EINFÜHRUNG IN DIE ROMANISCHE SPRACHWISSENSCHAFT IIIB 26.10.2010 (1860 bis heute) 1.

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EINFÜHRUNG IN DIE ROMANISCHE SPRACHWISSENSCHAFT IIIB

26.10.2010 (1860 bis heute)

1

Die Etablierung der Indogermanistik (Indoeuropäistik)

Die zweite Phase 2

Die zweite Phase3

August Schleicher (1821-1868) Compendium der vergleichenden

Grammatik der indogermanischen Sprachen (1861) Er war Begründer der

Stammbaumtheorie in der vergleichenden Sprachforschung und zusammen mit Franz Bopp einer der Wegbereiter der Indogermanistik.

Die zweite Phase

August Schleicher (1862)

4

(764 Seiten)

Die junggrammatiker (ca. 1878-1890)

Die dritte Phase5

Die dritte Phase

6

Die Junggrammatiker Eine Gruppierung von Linguisten der so

genannten Leipziger Schule, die sich Ende der 1870er Jahre in um August Leskien (1840–1916), Karl Brugmann (1849-1919) und Hermann Osthoff (1847-1909) gebildet hatte.

Die Bezeichnung Junggrammatiker soll von dem Germanisten Friedrich Zarncke (1825-1891) stammen.

Die dritte Phase

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Die Theorie der Junggrammatiker Mit ihrer Hypothese von der „Ausnahmslosigkeit der

Lautgesetze“ versuchten sie die bis dahin als Geisteswissenschaft deklarierte Sprachwissenschaft im Zeichen der Naturwissenschaft neu zu begründen.

Einfluss des Positivismus

Die Universität Leipzig um 1880

Die dritte Phase

8

Das „Manifest“ der Junggrammatiker Das Vorwort zu den

Morphologischen Untersuchungen auf dem Gebiet der indogermanischen Sprachen, 1. Theil (1878) von Karl Brugmann und Hermann Osthoff.

Die dritte Phase

9

Hermann Paul (Germanist) Prinzipien der Sprachgeschichte (11880; 10.

Auflage 2002) Ein Standardwerk der historischen Sprachwissenschaft

bis heute.

Lautgesetz

CLAMARE llamar chamar chiamare (…)

10

Latein Romanisch

[kl] > [][kl] > [][kl] > [kj]

Die dritte Phase

11

…übrigens studierten zur Blütezeit der Junggrammatiker in Leipzig zahlreiche Persönlichkeiten, die später ganz andere linguistische Richtungen vertraten oder gar begründeten: Ferdinand de Saussure

Begründer des europäischen Strukturalismus mit dem Cours de linguistique générale (posthum 1916)

Leonard Bloomfield Begründer des amerikanischen Strukturalismus Fürst Nikolaj Trubeckoj (Trubetzkoj) Führender Kopf der Prager Schule (europäischer

Strukturalismus) Lucien Tesnière

Begründer der Dependenzgrammatik

Die dritte Phase

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Die Junggrammatiker und ihre Gegner Einer der heftigsten Gegner der

junggrammatischen Position war der in Graz lehrende Romanist Hugo Schuchardt (1842-1927), der seine Kritik in der Schrift Über die Lautgesetze. Gegen die Junggrammatiker (1885) formuliert hat.

Der Einfluss der Junggrammatiker auf die Romanistik

13

Die junggrammatische Strömung war in der Romanistik bis weit ins 20. Jahrhundert hinein dominant. Wilhelm-Mayer-Lübke (1861-1936)

der wichtigste Romanist nach Diez Perfektionierung der historischen Grammatik

und des historischen Wörterbuchs Grammatik der romanischen Sprachen (1890-

1902) Romanisches Etymologisches Wörterbuch (1911-

1920, 31935)

Der Einfluss der Junggrammatiker auf die Romanistik

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Gustav Gröber (1844-1911) Grundriß der Romanischen Philologie

(1904-1906) 1877: Gründung der Zeitschrift für Romanische

Philologie

Idealistische Sprachwissenschaft

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Die Junggrammatiker und ihre Gegner Karl Vossler (1872-1949) wollte

die positivistisch geprägte junggrammatische Betrachtungsweise durch eine andere Methode ersetzen.

Er prägte die idealistische Sprachwissenschaft, in welcher bei der Beschäftigung mit Sprachgeschichte philosophische, kulturelle und ästhetische Aspekte eine wichtige Rolle spielen sollten.

Karl Vossler16

W. v.

Humboldt

(1767-1835)

Benedetto Croce

(1866-1952)

Karl Vossler

Sprache als geistige Tätigkeit= enérgeia und als fertiges Werk = érgon

Sprache als Ausdrucknationaler Eigenart eines Volkes

Identifizierung der Sprachwissenschaftmit der Ästhetik

Estetica come scienza

dell‘espressione e

linguistica generale (1902)

Idealistische Sprachwissenschaft

17

Karl Vossler Positivismus und Idealismus in der

Sprachwissenschaft (1904) Frankreichs Kultur und Sprache (1913)

Vossler bezeichnete die Junggrammatiker als „Lautschieber“

Eugen Lerch, ein Schüler Vosslers verfasste u.a. das Werk Französische Sprache und Wesensart (1928).

Idealistische Sprachwissenschaft18

„Die Neigung, das Subjekt nachzustellen, […] ist ein echt altfranzösischer Zug. Die seelischen und sachlichen Zusammenhänge gelten in dieser unformalistischen Sprache mehr als die grammatischen Subjekte“ Aus: Frankreichs Kultur und Sprache (1913,

S. 53)

Der europäische Strukturalismus

Die vierte Phase19

Die vierte Phase

20

Der europäische Strukturalismus Mit der Entwicklung des

Strukturalismus entfernte sich das Interesse von der diachronen Sprachbetrachtung und wandte sich der synchronen Beschreibung von Sprache zu.

Sprachen wurden als homogene Systeme untersucht.

Die vierte Phase

21

Der europäische Strukturalismus In Ferdinand de Saussures (1857-1913)

posthum erschienenem Cours de linguistique générale (1916), der aus Vorlesungsmitschriften von Charles Bally (1865-1947) und Albert Sechehaye (1870-1946) hervorgegangen war, wurde eine allgemeine Theorie der Sprache als ein abstraktes und überindividuelles System von Zeichen dargestellt.

Die vierte Phase

22

Der europäische Strukturalismus Nach F. de Saussure lassen sich

drei wesentliche Aspekte der Sprache unterscheiden: die menschliche Rede (frz. langage), deren abstraktes Regelsystem (frz.

langue) sowie das konkrete Sprechen (frz.

parole).

Die vierte Phase

23

Der europäische Strukturalismus De Saussure unterscheidet

ferner zwischen einer diachronen und einer synchronen Sprachwissenschaft. Erstere befasst sich mit der

sprachlichen Entwicklung innerhalb eines bestimmten Zeitraumes.

Letztere mit dem Sprachsystem zu einem bestimmten Zeitpunkt.

Die vierte Phase

24

Der europäische StrukturalismusDer ehemalige Indogermanist de

Saussure gibt der synchronen Sprachbetrachtung den Vorzug.

Entgegen der philologischen Tradition des 19. Jhs. bevorzugt er die gesprochene Sprache gegenüber der geschriebenen.

Die vierte Phase

25

Der europäische Strukturalismus Das sprachliche Zeichen, das prinzipiell

als arbiträr betrachtet wird, besteht aus dem Ausdruck bzw. aus der Vorstellung der Lautkette und dem Inhalt in Form einer Vorstellung der betreffenden Sache.

Die vierte Phase

26

Der europäische Strukturalismus Als Signifikant (frz. signifiant; dt. auch

Bezeichnendes) wird die Ausdrucksseite des sprachlichen Zeichens bezeichnet.

Das Signifikat (frz. signifié; dt. auch Bezeichnetes) ist der „Inhalt“ des Signifikanten, auf den der Signifikant verweist.

Die vierte Phase

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Der europäische Strukturalismus Ferner unterscheidet de Saussure

zwischen einer syntagmatischen und einer paradigmatischen Achse. Paradigmatische Beziehungen

bestehen zwischen sprachlichen Zeichen, die einander ersetzen können,

während die syntagmatischen Relationen zwischen Zeichen bestehen, die aufeinander folgen.

Syntagmatische und paradigmatische Achse

28

Die vierte Phase

29

Der europäische Strukturalismus Im Anschluss an die Veröffentlichung des

Cours entstanden in Europa diverse strukturalistische Schulen, in denen die Theorien F. de Saussures weiterentwickelt wurden.

Die vierte Phase

30

Die Genfer Schule Die Schüler de Saussures (Albert

Sechehaye und Charles Bally) gründeten die sog. „Genfer Schule“, die sich vornehmlich mit Fragen der Syntax auseinandersetzte. Charles Bally, Linguistique générale et

linguistique française (1932)

Die vierte Phase

31

Die Prager Schule Vilém Mathesius gründet 1926 den

Cercle linguistique de Prague

Wichtige Vertreter: Roman Jakobson (1896-1982) Nikolai Trubetzkoy (1890-1938)

Etablierung der Phonologie als linguistische Teildisziplin mit den Grundzügen der Phonologie (1939)

Die vierte Phase32

Die Prager Schule Weitere wichtige Vertreter

Karl Bühler, Sprachtheorie – Die Darstellungsfunktion der Sprache (1934)

Das Organon-ModellBrühlers

Die vierte Phase

33

Die Kopenhagener Schule Die von Louis Hjelmslev (1899-1965) und

Viggo Brøndal (1887-1942) ins Leben gerufene Kopenhagener Schule unterschied im Rahmen der von ihr entwickelten Glossematik zwischen den formalen Eigenschaften eines Sprachsystems und seiner Substanz. L. Hjelmslev, Omkring sprogteoriens

grundlaeggelse (1943) Engl. Übersetzung: Prolegomena to a Theory

of language (1953)

Die vierte Phase34

Der Europäische Strukturalismus In Deutschland wurde der Strukturalismus erst in den

60er Jahren des 20. Jhs. rezipiert.

Der amerikanische strukturalismus

Die fünfte Phase35

Die fünfte Phase

36

Der amerikanische Strukturalismus Eine von den europäischen Schulen unabhängige

Variante des Strukturalismus entwickelte sich nach dem Ersten Weltkrieg in den Vereinigten Staaten von Amerika. Eward Sapir (1884-1939), der sich dem Studium

der nordamerikanischen Indianersprachen widmete, war einer der ersten Linguisten, welche die Sprache aus einem anthropologischen und ethnologischen Blickwinkel erforschten.

Hauptwerk Language (1921)

Die fünfte Phase

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Der amerikanische Strukturalismus Leonard Bloomfield (1887-1949) war der

wichtigste Vertreter des amerikanischen Strukturalismus. Language (1933)

Das Werk enthält historische (junggrammatisch beeinflusste) und nichthistorische (deskriptive = synchrone) Teile und ist vom Behaviorismus beeinflusst.

Die fünfte Phase

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Der amerikanische Strukturalismus Benjamin Lee Whorf (1897 -1941).

Er schloss 1918 sein Studium am Massachusetts Institute of Technology (MIT) ab.

Bekannt geworden ist er durch seine Arbeiten zu den amerikanischen Eingeborenensprachen, insbesondere Hopi, und die – umstrittene – These von der „sprachlichen Relativität“.

Letztere besagt, dass die Gesamtheit der eigenen (Mutter-)sprache Auswirkungen auf das Denken hat.

Die fünfte Phase39

1901

Massachusetts Institute of Technology (MIT)

Die generative Transformationsgrammatik (Generativistik)

Die sechste Phase40

Die sechste Phase

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Die Generative Transformationsgrammatik Sie wurde von dem seit 1955 am Massachusetts

Institute of Technology (MIT) lehrenden Noam Chomsky (*1928) mit seiner Publikation Syntactic Structures (1957) ins Leben gerufen und geht von den angeborenen Prinzipien der Sprachfähigkeit des Menschen aus.

Die sechste Phase

42

Die Generative Transformationsgrammatik Die Generative Grammatik ist in

der Lage, mit Hilfe rekursiver Regeln aus einer endlichen Zahl von Wörtern eine unendliche Zahl an Sätzen hervorzubringen, d.h. zu generieren.

Nach der Theorie Chomskys wird die Grammatik im Rahmen des Spracherwerbsprozesses gebildet.

Die sechste Phase

43

Die Generative Transformationsgrammatik Im Rahmen seiner Theorie hat Chomsky

die Dichotomie Performanz (< engl. performance, die konkrete Sprachverwendung, d.h. das Sprechen) und Kompetenz (< engl. competence, das unbewusste Wissen eines Sprechers über seine Sprache) eingeführt, welche in gewisser Weise die von Ferdinand de Saussures entwickelte Unterscheidung von langue und parole fortführt, ohne mit ihr identisch zu sein.

Die sechste Phase

44

Die Phasen der Generativen Grammatik In den späten 50er Jahren entwickelte Chomsky

die sogenannte Standardtheorie, die sich in eine syntaktische, eine semantische sowie eine phonologische Komponente gliedert, wobei der syntaktischen, die ihrerseits zwischen einer Oberflächen- sowie einer Tiefenstruktur unterscheidet, die größte Bedeutung zufällt.

Die Standardtheorie wurde mehrmals abgewandelt: a) 1957-1965: Standardtheorie b) 1965-1973: erweiterte Standardtheorie c) 1973-1980: erweiterte und modifizierte

Standardtheorie

Exkurs45

Hier endet die sechste Phase nach Oesterreicher/Gauger/Windisch (1981) Ehemalige Schüler Chomskys gehen eigene

Wege Scheitern des generativen Modells … (?) Die siebte Phase (die Gegenwart der frühen

80er Jahre) ist durch Uneinheitlichkeit geprägt.

Exkurs46

Chomsky entwickelt seine Theorie weiter: 1981: Lectures on Government and Binding (Rektions-

und-Bindungs-Theorie) 1995: Die minimalistische Grammatik oder das

minimalistische Programm (engl. core grammar) aus den 90er Jahren (The Minimalist Program, 1995) stellte eine Abkehr von vielen Prinzipien der Government-Binding-Theorie dar.

In der Romanistik kann von einer Krise der Generativistik derzeit eigentlich keine Rede sein.

Exkurs: Noam Chomskys Homepage am MIT

47

Die Phasen 1-6 im Überblick48

1. Phase: Bopp (Conjugationssystem) 18162. Phase: Schleicher (Compendium) 1861 3. Phase: Junggrammatiker (Brugmann/Osthoff, Morphologische Untersuchungen) 1878Saussure (Cours) 1916

PRAG KOPENHAGEN GENFTrubeckoj (Grundzüge) Hjelmslev (Omkring) Bally (Linguistique) 19321939 1943

5. Phase: Bloomfield (Language) 1933 6. Phase: Chomsky (Syntactic Structures u. Aspects) 1957 u. 1965

ohne dominante Strömung

Die siebte Phase49

Die siebte Phase50

Computerlinguistik Sie stellt eine Kombination aus

Sprachwissenschaft und Informatik dar. Ihr Betätigungsfeld ist die algorithmische

Verarbeitung natürlicher Sprachen mit Hilfe des Computers.

Die siebte Phase51

Fachsprachenlinguistik Sie befasst sich mit der Klassifizierung,

Beschreibung und Standardisierung von Fachterminologien und Fachtexten.

Die siebte Phase52

Soziolinguistik Sie beschäftigt sich mit dem Verhältnis von

Sprache und Gesellschaft bzw. mit der Sprachverwendung im gesellschaftlichen Kontext.

Die siebte Phase53

Feministische Linguistik (Genderlinguistik) Sie versteht sich nicht nur als Teilbereich

der Linguistik, der das Sprachverhalten von und gegenüber Frauen erforscht, sondern auch als Beitrag zur sozialen und politischen Veränderung der Gesellschaft im Sinne der weiblichen Emanzipation.

Die siebte Phase54

Textlinguistik Sie beschäftigt sich mit der Untersuchung

der Struktur, Funktion und Wirkung von Texten und ihren Bestandteilen. Der Einzeltext wird ferner im Zusammenspiel mit anderen Texten untersucht.

Die siebte Phase55

Variationslinguistik Ihr Untersuchungsgegenstand sind

geographische Varietäten (Dialekte und regionale Sonderformen der Nationalsprachen), sozial und situational bedingte Sonderformen natürlicher Sprachen.