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SiesprießenwiederPilzeWissenschaftalsHobby?

Es ist unbestritten, dass ein Waldspazier-gang die Gesundheit fördert. Ruhe, frischeLuftundBewegungtragenineinemerheb-lichenMaße zumWohlbefindendesEinzel-nenbei.VielefreuensichaufdieHerbstzeit,wennesdannheißt:“1,2,3,abindiePilze!“Die Technik macht es heute möglich, sicheine Pilz-App herunter zu laden, dochVor-sicht, sie ist für eine Pilzbestimmung nichtzu gebrauchen. Mit ihr wird man ebenso„im Trüben fischen“ wie beim Sammelnohne Pilzkenntnisse. Wer möchte sichschon,wennesumLebenundTodgeht,aufeinevageBeschreibungeinerPilz-AppodervoneinschlägigerLiteraturverlassen?Alleinder Vergleich von einem Stockschwämm-chen und dem tödlich wirkenden Nadel-holz-Häubling wird zu einemLotteriespiel,wennmansichaufFotosoderBeschreibun-gen verlassen muss. Der Nadelholz-Häublingkommt,wieseinNameschonsagt,überwiegend an Nadelholz vor, aber ebennurüberwiegend.DieGiftstoffedesNadel-holz-Häublings sind Amatoxine, die sehrdenen des Grünen Knollenblätterpilzes äh-neln.ErsteVergiftungserscheinungen tretenbeiVerzehrnach5—12StundenaufunddietödlicheDosis liegt beica.100gFrischpilz,was in etwa einem faustgroßen Apfel ent-spricht,wobei Faust als relativ zu betrach-tenist.

Man wusste schon v. Chr. von der heilen-denWirkung einzelner Pilzarten einerseits,andererseits brachten sie Menschen um.ErstPliniusderÄlterehieltinseinenSchrif-tenNaturalishistoriadieheilendeWirkung

vonPilzenfest,abererkennzeichneteauchdie,diesomanchenZeitgenossendasZeit-liche segnen ließen. Vielleicht war dasschon die Geburtsstunde der Naturwissen-schaft„Mykologie“wassovielbedeutetwie„dieLehrevonPilzen“.

Die Chinesen kannten ebenfalls die heilen-deWirkungvonPilzen,zumindestbestimm-terPilzarten,undmachtensichdieseinderTCM (traditionelle chinesische Medizin) zuNutze. Diese Kenntnisse hielten sich über4000Jahreundsindheutewissenschaftlichbelegt.

Stockschwämmchen(Kuehneromycesmutabilis)

Indenwestlichen Ländern verwendetmansieunterderBezeichnung„Vitalpilze“oderMykotherapie. So auch das Judasohr, wel-ches in 2017 zum Pilz des Jahres gekürtwurde.

DasnebenstehendeJudasohrgiltnachweis-lichgegen18bekannteZipperleinwieBlut-hochdruck, Tinnitus, Thrombose, Krampf-adern, Allergien, Infektionen etc. Natürlichkonnte Plinius das nicht wissen und soschriebersicherlichmehrMittelgegenPilz-vergiftungen auf, die die heutigen Giftnot-rufzentralenunddieMedizinerKopfstehen

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lassen würden. Gerade bei den Römernwaren Pilzgerichte sehr beliebt, die denvornehmen Häusern vorbehalten bliebenundgeradedawarenPilzvergiftungenrechthäufig.DasberühmtesteOpferwarClaudiusundmanweißbisheutenicht,obesZufallwar,oderheimtückischerMord.KeineSOKOderWeltwirdesmehrherausfinden.

Judasohr(Hirneolaauricula–judae)

EsgibtzahlreicheverschiedenePilzgifte.Einbekanntes ist das Muscimol, das im Flie-genpilz enthalten ist. Sein wissenschaftli-cher Name ist Amanita muscaria aus demsich das Muscimol ableiten lässt. Es istlängst kein Geheimnis mehr, dass manMuscimolzumRauschgebrauchverwendenkann,undselbstinInternetforenberätmansichgegenseitig,wiemansichandieseSa-che heranarbeitet. Die Wirkdosis liegt bei10-20 mg. Wenn einem Spaziergänger je-mandbegegnet,dereinenKorbvollerFlie-genpilzehat,willdersichnichtumbringen,es istein Junkie.MankanndiePilze trock-nen und rauchen oder als Sud zubereiten.Esgiltauchhier-dieDosismachtdasGift.Da Muscimol vollständig vom Körper wie-der ausgeschieden wird, bleibt es im Urinenthalten, der wieder verwendet werdenkann, was heute noch von einigen asiati-schenVölkernpraktiziertwird.Esgibtnoch

eineganzeReihevonDrogenpilzen,wiediepsilocybinhaltigen Pilze, auch Zauberpilzeodermagicmushroomsgenannt.Auchhierist Vorsicht geboten, denn Psilocybin vari-iert stark zwischen den Spezies, aber auchineinerArtvonPilzzuPilzerheblich.

Fliegenpilz(Amanitamuscaria)

Der normale Pilzsammler und Pilzfreundwird sichaber vonall demnichtbeeindru-cken lassen, er sammelt selbstverständlichnur die Pilze, die er auch absolut kennt.Kommen doch mal Zweifel auf, sollte derPilz von einem Pilzsachverständigen beur-teiltwerdenundwemdiesesProzederezuaufwendigist,solltedenPilzeinfachstehenlassen. Da wird dann dem Naturschutzas-pekt Rechnung getragen, wie überhauptjeder Sammler wissen sollte, welche Pilzegeschütztsind,diemanaufderRotenListederGroßpilzefindenkann.

Auch sollte man wissen, dass Pilzsachver-ständiger,PilzkenneroderPilzspezialistkei-ne gesetzlich geschützten Bezeichnungensind. So darf sich jeder nennen, der einenFliegenpilzvoneinemPfifferling

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unterscheiden kann. Wirkliche Sachver-ständige sind ausgebildete und von derDeutschen Gesellschaft für Mykologie(DGfM) geprüfte und mit einer UrkundeversehenePilzkenner.

Hallimasch(Armillariaostoyae)

WalterBieck

ForstwirtundÖkologe