Die Zukunft der Pensionen – im Spannungsfeld zwischen Demografie und Finanzkrise Mag. Christian...

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Die Zukunft der Pensionen – im Spannungsfeld zwischen Demografie

und Finanzkrise

Mag. Christian Felber, Wien www.christian-felber.at

3. Dezember 2009, WU Wien

• Sind die öffentlichen Pensionen finanzierbar?

• Ist die kapitalgedeckte Privatvorsorge >> sicherer?

>> billiger? >> sozialer?

Fragestellungen

Die demografische …

„Raten Sie, wie hoch ihre Pension

einmal sein wird. Eines ist sicher:

Ihre Alterspension liegt wahrscheinlich

nur knapp über dem Existenzminimum.“

Ihre Wüstenrot-Beraterin

Geschäft mit der Angst

Weg mit dem Staat!

„Der Staat ist das Problem.“

(R. Reagan)

„Es gibt keine Gesellschaft.“

(M. Thatcher)

> Liberalisierung!

> Privatisierung!

> Deregulierung!

• BISHER: kollektiv-solidarisch– Altern ist ein soziales Risiko– Generationenvertrag – Umlageverfahren in der gesetzlichen PV

Sozialstaat …

• BISHER: kollektiv-solidarisch– Altern ist ein soziales Risiko– Generationenvertrag – Umlageverfahren in der gesetzlichen PV

• NEU: individuell-eigenverantwortlich– Altern ist individuelles Risiko– „Es gibt keine Gesellschaft“ (M. Thatcher)– Private Vorsorge auf den Kapitalmärkten

Sozialstaat vs. Neoliberalismus

• Weltbank– Privatisierung in Lateinamerika und Osteuropa

• OECD– Österreichisches Pensionssystem „verschwenderisch“

• EU-Kommission– „Qualität öffentlicher Finanzen“– Sozialausgaben sind unproduktiv

Globale Privatisierung

„Österreich hat das teuerste Pensionssystem der Welt.“

Christian Sedlnitzky, Raiffeisen-Versicherung

Einseitige Sicht

Öffentliche Aufwendungen in % BIP

Österreich 14,5 Italien 14,2 Frankreich 12,1 Finnland 11,3 Deutschland 10,3 Dänemark 10,2 Portugal 9,8 Spanien 9,4 Belgien 9,3 Schweden 9 Niederlande 7,9 Großbritannien 5,1 Irland 4,6

Demographische Entwicklung

„Bald muss jeder Aktive

1 PensionistIn erhalten“

Unmöglich!!

Pensionslastquote 1970 – 2030

0

200

400

600

800

1000

1200

1970 2000 2030

619

487

Rürup-Szenario 1997:konstanteErwerbsquote

980

716Wifo-Szenario 2001: ErwerbsquoteDänemark / Norwegen

Pensionisten pro 1000 Beschäftigungsverhältnisse

Pensionsantrittsalter 1970 - 2006

61,9

58,759

56,9

55

56

57

58

59

60

61

62

63

1 2

1970 2006

♂ ♀

Beitragssatz alle PV 1970 - 2030

0

5

10

15

20

25

30

35

1970 2000 2030

22,3%

17%

%

Horrorszenario Rürup

ErwerbsquoteNorwegen / Dänemark

Beitragsumschichtung von der Arbeitslosen > Pensionsversicherung

31%

25%

22%

• Pensionsantrittsalter von 1970– Weitere Arbeitszeitverkürzung

• Breitere Beitragsgrundlage– Alle Einkommen, nicht nur Arbeitseinkommen– Arbeitgeberbeitrag auf Wertschöpfungsbasis

• Erhöhung des Bundeszuschusses

Weitere „Schräubchen“

0

5

10

15

20

25

30

35

40

1970

2004

Bundesbeitrag 1970 - 2004

• … sind die öffentlichen Pensionen problemlos finanzierbar

• … kann das Leistungsniveau noch erhöht werden (Lückenschluss)

Wenn der politische Wille da ist …

Die Beitragssätze steigen - doch wieviel bleibt (netto real) auf der Hand?

0

20

40

60

80

100

120

140

160

180

200

22,8%

31%

17%

47 Euro

77Euro

124Euro

(statt 139 bei 22,8%)

1970 2000 2030

„Raten Sie, wie hoch ihre Pension

einmal sein wird. Eines ist sicher:

Ihre Alterspension liegt wahrscheinlich

nur knapp über dem Existenzminimum.“

Ihre Wüstenrot-Beraterin

Geschäft mit der Angst

Wollen Sie wirklich auf die Großzügigkeit ihrer Kinder angewiesen sein?

Wiener Städtische Versicherung

Geschäft mit der Angst

Dow Jones 1929

0

50

100

150

200

250

300

350

400

450

Nikkei 1984 - 2001

0

5000

10000

15000

20000

25000

30000

35000

40000

45000

Aufstieg ...

... und Fall

... und Stottern 1999 - 2009

... und Stottern 1999 - 2009

• Großbritannien:– Privat 30% schlechter als Staat– mis-selling scandal: 1,5 Millionen Geschädigte

• USA: Enron

• Japan: 3 große Lebensversicherungen bankrott

• Schweiz: Vera Pavos

• Deutschland: Commerzbank: 2. Säule „gekündigt“ Gerling um bis zu 50% gekürzt

Folgen des Börsenkrachs

• Österreich:

– 2002 Kürzung jeder 7. BP um 3,5%

– 2003 Kürzung jeder 2. BP um 8%

– 2004 Kürzung jeder 3. BP um bis zu 2%

– 2007: Kürzung jeder 10. BP um 2%

– 2008: Minus aller Kassen - 13,1%

Folgen des Börsenkrachs

Finanzmärkte und Demographie

Vertraute Bombe

Auf eine über 65-jährige Person kommen […] 15-65jährige

02

46

810

1214

1900 1950 2000 2050

Quelle: Verd.di: "Mythos Demographie"

In Bangladesh kommen

auf einen Pensionisten/in

fast 30 Erwerbstätige!

Vorbild Bangladesh!

1:1

Finanzmärkte und Demografie II

Eine Generation muss 2x zahlen!

Umstiegsdilemma

Beitragssätze ohne private Vorsorge (Blüm)

11 11

2 2

0

2

4

6

8

10

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14

16

18

20

Arbeitgeber Arbeitnehmer

Beitragssätze mit privater Vorsorge (Riester)

11 11

4

0

2

4

6

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10

12

14

16

18

20

Arbeitgeber

Arbeitnehmer

• 1. Säule (Umlageverfahren)– Arbeitnehmerbeitrag– Arbeitgeberbeitrag– Bundeszuschuss

• 2. Säule (Betriebspension)– Arbeitnehmerbeitrag– Arbeitgeberbeitrag

• 3. Säule (private Vorsorge)– Arbeitnehmerbeitrag

Wer zahlt mit?

Beitragssätze mit privater Vorsorge (Riester)

11 11

4

0

2

4

6

8

10

12

14

16

18

20

Arbeitgeber

Arbeitnehmer

• Handelsblatt:

„Millionengeschäft für die Versicherungen“

• Der Geld-Standard:

„Segen für die Fondsindustrie“

• Der Standard: „Riesengeschäft für die Wiener Börse“

Wer gewinnt?

• Umlageverfahren: – Österreich: 1,8%– Deutschland: 2%

• Private Vorsorge – Lebensversicherung 12 – 15%– international 20% (J. Stiglitz)– Verrentungskosten bis 25%

Kosten der Systeme

„Wer herausfinden möchte, was seine

Lebensversicherung kostet, hat es nicht leicht.“

Walter Schuster, Standard Life

Transparenz?

• Atypisch Beschäftigte: reicht nicht

• Arbeitslose: Pech gehabt!

• Kranksein wird mit Privatisierung teurer:– derzeit rund 5% KV-Beitrag der Bruttopension

• Frauen zahlen doppelt drauf:– Kindererziehungszeiten werden nicht angerechnet– niedrigere Pension für gleiche Beiträge

Soziale Bilanz der Privatisierung

„Die Frauen haben so viele Vorteile: Sie sind schöner, attraktiver als die Männer und leben auch noch länger, da darfs auch mehr Prämie kosten.“

Günter Geyer, Wiener Städtische

Soziale Bilanz der Privatisierung

1980: US-/GB-Pensionssystem reformbedürftig

2000: US-/GB-Pensionssystem vorbildlich

Universität Bristol: 48% der Briten/Britinnen droht Altersarmut

Soziale Bilanz der Privatisierung

• Österreich: Bundeszuschuss 2,3% BIP (2006)

• Großbritannien: Steuerausfälle 3% BIP

• dazu: Prämien (Zukunftsvorsorge)

• Sozialfälle fallen an Staat zurück (Chile > 50%)

• Rettung bankrotter Versicherungen

• Finanzkrisen dämpfen Konjunktur

Budgetentlastung durch Privatisierung?

• Umlageverfahren lebt von – Vollbeschäftigung– hohen Lohn- und Gehaltszuwächsen– Niedrigen Finanzrenditen > Realinvestitionen

„Ergänzung“ widersinnig

• Umlageverfahren lebt von – Vollbeschäftigung– hohen Lohn- und Gehaltszuwächsen– Niedrigen Finanzrenditen > Realinvestitionen

• Kapitaldeckungsverfahren lebt von– hohen Zinsen = weniger Investitionen– Aktienkurssteigerungen = Arbeitsplatzabbau– steigenden Immobilienpreisen = Mietsorgen/O

„Ergänzung“ widersinnig

• Es wird teurer für die Versicherten

• Es wird teurer für den Staat

• Es wird unsicherer

• Es wird unsozialer

• Es wird intransparenter – keine Mitbestimmung!

• „Ergänzung“ ist widersinnig

Zusammenfassung

Eine andere Welt Eine andere Welt ist möglich!ist möglich!

• Erhalt Umlageverfahren + Generationenvertrag

• Leistungsgarantie – Beibehaltung des Lebensstandardprinzips– Entwicklung mit Volkseinkommen

• Besserstellung von Frauen (Anrechnung)

• Mindestsicherung

• Keine staatl. Förderung der 2. und 3. Säule

Forderungen von Attac

„Raten Sie, wie hoch ihre Pension einmal sein wird.

Eines ist sicher:

Ihre Alterspension liegt wahrscheinlich

nur knapp über dem Existenzminimum.“

Ihre Wüstenrot-Beraterin

Danke für Eure Aufmerksamkeit!

www.attac.at

www.christian-felber.at

Ende

• Vorschau 2006:

Prämien steigen um bis zu 15%

entspricht Beitragssatz 22,8 > 25%

Kosten der privaten Vorsorge

• Pensionsantrittsalter von 1970– Zwischen 60 und 65 Jahre– Verkürzung der Wochenarbeitszeit 80 > 40 > 20

• Breitere Beitragsgrundlage– Alle Einkommen, nicht nur Arbeitseinkommen– Arbeitgeberbeitrag auf Wertschöpfungsbasis– oder: Lohnsteigerungen parallel zur Produktivität

• Erhöhung des Bundeszuschusses– Verteilungspolitisch besser als Förderung ZV

Weitere „Schräubchen“

• Private Bildungssysteme führen zu einem hohen Anteil an Analphabeten

• Private Gesundheitssysteme führen zu einem hohen Anteil an Nichtversorgten (USA 45 Mio.)

• Private Wohnungsmärkte führen zu einem hohen Anteil an Obdachlosen

• Private Pensionssysteme führen zu einem hohen Anteil an Altersarmen

In allen öffentlichen Dienstleistungen

• Aktien 2003 – 2007 extrem gestiegen

• Staatliche Prämie von 9% der Einzahlungen

• Einzahlungen 2003 - 2007: 1,73 Mrd. €

• In den Fonds 2007: 1,78 Mrd. €

• Rendite = 1% p. a. < Inflation

Zukunftsvorsorge: Bilanz 2003 - 2007

• Österreich: – 2002 Kürzung jeder 7. BP um 3,5%– 2003 Kürzung jeder 2. BP um 8%– 2004 Kürzung jeder 3. BP um bis zu 2%– 2007: Kürzung jeder 10. BP um 2%– 2008: Minus aller Kassen - 13,1%

• Garantiezeitraum verlängert 5 > 7 Jahre (1,52%)

• Schweiz: Garantiezins von 4% auf 2,45%

Folgen des Börsenkrachs

Reales Wachstum in Österreich

-4

-2

0

2

4

6

8

10

12 1955

2004

1975

• Solidarisches Umlageverfahren ist finanzierbar

• Kapitaldeckung ist risikoreicher, teurer, unsozialer– Durchschnittspensionist kann sich Risiko nicht leisten!– KDV ist noch demographieanfälliger als das ULV– Systemwechsel macht das System teurer– Staatshaushalt wird nicht entlastet

• ULV und KDV „ergänzen“ einander nicht

Zusammenfassung

• Höhere Anrechnung von Kindererziehungszeiten– mehr Jahre– höhere Bemessungsgrundlage

• Aufhebung der Partnerbindung bei der Ausgleichszulage

• Vereinbarkeit von Beruf und Familie

• Gleicher Lohn für gleiche Arbeit

Besserstellung von Frauen

• Der freie Markt und Konkurrenz sind „natürlich“

• Gewinnstreben ist zum Vorteil aller - Geht´s der Wirtschaft gut, geht’s allen gut.- Verlierer sind selber schuld (Arbeitslose)

• Staatlicher Eingriffe sind schlecht = Störung der „natürlichen“ Ordnung

Neoliberalismus (Hayek)

Finanzmärkte und Demografie I

Auf eine über 65-jährige Person kommen […] 15-65jährige

0

2

4

6

8

10

12

14

1900

1911

1925

1934

1939

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1960

1970

1990

1980

2000

2010

2020

2030

2040

2050

Quelle: Verd.di: "Mythos Demographie"

Private Kassen gehen bankrott

• Großbritannien:– Privat 30% schlechter als Staat– mis-selling scandal: 1,5 Millionen Geschädigte– Axa: Zurück ins staatliche System

• USA: Enron

• Schweiz: Vera Pavos

• Deutschland:– Mannheimer Leben– Commerzbank: 2. Säule „gekündigt“– Gerling: bis zu - 50%

Handelsblatt

„Millionengeschäft für die Versicherungen“

nicht:

„Jetzt sind die Pensionen sicher“

Genau umgekehrt:

• Wenn wir uns etwas

nicht leisten können,

dann ist es Privatisierung!

Gewinner

• Banken + Versicherungen

• Börsen

• Arbeitgeber

• „schlanke Staat“– mehr Eigenvorsorge– weniger Umverteilung und soziale Sicherheit– nur noch öffentliche Grundversorgung

Zukunftsvorsorge

• Keine Rendite-Garantie! (Traindl)

• Staatliche Prämie nach 10 Jahren: 0,88%

• Kosten 3 - 4% des Kapitalstocks!!

• „Renditedenken falsch am Platz“– Walter Wagner, Volksbanken KAG

• Schenz: Aktienanteil 60% > 20%

• Grasser: „Hervorragendes Modell. Kein Reparaturbedarf“

Kosten der privaten Vorsorge

• Umlageverfahren: 1,8% – Deutschland: 2%

– Großbritannien: 1%

• Private Produkte in Österreich: ab 9%– Lebensversicherung 12 - 15%

– International: um 20%

• Verrentungskosten bis 25% des Kapitalstocks

• Invalidität, Verwitwung, Verwaisung extra

• Umstiegsdilemma: Eine Generation zahlt 2x

Finanzmärkte sind genauso demographieanfällige wie Umlageverfahren!

1,5% / 5%

Finanzmärkte und Demografie I

Demographieanfälligkeit der Finanzmärkte

> 2030 viel Alte, wenige Junge

> Alten wollen Aktien verkaufen

> großes Angebot, kleine Nachfrage

> Preisverfall

> Pensionen futsch

Risikominimierung durch Ausweichen in Schwellenländer?

1994/95 Mexiko > Lateinamerika 1997/98 Südostasien 1998 Russland 1998 Brasilien 2001 Türkei 2001 Argentinien

„Alleine der Betrag, der in Deutschland jährlich in Wertpapieren gespart wird, übersteigt den gesamten Nettozufluss an privaten Portfolio-Investitionen in die wichtigsten Emerging Markets zusammen.“

Policy Brief der Hypovereinsbank (2001) zur Demographieanfälligkeit von Aktienmärkten

Der Ausgang der Debatte

„Das können wir uns nicht mehr leisten!“

- achtreichste Land der Welt - Wirtschaft wächst seit 50 Jahren - Finanzvermögen noch schneller: 2002 um 4,5%

2003 um 4,8%

Welche Quote?

• Altenquote– Verhältnis der „Alten“ zu den „Jungen“

(über 65jährigen zu den 15- 64jährigen)

• Abhängigkeitsquote = Pensionslastquote– Verhältnis der BeitragszahlerInnen zu den

PensionistInnen

Auswirkungen auf die Konjunktur

Hohe Konsumneigung bei unteren Einkommen

– Konsumentzug, BIP-Rückgang um bis zu 4%

– 160.000 Arbeitsplätze in Deutschland (Rezession)

– gleichzeitig Pensionskürzungen

– verunmöglicht Budgetsanierung (gelang nur dort, wo Nachfrage angekurbelt wurde)

• Sind die öffentlichen Pensionen finanzierbar?

• Ist die kapitalgedeckte Privatvorsorge >> sicherer?

>> billiger? >> sozialer?

• Ergänzen Umlageverfahren (1. Säule) und Kapitaldeckungsverfahren (2. und 3.) einander?

Fragestellungen