Post on 30-Jan-2018
Internationale Sportverbände
und ihre Rechtsform
Marco Villiger
Direktor Recht FIFA
Abgrenzungen
⇒ Begriff „Sportorganisation“ ist nicht identischmit dem Begriff „Sportverband“
⇒ Nicht alle Sportorganisationen sind Sportverbände
⇒ Aber: alle Sportverbände sind Sportorganisationen
Nachfolgend: Fokussierung auf internationale Sportverbände
Sportorganisationen
Klubs IOC(Sonderfall)
VerbändeNationalSFV, DFB
usw.
InternationalFIFA, UEFA
usw.
Internationale Sportverbände
• Anzahl weltweit: ca. 250
• Rechtsform:
• Weit überwiegende Mehrzahl:
• Personenvereinigung / juristische Person• Non-Profit
• Konstituiert nach dem Recht des jeweiligen Gründungs-oder Sitzstaates
• Internationale Sportverbände mit Sitz in der Schweiz: 45
• Internationale Sportorganisationen mit Sitz in der Schweiz: 65
• Fast ausnahmslos als Vereine i.S.v. Art. 60 ff. ZGB konstituiert
Internationale Sportverbände
• Resultat:Internationale Sportverbände sind überwiegend nichtals Kapital- oder ähnliche Gesellschaften organisiert
• Dennoch generieren sie teilweise erhebliche Umsätze
⇒ Forderungen nach Umwandlung in Kapitalgesellschaften, z.B. AGs
² Berechtigt?
Welche Rechtsform?
• Fragestellung:Rechtsform einer Kapitalgesellschaft zwingendbei Vorliegen wirtschaftlicher Umsätze?
• Bei der Beantwortung zu berücksichtigen:
• Vorliegen wirtschaftlicher Umsätze bedeutet nicht unbedingt, dass auch ein wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird
• Für die Frage der adäquaten Rechtsform ist in erster Linie der Zweck einer Gesellschaft ausschlaggebend
Welche Rechtsform?
Wesentliche Differenzierung:
Zweckeiner Gesellschaft
Mittelzur Verfolgung des Zwecks
wirtschaftlich nicht-wirtschaftlich wirtschaftlich nicht-
wirtschaftlich
Verfolgung eines nicht-wirtschaftlichen Zwecksmit wirtschaftlichen Mitteln ist zulässig
und erfordert keineswegs zwingenddie Rechtsform einer Kapitalgesellschaft
BGE 88 II 209 /BGE 90 II 333
Welche Rechtsform?
Beispiel FIFA: Artikel 2 der FIFA-Statuten
«Der Zweck der FIFA ist:
a) den Fussball fortlaufend zu verbessern und weltweit zu verbreiten, […];
b) das Organisieren eigener internationaler Wettbewerbe;
c) das Festlegen von Regeln und Bestimmungen sowie die Sicherstellung ihrer Durchsetzung;
d) die Kontrolle des Association Football in all seinen Formen, […];
e) Integrität, Ethik und Fairplay zu fördern […].»
⇒ Klarerweise keine wirtschaftlichen Zwecke
Welche Rechtsform?
Welche Rechtsform?
• Weitere Aspekte:
• Kapitalgesellschaften sind kapitalbezogen:• Der Beitrag der Mitglieder beschränkt sich auf Geld
• Die Mitglieder erwarten in erster Linie einen finanziellen Ertrag
• Demgegenüber (1):
• FIFA-Mitglieder wirken zu einem grossen Teil in nicht-finanzieller Weise an der Realisierung der FIFA-Zwecke mit:
• Gewährleistung global einheitlicher Fussballregeln und -organisation
• Durch- und Umsetzung von Disziplinar- und anderen Massnahmen
(Beispiele)
Welche Rechtsform?
• Weitere Aspekte:
• Kapitalgesellschaften sind kapitalbezogen:• Der Beitrag der Mitglieder beschränkt sich auf Geld
• Die Mitglieder erwarten in erster Linie einen finanziellen Ertrag
• Demgegenüber (2):
• FIFA-Mitglieder erwarten nicht in erster Linie einenfinanziellen Ertrag, sondern:
• Einheitliche organisatorische Rahmenbedingungen für den Fussball
• Unterstützung bei der Entwicklung des nationalen Fussballsports
Welche Rechtsform?
• Weitere Aspekte:• Wirtschaftliche Aktivitäten (zur Erreichung des nicht-wirtschaftlichen
Zweckes) sind auch bei Vereinen ohne weiteres zulässig
• Gesellschaftsrechtliche Vorgaben viel detaillierter als das Vereinsrecht ⇒ Weniger Flexibilität
• Unterstellung von Personen unter die Verbandsjurisdiktion ist bei der Rechtsform des Vereins einfacher zu bewerkstelligen
⇒ Ergebnis:• Rechtsform einer Kapitalgesellschaft ist nicht adäquat
für internationale Sportverbände wie die FIFA
• Keine zwingenden Gründe für Umwandlungin eine Kapitalgesellschaft gegeben
Welche Rechtsform?
• Ungeachtet dieses Ergebnisses kann dem Umstand Rechnung getragen werden, dass wirtschaftliche Aktivitäten stattfinden
• Z.B.: Durch Übernahme von Grundsätzenaus dem Bereich Corporate / Good Governance
² Begriff der «Governance»
² Umfasst i.d.R. die Verfahren, Institutionen usw.zur Leitung, Verwaltung oder Kontrolle von Unternehmen
² Schliesst aber auch die Beziehungen zwischen den an einem Unternehmen Interessierten («Stakeholder») mit ein
² Prinzipien lassen sich internationale Verbände in ihren gegenwärtigen Rechtsformen übertragen
Welche Rechtsform?
• Beispiel: Good Governance in der FIFA(Verein nach Art. 60 ff. ZGB):• Organisatorische «Gewaltentrennung»• Unabhängige Audit- und Compliance-Kommission• Unabhängige Ethik-Kommission• Ethikregelement• Whistleblower System• «Integrity Checks» bezüglich Schlüsselpositionen• WM-Vergabe neu durch den Kongress• Rechnungslegung nach IFRS• Vergütungskommission
Die non-profit Rechtsform (z.B. Verein) steht einer Übernahme von Konzepten aus dem Bereich der (Kapital-) Gesellschaften nichtentgegen
Welche Rechtsform?
• Exkurs: Rechtsform der Genossenschaft?
• Ist zwar nicht kapitalbezogen, sondern auf Selbsthilfe ausgerichtet und damit eher mitgliederbezogen
• Aber: Im Vordergrund steht die Verfolgungwirtschaftlicher Zwecke
• Internationale Sportverbände verfolgennicht-wirtschaftliche Zwecke
⇒ Wenig kompatibel
Fazit
• Die gegenwärtig von den internationalen Sportverbänden überwiegend gewählten Rechtsformen sind adäquat
• Das Vorliegen teilweise erheblicher Umsätze steht zumnon-profit-Status nicht im Widerspruch
• Organisation in der Form von Kapitalgesellschaften ist sachlich nicht zwingend: entscheidend ist der (nicht-wirtschaftliche) Zweck
• Dem Umstand, dass erhebliche wirtschaftliche Umsätze generiert werden, kann z.B. durch Übernahme von «Good Governance» -Prinzipien Rechnung getragen werden
• Die «einzig wahre» Rechtsform gibt es nicht
• Vereinsform garantiert weltweite Gleichbehandlung der Mitglieder