Post on 07-Nov-2020
Der GröschazEin Roman über Henry Jaeger,
den Größten Schriftstelleraller Zeiten
Die Wandlung des Henry Jaeger„Dabei ist sein größter Roman, der über sein Leben, noch nicht geschrieben …“(Dietrich Wagner, „Ein Gangster schreibt sich frei“.)
Die emaillierte Fotografie auf dem grauen Findling am Grab
zeigt das Konterfei eines Herrn im gesetzten Alter, dem der
Betrachter sofort den Beruf des Schriftstellers abnimmt.
Das ist Henry Jaeger, Bestsellerautor und Verfasser von
Romanen, die es bis auf die Leinwand brachten.
Karl-Heinz Jäger, so sein bürgerlicher Name, war ein anderer.
Ihm war es nicht in die Wiege gelegt, einmal Autor von mehr
als zwanzig Büchern zu werden.
Karl-Heinz Jäger wurde 1927 in Frankfurt am Main geboren.
Er verlebte eine vom Streit der Eltern geprägte Kindheit in
Bornheim. Mitten im Krieg verlässt der Vater die Familie.
Mit sechzehn war seine Schulzeit zu Ende. Wie viele aus
seiner Generation musste er an die Front.
Zunächst ist Jäger Flakhelfer in der Heimat,
später, kurz vor Kriegsende, wird er als
Kanonenfutter gegen die anrückenden
Alliierten nach Westen geschickt. Karl-Heinz
Jäger hat Glück und überlebt. Traumatisiert
kehrt er in das zerstörte Frankfurt zurück.
Es gelingt ihm, eine Anstellung bei der US Army zu finden.
Als Dolmetscher und Laborassistent bringt er sich und seine Mutter
durch die Nachkriegszeit. Seine heimliche Betätigung als „Hilfsarzt“
beschert ihm ein Vermögen in Form von Zigaretten, der eigentlichen
Währung in der Schattenwirtschaft. Es geht verloren, wie auch
seine erste Verlobung zerbricht.
Das ihm im Krieg verliehene Notabitur ist nichts wert. Er drückt
nochmals die Schulbank. Ein angestrebtes Medizinstudium wird
ihm verweigert. Jäger fühlt sich erneut um seine Zukunft betrogen.
Mehr und mehr gerät er auf die schiefe Bahn. Noch sind es kleine
Vergehen. Es folgen erste Festnahmen und kurzfristige Inhaftierungen.
Karl-Heinz Jäger als Soldat, ca. 1944
Henry Jaeger, Bestsellerautor, ca. 1970
Karl-Heinz Jäger als Laborant bei der US Army, ca. 1947
Karl-Heinz Jäger lernt schnell, die Lücken in der Nach-
kriegsordnung zu nutzen. Mit knapp fünfundzwanzig
Jahren ist er der Kopf einer Räuberbande, die „Der
Spiegel“ einmal „die klügste und raffinierteste der
jungen Bundesrepublik“ nennen wird. Karl-Heinz Jäger
ist ein Prinz der Unterwelt. Er ist gewieft, vorausschauend
und hartnäckig. Will er etwas haben, ob Beute oder
Frauen, kann ihn nichts davon abbringen. „Die Eiche“
wird er in seinen Kreisen genannt.
Einige Jahre geht es gut. Die Raubzüge der Bande werden von Mal zu Mal dreister. Sie spielen Katz und
Maus mit der Polizei. Mit gestohlenen, schnellen Autos fährt ihnen die „Jäger-Bande“ einfach davon.
Fingierte Alibis und gekaufte Zeugen lassen die Staatsanwaltschaft, trotz bereits bestehendem Verdacht,
immer wieder ins Leere laufen.
Mitte der 1950er-Jahre ist Schluss. Der Überfall auf die Rentenkasse am Oederweg in Frankfurt ist
Höhepunkt und Ende zugleich. Zwölf Jahre Zuchthaus, ein Vielfaches dessen, was ein Nazi-Täter aus
dem Dritten Reich damals zu erwarten hatte, werden Karl-Heinz Jäger aufgebrummt. Ein weiteres Mal
fühlt er sich von der Gesellschaft betrogen.
Zuchthaus hieß Rede- und Schreib-
verbot, Schweigehof, Einzelhaft
und nicht selten körperliche
Gewalt. Hinter dicken Mauern, in
einer kleinen, kargen Zelle, wird
aus Karl-Heinz Jäger Henry Jaeger. Um dem drohenden Irrsinn zu entgehen, beschafft er sich einen Blei-
stiftstummel. Auf das dünne, braune Toilettenpapier seiner Zelle schreibt er erste Entwürfe und Szenen eines
Romans. Die eng beschriebenen Blätter steckt er dem Anstaltspfarrer zu, der sie hinausschmuggelt.
So entsteht heimlich, ohne Wissen der Gefängnisleitung, das erste Buch Henry Jaegers: „Die Festung“.
Die Jäger-Bande: Karl-Heinz Jäger, Willi und Horst Korbmacher,ca. 1952
Der Kopf der Bande: Karl-Heinz Jäger, Erkennungsfoto derKriminalpolizei, 1954
„Die Festung“ erscheint 1962 und wird ein Riesenerfolg.
Kurze Zeit später wird der Roman mit Martin Held
und Hildegard Knef in den Hauptrollen verfilmt.
Henry Jaeger darf nun offiziell schreiben. Im Gefängnis
beginnt er weitere Romane. 1964 wird Jäger begnadigt
und unter Auflagen aus der Haft entlassen.
Erich Maria Remarque, den Jaeger während der
Frankfurter Buchmesse kennenlernte, lockt ihn nach
Ascona. Dies sei der richtige Ort für einen angehenden
Künstler, besonders mit seiner Vergangenheit. Es sei das
ideale Umfeld für eine geschundene Seele. Henry Jaeger
lebt zunächst sporadisch, ab 1968 fest in Ascona.
Er zieht mit seiner Frau Elke – die beiden hatten ein Jahr
zuvor in Frankfurt geheiratet – in die Casa Elisabetta, in der
Sentiero Crocetta. Für Jaeger ist es die verspätete Emigration
aus einem Land, das ihn seiner Jugend und einem Großteil
seines bisherigen Lebens beraubte.
Die Wandlung zum Schriftsteller, zum Künstler, ist nun endgültig
vollzogen. Ein zwischenzeitlicher Absprung in den Journalismus
bei der „Frankfurter Rundschau“ und beim „Stern“ erwiesen
sich als Irrweg. Der Erfolg als Autor bleibt Henry Jaeger in den
ersten Jahren treu.
Seine Bücher, die sich mit den Randfiguren
der Wirtschaftswunderzeit beschäftigen,
werden von Kritik und Publikum gleicher-
maßen gefeiert. Seine Frau und nahe
Freunde verleihen ihm den Namen „Gröschaz“,
der größte Schriftsteller aller Zeiten.
Sein scheinbar luxuriöses Leben am Lago
Maggiore bringt erste Risse in diese Beliebt-
heit. Plötzlich ist er ein Playboy, ein Mitglied
der Hautevolee, der Schickeria.
Es erscheinen Reportagen, die den ehemaligen
Gangster als wohlhabenden Lebemann
zeigen.
Wie um das Gegenteil zu beweisen, schreibt
Jaeger ein Buch über die feine Gesellschaft
von Ascona. „Der Club“, so der Titel, ist Fiktion
und Parodie eines ausschweifenden Lebens
innerhalb der Künstlerkolonie.
Buchpräsentation „Die Festung“ auf der Frankfurter Buchmesse,1962
Henry Jaeger in Ascona, ca. 1968
Henry Jaeger mit seiner Frau Elke und Sohn Marcus, ca. 1970
Die Kritik akzeptiert ein solches Thema von
ihm nicht. Sein Metier sind Außenseiter
und die schummrige Halbwelt. Erstmals
fällt ein Buch von ihm durch.
Enttäuscht beginnt er, Fortsetzungsromane
für Zeitschriften zu schreiben, seichter
Lesestoff für ein gelangweiltes Publikum.
Die Kritik bricht vollends mit ihm. Der einst
so hochgelobte Autor, das Naturtalent,
der so glaubhaft und authentisch erzählen
konnte, wird nun gänzlich ignoriert.
Was keiner weiß, was niemand wissen durfte: Jaeger erlitt
einen Schlaganfall, der ihm komplett die Sprache raubte.
Über Monate ist er nicht in der Lage, sich zu verständigen,
geschweige denn zu schreiben. Die Ärzte sagen, dass er nie
wieder ein Buch verfassen könne.
Doch sie kennen ihn nicht. Es ist noch genug vom ehemaligen
Karl-Heinz Jäger, der Eiche, in ihm. Mit unendlicher Mühe,
mit großer Qual, schonungslos gegen sich und seine Frau,
erlangt er sein Handwerkszeug zurück. Er diktiert erste klei-
nere Geschichten, dann Erzählungen, schließlich wieder einen
ganzen Roman. Die Kritik schweigt, übergeht ihn,
erkennt seine Leistung nicht an.
Henry Jaeger ist tief gekränkt. Er trinkt noch mehr als zuvor,
wird aggressiv und handgreiflich. Die Ehe zerbricht endgültig.
Seine Lebensumstände verschlechtern sich von Jahr zu Jahr.
In einer Art später Rückbesinnung schreibt er über die düsteren
Lebensperspektiven der Kohlearbeiter im Ruhrgebiet. Ein letztes
Mal schimmert ein Abglanz des einstigen Erfolges auf. Das Buch
wird verfilmt. Doch es ist zu spät. Die Einnahmen daraus waren
längst ausgegeben.
Über Jahre hatte Jaeger einen Schuldenberg angehäuft. Längst
musste er das Haus mit Blick auf den See und die Promenade
verlassen. Am Ende lebt er schwer krank und völlig mittellos
in einem Hospiz in Locarno. Er stirbt am 7. Februar 2000. Die
Gemeinde Ascona erweist ihm die letzte Ehre und stiftet ihm
ein Grab auf dem Friedhof und einen Eintrag auf der dortigen
Gedenktafel.
Henry Jaeger am Lago Maggiore, ca. 1980
Henry Jaeger ca. 1990
Grab von Henry Jaeger in Ascona
Hans Hübner, ein Freund
aus Kindertagen, besucht
Henry Jaegers Grab in Ascona. Er möchte Abschied
nehmen. Rückblickend erzählt er von den vielen
gemeinsamen Jahren und Erlebnissen. Kindheit,
Jugend und Krieg verbrachten sie Seite an Seite.
In der jungen Bundesrepublik trennen sich zunächst
ihre Wege. Hübner fasst Fuß, studiert und wird
Rechtsanwalt. Jaeger gleitet über Schwarzmarkt-
geschäfte und kleine Gaunereien mehr und mehr
ins kriminelle Milieu ab. Hübner heiratet und gründet
eine Familie. Jaeger ist Lebemann, Frauenheld und
Kopf einer Einbrecherbande. Erste Ermittlungen
gegen Jaeger bringen die Freunde wieder zusam-
men. Hübner wird Jaegers Anwalt und engster
Freund.
Hübner ist Jaegers Verteidiger im großen Prozess
gegen die Bande. Später vertritt er ihn gegenüber
Verlagen, Gläubigern und Produzenten. Als Freund
ist Hübner eng mit dem Privatleben Jaegers vertraut.
Er ist oft zu Besuch in Ascona und lernt die anderen
Mitglieder der Künstlerkolonie kennen. Ihr gegen-
sätzlicher Charakter hält die beiden Freunde ein
Leben lang zusammen, führt aber auch zu Brüchen
und Streitigkeiten. Vor dem frühen Tod kann Hübner
Jaeger nicht bewahren.
Jakob Stein hat mehrere Jahre
zu Henry Jaeger recherchiert.
Er durchsuchte Archive und Bibliotheken, sammelte
Bücher, Hinweise und Dokumente, befragte Zeitzeugen.
Auf dem Gerüst dieser Fakten ist „Der Gröschaz“
entstanden.
Jakob Stein ist ein mitreißender und einfühlsamer
Roman über das Leben Henry Jaegers gelungen.
Aus unmittelbarer Nähe verfolgt der Leser diese
nahezu unglaubliche Biografie. Stein entreißt nicht
nur den Autor Henry Jaeger dem Vergessen.
Er lässt das verschwundene Bahnhofsviertel ebenso
auferstehen wie das einst abgeschiedene Künstler-
dorf Ascona. Sein Buch ist Kriminalroman, Literatur-
geschichte und Biografie in einem.
V E R L A G
B3 Verlags und Vertriebs GmbH, Markgrafenstraße 12, 60487 Frankfurt am MainTel: +49 69 707 76 49, E-Mail: info@bedrei.de, www.bedrei.de
Der Roman
Jakob Stein ist Autor, Herausgeber und
Verleger. „Der Gröschaz“ ist sein sechster
Roman. Zuvor erschienen: „Geschlossene
Gesellschaft“ und „Flucht in den Tod“.
Jakob Stein lebt in Frankfurt am Main.
Mehr Infos unter: www.Jakob-Stein.de
Jakob Stein, Der Gröschaz. Ein Roman
über Henry Jaeger, den Größten Schrift-
steller aller Zeiten.
Paperback, 21 x 13,5 cm, ca. 360 S., 19,90 E€,
erscheint 09 / 2019, 978-3-943758-64-1
Der Autor