Das Leinkraut – Maskierte Blüten enthüllen seine Identität

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284 | Pharm. Unserer Zeit | 3/2009 (38) www.pharmuz.de © 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Art. Dass das Leinkraut dennoch häu-fig – wenn auch meist in kleinerenBeständen – zu finden ist, verdanktes der starken vegetativen Vermeh-rung über Ausläufer und der Bildungvon Wurzelsprossen, so dass einmaleroberte Standorte auch langfristigbesiedelt werden können.

Obgleich das Gewöhnliche Lein-kraut nie offiziell im Kanon der klas-sischen Heilpflanzen vertreten war,wurde es in der Natur- und Volksheil-kunde doch in vielfältiger Weise ver-wendet. So gibt z.B. Leonhart Fuchsin seinem Kräuterbuch von 1543 mitder Schilderung der Wirkung zu-gleich die Erklärung für einen weite-ren deutschen Namen der Pflanze,wenn er schreibt, das Leinkraut„treibt auch den harn gewaltigklich/darumb es wirt Harnkraut genent“.Aufgrund der Ähnlichkeit seiner Blät-ter mit denen des Flachs (= Lein!),heißt es auch Flachskraut, wobei derlateinische Name ebenfalls von dieserwichtigen Kulturpflanze (lateinischerName des Leins ist Linum!) herrührt.Leinkrautsalbe wurde gegen Venen-entzündungen, Hämorrhoiden undHautunreinheiten angewendet.

Innerhalb der etwa 5000 Vertreterder Braunwurzgewächse (FamilieScrophulariaceae) gibt es einen ein-deutigen Evolutionstrend zur Zygo-morphie im Blütenbereich, wie sichbeim Leinkraut (Gattung Linaria)und verwandten Sippen gut nachwei-sen lässt: Die Blütenkrone der fünf-zähligen Blüten besteht aus einerzweiblättrigen Oberlippe und eineraus drei Kronblättern hervorgehen-den Unterlippe. Der aus einer Aus-stülpung der Unterlippe gebildete„Gaumen“ verschließt die Blüte, sodass die Blütenorgane in ihrem Inne-ren verborgen bleiben. Diese „Mas-kenblüten“ dienen aber auch zur si-cheren Ansprache der Art, die bezüg-lich Standort, Wuchsform und Formund Aussehen der Blätter der weitverbreiteten Zypressen-Wolfsmilch(Euphorbia cyparissias) ausgespro-chen ähnlich ist.

Der häufig auffallend gefärbteGaumen dient als Saftmal, das dieBlütenbesucher zum Nektar hinfüh-

ren soll, der von einem v-förmigenNektarium an der Basis des Frucht-knotens gebildet wird und sich in einem langen, von der Unterlippe ge-bildeten und geraden oder geboge-nen und nach hinten weisendenSporn sammelt. Da Ober- und Unter-lippe über ein federndes Gelenk festmiteinander verbunden sind, bedarfes für einen Blütenbesuch nicht nursehr kräftiger Bienen und Hummeln,diese müssen auch über einen langenRüssel verfügen, weshalb auchSchmetterlinge als Bestäuber fungie-ren können.

Das Leinkraut ist mit rund 120Arten in Europa vertreten, wobei derVerbreitungsschwerpunkt im Mittel-meergebiet liegt. Es sind zumeist ein-jährige oder ausdauernde Kräuter mitschmal-lanzettlichen, ungeteiltenBlättern und dichten Blütenständen.In Deutschland sind sechs Arten hei-misch, wobei das Gewöhnliche Lein-kraut (Linaria vulgaris) die häufigs-te und am weitesten verbreitete Sip-pe ist. Die etwas wärmeliebende Artkommt in Europa und Westasien vorund besiedelt sonnige Ruderalstellen,steinige Ackerränder, Brachland undBöschungen sowie sehr häufig auchden Gleisbereich von Bahnanlagen.

Linaria vulgaris ist ein etwa 60 cm hoher Geophyt, dessen zahl-reiche und durch Flavone kräftig gelbgefärbte Blüten in dichten Blütentrie-ben an der Hauptachse stehen. Diedurch Tiere oder Wind aus den Po-renkapseln freigesetzten schwarzenSamen sind zwar sehr leicht und ver-fügen über einen breiten Hautrand,dennoch werden 95 % der Samennur in unmittelbarer Nähe der Mut-terpflanze ausgebreitet. Insgesamt ge-lingt so nur wenigen Diasporen eineAusbreitung über größere Distanzen.Zusätzlich mindern eine ausgeprägteKeimruhe der Samen, niedrige Keim-raten und eine hohe Keimlingssterb-lichkeit den Reproduktionserfolg der

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A B B . 2 Das Sommerblumen-Lein-kraut (Linaria bipartita-Hybriden) isteine beliebte Zierpflanze. Sie ist ausKreuzungen südwesteuropäischer undnordafrikanischer Arten hervorgegan-gen.

A B B . 1 Das Gewöhnliche Leinkraut(Linaria vulgaris) ist häufig im Bereichvon Bahnanlagen zu finden.

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Außerdem war es als Insektizid undzum Blondieren von Haaren in Ge-brauch. Für die schweißtreibendeund abführende Wirkung sind vor al-lem die Flavone ursächlich, die inForm von Flavonglycosiden auch fürdie Blütenfarbe verantwortlich sind.Daneben kommen Cholin und das Alkaloid Peganin als Inhaltsstoffe inLinariae herba vor. Auf eine interes-sante kulturgeschichtliche Verwen-dung der Pflanze deutet der Name

Frauenflachs hin. Denn noch heuteist das Leinkraut Bestandteil vonKräuterbüschen, die zu Mariae Him-melfahrt zu Ehren von Maria („unserlieben Frau“) geweiht werden.

Neben dem Gewöhnlichen Lein-kraut gibt es einige weitere heimi-sche Arten, wie das Alpen-Leinkraut(Linaria alpina), das Steinschuttge-sellschaften der alpinen Stufe süd-und mitteleuropäischer Gebirge be-siedelt oder das früher häufigere,

durch die Intensivlandwirtschaftpraktisch ausgerottete Acker-Lein-kraut (Linaria arvensis). Danebenwerden einige vorwiegend mediterra-ne Linaria-Arten als Zierpflanzen fürSteingärten kultiviert – wie z.B. dasin Mittel- und Süditalien endemischePurpur-Leinkraut (Linaria purpurea)– von wo aus sie auch leicht verwil-dern können.

Thomas Junghans, Borchen

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