Interkommunale Kooperation: Zwischen Notwendigkeit und Verweigerung 290162 SE: Projektseminar aus...

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Interkommunale Kooperation: Zwischen Notwendigkeit und Verweigerung

290162 SE: Projektseminar aus Angewandter Geographie, Raumforschung und Raumordnung: 4 St., WS 2005/06; ECTS-Punkte: 6

Leitung: Peter WeichhartStudienassistent: Gerfried Mandl

 Di 13:14 - 16:30, Seminarraum des Instituts

P225/ZuAKoop/01WS 2005/06

Eine „Gretchenfrage“

P225/ZuAKoop/02

Warum fällt interkommunale Kooperation so schwer?

Alle reden davon, wer tun es?

Die einhellige Auffassung der Planungsexperten: Unter den heutigen Rahmenbedingungen gibt es

keine Alternative für eine Steuerung von Land-nutzungssystemen und die Umsetzung von entwick-

lungspolitischen Initiativen auf regionaler Ebene.

Dies setzt aber ein erhebliches Ausmaß inter-kommunaler Kooperation voraus.

Themen

P225/ZuAKoop/03

• Warum wird die regionale Handlungsebene immer wichtiger?

• Ballungsräume versus Peripherie

• Funktionalregionen versus „Programmregionen“

• Interkommunale Kooperation und Politische Ökonomie

• Möglichkeiten der Institutionalisierung von Pro- grammregionen

• Wie funktioniert der „Wettbewerb der Regionen“?

Warum wird die regionale Handlungsebene immer wichtiger?

P225/ZuAKoop/04

• Wirtschaft und Lebenswelt sind heute regional organisiert;

• Regionen sind eine komplementäre Struktur der Globalisierungsdynamik;

• Regionen sind das Resultat der sozialen Praxis, sie sind hybride Phänomene, die sowohl in der Wirtschaft als auch kulturell verankert sind;

Antworten der Regionalforschung:

P225/ZuAKoop/05

Warum wird die regionale Handlungsebene immer wichtiger?

• der ökonomische Wettbewerb findet heute nicht nur zwischen Betrieben und Volkswirtschaften, sondern besonders zwischen Regionen statt;

• Regionen sind der Ort der ökonomischen Mo- dernisierung (Cluster, New Industrial Districts, kreative Milieus);

• erst auf der regionalen Ebene ist jene Vielfalt und Komplementarität von Standortgegeben- heiten präsent, die als Attraktoren für mobile Standortfaktoren wirken.

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FreilassingTextilien

WalsEinkaufs-zentrum

Bad Reichenhall

Schwimmbad

EugendorfMöbelmärkte

WallerseeWallersee

HALLEIN

WOHNUNGWOHNUNGGemeinde Gemeinde

HofHof

AnifSuper-markt

SALZBURG

KuchlFach-schule

Schischule

Wohnen Sich versorgen Bildung

Arbeiten Sozial-kontakte

Freizeit

Freunde

„Regionale Lebenswelt“

In der Agrar- und der Industriegesellschaft waren die Gemeinden die räumlichen Bezugs-einheiten sozialer und wirtschaftlicher Prozes-se. Heute sind diese Basiseinheiten groß-räumige Funktionalregionen, die zusätzlich durch komplementäre Bindungen zur Welt-wirtschaft gekennzeichnet sind. Sie stellenoperative Ausführungsorgane der Globalöko-nomie dar.

Funktionalregionen

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Sie entstehen durch die sozioökonomische Hand-lungspraxis (Pendlerverflechtungen, zentralörtliche

Beziehungen, Kaufkraftströme, soziale Inter-aktionen etc.).

Es handelt sich meist um Nodalregionen (Zentral-räume, Ballungsräume, Metropolregionen), die aus

einer Kernstadt und den mit ihr funktional ver-flochtenen Umlandgemeinden besteht.

Es gibt auch polyzentrische Funktionalregionen.

Pendlerein-zugsgebiete als Beispiel

für Funktional-regionen

P225/ZuAKoop/07b

P218/ProgReg/14

Außensaum desSalzburger

Zentralraumes

Quelle: Volkszählung 1991, Berufspendler

Anteil der Auspendleran den wohnhaftenBeschäftigten (%) Bis unter 5

5 bis <1010- < 2020-<4040 und mehr

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Berufspendler 1991Berufspendler 1991

Kundeneinzugsbereich derStadt Freilassing

S

P225/ZuAKoop/09

P225/ZuAKoop/10

INI2001INI2001

Aktuelle Funktionalregionen versus Territorien

P225/ZuAKoop/11

Die territoriale Binnengliederung der Staaten istein Spiegelbild historischer Funktionalregionen und

bildet Aktivitäts- und Standorträume älterer sozio-ökonomischer Systeme ab.

Das zentrale Problem:Die administrativen territorialen Einheiten (Staaten,Länder, Gemeinden), die gleichzeitig die Grenzen

der Planungsregionen definieren, stimmen nicht mit den heute gegebenen funktionalen Raum-

einheiten überein.

„„Kooperations-Kooperations-

verbund“verbund“P225/ZuAKoop/12

Administrative Grenzen,aktuelle Planungsregionen

Die Grenze ist instabil und ändert sich mitdem Wandel der sozioökonomischen Praxis

Aktueller/potenziellerVerflechtungsbereich(Funktionalregion)

Quelle: P. WEICHHART, 2001

Planungs- und Planungs- und Entwicklungs-Entwicklungs-region, Pro-region, Pro-

grammregiongrammregion

Bereich gemeinsamer Ma-nagement- und Steuerungs-aktivitäten

Schaffung einer „Quasi-Gebietskörperschaft“mit Steuerungskompetenz für den Verflech-tungsbereich

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Zwei Problemfelder der Regionalentwicklung

Ballungsräume und Metropolregionen

Periphere Regionen (Ähnlichkeitsregionen)

Koordinations- und Lenkungsbedarf, Steuerung derSuburbanisierung, Steuerung und Begrenzung desFlächenwachstums im Einzelhandel etc.

Aufrechterhaltung der Grundversorgung, Steuerungdes „Rückbaus“, Vernetzung der Akteure, Aktivierungautochthoner Potentiale etc.

Die Bearbeitung beider Problemfelder setzt intensive interkommunale Kooperation und die

Institutionalisierung von Programmregionen voraus.

Warum sind in Ballungs- und Metropolregionen Steuerungsmaßnahmen

besonders wichtig?

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Um im Wettbewerb der Regionen bestehenzu können.

In diesem Wettbewerb können sich jene Funktionalregionenam besten positionieren, in denen eine Optimierung derimmobilen Standortfaktoren gelingt. Damit erweist sich

die Steuerungsfähigkeit einer Region als Schlüsselvariableihres ökonomischen Erfolgs.

Dies setzt die Etablierung einer Programmregionund intensive interkommunale Kooperation voraus.

„Stand der Technik“

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1995 1998

Die Etablierungvon stadtregionalen Steuerungssyste-

men und Regional-programmen wird als Aufgabe von

nationaler Bedeu-tung angesehen.

2004

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Wie „funktioniert“ der Wettbewerb der Regionen?

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Regionen sind auch „Standortsysteme“. Sie können alsräumlich strukturierte Gefüge von Menschen, Bauten,Anlagen, Maschinen, Institutionen, Regeln und Orga-

nisationen angesehen werden.

Es gibt mobile und immobile Standortfaktoren. Mobile Fak-toren lassen sich mit geringen Kosten räumlich verschieben.

Immobile Faktoren müssen um mobile Faktoren „werben“.

Mobile Faktoren

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Mobile Produktionsfaktoren: Unternehmer, Betriebe, qualifizierte Arbeitskräfte, Kapital.

Sie wandern dorthin, wo sie mög-lichst attraktive standortspezifische Produktionsbedingungen vorfinden.

Immobile Faktoren

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Standortgebundene Produktionsfaktoren: Sesshafte Arbeitskräfte, investiertes Sachka-pital, Boden, Infrastruktur, rechtliche, gesell-schaftliche und ethische Normen, Gesetze, Regulierungen und alle „weichen“ Standort-faktoren (Wirtschaftsfreundlichkeit, soziales Klima, Image, Kostenstruktur, Versorgung, ÖPNV, Kultur, Bildungseinrichtungen, Sport- und Freizeitinfrastruktur, „städtisches Flair“, Bodenpreise, Umwelt ...)

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Der „Arbitrageprozess“ als Motor des Wettbewerbs der Regionen

Standortunterschiede (Qualitätsunterschie-de der immobilen Faktoren) werden von Wirtschaftssubjekten genutzt, indem sie ihre Aktivitäten an jenen Ort verlagern, der ihnen den größten Nutzen verschafft.

„Arbitrage“: Nutzung der Preisunterschiede, die für ein homogenes Gut auf verschiedenen Teilmärkten (an verschiedenen Standorten) existieren.

P225/ZuAKoop/21

Der „Arbitrageprozess“ als Motor des Wettbewerbs der Regionen

ImmobileImmobileFaktorenFaktoren+++ +++

ImmobileImmobileFaktorenFaktoren

++++++

KonkurrenzKonkurrenzzwischen Stand-zwischen Stand-

ortsystemenortsystemen

Mobile FaktorenMobile Faktoren

ImmobileImmobileFaktorenFaktoren

++++

ImmobileImmobileFaktorenFaktoren

++++++

KonkurrenzKonkurrenzzwischen Stand-zwischen Stand-

ortsystemenortsystemen

Mobile FaktorenMobile Faktoren

Region A Region B

Attraktivitätsverlust

++

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Der „Arbitrageprozess“ als Motor des Wettbewerbs der Regionen

Regionen haben auf der Grundlage immobiler Pro-duktionsfaktoren „... die Möglichkeit, durch eine

attraktive Standortgestaltung mobile Produktions-faktoren anzuziehen … Eine schlechte Standortpo-

litik wird durch Abwanderung bestraft, eine gute durch Zuwanderung belohnt.“

 

(T. STRAUBHAAR, 1996, S. 225)

Die heute entscheidende Maßstabsebene derStandortpolitik ist dabei die Region.

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Die PointeEin erheblicher Teil der immobilen Standortfaktoren

einer Region wird vom Raumordnungssystem produ-ziert und ist das Produkt effizienter Koordinations-

und Steuerungsmaßnahmen.

Damit wird die Steuerungsfähigkeit von Regional-ökonomien zum Schlüsselkriterium für ihren wirt-

schaftlichen Erfolg.

Steuerungsfähigkeit setzt die Existenz einer deck-ungsgleichen Programmregion mit verbindlichen

Regelwerken (Plänen) voraus.

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Wie lassen sich Programmregionen institutionalisieren?

• „harte“ Form

• „weiche“ Form

Beispiele Stuttgart (Regionalverband, Regionalparla-ment) oder Hannover (gebietskörperschaftliche Lösung); verbindliche Programme

Beispiel „Regionales Einzelhandelskonzept Ostwest-falen-Lippe“ (regionales Governancemodell als Er-gänzung von Planungsinstrumenten); privatrechtlicheVerträge

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Die „harte“ Form weist eine hohe Wirksamkeitauf, setzt aber entsprechende rechtliche Grund-

lagen voraus.

Die „weiche“ Form besitzt einen wesentlich ge-ringeren Wirkungsgrad; die freiwillige Selbst-

bindung kann im Konfliktfall aufgegeben werden.

Unter den rechtlichen Rahmenbedingungen inÖsterreich sind gegenwärtig nur weiche

Institutionalisierungsformen möglich.

Wie lassen sich Programmregionen institutionalisieren?

Lösungsvorschlag von DASL und ARL für grenzüberschreitende Funktionalregionen

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Mehrstufige Organisation der Regionalplanung:

Landes-/Staatsgrenze

Strategische Gesamtpla-nung, verbindlicher Re-gionalplan, Vertretungregionaler Interessen

Ist ein solches Konzept inÖsterreich umsetzbar?

GesamtregionalerGesamtregionalerDachverbandDachverbandPlanungs-

verband A

Planungs-verband B

PV C

Im Prinzip ja, …

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Das Beispiel Salzburg und die EuRegio: Gutachten Christian HILLGRUBER

„Sechs Schritte zu einereigenständigen

euregionalenRaumordnung“

• Informelle Beteiligung • formelle Beteiligung

• inhaltlich materielle Ab- stimmung

• EuRegio arbeitet Pläne aus, Verbindlicherklärung durch Planungsbehörden

Im Prinzip ja, …

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• „Nachjustierung“ im räumlichen Zuschnitt der Planungs- regionen im Grenzraum (Anpassung an Funktionalregion)

Das Beispiel Salzburg und die EuRegio: Gutachten Christian HILLGRUBER

• „Langfristige Vision“: Etablierung der EuRegio als auto- nomer supranationaler Planungsträger; Übertragung der Hoheitsbefugnisse durch einen Staatsvertrag der be- teiligten Länder; Umstrukturierung EuRegio: Umwandlung in einen privatrechtlichen Verein, anschließend Umwand- lung in einen öffentlich-rechtlichen Zweckverband

… aber:

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Hinderungsgrund Politische ÖkonomieThese:

Das politische System strebt weniger die Lösungvon Sachproblemen an, sondern dient primär der

Produktion politischer Güter.

• Disposition über Budgetmittel (Steuereinnahmen)• Wählerloyalität (Wählerstimmen)• Erhöhung des Standortnutzens (bzw. Minimierung der Standortbenachteiligung) für jene privaten Standorteig- ner (oder Anrainer), die dem eigenen politischen Klientel angehören.

Stadtregionale Programmregionen …

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… haben nur dann die Chance einer Verwirklichung, wenn diebeteiligten politischen Akteure und Administrationen bereitsind, Macht und Kompetenzen an die Region abzutreten.

… lösen Probleme. Die von ihnen produzierbarenpolitischen Güter haben aber keinen Nutznießer.

These:Interkommunale Kooperation fällt deshalb so schwer, weil der hohe Mehrwert, den sie pro-duziert, nicht in politische Güter umsetzbar ist

Politische Ökonomie der Standortproduktion

Überlegungen zur politischen Ökonomie der Raumordnungbieten sehr plausible Ansätze zur Erklärung des faktischen

Versagens der Regionalplanung.

Im Bereich der Regionalplanung kann es einen politisch-ökonomischen Nutzen nur dann geben, wenn die betref-

fende Planungsregion auch als „Quasi-Gebietskörperschaft“institutionalisiert ist und sowohl „Regierende“ als auch er-

wähnenswerte eigenständige Budgets existieren.

Best-Practice-Beispiele einer funktionierenden Regional-planung (die Regionen Stuttgart und Hannover) sind beein-

druckende empirische Belege für diese These.

P225/ZuAKoop/30

Voraus-setzungfür stadt-regionalePlanungs-verbände:

Inter-kommunale Kooperation

Kooperation …

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… bedeutet, kurzfristig bedeutsameEigeninteressen zugunsten längerfristigwirksamer Interessen eines übergeord-

neten Ganzen zurückzustellen.

… wird möglich, wenn man erkennt,dass die Interessen des Ganzen in

Wahrheit den Eigeninteressen zugutekommen.

Periphere Regionen

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Periphere Regionen sind jene Gebiete einer Volkswirtschaft, die als wirtschaftliche Passivräume von der Dynamik der

Globalökonomie nur in geringem Maße erfasst sind, durch eine Stagnation oder gar einen Rückgang der Bevölkerungs-

zahlen, hohe Arbeitslosen- und Auspendlerraten, Überalte-rung und eine Erosion zentralörtlicher Funktionen gekenn-

zeichnet sind (vgl. P. Weichhart, H. Fassmann und W. Hesina, 2005, S. 139).

Auch in Ballungsräumen und Metropolregionen gibt es „Rück-seiten“, „innere Peripherie“, „Blight-Zonen“ oder „Passiv-

Bereiche“ (Theorie der fragmentierenden Entwicklung).