Integrationsprogramme für NeuzuwanderInnen Bernhard Perchinig bernhard.perchinig@oeaw.ac.at.

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Integrationsprogramme für NeuzuwanderInnen

Bernhard Perchinig

bernhard.perchinig@oeaw.ac.at

Traditioneller Integrationsbegriff

Gleichstellung

Chancengleichheit

Kulturelle Homogenität

Preis für Integration

Integrationspolitische Dreieck

Rechtliche Gleichstellung

Chancen-gleichheit

KulturelleVielfalt

Staat

Markt

Zivilge-sellschaft

Praxis

Aufbau

• Niederlande

• Kanada

• Schweden

• Vergleich

Bevölkerung 2001, 2003

• Niederlande:– EinwohnerInnen: 16, 2 Millionen– Im Ausland geboren: 10,6%

• Schweden– EinwohnerInnen: 9 Millionen– Im Ausland geboren: 12 %

• Kanada:– EinwohnerInnen: 30,1 Millionen– Im Ausland geboren: 18,8%

Niederlande bis 1990er

• Tradition der „Versäulung“• Drei Haupteinwanderungsregionen

– Molukken: Isolation– Surinam, Antillen: Minorisierung, ethnische

Sozialarbeit– Marokko, Türkei: Fiktion des vorübergehenden

Aufenthalts

• 1970 – 1980: Gewaltsame Unruhen, Zugsentführungen, Anschläge durch junge Einwanderer aus den Molukken

Niederlande bis 1990er

• Minderhedennota 1983: Paradigma Minderheitenpolitik– Gleichheit vor dem Gesetz und Maßnahmen gegen

Diskriminierung– Überwindung der sozialen Benachteiligung durch die

Verbesserung der ökonomischen und sozialen Situation

– Förderung der Multikulturalität und (kollektiven) Emanzipation der ethnischen Minderheiten

• Integration als kollektive kulturelle Emanzipation• Interkulturelle Bildungspolitik

Niederlande bis 1990er

• Kommunen übernehmen praktische Integrationsarbeit

• Gleichheitsgrundsatz für alle Menschen in den Niederlanden (1983)

• Kommunales Wahlrecht (1985)• Islam rechtlich mit christlichen Religionen

gleichgestellt• Aufbau einer Antidiskriminierungsinfrastruktur• Anstellungsprogramme für Minderheiten (STAR

– Abkommen, Wet SAMEN (bis 2002)

Niederlande in den 90ern

• Arbeitslosigkeit 1986/1987:• Autochthone: 13%• SurinamerInnen: 27%• MarokkanerInne: 42%• TürkInnen: 44%

• 1989: Bericht „Allochthonenbeleid“:– Stärkerer Schwerpunkt auf Integration und

Spracherwerb– Effektive Antidisrkiminierungsmaßnahmen– Trennung Integration – kulturelle Maßnahmen

• Integration als sozioökonomische Teilhabe

WIN

• 1996: Verpflichtung für Sprach- und Einbürgerungskursbesuch für SozialhilfebezieherInnen (v.a. AsylwerberInnen)

• 1998: Wet Inburgeringen Nieuwkomers (WIN)– Verpflichtender dreiteiliger Integrationskurs für

alle EinwanderInnen

WIN• Integrationsuntersuchung:

– Innerhalb von 4 Monaten Gespräch mit GemeindebeamtInnen (Sprachkenntnisse, Bildungsstand, Sozialkenntnisse)

• Integrationsprogramm (Kommunen verantwortlich, in Kooperation mit Arbeitsämtern und privaten Trägern)– 500 Stunden Sprachkurs– 100 Stunden Orientierungskurs

• Prüfung– Weiterführender Kurs– Arbeitsmarkt

• Individuelle Arbeitsmarktbetreuung durch SozialarbeiterIn für ein Jahr

• Sanktionen:– Entzug der Sozialhilfe– Geldbußen

WIN

• Abwicklung und Weiterentwicklung durch „Nederlands Centrum Buitenlanders“, schließt Verträge mit Kommunen

• Ca. 22.000 Personen/Jahr, 150 Mio Euro Kosten/Jahr• Ende 1990er: Spezielle Programme für Ansässige

– Arbeitslose– (Allein)erziehende Eltern

• Seit 2000 Individualisierung, z.B. „Doppelkurse“ (Arbeitsmarktorientierung und Sprachkurse), Teilzeitkurse, Firmenkurse,

• In manchen Städten MigrantInnenbeiräte in Kursentwicklung involviert

• 2003: Spezielles Programm für Imame

Probleme

• Wartezeiten und unzureichende Plätze• Wenig differenziertes Angebot• Abbruchraten:

– Gesamt: 13%– Einzelne Städte: 30%

• Mangelnde Kinderbetreuung• Niedriges erreichtes Sprachniveau

– 60% erreichen „soziale Mindestkompetenz“ nicht, – lediglich 10% erreichen Berufskompetenz

• Oberflächliche Arbeitsmarktbetreuung• Mangelndes Angebot beruflicher Anschlussqualifikation• Abgang in unqualifizierte Berufe

Politikwechsel seit 2002/2003

• Kostenpflicht für EinwanderInnen (ca. Euro 6000.-, 100%, refundiert bei positivem Examen)

• Aufenthaltsrechtliche Konsequenzen• Finanzierung der Anbieter nur bei Erfolg• „Freier Markt“ für Integrationskurse• Sprachprüfung im Herkunftsland (ab 2006)• Einbürgerung nur nach Absolvierung eines Tests

(4 Stunden, keine Fragenliste)• Antidiskriminierungspolitik bleibt bestehen

Schweden

• 1968: Integrationskommission

• 1969: Nationale Einwanderungskommission

• 1974: Grundlagenreport zur Integrationspolitik– Gleichbehandlung– Wahlfreiheit– Partnerschaft

Schweden

• Gleichbehandlung: – Allgemeine wohlfahrtsstaatliche Politik– Firmeninterne kostenfreie Sprachkurse

• Wahlfreiheit: – Zielgruppenmaßnahmen, z.B. Sprachkurse,

Sozialarbeit, Beratung

• Partnerschaft:– Unterstützung für MigrantInnenorganisationen– Kommunales Wahlrecht– Einfache Einbürgerung

Schweden

• Parlamentsstellungnahme 1980:– EinwanderInnen keine von Verfassung geschützten

„ethnischen Minderheiten“• „White Paper“ on Integration Policy 1985

– Immigranten haben kein Recht auf Schutz kultureller Eigenart

– Integrationspolitik soll sich an individueller Integration, nicht an Gruppenrechten orientieren

– Spezielle Fördermaßnahmen nur in den ersten Jahren nach Einwanderung

– Zentrales Ziel ist Partizipation an Arbeitsmarkt und Gesellschaft

– „Mainstreaming of Diversity“

Einwanderungs- und Integrationsgesetz 1997

– Gleiche Rechte und Pflichten für alle unabhängig von ethnokulturellem Hintergrund

– Schwedische Gesellschaft basiert auf Vielfalt– Gegenseitiger Respekt und Toleranz soll

jedem die aktive und verantwortliche Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen

Integrationsgesetz 1997

• Prioritäten:– Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund– Gleichheit zwischen Mann und Frau– Klare Definition der Integrationsziele– Klare Verantwortung der öffentlichen Stellen für

Integration– Verschärfte Antidiskriminierungsmaßnahmen– Schaffung des „Schwedischen Integrationsrates“ als

zentrale Koordinationsstelle

Integrationsmaßnahmen für NeuzuwanderInnen

• Seit 1995 Kommunen für Sprach- und Integrationskurse verantwortlich– Zusammenarbeit von Integration Board, Kommunen,

AMS, Schulen– Recht auf kostenfreien Besuch eines Kurses

(maximal 525 Stunden, Praxis: 700 Stunden)– Kombination mit Arbeitsmarkttraining– Kursbesuch Bedingung für Bezug von Sozialhilfe– Gemeinden erhalten bis zu Euro 7.500.-/Jahr pro

TeilnehmerIn– 20% der TeilnehmerInnen erreichten Ziel (2001)

Integrationsmaßnahmen für NeuzuwanderInnen

– Zugang zu allgemeinen Arbeitsmarktmaß-nahmen

– Sprachkurse in allgemeine Maßnahmen integriert

– Verpflichtung zu Antidiskriminierungsmaß-nahmen im Rahmen der Arbeitsmarkt-förderung

– Verbesserte Nostrifikationsverfahren (Nationale Kommission)

Integrationsmaßnahmen für NeuzuwanderInnen

• Geförderte Jobs:– Pilotprojekt in 20 Gemeinden (seit 2003):

Begleitung und Förderung in ersten 6 Monaten

– Arbeit auf Probe für 3 Monate für Privatfirmen oder den NPO-Bereich

– Zertifizierte „On the job“ Bewertung von Qualifikationen

– Partnerschaft mit Unternehmensverband zur Förderung der MigrantInnenbeschäftigung

Kanada

• Bis 1960er: Einwanderung bevorzugt für „suitable minorities“ (angloamerikanische Herkunft)

• 1962 – 1967: Aufgabe der Länderquoten, Punktesystem für Einwanderung

• 1976: Immigration Bill: Neufassung Punktesystem, Fünfjahrespläne– 25% WirtschaftsmigrantInnen– 25% Humanitäre Gründe– 50% Familienangehörige

Kanada

• Gleichstellung von legalen EinwanderInnen mit Staatsbürgern mit Ausnahme des Wahlrechts

• 1977: Citizenship-Act: – Einbürgerung nach 3 Jahren permanenten

Aufenthalt (Minimum Sprachkenntnisse, Landeskenntnisse, Unterhaltsmittel)

– Einbürgerung als Mittel der Integration

Multikulturalismuspolitik

• 1969: „Official Languages Act“: Englisch und Frankreich gleichberechtigt, Kanada als „Nation zweier Völker“, „First Nations“ und MigrantInnen protestieren gegen Ausschluss

• 1971: Multikulturalismus als Politikgrundlage– Unterstützung der Entwicklung ethno-kultureller

Gruppen– Überwinden von Partizipationshindernissen– Austausch zwischen Gruppen fördern– Neuen Kanadiern helfen, zumindest eine

Amtssprache zu lernen

Multikulturalismus

• Vor allem symbolische Politik („Celebration of Diversity“), mangelnde Bekämpfung struktureller Diskriminierung

• 1982: Multikulturalismus in Verfassung– Diskriminierungsverbot– Verpflichtung zur Förderung des „kulturellen

Erbes der Kanadier“– Kombination Universalismus –

Partikularismus

Multikulturalismus

• 1988: Canadian Multiculturalism Act:– Verpflichtung aller Institutionen zu

Gleichberechtigungsmaßnahmen für Minderheitenangehörige

– Berücksichtigung kultureller Besonderheiten in allen Verwaltungseinrichtungen

– Berichtspflicht der Institutionen gegenüebr Parlament

Multikulturalismus

• 1990er: Angriffe auf Multikulturalismus durch „Reform Party“

• Akzentuierung der gemeinsamen kanadischen Identität

• Kürzung der Unterstützung kultureller Aktivitäten• Abwertung des Multikulturalismusministeriums• 1997: Neue Leitlinien

• Bürgerbeteiligung• Gerechtigkeit• Identität• Soziale Kohäsion

Maßnahmen

– Förderung der Erhöhung des Anteils sichtbarer Minderheiten in Bildungswesen und Wirtschaft

– Größerer Platz für Minderheiten in Schulbüchern– Adaption der Stundenpläne, Feiertage und

Kleiderordnungen– Antirassistischer Unterricht– Untersagung und Verfolgung rassistischer

Äußerungen in Schule und am Arbeitsplatz– Staatliche Finanzierung ethnischer Kulturfestivals– Angebot von Dienstleistungen in Muttersprache– Zweisprachiger Unterricht für Kinder von

EinwanderInnen als Übergangsphase zu einsprachigem Unterricht in Sekundarstufe

Integrationsmaßnahmen für NeuzuwanderInnen

• Orientierungsbuch: „What you should know“• Organisationen der Herkunftsgruppe• „Language Instruction for Newcomers to

Canada“, – Finanziert von Staat, organisiert auf

kommunaler Ebene– Kostenfrei für NeuzuwanderInnen

Integrationsmaßnahmen für NeuzuwanderInnen

• Nostrifikation der Bildungsdiplome (Provinzebene)

• Berufsbildende Ergänzungskurse (Provinzebene)

• Berufliche Integrationsprogramme (Lokale Ebene)

Zentrale Problemlagen

• Dequalifikation: Anerkennung von Diplomen auf Provinzebene durch „Innungen“ widerspricht oft Einschätzung der Einwanderungsbehörden

• Sprachkenntnisse nur bei Arbeits-migrantInnen überprüft – schlechte Qualifikation der Familienangehörigen

• Schlechte Qualifikation der Flüchtlinge

Angekündigte Reformen 2006

• Kürzung der Einwanderungsgebühr (ca. Euro 900.-)

• Neue Bundesagentur für die Anerkennung von Diplomen

• Stärkere Orientierung am Arbeitsmarkt:– Höhere Zahlen befristeter Genehmigungen– Verbesserte Trainingsmaßnahmen für

Familienangehörige und Flüchtlinge

• Anreize für bessere regionale Verteilung in Kanada

Gemeinsamkeiten

• Multikulturelle Ansätze (Kanada, Niederlanden) Import aus anderen Feldern

• Abkehr von gruppenrechtlichen Ansätzen in 1990ern

• Weitgehende rechtliche Gleichstellung der MigrantInnen

• Antidiskriminierungspolitik hat große Bedeutung• Anerkennung mitgebrachter Diplome wird

ermöglicht und unterstützt• Gemeinsames Problem: Trotz langer Kurse

niedriges Sprachniveau

Unterschiede

• Bedeutung von Arbeitsmarkttraining und beruflicher Nachqualifikation

• Kostenübernahme bei Sprachkursen durch MigrantIn oder Staat

• Sanktionen bei Nichtteilnahme an Programmen unterschiedlich

• Trägermix und Einbindung von Arbeitsmarktagenturen

Integrationspolitische Dreieck

Rechtliche Gleichstellung

Chancen-gleichheit

KulturelleVielfalt

Staat

Markt

Zivilge-sellschaft

Integrationspolitische Dreieck

Rechtliche Gleichstellung

Chancen-gleichheit

KulturelleVielfalt

Staat

Markt

Zivilge-sellschaft