Einführung in die Theologie Calvins SS 2005. Uni Jena. Martin Leiner.

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Einführung in die Theologie Calvins

SS 2005. Uni Jena. Martin Leiner

Einstieg: Warum eine Vorlesung über Calvin?

Einwände: Stefan Zweig: Castellio gegen Calvin

1936: Calvin als Diktator und Fanatiker

Calvin als „denkmächtiger aber unschöpferischer Kopf“ (Dilthey)

Selbstverständnis nach dem Vorbild der Propheten

Elia Jeremia Auch und besonders: David (Vorrede zum

Psalmenkommentar und Abschiedsrede an den kleinen Rat der Stadt Genf 1564)

Beleg für Calvins Fanatismus

„Wo es um meines Gottes Ehre und Wahrheit geht, will ich lieber rasen als nicht zürnen, damit der Schimpf, mit dem seine heilige Majestät befleckt wird, nicht auf mein Haupt zurückfalle“

(Br. Calvins an N.Zurkinden Febr. 1559)

Warum Calvin?

Letzte der großen Reformatoren Zusammen mit Melanchthon der

Systematiker unter den Reformatoren Weist in wichtigen Punkten über

Luther hinaus:

Calvin weiterführend gegenüber Luther

Ethik Ablehnung einer problematischen

Sakramentsmetaphysik Stellung zum AT und zum Judentum Soli Deo gloria als zentraler Gedanke

Warum eine systematisch-theologische Vorlesung zu Calvin?

1. Calvin als Systematiker – Institutio 2. Karl Barths Calvinvorlesung von

1922: besondere Lesart historischer Autoren nach dem Cicero-Wort (de oratore, 2,36):

Historia vitae magistra (zit. Von Calvin: Vorrede. zur Auslegung der Apg und im Komm. Zu R 4,23)

Historia vitae magistra Barth: nicht Feststellung, was Calvin gesagt

habe Nicht: Nachredner Calvins zu werden Nicht: Calvin das sagen zu lassen, was wir

für richtig halten. Sondern: Sich einlassen auf die Dynamik

seiner Gedanken und im Achten auf unsere Einwände in der Sache, auf die C. hinweist, weiterkommen.

Aufbau der Vorlesung

I. Einleitung II. Calvin und seine Zeit III. Stationen im Leben Calvins IV. Die Institutio

Literaturhinweise

Karl Barth: Die Theologie Calvins 1922; Zürich: TVZ 1993.

Johannes Calvin: Unterricht in der christlichen Religion. Institutio christianae religionis. (Übers. Von Otto Weber). Neukirchen 1955 (viele weitere Auflagen)

Calvin-Studienausgabe. Neukirchen.

II. Calvin und seine Zeit A. Calvin und das Mittelalter - Karl Barths These: Die mittelalterliche

Theologie als theologia gloriae Emanuel Hirsch: In der Reformation beginnt

der neuzeitliche Individualismus - Gegenthese mit Hans Urs von Balthasar:

Glaubhaft ist nur Liebe (Einsiedeln 1963): - kosmologische Weg; daneben: und der anthropologische Weg und der Weg der Liebe.

Karl Barth

Das Absolute erscheint in der Geschichte nicht direkt

Kontinuität und relative Neuheit der Reformation

Absolute Neuheit des Ewigen zeigt sich im Widerschein

Balthasars 3 Wege Der kosmologische Weg war vorherrschend

im MA; aber auch Weg der Liebe und der anthropologische Weg

In der Neuzeit herrscht der anthropologische Weg vor

Der am meisten überzeugende ist aber der Weg der Liebe Gottes; z.B. bei den Reformatoren; Barth; Jüngel

Allerdings mit anthropologischer Tendenz; Gegensatz zur Angst vor Hölle

Barth:

Andere Ton in den theologischen Auseinandersetzungen der Reformationszeit: Neue Stil(losigkeit).

Bitterer Ernst.

Barth, Calvinvorlesung S.51 „Dahin ist die Harmonie der gothischen

Kathedrale, nun wollen sich die Parallelen […] nicht mehr schneiden im Endlichen, und wäre es noch so hoch oben; nein, ihrem im Unendlichen liegenden Ruhe- und Vereinigungspunkt streben sie unerbittlich entgegen, und das Ergebnis ist, dass das Gewölbe des Doms zerreißt und das Tageslicht des Himmels von oben hereinfällt, nüchtern, unfeierlich, profan, die gloria Dei selber als die Katastrophe der theologia gloriae.“

Hinweise auf die Reformation im Mittelalter

Mönchtum Augustinrenaissancen Nominalismus Mystik Reformer: Thomas von Bradwardina,

Wiclif, Huß, Gerson, Savonerola Renaissance

B.Calvin und die anderen Reformatoren nach Karl Barth Luther:iustus ex fide vivit. Calvin: iustus ex fide vivit. Calvin: das geschlossene Kreuz, Weltgestaltung Luther: ehemaliger Mönch Calvin: ehemaliger Jurist Luther am Anfang; Calvin als Vollendung und Ende der

Reformation „Calvin und nicht Luther hat die Reformation welt- und

geschichtsfähig gemacht, indem er den Glauben Luthers hartgehämmert hat zum Gehorsam“ (121)

„Der Calvinismus ist der geschichtliche Erfolg der Reformation, weil er ihr Ethos ist. Wer hier Erfolg sagt, der sagt auch Misserfolg, innere Einbuße, Verweltlichung.“ (122) – Calvin als die tragische Erntezeit der Reformation.

Calvin und Luther nach Ernst Troeltsch

Luther ist auf das Mittelalter ausgerichtet – Calvin auf die Neuzeit

Luther trennt Person und Werk, Calvin drängt auf Umgestaltung der Welt.

Calvin wirkt in Westeuropa und USA zur Heraufführung der modernen Welt (Demokratie, Widerstandsrecht, Kapitalismus)

Max Weber: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. Tübingen 1922

Luther: Beruf Calvin: Gehorsam, innerweltliche

Askese Calvin: Prädestinationslehre – Verlust

der Heilsgewissheit Calvinismus: Praktische Syllogismus

(Heidelberger Katechismus, Frage 86) Calvinismus: Beweis der Erwählung

durch wirtschaftlichen Erfolg.

Calvin und Zwingli nach Barth Zwingli: Perrumpamus! Luther: Tendenz zur Gelassenheit Calvin: Verteidigung des

angegriffenen Glaubens „Ein eisernes Zeitalter ist

angebrochen, das auch eiserne Menschen fordert: Wer jetzt mit Gott gehen will, dem muss es ganz ernst sein.“ (157).

Calvin und die anderen Reformatoren nach Barth

Calvin stets anerkennend von Luther gesprochen; gegenüber Zwingli Kritik

Calvin kränkelnd und hart gegen sich und andere; Luther und Zwingli gesund.

Luther und Zwingli Reformatoren der Hoffnung; Calvin Reformator der Sorge

Zum Charakter Calvins Calvin ist der Aristokrat unter den

Reformatoren „Dieu lui avait imprimé un caractère

d‘ une si grande majesté!“ (Rathsprotokoll vom 8. Juni 1564)

Verhaltenheit, Schüchternheit Internationale Perspektive:

Evangelium als Heilmittel einer kranken Welt

Calvin und Luther Calvin als Schüler Luthers Rechtfertigungslehre

(Christusgemeinschaft und Glaube) zentral

Sola scriptura zentral Z.T. näher bei Luther als Melanchthon

und die Lutheraner: - Prädestination - 1. Gebot

Calvin und Zwingli

Beide: Rechtfertigung und Gehorsam Beide: Abendmahlslehre und

Bilderkritik näher zusammen als Luther

Calvin realistischer; politisch klüger Calvin unterscheidet besser die Wege

Gottes und unsere Wege

Gesamtinterpretationen Calvins aus einer Idee:

Soli Deo gloria (F.C.Baur; A.Ritschl) Prädestination (Fr.W.Kampschulte;

A.Schweizer) Providentia Dei (Bohateč) Meditatio vitae futurae (M.Schulze) Barth: Keine Zentrallehre Vielleicht doch die gloria Dei.

Calvin und die Renaissance

Calvin gehört schon im Stil zur Renaissance (Descartes: clare et distincte)

Die Majestät Gottes bei Calvin entspricht der Majestät der weltlichen Herrscher, die sich zunehmend entwickelt (Bodin, Absolutismus)