementteams („I think the open discussion and the chance to contribute ideas for the further development of the firm was motivating to the team“)

    (4) �� von �6 Managern gaben an, dass sie das Verfahren erneut einsetzen würden. Ein Manager machte einen weiteren Einsatz der Methode von der konkreten Problemstel-lung abhängig.Im Rahmen der durchgeführten Projekte wurden jedoch auch Kritikpunkte hinsicht-lich des eingesetzten Verfahrens genannt:

    Verschiedene Workshopmitglieder kritisierten, dass es keine externe Benchmark gab, anhand derer sie ihre Organisation evaluieren hätten können.Einzelne Manager hegten Zweifel, ob die beschlossenen Maßnahmen umgesetzt werden würden. Gerade in den ersten Projekten wurde von einigen Managern eine klarere Darstel-lung und Visualisierung der Ergebnisse eingefordert.

    Die oben auszugsweise dargestellte Evaluation der von uns durchgeführten Projekte stützt die These, dass die Netzwerkanalyse grundsätzlich ein nützliches Verfahren für die Unternehmenspraxis darstellt. Hierfür spricht zum einen ihre Akzeptanz in allen von uns durchgeführten Projekten und zum anderen allgemein die in den letzten Jahren zuneh-mende Anzahl an Organisationen, die die soziale Netzwerkanalyse zur Lösung praktischer Problemen einsetzen3�. Für eine umfassende Evaluation wäre allerdings die Durchführung von longitudinalen Studien über mehrere Organisationen hinweg erforderlich. In solchen ließen sich die ergriffenen Maßnahmen dann auch in Relation zum regulären Arbeitspro-zess und den damit verbundenen Kennzahlen, wie beispielsweise Prozesskosten, Durch-laufzeiten, eingesetzten Arbeitsstunden oder Umsatz- und Gewinngrößen setzen. Dies setzt jedoch eine weitere Verbreitung der Netzwerkanalyse in der Unternehmenspraxis voraus.

    5.2 GrenzenundzukünftigerEntwicklungsbedarf

    Trotz ihres oben skizzierten Potentials stößt die Netzwerkanalyse momentan an verschie-dene Grenzen, aus welchen sich ihr zukünftiger Entwicklungsbedarf ableiten lässt. Zunächst mangelt es an ausgereiften Verfahren, um die Kosten sozialer Netzwerke zu erfassen, zu quantifizieren, sozialen Beziehungen zuzuordnen und in ein Verhältnis zum Nutzen sozialer Netzwerke zu setzen. Daher sehen wir weiteren Forschungsbedarf vor allem in der Verknüpfung sozialer Netzwerkdaten mit objektiven Kostendaten im Unter-

    3� Vgl. zur Untersuchung dieses Trends Zenk/Behrend (�009), S. ��4f.

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    nehmen. Weiterhin ist die Netzwerkanalyse in erster Linie ein statisches Verfahren, welches die Dynamik sozialer Netzwerke bisher nur unzureichend darzustellen vermag. Ähnlich wie eine Fotografie ist die Abbildung eines sozialen Netzwerkes immer nur eine Moment-aufnahme. Weiterer Entwicklungsbedarf besteht somit vor allem darin, die Entwicklung sozialer Netzwerke im Zeitablauf zu erfassen, abzubilden und analysierbar zu machen. Hierzu gibt es zwar bereits statistische Verfahren33, welche jedoch zu komplex für den Einsatz in der Unternehmenspraxis sind. Es bedarf letztlich der Entwicklung einfacherer Methoden und entsprechender Softwareapplikationen.

    Schließlich bringt die Netzwerkanalyse als quantitatives Verfahren den Nachteil mit sich, dass sie grundsätzlich keine Aussagen zur inhaltlichen Qualität sozialer Beziehungen trifft. Bisher ist in der Netzwerkforschung der Einsatz qualitativer Erhebungs- und Auswertungs-verfahren eher die Ausnahme34. Qualitative Methoden bieten aber gerade bei der Lösung von Einzelfallproblemen in der Unternehmenspraxis ein großes Potenzial, da sie geeignet sind, die subjektive Problemwahrnehmung von Akteuren zu erfassen3�. So enthält das in diesem Artikel dargestellte Verfahren bereits zahlreiche qualitative Elemente (Work-shops, Interviews), durch welche die Interpretationen und Sichtweisen der Manager in der Analyse berücksichtigt werden. Qualitative und quantitative Daten sind jedoch idealer-weise so zu kombinieren, dass auch Aussagen zur inhaltlichen Qualität von Beziehungen getroffen werden und im Sinne einer Triangulation das Problem für das Management aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet wird. Zwar kennt bereits die traditionelle quan-titative Netzwerkforschung Verfahren zur inhaltlichen Gewichtung von Beziehungen36. Beispielsweise verwendet Higgins (�00�) ein Verfahren, in dem die Interaktionspartner nach Wichtigkeit priorisiert werden3�. Für den Einsatz in der Unternehmenspraxis besteht hier aber die Herausforderung, dass einerseits die Wirtschaftlichkeit von Projekten aufgrund des zusätzlichen Erhebungsaufwands weiterhin gegeben sein muss. Andererseits muss die Komplexität bei der Datenaufbereitung auf einem für Praktiker handhabbaren Maß gehalten werden.

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    33 Vgl. beispielsweise Snijders (�00�).34 Vgl. für eine Übersicht qualitativer Studien in der Netzwerkforschung Hollstein (�006), S. ��; Franke/Wald

    (�006), S. �60f.3� Vgl. zu weiteren Vorteilen qualitativer Methoden im Hinblick auf die Netzwerkanalyse Baumgarten/Lahusen

    (�006), S. �83f.36 Vgl. für eine Übersicht Wassermann/Faust (�994), S. �40-�44.3� Vgl. Higgins (�00�), S. 604.

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    Summary

    It is widely known that interaction, communication and social relations play an important role in organizations. Social network analysis offers a sophisticated method for analyzing such phenomena. However, despite its prominence in science and its wide application potential it has received hardly any attention from management practice. Managers still find it difficult to link this quantitative method to the qualitative and often idiosyncratic aspects of the problems they are faced with in their daily work. In a major, case-based research project, we have developed a new methodological procedure for applying social network analysis to concrete management problems. We highlight the strengths and weak-nesses of the procedure and illustrate its potential with two empirical case studies.