Post on 25-Mar-2022
Nikolaus Haminger-Huber
Emotionale Konfrontation
Aneignung emotionaler und personenzentrierter
Demenzbetreuungskompetenz
Emotional Confrontation
Acquisition of Competencies in Emotional and
Person-Centered Dementia Care
Masterarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades
eines Master of Science
im Rahmen des Universitätslehrganges
Masterupgrade für
Lehrer und Lehrerinnen der Gesundheits- und Krankenpflege
2018
Begutachterin: Mag. Dr. Ulrike Sixt
Karl-Franzens-Universität Graz
und UNI for LIFE
Ottnang, 30.11.2018
II
„Wie komme ich dazu, zu behaupten, die Alzheimer-Krank-
heit gäbe es überhaupt nicht? Ausgerechnet ich, der ich
doch mit dieser Diagnose lebe“ (Taylor 2010, S. 37)?
III
Vorwort
„Krankheit ist die gesunde Reaktion, an der Norm zu verzweifeln“ (von Muschg 1976,
zit. n. Foerster/Pörksen 2016, S. 77).
Die Motivation, meine Arbeit zum Thema Demenz zu schreiben, gründet in meiner 22-
jährigen geriatrischen Praxis und 20-jährigen Erfahrung als Lehrer für Gesundheits-
und Krankenpflege in den Ausbildungen zum Pflegeassistenten und Fachsozialbe-
treuer für Altenarbeit. Mein größtes Anliegen dabei war und ist immer die humane,
respektvolle Sichtweise auf die Betroffenen. Aus vielen Biographien alter und sehr alter
Menschen wird für mich ersichtlich, dass deren gegenwärtige Realität, die von Verlus-
ten und Enttäuschungen geprägt ist, an sich unerträglich wird. Die Tendenz, die per-
sönliche Vergangenheit wiederzubeleben, ist dabei eine logische Folge. Weiters trägt
die sozial-emotionale Eiszeit der heutigen Gesellschaft sicher auch dazu bei. In Zeiten,
wo man seine soziale Beliebtheit mit Facebook-Einträgen und Likes bemisst und echte
Kommunikation mit dem direkten Gegenüber nicht mehr stattfindet, ist es nicht ver-
wunderlich, dass unsere Alten ihrer eigenen, erlebten Welt den Vorzug geben. In einer
Gesellschaft, in der Emotionen sich nur noch in Events ergießen, braucht es radikale
Transformation. Ich glaube, dass die heutige Gesellschaft nicht ganz unbeteiligt an der
Entwicklung der Demenz ist. Wenigstens in den professionellen Kontexten sollte man
von der Ghettoisierung und Sedierung der Menschen mit Demenz Abstand nehmen.
Diese oft auf sehr subtile Form der Gewalt an älteren Menschen ist schlichtweg inhu-
man. „Das im Jahr 2017 dominierende Thema der Alten- und Pflegeheime sollte je-
doch nicht vergessen lassen, dass vielen Personen in Einrichtungen die Freiheit ent-
zogen ist und diese Gruppen daher besonders gefährdet sind, unmenschlich behan-
delt zu werden“ (Bericht der Volksanwaltschaft 2017). Es existieren mancherorts be-
reits sehr gute Alternativen und die negativen Aspekte in der Demenzbetreuung kön-
nen keinesfalls generalisiert werden. Aber es ist an der Zeit, die mancherorts noch
habituell angewandte, negative Sozialpsychologie zu beenden. Die Menschen mit De-
menz hätten uns so viel zu sagen, wovon wir alles profitieren könnten. Dazu benötigen
wir jedoch eine humanistisch-emotionale Kompetenz, die gerade in diesen Zeiten
schwer zu fassen ist.
IV
Abstrakt
Die nach Alois Alzheimer benannte Krankheit des Gehirns ist bis heute trotz intensiver
und jahrzehntelanger Forschung nicht heilbar. Bei der von ihm angeführten, zugrun-
deliegenden Pathologie, der Plaques und Neurofibrillen handelt es sich aus heutiger
Sicht um eine rein theoretische Annahme. Viele Untersuchungen ergaben keine durch-
gehende Korrelation zwischen dieser Pathologie und der Klinik. Viele Autoren argu-
mentieren mit der gesellschaftlichen Veränderung des 21.Jahrhunderts, insbesondere
mit der wachsenden Anzahl an Menschen, welche dem gesellschaftlichen Druck in
Bezug auf Geschwindigkeit und Leistung nicht mehr standhalten. Dies kann in allen
Altersgruppen beobachtet werden. Auch und vor allem beim alten und sehr alten Men-
schen werden diesbezügliche Auswirkungen deutlich sichtbar. Der Mensch im Alter
mit kognitiver Schwäche divergiert immer schneller und weiter von der ihn umgeben-
den Gesellschaft weg. Eine Institutionalisierung ist oft die Folge. Als Alternative kann
die personenzentrierte Interaktion nach Rogers als Grundlage für Gefühlsarbeit in der
Pflege des alten Menschen Verwendung finden. Dabei rückt die Beziehung zum Men-
schen mit Demenz in den Vordergrund. Allen voran steht Tom Kitwood mit seinem
personenzentrierten Ansatz. Die Validation als personenzentrierte Methodik erklärt die
Verhaltensweisen von alten verwirrten Menschen für valide. Diese Methodik wurde von
Cora van der Kooij im mäeutischen Modell erfolgreich weiterentwickelt. Personenzen-
trierter Unterricht wird zum Vorbildmodell eines personenzentrierten Umgangs mit
Menschen mit Demenz. Die emotionale Konstruktion der Wirklichkeit kann als zentra-
ler Begriff für konstruktivistische Emotionspädagogik sowie für personenzentrierte,
emotionale Demenzbetreuung dienen. Das Ziel einer emotionalen Didaktik im Rahmen
von Demenzschulungen ist die Aneignung eine den Betroffenen verstehende Um-
gangskompetenz, die primär emotionaler Natur ist. Dabei können bereits szenische
Handlungen, die für Betreuungssettings sehr typisch sind, in der Klasse belebt und
reflektiert werden. Mögliche Intensivierung der szenischen Didaktik kann in Form des
Forumtheaters oder des unsichtbaren Theaters stattfinden.
V
Abstract
The brain disease named after Alois Alzheimer is incurable until today despite many
years of intensive research. He described the disease as a pathology of plaques and
neurofibrils, which is only a theory as of today’s point of view. There was no constant
correlation between his pathology theory and the clinics in many investigations. The
argument of many authors is the societal change of the 21st century, in particular the
increasing number of humans, which cannot hold up to the pace and performance of
today’s society. This fact can be observed in all age groups. The impact of this phe-
nomenon can particularly be experienced with elderly people, which seem to diverge
faster and faster from their surrounding society. As a consequence, these people often
get institutionalized. An alternative for this dilemma is the person-centered interaction
as introduced by Rogers. This method is a basis for the emotional nursing care of
elderly people. The close relationship to people with dementia is the main point of this
technique. The person-centered approach of Tom Kitwood is one of the most important
proposals on this subject. A primary method in this field is named validation, which
proclaims the behavior of elderly and confused people as a normal behavior. The ma-
ieutic model of Cora van der Kooij is a further development of this technique. Person-
centered teaching becomes a role model for the person-centered contact with people
with dementia. An emotional construction of reality is a central concept for the con-
structive emotional education as well as the person-centered emotional care of de-
mentia. The main goal of emotional didactics as part of dementia education is to obtain
competencies in really perceiving affected people. Practical applications are scenic
acts, which can be applied and reflected in education and resemble real situations in
dementia nursing care. The forum theatre and the invisible theatre are both concrete
techniques for intensifying scenic didactics.
VI
Ehrenwörtliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne
fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den
Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht
habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländi-
schen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffent-
licht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version.
Datum: 30.11.2018 Unterschrift: Nikolaus Haminger-Huber
VII
Inhalt
1 Einleitung ........................................................................................................ 4
2 Ein Jahrhundert Alzheimer ......................................................................... 12
2.1 Hirnpathologie von Auguste Deter ......................................................... 12
2.2 Alzheimer versus Alts-heimer ................................................................ 14
2.2.1 Korrelationsanomalien der Alzheimerpathologie ......................... 15
3 Demenz und Gesellschaft ........................................................................... 18
3.1 Die soziale Seite der Demenz ............................................................... 18
3.2 Maligne, bösartige Sozialpsychologie .................................................... 20
3.2.1 Auswirkungen im Informellen Pflegeraum ................................... 21
3.2.2 Auswirkungen in der stationären Versorgung ............................. 24
3.3 Die Evakuierung der Alten ..................................................................... 26
3.3.1 Institutionelle Entpersonalisierung von Menschen mit Demenz .. 27
4 Demenz fest im Griff .................................................................................... 31
5 Emotionale Provokation .............................................................................. 33
5.1 Herausforderndes Verhalten .................................................................. 34
5.1.1 Reaktionen auf psychologische Symptome ................................ 35
5.1.2 Reaktionen auf verhaltensbezogene Symptome ......................... 37
6 Das Entscheidende ist immer der Mensch ................................................ 39
7 Personenzentrierte Interaktion nach Carl R. Rogers ................................ 41
7.1 Empathie ............................................................................................... 41
7.2 Kongruenz ............................................................................................. 42
7.3 Akzeptanz .............................................................................................. 43
8 Die Logotherapie von Viktor Frankl............................................................ 44
8.1 Einstellung des Therapeuten ................................................................. 44
8.2 Dereflexion ............................................................................................ 45
8.3 Paradoxe Intention ................................................................................ 45
9 Der person-zentrierte Ansatz nach Kitwood .............................................. 47
9.1 Person sein ............................................................................................ 48
VIII
9.2 Psychische Bedürfnisse von Menschen mit Demenz ............................ 48
9.2.1 Trost ............................................................................................ 49
9.2.2 Bindung ....................................................................................... 49
9.2.3 Einbeziehung .............................................................................. 50
9.2.4 Beschäftigung ............................................................................. 51
9.2.5 Identität ....................................................................................... 51
9.3 Emotional sein ....................................................................................... 52
10 Die Revolution durch die Validation nach Feil .......................................... 54
10.1 Hintergrundtheorien der Validation ........................................................ 55
10.2 Vita emotionale ...................................................................................... 56
10.3 Relativität der Gleichzeitigkeit in den Schuhen des Anderen ................ 57
10.3.1 Empathie ..................................................................................... 57
10.3.2 Gefühle des Anderen .................................................................. 58
11 Die Geburtshelferin Cora van der Kooij ..................................................... 60
11.1 Identität der Pflegenden ........................................................................ 62
11.2 Gefühlsarbeiter ...................................................................................... 63
11.3 Zwei-personenzentriert .......................................................................... 64
11.3.1 Bewohnerbesprechung ............................................................... 65
12 Emotionspädagogik ..................................................................................... 66
12.1 Personenzentriertes Lehren und Lernen ............................................... 67
12.2 Authentizität der Lehrperson .................................................................. 68
12.3 Beziehungsrisiko ................................................................................... 69
13 Die emotionale Konstruktion der Wirklichkeit ........................................... 71
13.1 Sozialemotionaler Reisebegleiter .......................................................... 72
13.2 Missverstandene Kongruenz und Authentizität ...................................... 74
14 Emotionale Didaktik ..................................................................................... 76
15 Das szenische Spiel als Lernform .............................................................. 78
15.1 Rollenspiel im Unterricht ........................................................................ 79
15.1.1 Lehrende in der Demenzrolle ...................................................... 79
15.1.2 Rollenübernahme durch Schüler ................................................. 81
IX
15.2 Forumtheater in der Klasse ................................................................... 83
15.2.1 Ablauf des Forumtheaters ........................................................... 84
15.2.2 Reflexion des Forumtheaters ...................................................... 85
15.3 Das unsichtbare Theater ....................................................................... 85
16 Zusammenfassung ...................................................................................... 89
17 Literaturverzeichnis ..................................................................................... 98
4
1 Einleitung
Die Demenz wird aufgrund der soziodemographischen Entwicklung die Gesellschaft
nicht nur tangieren, sondern auch konfrontieren und unweigerlich verändern. Wie
aus vielen Prognosen ersichtlich ist, kann sich die Zahl der Menschen mit Demenz
bis 2050 mehr als verdoppeln (vgl. Bundesministerium für Gesundheit und des So-
zialministeriums 2015, S. 20).
Dagegen werden wir aufgrund des aktuell bereits wahrgenommenen Pflegeperso-
nalmangels für diese Zukunft einige sehr fortschrittliche Lösungsansätze kreieren
müssen. Aktuell können bereits 54 Heimplätze in Oberösterreich wegen des Pfle-
gepersonalmangels nicht belegt werden. Im extramuralen Pflegeraum existieren da-
gegen wenige Zahlen, die einen Personalmangel in der mobilen Pflege identifizie-
ren. Vor allem dieser Bereich ist sehr schwierig zu beziffern. Wenn die professio-
nelle Hilfe und Unterstützung aufgrund mangelnder Kapazität dort nicht adäquat er-
folgen kann, wird dies mittels informeller Pflege oder Personenbetreuung kompen-
siert. Bis 2025 würden für eine Versorgung im geriatrischen Bereich zusätzlich 1600
Pflegekräfte benötigt werden (vgl. Gerstorfer 2018, S. 2).
Hierbei bedarf es besonders in qualitativer Hinsicht kreativer und zeitgerechter Lö-
sungsansätze. Der Pflege- und Betreuungsberuf muss an Attraktivität gewinnen.
Weg von funktionsorientierter Pflege, die zum Teil lediglich scheinbar die Bedürf-
nisse der Pflegenden selbst zu befriedigen vermag, bis diese eines Tages ausbren-
nen, aufgeben und ausscheiden. In der Pflege kann man sich nicht dauerhaft über
manuelle Tätigkeiten definieren.
Ein Beruf am Menschen erfordert humanistische Kompetenzen. Vor allem der ho-
hen Fluktuation in den Pflegeberufen muss entgegengewirkt werden, indem man
die Wertigkeit der Betroffenen aus der Sicht der Gesellschaft konsequent und positiv
verändert! Dazu ist ein Weckruf erforderlich, ein radikales Umdenken wird benötigt.
Nachfolgend zwei anonyme Berichte von Pflegekräften aus Deutschland, in der
Zeitschrift „Demenz“:
5
„An alle Kollegen, an alle, die alte Menschen betreuen. Ich bin Krankenschwester,
seit über 30 Jahren in der Pflege beschäftigt, habe immer gerne am Menschen ge-
arbeitet. Jetzt bin ich seit einigen Jahren in der Heimaufsicht tätig, und ich bin er-
schüttert, sehen zu müssen, wie mit den alten Menschen umgegangen wird, sei es
in den Heimen, im Krankenhaus oder auch in der Gesellschaft“ (Anonyme Autoren
2018).
„Ich bin Altenpflegekraft. Ich schäme mich dafür, dass ich so feige bin und mich
bisher an keine andere Stelle gewandt habe. Ich möchte nicht die Belastung der
Pflegekräfte in den Vordergrund stellen, sondern den wehrlosen Bewohner. Meiner
Erfahrung nach sind die demenziell veränderten Bewohner die Ärmsten und die
Hilflosesten, da ihnen am wenigsten geglaubt wird“ (Anonyme Autoren 2018).
Diese Stimmen aus Deutschland sollten auch in Österreich gehört werden, um den
Schlaf der Ignoranz und der falsch verstandenen Professionalität in der Pflege zu
beenden. Der betroffene Mensch muss als Mensch mit seiner Emotionalität in den
Vordergrund gestellt werden!
"Ich begrüße es sehr, als Selbstbetroffene von Demenz und in meiner Funktion als
Vorsitzende der EU Arbeitsgruppe der Menschen mit Demenz, dass Demenz in
Österreich ein Thema der öffentlichen Gesundheit ist“ (Rohra 2014, S. VII).
Im ersten Abschnitt wird im Kapitel drei die Beziehung zwischen Gesellschaft und
Demenz näher beleuchtet. Die Aufgabe in dieser Auseinandersetzung mit entspre-
chender Literatur ist eine kritische und nicht eine grundsätzlich negative oder fatali-
sierende Demenz bleibt trotz allen Versuchen der politisch korrekten Begrifflichkei-
ten und professionell verstandenen Versuchen in der Versorgung und Betreuung
ein Tabuthema. Beschönigungen bringen die Thematik rund um die Demenz nicht
weiter. Menschen mit Demenz sind eben die Kontrafiguren in der heutigen Gesell-
schaft der Flexiblen (vgl. Gronemeyer 2013, S. 190).
Die Gesellschaft bewegt sich in dieser Zeit mit einer Geschwindigkeit, die manche
Menschen nicht mehr auszuhalten vermögen. Eine Schnelligkeit, die wir uns nicht
6
mehr vorstellen können (vgl. Gronemeyer 2013, S. 243). Menschen im Alter, insbe-
sondere im Zusammenhang mit kognitiven Defiziten sind dieser Geschwindigkeit
nicht mehr gewachsen. Sie fallen sozusagen heraus. Demenz ist ein Phänomen,
ein Abfallprodukt der Leistungsgesellschaft, ein gerontologisches Burnout (vgl. Gro-
nemeyer 2013, S. 251).
Noch dazu tritt in diesem Spannungsfeld Leistungsgesellschaft und Demenz die Di-
vergenz zwischen Kognition und Emotion immer deutlicher zutage. Gerade die kom-
promisslos gelebte Emotionalität der Menschen mit Demenz, die ja nichts zu verlie-
ren haben, werden als Provokation erlebt. Dies bildet die Grundlage der neuropa-
thologischen Ideologisierung der Demenz (vgl. Kitwood 2008, S. 10). Die negative
Sicht auf die Demenz selbst und auf den betroffenen Menschen, die sich keines-
wegs auf durchgängig wissenschaftliche Nachweise stützt, führt nachfolgend zu
massiven Extraktionsbemühungen dieser Andersartigen aus der Gesellschaft (vgl.
Gronemeyer 2013, S. 85). Auch aus systemtheoretischer Sicht wird dieser Exklusi-
onsprozess bei möglicher Überforderung der Gesellschaft erklärt (vgl. Müller-Hergl
2014, S. 2).
Nun steht der Befriedung der somit ghettoisierten Demenz mittels medikamentöser
Zuwendung und mechanisch-freiheitsunterbindenden Maßnahmen nichts mehr im
Wege (vgl. Schützendorf 2008, S. 43). Das primär emotionale Verhalten der Be-
troffenen wird auf das Maß der Verträglichkeit in Bezug auf sein Umfeld reduziert.
Als Begründung dieser inhumanen Handlungen, auch und gerade in professionellen
Kontexten werden die emotional geprägten Verhaltensweisen provokant erlebt, her-
angezogen. Diese negative, bösartige Sozialpsychologie führt letztendlich zur In-
fantilisierung der Menschen mit Demenz (vgl. Gronemeyer 2013, S. 120). Der
Mensch mit Demenz ist ein Produkt dieser Neuropathologisierung, er verschwindet
dabei völlig hinter der Zuschreibung der Umwelt (vgl. Wißmann 2015, S. 62).
Der zweite Abschnitt widmet sich der personenzentrierten Herangehensweise bei
Menschen mit Demenz. Kapitel sieben widmet sich dem Begründer der personen-
zentrierten Interaktion Carl Ransom Rogers mit der klientenzentrierten Gesprächs-
7
therapie, als österreichisches Pendant im Kapitel acht darf allerdings die Logothe-
rapie von Viktor Frankl nicht vergessen werden (vgl. Riemeyer 2007, S. 153). In
beiden Methoden rückt der Mensch vor seiner Krankheit in den Vordergrund. Als
Fundamente der personenzentrierten Methodik werden die drei Säulen nach Ro-
gers, die Empathie, die Kongruenz und Akzeptanz beschrieben. Dies stellt eine
Grundhaltung, eine Grundeinstellung für eine gelingende Kommunikation dar. Dar-
aus wird ersichtlich, dass sich zuerst die Pflegenden über ihre Einstellungen, aber
auch über ihr adäquat-authentisches Verhalten bewusst sein müssen. Sonst kommt
es unweigerlich zu einer Inkongruenz in der Beziehung zum Gegenüber.
Die personenzentrierte Interaktion wurde erstmals von Tom Kitwood (Kapitel neun)
für den Umgang mit verwirrten, alten Menschen bearbeitet und publiziert. Er be-
schäftigte sich mit der Sozialpsychologie, mit der Subjektivität der Demenz und
wurde darum von Seiten der Naturwissenschaft bisweilen sehr angefeindet (vgl. Kit-
wood 2008, S. 21). Er definierte psychische Bedürfnisse bei Menschen mit Demenz,
vor allem sprach er ihnen das Recht auf Emotionen zu. Dadurch rückte die emotio-
nale Kommunikation bei Menschen mit Demenz in den Vordergrund und erklärte
die Emotionalität von Betroffenen für valide.
Die Validation nach Feil, beschrieben in Kapitel zehn ist vermutlich die erste Me-
thode zum Umgang bei Menschen mit Demenz. Feil hat die personenzentrierte
Kommunikation nach Rogers übernommen, obwohl darüber sehr wenig in ihren ei-
genen Publikationen zu finden ist. Inhaltlich jedoch sehr deutlich erkennbar die Ele-
mente von Rogers (vgl. Schneider 2007, S. 118). Validation als Urmethode für ver-
stärkte, emotionale und nonverbale Kommunikationsmöglichkeit mit verwirrten alten
Menschen eröffnete damals ganz revolutionäre Sichtweisen und Umgangsregeln
für die Kommunikation mit Betroffenen. Feil will das emotionale Verhalten Betroffe-
ner in der jeweiligen Vergangenheit des Einzelnen begründet wissen. Es wird somit
das Verhalten von Menschen mit Demenz in deren Vergangenheit begründet und
gibt deren Inhalten wieder einen Sinn, wenn auch manchmal sehr im Verborgenen.
Sie geht dann noch weiter und will diesen Gefühlen Betroffener eine Erledigung
aufgearbeiteter Aufgaben aus deren früheren Lebens und Erlebnissen zuschreiben
8
(vgl. Feil 2000, S. 19f). Die Betreuungsseite sollte in der Validation mittels bestimm-
ter Kommunikationstechniken, die überwiegend emotionaler Natur sind, den Be-
troffenen dabei behilflich sein und unterstützend wirken (vgl. Feil 2001, S. 91).
Cora van der Kooij (Kapitel elf) entwickelte die Validationsmethode nach Feil weiter
und begründete damit das mäeutische Betreuungsmodell. Sie spricht von Erlebens-
welten Betroffener, aber auch die der Pflegenden. Auch die innere Erlebenswelt der
Pflegenden, ihre Gefühle und Emotionen sind im Beziehungskontext der Demenz-
betreuung immens wichtig. „Die bewußte Wahrnehmung der eigenen Gefühle und
der bewußte Umgang damit, das erfordert in der Regel Übung. Dieser Aspekt gehört
in jedem Fall zu der Gefühlsarbeit, die für Pflegende im Beruf unerläßlich ist“ (van
der Kooij 2012, S. 126). Professionell Pflegende, die Menschen mit Demenz be-
treuen wollen, müssen zur Gefühlsarbeit befähigt sein! Diese spezielle, emotionale
Kompetenz sollte in spezifischen Ausbildungen vermittelt werden.
Der dritte Abschnitt, Kapitel zwölf behandelt alternative, emotionspädagogische Zu-
gänge. Mittels emotionspädagogischer Ansätze können die emotionalen Kompe-
tenzen zur Demenzbetreuung nachhaltig transferiert werden. Dabei bedarf es pri-
mär die entsprechende Authentizität der Lehrperson selbst. Voraussetzung dafür
sind entsprechende Erfahrungen und Fähigkeiten. Demenzbetreuungskompetenz
kann unmöglich mittels reiner, kognitiver Wissensvermittlung geschehen. Nur was
emotional stark berührt, bleibt im Gedächtnis haften (vgl. Kautter/Munz 2004, S. 13).
Die Lehrenden selbst sollten bei den Lernenden emotionale Betroffenheit erzeugen.
Hiermit kann aus konstruktivistischer Sichtweise ein individueller Lern- und Aneig-
nungsprozess stattfinden (Kapitel dreizehn). Dabei steht die Konstruktion der jewei-
ligen, subjektiven Wirklichkeit im Vordergrund. Dazu eignet sich als Grundlage der
personenzentrierte Unterricht als Vorbildmodell für einen personenzentrierten Um-
gang mit Menschen mit Demenz. Emotionales Lernen kann nur in einer Umgebung
vertrauensvoller Beziehung im geschützten Raum einer Klasse ermöglicht werden
(vgl. Rogers 1989, S. 22). Nicht nur kognitives Wissen, auch emotionale Erfahrun-
gen sind bestehende Anknüpfungspunkte für eine nachhaltige Weiterentwicklung
(vgl. Arnold 2005, S. 34).
9
In der Thematik selbst bedarf es im Vorfeld eine Auseinandersetzung mit den zwei
Erlebenswelten von Betreuung und Betreuten. Dabei sollte die Thematik für den
einzelnen Lernenden derart modelliert werden, dass es neurobiologisch-konstrukti-
vistisch anknüpfbar wird. Das Ziel dabei ist die Entwicklung eines tieferen Verständ-
nisses für die innere Erlebenswelt der Betroffenen, die meist zeitlich retrograd ver-
ändert ist (vgl. Morton 2002, S.31).
Kapitel vierzehn beschreibt die emotionale Didaktik. Diese ermöglicht den Transfer
von Emotionen, die typischerweise bei Menschen mit Demenz in den sogenannten
herausfordernden Verhaltensweisen in den Vordergrund treten, emotional berühren
und provozieren. Auch im Unterricht sollte diese Emotion im Klassenraum in gewis-
ser Weise provozierend vermittelt werden. Dabei kann eine Lehrperson die Rolle
eines Menschen mit Demenz übernehmen. Lernen findet in Szenen statt (vgl. Schel-
ler 2016, S. 17).
Im weiteren Verlauf können seitens der Lernenden Rollen von Menschen mit De-
menz, typische Verhaltensweisen und verschiedene Personen im Betreuungsset-
ting Demenz übernommen werden (Kapitel fünfzehn). Das Rollenspiel der Demenz
ist eines der mächtigsten Mittel zum Verständnis und Entwicklung von emotionaler
Demenzbetreuungskompetenz (vgl. Kitwood 2008, S. 118). Ein Rollenspiel kann
dann auch im Sinne des Forumtheaters ausgeweitet und dynamisiert werden, damit
alle Schülerinnen und Schüler daran teilhaben können. Letztendlich könnte das
Theater der Unterdrückten nach Boal im öffentlichen Raum stattfindend, den Men-
schen mit Demenz die Bühne des Lebens zurückgeben. Nachhaltigkeit bei den Ler-
nenden durch die Übernahme einer humanen Verantwortung ist dabei garantiert.
Letztlich würde sich dabei auch der Kreis in Bezug auf Gesellschaft und Demenz
wieder schließen.
Auf Basis dieser vorangegangenen Überlegungen ergibt sich folgende Hauptfrage-
stellung, die in der vorliegenden Arbeit behandelt werden sollte:
Wie eignet man sich emotionale und soziale Fähigkeiten für den Umgang bei Men-
schen mit Demenz nachhaltig an?
10
Daraus lassen sich weitere Subfragen konstruieren, die ebenfalls Gegenstand die-
ser Arbeit sein werden, z.B. welche gesellschaftlichen Prägungen und eingeschlif-
fenen Denkmuster verlassen werden müssen, um für eine Anforderung zu einer
respektvollen, emotionalen Interaktion bei Menschen mit Demenz bereit zu werden?
Welche Interaktionsmöglichkeiten in der Begegnung bei Menschen mit Demenz
können als Alternativen zur neuropathischen Ideologie mit nachfolgenden inhuma-
nen, reduktionistischen Folgeerscheinungen benannt werden? Wie lassen sich ne-
gativ assoziierte Emotionen von Schülerinnen und Schülern in einer Konfrontation
im Kontext der Demenz positiv konvertieren? Mit welchen gezielten, emotionspäda-
gogischen Zugängen und Methoden kann eine Verbesserung der emotionalen De-
menzbetreuungskompetenz erreicht werden?
Anhand ausgewählter, aktueller, wissenschaftlicher Literatur erfolgt eine kritische
Auseinandersetzung mit der Thematik, wobei die genannten Elemente Gesellschaft
und Demenz sowie personenzentrierte Interaktion bei Menschen mit Demenz und
emotionspädogogische Zugänge bearbeitet werden, um Antworten auf die eingangs
gestellten Fragen zu finden.
Ausgehend vom individuell geprägten, emotionalen Gedächtnis jeder Schülerin und
jedes Schülers wird zuerst die familiär und gesellschaftlich bedingte Prägung zum
Thema Demenz mittels der Literatur untersucht. Danach sollte der für die Schüle-
rinnen und Schüler notwendig nachvollziehbarer Paradigmenwechsel von der
Krankheit Demenz zum betroffenen Menschen mit Demenz aus personenzentrierter
Sichtweise sich in geeigneter Literatur finden. Dieser, für Schülerinnen und Schüler
meist sehr neuen Perspektive bedarf es pädagogisch besonderer Zugänge, um eine
nachhaltige Aneignung emotionaler Kompetenz zu sichern, die in emotionspädago-
gischen und speziellen, szenischen Didaktiken für den Unterricht geeignet erschei-
nen.
Literatur zum Thema Gesellschaft und Demenz findet sich in deutschsprachiger,
zeitgemäßer Ausprägung. Ausgehend von Rogers personenzentrierter Methodik
11
wurde die Literatur auf personenzentrierte Demenzmodelle ausgeweitet. Zur Emo-
tionspädagogik schien die szenische Didaktik mit den verschiedenen Methodiken
des Theaters im Unterricht am adäquatesten zur Praktikabilisierung der erforderli-
chen emotionalen Kompetenzen.
12
2 Ein Jahrhundert Alzheimer
Bei seiner Tätigkeit in der Psychiatrie Frankfurt, damals als „Irrenanstalt“ (Haack
2008) bezeichnet, wurde Alois Alzheimer auf eine eigenartige, bis dahin nicht be-
schriebene Krankheit und deren Symptome, aufmerksam. Seine damalige Patientin
Auguste Deter war auch mit 51 Jahren noch sehr jung. Sie wurde auf die Psychiatrie
wegen ihres wahnhaften Verhaltens, ihrer Eifersuchtsideen und ihres Verfolgungs-
wahns eingewiesen. Sie fand sich auch in der eigenen Wohnung nicht mehr zurecht
(vgl. Wikipedia 2018a).
Während des stationären Aufenthaltes verschlechterte sich der Zustand von Fr. De-
ter rapide. „In der Anstalt trug ihr ganzes Gebaren den Stempel völliger Ratlosigkeit.
Sie ist zeitlich und örtlich gänzlich desorientiert“ (Haack 2008). Im Laufe des vier-
einhalbjährigen Aufenthaltes beobachtete Alzheimer weitere Auffälligkeiten: „Den
Arzt begrüßt sie bald wie einen Besuch und entschuldigt sich, daß sie mit ihrer Ar-
beit nicht fertig sei, bald schreit sie laut, er wolle sie schneiden, oder sie weist ihn
voller Entrüstung mit Redensarten weg, welche andeuten, daß sie von ihm etwas
gegen ihre Frauenehre befürchtet. Zeitweise ist sie völlig delirant, schleppt ihre Bett-
stücke umher, ruft ihren Mann und ihre Tochter und scheint Gehörhalluzinationen
zu haben. Oft schreit sie viele Stunden lang mit gräßlicher Stimme“ (Haack 2008).
Schlussendlich findet man noch folgende Dokumentation in der Erstbeschreibung
dieser Krankheit von Alzheimer 1906: „Dagegen macht die allgemeine Verblödung
Fortschritte. Nach 41/2 jähriger Krankheitsdauer tritt der Tod ein“ (Haack 2008).
2.1 Hirnpathologie von Auguste Deter
Nach dem Tod seiner Patientin Auguste Deter wurde ihr Gehirn histologisch unter-
sucht. Es fanden sich unter dem Mikroskop in den eingefärbten Gehirnschnitten die
von Alzheimer erstmals beschriebenen Veränderungen, die sogenannten Beta
Amyloid Plaques, und die Neurofibrillen. Diese machte Alzheimer für die von ihm
erstmals beobachtete Krankheit verantwortlich und dokumentierte sie in seiner Erst-
beschreibung 1906 (vgl. Haack 2008).
13
Im nächsten Jahr veröffentlichte er seine Erkenntnisse in dem Beitrag „Über eine
eigenartige Erkrankung der Hirnrinde“ in der Allgemeinen Zeitschrift für Psychiatrie
(vgl. Wikipedia 2018a).
Das war die Geburtsstunde einer neuen, neurodegenerativen Erkrankung im psy-
chiatrischen Kontext. Aktuell im ICD-10 Klassifikationsschema als F.00 bis F.09 zu
finden, wird die Erkrankung beschrieben als organisch bedingt mit symptomatisch
psychischen Störungen (vgl. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation
und Information 2016).
Trotz intensiver und jahrzehntelanger Forschung wurde noch keine Ursache für die
Alzheimer Krankheit gefunden. Dementsprechend gibt es bis heute auch noch keine
kausalen Therapieansätze, die diese Krankheit heilen könnten. Trotzdem wird an
der anfänglich beschriebenen Hirnpathologie nach Alzheimer hartnäckig festgehal-
ten, obwohl seit einigen Jahren immer wieder kritische Gegenstimmen seitens der
Fachwelt zu vernehmen sind.
Dagegen ist im österreichischen Demenzbericht 2014 zu lesen: „Die Alzheimer’sche
Erkrankung ist eine degenerative Erkrankung des Gehirns unbekannter Ätiologie
mit charakteristischen neuropathologischen und neurochemischen Merkmalen“
(Österreichischer Demenzbericht 2014, S. 5). Die Krankheit Alzheimer gibt es nun
also seit etwa 100 Jahren. Sie ist eine unheilbare, neurodegenerative Erkrankung,
die letztendlich durchschnittlich acht Jahre nach der Diagnosestellung zum Tod
führt. Im Lauf der Krankheit verändert sich der Betroffene, verliert sein Gedächtnis,
seine Umwelt und schlussendlich sich selbst.
Dieses Bild ist jenes, das auch in der Bevölkerung, in den Pflegeberufen, bei vielen
Ärztinnen und Ärzten, zum Großteil auch bei den Betroffenen selbst, erzeugt wird.
Ein Bild, ein Paradigma der Hoffnungslosigkeit. „Die Demenz ist die Pest des 21.
Jahrhunderts“ (von Cameron 2013, zit. n. Wißmann 2015, S. 133).
14
Ronald Reagan bezeichnete in den achtziger Jahren die Alzheimerkrankheit als den
„Feind der Menschheit“ (von Reagan 1984, zit. n. Wißmann 2015, S. 132). Es ent-
steht ein Eindruck, als würde man die ursprünglich beschriebene Pathologie mit al-
len Mitteln aufrechterhalten. Noch dazu bildete diese nur die junge Form der Alzhei-
merkrankheit ab. „Das Beharren vieler Profis auf einer von ihnen vorgegebenen
Terminologie und von ihnen bestimmten Vorgehensweise zeugt von einer rück-
wärtsgewandten Geisteshaltung“ (Wißmann 2015, S. 67).
2.2 Alzheimer versus Alts-heimer
Die gängige Alzheimerpathologie stößt in den letzten Jahren jedoch auch bei De-
menzexpertinnen und -experten auf Widerspruch. Dieser Widerspruch begründet
sich in der erfolglosen Forschung, welche mit geringem Outcome seit Jahrzehnten
viele Ressourcen verbraucht hat. Sogenannte Therapien bei Alzheimer finden sich
lediglich in medikamentöser Form. Sie reduzieren meist nur die belastenden Aus-
wirkungen auf das Umfeld, kommen den Betroffenen aber in keinster Weise zugute.
Zusätzlich werden dabei auch noch Nebenwirkungen in Kauf genommen. „Therapie
oder Behandlung bezeichnet alle Maßnahmen, die darauf abzielen, Behinderungen,
Krankheiten und Verletzungen positiv zu beeinflussen. Die Voraussetzung für The-
rapie ist eine zuvor erlangte Diagnose. Ziel eines Therapeuten ist es, eine Heilung
zu ermöglichen oder zu beschleunigen, die Symptome zu lindern oder zu beseitigen
und körperliche oder psychische Funktionen wiederherzustellen“ (Wikipedia
2018b).
Also dürfte genau genommen der Begriff Therapie auch nicht in diesem Kontext
verwendet werden. Das Beharren auf gängige, medikamentöse Ansätze bei Men-
schen mit Demenz, vor allem aus der Gruppe der Neuroleptika, dürfte eine gewisse
Ratlosigkeit widerspiegeln. „Seit zehn Jahren behandeln wir Patienten mit Medika-
menten, die erhebliche Nebenwirkungen haben, ohne dass wir wirklich wissen, ob
die Mittel etwas taugen“ (von Sawicki 2006, zit. n. Stolze 2011, S. 129).
Aber auch in der Gruppe der Cholinesterase-Hemmer, die angeblich die Heimauf-
nahme um mindestens zwei Jahre verzögern sollten, zeigen Erkenntnisse aus Un-
15
tersuchungen andere Ergebnisse. Folgende Erkenntnisse wurden bei der Langzeit-
studie AD2000, welche die Wirkung von Donepezil untersuchte, festgestellt: „Denn
die Behandlung hatte keinen Einfluss auf den Zeitpunkt der Heimunterbringung oder
den Verlust von Alltagsfähigkeiten wie Essen und Trinken oder sich ankleiden. Nach
drei Jahren waren aus der Gruppe von Probanden, die Donepezil bekommen hat-
ten, genauso viele in ein Heim untergebracht, wie aus einer Vergleichsgruppe, die
statt des echten Mittels ein Scheinmedikament erhalten hatten“ (Stolze 2011, S.
123).
2.2.1 Korrelationsanomalien der Alzheimerpathologie
Aus der österreichischen Ärztezeitung 2010: „Die Diagnose Alzheimer-Demenz
kann post mortem mittels neurohistologischer Untersuchung gesichert werden“
(Dal-Bianco 2010, S. 41). Hier kommt deutlich zum Ausdruck, dass sich seit 1906
nicht wirklich etwas Neues ergeben hat. Naturwissenschaftliches state of the art,
sichere Diagnostik nach dem Tod. Bei klinischer Diagnostik wird eine etwa siebzig-
prozentige Treffsicherheit garantiert. Bei einer Diagnose, die nach Ausschluss aller
anderen möglichen Demenzformen diagnostiziert wird. „M. Alzheimer ist vor allem
eine Ausschlussdiagnose“ (Ärztezeitung 2007).
Die zugrundeliegende Neuropathologie findet sich also seit über hundert Jahren in
den Beta-Amyloid Plaques und den Neurofibrillenbündeln. Diese bewirken dann das
klinische Bild der Alzheimer Demenz, die in drei Abbaustadien verläuft und typische
kognitive und nicht kognitive Symptome nach sich zieht. Es gibt jedoch bereits seit
Jahrzehnten Stimmen aus der Fachwelt, die diese Schlüssigkeit anzweifeln.
Die bekannteste Untersuchung dazu dürfte die sogenannte Nonnenstudie sein. „Die
Studie wurde von dem Epidemiologen David Snowdon an der Kentucky-Universität
durchgeführt. Sie lief ab 1986 mit der Beteiligung von etwa 600 amerikanischen
Ordensschwestern der Kongregation der Armen Schulschwestern von Unserer Lie-
ben Frau im Alter zwischen 76 und 107 Jahren […] Über die Archive der Klöster
waren Einblicke in den Lebenslauf der Teilnehmerinnen und deren geistige Aktivi-
täten vor Jahrzehnten möglich. Ein auffälliges Ergebnis war die Unabhängigkeit des
pathologischen Gehirnbefunds (multiple Alzheimer-Plaques) von der wiederholt er-
hobenen intellektuellen Leistungsfähigkeit derselben Personen zu Lebzeiten.
16
Das heißt: Auch Personen, bei denen bei der Sektion stark veränderte Gehirnbe-
funde festgestellt wurden, konnten bis zu ihrem Tod geistig anspruchsvolle Aufga-
ben ausführen“ (Wikipedia 2018c). „Schließlich kam man nach einer längeren For-
schungsperiode zu dem Ergebnis, dass nur in etwa 10% der untersuchten Fälle ein
Zusammenhang zwischen der Plaques-Theorie und dem Alzheimer-Befund be-
stand“ (Universität Witten/Herdecke 2015).
Auch Tom Kitwood, ehemaliger Psychogerontologe an der Universität Bradford, Be-
gründer des personen-zentrierten Ansatzes bei Menschen mit Demenz im englisch-
sprachigen Raum, publiziert zu dieser Thematik: „Wie wir gesehen haben, ist die
einfache Vorstellung, dass neuropathologische Vorgänge Demenz verursachen,
unsolide. Es können beträchtliche neuropathologische Zustände ohne Demenz vor-
liegen, und es kann eine Demenz ohne signifikante Neuropathologie bestehen“ (Kit-
wood 2008, S. 61).
Peter J. Whitehouse, Neurowissenschaftler und jahrzehntelanger Alzheimerfor-
scher aus den USA kommt zu folgendem Schluss: „Sie werden erfahren, dass Alz-
heimer keine spezifische Gehirnerkrankung ist. Sie kann weder am lebendigen,
noch am toten Menschen definitiv diagnostiziert werden. Sie besitzt kein einzelnes,
grundlegendes, sie definierendes pathologisches Merkmal“ (Whitehouse/George
2009, S. 47).
Diese Liste an kritischen Stimmen ließe sich weiter fortsetzen. Aktuell ist man an-
scheinend der Meinung, es bedürfe nicht einmal mehr klinischer Auffälligkeiten, es
brauche keine klinischen Symptome, aber der Stempel Alzheimer müsse unbedingt
aufgedrückt werden. Die Stigmatisierung geht weiter, vielleicht von gesunden, alten
Menschen, bis sie einer Diagnostik zugeführt wurden.
Im deutschem Ärzteblatt vom Mai 2018 ist zu lesen: „Nach dem neuen NIA-AA Re-
search Framework ist die Diagnose der Alzheimerkrankheit ab sofort vollständig un-
abhängig von klinischen Symptomen […] Somit werden die 2011 aktualisierten Kri-
17
terien noch erweitert. Sie erlaubten bereits, nach einer Autopsie die Diagnose Alz-
heimer basierend auf pathologischen Ansammlungen von Amyloid-Plaques und
Neurofibrillenbündeln im Gehirn zu stellen, ohne Symptome einer Demenz. Die ak-
tuellen Kriterien ermöglichen es hingegen, bereits bei noch lebenden Personen
ohne Symptomatik eine Alzheimerkrankheit zu diagnostizieren“ (Aerzteblatt 2018).
Warum will man unbedingt die Krankheit Alzheimer am Leben erhalten? Schafft der
diagnostische Begriff die vermeintliche Wirklichkeit der Krankheit? Prägt unsere kul-
turelle Umgebung falsche Krankheitsbilder (vgl. Foerster et. al. 2016, S. 77)?
Es ist auch nicht Meinung des Autors, dass sämtliche kognitiven Auffälligkeiten im
Alter ihm Rahmen normaler, bioinvolutionärer Prozesse geschehen. Aber dieses
Demenzetikett im Alter schadet mehr, als es nützt. Es wird medial ein nachhaltig
geprägtes Bild der Demenz erzeugt, insbesondere von der Alzheimer Demenz. Eine
solche diagnostizierte Krankheit überdeckt den Menschen, macht die Person un-
auffindbar. Man hat oftmals den Eindruck, dass selbst in professionellen Settings
die bei Alzheimer beschriebene „Verblödung“ noch immer einen starken Einfluss
hat!
18
3 Demenz und Gesellschaft
„Über der gewonnenen Zeit hängt eine Bedrohung“ (Klie 2014, S. 29). Die durch-
schnittliche Lebenserwartung von Frauen und Männern in Mitteleuropa war noch
nie so hoch wie heute, und sie steigt noch weiter. „Die höchste Lebenserwartung
haben die Menschen in Monaco mit 89,52 Jahren, die geringste Lebenserwartung
im afrikanischen Land Tschad mit 49,81 Jahren“ (Wikipedia 2018d). Die Lebenser-
wartung hat sich im Mitteleuropa seit dem Jahre 1900 in etwa verdoppelt (vgl. Berlin-
Institut 2006). Aber: „Die Aussicht auf ein langes Leben wird begleitet von der Sorge,
hilfsbedürftig und somit abhängig zu werden sowie die Selbstständigkeit zu verlie-
ren und anderen zur Last zu fallen“ (Klie 2014, S. 29).
Die Pflegequote in Deutschland, also der Anteil der Pflegebedürftigen an der Ge-
samtbevölkerung, wird im Nachbarland bei der 85+ Altersgruppe mit rund einem
Drittel, bei der 90+ Altersgruppe mit zwei Drittel angegeben (vgl. Das Statistik Portal
2018).
In Österreich gibt es aktuell etwa 450.000 Pflegegeldbezieherinnen und Pflegegeld-
bezieher, wovon rund 100.000 bis 130.000 Demenzerkrankungen registriert sind.
Also ca. ein Viertel der Pflegebedürftigen in Österreich sind wegen der Demenz
pflege- und betreuungsbedürftig oder weisen im Kontext einer Multimorbidität auch
kognitive Defizitsymptome auf. „Die Experten der WHO sprechen im Blick auf die
Demenz von einer Geißel der Menschheit“ (Gronemeyer 2013, S. 25).
3.1 Die soziale Seite der Demenz
„Es kommt mir so vor, als ob sich in der Demenz die Gesellschaft vollendet, in der
wir leben. Der erinnerungslose, radikal individualistische Single, der das heimliche
Ideal ist, setzt sich im Menschen mit Demenz durch“ (Gronemeyer 2013, S. 14).
Diese, vom Autor selbst nicht ganz ernst gemeinte Aussage, sollte vielleicht doch
grundsätzlich zum Nachdenken anregen.
Wir leben in einer Gesellschaft, die sich wie nie zuvor rasant verändert. Man be-
kommt den Eindruck, Geschwindigkeit und die Fähigkeit, sich laufend dabei upda-
ten zu können, sei das Wichtigste.
19
Ehemals gemeinschaftliche Lebensformen in familiären, generativen Kontexten
werden zum aktuell individualisierten Bild des Singles umgeformt, dessen einzige
Aufgabe der persönliche Erfolg ist. Eine Selbstverwirklichung, welche zulasten des
sozialen Umfeldes führt, weg von der Aufgabe und dem Sinn familiärer Strukturen
der Versorgung und auch damit verbundenen Sicherheit früherer Zeiten hin zu ra-
dikalen, selbstbestimmten Lebensformen in den letzten Jahrzehnten. Vom Gemein-
wohl zum Einzelwohl, diese Liste ließe sich noch lange fortführen.
„Ist da die Demenz nicht ein naheliegender Rückzug aus einem Leben, das man –
genau betrachtet – nicht mehr führen kann“ (Gronemeyer 2013, S. 103)?
Anders formuliert, sind Menschen mit Demenz vielleicht die Zurückgebliebenen, die
Opfer unserer, von Beschleunigung besessenen Gesellschaft (vgl. Dammann/Gro-
nemeyer 2009, S. 194)? Gibt es überhaupt eine „soziale Ursache“ für die Demenz?
Erich Schützendorf (2008, S. 36), ebenfalls Autor zahlreicher Bücher zum Thema
Alter in der Gesellschaft, formuliert es so: „[…] einer Gesellschaft, die sich durch
Linearität auszeichnet, den Fort-schritt ohne Rück-sicht riskiert, den kritischen Dia-
log mit ihrer Vergangenheit scheut, einer solchen Gesellschaft ist das Alter unver-
söhnlich […] nicht mehr Schritt halten kann oder will und dadurch zum Störfall wird“.
Hier wird die Perspektive der Sozialpsychologie bei Menschen mit Demenz sichtbar
gemacht. Der alte Mensch mit kognitiven Defiziten reagiert auf sein soziales Umfeld,
ist es ihm möglich dabei mitzuhalten, wird die dabei entstehende Wechselwirkung
eine positive Stimmung und Interaktion bewirken. Wenn dies nicht gelingt, der Be-
troffene sich der ihm umgebenden Welt hilflos ausgeliefert fühlt, wird sich eine eher
negative Sozialpsychologie entwickeln. Dabei kann es zu einem Rückzug der Be-
troffenen kommen.
„Es scheint etwas Spezielles um die zur Demenz führenden Bedingungen zu sein,
fast so, als zögen sie eine besondere Art der Unmenschlichkeit, eine in ihre Auswir-
20
kung maligne, bösartige Sozialpsychologie auf sich, […]. Dies könnte als Abwehr-
reaktion, als eine Reaktion auf Ängste gesehen werden, die teilweise auf unbewuß-
ter Ebene bestehen“ (Kitwood 2008, S. 34).
3.2 Maligne, bösartige Sozialpsychologie
Dieser Begriff wurde von Tom Kitwood in den Neunziger-Jahren des vorigen Jahr-
hunderts geprägt. Er beschäftigte sich über Jahrzehnte sehr intensiv mit den sozi-
alpsychologischen Auswirkungen von Menschen mit Demenz auf deren Umgebung.
Diese von ihm sehr oft beobachtete, distanzierte Verhaltensweise im Umfeld von
Menschen mit Demenz beschreibt er einmal so: „Die in hohem Maße abwehrende
Taktik besteht darin, diejenige mit Demenz zu einer anderen Spezies zu machen,
die keine Person in der vollen Bedeutung des Wortes sind“ (Kitwood 2008, S. 34).
Wenn sie also keine Person im Verständnis der umgebenden Personen sind, kön-
nen sie auch nicht in gewohnten Interaktionsmustern in Verbindung treten. Also
kann sich hierbei auch grundsätzlich keine Gegenseitigkeit im vollen, humanen
Sinne ausbilden.
Das Ergebnis ist also für den Menschen mit Demenz die Einsamkeit. Es kann sich
die für eine fruchtbare, dialogische Beziehung so immens wichtige Zwischen-
menschlichkeit nicht entwickeln. Es erfolgt keine echte, authentische Kommunikati-
onsform, man redet nur in die ungefähre Richtung der betroffenen Personen, er-
reicht sie dabei aber nicht wirklich.
Man interagiert eben mit einem „Kranken“. Obwohl mit ihnen kommuniziert wird,
drängen spezifische, nonverbale Signale ihn in die Isolation. „Wo alle ringsum spre-
chen sinnt er dem Einen nach, Gott wird sie unterbrechen, wie er ihn unterbrach“
(von Vring 1975, zit. n. Ringel 1986, S. 109). Georg van der Vring war Lyriker, der
im Alter seine letzten Zeilen zu Papier brachte, um dann Suizid zu begehen.
Warum tendiert die Umgebung dieser Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen
zur Distanzierung und Ausgrenzung? Kitwood wiederum formuliert es so: „Dies
21
könnte als Abwehrreaktion, als eine Reaktion auf Ängste gesehen werden, die teil-
weise auf unbewußter Ebene bestehen. […] Demenz bei einem anderen Menschen
hat die Macht, Ängste beider Art auszulösen, einerseits in Verbindung mit Abhän-
gigkeit und Gebrechlichkeit und andererseits im Hinblick auf ein Wahnsinnigwerden.
[…] In der Nähe einer dementen Person sehen wir daher unter Umständen die er-
schreckende Vorwegnahme eines Zustandes, in den wir selbst eines Tages geraten
könnten“ (Kitwood 2008, S. 34).
Also werden dabei Ängste der umgebenden Personen mit Menschen mit Demenz
zum Auslöser für eigene, sehr massive Ängste. Diese bewirken folglich in der Inter-
aktion diese maligne Sozialpsychologie, was zur Ausgrenzung der Betroffenen
führt. Diese negative Dynamik lässt den Betroffenen keine andere Möglichkeit, als
sich in den Rückzug zu begeben. Durch diesen Rückzug werden wiederum negative
Synergien aktiviert, die Abwärtsspirale beginnt. „Einmal in dem Teufelskreis gefan-
gen, liefert der alte Mensch ständig selber den Nachweis, dass er nicht mehr ohne
Hilfe auskommt, er alleine nicht mehr entscheiden kann und zuletzt beaufsichtigt
werden muss“ (Schützendorf 2008, S. 31).
Durch das Nachlassen der geistigen Kräfte wird man den Alten und Bedürftigen
zugeordnet. Es werden Entscheidungen für sie getroffen, die Abhängigkeit erzeu-
gen und in weiterer Folge oftmals zur Institutionalisierung führen. Dies bewirkt bei
den Betroffenen Menschen eine Abnahme oder den Verlust der Identität und des
Selbstwertes, dadurch wird Verwirrung und Desorientierung verstärkt.
Letztendlich kommt es zu einer Flucht aus der unangenehmen Realität in die eigene
Vergangenheit. Schlussendlich wird man als hoffnungsloser Fall eingestuft, der so-
ziale Tod hat begonnen (vgl. Schützendorf 2008, S. 33).
3.2.1 Auswirkungen im Informellen Pflegeraum
Es werden in Österreich nach wie vor ca. 80 % der gesamten Pflegegeldbeziehe-
rinnen und -bezieher in häuslicher Umgebung betreut und gepflegt. Das sind aktuell
etwa 400.000 Pflegebedürftige, die primär durch Angehörige informell versorgt wer-
22
den. „Aktuellen Schätzungen zufolge, leben in Österreich 130.000 Personen mit ir-
gendeiner Form der Demenz“ (Österreichischer Demenzbericht 2014, S. 1). 80%
davon müssten demnach in häuslichen Settings betreut werden.
Pflegende Angehörige sind meist medizinisch-pflegerische Laien, haben somit
keine professionellen Zugänge zum Thema Demenz. Darüber hinaus ist die persön-
liche Betroffenheit bei einer Demenzerkrankung naher Angehöriger ein sehr großes
Thema. Dabei verändert sich die seit oftmals Jahrzehnten nahestehende Person in
ungewohnter Weise, die gewohnte Interaktion funktioniert nicht mehr. Es kommt zu
Stresssituationen, in der Folge zu Unverständnis, Distanzierung und Rückzug.
Andererseits fühlen sich die pflegenden Angehörigen zur Obsorge ihrer nahen An-
gehörigen verpflichtet. Diese Spannung äußert sich sehr oft in einer Überforderung.
Auch hier kommt es dabei sehr oft zu dieser negativen Spirale für die Betroffenen.
Ein Beispiel aus der Praxis zeigt eine mögliche Auswirkung solch einer negativen
Entwicklung in der häuslichen Pflege:
„Ein unangekündigter Hausbesuch der Sozialberatung nach einer Meldung
bzgl. Vernachlässigung/Misshandlung und Freiheitsbeschränkung einer, im
häuslichen Bereich betreuten, 80jährigen Frau. Das Zimmer im ersten Stock,
in dem sich die Pflegebedürftige aufhält, wird zuerst aufgesperrt. Dort findet
sich die Betroffene, apathisch am Tisch sitzend. Sie ist offensichtlich schwerst
desorientiert, kann einfache, realitätsorientierende Fragen nicht mehr adäquat
beantworten. Die Inkontinenzversorgung dürfte, dem Geruch nach zu schlie-
ßen, bereits des längeren nicht mehr gewechselt worden sein. Reste des Früh-
stücks finden sich noch am Tisch, es bestehen auch offensichtliche Anzeichen
einer Dehydration. Laut Aussage der pflegenden Angehörigen wird das Zim-
mer deshalb zugesperrt, weil ansonsten die Mutter in den unteren, gemeinsa-
men Wohnbereich käme. Außerdem bestehe die Möglichkeit, dass sie das
Haus verlasse und dann den Nachbarn zum Ärgernis wird“ (Haminger-Huber
2015).
23
Hier mündete die Überforderung der pflegenden Angehörigen in eine Vernachlässi-
gung und einer klassischen Unterversorgung. Man wollte mit der Mutter, die sich im
Lauf der Erkrankung von gewohnten Interaktionsmustern wegentwickelt hat, so we-
nig wie möglich zu tun haben. Ein zweites Beispiel zeigt eine andere Form der ne-
gativen Sozialpsychologie bei Menschen mit Demenz und deren Umfeld:
„Die Gattin pflegt ihren Mann seit drei Jahren. Dieser leidet an somatischen
sowie auch an kognitiven Defiziten. Demenzdiagnose seit vier Jahren, spezi-
elle Verhaltensänderungen werden beschrieben. Die Gattin wird bereits des
Öfteren nicht mehr erkannt, vor allem im Kontext nächtlicher Unruhephasen.
Eines Morgens wird der Betroffene bei dem Einsatz des mobilen Dienstes
somnolent angetroffen. Auffällig ist auch eine Atemnot. Nach einem Kranken-
hausaufenthalt wird eine Heimunterbringung vorgenommen, nachdem der
Einweisungsgrund eine massive Überdosierung mittels Haloperidol Tropfen
ergab. Es wurde ihm in besagter Nacht die zehnfache Dosis als vom Arzt ver-
ordnet, von seiner Gattin verabreicht“ (Haminger-Huber 2014).
Natürlich ist die Überforderung der pflegenden Angehörigen hierbei offensichtlich.
Aber bei geistig nicht beeinträchtigten Pflegebedürftigen kommt es viel seltener zu
Überforderungen. Die Kommunikation passiert in gewohnter Weise, Wünsche wer-
den situationsgerecht geäußert, Emotionen im gewohnten Rahmen erlebt. Das oft-
mals über Jahrzehnte gewohnte emotionale Verhalten des Angehörigen verinner-
licht nonverbale Signale, die das reale, zwischenmenschliche Moment umgeben.
Und dies fast ein Leben lang.
Dazu kommt noch der Rollenwechsel innerhalb der Familie, aus den souveränen
Eltern werden Betagte, Bedürftige. „In vielen Familien werden solche Erfahrungen
gesammelt, ändern sich die Rollen, aus den fürsorglichen Eltern werden Sorgebe-
dürftige“ (Klie 2014, S. 61).
Einerseits die Rollenkonfusion und andererseits das veränderte, emotionale Verhal-
ten. Durch die Diagnose Demenz und den damit sich veränderten Emotionsverhal-
ten zerbricht diese Beziehungsebene! Dies kann von den pflegenden Angehörigen
24
nicht akzeptiert werden, sie wollen wieder den für sie gewohnten Menschen haben.
Das „abweichende Verhalten eines alten Menschen“ (Schützendorf 2008, S. 36)
weckt in der Umgebung das Bedürfnis nach Erziehung. Der alte Mensch mit seinem
abweichenden Verhalten wird letztendlich zum Störfall (vgl. Schützendorf/Wallrafen
2012, S. 56).
Der vermeintlich Gesunde will sich vom offensichtlich Kranken so weit als möglich
distanzieren oder ihn auf ein Maß der Verträglichkeit, bezogen auf das Umfeld, mit-
tels Psychopharmaka verändern. „Wir betrachten Demenz als Schicksal des Einzel-
nen, von dem wir uns distanzieren, weil er so anders ist“ (Klie 2014, S. 160). Auch
historisch findet man viele Anhaltspunkte für das Verhalten einer Gesellschaft, die
versucht Menschen mit Krankheiten auszusondern. Vor allem bei Krankheiten, die
das Gehirn betreffen: „Immer geht es darum, Demenz weg zu machen“ (von Müller-
Hergl 2008, zit. n. Kitwood 2008, S. 10).
3.2.2 Auswirkungen in der stationären Versorgung
Man findet die negative Sozialpsychologie leider immer noch in professionellen Set-
tings, vor allem in den geriatrischen Langzeitpflegebereichen mit einem hohen De-
menzanteil, der mit etwa 65% beziffert wird (vgl. Demenzbericht 2014, S. 106). Auch
dort wird noch immer sichtbar, wie tiefsitzend die Ressentiments gegenüber dem
Menschen mit Demenz sind. Klassisch für solche Haltungen sind nachfolgende Ent-
wertungen der Betroffenen, sogenannte „Detraktionen“ (vgl. Wikipedia 2018e).
Man könnte sich auch grundsätzlich die Frage stellen, warum es in Österreich 2005
eines Heimaufenthaltsgesetzes bedurfte, worin freiheitsbeschränkende Maßnah-
men, gerade bei Menschen mit Demenz, genau geregelt wurden? Vielleicht doch,
weil das Grundrecht der persönlichen Freiheit immer wieder bei der Diagnose De-
menz missachtet wurde? Das soll nicht heißen, dass Zwangsmaßnahmen bei Men-
schen mit Demenz an der Tagesordnung waren. Diese sind und waren immer eine
Ausnahme, aber doch eine sehr regelmäßige! Leider auch noch immer nach 2005.
Dazu ein Beispiel aus der Praxis:
„Eine 76 jährige Frau S. wurde im Lauf von Monaten im betreubaren Wohnen
derart verhaltensauffällig, dass eine Heimunterbringung erfolgen musste. Sie
25
leidete an einer primären, progressiven Aphasie, eine Form der frontotempo-
ralen Demenz. Die Mobilität noch voll erhalten, kognitive Leistung aufgrund
der stark beeinträchtigten Sprache nicht beurteilbar. Der Heimalltag war an-
fänglich von Zimmer- und Hausflüchtigkeit geprägt. Ein Personensicherungs-
system, das eine Hausflucht über das Rufsystem meldet, wurde installiert und
der Bewohnervertretung im Sinne des Heimaufenthaltsgesetzes gemeldet. Im
Lauf von etwa vier Wochen beruhigte sich die Situation, die Bewohnerin ging
meist zweimal täglich eine Runde um das Heim und kehrte danach wieder
selbstständig in ihren Wohnbereich zurück. Dieser Erfolg konnte durch viel En-
gagement mancher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Wohnbereich erreicht
werden. Dies wurde von einem Teil des Pflegepersonals allerdings noch im-
mer nicht akzeptiert. Es wurde mit einer möglichen Selbstgefährdung der Be-
troffenen argumentiert. Diese kleine Gruppe setzte sich gegenüber allen an-
deren Pflege- und Betreuungspersonen durch und erwirkte für die Klientin eine
vom Gemeindearzt ausgestellte Zwangseinweisung auf die geschlossene Ab-
teilung der Psychiatrie. Von dort kam sie mit einer Umstellung ihrer Medika-
mente wieder zurück in das Pflegeheim. Dort war sie dann immobil, auf einem
Rollstuhl mittels Hosengurt aufgrund der vorherrschenden Sturzgefahr fixiert,
der vermeintlichen Harninkontinenz mittels einer Inkontinenzversorgung be-
gegnet. Die Gangunsicherheit war auf eine sehr hohe Dosierung atypischer
Neuroleptika begründet“ (Haminger-Huber 2016).
An diesem Beispiel kommt die Funktionspflegeorientierung doch deutlich in den
Vordergrund. Überdies kann man hier auch gut sehen, wie dann doch immer wieder
gesetzliche Regelungen zum Schutz der persönlichen Freiheit bei geistig beein-
trächtigten Menschen umgangen wird.
Offensichtlich waren die Pflegepersonen der Meinung, Menschen mit Demenz dürf-
ten das Heim nicht selbstständig verlassen. „Heime sind so bis heute vielfach Orte
des Ausschlusses“ (Klie 2014, S. 101). Abgesehen davon wird hier exemplarisch
die negative Abwärtsspirale der „bösen Sozialpsychologie“ (vgl. Kitwood 2008, S.
20) überdeutlich.
26
Man kann sich vorstellen, wie der Verlauf der Betroffenen weitergeht. Immobilität
birgt ein großes Risiko, noch dazu beschleunigt sich der Krankheitsverlauf, es kann
auch mangels Wertschätzung sogar zum finalen Rückzug kommen! Erich Schüt-
zendorf spricht provokant von einer „Abschiebung in die Beruhigung“ (Schützendorf
2008, S. 43). Gerade im professionellen Berufsfeld kann man schon immer eine
Tendenz erkennen, die Demenzkranken unter Kontrolle zu haben und zu halten. In
einer Berufsgruppe, die es eigentlich besser wissen müsste, herrscht ein Habitus,
der die allgemein gültigen Grundsätze der Humanität in Zweifel ziehen (vgl. Klie
2014, S. 143).
3.3 Die Evakuierung der Alten
In dem Roman „Schöne neue Welt“ (Huxley 1932) schreibt der Autor vor fast ein-
hundert Jahren über eine visionäre Zukunft der Gesellschaft, einer Vision einer end-
gültig technischen und kollektivierten Welt, in der die Versklavung der Massen und
deren durch Drogen garantiertes und genormtes Glück Hand in Hand gehen. In sei-
nem Werk wird beschrieben, wie die Alten in einer Anstalt untergebracht wurden.
„Die Moribundenklinik in der Schwanenallee war ein sechzig Stockwerke hoher, pri-
melgelber Kachelturm […] Abteilung für galoppierende Senilität“ (Huxley 1960, S.
190).
In den Zwischenkriegsjahren dachte sicher noch niemand an solche Visionen, wo
die Alten und Bedürftigen aus der Gesellschaft extrahiert werden, in einer Umge-
bung der professionellen Pflege versorgt und mit allen medizinischen und pflegeri-
schen Einsatz zu Tode versorgt werden. „Es war ein großer Raum, strahlend von
Sonnenschein und gelber Tünche, mit zwanzig Betten alle belegt. Filine starb in
Gesellschaft und mit allem modernen Komfort. Die Luft war voll von munteren syn-
thetischen Weisen. Am Fuß jeden Bettes, dem Sterbenden gegenüber, stand ein
Fernsehapparat, der gleich einem aufgedrehten Wasserhahn von morgens bis
abends lief. Alle Viertelstunde änderte sich das im Saal vorherrschende Parfüm“
(Huxley 1960, S. 190).
Wenn man die Gegenwart aus einem etwas anderen Blickwinkel betrachtet, sieht
man vielleicht eine zum Teil erfüllte Vision. Menschen mit Demenz, vor allem mit
27
schweren, reaktiven Verhaltensstörungen werden oft und gerne institutionalisiert. In
den Heimen gibt es ein reichhaltiges Angebot an sensorischen Stimulationen. Man
denkt dabei auch z. B. an das Snoezelen. „Unter Snoezelen wird der Aufenthalt in
einem gemütlichen, angenehm warmen Raum verstanden, in dem bequem liegend
oder sitzend, umgeben von leisen Klängen und Melodien, Lichteffekte betrachtet
werden. Das gezielt ausgesuchte Angebot steuert und ordnet die Reize, weckt In-
teresse, ruft Erinnerungen hervor und lenkt Beziehungen. Das Snoezelen soll im-
mer Wohlbefinden erzeugen. In der ruhigen Atmosphäre werden den Menschen
Ängste genommen und sie fühlen sich geborgen“ (Wikipedia 2018f).
Dazu kommt natürlich die medizinische Zuwendung mittels atypischer Neuroleptika,
die erst den Boden für solche Anwendungen bereiten. „Überspitzt formuliert, lassen
sich die Pflegeheime inzwischen geradezu als Drogenhochburgen beschreiben: 50
bis 60 Prozent aller Altenpflegeheimbewohner erhalten Psychopharmaka im enge-
ren Sinne, das heißt also vor allem Neuroleptika. 60 bis 80 Prozent der Bewohner
gelten als dement, und vor allem sie sind es, die diese Neuroleptika bekommen“
(Dammann/Gronemeyer 2009, S. 109).
Diese Aussage ist sicher eine zum Teil sehr provokative Sicht auf die institutionelle
Pflege der Menschen mit Demenz, aber ohne Provokation wird es kein Erwachen
geben. Es gibt in dieser Thematik auch gute Alternativen, doch diese müssen zuerst
als solche erkannt werden. Warum etwas anders machen, wenn doch Alles so gut
funktioniert, und die Betroffenen glücklich scheinen?
3.3.1 Institutionelle Entpersonalisierung von Menschen mit Demenz
„Die in hohem Maße abwehrende Taktik besteht darin, diejenigen mit Demenz zu
einer anderen Spezies zu machen, die keine Person in der vollen Bedeutung des
Wortes sind“ (Kitwood 2008, S. 34). Gerade in institutionellen Versorgungsräumen
ist immer wieder zu beobachten, dass Menschen mit Demenz von den Menschen
mit keiner kognitiven Beeinträchtigung getrennt betreut werden. Damit hat es den
Anschein, als hätten sie keine Gemeinsamkeit mit den „geistig Gesunden“.
Dabei kommt diese neuropathische Ideologie, welche die Demenz umgibt, zum Vor-
schein. Wenn man Menschen mit Demenz der Möglichkeit beraubt, mit anderen
28
Menschen in Kontakt treten zu können, werden sie auch entpersonalisiert, fühlen
sich von der Gesellschaft ausgeschlossen. Dadurch ist es auch nicht verwunderlich,
dass die Fluchttendenzen der Menschen mit Demenz zunehmen. Einerseits laufen
sie vor einer Umgebung der professionellen Ignoranz davon, andererseits sind sie
auf der Suche nach einer neuen Identität, denn die alte ist ihnen genommen worden.
Seitens des Pflegepersonals werden die Menschen zum Teil systemisch infantili-
siert sowie Methoden und Ansätze von Gerontologen durch fehlende Ausbildung
fehlinterpretiert.
„Wir sind Zeitgenossen einer hemmungslosen Infantilisierung des Alters, die sich
durchsetzen kann, weil das Eigene abgedankt hat. Vielleicht geht es ja nicht anders,
vielleicht tut es den dementen Alten gut, eine Plüschrobbe im Arm zu halten, aber
es ist dennoch ein Trauerspiel“ (Gronemeyer 2013, S. 120).
Personen der Pflege meinen, sie machen alles gut, nach Lehrbuch, und trotzdem
reagieren die Betroffenen mit Unruhe, Abwehr und Distanzierungsversuchen. „Men-
schen mit Demenz haben eine Geschichte, die sich nicht in ein bißchen Biographie-
arbeit erschöpft“ (Gronemeyer 2013, S. 76).
Das grundlegende Problem besteht darin, dass auch oder gerade bei den professi-
onell Pflegenden die Krankheit Demenz den Menschen überdeckt. Jetzt muss un-
bedingt eine eigene Betreuungs- oder Umgangsform gefunden werden. Dabei ist
nicht die personen- oder klientenzentrierte Methodik gemeint, diese wertet das Ge-
genüber nicht ab, sondern kommuniziert auf gleicher, humaner Ebene.
Man könnte es auch „Dehumanisationsnarrativ“ (von Welf-Gerrit 2013, zit. n. Klie
2014, S. 43) nennen, dass die Demenz-Szene erfasst hat und vor den professionell
Pflegenden nicht Halt macht. Im Gegenteil, man bekommt den Eindruck, als hielte
sich gerade dort diese Entmenschlichung am hartnäckigsten. „[…] im Handlungsfeld
Demenz, mit Institutionen der Altenpflege, bei denen nicht der Mensch, sondern die
Aufrechterhaltung der Arbeits- und Machtstruktur im Mittelpunkt steht, mit dem Pfle-
geideal der neutralen, technisch ausgerichteten PflegeexpertIn, die/der ihre/seine
29
abwehrgenährten Distanzrituale für Professionalität hält, mit der distanzlos ‚mütter-
lich‘ vereinnahmenden Pflegekraft, die im Gepflegten magisch sich selbst behandelt
und dies mit Charisma und Berufung verwechselt. Immer geht es darum, Demenz
‚weg zu machen‘ und sich der Aufgabe der Gestaltung eines personalen Lebens mit
Demenz nicht zu stellen. Am Ende werden Menschen mit Demenz zu Objekten“
(von Müller-Hergl 2008, zit. n. Kitwood 2008, S. 10).
In der Regel kann man noch immer die Funktionspflege-Schemata in den Pflege-
heimen beobachten. Man kümmert sich mit penetranter Genauigkeit um die soma-
tischen Bedürfnisse der kognitiv beeinträchtigen Menschen, als ob diese die zent-
rale Wirklichkeit darstellen würden. Den Rest des Tages wird der Mensch mit De-
menz dann alleine gelassen, einsam mit seinen Bedürfnissen, die gerade nicht im
somatischen Bereich angesiedelt sind!
Saubere Kleidung, ein guter Ernährungszustand, den Wunsch der Pflege entspre-
chendem Verhalten, alles soll gut dokumentierbar und der Pflegeprozess gut plan-
bar sein. Erfolg über „Handarbeit“ zu beziehen. Stunden über Stunden verbringt der
Bewohner dann in seinem gesetzlich zugeschriebenen Einzelzimmer. Wenn diese
Maßnahmen nicht funktionieren und das Verhalten des Betroffenen nicht die Dank-
barkeit widerspiegelt, welche die Pflegenden verdient hätten, kommt es eben zu
Umerziehungsmaßnahmen. Sie werden in die Beruhigung abgeschoben oder gna-
denlos aktiviert und mobilisiert (vgl. Schützendorf 2008, S. 43-47).
Dabei hat der institutionalisierte Mensch mit Demenz lediglich die Wahl, als leicht
führbar oder als schwierig zu gelten (vgl. Schützendorf 2008, S. 27). Es ist natürlich
nicht so, dass somatische Bedürfnisse nicht wichtig wären. Sie bilden sozusagen
die Basis für die so notwendige sozial-psychische Pflege und Betreuung. Nur pas-
siert diese dann nicht.
Oftmals entsteht der Eindruck, die professionell Pflegenden wollen keine Beziehung
auf humaner Ebene zum Menschen mit Demenz aufkommen lassen, sondern sie
30
möchten lediglich die Demenz als Krankheit werten. Dies ist ein trauriger Betreu-
ungsmodus, welcher in der institutionellen Pflege – leider immer noch allzu oft und
absolut nicht mehr zeitgemäß – vorkommt.
31
4 Demenz fest im Griff
Nachdem die Bestrebungen, Menschen mit Demenz aus der Leistungsgesellschaft
zu extrahieren und an umgrenzten Orten zu gettoisieren, noch immer gängiger Mo-
dus ist, wird ein dortiger Verbleib die logische Schlussfolge sein. Man will den Be-
troffenen dort ortsfest machen. Dies wird besonders bei Verhaltensauffälligkeiten
wie Zimmer- und/oder Hausflüchtigkeit erkennbar. Dann erfolgen zum Teil freiheits-
beschränkende, ortswechselunterbindende Maßnahmen ohne oder gegen den Wil-
len der Betroffenen im Sinne der geltenden, gesetzlichen Regelungen.
Dies wird mit dem Paradigma „Sicherheit durch Beschränkung vor Freiheit mit mög-
lichem Schadenseintritt“ begründet. Ein Habitus von Pflegenden, der weit in deren
Vergangenheit zurückreicht und leider noch immer zum Teil für die Gegenwart be-
stimmend ist. Hier ein Ergebnis einer Befragung von Pflegenden: „Es zeigt sich,
dass die Interviewten sich für die Sicherheit der Bewohner in hohem Maße verant-
wortlich fühlen und dass sie ihre Fürsorgepflicht sehr ernst nehmen. Verletzt sich
ein Bewohner, so werden formelle und informelle Sanktionen befürchtet. In diesem
Kontext tragen Freiheitsbeschränkungen auch zur Befriedigung der Schutzbedürf-
nisse der Pflegenden bei, da diese ihrer Einschätzung nach einem Schadensereig-
nis entgegenwirken können“ (Schatz/Müller/Puchner 2014, S. 69 f.).
Primär wird sich die Beschränkung auf die Station, den Wohnbereich oder das Zim-
mer der Bewohnerin oder des Bewohners auswirken. Wenn dies nicht zielführend
erscheint, erfolgt meist eine weitere Einengung der Bewegungsmöglichkeit. Die
Prävalenzrate von Freiheitsbeschränkungen bei 18 Pflegeheimen in Österreich
ergab im Rahmen einer Untersuchung 34,6% (vgl. Schüssler 2009, S. 13).
Im extramuralen Raum liegt die Zahl der beschränkten Personen laut einer Unter-
suchung in Kärnten bei 17,19% (vgl. Dolcic 2014, S. 73). Im Abschlussbericht des
Vertretungsnetzes Sachwalterschaft 2016 wird von insgesamt 20.500 aufrechten
Freiheitsbeschränkungen berichtet. Davon finden 13% in geriatrischen Heimen statt
(vgl. Vertretungsnetz 2016, S. 8).
32
Die vier häufigsten Formen sind Beschränkungen im Bett, am Sessel/Rollstuhl, das
Hindern am Verlassen eines Bereiches und eine Medikation (vgl. Vertretungsnetz
2016, S. 8). Wenn man davon ausgeht, dass die häufigste Indikation für eine Unter-
bindung des Ortswechsels einer Person die Demenz darstellt, kann von einer sehr
hohen Zahl in ihrer Freiheit beschränkten Menschen mit Demenz ausgegangen wer-
den. Die Demenz fest im Griff! „Heimleiter als Geiselnehmer“ (von Dörner 2009, zit.
n. Klie 2014, S. 102)?
33
5 Emotionale Provokation
Das Phänomen der verstärkten Emotionalität bei Menschen mit Demenz ist an sich
nicht neu (vgl. Kitwood 2008, S. 118). Häufig wird aus der neuropathischen Sicht-
weise mit der nachlassenden kognitiven Funktion als Kontrolle über die Gefühle ar-
gumentiert. Dabei verliert man im Verlauf der Demenz die kognitive Kontrolle als
höhere kortikale Funktion, das Gefühlserleben wird direkter, Emotionen werden un-
gefiltert ausgelebt.
Aus dieser Perspektive wird immer der Störfaktor in den Vordergrund kommen, wird
dann auch so erlebt. Die Emotionen, die scheinbar in keinem Zusammenhang mit
realen Bedürfnissen stehen, erscheinen unsinnig und unpassend. Sie provozieren
damit nur das Umfeld. Diese als Provokation empfundene emotionale Konfrontation
löst beim Gegenüber ebenfalls Gefühle aus, die sich folgend auch in emotionalen
Reaktionen zeigen.
Gerade beim Typus der frontotemporalen Demenz wird davon ausgegangen, dass
dieser spezifische Teil des Gehirns für die Gefühlskontrolle zuständig ist. Hier wird
auch immer wieder mit einem sehr alten Fall einer Kopfverletzung mittels einer Ei-
senstange argumentiert. Der sogenannte Fall des Phineas Gage. Dieser Herr ar-
beitet bei einem Bautrupp de Eisenbahn in Neuengland 1848. „Gerade hat Gage
Pulver und Zündschnur in einem Bohrloch verstaut und seinem Helfer aufgefordert,
das Ganze mit Sand abzudecken. Da ruft jemand von hinten, und Gage blickt einen
Augenblick lang über seine rechte Schulter zurück. Dadurch abgelenkt, beginnt er,
noch bevor sein Helfer Sand eingefüllt hat, den Sprengstoff direkt mit der Eisen-
stange zu bearbeiten. Augenblicklich schlägt er Funken aus dem Felsen, und die
Sprengladung explodiert ihm ins Gesicht“ (von Harlow 1848, zit. n. Damasio 2006,
S. 26).
Diese Eisenstange durchschlug das Frontalhirn, Gage überlebte den Unfall schwer
verletzt. Nach langer Zeit kam er wieder zu Kräften und genas physisch wieder voll-
ständig. Psychisch wird jedoch von einer starken Veränderung seiner Persönlichkeit
berichtet. Launisch, respektlos, flucht auf abscheuliche Weise und zeigt plötzlich
‚animalische Neigungen‘. Hat jetzt im Gegensatz zu vorher keine Achtung vor den
34
Mitmenschen, entsetzlich halsstarrig. Während er sich in seinen geistigen Fähigkei-
ten und Äußerungen auf der Entwicklungsstufe eines Kindes befindet, hat er doch
die ‚animalischen Leidenschaften‘ eines starken Mannes (vgl. von Harlow 1848, zit.
n. Damasio 2006, S. 31).
Erinnert diese spontane, unpassende Emotionalität im umgebenden gesellschaftli-
chen Kontext und die Rückentwicklungstendenz in Richtung Kindheit nicht an die
Menschen mit Demenz und deren speziellen Verhaltensweisen?
Außerdem kann aufgrund der zeitgemäß immer besseren Bildgebung in der De-
menzdiagnostik eine Reduktion der Hirnmasse in den verschiedensten Gebieten
deutlich sichtbar gemacht werden. Die präfrontale Demenz ist organisch begründ-
bar und korreliert mit dem Verhalten des Phineas Gage lehrbuchmäßig. Die nächste
Demenzform ist als zweites Stigma für den betroffenen Menschen und ein Ärgernis
für sein Umfeld.
Nachfolgend wird versucht, die sogenannten herausfordernden Verhaltensweisen
bei Menschen mit Demenz mit den provozierten Emotionalen Reaktionen der Pfle-
gepersonen in Zusammenhang zu stellen.
5.1 Herausforderndes Verhalten
Das Verhalten des Menschen mit Demenz fordert seine Umwelt heraus, er provo-
ziert sie. Diese speziellen Verhaltensweisen werden als nicht kognitive, sekundäre,
verhaltensbezogene oder psychologische Symptome bezeichnet.
Für das Verhalten selbst finden sich einige Begrifflichkeiten: Verhaltensauffälligkeit,
-störung oder -probleme. Hier wird die defizitorientierte Sichtweise wieder ganz
deutlich, welche sich ausschließlich auf die Krankheit und das Umfeld des Betroffe-
nen bezieht. „Der Begriff Verhaltensauffälligkeiten wird häufig dann verwendet,
wenn ein Verhalten der Norm nicht entspricht und ‚auffällt‘, ähnlich verhält es sich
mit dem Begriff der Verhaltensstörungen oder Verhaltensprobleme. Diese Bezeich-
nungen enthalten eine bewertende Komponente, die eine negative Konnotation hat.
35
Die Fokussierung auf das ‚Abstellen‘ des Verhaltens ist die Folge“ (Schwarz 2006,
S. 13f.).
5.1.1 Reaktionen auf psychologische Symptome
Allgemein werden die psychologischen Symptome als Störungen des Affektes be-
schrieben. Mögliche Auswirkungen wären dabei Depressionen, Euphorie und
Angst. Weitere Symptome sind Schlaflosigkeit, Wahnvorstellungen, Misstrauen,
Halluzinationen und Störungen des Antriebs (vgl. Pazeller 2007, S. 1).
Während die Depression und die Angst vor der Umgebung eher toleriert werden,
sind die Wahnvorstellungen und die Halluzinationen die ‚bedrohlichen‘ Ereignisse.
Durch diese Verhaltensweisen wird die Umgebung des Betroffenen realistisch her-
ausgefordert. Diese wird herausgefordert zu reagieren und zu interagieren. Meist
zeigen sich paranoide Äußerungen im Kontext von Beschuldigungen.
Geld wurde gestohlen, Bedrohungen von anderen Personen wurden wahrgenom-
men oder es wurde sogar nach dem Leben getrachtet. Personen der Umgebung
fühlen sich dadurch belastet, persönlich beschuldigt und reagieren mit Zurückwei-
sung. Häufige Reaktionen des Pflegepersonals sind dann Distanzierung und De-
nunzierung der betroffenen Personen.
Wenn dies alles erfolglos ist, beginnt die interdisziplinäre Zuhilfenahme chemisch-
pharmazeutischer Zuwendung mittels ärztlicher Verordnung, um die Bedrohung für
die persönliche, emotionale Balance und das Wohlbefinden abzuwenden. Pflege-
personen reagieren oft mit emotionaler Blockade und sie können in dem Moment,
das ‚Bedürfnis hinter dem Bedürfnis‘ der Betroffenen nicht sehen. Dazu ein Beispiel
aus der Praxis:
„Die Bewohnerin Fr. R. des Pflegeheimes, 82 Jahre alt, zeigt gerade während
der Abendstunden ein herausforderndes Verhalten. Sie fühlt sich in ihrem
Wohnbereich von drei Männern bedroht, die ausschließlich nur sie wahrnimmt.
Diese Bedrohung veranlasst sie regelmäßig, in das Dienstzimmer der Pflege
Zuflucht zu nehmen. Dort fordert sie das Personal auf, sie vor diesen drei Män-
nern zu schützen. Nach einigen Tagen zweckloser Interventionsversuchen
36
seitens des Pflegepersonals wird der behandelnde Arzt gebeten, eine Medi-
kation mittels Risperidon zu beginnen, da das paranoide Verhalten der Bewoh-
nerin mit Demenz den Ablauf des Abenddienstes soweit störe, dass es zu
ernsthaften Verzögerungen in der Versorgung der anderen Bewohner kom-
men würde. Nach zwei Wochen erfolgter Medikation stürzte besagte Bewoh-
nerin und zog sich eine Oberschenkelhalsfraktur zu. Nach dem Krankenhaus-
aufenthalt war sie in fast allen Bereichen des täglichen Lebens von Hilfe Dritter
abhängig, immobil und im Verhalten passiv. Im Rahmen einer Biographie Er-
stellung für besagte Bewohnerin mit Hilfe der Angehörigen von engagierten
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Pflege wurde bekannt, dass Fr. R. mit
einem Mann verheiratet war, der Alkoholprobleme hatte und häufig seine Gat-
tin verbal und physische bedrohte. Berichtet wurde auch über drei Mordversu-
che an seiner Gattin. Beim letzten Versuch wurde er angezeigt, verurteilt und
musste für lange Zeit in eine Strafanstalt“ (Haminger-Huber 1998).
Offensichtlich kamen bei Fr. R. diese drei traumatischen Erlebnisse, welche im
früheren Leben extrem bedrohlich waren, im Alter in verkleideter Form einer Para-
noia wieder zum Vorschein. Diese mögliche Verbindung des aktuellen Verhaltens
mit der persönlichen Vergangenheit der Betroffenen wurde jedoch lediglich von sehr
wenigen Personen in der Pflege des besagten Heimes akzeptiert. Während jüngere
Menschen das Ziel haben, ihre Gefühle unter Kontrolle zu haben, möchten alte und
sehr alte Menschen ihre unbewältigten Konflikte aus ihrem früheren Leben durch
Ausdruck der Gefühle lösen (Feil 2000, S. 35).
Pflegepersonen werden im Rahmen der Betreuung von Menschen mit Demenz sehr
oft mit der Emotion Angst konfrontiert. Durch die Tatsache der Kontrolle über die
Gefühle bei jüngeren Generationen wird diese Emotion jedoch abgewiesen. Dabei
wird die durch den Betroffenen erzeugte Angst bei den Personen der Pflege als
Bedrohung für sich selbst erlebt und wirksam, wenn keine professionelle und per-
sonenzentrierte Perspektive eingenommen wird. Aus der erlebten Angst des Be-
troffenen wird eigene Angst. Diese Angst blockiert die soziale Kompetenz der Pfle-
genden und wirkt sich entsprechend auf die Menschen mit Demenz aus.
37
Dieses Phänomen der Gefühlsübertragung oder Gefühlsansteckung wird als nega-
tive Form der Gefühlsansteckung oder als „emotional contagion“ beschrieben (vgl.
Wikipedia 2018g). Wenn dabei seitens der Pflege nicht professionell reflektiert wird,
kommt es zu der verhängnisvollen Wechselwirkung, wobei der als Bedrohung wahr-
genommene Betroffene ‚sanktioniert‘ wird.
5.1.2 Reaktionen auf verhaltensbezogene Symptome
Bei diesen Reaktionen sind die motorischen Auffälligkeiten im Vordergrund. Agita-
tion, Aggressionen, zielloses Umherwandern, Bett- und Hausflucht, Tag/Nacht Um-
kehr, Schreien, Perseverationen und Enthemmungen werden dabei beschrieben
(vgl. Gutzmann 2018).
Als zentrales Phänomen kann dabei die Unruhe genannt werden. Pflegende und
Mitbewohner wollen jedoch einen ruhigen und geregelten Tagesablauf. Dieser
strukturierte Rahmen gibt Halt und Sicherheit. Der Mensch mit Demenz mit seiner
ständigen Unruhe und Unberechenbarkeit wird in der Umgebung ebenfalls mit in-
nerer Unruhe und Unsicherheit reflektiert. Hier kommt der oben beschriebene Effekt
der Störung des Alltages im Pflegebetrieb sehr deutlich zum Vorschein.
Darüber hinaus verspüren die Pflegenden Ohnmacht gegenüber der Situation und
reagieren dann selbst mit einem gewissen Aggressionslevel gegenüber dem Be-
dürftigen. So zeigen doch immer wieder durch Medien oder Kontrollberichten nach
Visitationen der Heimaufsicht oder der Volksanwaltschaft bekanntgewordene Ein-
zelfälle, dass dies ein prekäres Thema ist. Ein Auszug aus dem Bericht der Volks-
anwaltschaft 2016 sollte dies verdeutlichen:
„Dass Pflegebedürftige, insbesondere wenn sie sich nicht an die Rahmenbe-
dingungen anpassen können, Gefahr laufen, nicht mehr als Subjekte, sondern
als „Problem“ wahrgenommen zu werden, zeigt sich mitunter an abwertenden
Eintragungen in Pflegedokumentationen. Formulierungen wie „Bewohner
heute wieder bockig“, „Bewohnerin unerträglich“ oder „Bewohnerin nicht ko-
operativ“ werden vom NPM auch deshalb beanstandet, weil damit ausgedrückt
wird, Bewohnerinnen und Bewohner hätten sich den Pflegestrukturen anzu-
passen. In früheren Stadien der Demenz sind viele Betroffene noch in der
38
Lage, ihre Bedürfnisse, Wünsche und auch ihre Ablehnung zu verbalisieren.
Diese Fähigkeit schwindet im Verlauf der Erkrankung und Menschen mit De-
menz sind immer mehr darauf angewiesen, dass an sie sinnerfüllende Be-
schäftigungsangebote von Dritten (Pflegenden oder Betreuenden) herangetra-
gen werden. Das Fehlen personenzentrierter Konzepte führt dazu, dass in
manchen Einrichtungen Beschäftigungsangebote nicht auf die kognitiven Fä-
higkeiten dementer Bewohnerinnen und Bewohner abgestimmt sind“ (Kräu-
ter/Brinek/Fichtenbauer 2016, S. 38).
Weiters wird in diesem Bericht klar, dass Gewalt und Übergriffe durch Pflegende in
einer sehr subtilen Art und Weise noch viel zu häufig vorkommen:
„Wenn auch die Verschreibung von Medikamenten ausschließlich im Bereich
ärztlicher Kompetenz liegt, so erfolgt die Initiative dazu in der Praxis häufig
durch Pflegepersonen. Weil die Zeit für Zuwendung und Aufmerksamkeit fehlt,
sehen Pflegekräfte in pharmakologischen Beeinflussungen eine Möglichkeit,
belastende „Störungen“ im Heimbetrieb auszuschalten und geordnete Abläufe
in den Wohnbereichen sicherzustellen“ (Kräuter et al. 2016, S. 46).
Aus diesem Bericht tritt klar hervor, dass die als ‚Störung‘ empfundenen Verhaltens-
weisen gerne unterbunden werden, um den Schein eines geregelten Heimbetriebs
zu wahren. Auf Kosten der ‚motorisch auffälligen‘ Menschen mit Demenz steht das
Sicherheitsempfinden der Pflegenden im Vordergrund.
39
6 Das Entscheidende ist immer der Mensch
Mit diesem Zitat von Viktor Frankl (2007, S. 218) wäre bereits alles gesagt. In die-
sem Kapitel wird der Paradigmenwechsel von der Krankheit zum betroffenen Men-
schen näher beleuchtet. Gleichwohl Carl R. Rogers als Begründer der personen-
zentrierten Psychotherapie bekannt wurde, wird in diesem Kapitel auch Viktor
Frankl als weiterer Begründer der humanistischen Richtung der Psychotherapie
zum Thema Menschen mit Demenz befragt. Bereits im Vorwort eines seiner Bücher
kommt eine sehr wesentliche Erkenntnis zum Vorschein: „Ein echter Massenwahn
der heutigen Menschheit besteht in dem Irrglauben, es habe nur dasjenige reale
Existenz, was sich in der Sprache der exakten Naturwissenschaften ausdrücken
und quantifizierend beweisen läßt. Damit wird die ganze Welt der Emotionen, wer-
den menschliche Würde und Freiheit, kurzum alles, was einen wirklichen Wert dar-
stellt, für Illusion erklärt“ (von Lorenz 1979, zit. n. Frankl 2007, S. VIII).
Mechanistisches Menschenbild kontra humanistisches? Hier kommt deutlich die
Kluft zwischen Naturwissenschaften und Humanwissenschaften aus der Feder des
bekannten Konrad Lorenz zum Vorschein.
Wenn das Entscheidende immer der Mensch ist, dann kann dabei von einem hu-
manistischen Menschenbild ausgegangen werden. Diese Perspektive ist grundle-
gend positiv. Sowohl Rogers als auch Frankl gehen von einer Selbstheilungsten-
denz des Betroffenen aus, egal wie abhängig er von der Hilfe Dritter zu sein scheint.
Durch das augenscheinlich Hoffnungslose scheint Hoffnung, aus Defiziten werden
Zustände, die sich aus einem humanistischen Blickwinkel vielleicht als notwendige
und persönliche Krisen als Anfang einer neuen Chance identifizieren lassen. Nicht
dem Alter ausgeliefert zu sein, vielleicht letzte Möglichkeiten eines human notwen-
digen Transformationsprozesses zu erkennen. Nicht nur dem letzten Lebensab-
schnitt einen Sinn zu geben, sondern Leben immer zuzugestehen. Würde und Wert-
schätzung im letzten Abschnitt eines persönlichen Lebens anerkennen, auch wenn
es aus der bekannten Norm fällt! Nicht nur das Berufsfeld Pflege kann von diesen
großen Humanisten lernen!
40
Gerade die Auseinandersetzung mit Carl Rogers erscheint erforderlich, da viele so-
genannte Beziehungspflegemodelle zur Demenzbetreuung von der klienten-
zentrierten Therapie abgeleitet wurden.
41
7 Personenzentrierte Interaktion nach Carl R. Rogers
Die Grundhaltung der personenzentrierten Gesprächsführung benennt Rogers in
den drei Säulen für eine gelungene Kommunikation: Empathie, Kongruenz und Ak-
zeptanz. Diese tragenden Elemente der personenzentrierten Gesprächstherapie
werden hier näher definiert.
7.1 Empathie
Unter Empathie versteht man das einfühlende Verstehen, das nichtwertende Ein-
gehen, also das echte Verständnis einer Person. Ist der Therapeut in einer Bezie-
hung kongruent, so lässt er sich auf sein Gegenüber ein und sieht die Welt mit des-
sen Augen. Er ist also darum bemüht, den Klienten in seinem Erleben zu verstehen.
Rogers beschreibt dieses einfühlsame Verstehen als einen Vorgang im Gespräch,
in welchem der Therapeut die Gefühle und persönlichen Bedeutungen seines Kli-
enten erlebt und ihm dieses Verständnis auch mitteilt.
Unter optimalen Umständen ist der Therapeut so sehr in der privaten Welt des an-
deren eingetaucht, dass er oder sie nicht nur die Bedeutung klären kann, deren sich
der Patient bewusst ist, sondern auch jene knapp unterhalb der Bewusstseins-
schwelle. Da es sich bei diesem Verständnis aber um jenes des Therapeuten han-
delt, kann es unter Umständen zu gravierenden Missverständnissen kommen. Denn
um einen Klienten richtig verstehen zu können, muss man in der Beziehung zu ihm
zuallererst einmal davon ausgehen, dass weder er – und noch weniger man selbst
– seiner gesamten inneren Welt bewusst ist.
Diese innere Welt, bestehend aus Gefühlen, Empfindungen und mit Wertungen ver-
bundenen Erfahrungen und Wahrnehmungen, muss nun auf einem langen Weg der
Selbstexploration gemeinsam offengelegt werden. Durch ständiges Feed-Back ver-
sucht der Therapeut selektiv und mit eigenem Worten die Gefühle und Erlebnisse
seines Gegenübers aufzugreifen. Im Anschluss versucht er dann die von ihm ver-
standene Erlebniswelt an diesen wieder zurückzugeben.
42
So kann er immer weiter in die Welt des Klienten eintauchen, welcher sich immer
weiter öffnen wird, weil er sich von seinem Gegenüber verstanden fühlt. Denn er
merkt so auch, dass er verstanden werden will (vgl. Kreuziger 2000).
7.2 Kongruenz
Unter diesem Begriff versteht Rogers Echtheit, Unverfälschtheit und Transparenz
seitens des Therapeuten. Dabei macht Rogers klar, dass es dem Klienten in seiner
Beziehung nur möglich ist zu wachsen, wenn ihm der Therapeut so gegenübertritt,
wie er wirklich ist. Das heißt, dass er in dieser Beziehung und in diesem Moment
selbst auch Mensch ist und nicht etwa nur aufgrund seiner Profession auf einer hö-
heren Ebene als der Klient angesiedelt ist. Er darf also auch über seine Gefühle und
Einstellungen offen reden.
Der Therapeut darf sich also nicht hinter Fassaden, Rollen und Floskeln verstecken,
sondern muss sich auch in die Situation gerade auch emotional einbringen können
und eine unmittelbare echte Beziehung von Person zu Person eingehen. Dabei darf
er sich selbst als Person nicht verleugnen, darf keine Abwehrhaltung einnehmen
und vor allem muss er sich als Helfer seines Gegenübers verstehen. Dieser kann
somit aus dieser Beziehung ebenfalls gestärkt und mit neuen Erfahrungen hervor-
gehen. Diese Transparenz ermöglicht das Vertrauen des Klienten, der sich so sei-
nem Gegenüber öffnen und mit dessen Unterstützung und Hilfe selbst erforschen
kann.
Inkongruenz würde dem Klienten sofort auffallen. Tonfall, Mimik und Gestik, also
Signale auf verbaler und nonverbaler Ebene, liegen dem Klienten sofort offen und
er würde sich nicht verstanden fühlen und sich demzufolge verschließen.
Dies alles setzt natürlich eine starke Persönlichkeit des Helfenden voraus. Entschei-
dend für diese Einstellung ist also die menschliche Substanz des Therapeuten. Er
muss sich in dieser Beziehung selbst erleben, wahrnehmen und einbringen können.
Dabei besteht eine genaue Übereinstimmung oder Kongruenz zwischen dem kör-
perlichen Empfinden, dem Gewahrsein und den Äußerungen gegenüber dem Kli-
enten (vgl. Kreuziger 2000).
43
7.3 Akzeptanz
Rogers beschreibt diese Grundhaltung als das Akzeptieren, die Anteilnahme oder
Wertschätzung des Therapeuten gegenüber den Gefühlen und Äußerungen seines
Klienten. Wenn der Therapeut eine positive, akzeptierende Einstellung gegenüber
dem Klienten in diesem Augenblick erlebt, dann wird es mit größerer Wahrschein-
lichkeit zu einer therapeutischen Bewegung oder Veränderung kommen. Der Thera-
peut ist gewillt, den Patienten sein jeweiliges momentanes Gefühl ausleben zu las-
sen – Verwirrung, Groll, Furcht, Zorn, Mut, Liebe und Stolz. Dies bedeutet nicht,
dass der Therapeut diesen Gefühlen unbedingt zustimmen muss. Wichtig ist jedoch,
dass er sein Gegenüber in seinem momentanen Zustand ohne Wertung und Vorur-
teil annimmt.
Erreichen kann man diese positive Wertschätzung nur, indem man sein Gegenüber
als eigenständigen Menschen respektiert, mitsamt seiner Gefühlswelt und den dar-
aus resultierenden Handlungen. Auch eigene Werte, Meinungen und Empfehlungen
sollen dem Gegenüber nicht aufgezwungen werden, auch wenn diese auf den ers-
ten Blick gut gemeinte Ratschläge zu sein scheinen.
Der Therapeut muss sich immer wieder verdeutlichen, dass er einer Person in deren
ganzen Einzigartigkeit gegenübersitzt. Dieses Individuum ist, genau wie der Thera-
peut selbst, zuallererst ein Mensch. Er setzt sich zusammen aus eigenen Gefühlen,
eigenen Problemen und eigenen Verhaltensweisen und -mustern. Kann der Thera-
peut dies verstehen, erleben und seinem Gegenüber akzeptierend entgegenbrin-
gen, so wird auch jener lernen, sich zu verstehen, zu akzeptieren und zu achten
(vgl. Kreuziger 2000).
44
8 Die Logotherapie von Viktor Frankl
Auch Frankl hat seine Logotherapie immer als eine Rehumanisierung der Psycho-
therapie betrachtet (vgl. Riemeyer 2007, S. 15). Anscheinend war in diesem Fach-
gebiet ebenfalls zu den Zeiten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine nicht
humanzentrierte Psychotherapie im Vordergrund. Frankl sah den Menschen immer
als ein Wesen, dass auf der Suche nach seinem Sinn ist. „Die Psychoanalyse
Freuds als Trieblehre war ihm insgesamt zu deterministisch, zu mechanistisch und
vor allem zu psychologistisch. Sie vertrat keine Werte und blendete nach seiner
Meinung die humane Dimension aus. Im Laufe der Zeit gelangte Frankl so zu einer
extremen Ablehnung der Psychoanalyse“ (Riemeyer 2007, S. 27).
8.1 Einstellung des Therapeuten
„Der Therapeut muss sich immer wieder aus der Sachlichkeit in die Menschlichkeit
zurückrufen […] Nicht Therapeuten und Patient sollen aufeinandertreffen, sondern
Menschen – Menschlichkeit und Mitmenschlichkeit sind ein zentrales Anliegen der
Logotherapie. […] Dafür muss der Therapeut den Rahmen seiner Rolle sprengen
und seine persönlichen Gefühle und Gedanken offenbaren“ (Riemeyer 2007, S.
152). Aus diesem Zitat ist die Nähe zur Arbeits- und Denkweise von Rogers im hu-
manistischen Kontext sehr gut ersichtlich. „Die Logotherapie ist, wenn man von ih-
ren inhaltlichen Aussagen absieht, eine therapeutische […] Gesprächsform. Das
rückt sie in die Nähe anderer zu ähnlichem Zweck konzipierter Gesprächsform, ins-
besondere der klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie nach Carl Rogers.
Beide sind darauf ausgerichtet, ein empathisches vertrauensbildendes Kommuni-
kationsklima zu schaffen. In beiden Therapierichtungen kommt es auf die unbe-
dingte Annahme der Person durch den Therapeuten und auf die Echtheit seiner
selbst an“ (Riemeyer 2007, S. 153).
Darüber hinaus beinhaltet die Logotherapie immer die Frage nach dem Sinn und
einer Aufgabe im Leben. Gerade in der Begegnung mit hochbetagten Menschen ist
diese Dimension ungemein wichtig. Besonders in dieser Gruppe von Menschen
kann man oft den Zweifel, ja die Verzweiflung an der scheinbaren Sinnlosigkeit im
letzten Lebensabschnitt beobachten. Vor allem bei Menschen mit kognitiven
Schwierigkeiten wird dies subjektiv doppelt wirksam. In diesem Lebensabschnitt
45
existiert durch die teilweise zunehmende Abhängigkeit von Dritten eine gewisse
Sinnlosigkeit. Außerdem verliert man die kognitive Kontrolle über die persönlichen
Prioritäten und kann Gefühle nicht mehr adäquat unter Kontrolle halten.
Gerade in diesem Bereich des Lebens ist die Frage nach einer Aufgabe sehr wich-
tig. Diese kann nur vom Betroffenen selbst beantwortet werden. Bei Frankls Logo-
therapie sind grundsätzlich zwei Methoden bekannt, welche nachfolgend erläutert
werden.
8.2 Dereflexion
Die Dereflexion ist als therapeutisches Korrektiv zur krankhaften Selbstbeobach-
tung geeignet. Dabei werden für den Klienten negativ wirksame Selbstbeobach-
tungstendenzen ignoriert und auf etwas anderes gelenkt. Dies wird vor allem bei
psychischen Erkrankungen wirksam. Manche Klienten zeigen sehr eindrucksvoll,
dass man auch an bestimmten Krankheiten ‚vorbeileben‘ kann. Die Dereflexion hat
zum Ziel, übersteigerte Selbstbeobachtung abzubauen und seine Aufmerksamkeit
auf in seiner Situation enthaltenen Werte und Sinnverwirklichungsmöglichkeiten zu
lenken (vgl. Riemeyer 2007, S. 157). In der Welt der geriatrischen Pflege könnte
dies mit den Begriffen Defizite und Ressourcen übersetzt werden. Ein jeder Mensch
hat noch in gewisser Weise Ressourcen im Hinterhof, sie müssen lediglich aktiviert
werden.
8.3 Paradoxe Intention
„Humor ist die Begabung eines Menschen, der Unzulänglichkeit der Welt und der
Menschen, den alltäglichen Schwierigkeiten und Missgeschicken mit heiterer Ge-
lassenheit zu begegnen. […] Diese besagt, dass wir immer dann lachen, wenn ein
überraschender Wechsel zu einer anderen, meist trivialeren Sichtweise stattfindet.
Es wird also eine gegebene Situation aus zwei unterschiedlichen Perspektiven be-
urteilt, wobei es sich bei einer dieser Perspektiven meist um eine einfachere bzw.
unzulängliche Sichtweise handelt“ (Wikipedia 2018h).
Die paradoxe Intervention Viktor Frankls kann bei oberflächlicher Betrachtung sehr
simpel erscheinen. Bei näherer Betrachtung zeigt sie jedoch viel Potential. Vor allem
46
in der Methode der Logotherapie, in der man eine Grundhaltung erkennen kann,
welche durch seinen Lebensweg gebildet wurde. Vielen Stationen seines Lebens
wären ohne seinen Humor sicher anders verlaufen. Er hätte vielleicht die Konzent-
rationslager nicht überlebt.
„Je mehr ein Patient ein negatives, ihn beschämendes oder gefährdendes Ereignis
ängstlich erwartet, umso eher tritt es aufgrund seiner angespannten, verkrampften
inneren Haltung auch wirklich ein“ (Riemeyer 2007, S. 160).
Hier wird auf diese Haltung eingegangen, die kreisförmig verläuft und am Ende
durch das Eintreten des Erwarteten bestätigt wird. Diesen Vorgang nennt man eine
‚selbsterfüllende Prophezeiung‘. Diesen Teufelskreis will Frankl durch die paradoxe
Intention unterbrechen: „Die paradoxe Intention zielt auf die Durchbrechung der Zir-
kelmechanismen der Angst- und Zwangsneurose. […] Durch die paradoxe Intention
sollen irrationale, negative Vorstellungen - vor allem Ängste und Zwänge – neutra-
lisiert werden. Der Patient soll dem Krankhaften Widerstand entgegensetzen, wobei
besonders der Humor wichtig ist, damit er sich von seiner Krankheit distanzieren
kann“ (Riemeyer 2007, S. 160).
Interessanterweise kann bei der Validation nach Feil eine Gesprächs- oder Inter-
ventionstechnik mit der paradoxen Intention verglichen werden. Feil verwendet da-
für den Begriff Polarität, dabei sollte zum Thema die extremste Form eines Ereig-
niseintrittes befragt werden. Das Ziel ist nach Feil, eine gewisse Loslösung von die-
sem zwanghaft besetzt erscheinenden Thema, zu erreichen (vgl. Feil 2000, S. 73).
47
9 Der person-zentrierte Ansatz nach Kitwood
Die Ursprünge des person-zentrierten Ansatzes im Umgang mit den verwirrten alten
Menschen von Kitwood gehen auf die Theorie und Praxis von Carl Rogers zurück.
„Der personzentrierte Ansatz von Tom Kitwood, der hier vorgestellt wird, wurde in
den 1980er Jahren von Kitwood und der Bradford Dementia Group (vormals De-
mentia Research Group) in England entwickelt. Bezugnehmend auf Rogers nann-
ten die Begründer ihren Ansatz ‚person centred care‘ personzentrierte Pflege. Seine
besondere Bedeutung für die Pflegeausbildung ist in seiner Spannweite und in sei-
ner klaren Aussage für Pflege begründet“ (Welling 2004, S.1).
Kitwood war es wichtig, die Demenz als Krankheit in den Hintergrund zu rücken und
den Menschen dabei in den Vordergrund zu bringen. Er selbst berichtet, dass zu
Anfangszeiten der person-zentrierten Forschung ein spürbarer Gegenwind seitens
Naturwissenschaftler vorhanden war. Als er sich dann in den nachfolgenden Jahren
immer mehr die Subjektivität der Demenz beschäftigte und sogar das ‚rementing‘
als die Möglichkeit der Wiederherstellung personaler Funktionen postulierte, wurde
er von entsprechender Seite bisweilen sehr angefeindet (vgl. Kitwood 2008, S. 21).
Im Lauf der Weiterentwicklung seiner Arbeit kam er immer mehr mit Menschen mit
Demenz und deren Pflegepersonen in Kontakt. Aus diesem Grund ist seine Me-
thode sehr gängig und gebräuchlich in der Pflege und vor allem bei Menschen mit
Demenz. Leider ist der person-zentrierte Ansatz in der Praxis in Österreich nicht
sehr bekannt und verbreitet.
Seine Hypothese lautete: „Der Kontakt mit Demenz und anderen Formen schwerer
kognitiver Beeinträchtigungen kann und sollte uns aus unseren üblichen Mustern
der übertriebenen Geschäftigkeit, des Hyperkognitivismus und der Geschwätzigkeit
herausführen in eine Seinsweise, in der Emotion und Gefühl viel mehr Raum gege-
ben wird. Demente Menschen, für die das Leben der Emotionen oft intensiv ohne
die üblichen Hemmungen verläuft, haben den Rest der Menschheit unter Umstän-
den etwas Wichtiges zu lehren“ (Kitwood 2008, S. 23).
In dieser Feststellung wird der sozialpsychologische Aspekt der Menschen mit De-
menz prägnant, die Wertschätzung, Akzeptanz und das einfühlende Verstehen sehr
48
deutlich. Man kann sich den Gegenwind vorstellen. Wie sollte man von geistig ver-
wirrten Menschen, Geisteskranken und Verrückten etwas lernen können? Auch
nach Jahrzehnten der Fortentwicklung und Bestätigung dieses Modells, spürt man
noch immer zum Teil dieses Ressentiment. Gerade in einer Berufsgruppe, die die-
ses Wissen am nötigsten bräuchte. Also weg vom Hyperkognitivismus, hin zu spon-
tanen, emotionalen, echten Begegnungen mit Menschen, die uns viel zu sagen ha-
ben!
9.1 Person sein
Unter dem Begriff: „Person sein“ versteht Kitwood, dass man Frauen und Männer
mit Demenz in ihrem vollen Menschsein anzuerkennen hat. Also nicht nur im Rah-
men der Therapie wie bei Rogers, sondern immer und überall, zu jedem Zeitpunkt
und in jeder Situation. Die Methode ist nicht nur eine spezifische Form im Umgang
mit Menschen mit Demenz, sondern sie ist eine generelle Grundhaltung menschli-
cher Kommunikation (vgl. Kitwood 2008, S. 25).
Hierbei wird der Kampf im Rahmen des Paradigmenwechsels, der sich bereits im
vorigen Jahrhundert vollzogen hatte, gut sichtbar. Kitwood musste immer und im-
mer wieder die Person selbst so stark in den Vordergrund stellen, weil die neuropa-
thischen Ideologien so stark vertreten waren.
Leider gilt dies immer noch. In den verschiedensten Betreuungseinrichtungen muss
nach wie vor sehr intensiv für diese Perspektive gekämpft werden. Man will zum
Teil noch immer dem Menschen mit Demenz sein ‚Person-sein‘ absprechen. Dies
ist jedoch die unbedingte Voraussetzung für eine erfolgreiche Interaktion bei Men-
schen mit Demenz. Wenn man nicht einmal den Menschen als solchen akzeptiert,
müssen Pflege- und Betreuungshandlungen zum Leidwesen der Betroffenen me-
chanisch bleiben.
9.2 Psychische Bedürfnisse von Menschen mit Demenz
Die wichtigsten psychischen Bedürfnisse nach Kitwood werden oft als Blume dar-
gestellt. Diese Bedürfnisblume beinhaltet peripher im Kreis angeordnet Bindung,
49
Trost, Identität, Beschäftigung und Einbeziehung, zentral ist die Liebe angesiedelt.
Diese Hauptbedürfnisse nach Kitwood nachfolgend erläutert:
9.2.1 Trost
Jemanden zu trösten bedeutet, ihm Wärme und Stärke mitzugeben. Insbesondere
bei Menschen mit Demenz und deren Verlustängsten, die zweifelsfrei vorhanden
sind, ist dies ein zentrales Anliegen. Die Nähe des Gegenübers vorausgesetzt, er-
fährt hier der Betroffene Linderung von Schmerz und Leid. Zentral ist das Gefühl
von Sicherheit und Geborgenheit, die hierbei erzeugt wird (vgl. Kitwood 2008,
S.123).
In der Zeitschrift „Demenz“ wird die aktuelle Realität abgedruckt: „Das Schreckliche
ist, es spricht keiner mit den dementen Patienten“ (Spies 2018, S. 34). Man hat
wirklich sehr oft den Eindruck, hierbei sei eine negative Korrelation am Werk. Je
besser die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Demenzbetreuung werden, desto
weiter entfernt sich die Pflege- und Betreuungsrealität davon. Ein Paradoxon ohne
Auflösung!
9.2.2 Bindung
„Das Leben wird überschattet von Unsicherheiten und Ängsten und manch gute Er-
innerung an vergangene sichere Bindungen geht unter Umständen verloren“ (von
Miesen 1992, zit. n. Kitwood 2008, S. 123). Bindung in der Betreuung von Menschen
mit Demenz setzt Vertrauen voraus, geglückte Momente des Kontaktes zur Person
sind das Ergebnis von sehr viel Engagement und Einfühlung seitens der Pflegeper-
son. Das humane Grundbedürfnis nach Sicherheit und Geborgenheit wird wieder
ersichtlich.
Der Mensch mit Demenz, bereits von vielen ehemaligen Bindungen betroffen, ist
ständig auf der Suche nach dauerhaften menschlichen Kontakten. Wenn ihm diese
nicht zugestanden werden, dann wird körperliche und/oder verbale Unruhe die
Folge sein: Schreien, Rufen, Wandertrieb. Er wird ein „Rufer in der Wüste“, in der
ihm umgebenden „sozialen Wüste“!
50
9.2.3 Einbeziehung
„Alles Wirkliche im Leben ist Begegnung“ (von Buber 1937, zit. n. Kitwood 2008, S.
30). Am Beziehungsparadigma von Martin Buber, das ich wird erst zum ich am du,
wird die menschliche Beziehung priorisiert. Durch diese Hervorhebung der für den
Menschen notwendigen Beziehung zu einem anderen Menschen soll gerade in der
Pflege und Betreuung sowie Begleitung von Menschen mit Demenz einen Schwer-
punkt finden. Der Kontakt des Menschen zum Menschen ist nicht nur für die Be-
troffenen lebens-, ja überlebenswichtig.
„Die soziale Natur des menschlichen Lebens hat einen weiteren Aspekt im Hinblick
auf die Tatsache, dass wir uns als Spezies entwickelt haben, die für ein Leben in
Gruppen […] ausgelegt ist. Teil der Gruppe zu sein, war entscheidend für das Über-
leben […] Das Bedürfnis nach Einbeziehung tritt bei der Demenz sehr prägnant zu
Tage“ (Kitwood 2008, S. 123f).
Aus systemtheoretischer Sicht ist jedoch eine Inklusion und Teilhabe von Menschen
mit Demenz, die eben von der Gesellschaft als andersartig klassifiziert sind, unmög-
lich. Es erfolgt aufgrund von Grenzen der Elastizität und Toleranz des funktionalen
Systems ein Exklusionsprozess. Der Anspruch, Demenz als etwas Alltägliches zu
erleben, stellt aus dieser Sichtweise eine Überforderung dar (vgl. Müller-Hergl 2014,
S. 2).
Dies ist intellektuell vielleicht als spannende Dialektik zu diskutieren. Praktisch er-
lebt als Betroffener, ist es für den Menschen vielfach fatal: „Wird das Bedürfnis nicht
befriedigt, so wird eine Person wahrscheinlich abbauen und sich zurückziehen, bis
ihr Leben nahezu vollständig […] in der Isolationsblase stattfindet“ (Kitwood 2008,
S. 124).
Daher ist es oft nicht verwunderlich, dass Pflegende diesem Spannungsfeld nicht
gewachsen sind. Doch kann von einer beruflichen Profession, welche soziale und
emotionale Kompetenzen beinhaltet, auch entsprechende Professionalität gefordert
werden. Jeder Mensch ist für diesen Beruf sicher nicht geeignet.
51
9.2.4 Beschäftigung
„Beschäftigt zu sein bedeutet, auf eine persönlich bedeutsame Weise und entspre-
chend den Fähigkeiten und Kräften einer Person in den Lebensprozess einbezogen
zu sein. Das Gegenteil ist ein Zustand der Langeweile, Apathie und Nichtigkeit“ (Kit-
wood 2008, S. 124).
Wenn Menschen ihrer Beschäftigungen beraubt werden, beginnen ihre Fähigkeiten
nachzulassen und die Selbstachtung leidet. Seit Jahren werden in den geriatrischen
Einrichtungen mit Beschäftigungen und Aktivitäten in Richtung Biographie gewor-
ben. Die Realität zeichnet auch hier ein sehr differentes Bild. Erwin Böhm, der Be-
gründer der psychobiographischen, reaktivierenden Pflege fordert in einem seiner
Bücher: „Alte sollten lebensgeschichtlich begründete, daher für sie erfüllende Auf-
gaben erhalten. Erst dadurch erfahren sie wieder Selbstbejahung“ (Böhm 1999, S.
142). Böhm fordert eine singulär erfasste Biographie Erhebung ein, wodurch eine
adäquate, subjektiv-individuelle Beschäftigung erfolgen soll. Er spricht sich vehe-
ment gegen allgemeine, klischeehafte Beschäftigungsangebote in den Institutionen
aus. Diese Angebote sind nur für die Öffentlichkeitsarbeit geeignet, nicht jedoch für
die Erfüllung der individuellen Bedürfnisse der Heimbewohner.
9.2.5 Identität
„Eine Identität zu haben, bedeutet zu wissen, wer man ist, im Erkennen und im Füh-
len. Es bedeutet, ein Gefühl der Kontinuität mit der Vergangenheit und demnach
eine ‚Geschichte‘, etwas, das man anderen präsentieren kann, zu haben“ (Kitwood
2008, S. 125).
Nun ist der kognitiv veränderte, sehr alte Mensch oft nicht mehr in der Lage, seine
gewohnte Kontinuität als Ergebnis von Vergangenheit und Gegenwart wahrzuneh-
men. Sein bereits erprobtes und bewährtes Verhalten zu bestimmten Ereignissen
abzurufen. Sein Leben fühlt sich immer mehr fragmental an.
Sehr alte, verwirrte Menschen leben sehr oft in ihrer eigenen Welt, in einer momen-
tanen Situation. Spontan und unbekümmert leben sie „ihren Moment, ihre Stunde,
52
ihren Tag“. Die betroffenen Menschen mit Demenz erfinden sozusagen ihre Identi-
tät, wenn man dies zulässt, immer wieder aufs Neue. Sie haben nur dann keine
Identität, wenn unflexible Systeme und Verhaltensweisen Pflegender sie in ein Kor-
sett der Schmerzhaftigkeit zwingen.
Die positive Wahrnehmung von Menschen mit Demenz hängt von ihrer Handlungs-
freiheit ab. Strukturelle oder persönliche Einengung führen zu Dystresserleben. Re-
aktive, herausfordernde Verhaltensweisen oder Rückzug sind die Folge.
Zwei wichtige Faktoren führen nach Kitwood zur Steigerung des Identitätserleben
von Menschen mit Demenz: „Das erste besteht darin, einigermaßen detailliert über
die Lebensgeschichte einer jeden Person Bescheid zu wissen […] Das zweite be-
steht in Empathie, die es ermöglicht, auf eine Person in der Einzigartigkeit ihres
Seins als Du zu reagieren“ (Kitwood 2008, S. 125).
Kitwood möchte die Liebe als zentrales Bedürfnis aller Bedürfnisse verstanden wis-
sen: „Gray-Davidson stellte fest, dass Menschen mit Demenz oft ein unverhülltes
und beinahe kindliches Verlangen nach Liebe zeigen. Unter Liebe versteht sie eine
großzügige, verzeihende und bedingungslose Annahme, ein emotionales Geben
von ganzen Herzen, ohne die direkte Erwartung einer Belohnung“ (von Gray-David-
son 1993, zit. n. Kitwood, S. 121).
9.3 Emotional sein
‚Person-sein‘ sollte […] weitaus stärker mit Gefühl, Emotion und der Fähigkeit, in
Beziehung zu leben, in Verbindung gebracht werden – und auf eben diesem Gebiet
sind Menschen mit Demenz oft in hohen Maße kompetent, bisweilen mehr als die
Betreuenden“ (von Post 1995, zit. n. Kitwood 2008, S. 28). In dieser Aussage wird
auch das beinahe habituelle Spannungsfeld, Ratio gegen Emotion, im Pflegeberuf
angesprochen. Wie Kitwood sagt: „Der Fehler liegt im Kontext und auf einer syste-
mischen Ebene; er ist der Kulminationspunkt eines langen, historischen Prozesses“
(2008, S. 69).
53
Es gibt sehr viele Quellen, die die verstärkte Emotionalität bestätigen. Bei intensiven
Kontakten wird sie vielleicht sogar als besondere, emotionale Kompetenz erlebbar.
„Hier wurde eine Emotionalität sichtbar, mit der wir gar nicht gerechnet hatten und
die uns zeigte, dass in den Menschen, die wir ‚dement‘ nennen, häufig eine ganz
besondere Sensibilität wohnt. […] Diese Sensibilität und Emotionalität sind Kompe-
tenzen, sind Seiten in uns, die wir gerade unter dem Vorzeichen Demenz in beson-
derer Weise erschließen können“ (Klie 2014, S. 161).
Man kann von einer intensiveren Wahrnehmung von Gefühlen bei Menschen mit
Demenz ausgehen. Diese ‚Stimmungen‘ drücken sich als Emotionen aus. Emotio-
nale Kommunikation steht im Vordergrund! Ein Mensch mit Demenz kann von sei-
ner Umgebung nur als Mensch unter diesen Vorbedingungen wahrgenommen wer-
den. Ausgedrückt als: „Person sein in Emotion, homo emotionale“. Die schwedische
Soziologin Helga Flam neologierte den Begriff des ‚Emotional Man‘. Beim ‚Emotio-
nal Man‘ wird nicht wie in anderen Handlungsmodellen die persönliche Nutzener-
wägung oder Rollenerwartungen in den Vordergrund gestellt. Stattdessen wird die
Emotion eines Individuums als Haupthandlungsantrieb herangezogen (vgl. Wikipe-
dia 2018i). Die Emotionalität der Menschen mit Demenz muss für gültig erklärt wer-
den.
54
10 Die Revolution durch die Validation nach Feil
In einem Interview durch die Presse im Jahr 2012 in Wien sagte Naomi Feil folgen-
des: „Ich will auch zeigen, dass desorientierte Menschen ein Hirn haben, dass ihr
intuitives Gehirn intakt ist, dass sie weise, einzigartig und wertvoll sind. Daher ver-
wende ich auch den Begriff Demenz nicht, der ist sehr respektlos, denn das heißt
so viel wie, ohne Geist‘ und das stimmt absolut nicht. Das Gehirn von alten und sehr
alten Menschen altert eben, wie der Körper auch. Das ist Teil des Lebens und des
Alterns, aber keine Krankheit. Wenn man desorientierten Menschen nur aufmerk-
sam zuhört und sie annimmt, wie sie sind, passieren wunderbare Dinge“ (Feil 2012).
Wie aus ihren Sätzen ersichtlich ist, lehnt Feil den Begriff Demenz für ihre Methode,
der Validation, ab. Laut ihrer Definition liegt die kognitive Verhaltensauffälligkeit im
Alter begründet und ist folglich physiologisch bedingt, daher keine Krankheit.
Weiter heißt es in diesem Interview: „Ganz wichtig ist es, sich stets bewusst zu sein,
dass hinter jedem Verhalten eines desorientierten Menschen, mag es noch so ab-
surd oder verrückt wirken, ein Grund steckt. Wer zum Beispiel seine Mama ruft, der
sucht Sicherheit und Nähe. Schreien, schlagen, beschuldigen sind sehr oft eine
Folge nicht bewältigter Emotionen. Validation kann helfen, diese Gefühle zu verar-
beiten, alte, innere Konflikte zu lösen und die Betroffenen zu beruhigen. Und: Vali-
dation lügt nie, verurteilt nie, sie hört zu, ist gelebte Empathie“ (Feil 2012).
Sie respektiert diese Verhaltensweisen sehr alter Menschen, gesteht jedem Verhal-
ten einen spezifischen Grund zu und rechtfertigt damit die besonderen Verhaltens-
auffälligkeiten von Menschen mit Demenz.
Erste Aussagen dieser Art wurden von ihr bereits vor 50 Jahren bekannt. Diese
stießen nicht von Beginn an auf positive Resonanz. Es begann mit Naomi Feil eine
Revolution und eine Umkehr im Denken beim Umgang mit Menschen mit Demenz.
Sie gab damals natürlich nur einen Anstoß für den so notwendig erscheinenden
Paradigmenwechsel. Es war ihr sehr wichtig, weg von den ‚Narrentürmen‘ als Auf-
bewahrungsort für die unheilbaren Geisteskranken, der neuropathischen Ideologie
und hin zu einem humanistischen Verständnis für die sehr alten, verwirrten Men-
schen zu kommen.
55
Sie lehnt also die Demenz als Krankheit ab, gesteht dem Verhalten Betroffener ei-
nen Sinn zu. Die dritte Revolution besteht in ihrer Annahme, dass mithilfe der Vali-
dationsmethode bei der Aufarbeitung früherer Ereignisse im Leben Betroffener eine
Verbesserung in deren physischen und psychischen Situation verspricht (vgl. Feil
2000, S. 12). Diese dritte Grundannahme von Feil verursachte in der Fachwelt eine
kontroverse Reaktion, die bis heute noch spürbar ist. Erste Aussagen dieser Art
wurden bereits in den 60iger Jahren des vorigen Jahrhunderts bekannt. Vielleicht
ein Zeichen, wie schwierig der Paradigmenwechsel wirklich ist!
10.1 Hintergrundtheorien der Validation
Naomi Feil kommt in ihren Publikationen sehr wenig auf theoretische Grundannah-
men ihrer Methode zu sprechen. Daher werden nachfolgend auf andere Autoren,
welche die Validationsmethode untersucht haben, zurückgegriffen. Nur die An-
nahme der unbewältigten Gefühle Betroffener und deren mögliche Aufarbeitung be-
gründet sie mit der Erikschen Entwicklungstheorie (vgl. Feil 2000, S. 13).
Ian Morton schreibt über den Einfluss von Rogers auf Feil: „Es gibt Parallelen zwi-
schen der Entwicklung von Feil und Rogers, wie Rogers, den die Enttäuschung über
die zeitgenössischen orthodoxen Lehren (Psychoanalyse und Behaviorismus) dazu
brachte, eine neue Schule humanistischer Psychologie zu gründen, machte sich
auch Feil an die Schaffung eines alternativen theoretischen Rahmenwerkes, nach-
dem sie die Grenzen bestehender Therapieansätze erkannt hat. Da Feil zu jener
Zeit aufbrach, in der Rogers Ideen gerade Massenverbreitung fanden, ist es nicht
überraschend, dass sie von seinem Denken beeinflusst wurde, als sie nach einem
neuen Ansatz für die Arbeit mit dementen Personen suchte“ (Morton 2002, S. 41).
In einer gerontologisch-pflegewissenschaftlichen Analyse von Cornelia Schneider
wird unter anderem die Validationsmethode untersucht: „Die Grundlagen von Feils
Denken beruhen auf Theorien der humanistischen Psychologie, insbesondere auf
C. Rogers gesprächstherapeutischem Ansatz, sowie auf psychoanalytischen Ele-
menten“ (Schneider 2007, S. 118).
56
Aus diesen Einsichten kann die Validationsmethode als personenzentriertes Modell
zur Interaktion bei Menschen mit Demenz klassifiziert werden. Inhaltlich tritt dies in
der Methodik und spezifischen Techniken klar zu Tage. Auch die Grundhaltung Ro-
gers, nämlich die Empathie, die Kongruenz und Akzeptanz sind sehr deutlich in der
Validationsmethode mit ähnlichen Begrifflichkeiten wiederzufinden (vgl. Feil 2000,
S. 36f.).
Naomi Feil war demnach die Begründerin der mittlerweile bekannten personen-
zentrierten Modelle zur Interaktion mit Menschen mit Demenz. Sie diente manchen
späteren Ansätzen als direktes Vorbild. Dazu zählen die validierende Pflege nach
Brigitte Sharb, die integrative Validation nach Nicole Richard und das aktuellste Mo-
dell, die Mäeutik von Cora van der Kooij, welches später näher beschrieben wird
(vgl. Wikipedia 2018j). Noch weiter verbreitet ist in vielen Leitlinien zur Betreuung
kognitiv beeinträchtigter Menschen die validierende Grundhaltung nach Feil.
10.2 Vita emotionale
Die unvollendete, emotionale Vergangenheit der Menschen mit Demenz bildete die
Grundlage der Annahme nach Feil, dass es in späteren Lebensabschnitten zu emo-
tionalen Ausbrüchen früherer Ereignisse kommen kann. Vor allem dann, wenn die
kognitive Kontrolle beim Betroffenen schwächer wird. Feil will diese Gefühle mit ei-
ner Aufarbeitung unerledigter Ereignisse im früheren Leben des verwirrten Men-
schen in Zusammenhang bringen (vgl. Feil 2000, S. 19f). Dazu verwendet Feil zu
bestimmten Handlungen der Menschen mit Demenz eine konkrete Deutungsmög-
lichkeit über die spezifischen Aufarbeitungsthemen, die nicht direkt und schlüssig
von den Handlungen Betroffener abgeleitet werden können. Sie beschreibt dies mit
dem Begriff der Symbole (vgl. Feil 2000, S. 51).
Diese Symboldeutung wurde von vielen Gerontologinnen und Gerontologen zurück-
gewiesen. In vielen neueren, weiterentwickelten Modellen der Validation findet sich
die Symboldeutung nicht mehr. Noch dazu beruft sich Feil in dieser Thematik auch
auf Abraham Maslow, Sigmund Freud und Carl Gustav Jung, die bekannter weise
vom humanistischen Feld eher konträr gehandelt werden. Sozusagen eine gewisse
57
Inkongruenz in der Validationsmethode selbst, die dann nicht mehr als durchgängig
humanistisch bezeichnet werden könnte (vgl. Klinger 2016).
Die Reise in die persönliche und emotionale Vergangenheit der betroffenen Men-
schen mit Demenz ist allerdings mehrfach bestätigt worden. Die aus dem amerika-
nischen Raum kommende Retrogenese nach Barry Reisberg geht von einer umge-
kehrten Entwicklung des alten Menschen in seine eigene Kindheit aus. Diese Rück-
entwicklung wird dabei in sieben Phasen unterteilt (Auer 2018).
Auch Erwin Böhm aus Österreich arbeitet in seinem Modell mit sieben Interaktions-
stufen oder Erreichbarkeitsstufen (vgl. Prell 2002). Insbesondere Böhm mahnt die
Priorität der emotionalen Biographie ein: „Es ist ebenso, dass der biologische Alte-
rungsprozeß des Gehirns bei Menschen damit einhergeht, dass diese im Altge-
dächtnis, im sogenannten Langzeitgedächtnis, leben. In diesem zählen insbeson-
dere Lebensabschnitte, die tief in der Emotion verankert sind“ (Böhm 1999, S. 19f).
10.3 Relativität der Gleichzeitigkeit in den Schuhen des Anderen
Der weitverbreitete und allgemein bekannte Satz, in den Schuhen des Anderen zu
gehen, wird als Synonym für viele Themen verwendet. Manche beziehen diesen
ursprünglich auf Rogers, andere auf Feil, aber auch von indianischen Ursprüngen
wird berichtet. Es finden sich dazu keine eindeutigen Quellen. Im Kontext der De-
menzbetreuung wird jedoch ziemlich eindeutig interpretiert: „Im Zentrum steht das
Konzept der Empathie, eine Haltung verstehenden Zuhörens, die die Gefühle des
Anderen nachvollzieht, ohne sie zu übernehmen“ (Heimerl/Reitinger/Eggenberger
2011, S. 15).
Dabei gibt es grundsätzlich zwei Elemente, die man davor reflektieren sollte. Zum
einen wird hier die Empathie angesprochen, zum anderen die Gefühle des Anderen,
die im Gegenüber eine gewisse Nachvollziehbarkeit bewirken sollte.
10.3.1 Empathie
„Empathie in der Pflege ist ein kognitiver, bewusster und willentlicher Akt der Per-
spektivenübernahme […] Im Prozess der Perspektivenübernahme wird, ausgelöst
58
durch die körperlichen und verhaltensbezogenen Hinweisreize eines Patienten/Kli-
enten, auf dem Weg der temporären empathischen Identifikation der innere Zustand
des Patienten imaginativ konstruiert, sein Verhalten antizipiert und seine Gefühle,
Bedürfnisse, Wahrnehmungen und Definitionen der Situation im persönlichen Kon-
takt einer Interaktion nichtbewertend erfasst und verstanden. Die Aufmerksamkeit
liegt dabei auf dem Erleben des Patienten/Klienten, wobei das Bewusstsein zweier
getrennter Identitäten aber stets erhalten bleibt“ (Bischoff-Wanner 2002, S. 272f.).
Also wird bewusst eine innere Abbildung des Gegenübers in sich selbst herbeige-
führt, ohne das eigene Ich aus den Augen zu verlieren. Die zwei getrennten Identi-
täten nach Bischoff-Wanner wären demnach für die Pflegepersonen eine Heraus-
forderung.
Rogers selbst definiert die Empathie folgendermaßen: „Ist der Therapeut in einer
Beziehung kongruent, so ermöglicht dies ihm, sich auf dem Gegenüber einzulassen
und so die Welt mit dessen Augen zu sehen. Er ist also darum bemüht, den Klienten
in seinem Erleben und seinen damit verbundenen Werthaltungen, Motiven, Wün-
schen und Ängsten zu verstehen“ (Rogers 1989, zit. n. Kreuziger 2000). Kongruente
Beziehungsebene wird zur Grundlage jeglicher empathischen Interaktion. Also be-
ginnt die Fähigkeit zur Empathie bei den Pflegenden selbst. Das ist eine sehr wich-
tige Erkenntnis!
10.3.2 Gefühle des Anderen
In der empathischen Interaktion mit Menschen mit Demenz spielen Gefühle die
übergeordnete Rolle. Das Ressentiment in Bezug auf das Nachvollziehen von Ge-
fühlen Betroffener auf die Pflegeperson selbst ist in diesbezüglicher Berufsgruppe
trotz aktueller, neurobiologischer Erkenntnisse noch immer sehr hoch. Vermutlich
beruhen diese Widerstände auf oben beschriebene Ängste vor den erkrankten Per-
sonen und dem Nichtbeschäftigen mit eigenen Gefühlen in Bezug auf die Demenz
selbst.
Dabei sind wir alle mit neurobiologischen Grundlagen befähigt, empathisch zu in-
teragieren. Der deutsche Neurobiologe Joachim Bauer spricht von Spiegelneuro-
nen, die grundsätzlich jeder Mensch besitzt: „Nervenzellen der inferioren parietalen
59
Hirnrinde, die für die Vorstellung von Empfindungen zuständig sind, können und
also auch Auskunft darüber geben, wie sich eine von uns beobachtete Person fühlt.
Wachgerufen werden in uns dabei genau jene Nervenzellen für die Vorstellung von
Empfindungen, die in Aktion getreten wären, wenn wir uns selbst in der Situation
befunden hätten, in der wir die Person beobachten“ (Bauer 2006, S. 44). Also dem-
nach werden in uns beim Beobachten des Gegenübers automatisch Empfindungen
von dieser Person in uns selbst spürbar. Vielleicht liegt hier der Schlüssel des Wi-
derstandes.
Muss sich die Pflegeperson im Kontakt mit Menschen mit Demenz sich gegenüber
Spiegelungen wehren? Will man sich dabei vor intuitive Übertragungen schützen,
bevor es zu Resonanzphänomenen kommen könnte (vgl. Bauer 2007, S. 7)? Will
man damit vielleicht die Traurigkeit, Wut oder Hoffnungslosigkeit des Gegenübers
abwehren, will man davon nicht angesteckt werden?
Nach Bauer liegt ein weiterer Grund für die Ineffizienz unserer Spiegelneuronen in
der menschlichen Entwicklung begründet: „Anders als beim Kleinkind, dessen Spie-
gelsysteme eine starke Tendenz haben, Geschehenes spontan gleich selbst zu ma-
chen, sind beim Erwachsenen hemmende, neurobiologische Systeme aktiv, deren
Reifung etwa im dritten Lebensjahr beginnt und zumeist nach der Pubertät abge-
schlossen ist“ (Bauer 2007, S. 37). Könnte dies eine Erklärung für die spontane und
störungsfreie Kommunikation zwischen Kleinkindern und Menschen mit Demenz
sein?
Jedenfalls fordert also Naomi Feil die Pflegenden mit ihrer Methode der Validation
heraus, primär an sich selbst zu arbeiten, bevor eine personenzentrierte Interaktion
bei Menschen mit Demenz erst möglich werden kann.
60
11 Die Geburtshelferin Cora van der Kooij
In den 90er Jahren wurde die Mäeutik in den Niederlanden von Cora van der Kooij
besonders zur Betreuung von Menschen mit Demenzerkrankungen entwickelt. Die
erlebensorientierte Pflege hat zum Ziel, das intuitive - pflegerische Handeln mit Be-
griffen und einer integrierenden Theorie zu untermauern. Angestrebt wird dabei das
Bewusstmachen des intuitiven Wissens oder der Erfahrungen. Die Mäeutik geht da-
von aus, dass zwei Erlebniswelten, die der Bewohnerinnen und Bewohnern und die
der Betreuerinnen und der Betreuer, existieren. Die gefühlsmäßige Interaktion zwi-
schen Betreuende und Betroffene soll verstanden und auf wünschenswerte Weise
beeinflusst werden. Cora van der Kooij bezieht sich auf den Gedanken der Geburts-
hilfe des platonischen Sokrates. Sie will Geburtshilfe für die Bewusstwerdung des
Pflegepersonals leisten (vgl. Wikipedia 2018k).
Van der Kooij entwickelte die Validation nach Feil weiter, lehnte die Lebensaufga-
ben aber ab. Sie spricht von Lebensthemen, weil diese mehr innere Dynamik zulas-
sen. Sie spricht auch vom Konzept der unvollendeten Vergangenheit, von der emo-
tionalen Gedächtnistätigkeit demenziell Erkrankter, deren kognitive Zeitordnung im-
mer verschwommener wird (vgl. van der Kooij 2010, S. 25).
Interessanterweise findet man in ihren Büchern immer wieder den Begriff Krankheit.
Obwohl sie sich im Kontakt selbst primär dem Menschen zuwendet, wird Demenz
von ihr im neuropathologischen Kontext verstanden.
„Menschen, die bleibende Verluste verarbeiten müssen, die für immer einen Teil
ihrer selbst verloren haben, brauchen Unterstützung auf der Suche nach einer
neuen Perspektive, einer neuen Sinngebung. Individualität. Wahlfreiheit und Ge-
genseitigkeit verlieren nicht an Bedeutung, wenn Menschen von Betreuung abhän-
gig sind. Jeder sucht auch weiterhin nach dem Sinn seines Lebens, egal wie er noch
kann und wie viel Betreuung er auch benötigen mag“ (van der Kooij 2012, S. 23).
Hier wird deutlich auf die Sinngebung in jeder Phase des Lebens verwiesen. Nach
van der Kooij kann es auch im fortgeschrittenen Alter mit kognitiven Defiziten noch
Sinn geben.
61
Diese Feststellung wird auch Viktor Frankl zugeordnet. Bei beiden besteht absolute
Übereinstimmung in der Annahme, der Mensch suche immer einen Sinn in seiner
Existenz, in seinem Sein und Tun. „Vor allem aber kann die Vergänglichkeit des
Daseins dessen Sinn aus dem einfachen Grund nicht Abbruch tun, weil in der Ver-
gangenheit nichts unwiederbringlich verloren, vielmehr alles unverlierbar geborgen
ist. Im Vergangensein ist es also vor der Vergänglichkeit sogar bewahrt und gerettet.
Was immer wir getan und geschaffen haben – wir haben es ins Vergangensein hin-
eingerettet, und nichts und niemand kann es jemals wieder aus der Welt schaffen“
(Frankl 2002, S. 9).
Der alte, verwirrte Mensch auf der Suche nach dem ‚alten-neuen Sinn‘ in seiner
eigenen Vergangenheit? „Manchmal findet man ganz leicht einen Zugang zur Erle-
benswelt eines Bewohners, indem man sich nach Einzelheiten aus dessen Lebens-
geschichte erkundigt. […] Es sind jedoch vor allem die Pflegenden, die im Lauf der
Monate die Zusammenhänge zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart ent-
decken“ (van der Kooij 2012, S. 184). Die in der Vergangenheit begründeten Ver-
haltensweisen der zu Pflegenden sind somit emotional gefärbt.
Der personenzentrierte Ansatz ist jedoch auch bei Kooij sehr deutlich abzuleiten:
„Geht eine Pflegende in der Erlebenswelt eines Bewohners oder Klienten mit, dann
versetzt er sich in ihn hinein und bewegt sich regelrecht in der inneren Wirklichkeit
des anderen. […] nur darum, dass die Gefühle eine Chance bekommen“ (van der
Kooij 2012, S. 134ff.). Vergangene Gefühle müssen demnach seitens der Betreu-
ung zugelassen und bestätigt werden, um Sinn und im Weiteren Identität zuzulas-
sen.
Es können sich im Laufe einer Demenzerkrankung alle Rollen des früheren Lebens
zeigen, wiederaufleben und aus der inneren Welt in die äußere manifestieren. Dabei
können verschiedene Themen und vor allem begleitende Emotionen aus der indivi-
duellen Vergangenheit der Betroffenen zum Vorschein kommen (vgl. van der Kooij
2010, S. 25).
62
11.1 Identität der Pflegenden
Die Einzigartigkeit des mäeutischen Modells ist die „Wiederentdeckung“ der Pflege-
personen selbst. In den letzten Jahrzehnten hat das Berufsbild Pflege sehr viele
verschiedene Prozesse, Zuschreibungen, Aufgabenstellungen und Leitbilder erlebt.
Allen war es gemeinsam, ausschließlich dem zu Pflegenden zugeordnet zu sein.
Die Pflegepersonen wurden in diesen Systemen als automatisch agierende und re-
agierende Handelnde gesehen, die aufgrund ihrer Ausbildung genügend Kompe-
tenzen für ihren Beruf mitbekommen haben.
Diese Wiederentdeckung und Benennung der meist intuitiven Handlungen Pflegen-
der ist eine Schlüsselkompetenz in der Mäeutik. „Um eine Pflege zu ermöglichen,
die den humanitären Erwartungen entspricht, ist ein Bewusstwerdungsprozess er-
forderlich und zwar in erster Linie bei den Pflegenden selbst“ (van der Kooij 2012,
S. 27).
Die Pflege muss sich ihrer selbst viel mehr bewusst werden. Pflege tut, Pflege ist,
Pflege bleibt oder auch nicht. Die Fluktuation im Pflegeberuf ist im Vergleich zu an-
deren Berufen bekanntlich sehr hoch. „Wie Zahlen belegen, ist die Zahl derer, die
den Beruf frühzeitig verlassen groß“ (van der Kooij 2012, S. 24). Dies führt Kooij auf
mangelnde Selbstreflexion und Selbstpflege zurück. Diese Selbstkompetenz wird in
der Mäeutik auch als Prozess vom Unbewussten zum Bewussten beschrieben (vgl.
van der Kooij 2010, S. 75).
Die Kompetenzen der Pflegenden sind vielfältig und reichhaltig, jahrelang getätigt
und durch zu Pflegende bestätigt. Aber sie sind eben nicht wirklich zutage getreten.
Dadurch wird von Seiten der Gesellschaft der Pflegeberuf nicht genügend gewür-
digt. Dieses Verhalten der Pflegenden wirkt sich unmittelbar auf das Image der
Pflege selbst aus. „Die Mäeutik entstand aus einem Wunsch heraus, ich wollte un-
serer Gesellschaft näherbringen, wie schön und gleichzeitig wie anspruchsvoll die
Arbeit von Pflegenden ist. Gleichzeitig wollte ich die Pflegenden bei ihrer Suche
nach Anerkennung unterstützen. Und dabei ging es nicht zuletzt darum, die eigenen
Qualitäten für sich selbst anzuerkennen und schätzen zu lernen“ (van der Kooij
2010, S. 76).
63
11.2 Gefühlsarbeiter
Pflegende haben natürlich eigene Gefühle. Wie sind diese in eine Pflegebeziehung
einzubringen? Sind sie störend, müssen sie bei einem Kontakt mit dem zu Pflegen-
den beiseitegestellt werden? Grundsätzlich impliziert eine menschliche Beziehung
nicht nur gemeinsame Themen. Interessen, Aufgaben und Gefühle schwingen da-
bei immer mit. Man kann sie auch in einem missverstandenen, professionellen Pfle-
gekontext nicht beiseitestellen. „Die bewußte Wahrnehmung der eigenen Gefühle
und der bewußte Umgang damit, das erfordert in der Regel Übung. Dieser Aspekt
gehört in jedem Fall zu der Gefühlsarbeit, die für Pflegende im Beruf unerläßlich ist“
(van der Kooij 2012, S. 126).
Auch und vor allem der wichtige Aspekt der Authentizität/Kongruenz im Kontakt zu
kognitiv beeinträchtigen Menschen beinhaltet die Akzeptanz und Präsenz der eige-
nen Gefühlswelt. Diese sollten weder verdrängt noch für passende Situationen um
modelliert werden. Dies spüren vor allem Menschen mit Demenz sofort. „An der
Körpersprache lässt sich viel mehr ablesen, als die Pflegende ahnt oder will. Be-
wohner und Klienten sind hier sehr sensibel. Sie spüren ganz genau, ob die Pfle-
gende bei der Sache ist“ (van der Kooij 2012, S. 151). Darüber hinaus ist die Pfle-
geperson selbst auch in gewissen Bereichen bedürftig, nicht nur der zu Pflegende.
Der betagte alte Mensch hat sein Leben gelebt, aus diesen reichen Erfahrungen
kann den Pflegenden geholfen werden. Der Bedürftige wird somit selbst zur Res-
source für Pflegende!
Eigene Gefühle im Arbeitsumfeld präsent zu machen, muss nicht automatisch einen
Nachteil haben. Man wird zwar dadurch verletzlicher, aber Verletzlichkeit ist integ-
rativer Bestandteil einer echten, authentischen und ehrlichen Beziehung.
Selbst bei negativen Gefühlen seitens der zu Pflegenden kann man echte Gefühls-
reaktionen einbringen. Es wird dabei sehr oft abgelenkt, beschwichtigt oder man
distanziert sich räumlich. Dabei fühlt sich der zu Pflegende in seiner Erregung nicht
ernst genommen. Seine emotionale Heftigkeit wird unter Umständen noch verstärkt.
„Manchmal steuern Pflegende gegen, indem sie Konflikte eingehen. Wie ihre Be-
64
richte belegen, wirkt sich dies meist positiv auf das Verhältnis den betreffenden Be-
wohner aus. Ein Streit bedeutet nicht, dass der Kontakt abgebrochen wird, Im Ge-
genteil. Bei einem Konflikt ist man stark ineinander involviert“ (van der Kooij 2012,
S. 137).
Konfrontation mit gleichen Emotionen signalisiert beim Menschen mit Demenz in
gewisser Weise Wertschätzung. Er wird gehört und akzeptiert, wie er ist. Er sieht
sich in uns selbst. Naomi Feil und auch Cora van der Kooij bezeichnen dies als
Spiegeln. „Spiegeln ist Kommunikation durch Körpersprache. Die Pflegende spie-
gelt die Haltung und die Gesten eines Bewohners. Das hat einen doppelten Effekt.
Der Bewohner merkt, dass da jemand ist, der sich wirklich für ihn interessiert, der
versucht ihn zu verstehen. Und die Pflegende erhält über das Spiegeln von Körper-
haltung und Gesten einen Zugang zur Gefühlswelt des Bewohners oder Klienten“
(van der Kooij 2012, S. 154). Ihre Aufgabe ist es, durch Spiegeln die Ursache für
das Verhalten der Menschen mit Demenz zu begreifen und ihren Bedürfnissen nach
Liebe, Identität oder Gefühlsäußerungen gerecht zu werden (vgl. Feil 2000, S. 78).
Nur mit den eigenen Gefühlen können die Pflegenden den Gefühlen der Menschen
mit Demenz nachempfinden. Positive Kohärenz der Gefühle ist wichtig in einer Pfle-
gebeziehung mit Menschen mit Demenz.
11.3 Zwei-personenzentriert
Demnach zentriert sich die Mäeutik auf beide Personen in der Pflegebeziehung. Sie
bezieht sich nicht nur auf die zu Pflegenden, sondern auch auf die Pflegenden
selbst. Also in gewisser Weise doppelt personenzentriert. Bei diesem Spot auf die
Pflege selbst, was passiert mit ihnen in der Interaktivität mit dem Menschen mit De-
menz? Was braucht es zur professionellen Reflexion ihres Befindens? Impliziert als
Wechselwirkungsergebnis der Interaktionen im Pflegemodell, handelt es sich hier
um etwas völlig Neues. Gewöhnlich wird Pflegerinnen und Pflegern bei Belastungen
in ihrem Beruf eine Extraeinheit Supervision zugestanden. Diese findet jedoch au-
ßerhalb des Pflegebetriebes statt. In der Mäeutik wird das innerhalb der Modellor-
ganisation regelmäßig betrieben. Es läuft sozusagen mit. „Durch den regelmäßigen
und intensiven Umgang mit einem Bewohner oder Klienten entsteht früher oder spä-
ter eine Beziehung zwischen der Pflegenden und der zu versorgenden Person. So
65
muß sich die Pflegende der Gefühle bewußt sein, die der Bewohner bei ihr auslöst.
Die Beziehung darf keine Privatbeziehung werden. Hier geht es aber doch um ei-
genes Gefühlserleben. Darum muss sie in der Lage sein, bewußt über ihre eigenen
Gefühle zu reflektieren und mit ihren Kolleginnen darüber zu sprechen“ (van der
Kooij 2012, S. 37).
Also werden die in der Pflegebeziehung entstandenen Gefühle mit den Kolleginnen
bewusst reflektiert. Ein sehr zeitgemäßer Ansatz, aber in der Praxis sicher oft
schwierig zu realisieren. Vor allem in funktionsorientierten Schemata, über Jahr-
zehnte eingeschliffene Muster, sind diese meist sehr schwierig zu durchbrechen.
„Es ist zuweilen jedoch nicht ganz einfach, alte Muster und Routinen loszulassen,
vor allem dann, wenn diese den Kolleginnen einen sicheren Rahmen bieten. Da gibt
es immer den Druck der Aufgaben, die es zu erledigen gilt und man kann nie wissen,
was noch alles passieren wird. […] Es scheint, als fänden Pflegende es in dieser
aufgabenorientierten Arbeitskultur wichtiger, die Erwartungen ihrer Kolleginnen zu
erfüllen als die der Bewohner“ (van der Kooij 2012, S. 45).
11.3.1 Bewohnerbesprechung
Abschließend wird auf die Bewohnerbesprechung im mäeutischen Modell einge-
gangen, wobei die positiven Momente im geglückten Kontakt besprochen werden.
Dabei wird auch auf die Gefühlsmomente der Pflegenden Rücksicht genommen.
Wie ist es dir dabei gegangen? „Damit alle Mitarbeiter die bisher gemachten guten
Erfahrungen miteinbeziehen können, erzählen alle Anwesenden von schönen Kon-
taktmomenten. […] Die Bewohnerbesprechung und die Charakteristik dienen also
zum einen als Versuch der ganzheitlichen Sicht des Bewohners und zum anderen
dem Bewusstwerden der Beziehungsgestaltung“ (van der Kooij 2010, S. 69f.). Hier-
bei entsteht ein neuer Zugang zum Begriff der Ganzheitlichkeit in der Betreuung von
Menschen mit Demenz.
66
12 Emotionspädagogik
„Was emotional stark berührt, bleibt im Gedächtnis haften“ (Kautter/Munz 2004, S.
13). Im Sinne einer nachhaltigen Vermittlung von Unterrichtsinhalten kann dieser
Satz zum Dogma in der Schule erhoben werden. Sicher eignen sich nicht alle The-
men in einer Pflegeausbildung dafür, aber eine gewisse Bereitstellung von Hingabe
zum Unterrichtsthema seitens der Lehrkraft wirkt dabei sicherlich förderlich. Also ist
es in gewisser Weise für einen emotionspädagogischen Unterricht primär absolut
notwendig, die behavioristische Lehrerrolle abzulegen: „Zu meiner Überraschung
entdeckte ich, dass in meinen Klassen umso begeisterter gelernt wurde, je mehr ich
aufhörte, Lehrer zu sein“ (Rogers 1989, S. 27).
Zunächst sollte die Rolle des Lehrenden näher betrachtet werden. Alte überholte
Muster des traditionellen Unterrichts müssen kritisch reflektiert werden. „Das tradi-
tionelle Lehren ist ganz nach dem Prinzip von Krug und Pfanne aufgebaut. Dem
Lehrer geht es darum, möglichst viel von den Tatsachen vom Krug in die Pfanne zu
füllen, welche die Curriculum Planer und der Lehrer für wertvoll erachten“ (Rogers
1989, S. 92).
Tatsachen besitzen meist die Eigenschaft, auf rein kognitiver Ebene vermittelt zu
werden. Empfindungen, Gefühle und Emotionen werden dabei als Störung empfun-
den, die den Lernfortschritt gefährden. Entsprechend wird dies lehrerseitig auch ent-
sprechend diszipliniert. Sehr oft kommt in den Schulen die Machtstellung der Leh-
rerin und des Lehrers dadurch zum Ausdruck, welche Priorität die entsprechende
Prüfung haben soll. In den Pflegeausbildungen werden manche Fächer mit kom-
missioneller Prüfung abgelegt, der Prüfungsmodus ist genau vorgeschrieben. Hier
bleibt sehr wenig Spielraum. Die Mehrheit der Fächer lässt jedoch einen individuel-
len Prüfungs- oder Evaluationsmodus zu. Es ist ein behavioristisches Merkmal, im-
mer wieder mit der Prüfung drohen zu müssen. Dies löst bei den Schülerinnen und
Schülern Verlegenheit, Angst, Versagen, Schwäche etc. aus (vgl. Rogers 1989, S.
83).
Dieser negative Stress wirkt sich wiederum auf den Lernerfolg aus. Es kommt zu
Unlustphänomenen und Blockaden. In gewisser Weise gesehen, herrscht auch hier
67
eine Emotionspädagogik: negative Gefühle auf der Schüler- und Lehrerseite. Päda-
gogik passiert immer in einer Wechselseitigkeit. Schule ist ein sozialer Raum, in
dem Lehrende und Lernende eine Beziehung eingehen müssen, ob sie wollen oder
nicht. „Man kann nicht nicht kommunizieren“ von Paul Watzlawik (Wikipedia 2018l)
gilt auch für Schulen, auch dort gibt es immer einen Inhalts- und einen Beziehungs-
aspekt. Der ist entweder gut und förderlich für ein konstruktives Lernen oder eben
negativ und hinderlich für nachhaltiges Aneignen von Wissen und Kompetenzen.
12.1 Personenzentriertes Lehren und Lernen
Ein Umdenken in der Schule fand auch nicht zuletzt durch Carl Rogers publizierten,
personenzentrierten Unterricht im vergangenen Jahrhundert statt. Er nannte es
Freiheit und Engagement (vgl. Rogers 1989). Auch dabei ging es um einen Para-
digmenwechsel weg vom Frontalunterricht. Im Sinne von oben nach unten kam es
zu einem Phänomen des Miteinanders und humaner Gegenseitigkeit von Lehren-
den und Lernenden. „Unser Bildungssystem versäumt es, wie ich meine, den tat-
sächlichen Bedürfnissen unserer Gesellschaft zu genügen. Ich habe behauptet,
dass unsere Schulen im Allgemeinen die traditionsverbundenste, konservativste,
unbeweglichste und bürokratischste Institution unserer Zeit sind und auch die Insti-
tution, die sich einem Wandel am stärksten widersetzt“ (Rogers 1989, S. 9). Er plä-
dierte für ein menschlicheres Klima in den Klassen. Er sieht die Lehrenden als
Stütze für die Lernenden, wo gegenseitig Verhaltensweisen und Gefühle ausge-
drückt werden können. Dadurch kann man in der Klasse ein Klima des Vertrauens
schaffen, das den Lernenden Sicherheit gibt. Weiters sprach er sich für eine hu-
mane Umgebung aus, die die Begeisterung für geistige und emotionale Entdeckun-
gen weckt und die Schülerinnen und Schülern zum lebenslangen Lernen führt (vgl.
Rogers 1989, S. 11).
Gerade in Demenzschulungen ist die zwischenmenschliche Akzeptanz und Gegen-
seitigkeit von Lehrenden und Lernenden ein wesentlicher Faktor. Das Thema selbst
erzeugt bereits Unsicherheiten und Ängste. Wenn die Lehrenden dann auch noch
einen rein kognitiven Unterricht betreiben, kann es in dieser Thematik keinen Erfolg
für die Schülerinnen und Schülern geben. Demenz als Phänomen eines abstrakten
Verhaltens alter Menschen, welches schwer nachzuvollziehen ist, kann nur mittels
68
emotionaler Beziehungsarbeit garantiert werden. Die schwer verständliche Materie
um den Zugang zum Menschen mit Demenz kann mittels authentischer und emoti-
onaler Unterrichtsmethoden besser und verständlicher vermittelt werden.
Die Lernenden müssen die Kompetenzen der Lehrenden spüren. Es muss ein in-
teraktiver Unterricht garantiert werden. Fragen affektiv-emotionaler Natur drängen
von Schülerinnen und Schülern nach außen. Sie wollen sofort Antworten darauf ha-
ben. Hierbei müssen Lehrende sehr große Flexibilität und Einfühlungsvermögen be-
sitzen. Personenzentrierter Unterricht als Vorbildmodell für einen personenzentrier-
ten Umgang mit Menschen mit Demenz. Eine personenzentrierte Haltung ist für alle
Lebensbereiche ein Benefit. „Die Gesamtperson ist mit ihren Empfindungen und
kognitiven Aspekten Teil des Lernerlebnisses“ (Rogers 1989, S. 22).
12.2 Authentizität der Lehrperson
Kann ich als Lehrender ich selbst sein und mich im Unterricht überhaupt menschlich
verhalten? Der Lehrer gilt im Allgemeinen als Experte, der Erkenntnisse vermittelt,
Ordnung hält, Ergebnisse bewertet und die Noten festlegt. Er ist der Meinung, dass
er von den Schülerinnen und Schülern ausgespielt wird, wenn er sich menschlich
zeigt (vgl. Rogers 1989, S. 25). Kann eine Lehrperson überhaupt alles wissen? Ist
diese Haltung vielleicht in der Angst begründet, einmal zugeben zu müssen, etwas
nicht zu wissen? Dies könnte einerseits der Grund für diese Haltung sein. Anderer-
seits wird ein Lehrender natürlich verletzlicher, wenn er sich menschlicher und auch
emotional zeigt.
Als Lehrperson im oben genannten Sinn besitzt sie eine gewisse Immunität, die
Machtsysteme eben grundsätzlich implizieren. „Es wäre mit anderen Worten sehr
riskant, wenn die Schüler den Lehrer so kennenlernen würden, wie er wirklich ist.
Er würde sich eine Blöße geben und bei den Kollegen und Vorgesetzten in den Ruf
kommen, sich mehr um die Schüler als um den Unterricht zu kümmern. Er wird
daher, wahrscheinlich wie die meisten Lehrer, auf Nummer sicher gehen, seine
Rolle als Experte weiterspielen, unter allen Umständen seine ‚Objektivität‘ bewah-
ren und einen angemessenen Abstand zu den Schülern halten“ (Rogers 1989, S.
25f). In derartigen Klassen wird es keine neugierigen, wissbegierigen Schülerinnen
69
und Schüler geben. Sie wollen sich auch nicht als Menschen in die Klasse einbrin-
gen. Auch werden sie dadurch verletzlicher, Abschlüsse und Noten sind dadurch
gefährdeter. Wenn Lehrpersonen nicht authentisches Verhalten aufweisen, werden
Schülerinnen und Schüler nie die Möglichkeit bekommen, sich selbst personen-
zentriert zu entwickeln und Gefühle zu zeigen! Diese Umgebung lässt eine humane,
personenzentrierte Kompetenzentwicklung nicht zu.
12.3 Beziehungsrisiko
„Habe ich den Mut, das Risiko auf mich zu nehmen und auf all die Zweifel einzuge-
hen, die ich geweckt habe“ (Rogers 1989, S. 95)? Dies ist die Schlüsselfrage in
einer Demenzschulung. Es gibt wenige Unterrichtsthemen, die so deutliche, kontro-
verse und divergierende Inhalte aufweisen.
Einerseits wird in Basisfächern die neuropathologische und naturwissenschaftlich
geprägte Sichtweise über Demenz vermittelt. In weiterführenden Fächern kommt es
scheinbar und auch faktisch zu widersprüchlichen Aussagen, Demenz sei keine
Krankheit im klassischen Sinne. Dabei kommt es bei den Schülerinnen und Schü-
lern oft zu heftigen Reaktionen im Unterricht. Die Lehrpersonen sind dadurch gefor-
dert. Es entsteht ein Risiko für die Lehrperson, vor allem wenn sie zu diesem Thema
nicht wirklich selbst gefestigt ist und keine Erfahrung aus der Praxis aufweisen kann.
Man kann aber kontrovers geführte Thematiken auch einmal stehen und ruhen las-
sen. Lernende müssen diesen Weg der manchmal unstimmigen Inhalte für sich in
Freiheit und Engagement gehen. Dazu brauchen sie Zeit, Verständnis und auch
Lehrpersonen, die zugeben, nicht alles wissen zu können. Lehrende, die den Mut
haben, kontroverse Themen anzusprechen und das Risiko einzugehen, mit Zweifel
konfrontiert zu werden, die sie selbst hervorgerufen haben. Nur so kann sich ein
Lernender wirklich lernend entfalten. Das Wichtigste ist dabei die gelungene Bezie-
hung zwischen Lehrenden und Lernenden! „Und doch weiß ich, daß viel gewonnen
war, wenn die Beziehung zwischen mir und meinen Schülern eine wirklich mensch-
liche Beziehung war“ (Rogers 1989, S. 95).
In Demenzschulungen können ausschließlich personenzentrierte, dialogische Un-
terrichtsformen Erfolg zeigen. „Im Dialog hören der Lehrer-des-Schülers und der
70
Schüler-des-Lehrers auf zu existieren, und es taucht ein neuer Begriff auf: Lehrer-
Schüler und Schüler-Lehrer. Der Lehrer ist nicht nur mehr derjenige, der lehrt, son-
dern der selbst im Dialog mit dem Schüler lernt, der seinerseits, während er lernt,
auch lehrt. Gemeinsam werden sie verantwortlich für einen Prozeß, in dem alle sich
entfalten“ (von Freire 1965, zit. n. Rogers 1989, S. 63).
71
13 Die emotionale Konstruktion der Wirklichkeit
Dieser Begriff von Rolf Arnold für die Pädagogik (Arnold 2005) könnte transdiszipli-
när auch in der Demenzbetreuung Verwendung finden. Gerade dort ist die emotio-
nale Konstruktion der Wirklichkeit der retrograd orientierten Menschen mit Demenz
durch die Betreuung von immenser Wichtigkeit. Es ist bedeutend, die andere Welt
der Betroffenen mittels eigener emotionaler Konstruktion nachzuvollziehen, um
eben in diese Welt eintreten zu können. Dabei wird die Welt des anderen in sich
selbst aufgespürt und nachkonstruiert. Folglich entsteht eine gemeinsame Realität
des Augenblickes. Der subjektive Aufenthalt in der Welt des Betroffenen über Raum
und Zeit hinweg, kann als geglückter Kontakt verstanden werden.
Schülerinnen und Schüler besitzen eine eigene emotionale und kognitive Land-
karte. Sie wurden im Laufe ihres Lebens und ihrer persönlichen Entwicklung und
Prägung spezifisch eingespurt. Dadurch besitzen sie sogenannte biographische Pri-
märerfahrungen, die für eine weitere Lernbiographie des Subjektes von enormer
Bedeutung ist. Erwachsene denken, fühlen und handeln auf dem Untergrund ihrer
psychodynamischen Matrizen, die ihre Orientierungen und Verhaltensweisen steu-
ern (vgl. Arnold 2005, S. 5f).
Es ist somit unumgänglich, die subjektive Erlebenswelt jeder einzelnen Schülerin
und jeden einzelnen Schülers Raum zu geben. Lernende müssen sich über ihren
eigenen Weg der Gangbarkeit und Machbarkeit auseinandersetzen können. Neues
Wissen kann auf nachhaltiger Weise nur an vorhandenes Wissen angeknüpft wer-
den. Wissen muss anschlussfähig sein (vgl. Arnold 2005, S. 34).
Weiters sollten sich die Lernenden über ihre primären, emotionalen Muster im Kla-
ren werden. Dabei ist es von großer Wichtigkeit, themenspezifisch, individuell und
reflektiert zu arbeiten. „Durch Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion unseres Le-
benslaufs vergewissern wir uns unseres gelebten, aber auch unseres noch nicht
gelebten Lebens, unserer Möglichkeiten und Grenzen, unserer Vergangenheit und
unserer Zukunft“ (Arnold/Siebert 2006, S. 18). Gerade zum Thema Demenz muss
zu Beginn eines Kurses auf die Erlebnisse in informellen Bereichen und daraus re-
sultierenden spezifischen Ängsten eingegangen werden.
72
13.1 Sozialemotionaler Reisebegleiter
Aus konstruktivistischer Sichtweise sollten Lehrende spezifische Kompetenzen mit-
bringen. Zusätzlich benötigen sie zur Demenzthematik personenzentrierter Fähig-
keiten. Darüber hinaus ist ein Praxisbezug für das Abhalten von Demenzschulun-
gen natürlich von Vorteil.
Zunächst sehen sich der Pädagoge und die Pädagogin nicht als klassische Lehrerin
und Lehrer, sondern eher als Reisebegleitung auf dem individuellen Weg der An-
eignung von Wissen und emotionalen Kompetenzen.
„Vielleicht hilft es weiter, wenn wir das Lehr-Lern-Verhältnis nicht nur als kognitiven
Prozess der Wissensvermittlung, sondern auch als sozialemotionalen Vorgang der
Vertrauens- und Sympathiebildung in den Blick nehmen“ (Arnold/Siebert 2006, S.
31). Dabei ist wiederum die Priorität der Lehrer-Schüler Beziehung ersichtlich.
Wenn Vertrauen aufgebaut wird, kann man in den Schulungen sehr viel erreichen.
„Der Lerninhalt entsteht aus der konstruktiven Beziehung von Lehrenden und Ler-
nenden“ (Arnold/Siebert 2006, S. 32). Dabei ist auf beiden Seiten eine gewisse
Form der sozialemotionalen Kompetenz hilfreich. In der Regel sind drei Fähigkeiten
gemeint, wenn in der neuen pädagogischen Literatur von emotionaler Kompetenz
gesprochen wird: die Fähigkeit, zuzuhören, jene, sich in andere einfühlen zu können
und die Fähigkeit, Gefühle sinnvoll zum Ausdruck zu bringen (vgl. Arnold 2005, S.
117).
Lehrende geben den Anstoß und begleiten dann den weiteren Prozess der Lernen-
den in der Klasse. Gerade bei emotionaler Thematik ist eine gewisse Basis des
Vertrauens erforderlich. Zusätzlich sind in der Erwachsenenbildung die unterschied-
lichsten Emotionsstrukturen und emotionalen Matrizen der einzelnen Lernenden zu
berücksichtigen. Wenn es erforderlich ist, muss man auch den Einzelnen reflektie-
ren.
In Demenzschulungen kann man verschiedenste herausfordernde Verhaltenswei-
sen Demenzbetroffener in unterschiedlicher Form zur Verfügung stellen. Darüber
lässt man dann die einzelnen Schülerinnen und Schüler reflektieren. Auch deren
73
eigenen Gefühle sollten dabei berücksichtigt werden. Man kann dabei Erfahrungen
der Lernenden mit informeller Pflege im privaten Bereich, sowie aus den bereits
absolvierten Praktika, miteinfließen lassen. Das nützt der ganzen Gruppe und kann
als persönliche Anknüpfungsmöglichkeit genützt werden.
„Das Subjekt ist für mich die Summe aller inneren Systemiken, mit welchen es sich
mit den äußeren Systemiken - sprachlich bezeichnend und kommunizierend, aber
auch intuitiv sich versichernd und emotional nach Stimmigkeit strebend auseinan-
dersetzt“ (Arnold/Siebert 2006, S. 94). Diese emotionale Stimmigkeit ist in Demenz-
schulungen der Schlüssel zum gemeinsamen Erfolg von Lehrenden und Lernen-
den. Wenn die Grundproblematik der Zwei-Welten-Thematik, die bei der Betreuung
alter, retrogenetisch veränderter Menschen unweigerlich zu Tage tritt, als lebhafter
und oft leidenschaftlicher Diskurs geführt und überwunden wird, kann der gemein-
same Weg des konstruktiven Voranschreitens beginnen.
Gerade dem Einfühlen und Einsteigen in die Welt des retrograd veränderten Men-
schen steht aus konstruktivistischer Sichtweise sehr viel neues Unanknüpfbares
entgegen. Menschen sind es nicht gewohnt, ihre Sicht des gewohnten Erlebens und
ihre seit Jahrzehnten subjektiv-funktionierende Realität zumindest zeitweise situativ
zu verändern. Dabei erfordert es viele Beispiele aus der Praxis der Demenzbetreu-
ung und interaktiv-emotionale Beteiligung der Lernenden. Hierbei kann der Grund-
satz gelten, dass aus dem Widerspruch ein konstruktiver Prozess gelingen kann.
Desto mehr Einwände von den Lernenden vorgebracht werden, umso mehr Chan-
cen für den Lehrenden entstehen, die Thematik für den Einzelnen so zu modulieren,
dass es neurobiologisch-konstruktivistisch anknüpfbar wird. Die oben genannte in-
tuitiv erlebbare Sicherheit und emotionale Stimmigkeit sind die Instrumente, auf die
die Pädagogik zu spielen hat!
Hierbei hat sich als Methodik im Unterricht die Präsentation mittels einer Abfolge
von Bildern betroffener Menschen mit Demenz und dazu adäquat-stimmiger Musik
als einprägend für die Lernenden erwiesen. Dabei wird eine gewisse emotionale
Betroffenheit erzeugt, die auch nach dem Unterricht wirksam bleibt. Vielleicht wird
dabei ein direkter Weg des emotionalen Lernens begangen, ohne kognitive Filter
74
vorgeschaltet zu haben, die da mitunter störend sein können, also primär emotional
konsolidiert. „Bei der Erforschung des Zusammenhangs zwischen Emotion und
Kognition wurde ein essentieller neuronaler Mechanismus entdeckt. Die Amygdala
scheint nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen im Wesentlichen für die
Modulation von Informationen, die im Hippocampus konsolidiert werden, verant-
wortlich zu sein Unter Konsolidierung versteht man einen Speichervorgang, bei wel-
chen Erinnerungen über längere Zeit hinweg stabil werden und somit bewusst ab-
rufbar sind“ (Phelps 2007).
13.2 Missverstandene Kongruenz und Authentizität
Ein sehr weit verbreitetes Missverständnis in der Betreuung von retrograd verän-
derten Menschen mit Demenz wird in der Schule ab einer gewissen Phase der De-
menzschulung zum Thema. Schülerinnen und Schülern wird vermittelt, sie sollten
sich dem Thema und der Emotion des Betroffenen anpassen und dann dort einstei-
gen. Nicht vom Thema ablenken, nicht korrigieren, da betroffene Menschen mit De-
menz ab einem gewissen Stadium zur Realitätsorientierung kaum mehr fähig sind.
Die Rückentwicklung ist dann bereits so weit fortgeschritten, dass sie teilweise un-
umkehrbar geworden ist.
Wenn sich die Lernenden dann mit Themen von Menschen mit Demenz konfrontiert
sehen, die in die ferne Vergangenheit gehen, wird oftmals eine Ratlosigkeit sichtbar.
Wenn Personen der persönlichen Vergangenheit, die längst verstorbene Mutter o-
der der Vater wieder eine Rolle spielen, wiederbelebt werden, wissen sie nicht, wie
man damit umgehen soll. Einerseits lernen sie, Menschen mit Demenz nicht anzu-
lügen, andererseits wurde darauf hingewiesen, keine Realitätsorientierung vorzu-
nehmen. Also dürfen die Schülerinnen und Schüler im Kontakt den Tod der gelieb-
ten Person nicht bestätigen, dabei aber auch nicht vor sich selbst unehrlich sein.
Das bringt sie vor ein persönliches Dilemma. „Bei einer personzentrierten Pflege
älterer Personen mit Demenz wird den Erfahrungen des einzelnen, seiner unver-
wechselbaren Lebensgeschichte große Beachtung geschenkt. Diese Aufmerksam-
keit für die Vergangenheit bedeutet nicht, daß man die Gegenwart abwertet; man
erkennt vielmehr an, daß die gegenwärtige Identität eines Menschen immer ein Er-
gebnis seiner Geschichte ist und daß eine Neuinterpretation und Neubewertung
75
früherer Erfahrungen von wesentlicher Bedeutung für eine Korrektur des Selbstkon-
zeptes ist“ (Morton 2002, S. 31).
Hier stellt sich die Frage, wenn Lernende die Welt der Betroffenen bestätigen, wen
belügen sie dabei eigentlich? Nach guter und reichlicher Reflexion kann man beide
Möglichkeit durchspielen und diesem Thema Zeit und Raum geben. Wenn die Re-
alität der Betroffenen dann erfolgreich so deutlich in den Vordergrund gerückt ist,
dass eine Bestätigung derselben als eine Bekräftigung der subjektiven-realen Welt
und Wahrnehmung gesehen werden kann, ohne sich selbst als inkongruent zu emp-
finden, ist das Ziel erreicht. „Daß man der inneren, phänomenologischen Welt des
einzelnen zentrale Bedeutung beimißt, hat weitreichende Auswirkungen auf die Art
der Beziehung, die man zur Person mit Demenz herstellt. Während die Realitätsori-
entierung mit ihren behavioristischen Grundlagen auf die Funktionsfähigkeit des
einzelnen ausgerichtet ist, setzt der personenzentrierte Ansatz bei der subjektiven
Erfahrung an“ (Morton 2002, S. 30). Persönliche Erfahrungen, die bei Menschen mit
Demenz wieder in den Vordergrund ihres Erlebens rücken, kann man eine legitime
Realität bescheinigen. Diese Legitimität sollte von den Lernenden verinnerlicht wer-
den.
76
14 Emotionale Didaktik
Das Ziel einer personenzentriert abgehaltenen Demenzschulung ist die Aneignung
einer Umgangskompetenz, die den Betroffenen versteht. Mit veralteter Didaktik
kann dies absolut nicht erreicht werden. Auch Lehrpersonen sind von dieser veral-
teten, unproduktiven und nicht nachhaltigen Form geprägt: „Lehrer haben selber
Schule und Bildung so erlebt, wie sie es weitergeben. Sie sind häufig in der indust-
riellen Didaktik ‚lernsozialisiert‘ worden. Der Lehrervortrag bestimmt immer noch
den Lehr- und Lernprozess in der Schule. Dabei wird unendlich viel Informations-
und Wissensmüll angehäuft, genau wie in industriellen Prozessen auch viel Müll
produziert wird. Isoliertes Wissen wird gelehrt, das eine kaum nennenswerte Halb-
wertzeit hat. Die Müllentsorgungsprobleme der Industrie verschmutzen unsere Um-
welt und beeinträchtigen unser jetziges und zukünftiges Leben. Genau wie der
durch die industrielle Didaktik produzierte Wissens- und Informationsmüll auch. So
entstehen schnell emotionale Viren wie Angst, Stress, Langeweile, Mobbing, Schul-
verweigerung und Versagen“ (Kobbeloer 2018).
Wenn die Angst bei den Schülerinnen und Schülern einmal priorisiert ist, kann diese
Haltung, die von Passivität und Defensivität geprägt, nur mehr sehr schwer durch-
brochen werden. Sie können sich nicht mehr frei und kreativ entfalten. Sie wollen
Sicherheit in Form von katalogisierten Lernzielen, lineares Denken ohne Zulassung
von Emotionen und Beziehungen. „Lehren und Lernen scheitern nicht daran, dass
die Lehrkräfte unserer Schulen bisher nicht gewußt hätten, zu welchen Zeitpunkt
Schüler welche Wissensinhalte beherrschen sollen. Schulen scheitern daran, dass
es Lehrern und Schülern über weite Strecken nicht mehr gelingt, eine Unterrichtssi-
tuation herzustellen, die erfolgreiches Lehren und Lernen überhaupt erst ermög-
licht“ (Bauer 2007, S. 11f).
In den Ausbildungsstätten, in denen Demenzschulungen abgehalten werden, muss
von der Lehrerschaft ausgehend, ein Paradigmenwechsel, weg von der veralteten
Lehrform, hin zur emotionalen Didaktik stattfinden. „Wenn sich Rahmenbedingun-
gen und Einflussfaktoren ändern, passen sich lebendige Systeme normalerweise
den neuen Umständen an. Unsere Klassenräume müssen die Wirklichkeit der ech-
ten Welt abbilden. Vielleicht gibt es dann den Klassenraum nicht mehr. Deshalb
77
muss sich auch die Didaktik dem neuen Zeitalter anpassen. Von der industriellen
hin zur emotionalen Didaktik“ (Kobbeloer 2018).
78
15 Das szenische Spiel als Lernform
„Lernen findet in Szenen statt, in die wir mit allen Sinnen eingebunden sind“ (Schel-
ler 2016, S. 17). Eine weitere Möglichkeit konstruktivistischer Unterrichtsgestaltung
ist die Annahme des szenischen Lernprozesses. Bereits das Kind lernt und entwi-
ckelt sich in der Nachahmung der Erwachsenen. „Es wird oft vergessen, auf wie
theatralische Art die Erziehung des Menschen vor sich geht“ (von Brecht 1942, zit.
n. Scheller 2016, S. 21). Auch Kinder lernen in Szenen und probieren diese Erleb-
nisse in nachgeahmten Verhaltensweisen, wie die Umwelt darauf reagiert. Ein lau-
fendes Spiegeln der Eltern und nachfolgendes Reflektieren garantierten die grund-
sätzliche Entwicklung des Kindes. „Die Welt, wie sie das Kind nach und nach ken-
nen lernt, ist kein Warenhauskatalog, sondern ein Set von Handlungs- und Interak-
tionsmöglichkeiten, die es zunächst passiv erlebt, sich dann abschaut und schließ-
lich imitierend einübt. Beobachtung und Imitation erzeugen im kindlichen Gehirn ein
Skript, das in Nervenzellen gespeichert ist“ (Bauer 2007, S. 69). Dabei wird eine
positive, emotionale Resonanz erzeugt, die für erfolgreiches Lernen und Entwickeln
absolut erforderlich ist.
Auch Erwachsene streben im Kontakt mit ihrer Umwelt auf emotionale Gestimmt-
heit, positive Resonanz. Diese ist auch für den Lernerfolg in der Schule, für nach-
haltiges Lernen verantwortlich. Schülerinnen und Schüler übernehmen bereits un-
bewusst die emotionale Stimmung und den Habitus der Lehrerin und des Lehrers.
„Tritt ein Mensch in unseren Wahrnehmungshorizont, dann aktiviert er, ohne es zu
beabsichtigen und unabhängig davon, ob wir es wollen oder nicht, in uns eine neu-
robiologische Resonanz“ (Bauer 2007, S. 85). Folglich sollte die Lehrperson bereits
beim Betreten der Klasse auf seine nonverbalen Signale achten. Diese erzeugen
bei den Lernenden sofort unbewusste Reaktionen auf der Basis von Spiegelphäno-
menen. So gesehen kann der Unterricht gleich von der ersten Minute an erfolgreich
sein oder auch misslingen. „Lehrerinnen und Lehrer beeinflussen die Aufmerksam-
keit und das Verhalten von Schülern nicht nur durch das, was sie sagen, sondern
ebenso durch die Signale, die von ihrer Körpersprache ausgehen, von ihrer Haltung,
ihren Bewegungen und ihrer Mimik“ (Bauer 2007, S. 79f).
79
Spiegelungen und das Bemühen um emotionale Resonanz enden nicht mit der
Kindheit. Auch Erwachsene sind ständig bemüht, emotionale Stimmigkeit in Bezug
zu ihrer Umgebung zu erzeugen. „Die Notwendigkeit, neue Perspektiven und unter-
schiedliche Handlungsmuster auszuprobieren, endet also nicht mit der Kindheit.
Das Handlungs- und Interaktionsinventar, das wir als soziale Gemeinschaft leben
und im neurobiologischen Format des Spiegelsystems aufbewahren, muss zeitle-
bens – zunächst im Spiel, später in unterschiedlichen Formen des kulturellen Aus-
tausches – immer wieder neu ausgehandelt werden“ (Bauer 2007, S. 72). Wobei
das Spiel grundsätzlich seine Bedeutung beibehält. „Das Spiel, verstanden als
Durchspielen von Optionen des Handelns und Fühlens, verbunden mit der Möglich-
keit, sich in unterschiedliche Rollen hineinzuversetzen, ist nicht nur für das Kind von
Bedeutung. Auch Erwachsene brauchen Foren, auf denen Anschauungen, Hand-
lungsstile und Gefühle erprobt und reflektiert werden können. Ein solches Forum ist
das Theater“ (Bauer 2007, S. 71).
15.1 Rollenspiel im Unterricht
Eine geeignete Methode zur Aneignung von emotionaler Demenzbetreuungskom-
petenz kann das Rollenspiel sein. In der Rolle des alten und kognitiv veränderten
Menschen können seine Emotionen, Bedürfnisse und sein Erleben nachgespürt
werden. „Schließlich gibt es noch die Möglichkeit des Rollenspiels. Es bedeutet,
tatsächlich den Part einer Person mit Demenz zu übernehmen und in einer wirklich-
keitsgetreu nachgeahmten Umgebung, in der Versorgung bzw. Pflege stattfindet,
auszuleben. […] Indem wir eine solche Rolle übernehmen, beginnen wir in Kontakt
mit unserem eigenen Vorrat demenz-ähnlicher Erfahrungen zusammen mit den sie
begleitenden Gefühlen zu treten“ (Kitwood 2008, S. 117).
Zunächst sollten die Lehrkräfte selbst in der Lage sein, herausfordernde Verhal-
tensweisen von Menschen mit Demenz in einer Rolle zu übernehmen, um den
Schülern die subjektive Realität deren Erlebens näherzubringen.
15.1.1 Lehrende in der Demenzrolle
Grundsätzlich sollten die herausragenden, emotional stark besetzten Verhaltens-
weisen Betroffener von der Lehrerin und dem Lehrer übernommen und so der
80
Klasse zur Verfügung gestellt werden. Gut geeignet sind poriomanische Verhaltens-
weisen mit dem Kennzeichen der starken Unruhe und motorischer Getriebenheit.
Den Schülerinnen und Schülern wird dabei der starke Emotionsgehalt dieses Ver-
haltens bei ihnen selber bewusst. Nachfolgend sollten die möglichen, verschiede-
nen Gründe derartigen Verhaltens im Kontext biographischer Hintergründe unter-
sucht werden. „Ein personenzentrierter Ansatz stellt den Betreuer vor die Aufgabe,
die verborgene Bedeutung von scheinbar bizarren oder verwirrten Sprech- und Ver-
haltensweisen zu verstehen, die früher als bedeutungsloses Ergebnis eines Krank-
heitsprozesses betrachtet wurden. Er muß Einblick in die Wahrnehmungswelt des
Menschen mit Demenz gewinnen und zu begreifen suchen, wie dieser seine Reali-
tät deutet“ (Morton 2002, S. 30).
Eine andere, sehr effektive Thematik im Verhalten von Menschen mit Demenz er-
scheint das laute Rufen, insbesondere nach Hilfe oder Personen, die bereits ver-
storben sind. Die hohe emotionale Energie, die dabei vermittelt wird, erzeugt bei
den Lernenden Betroffenheit. Die Aufmerksamkeit ist dabei auf einem sehr hohen
Level und die Nachhaltigkeit durch emotionales Lernen garantiert. Die Schülerinnen
und Schüler sind als Zusehende angehalten, sich der Szene zuzuwenden. Nachfol-
gend bedarf es seitens der Lehrenden einer guten Reflexion mit den Lernenden.
Vor allem die Suche nach den treibenden Kräften für solch geartetes Verhalten, das
meist in der Vergangenheit der Menschen mit Demenz zu suchen ist, ist enorm
wichtig. Hier wird vordergründig der Mensch mit Demenz in die Szene geholt. „Sze-
nisches Spiel ist handeln in vorgestellten Situationen“ (Scheller 2016, S. 26).
Zur Veranschaulichung der retrograden Suche in der Vergangenheit der Betroffe-
nen hat sich die Retrogenese nach Reisberg im Sinne der umgekehrten Kindheits-
entwicklung sehr gut bewährt (vgl. Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesund-
heit und Konsumenten-schutz 2018). Eine jede Szene, die im Moment nicht klar
verständlich erscheint, muss unbedingt zur Nachvollziehbarkeit der Lernenden auf-
gelöst werden. Die darin gestellten Handlungen müssen für die Beobachterinnen
und Beobachter einen Sinn ergeben. Nur dann können auf der emotionalen Spur
auch die kognitiven Inhalte nachhaltig im Gehirn gespeichert werden. Dabei darf in
der Schule auch der Humor nicht zu kurz kommen.
81
15.1.2 Rollenübernahme durch Schüler
„In der Annäherung in der Erfahrung der Demenz ist es vielleicht das Beste, was wir
tun können, unseren eigenen Vorrat an emotionalen Erinnerungen zu nutzen und
eine innere Erzählung zu kreieren, die zumindest eine gewisse Ähnlichkeit mit ei-
nem Leben unter Demenz hat“ (Kitwood 2008, S. 117). Wenn Lernende bereit sind,
eine Rolle im Kontext der Betreuung von Menschen mit Demenz zu übernehmen,
können folgende Parts übernommen werden: einmal die Rolle vom Betroffenen
selbst, dann die Seite der Betreuung und zuletzt jene des Angehörigen. Vorausset-
zung ist die absolute Freiwilligkeit der Schülerinnen und Schüler für eine Rollen-
übernahme, da das Rollenspiel im Klassenforum stattfindet und dabei niemand
bloßgestellt werden sollte. Denkbar wäre dabei eine szenische Nachstellung von
einer typischen Betreuungssituation, in der ein Demenzbetroffener bei einem Be-
such seiner Angehörigen diesen nicht mehr als solchen erkennt. Dabei können alle
drei Rollen gut belebt werden, da in allen Personen eine große emotionale Heraus-
forderung sichtbar wird. „Rollen- und Situationsvorgaben, die in szenischen Hand-
lungen umgesetzt werden sollen, müssen so beschaffen sein, dass die Spielenden
bei der Aneignung nicht nur ihr eingeschliffenes Haltungs- und Rollenrepertoire wie-
derholen, sondern mit fremden, abgewehrten, idealisierten oder noch unbekannten
Haltungen konfrontiert werden. Dafür bieten sich neben erlebten oder typischen
Konfliktsituationen Geschichten an, in denen soziale Situationen und Dramen in
spezifischer weise entworfen und interpretiert werden“ (Scheller 2016, S. 33).
Beim Menschen mit Demenz wird sich die distanzierte Haltung gegenüber dem Be-
sucher gut herausarbeiten lassen. In der Rolle der Besucher wird die Unsicherheit,
Ratlosigkeit und emotionale Betroffenheit gespiegelt. Als Expertin ist die Betreuung
in ihrer Rolle sehr gefordert, will sie es doch allen recht machen. Dies erscheint aber
unmöglich. „Je genauere Vorstellung die Spieler bzw. Spielerinnen von ihrer Rolle
und der Situation entwickeln, umso besser sind sie in der Lage, reale Räume und
Gegenstände, die Mitspieler und sich selbst als andere wahrzunehmen und aus der
Rolle heraus zu handeln. Werden ihre Vorstellungen systematisch aufgebaut und
entfaltet, haben sie Gelegenheit, sich Schritt für Schritt in die Rolle und die Situation
einzufühlen, dann bleibt ihr Handeln im Spiel nicht fiktiv und bloße Inszenierung,
wird so real wie in analogen Alltagssituationen auch“ (Scheller 2016, S. 26).
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In der Szenierung dieses Soziodramas werden sehr deutlich die verschiedenen Rol-
len an sich selbst erlebt und für die Zuschauer realistisch-reflektorisch nachemp-
findbar. Das Publikum ist in gewisser Weise an den Rollen emotional beteiligt und
nimmt im Sinne der Rollen Deutungen vor. In solchen szenischen Darstellungen ist
es sehr wichtig, ein Zeitlimit zu setzen bzw. bei drohender Eskalation oder Überfor-
derungen der Spielenden, den Akt abzubrechen. Eine gründliche Reflexion jeder
eigenen Rolle, deren Entwicklung und Ablauf im Spiel muss genau erörtert werden.
„Ein solches Rollenspiel sollte natürlich unter Bedingungen stattfinden, in denen die
Menschen psychologisch sicher sind und wo reichlich Gelegenheit für ein Debriefing
und ein gründliches Ablegen der Rolle kommt“ (Kitwood 2008, S. 117).
Es wird dabei sicher von Vorteil sein, die einzelne Akteurin und den Akteur genü-
gend Zeit zu geben, die persönlichen Erfahrungen und Gefühle im Klassenforum
reflektieren zu lassen. Dabei können sie von den Mitschülern zu einzelnen Situati-
onen befragt werden. „Die Beobachter, auf die beim szenischen Spiel nicht verzich-
tet werden kann, beschreiben und zeigen, welche Haltungen im Spiel sichtbar ge-
worden sind und welche sozialen Beziehungen die Personen über Handlungen,
Gestik, Mimik und Sprechhaltungen aufgebaut bzw. abgebrochen haben“ (Scheller
2016, S. 32).
Es ist Sache des Lehrenden, der vorgegeben Situation im Rollenspiel, die konstruk-
tiv umsetzbar erscheint, eine Lösung anzubieten. Die Erklärung des Nichterkennens
des Angehörigen ist natürlich wiederum in einer Rückentwicklung des Menschen
mit Demenz in sein früheres Leben begründbar. Damit werden auch im subjektiven
Erleben des Betroffenen die Personen seines Umfeldes wieder jünger. Hier würde
sich z. B. die Reminiszenz Arbeit mittels Familienalben anbieten. Bei der szenischen
Nachstellung oben beschriebener Ausgangssituation wird nach erfolgreicher Refle-
xion die emotionale Haltung jeder einzelnen Rolle gut sichtbar und bei sich selbst
nachvollziehbar. In dieser Form ist emotionales Lernen mit nachhaltigem Charakter
gesichert. „Demnach ist das Rollenspiel der Demenz unter Umständen einer der
mächtigsten Wege zum Verständnis. Hier nämlich gehen wir weit über einen ledig-
lich intellektuellen Zugriff hinaus und nähern uns einem echten ‚Ausgesetztsein‘:
83
Form und Gewicht von Dingen spürend, sie eher in Aktion als in bloßer Reflexion
kennend“ (Kitwood 2008, S. 118).
15.2 Forumtheater in der Klasse
„Das Theater ist ständig dabei, Lebenskonzepte zu überprüfen. Theater ist ein Mög-
lichkeitsraum, eine Versuchsanstalt. Hier kann alles passieren, auch das Misslin-
gen. Theater ist lebendiges Probehandeln“ (von Kiderlen 2004, zit. n. Bauer 2007,
S. 71f). Das Forumtheater entstand als Weiterentwicklung des unsichtbaren Thea-
ters nach Boal, eine Entwicklung von nicht am Schauspiel beteiligten Zusehern zu
den Zuschauspielern, die aktiv in Szenen eintreten, Rollen übernehmen (vgl. Boal
2016, S. 353). Diese dynamische Form des Theaters kann in der Klasse gut ver-
wendet werden, besonders zum Thema Demenz mit ihren vielen Variablen und Fa-
cetten des Verhaltens und Erlebens. Seitens der Schülerinnen und Schüler ist es
möglich, sich sehr kreativ dabei zu betätigen.
Es handelt sich hierbei um eine erweiterte Methode des Rollenspiels, nur werden
die Rollen dynamischer bedient. Dabei wird auch die Rolle des Lehrenden, der le-
diglich anfänglich die Rollen grob vorgibt, diese dann allerdings der Dynamik der
Gruppe überlässt, deutlich verändert. Im Gegensatz zum szenischen Spiel, dass
vom Spielleiter jederzeit unterbrochen werden kann, um eine Modellierung der Rolle
im Sinne des Spielleiters vornehmen zu können, basiert das Forumtheater auf of-
fene Dynamiken und vielseitige Entwicklungen (vgl. Scheller 2016, S. 31). Man
muss auch wissen, dass Boal das Forumtheater als einen nicht mehr endenden
Prozess aller Beteiligten gesehen hat. „Sie endet niemals. Ziel des Theaters der
Unterdrückten ist nicht, einen Kreis zu schließen, eine Katharsis zu ermöglichen
oder einen Prozess zu beenden. Im Gegenteil, Ziel ist die Selbstaktivierung der Zu-
schauspieler. Es geht darum, einen Prozess in Gang zu bringen und die transfor-
mierende Kreativität der Zuschauspielerinnen zu stimulieren, die sich in die Prota-
gonistinnen verwandeln. Genau deswegen sollte das Theater der Unterdrückten
Transformationen anregen, die sich nicht nur auf den ästhetischen Bereich be-
schränken. Sondern ins wirkliche Leben übertragen werden sollen“ (Boal 2016, S.
386f).
84
Voraussetzung für eine derart offene Methode ist allerdings ein doch bereits fun-
diertes Wissen und Verstehen über personenzentriertes Verstehen und Interaktion
im Zusammenhang mit Menschen mit Demenz. Vor allem die Grundhaltungen der
Empathie, Kongruenz und Akzeptanz sollte bereits verinnerlicht sein. Der Mensch
in der jeweiligen Rolle sollte in seinem emotionalen Erleben Gültigkeit erlangen und
als solcher gut und ausreichend reflektiert werden!
15.2.1 Ablauf des Forumtheaters
Zuerst müssen im Klassenforum nach möglichen Themen, die im Alltag einer De-
menzbetreuung auftreten, gesucht werden. Dabei gibt es einerseits die Klassiker,
die sogenannten herausfordernden Verhaltensweisen und andererseits derart viele
Themen, wie Menschen mit Demenz selbst. Der Kreativität sind bereits bei der Su-
che nach Themen keine Grenzen gesetzt. Wichtiges und zentrales Anliegen dabei
ist die emotionale Energie, vor allem des Menschen mit Demenz, die dabei im Mit-
telpunkt der Inszenierung stehen sollte.
Man darf dabei nicht vergessen, dass mindestens ein Handelnder und Schauspieler
einen Menschen mit Demenz übernimmt. Dadurch bekommt er eine Würde, die
dann gegenwärtig ist. Boal war es immer ein Anliegen, den Unterdrückten einer
Gesellschaft eine Stimme zu geben, eine Stimme, die vielleicht einmal die Gesell-
schaft verändern kann. „Wir sind alle Schauspieler, wir sind alle Handelnde. Bürger
ist nicht, wer in der Gesellschaft lebt. Zum Bürger wird, wer die Gesellschaft verän-
dert“ (Boal 2016, S. 11).
Wenn die Situation, die nachgespielt wird, klar verständlich für die Erstbeteiligten
ist, kann begonnen werden. Alle Zuschauer sind nach Boal sogenannte Zuschau-
spieler und können sich jederzeit in eine Rolle einbringen, den Akteur durch sich
selbst austauschen. Dadurch entsteht die dem Forumtheater ganz eigene und per-
sönliche Dynamik.
Selbst augenscheinlich passiv verbleibende Schülerinnen und Schüler, die keine
aktive Rolle übernehmen, werden emotional berührt und beziehen zumindest inner-
lich eine Position. „In einer Forumtheateraufführung kann niemand Zuschauer im
negativen Sinn des Wortes bleiben – selbst, wenn er es eigentlich möchte. Selbst,
wenn er nur von weitem zusieht. Beim Forumtheater wissen alle Zuschauspieler,
85
dass sie jederzeit ‚Stopp‘ rufen können und ihre Meinung demokratisch und in the-
atraler Form einbringen können. Sie können sich jedoch dafür entscheiden, nichts
zu sagen und diese Entscheidung ist auch bereits eine Handlung und eine Art von
Partizipation“ (Boal 2016, S. 384f).
15.2.2 Reflexion des Forumtheaters
Es erscheint sinnvoll, nachfolgend im geschützten Rahmen der Klasse das Thea-
terstück von den einzelnen Akteurinnen und Akteuren reflektieren zu lassen. Zu-
sätzlich kann dabei eine Videoaufzeichnung des Geschehens konstruktiv sein,
wenn dies von allen Beteiligten im Vorfeld akzeptiert wurde. Eine Reflexion oder
Nachbesprechung erscheint auch im Zusammenhang des Rollenablegens von im-
menser Wichtigkeit. Man sollte dabei den Akteurinnen und Akteuren Zeit einräumen,
sich über den Eigen- und Fremdanteil der im Theater gespielten sozialen Rolle be-
wusst zu werden. „Und schließlich sind da die sozialen Beziehungen, die die Person
geprägt haben, in der sie stehen, über die sie sich definieren und die sie durch ihr
Handeln und Denken aufbauen, bestätigen oder in Frage stellen. Um die Bezie-
hungsmuster und die damit verbundenen Selbst- und Fremdbilder der Person zu
verstehen, müssen die Spieler auf eigene Beziehungserfahrungen zurückgreifen,
wobei es, wie das oben dargestellte Beispiel zeigt, nicht selten zur Übertragung
eigener Beziehungsmuster kommt. Dabei werden die konkreten Beziehungen, die
die Personen zu anderen aufgebaut haben oder aufbauen, häufig erst während der
Interaktion mit diesen bewusst und können nachträglich erschlossen werden“
(Scheller 2016, S. 31). Dies erscheint auch im Sinne konstruktivistischer Zugänge
mit der erlebten Emotionspädagogik übereinzustimmen.
15.3 Das unsichtbare Theater
„Unsichtbares Theater ist Theater, das an den unterschiedlichsten Orten im öffent-
lichen Leben stattfindet, zum Beispiel im Kaffeehaus, in der U-Bahn, auf der Straße.
Eine DarstellerInnengruppe inszeniert eine Szene über Machtausübung und Unter-
drückung, ohne die PassantInnen über die Inszenierung aufzuklären. Unter die Pas-
santInnen gemischte SchauspielerInnen beginnen eine kontroverse Diskussion
über das Vorgefallene mit den Durchreisenden. Der Schein der Authentizität bleibt
die ganze Zeit über gewahrt“ (von Frey 1989, zitiert nach Spindler 2009, S. 37).
86
Auch die Demenz kann sich der Kunst des Theaters bedienen. Die Bühne betritt
dabei den öffentlichen Raum. Der Schritt wird vom geschützten Raum der Klasse
hinaus in die Gesellschaft gemacht. Die Bühne des Theaters wird zur Bühne des
Lebens. Die ursprüngliche Methode, das unsichtbare Theater oder Theater der Un-
terdrückten kommt von Augusto Boal. „Wenn wir die Welt genau betrachten, sehen
wir Unterdrücker und Unterdrückte in allen Gesellschaften und Geschlechtern, Klas-
sen und Kasten, wir sehen eine ungerechte und grausame Welt. Wir müssen eine
andere Welt erfinden, denn wir wissen: Eine andere Welt ist möglich. Es ist an uns,
sie mit unseren eigenen Händen zu bauen, uns einzumischen und auf die Bühne zu
gehen: Auf die Bühne des Theaters wie auf die Bühne des Lebens“ (Boal 2009, S.
7). Diese letzten öffentlichen Worte vor Boals Tod sind schlicht ergreifend. Über die
Wirksamkeit des unsichtbaren Theaters: „Ziel des Unsichtbaren Theaters ist Unter-
drückung sichtbar zu machen. Dieses Theater muss unsichtbar sein, damit es die
Unterdrückung, die fast immer unsichtbar ist, sichtbar machen kann.“ (von Boal
1979, zit. n. Spindler 2009, S. 37).
„Unterdrückung entsteht durch die allgemeine, auch unbewusste Annahme, eine
bestimmte Menschengruppe sei minderwertig oder rechtlos. Unterdrückung be-
schränkt sich selten allein auf regierungsamtliche Aktivitäten. Auch Einzelpersonen
können Opfer von Unterdrückung werden, wenn ihnen die Solidarität einer sozialen
Gruppe fehlt“ (Wikipedia 2018m).
Gerade für Menschen mit Demenz in unserer Gesellschaft ist der Begriff der Unter-
drückten bezeichnend. Aber es muss nicht so bleiben. Im letzten Akt kann es viel-
leicht gelingen, die Anliegen und Wünsche von Menschen mit Demenz an „ihre“
Gesellschaft zu bringen, sichtbar zu machen. Gleichzeitig würden die Schülerinnen
und Schüler bereits die Rolle von „Experten“ einnehmen. Sie übernehmen selbst
dabei die soziale und emotionale Verantwortung.
Es bedeutet sicher eine große Herausforderung für Lernende, sich in öffentlichen
Räumen zum Thema Demenz zu exponieren. Andererseits kann es auch die Schule
ihres Lebens sein. Nachhaltigkeit ist garantiert. Im Vordergrund würde dabei das
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Interesse einer Humanisierung von Menschen mit Demenz in der Gesellschaft sein.
„Was wir brauchen, sind nicht mehr Konzepte, sondern was wir brauchen ist eine
Philosophie der Demenz, vielleicht sogar eine Soziologie, die, vom Phänomen De-
menz ausgehend, unsere Gesamtlage zu verstehen versucht“ (Gronemeyer 2013,
S. 263).
Zusätzlich reflektieren die Lernenden als Akteure des unsichtbaren Theaters die
noch immer existierenden Vorbehalte und Ressentiments gegenüber dieser angeb-
lichen Krankheit. Auch diese Erfahrungen sind sehr wichtig, emotionale Demenz-
kompetenz entwickeln zu können. Nicht zuletzt beweinen Betroffene ihre Diagnose
wegen der Nichtakzeptanz der ihrer umgebenden Gesellschaft. „Ich war 58 Jahre
alt, als mir die Diagnose offiziell mitgeteilt wurde. Daraufhin weinte ich drei Wochen
lang Tag und Nacht“ (Taylor 2010, S. 46). Ab der Diagnosestellung ist die Gesell-
schaft bemüht, diese Kranken und Abartigen loszuwerden (vgl. Gronemeyer 2013,
S. 85).
Die Erstellung eines Drehbuches in der Klasse für einen öffentlichen Auftritt an be-
lebten Orten und die damit verbundene, intensive Auseinandersetzung mit den ver-
schiedenen Rollen garantiert eine pädagogische Wirksamkeit und Nachhaltigkeit.
Die Aufführung selbst passiert in der Annahme der Unsichtbarkeit. Die Zuschauer
haben von der Inszenierung keine Ahnung und heben dadurch die dabei erlebten
Szenen auf eine neue Ebene. Lernende treten aus der geschützten Umgebung der
Klasse und betreten mit ihren Intentionen öffentlichen Raum. Gerade dies erscheint
im Zeitalter der Ghettoisierung von Menschen mit Demenz immens bedeutsam (vgl.
Gronemeyer 2013, S. 11).
Der letzte und wichtigste Aspekt ist wiederum die Aktivierung und Konkretisierung
einzelner emotionaler Erlebnisse. Diese haben in Interaktion mit Zuschauern im öf-
fentlichen Raum eine dynamisierende Wirkung und garantieren das Aneignen emo-
tionaler Kompetenzen durch Rationalisierung. „Die Rationalisierung der Emotion
geschieht nicht nur, wenn diese vorbei ist, sondern sie ist der Emotion selbst imma-
nent. Verstand und Emotion sind unauflöslich miteinander verbunden. Es existiert
eine Gleichzeitigkeit von Fühlen und Denken“ (Boal 2016, S. 104).
88
Theater als zentrale Methodik bei Demenzschulungen. „Ich verstehe nur, was ich
fühle, und ich fühle nur, was ich verstehe“ (von Devrient 1814, zit. n. Strasberg 2007,
S. 70).
89
16 Zusammenfassung
Menschen mit Demenz brauchen in Zukunft eine demenzfreundliche Gesellschaft.
Ein gewisser Humanisierungsprozess, weg von der zum Teil nach wie vor geübten
Ghettoisierung und Entpersonalisierung, muss voranschreiten. Die personen-
zentrierten Umgangsmodelle für Menschen mit Demenz bieten eine gute Alternative
zu den teilweise noch immer bestehenden reduktionistischen Praktiken und neuro-
pathologisierenden Tendenzen. Wesentlich für personenzentrierte Kommunikation
mit Menschen mit Demenz ist eine emotionale Kompetenz. Diese können sich die
Lernenden mittels emotionspädagogischer Methoden aneignen. Rollenübernah-
men von emotionalen Verhalten Betroffener eignen sich dabei sehr gut. Solche kön-
nen in der Schule aber auch im öffentlichen Raum in Form des unsichtbaren Thea-
ters stattfinden.
Die nach Alois Alzheimer benannte Krankheit des Gehirns ist bis heute trotz inten-
siver und jahrzehntelanger Forschung nicht heilbar. Bei der von ihm angeführten,
zugrundeliegenden Pathologie, der Plaques und Neurofibrillen handelt es sich aus
heutiger Sicht um eine rein theoretische Annahme. Viele Untersuchungen ergaben
keine durchgehende Korrelation zwischen dieser Pathologie und der Klinik. Trotz-
dem hält sich die neuropathologische Sicht hartnäckig. Menschen im Alter mit nach-
lassender Hirnleistung werden weiterhin dementisiert, stigmatisiert und „therapiert“.
Viele Autoren argumentieren mit der gesellschaftlichen Veränderung des 21.Jahr-
hunderts, insbesondere mit der wachsenden Anzahl an Menschen, welche dem ge-
sellschaftlichen Druck in Bezug auf Geschwindigkeit und Leistung nicht mehr stand-
halten. Dies kann in allen Altersgruppen beobachtet werden. Auch und vor allem
beim alten und sehr alten Menschen werden diesbezügliche Auswirkungen deutlich
sichtbar.
Durch das zusätzlich maligne und sozialpsychologische Verhalten der Gesellschaft
gegenüber den vermeintlich geistig kranken Menschen verstärkt sich dieser Effekt.
Der Mensch im Alter mit kognitiver Schwäche divergiert immer schneller und weiter
von der ihn umgebenden Gesellschaft weg. „Krankheit ist die gesunde Reaktion, an
der Norm zu verzweifeln“ (von Muschg 1976, zit. n. Foerster et. al. 2016, S. 77).
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Verfolgt man diesen Prozess weiter, kann man eine Extrahierung der „Kranken“ aus
einer Gesellschaft der „Gesunden“ beobachten. Oft erfolgen eine Institutionalisie-
rung und Entpersonalisierung mittels mechanischer oder chemisch bedingter Un-
terbindung des Ortswechsels.
Die eigentlich inhumanen Reaktionen seitens Personen aus der Pflege, seien sie
aus dem informellen oder aus dem institutionellen Raum, dürften vielfach der Un-
wissenheit und Angst entstammen. Es besteht einerseits die Angst der emotionalen
Übertragung vor der eigenen Angst während Phasen von spezifischen, emotionalen
Verhaltensweisen Betroffener. Andererseits gibt es wenige alternative Möglichkei-
ten. Darüber hinaus dürfte der Betroffene grundsätzlich als Bedrohung für die Um-
gebung wahrgenommen werden, wodurch Schutzmaßnahmen folgen.
Es erscheint aus humanistischer Sicht wirklich unerheblich zu sein, ob es sich um
eine Krankheit oder um eine Veränderung des Gehirns beim alten Menschen han-
delt. „Das entscheidende ist immer der Mensch“ (Frankl 2007, S. 218). In diesem
Abschnitt wird versuchsweise ein Bogen von der personenzentrierten Interaktion
nach Rogers zu der Gefühlsarbeit in der Pflege des alten Menschen gespannt. Da-
bei kommt den drei Säulen nach Rogers: die Empathie, Kongruenz und Akzeptanz
ein hoher Stellenwert zu (vgl. Kreuziger 2000). Diese zentralen, menschlichen
Grundhaltungen ermöglichen es, in fast jeder Situation und mit allen Menschen in
entsprechender Würde und mit dem nötigen Respekt, in Kontakt zu treten.
Dabei erfolgt der grundsätzliche Paradigmenwechsel vom defizitär pathologisieren-
den Menschenbild im Alter zu einer bemüht ganzheitlichen Sicht auf den alten Men-
schen und sein gelebtes Leben. Von der humanen Grundhaltung, die Rogers und
Frankl sehr gut vermitteln können, erfolgt davon ableitend der Schwenk zu perso-
nenzentrierten Modellen. Diese rücken eine Beziehung zum Menschen mit Demenz
in den Vordergrund.
Allen voran steht Tom Kitwood mit seinem personzentrierten Ansatz. Er gibt der
Negativspirale in einer pathologisierend-negativen Interaktion mit der Negativdyna-
mik für den Betroffenen die Schuld. Nach Kitwood ist allein diese Dynamik für einen
91
schnelleren Verlauf der kognitiven Veränderungen verantwortlich. Alzheimer wird
als eine Krankheit des Umfeldes gesehen, das noch zusätzlich von diesem verstärkt
wird. Er war einer der ersten, der ein personenzentriertes Umgangsmodell für den
alten, kognitiv beeinträchtigten Menschen begründete und den Humanismus in die-
ses Feld einführte. Nach Kitwood wird auf die Validation nach Feil eingegangen.
Obwohl Feil die eigentliche Begründerin der personenzentrierten Annahme im Um-
gang mit Menschen mit Demenz ist, hat Kitwood diese Methodik wissenschaftlich
gründlicher fundiert. Die Validation erklärt die Verhaltensweisen von alten verwirrten
Menschen für valide. Sie geht von der Annahme aus, dass jedes Verhalten, so ab-
weichend wie auch immer es sei, in der Vergangenheit des Betroffenen begründet
ist. Sie spricht auch von der Aufarbeitung früherer, unverarbeiteter Lebensab-
schnitte und Erlebnisse mittels emotionaler Verhaltensweisen. Ihre Umgangsme-
thoden mit dem alten, verwirrten Menschen basieren hauptsächlich auf nonverbaler
Gefühlsebene (vgl. Feil 2012).
Das erlebensorientierte Umgangsmodell für die geriatrische Langzeitpflege, die Va-
lidation, hat Cora van der Kooij, eine ehemalige Schülerin von Feil, weiterentwickelt.
Durch sie wurden Inhalte der Validation umbenannt und so dem europäischen
Raum verständlicher gemacht. Sie verabschiedete sich von der Aufarbeitung nach
Feil und weitete die humanisierte Interaktion auch auf die Pflegepersonen aus. Sie
geht von der Annahme aus, dass alle Beteiligten die Verletzlichkeit als Gemeinsam-
keit haben. Beide Personengruppen, die Helfer wie auch die alten Menschen, sind
Bedürftige. Aber es können auch auf beiden Seiten Humanressourcen für den an-
deren bereitgestellt werden, um ihnen so auf Gefühlsebene zu helfen. Darüber hin-
aus warnt sie vor den Einzelarbeitern in der Pflege und Betreuung alter Menschen.
Sie will das Ressourcenkonglomerat einzelner Pflegepersonen mittels bestimmter
Methoden dem ganzen Team verfügbar machen. Außerdem bindet sie die Angehö-
rigen in die gefühlsbetonte Pflege alter und sehr alter Menschen in deren Betreu-
ungsbeziehung mit ein (vgl. van der Kooij 2012). Zuletzt betont sie auch die Sinn-
ebene für den Betroffenen, wobei hier eine Parallele zu Frankl erkennbar ist.
92
Man kann durch dieses Modell auf viele Ansätze in der Ausbildung zu geriatrischen
Pflegekräften zurückgreifen. Wichtig ist aber, dass man mit den Schülerinnen und
Schülern jedoch den Paradigmenwechsel gut und gründlich herausarbeitet. Die
Kongruenz nach Rogers stellt sicher die erste Herausforderung in der Schule dar.
Die Lernenden müssen sich zu Beginn selbst gut reflektieren lernen, um diese, für
Demenzbetreuung so wichtige Selbstkongruenz oder Echtheit erlernen zu können.
Ihnen die emotionale Verhaltenskomplexizität der Betroffenen, basierend in deren
Vergangenheit, exemplarisch näherzubringen, ist weiter ein sehr wichtiger Punkt.
Dann erst kann eine Umgangsmethodik auf gefühls- und emotionsbasierter Basis
trainiert werden.
Fächer mit emotionalen Inhalten sollten und müssten auch seitens der Lehrenden
emotional vermittelt werden. Man kann keine emotionale Kompetenz mittels traditi-
oneller Wissensvermittlung, in der noch immer Emotionen als Störungen empfun-
den wird, erwerben. Im Gegenteil, Aufgabe der Pädagogik in Demenzschulungen
ist es primär, Betroffenheit zu erzeugen. Aus dieser Betroffenheit heraus kann emo-
tionale Bildung erfolgen.
Ein Humanist der ersten Stunde, Carl R. Rogers zeigt eine neue Methode des Un-
terrichts auf, das personenzentrierte Lehren und Lernen. Dabei wird ein Verhältnis
in der Methodik deutlich, dass ein Verständnis für den Menschen selbst, sichtbar
und durchgängig erlebbar macht: in der Schule als Schülerin und Schüler in Bezie-
hung zu Lehrerin und Lehrer, in der Betreuungssituation zwischen Betroffenen und
Betreuungsperson. Personenzentrierter Unterricht wird zum Vorbildmodell eines
personenzentrierten Umgangs mit Menschen mit Demenz. Dabei muss natürlich die
Lehrperson selbst charakteristische Kompetenzen der personzentrierten Grundhal-
tung mitbringen, die Grundsäulen humaner Kommunikation, Kongruenz, Akzeptanz
und Empathie.
Die Lehrerin und der Lehrer sind von Beginn an ein Vorbild für Schülerinnen und
Schüler. Sie werden auf nonverbaler Ebene gespiegelt. Dabei wird die Authentizität
der Lehrenden entweder sichtbar oder eben nicht. Lernende können keine Ahnung
von Gefühlsarbeit bekommen, wenn sie diese bei den Lehrpersonen selbst nicht
93
sehen. Dabei ist es wichtig, die Rolle als Expertin und Experte abzulegen. Auch
Lehrende können nicht alles wissen. Die emotionale Konstruktion der Wirklichkeit
(Arnold 2006) kann als zentraler Begriff für konstruktivistische Emotionspädagogik
sowie für personenzentrierte, emotionale Demenzbetreuung dienen. Auf beiden
Ebenen finden nur dort ein Kontakt und eine Beziehung statt, wo bereits an Vorhan-
denem angeknüpft werden kann. Dies garantiert Kontakt, Vertrauen und positive
Beziehung zu Lernenden, sowie später auch zu Menschen mit Demenz. Die sub-
jektive Erlebniswelt wird zur Grundlage für das Lernen in den Schulungen und zur
realen, subjektiven Erlebenswelt von Menschen mit Demenz. Mit dieser kann in der
Betreuung aktiv und kreativ gearbeitet werden.
Den Lehrenden kommt dabei die Rolle als Reisebegleiter auf dem Weg der Schüler
zu. Den Betreuenden dagegen die Begleitung auf der vielleicht letzten, persönlichen
Reise der Menschen mit Demenz.
Das Ziel einer emotionalen Didaktik im Rahmen von Demenzschulungen ist die An-
eignung eine den Betroffenen verstehende Umgangskompetenz, die primär emoti-
onaler Natur ist. Die Klassenräume sollten dabei die Wirklichkeit der echten Welt
der Menschen mit Demenz abbilden. Dazu eignet sich das szenische Spiel als Lern-
form. Rollenspiele im Unterricht sind an sich nicht neu, doch sollte diesen in Schu-
lungen zum Thema Demenz viel mehr Augenmerk geschenkt werden.
Zunächst sollten die Lehrenden Rollen von Menschen mit Demenz übernehmen,
dadurch in der Klasse sichtbar machen. Dabei wäre eine Praxiserfahrung von Vor-
teil. Die Rollen stellen Betroffene mit emotionalen Verhaltensweisen dar und sollen
bei den Lernenden emotionale Betroffenheit erzeugen.
In einem zweiten Schritt sollten nach Möglichkeit die Rollenspiele auf Schülerinnen
und Schüler ausgeweitet werden. Dabei können bereits szenische Handlungen, die
für Betreuungssettings sehr typisch sind, in der Klasse belebt und reflektiert werden.
So kommt es bereits zu einem nachhaltigen, emotionalen Lernen und Aneignen.
94
Eine Steigerungsform wäre dann das Forumtheater, in dem noch mehr Dynamik
spürbar wird und für alle Lernenden, die eine Rolle übernehmen wollen, interaktiv
möglich ist. Das klassische Theater der Unterdrückten, das unsichtbare Theater von
Augusto Boal (2016) wäre noch eine Steigerungsform der szenischen Didaktik. Der
Mensch mit Demenz als Unterdrückter in unserer Gesellschaft erhebt seine Stimme,
die vielleicht die Gesellschaft einmal verändern wird.
Dabei kommt den Lernenden bereits eine gewisse Expertenrolle zu, worin sie be-
reits emotionale und soziale Verantwortung übernehmen. Nachhaltigkeit ist dabei
garantiert. Das Theater als zentrale Methodik in der Heranbildung emotionaler und
sozialer Kompetenzen für eine Demenzbetreuung der Zukunft.
Die Beantwortung der Fragestellungen wird mit den Subfragen begonnen, die
schlussendlich in die Hauptfrage überleiten.
Welche gesellschaftlichen Prägungen und eingeschliffenen Denkmuster müssen
verlassen werden, um für eine Anforderung zu einer respektvollen, emotionalen In-
teraktion bei Menschen mit Demenz bereit zu werden?
Als größtes Hindernis erscheint die nach wie vor, weit in die Vergangenheit zurück-
reichende, negativ polarisierende und destruktiv-emotional assoziierte neuropathi-
sche Ideologie. Diese Perspektive priorisiert die Krankheit vor dem betroffenen
Menschen, der dahinter verschwindet. Diese negative Dynamik diesbezüglicher So-
zialpsychologie reicht leider nach wie vor teilweise in den professionellen Bereich
der Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz. Es ist erforderlich, genau
dort einen Perspektivenwechsel einzuleiten, der darin bestehen kann, dass die Kor-
relationsanomalien der Alzheimerpathologie aufgezeigt werden. Alzheimer ist keine
spezifische Gehirnerkrankung (vgl. Whitehouse/George 2009, S. 47).
Welche Interaktionsmöglichkeiten in der Begegnung bei Menschen mit Demenz
können als Alternativen zur neuropathischen Ideologie mit nachfolgenden inhuma-
nen, reduktionistischen Folgeerscheinungen benannt werden?
95
Als grundsätzlich geeignete Alternative bietet sich die personenzentrierte Sicht-
weise an. Darin vollzieht sich der Wandel weg von naturwissenschaftlichen zu hu-
manwissenschaftlichen Kontexten, die für die Pflege und Betreuung von Menschen
mit Demenz eine geeignete Grundlage für respektvolle, menschenwürdige Interak-
tion zur Verfügung stellen. In der Grundhaltung der personenzentrierten Methode
sind die drei Säulen nach Rogers, die Empathie, Kongruenz und Akzeptanz erkenn-
bar, die für diesen Perspektivenwechsel enorm wichtig sind. Daraus abgeleitet sind
Pflegekonzepte und Betreuungsmodelle nach Kitwood (2008), Feil (2000) und van
der Kooij (2010), die eine Praktikabilisierung der personenzentrierten Methodik im
Umgang mit Menschen mit Demenz erst ermöglichen.
Wie lassen sich negativ assoziierte Emotionen von Schülerinnen und Schülern in
einer Konfrontation im Kontext der Demenz positiv konvertieren?
Primär emotionale Einspurungen sind sehr hartnäckig in den einzelnen Lernenden
verankert. Es bedarf darum einer gewissen emotionalen Konfrontation mit der Er-
zeugung von Betroffenheit. Dabei sollte das Recht der alten Menschen auf eine
retrograde Entwicklung, eine legitim-subjektive Realität, bearbeitet werden. Nur mit-
tels starken Emotionen, die z.B. durch Rollenübernahmen von emotionalen Verhal-
tensweisen Betroffener seitens der Lehrenden den Lernenden zur Verfügung ge-
stellt werden und nachfolgend die dabei erlebten emotionalen Reaktionen reflektiert
werden können. Individuell geprägte, emotionale Einspurungen können nur mittels
konstruktiver, starker emotionaler Konfrontation gelöst oder überspurt werden.
Mit welchen gezielten, emotionspädagogischen Zugängen und Methoden kann eine
Verbesserung der emotionalen Demenzbetreuungskompetenz erreicht werden?
Als geeignete Methode zur Aneignung emotionaler Demenzbetreuungskompetenz
bietet sich das szenische Spiel an. Dabei können Schülerinnen und Schüler spezi-
fische Rollen von Personen übernehmen, die im Pflegealltag in der Betreuung von
Menschen mit Demenz erlebt wurden. Eine Erweiterung des einfachen Rollenspiels
wäre das Forumtheater, in das sich alle Lernenden aktiv einbringen können. Als
96
nachhaltigste Form des emotionalen Erlebens von Menschen mit Demenz und de-
ren Reaktionen des Umfeldes ist das unsichtbare Theater nach Boal (2016), das
auf einer öffentlichen Bühne ausgetragen wird, ohne dass dies die Zuschauer wis-
sen.
Wie eignet man sich emotionale und soziale Fähigkeiten für den Umgang bei Men-
schen mit Demenz nachhaltig an?
Eine individuell konstruktivistisch erfolgreiche Aneignung spezifischer, emotionaler
Fähigkeiten zur Demenzbetreuung erfordert zuerst einmal eine persönliche Bereit-
schaft des Einzelnen den erforderlichen Perspektivenwechsel, weg von der Krank-
heit, hin zum betroffenen Menschen, bei sich selbst zuzulassen! Dabei ist es erfor-
derlich, die noch weit verbreitete, maligne Sozialpsychologie und deren Auswirkun-
gen auf die Betroffenen gut herauszuarbeiten. Durch Fallbeschreibungen aus der
Praxis kann die dadurch erzeugte Betroffenheit bei den Schülerinnen und Schülern
dazu verwendet werden, die Motivation für alternative Herangehensweisen zu we-
cken. Erst dann kann die eigene, emotionale Erfahrungsmatrix zum Thema Demenz
bearbeitet und umgeformt werden. Dies setzt jedoch auch das Erkennen nachvoll-
ziehbarer Zusammenhänge bei dem Verhalten Demenzbetroffener mit deren, indi-
viduellen Erlebnissen aus persönlicher Vergangenheit voraus. Erst dann kann der
Lernprozess hin zu einem sozio-emotionalen Reisebegleiter für Menschen mit De-
menz erfolgen. Voraussetzung dafür ist jedoch immer die Liebe zum Menschen,
einem Menschen, der nicht immer mit unseren eigenen Bedürfnissen positiv korre-
liert. Dies wäre dann die Grundlage für einen Ausblick in eine personenzentriete
Zukunft in der Demenzbetreuung.
In Zeiten des großen Vergessens, einer exorbitanten Zunahme der Demenz prog-
nostiziert, bedarf es einer demenzfreundlichen Gesellschaft. Es würde allen Men-
schen behilflich sein, den Begriff Demenz, insbesondere Alzheimer nicht mehr zu
verwenden. Leider zeigt die Realität einen entgegengesetzten Trend. Frühdiag-
nose, Frühbehandlung und die mild cognitive Impairment, die bereits manchmal bei
einem MMSE von 28/30 zugestellt und mit einem möglichen Vorstadium dieser
97
furchtbaren Gehirnerkrankung gehandelt wird. Warum keine Menschen im Alter, de-
ren kognitive Leistung bei multimorbider Entwicklung abnehmen kann? Schützen-
dorf gesteht den Menschen im Alter zu, in Ruhe verrückt werden zu dürfen. Eine
Verrückung in deren Vergangenheit, in ihr gelebtes Leben, um vielleicht eine letzte
Bilanz zu ziehen oder mangels positiver Zukunft, Leiden und Verlusten dort wieder
Identität erlangen zu dürfen. Alte und sehr alte Menschen mit kognitiven Schwächen
haben das humane Recht, auf eine respektvolle und würdevolle Begegnung.
98
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