Post on 06-Apr-2015
Dr. iur. Roger Brändli
Einführung ins Privatrecht
Assessment-StufeÜbung 1
Einleitungsartikel ZGBPersonenrechtEntstehung einer Obligation
Dr. iur. Roger BrändliLehrbeauftragter für Privatrecht an der Universität St. Gallen
Mailadresse: roger.braendli@unisg.chUnterlagen: www.jurius.chTelefon: (055) 451 20 00
Dr. iur. Roger Brändli
Zielsetzung der Übungen
1. Überblick über die prüfungsrelevanten Vorschriften des ZGB und OR auf Assessmentstufe verschaffen
2. Ein Gefühl für den Aufbau und die Systematik des OR vermitteln
3. Kenntnisse zur Anwendung einer allgemein gültigen Falllösungstechnik im Privatrecht vermitteln
Dr. iur. Roger Brändli
Ablauf einer Übungsstunde
Kurze Repetition und Einführung ins Thema
Lösung der Fälle
Beantwortung noch offener Fragen
ZGB/OR, Fälle und Skript mitnehmen!
Dr. iur. Roger Brändli
Ratschläge allgemeiner Art für die Fallbearbeitung
Vorgegebenen Sachverhalt weder ergänzen noch uminterpretieren
Keine langen Ausführungen zu nicht problematischen Punkten
Konsequenz in der Argumentation; Variantenbildung deutlich kennzeichnen
Fragestellung genau beachten: Gutachtensstil und Urteilsstil auseinanderhalten
Dr. iur. Roger Brändli
Einführungsfall 1 (Gesetzeslücken)
Cornelius Richter hat an seinemGericht einen Fall hängig und findet im Gesetz keine Antwort auf die Fragen, die sich stellen?
Was ist zu tun?
Dr. iur. Roger Brändli
Lösung Einführungsfall 1 (Teil 1)
Zuerst nochmals im Gesetz nachsehen!
Kombinierte Ausgabe ZGB/OR nutzen
Sachregister konsultieren
An der Prüfung keine eigenen Notizenim Gesetz erlaubt, aber Register!
Dr. iur. Roger Brändli
Gewohnheitsrecht
- ununterbrochene langjährige Übung
- Rechtsüberzeugung
Gesetz
- alle drei Landessprachen
- Auslegungsmethoden
Richterrecht
- Regelbildung wie Gesetzgeber
vor
vor
Stufenordnung der Rechtsanwendung
Lösung Einführungsfall 1 (Teil 2)
Dr. iur. Roger Brändli
Einführungsfall 2 (Beweislastverteilung)
Kläger A behauptet, dem Beklagten B Fr. 100.-- geliehen zu haben.
Wer hat was zu beweisen?
A BCHF 100.--
a) wenn B alles mit Nichtwissen bestreitetb) wenn B behauptet, das Geld zurückgegeben zu habenc) wenn B angeblich betrunken war und das Geld verschenkted) wenn B behauptet, nicht in St. Gallen Wohnsitz zu haben
Dr. iur. Roger Brändli
Lösung Einführungsfall 2 (Teil 1)
a) Keine Übergabe des GeldesA hat gemäss Art. 8 ZGB die Übergabe des Geldes zubeweisen und auch den Darlehensvertrag
b) Rückgabe des GeldesB anerkennt das Darlehen, damit hat er nun nach Art. 8ZGB die Rückzahlung zu beweisen (Teilgeständnis)
c) Betrunkenheit / Weitergabe des GeldesB hat zu beweisen, dass er wegen Betrunkenheiturteilsunfähig und somit handlungsunfähig war. FallsBeweis gelingt, kam kein Vertrag zustande und B wäreungerechtfertigt bereichert; Rückzahlungspflichtgemäss Art. 64 OR nur, falls B noch bereichert ist. B hatauch die "Entreicherung" zu beweisen
d) Keine Zuständigkeit wegen fehlendem WohnsitzA klagt, damit hat er die örtliche Zuständigkeitnachzuweisen; A muss also den Wohnsitz desBeklagten B in St. Gallen beweisen, wenn er dort klagt
Dr. iur. Roger Brändli
Lösung Einführungsfall 2 (Teil 2)
Empfehlung an den Beklagten aus derSicht seines Anwaltes:
Aus Prinzip alles bestreiten:
a) örtliche Zuständigkeit des Gerichtsb) sachliche Zuständigkeit des Gerichtsc) fehlende Aktivlegitimation des Klägersd) fehlende Passivlegitimation des Beklagtene) klägerische Behauptungen des Sachverhaltes
Dr. iur. Roger Brändli
Peter Merian schuldet Ihnen Fr. 10'000.--.Wo müssen Sie ihn betreiben bzw.einklagen, wenn er Briefe an dem Ihnenbekannten Wohnsitz in Basel nicht annimmt?
Ihre Nachforschungen ergeben Folgendes:
a) Merian ist in Basel abgemeldetb) Ehefrau und Kinder wohnen in Baselc) Merian hat sich in Ascona/TI angemeldetd) Merian besucht Familie regelmässig in Basele) Merian macht keine Besuche am Wochenende
Einführungsfall 3 (Wohnsitz)
Dr. iur. Roger Brändli
Lösung Einführungsfall 3
a) Art. 23 ZGB WohnsitzOrt mit der Absicht des VerbleibensNur ein Wohnsitz möglich
b) Objektive ElementeAbmeldung in BaselAnmeldung in Ascona
c) Subjektive ElementeAbsicht des Verbleibens in AsconaNur noch Kurzbesuche in Basel
Fazit: Herr Merian hat Wohnsitz in Ascona
• Gemäss Art. 46 SchKG ist am Wohnsitz zu betreiben• Nach Art. 3 GerG ist am Wohnsitz zu klagen
Dr. iur. Roger Brändli
Einführungsfall 4 (Vertragspartei)
Wer ist Vertragspartei?
Dienstleistungs AG Informatik AG
Müller Huber
Kaufvertragüber Informatik
a) wenn Müller und Huber bevollmächtigte Vertreter sindb) wenn Müller und Huber Verwaltungsräte bzw. Organe sindc) wenn Müller keine Vollmacht hat, jedoch Huberd) wenn weder Müller noch Huber Vollmacht oder Organstellung haben
Dr. iur. Roger Brändli
Die juristischen Personen sind aller Rechte und Pflichten fähig, die nicht die natürlichen Eigenschaften des Menschen wie das Geschlecht, das Alter oder die Verwandtschaft, zur notwendigen Voraussetzung haben.
► Abschluss von Verträgen
► Begehen von Delikten
Art. 53 ZGB
Dr. iur. Roger Brändli
1 Die Organe sind berufen, dem Willen der juristischen Person Ausdruck zu geben.
2 Sie verpflichten die juristische Person sowohl durch den Abschluss von Rechtsgeschäften als auch durch ihr sonstiges Verhalten.
3 Für ihr Verschulden sind die handelnden Personen ausserdem persönlich verantwortlich.
Art. 55 ZGB
Dr. iur. Roger Brändli
Lösung Einführungsfall 4
Juristische Grundlagen:
Juristische Personen sind den natürlichen gleichgestellt
Juristische Personen haben Rechte und Pflichten (Art. 53 ZGB)
Juristische Personen handeln durch ihre Organe (Art. 55 ZGB)
Organe können Stellvertreter ernennen (Art. 33 OR)
a) wenn Müller und Huber bevollmächtigte Vertreter sindb) wenn Müller und Huber Verwaltungsräte bzw. Organe sindc) wenn Müller keine Vollmacht hat, jedoch Huberd) wenn weder Müller noch Huber Vollmacht oder Organstellung haben
Dr. iur. Roger Brändli
Einführungsfall 5 (Unerlaubte Handlung)
Der Pistenkontrolleur Blocher, Angestellter derBergbahnen AG, löst künstlich eine Lawine aus.Diese zerstört eine Alphütte. Blocher ist praktischmittellos. Kann die Bergbahnen AG für denSchaden haftbar gemacht werden?
Unterscheide:
- Zivilrechtliche Haftung- Strafrechtliche Haftung
Dr. iur. Roger Brändli
Lösung Einführungsfall 5
Juristische Grundlagen:
- Juristische Personen können für unerlaubte Handlungen aus Art. 41 OR i.V.m. Art. 53 ZGB haftbar werden
- Organe verpflichten durch ihr Verhalten die juristischen Personen nach Art. 55 ZGB
- Auch Hilfspersonen verpflichten durch ihr Verhalten (Tun oder Unterlassen) die juristischen Personen, aber auf der Grundlage von Art. 55 OR (bei Vertrag Art. 101 OR)
• Bergbahnen AG haftet für die Hilfsperson Blocher• Strafrechtlich kann Bergbahnen AG nicht belangt werden
Dr. iur. Roger Brändli
Strafrechtliche Haftung von juristischen Personen
Dr. iur. Roger Brändli
Einführungsfall 6 (Entstehung einer Obligation)
Studentin Klara nimmt im Supermarkt eine Wein-flasche aus dem Regal. Auf dem Weg zur Kasselässt sie die Flasche fallen, so dass diesezerbricht. Kann der Ladeninhaber den Preis derWeinflasche verlangen?
Achtung!
Lösung nach Checkliste,alle Anspruchsgrundlagenauf Anwendbarkeit prüfen
Dr. iur. Roger Brändli
Lösung Einführungsfall 6 (Vertragsprüfung)
1. Gegenseitige übereinstimmende Willensäusserung?
2. Sind die Parteien vertragsfähig?
3. Sind allfällige Formvorschriften eingehalten worden?
4. Ist der Vertragsinhalt unmöglich, widerrechtlich oder unsittlich?
5. Liegt Irrtum, Übervorteilung, Täuschung oder Drohung vor?
Dr. iur. Roger Brändli
Lösung Einführungsfall 6 (Vertragsprüfung)
Dr. iur. Roger Brändli
Lösung Einführungsfall 6 (übrige Ansprüche)
Juristische Grundlagen:
- Auslage von Waren mit Angabe des Preises gilt nach Art. 7 Abs. 3 OR als Angebot
- Annahme des Kunden erfolgt erst mit Präsentation an der Kasse, bis dahin Rückstellung ins Regal möglich
- Vorher keine stillschweigende Vertragsannahme nach Art. 1 Abs. 1 OR (gemäss Rechtsprechung)
Fazit: Noch kein Vertrag zustande gekommen!
Zuerst vertragliche Anspruchsgrundlage prüfen,erst dann unerlaubte Handlung, ungerechtfertigte Bereicherung, Geschäftsführung ohne Auftrag etc.Ladeninhaber kann Preis der Weinflasche nachArt. 41 OR von der Studentin verlangen.
Dr. iur. Roger Brändli
Einführungsfall 7 (Ungerechtfertigte Bereicherung)
Dem Angestellten A wird versehentlich währendeinigen Monaten ein zu hoher Lohn ausbezahlt.Nun will die Gesellschaft X das zuviel Bezahltezurück. Muss A zurückzahlen und wenn ja, auswelchem Rechtsgrund?
Dr. iur. Roger Brändli
Lösung Einführungsfall 7
Juristische Grundlagen:- Nach Art. 62 OR ist eine ungerechtfertigte Bereicherung
zurückzuerstatten (Einschränkung nach Art. 64 OR)- Voraussetzung ist die Bereicherung aus dem Vermögen
eines anderen (hier der Gesellschaft), und die ungerechtfertigte Erlangung des Vermögensvorteiles (kein Anspruch)
Obwohl zwischen den Parteien ein Vertrags-verhältnis besteht, erfolgt die Rückforderungnicht auf Grund des Vertrages, sondern aufGrund der ungerechtfertigten Bereicherung.Es kann nicht ohne weiteres Gutgläubigkeitdes Arbeitnehmers angenommen werden.
Dr. iur. Roger Brändli
Wer will
Was
Von Wem
Woraus
In der Regel: Geschädigter
In der Regel: Schadenersatz
In der Regel: vom Schädigenden
Vertrag Gesetz
Unerlaubte Handlung
Ungerechtfertigte Bereicherung
Gesetzl. Schuldverhältnis
Gültige Entstehung
•Antrag/Annahme
•Handlungsfähigkeit
•Formmängel
•Inhaltsmängel
•Willensmängel
Richtige Erfüllung
Falllösungsschema
Dr. iur. Roger Brändli
Vorbereitung der Übung 2
Vorzubereiten sind die 4 Fälle gemäss Unterlage. Dazu sind zu studieren:
- BGE 105 II 23 ff. (sog. „Ring-Fall“)- BGE 114 II 131 ff. (sog „Picasso-Fall“)