Post on 07-Feb-2018
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 1
Jagdbericht Spanien
oder wie bunt eine Strecke unerwartet ausfallen kann
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 2
MONTERO ...................................................................................................................................... 4
ERSTE HÄRTEPROBE .................................................................................................................... 8
MÄHNENSCHAF BEINAHE ZUM ANFASSEN ......................................................................... 11
ENDLICH ERFOLG! ABER WIE? ................................................................................................. 17
SHOW DOWN MIT MACKY MESSER ...................................................................................... 22
ZU STARKER WIND FÜR DIE SAU ........................................................................................... 25
WENN DAS SCHAF NICHT WILL DANN EBEN MIT MEINER FRAU! ................................. 27
AUSGETRICKST, VON SCHAFEN! ............................................................................................. 28
WETTBEWERB IM STINKEN ...................................................................................................... 30
FAKTOR 10 ................................................................................................................................... 33
Abbildung 1: Salva von "Cazar con arco" ........................................................................................................................ 4
Abbildung 2: Max, erfolgreicher Jäger und kompetenter Dealer ......................................................................... 5
Abbildung 3: Der Abstieg in den Canyon ....................................................................................................................... 6
Abbildung 4: Meine Frau Denia, ich und die spanischen Jäger............................................................................ 7
Abbildung 5: Morgendämmerung in der Sierra ........................................................................................................... 8
Abbildung 6: Cristobal, der Mann ohne Schweißdrüsen .......................................................................................... 9
Abbildung 7: Heute kein "Schwein" gehabt ................................................................................................................ 10
Abbildung 8: Ochosi, der afrokubanische Schutzpatron der Jäger und Gefängnisinsassen ................ 11
Abbildung 9: Mähnenschafe, zumindest mit dem Fotoapparat geschossen ............................................... 12
Abbildung 10: Blick von der Sierra in das 40km entfernte Mittelmeer .......................................................... 13
Abbildung 11: Nach dem Abstieg in den Canyon ................................................................................................... 14
Abbildung 12: Vielleicht nicht die von Max erwartete Trophäe mit seinem Bogen, aber ein genialer
Schuss! ........................................................................................................................................................................................... 16
Abbildung 13: Mein Mähnenschaf ................................................................................................................................... 18
Abbildung 14: Cristobal beim Bergen des Arrui ....................................................................................................... 19
Abbildung 15: Erschöpft, erlöst und glücklich! .......................................................................................................... 20
Abbildung 16: Abtransport des zerlegten Tieres ins Tal ....................................................................................... 21
Abbildung 17: Cristobal mit den Hunden .................................................................................................................... 22
Abbildung 18: Wildschwein mit Saufänger .................................................................................................................. 24
Abbildung 19: Das Jagdhaus .............................................................................................................................................. 25
Abbildung 20: Trophäensaal des Jagdhauses ............................................................................................................. 25
Abbildung 21: Jasinto, der stille Indianer ..................................................................................................................... 27
Abbildung 22: Der Hafen von Alicante von der Burg aus gesehen ................................................................. 28
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 3
Abbildung 23: Blick von unserem Aussichtsberg in den Canyon ..................................................................... 28
Abbildung 24: und nun umgekehrt; Blick vom Canyon auf unseren Aussichtsberg................................ 29
Abbildung 26: Sonnenuntergang im Regen von der Coto Salvas aus gesehen ........................................ 31
Abbildung 25: Selbstfotografie beim Ansitz am Treestand ................................................................................. 32
Abbildung 27: Die atemberaubende Landschaft der Sierra de la madera ................................................... 33
Abbildung 28: Typischer Bewuchs in der Sierra de la madera ........................................................................... 34
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 4
Montero
Ende Jänner 2014; meine Frau Denia und ich waren vor drei Tagen aus Österreich mit dem
Flugzeug in Alicante, Spanien angekommen. Die ersten Tage wurden zur Akklimatisation und zum
gegenseitigen Beschnuppern mit Salva und seiner „banda1“ genutzt. Mit Ihm hatte ich die letzten
Monate per E-Mail einen regen Gedankenaustausch gepflegt und auf diese Art eine Freundschaft
mit ihm aufgebaut. Salvador Ramirez ist in Spanien und darüber hinaus ein bekanntes Gesicht da
er eine eigene Fernsehsendung über die Bogenjagd gestaltet und ebenfalls in den einschlägigen
Fachzeitschriften Artikel veröffentlicht. Er jagt seit vielen Jahren auf allen Kontinenten mit dem
Bogen und bringt es oft auf bis zu 150 Jagdtage mit dem Bogen im Jahr.
Ebenso hatte ich noch etwas
mit meinem „Leihbogen“
trainiert um mehr Sicherheit am
‚Gerät zu bekommen. Ich hatte
im November des Vorjahres
extra den neuesten Bogen aus
dem Hause Hoyt bei meinem
¨Dealer¨ für die Jagd geordert.
Leider hatte dieser
offensichtlich einen
Produktionsfehler und wir
mussten ihn nach einem
missglückten Einschießen
wieder einschicken. Nachdem
keine Zeit mehr war um auf einen neuen Bogen zu warten war mein Händler Max Fuchs so
selbstlos mir seinen eigenen Jagdbogen für die Jagdreise auszuleihen! Im Scherz habe ich ihm
gesagt dass er ja nur seinen Bogen auf meinen Trophäenfotos sehen wolle. Wahrscheinlich gibt es
nicht viele Händler, die einen solchen Service anbieten. Der Bogen, den ich nun in Händen hielt,
ist ein Elite Hunter den Max extra für mich auf 74 Pfund runter drehte und mit anderen Cams für
meinen kürzeren Auszug versah. Ich hatte das mattschwarze Stück noch in Österreich auf 50m mit
meinen schweren 500gr Pfeilen eingeschossen aber das Verhalten des Bogens ist ein anderes als
ich es von meinen bisherigen Hoyts gewohnt war.
Salva hatte mir den Tipp gegeben statt der feststehenden Klingen Mechanics2 und einen leichten
Schaft für diese Jagd zu verwenden. Mähnenschafe, das erklärte Ziel meiner Jagdreise, sind nicht
1 Spanisch: Bande, Gang, Horde 2 Jagdspitzen bei denen die Klingen während des Flugs einem Teil der Spitze verborgen sind und beim Auftreffen auf ein
Ziel mechanisch geöffnet werden
Abbildung 1: Salva von "Cazar con arco"
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 5
sehr schusshart, es ist aber meist nicht möglich näher als 40m an sie heranzukommen. Ich hatte
mich dann für die 125gr Spitzen von Rage entschieden, bin aber bei meinen schweren Easton Axis
N`fused Schäften geblieben.
An diesem Tag sollte ich an einer Art Riegeljagd mit Hunden auf ¨las jabalis¨, die Wildschweine,
teilnehmen. In der Region wird diese Art zu jagen als „montero“ bezeichnet. Das Wort hat
mehrere Bedeutungen. Mit „montero“ bezeichnet der Spanier sowohl gemeinhin einen Jäger wie
auch die oben beschriebene Jagdart. Das Wort stammt von „el monte“ ab, das sowohl eine
Anhöhe, einen Berg oder auch ein dicht bewaldetes Gelände bezeichnet. In spanischsprachigen
Ländern wird auch das geländegängige Fahrzeugmodel Pajero von Mitsubishi unter Montero
geführt. Grund ist die umgangssprachliche Bedeutung von Pajero das zwar korrekt übersetzt „der
Strohmacher“ heißt, im Volke aber einen sich selbst sexuell Befriedigenden bezeichnet. Wer will
schon einen Wagen fahren auf dem „Wichser“ steht?
Da wir ¨aufgestellt¨ werden sollten war
es eine gute Gelegenheit für meine
Frau auch einmal an einer Jagd
teilzunehmen. Bei dieser Art der Jagd
werden die Jäger üblicherweise rund
um den Einstand der zu bejagenden
Tiere postiert. Mit speziell dafür
ausgebildeten Hunden und deren
Führern, die langsam vorgehen,
werden die Tiere dann in Richtung der
Jäger ¨gedrückt¨. Durch das langsame
Vorgehen fliehen die Tiere nicht in
Panik sondern weichen langsam von
den Treibern und Hunden weg. So ist
es einfacher diese zu erlegen. Wird aber ein Wildschwein von den Hunden lokalisiert so hetzen
diese den Schwarzkittel.
Salva holte Denia und mich um Neun von unserem kleinen Hotel direkt an der Plaza Mayor ab.
Wir fuhren etwa 10 km Richtung Benilloba, einer kleinen Ansiedlung in der ¨ Sierra¨. Bei
strahlendem Sonnenschein und Temperaturen um die 18°C waren schon etwa 20 Jäger
verschiedenen Alters, in lebhafte Gespräche verwickelt, in einem kleinen Gasthaus auf einem
Hügel versammelt. Salva stellte mich und meine Frau vor. Da ich der einzige Bogenjäger in der
Runde der Gewehrschützen war, wurde mir ein Platz ¨unten¨ zugeteilt. Noch verstand ich nicht
was es damit auf sich hatte und widmete mich dem ausgiebigen Frühstück, das nun gemeinsam
eingenommen wurde. Egal bei welcher Mahlzeit, die immer in mehreren Gängen serviert wird, es
fehlen niemals Mandeln, Erdnüsse, Oliven sowie Weißbrot welches mit Olivenöl getränkt wird.
Abbildung 2: Max, erfolgreicher Jäger und kompetenter Dealer
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 6
Nach dieser Stärkung fuhren wir noch
etwa einen Kilometer bis zum
Jagdgebiet. Die Jäger und Treiber
hatten sich schon in Gruppen
aufgeteilt. Salva führte unsere Gruppe
von 6 Mann, meine Frau hatte sich im
letzten Moment entschlossen lieber
beim Wagen zu warten, zu den
Aufstellungspositionen. Spätestens
jetzt wäre in unseren Gefilden eine
Sicherheitsbelehrung mit Überprüfung
der gültigen Jagdkarten fällig gewesen,
da sich alle gut kannten und die
Sache eher locker nahmen, kümmerte
sich niemand darum. Jetzt dämmerte mir langsam was vorher mit ¨unten¨ gemeint war. Die Jagd
ging entlang eines tiefen Grabens, eher eines Canyons mit guten 70m Tiefe, alle Gewehrjäger
legten sich gemütlich an den Rand des teilweise senkrecht abfallenden Randes und ich durfte am
Ende der Kette als Einziger in den Graben hinunterklettern. Im unteren Bereich war der nicht mehr
als 20m breite Graben bewaldet und mit dichtem Unterholz versehen. Ein kleines Rinnsal grub
sich seinen Weg durch diesen. Ich rutschte an einem Wildsteig entlang in den kühlen Graben und
fand mich unversehens gefangen in den dichten Dornenbüschen, die dort wucherten. Nur mit
äußerster Mühe schaffte ich es mich auf meinen Platz hinunter zu kämpfen. An dieser Stelle teilte
sich der Graben und ich kletterte in dessen Mitte auf den Fuß des Mittelkeils, der die Gabelung
einleitete. Mit dem Messer schlug ich links und rechts jeweils einen Schusskanal frei und plättete
den Hang etwas an meinem Stand. Schweißtriefend war ich nach etwa 10 Minuten damit fertig
und begann mir die Entfernungen mit dem Rangefinder3 auszumessen. Ich hatte in den beiden
Schusskanälen nach links und rechts jeweils zwischen 15 und 18m effektive Schussdistanz. Nach
vorne konnte ich etwa 35m sehen aber nicht schießen da das Unterholz sehr dicht war. Im
Zeitraum von etwa 45 Minuten geschah nichts bis ich die ersten Schüsse vor mir hörte. Ich war in
Alarmbereitschaft, hatte den Bogen in der Hand und den Pfeil bereits aufgelegt. Angespannt
spähte ich in das Dickicht vor mir und versuchte mit allen Sinnen die Schweine so früh wie
möglich wahrzunehmen. Sollten diese auf ihrer Flucht an meinem Stand vorbeikommen so würde
ich nur wenige Sekunden Zeit haben den Bogen aufzuziehen und zu zielen. Für den Schuss selbst
hatte ich aber nur einen Bruchteil von Sekunden da das Schussfenster nicht mehr als einen bis
zwei Meter breit war. Ich war freudig erregt und versuchte mit ¨ Röntgenaugen¨ das Unterholz zu
3 Entfernungsmesser der mithilfe eines Laserstrahls die Distanz zum angewählten Ziel im Bruchteil von Sekunden ermittelt
Abbildung 3: Der Abstieg in den Canyon
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 7
durchdringen. Aus dem Augenwinkel nahm ich plötzlich eine Bewegung war. 18m vor mir, genau
im linken Schusskanal, kam ein Fuchs aus seinem Bau, den ich vorher nicht als solchen
wahrgenommen hatte und schnürte aus meinem Blickfeld. Es war zu kurz um auf ihn anzulegen.
Nun hörte ich auch schräg hinter mir Schüsse. Es
kam aber kein weiteres Tier an meinem Stand vorbei.
Als die Jagd abgebrochen wurde, ohne Hornsignal
sondern per Handy, mühte ich mich wieder durch die
Dornenhecken den steilen Hang hinauf. Die Jäger mit
der Büchse vor mir hatten mehr Glück und drei
Überläufer 4 sowie eine Bache, keine 100m von
meinem Stand entfernt, erlegt. Ich legte also meine
Ausrüstung ab und rutschte den Steilhang wieder
hinunter. Die rote Arbeit 5 fiel mir zu da die
glücklichen Schützen jagdliche Novizen waren. Einen
Jagdkurs kennt man hier nicht und ich habe auch
noch nicht herausgefunden ob es eine Jagdprüfung
gibt, ich bezweifle das aber. Wie ich später erfahren
sollte ist die Jagd für Alle da, die Interesse daran
haben. Die Einwohner der Gemeinden können für
sehr günstiges Geld ganzjährig an Jagden teilnehmen. Es war echte Knochenarbeit die vier Tiere
nach oben zu zerren und das gelang auch nur mit vereinten Kräften und Seilen. Durch meine
selbstlose Hilfe hatte ich mir den Respekt und die Freundschaft der Gruppe erarbeitet, was für
mich mindestens ebenso wichtig wie ein Jagderfolg ist. Dass ich als einziger Bogenjäger inmitten
der Büchsenjäger stand und mit Ihnen gemeinsam jagte wurde als völlig normal angesehen. Das
einmal in Österreich zu erleben wäre mein Traum!
Nach der Jagd ist es aber in Spanien genauso wie bei uns. Na ja, fast genau so. Schützenbrüche,
Inbesitznahmebrüche oder Abblasen und Streckenlegen gibt es hier nicht. Die Schweine, neun an
der Zahl, wurden vor dem Basketballplatz aufgelegt damit die Gasthausbelegschaft einen Blick
darauf werfen konnten. Das war´s! Den Schüsseltrieb 6 gibt es aber schon, das scheint
internationaler Brauch zu sein. Sehr entspannt und formlos wurde in der hiesigen Manier, mit
4 Schwarzwild (Wildschwein) im zweiten Lebensjahr 5 Mit der „roten Arbeit“ wird das Aufbrechen, Aufschneiden, des erlegten Stückes und die Entfernung der inneren Organe
sowie des Verdauungstraktes bezeichnet. In Spanien wird diese Arbeit „destripar“ genannt. 6 Laut Lehrprinz, dem Ausbildungsbehelf der Jungjäger in Österreich, versteht man unter Schüsseltrieb „das gesellige
Beisammensein nach beendeter erlebnisreicher Gesellschaftsjagd. Wird dem Jagdherrn oder den Schützen ein
Weidmannsheil entboten, geschieht das Zutrinken mit dem Glas in der linken Hand“. In Spanien konzentriert man sich
eher auf das Trinken, egal mit welcher Hand! Meinen Schilderungen der althergebrachten Traditionen der österreichischen
Jäger inklusive der eigens dafür entwickelten und in der normalen Bevölkerung kaum verständlichen Sprache lauschen
meine Jagdkollegen ungläubig mit teilweise offenen Mündern.
Abbildung 4: Meine Frau Denia, ich und die
spanischen Jäger
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 8
verschiedenen Gängen, drauf los gegessen und getrunken. Eine sehr fröhliche und herzliche
Gesellschaft, in die ich ohne eine Frage oder finanzielles Interesse selbstlos aufgenommen worden
war. Spanien befindet sich zwar in einer schweren, wirtschaftlichen Krise die besonders diesem
Landstrich arg zugesetzt hat. Der Gastfreundlichkeit und Herzlichkeit dieser Menschen hat das
aber in keinster Weise einen Abbruch getan.
Erste Härteprobe
Dieser Tag sollte der bisher härteste für mich werden. Ich konnte vor Aufregung und Vorfreude
nicht schlafen. Gegen drei Uhr war ich bereits wach und vertrieb mir die Zeit mit einem Buch von
Howard Hill. Wenn alles stimmt was er so in seinem Buch ¨Hunting the hard way¨ 7schreibt dann
hat er wohl den echten Bogenjägertraum gelebt und ist ein wahrer Ausnahmekönner gewesen.
Mit seinem 110 Pfund starken Langbogen hat er Jaguare, Krokodile, Bisons, Bären und andere
Tiere der hohen Jagd auf unglaubliche Entfernungen erlegt. Als ihm das alles zu langweilig wurde
nahm er sich Schwertfische auf hoher
See von der Yacht seines Freundes
Errol Flynn und Haifische unter Wasser
vor Florida mit dem Langbogen vor.
Mit der geschichtlichen Recherche zu
seinem Buch hat er es zumindest nicht
so genau genommen da er
beispielsweise Kaiser Maximilian von
Österreich zu einem Deutschen
gemacht hat. Ich möchte an dieser
Stelle keinesfalls eine Legende
demontieren, die Zeiten damals waren
aber andere und so manches von Mr.
Hill Geschriebene würde heute die
Vertreter von Greenpeace und Vier Pfoten wutentbrannt aufheulen lassen. Sicherlich hatte man
damals auch noch ein anderes Selbstverständnis. Zumindest sind die erzählten Geschichten sehr
spannend und es gibt dabei viel über Eigenheiten der Tiere sowie Jagdtricks zu lernen.
Nachdem es endlich kurz vor sieben Uhr war schwang ich mich in den Leihwagen und kurvte in
die Ponderosa,8 ein Lokal kurz vor Benilloba. Dort traf ich mich mit Cristobal, dem Veranstalter der
Riegeljagd vom Vortag. Wir luden meine Ausrüstung in seinen Geländewagen und fuhren in die
7 Hunting the hard way, 1953, by Howard Hill, erschienen bei Derrydale Press in englischer Sprache 8 Die Ponderosa ist eine Gelbkiefer (Pinus Ponderosa). Bekannt ist der Name aber eher aus der Westernserie Bonanza, in
der die Ranch der Hauptakteure diesen Namen trug
Abbildung 5: Morgendämmerung in der Sierra
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 9
Dunkelheit der Sierra9, die Bergwüste. Die Berge in dieser Zone erreichen mehr als 1000m, sind
aber nur 20 bis 40km von der Küste entfernt. Beim ersten Büchsenlicht, gegen acht Uhr,
begannen wir mit unserer Pirsch die, nur von einer kurzen Jause unterbrochen, bis drei Uhr
nachmittags dauern sollte. Dabei haben wir geschätzte 700 bis 800 Höhenmeter hinter uns
gebracht und das alles völlig abseits von Wegen. Der Untergrund ist mit stacheligen Büschen, die
bis zu den Knien reichen bewachsen und lose herumliegende Steinblöcke und scharfkantige
Klippen erschweren das Vorankommen immens. Es gibt kaum Baumbewuchs und der Sturm fegte
den ganzen Tag mit ohrenbetäubendem Gebrüll über die schutzlosen Kuppen hinweg. Trotz der
maximal 15 Grad Temperatur war es durch den Wind schneidend kalt. Wo wir dem Sturm
schutzlos ausgeliefert waren musste ich mich festhalten um nicht von den Beinen geweht zu
werden. Da wir oft an mehrere hundert Meter steil abfallenden Klippen entlangmarschierten und
das ganze Gelände mit spitzen Felsen übersäht war, hätte das ziemlich böse enden können. Wir
durchstiegen atemberaubenden Schluchten, querten steil abfallende Hänge und erkletterten
Schultern und Bergkuppen. Es gab eine wirklich spektakuläre Sicht in die umliegenden Täler und
sogar das Meer war zu sehen. Eine unwirtliche aber sehr beeindruckende Landschaft.
Mein Jagdführer Cristobal ist
kleinwüchsig und überragt gerade mal
ein sitzendes Pony. Ich schätze seine
Köpergröße auf 150 cm und ich gehe
jede Wette ein dass er nicht mehr als
50kg wiegt! Er ist starker Raucher und
einer guten Flasche Whiskey niemals
abgeneigt. Dieser Mann ist aber eine
Laufmaschine! Nicht ein Gramm Fett ist
an ihm zu finden. Ich musste mich oft
mit beiden Händen abstützen und
stolperte wie ein Betrunkener durch
die Steinwüste, mehrfach bin ich
hingefallen. Er hat alle Steigungen und
Felsblöcke, ohne eine Tropfen Schweiß zu vergießen, mit beiden Händen in der Jackentasche,
spielerisch absolviert. Seine Hände hat er nur ausgepackt um mit dem Fernglas nach Wildtieren in
den Hängen zu suchen oder sich eine kubanische Popular anzuzünden. Während ich keuchend
hinter ihm her stolperte und dabei mehrere Liter Schweiß vergoss tänzelte die Miniaturausgabe
eines spanischen Machos behänd leichtfüßig von Stein zu Stein. Ich bin ja beinahe überzeugt dass
er sich die Schweißdrüsen operativ entfernen hat lassen da niemals der Schimmer eines Tropfens
9 Mit Sierra wird sowohl eine Bergkette wie auch eine Säge bezeichnet. Wahrscheinlich hat die Bergkette ihren Namen
wegen dem einem umgedrehten Sägeband ähnlichem Aussehen.
Abbildung 6: Cristobal, der Mann ohne Schweißdrüsen
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 10
dieser salzigen Körperflüssigkeit auf seinem Antlitz zu entdecken war während ich förmlich
ausgeronnen bin. Cristobal ist aber ein angenehmer und freundlicher Vertreter der menschlichen
Rasse. Der in Malaga Geborene lebt für die Jagd, was aber in seinem Fall heißt das er gerne das
Wild mit seinen geliebten Hunden oder eben, so wie in meinem Fall, auf der Pirsch aufstöbert und
überlistet. Das Schießen überlässt er gerne den Anderen. Hilfsbereitschaft, Ehrlichkeit und
Verlässlichkeit sind ebenfalls Eigenschaften, die ich diesem drahtigen Mann zuschreiben kann.
So waren wir nun den ganzen Tag über unterwegs. Manchmal gingen wir, nachdem wir das
Umfeld abgesucht hatten, wieder zurück zum Wagen um an einen anderen Spot zu fahren. Dort
angekommen stiegen wir sofort aus und es ging abermals zu Fuß weiter.
Gegen 10 Uhr machten wir auf einem Berghang, etwa 50m voraus, ein Wildschwein aus. Gerade
mal die Teller, der Name für die Ohren in der traditionellen Jägersprache Österreichs, und ein Teil
des Hauptes ragte aus dem, den ganzen Hang bedeckenden, Buschwerk heraus. Ich machte mich
sofort fertig, duckte mich und begann mich in Richtung des Überläufers anzuschleichen. Aus dem
Augenwinkel sah ich einen weiteren, größeren Schädel aus den Büschen auftauchen. Nur einen
Moment lang beäugte mich das Tier und tauchte dann ab. Im wilden ¨Schweinsgalopp¨ flüchtete
die Rotte den Hang hinunter und wir konnten die Tiere beobachten wie sie den Gegenhang
hinaufhasteten. Mit dem Gewehr wäre das ein ¨Fressen¨ gewesen, mit Pfeil und Bogen aber ein
völlig unmögliches Unterfangen.
Außer einem neugierigen Fuchs mit wunderschönem, langem, dunklem Pelz, der uns beim
Aufstieg aus der Schlucht von seinem Aussichtsfelsen aus neugierig taxierte, sollten wir an diesem
Tag kein anderes Säugetier mehr in den Anblick bekommen.
Gegen Nachmittag wurde der Wind so
stark, das ich die Schutzhülle mit
Tragegurt vom Bogen entfernen
musste. Der Wind trieb mich mit
diesem Minisegel so durch die Gegend
das ich mich nur schwer auf den Beinen
halten konnte. Wenn ich nun schießen
wollte so hätte ich mich auf mindestens
15m an meine Beute heranarbeiten
müssen. Der Wind hätte einerseits den
Bogen so stark bewegt das ich nur mit
Glück im richtigen Moment auf meinen
mechanischen Auslöser am Release
drücken hätte können während die
Visiervorrichtung durch das Ziel gesegelt wäre, anderseits hätte der Wind den abgeschossenen
Abbildung 7: Heute kein "Schwein" gehabt
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 11
Pfeil ebenfalls aus der gewünschten Flugbahn getragen. So entschlossen wir uns ins Tal zu fahren
und nach einem stärkenden Mittagessen, dem ¨almuerzo¨ auf die Kaninchenjagd zu gehen.
Direkt am Fuß einer Straße, in der sich die Kaninchen
ihren Bau gegraben hatten, bezog ich nach der
kulinarischen Pause meine Stellung. Bewaffnet war ich
mit den Übungsspitzen meiner mechanischen
Jagdspitzen von Rage da eine Jagdspitze ohne
Widerstand durch das Kaninchen rauschen würde um
dahinter in mehre Stücke zu zerschellen. An diesem
Tag meinte es aber Ochosi10 nicht so gut mit mir. Die
äußerst wachsamen Kaninchen konnte ich beobachten,
aber nur auf dem gegenüberliegenden Teil des Feldes,
mit 65m deutlich außer Reichweite. Selbst wenn ich auf
diese Entfernung einen Glückstreffer auf den Kopf einer
der kleinen Kreaturen platziert hätte, wäre es äußerst
wahrscheinlich dass der Nager doch noch in den Bau
eingefahren wäre, vor dessen Eingang sie sich sonnten.
Nach etwa zwei Stunden Ansitz ließ ich es nun auf sich
beruhen und hoffte auf mehr Jagdglück am nächsten
Tag.
Am Abend hatte ich dann noch meine Frau, die sich
den Tag mit lesen, fernsehen und spazieren gehen vertrieben hatte, zu einem üppigen
Abendessen eingeladen. Für mehr war ich dann aber nicht mehr zu gebrauchen und sank, sobald
ich im Hotelzimmer angekommen war, in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Mähnenschaf beinahe zum anfassen
Härter geht´s nicht? Doch, es geht härter! Wie immer war ich auch an diesem Tag lange vor der
offiziellen ¨Tagwache¨ aufgewacht. Bereits um halbsechs morgens saß ich in meiner Jagdmontur
in der Bar, hatte meine obligatorischen zwei Kaffee und ein getoastetes Weißbrot mit Olivenöl zu
mir genommen. Um sieben wieder präsent in der Ponderosa, in der sich die wahrscheinlich
längste Theke der Welt befindet. Das Monstrum erstreckt sich über mindestens 25m, was auf die
Trinkgewohnheiten der Besucher schließen lässt. Bereits frühmorgens findet sich die
„Stammbelegschaft“ ein um verschiedenste, bis oben hin gefüllte Gläser undefinierbarer
10 Ochosi, Gott der Jagd in der afroamerikanischen Religion der Yoruba. Besondere Verehrung auf Kuba. Schutzpatron der
Jäger und Gefängnisinsassen, jagt mit Pfeil und Bogen.
Abbildung 8: Ochosi, der afrokubanische
Schutzpatron der Jäger und Gefängnisinsassen
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 12
Flüssigkeiten in sich hinein zu schütten. Dabei wird das aktuelle Tagesgeschehen kommentiert und
heimlich eine Zigarette geraucht. Das Rauchen ist in allen Lokalen Spaniens verboten. Cristobal
kam zur gleichen Zeit wie ich in der Bar an und nach einem kurzen Kaffee waren wir schon auf
der Piste. Diesmal fuhren wir in ein anderes Jagdgebiet. Cristobal ist der Obmann des hiesigen
Jagdvereins und verfügt über einen ¨Coto de caza¨, ein gepachtetes Jagdgebiet von
unglaublichen 6000ha! Dabei handelst es sich um ein eher kleineres Gebiet für spanische
Verhältnisse. Nachdem auf den Höhen immer noch ein äußerst starker Wind wehte versuchten wir
nun in den bodennahen Schluchten,
den „barrancos“ die Mähnenschafe zu
entdecken. Wir bewegten uns auf
einem Höhenrücken in ca. 500m
Seehöhe voran als wir am
gegenüberliegenden Hang des tief in
den Kalkboden eingegrabenen
Flussbettes einen kapitalen Vertreter
der Gattung Mähnenspringer, auch
Mähnenschaf oder Berberschaf
genannt, entdeckten. Diese Tiere, die
genetisch zwischen Ziegen und
Schafen stehen und ursprünglich aus
den Bergen des nördlichen Afrikas
stammen, sind mit sehr
leistungsfähigen Sinnen ausgestattet.
Natürlich hatte dieser alte Bock uns schon gesehen! Wir beschlossen ihn weiter zu beobachten
und dann später, sobald er aus seinem Stand abziehen würde, zu umgehen. Nachdem sich das
kapitale, männliche Tier erhoben hatte versuchten wir es schnellen Schritt über links zu umfassen
und in das Flussbett hinunter zu kommen. Dabei schreckten wir eine weitere Herde von vier Stück
Arrui, so wird das Mähnenschaf in Spanien genannt, auf. Geführt von einem kapitalen, männlichen
Stück folgten noch zwei weitere, gute männliche Stücke und ein etwas kleineres Männchen. Sie
entkamen in wenigen Sätzen und spurteten den Gegenhang in einer unglaublichen
Geschwindigkeit empor. Oben angekommen sicherten sie kurz und zogen weiter den Berg hinan.
Als auch sie unserem Blickfeld entschwunden waren machten wir uns auf den Weg den
Bergrücken hinauf in die Richtung, in der wir die Gruppe vermuteten. Auch dieser Berg war mit
losen Steinbrocken und kniehohen Büschen übersäht. Cristobal hatte die Führung und rannte den
Hang förmlich hinan. Es fiel mir schwer ihm zu folgen. Als wir etwa 300 Höhenmeter gewonnen
hatten sicherten wir auf den gegenüberliegenden Hang. „Wir“ entspricht dabei nicht der ganzen
Wahrheit. Cristobal sicherte und ich keuchte immer noch, vollkommen außer Atem und
schwankend nach oben. Bei ihm angekommen plumpste ich wie ein nasser Sack, glücklich noch
am Leben zu sein, einfach hin. Cristobal hatte schon einen Arrui entdeckt, der sich direkt neben
Abbildung 9: Mähnenschafe, zumindest mit dem Fotoapparat
geschossen
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 13
einer Felsenstufe auf einem parallel laufenden Bergrücken niedergetan hatte. Wir schmiedeten
einen Angriffsplan und schlichen gebückt aus dem Blickfeld des Schafes11 den Hang hinunter. Der
andere Bergrücken war durch einen tiefen Graben von unserem getrennt. Geschätzte 150
Höhenmeter bergab und am Gegenhang nochmals 200 Höhenmeter Direttissima nach oben
Richtung Felsstufe, hinter der sich der bärtige Hauptdarsteller meiner jagdlichen Phantasien
verbarg. Ich konnte Cristobal nicht mehr in diesem Tempo folgen und wir legten eine kurze Pause
etwa 50m Luftlinie vor der Felsstufe ein. Als ich meinen Atem wieder halbwegs unter Kontrolle
gebracht hatte schlichen wir im schnellen Schritt direkt auf die Felsstufe zu. Im Zeitlupentempo
erklommen wir beide die sieben Meter nach oben und schoben den Kopf zentimeterweise
Richtung Felskante. Fünf Meter vor unseren ungläubigen Gesichtern, zum Greifen nah, lag da
nicht nur ein zotteliges Arrui sondern
die zuvor gesehenen vier! Ich ging
sofort wieder in die Knie, versuchte
meinen Atem zu beruhigen, die
Gedanken zu ordnen und spannte
den Bogen mit dem eingenockten
Pfeil. Auf dem schmalen Sims, auf
dem ich balancierte, war das gar
nicht so einfach. Der orkanartige
Wind versuchte mich aus dem Stand
zu blasen, der Bogen wackelte durch
die Windstöße in meiner Hand und
mein Atem ging, vor Aufregung und
Anstrengung beschleunigt, nur
keuchend. Der mich aufgeregt in die Seiten stoßende und zum Schuss aufmunternde Cristobal
senkte meinen Stresslevel auch nicht unbedingt. Ganz langsam, den gespannten Bogen in der
Hand, schob ich mich in Zeitlupe nach oben, darauf gefasst sofort zu schießen. Ich blickte mit bis
zum Halse klopfenden Herzen über die Felskante. Die Mähnenschafe waren nicht mehr da! Aus
dem Augenwinkel sah ich sie in hoher Flucht auf der anderen Seite der Felsstufe nach schräg
unten dem Gipfel zueilen, von dessen Rücken wir gerade gekommen waren. Sie hatten bereits
etwa 40m gewonnen und ich wollte keinen Schuss mit dem Bogen auf die flüchtenden Tiere
abgeben. Verdammt!!! Die Arrui waren zum Greifen nahe und ich habe es nicht ¨gebacken¨
bekommen! Nach so einer Aktion denke ich immer alle Varianten durch. Was wäre gewesen
wenn? Wären wir nur drei Meter höher über die Felsstufe gegangen; ich hätte die Flucht sofort
bemerkt und einen Pfeil auf die abgehenden Tier, auf maximal 10 bis 15m setzen können! Hätte
11 Ich bleibe bei der Bezeichnung Schaf trotz der vorher kundgetanen wissenschaftlichen Erkenntnis dass es weder das eine
noch das andere ist weil mir Scha-ge oder Zie-af nicht über die Lippen kommen will. Seit ich erfahren habe dass der
Moschusochse zur Familie der Ziegen (caprinae) gehört bin ich generell sehr vorsichtig mit der Vergabe von Namen!
Abbildung 10: Blick von der Sierra in das 40km entfernte Mittelmeer
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 14
ich doch den Bogen nicht vorher gespannt sondern wäre gleich aufgestanden, das Selbe wäre der
Fall. Vielleicht haben die wachsamen Tiere uns doch gesehen oder „la polea“, die obere
Spannrolle meines Compoundbogens beim aufziehen wahrgenommen? Aber es war nun mal so
und nicht mehr zu ändern!
Wir begannen die Tiere zu verfolgen sobald sie, an einer Felsnadel vorbei auf ein Hochplateau
außer Sichtweite kamen. Auf dieser völlig ungeschützten Fläche wehte der Sturm noch
unbarmherziger und es kostete mich wirklich einiges an Kraft um nicht von den Beinen geweht zu
werden12. Die kleine Herde würde hier wegen der unwirtlichen Bedingungen sicher nicht zu finden
sein und wir machten uns daran die darunter liegenden Hänge zu durchsuchen. Da hatten wir sie
wieder! Auf 80m waren zwei Tiere der Gruppe in einer brusthoch bewachsenen Senke, mit dem
Ziemer zu uns gerichtet, erkennbar. Mit dem Bogen unter diesen Bedingungen keine sicher
schießbare Distanz, noch dazu bei diesen Windverhältnissen. Ein Anschleichen war auch nicht
möglich da sie am Hang unter uns standen und es zur Annäherung absolut keine Deckung gab.
Wir robbten also wieder zurück über die Kuppe und umfassten über rechts. Als wir sie wieder in
den Anblick kamen hatten sie sich am Gegenhang, auf 154m versammelt, das Leittier hatte sich
niedergetan. Die Vier sicherten in alle Richtungen. Wie ein Trupp der Spezialkräfte hatte jedes der
Tiere seinen Verantwortungsbereich
und blickte aufmerksam in die
zugewiesene Zone. Keine Chance
auch nur eine Bewegung zu machen.
Hätten wir nun ein Gewehr gehabt so
wäre das ein relativ leichtes Spiel, mit
dem Bogen aber überhaupt nicht zu
machen. Zumindest mit dem
Fotoapparat habe ich sie
„geschossen“, was mir zu diesem
Zeitpunkt aber nur eine äußerst
schwache Ersatzbefriedigung war! Als
wir uns wieder rückwärts robbend aus
dem Blickfeld herausbewegten, was
bei dem steinigen Untergrund und den stacheligen Büschen wahrlich kein Vergnügen ist, hatten
sie uns abermals wahrgenommen und trabten über den nächsten Bergrücken aus unserem
Sichtfeld. Nicht locker lassen! Wir verfolgten sie aber nun wäre es nur mehr ein äußerst glücklicher
Zufall, die kleine Gruppe zu erwischen da sie nun definitiv wussten das wir ihnen auf den Fersen
waren. Wir durchsuchten die tief zerfurchten Schluchten auf der anderen Seite des Hanges aber
12 Dazu muss gesagt werden dass ich nicht sehr zart gebaut bin. Momentan bringe ich 85kg bei einer Körpergröße von
173cm auf die Wage. Ich arbeite seit Jahren erfolglos daran meinen Schwerpunkt eher nach oben, in den Brustbereich zu
verlagern, die gute Küche meiner Frau und fehlende Bewegung unter der Woche verhindern das aber.
Abbildung 11: Nach dem Abstieg in den Canyon
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 15
scheinbar hatten sie sich nach der Kuppe wieder nach rechts gewendet und waren dort, ich
vermute hämisch grinsend und Witze über die dummen, menschlichen Jäger machend,
verschwunden.
Wir entschieden uns zum Abstieg in den Canyon, was eine wirkliche Herausforderung war. Die
Hänge waren mit latschenähnlichen Büschen bewachsen und mit riesigen Felsnadeln und losen
Brocken durchsetzt. Über den ganzen Abstieg musste ich immer wieder dem schmalen Windhund
Cristobal den Bogen nach unten reichen um beide Hände zum Klettern nutzen zu können. Ich bin
nicht sicher ob ich mehr Angst hatte über die Klippen abzustürzen oder den heiligen Bogen von
Max bei einem Fall zu beschädigen. Am Grund des Canyons angelangt erwartete uns eine
archaische Landschaft. Das Flussbett bestand aus massivem Kalkstein der von den Wassermassen
über Jahrtausende hinweg in bizarren Formen ausgewaschen worden war. Überall waren
„Badewannen“ zu finden in denen das kostbare Nass ohne Abflussmöglichkeit stand. Riesige
Findlinge versperrten uns den Weg, wir mussten darüber hinwegklettern. Links und rechts des
stückweise nur einen Meter breiten Canyons erhoben sich senkrechte Felswände in schwindelnde
Höhen. Dort wo der Canyon breit genug war brannte die Sonne nun unerbittlich auf uns nieder,
bei mir machte sich nun Durst bemerkbar. Der in den Höhen so schneidende Wind war hier unten
überhaupt nicht zu spüren. Um schneller voranzukommen hatten wir auf jegliches Gepäck
verzichtet, somit auch auf eine Wasserflasche. So genehmigte ich mir ein paar Schlucke,
schöpfend13 wie ein Tier auf allen Vieren kauernd, aus einer der Badewannen. Nach einer weiteren
halben Stunde wieder oben beim Auto angekommen machten wir eine Mittagspause mit
selbstgemachter Wildschweinwurst, Speck und Brot. Welche Wohltat! Erst jetzt fiel mir auf das es
bereits drei Uhr nachmittags war!
Nach der Jause, an er auch der gerade dazu gestoßene Salva und Jasinto teilnahm, fuhren wir mit
dem Wagen eine Bergstraße nach oben. Eine Herde von vier Muffeln14 kam uns in den Anblick.
Wir verfolgten sie etwa 20 Minuten im dichten Kiefernwald, konnten ihnen aber auf keine
schießbare Distanz mit dem Bogen näher kommen. Nach einer weiteren Runde über ein paar
umliegende Berggipfel im Wagen kehrten wir nach Benilloba zurück. Ich wollte nun doch ein
wenig Jagdglück genießen und machte mich daran Kaninchen, die in diesem Landstrich eine echte
Plage sind, zu jagen. Erst legte ich mich in einem Olivengarten auf die Lauer, keiner der braunen
Nager wollte sich zeigen obwohl wir vorher, aus dem Wagen heraus, einigen Individuen in diesem
Garten lokalisiert hatten. Ebenfalls waren die Hänge der in Stufen angelegten Gärten voller Baue.
Nach einer Stunde zeigte sich endlich ein Exemplar auf exakt 45,0m Entfernung. Normalerweise
würde ich auf diese Entfernung niemals auf so ein kleines Ziel schießen. Nun war ich aber wirklich
hungrig nach einem, wenn auch noch so kleinen Jagderfolg und mein vorletzter Pin stand genau
auf diese Distanz. So griff ich also, immer noch etwas zweifelnd, nach meinem Bogen. Diese
13 Jägersprache: trinken
14 Mufflon
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 16
Bewegung hatte der kleine Hoppler aber wahrscheinlich gesehen und verschwand aus meinem
Blickfeld. Nach etwa zwei Minuten kehrte er aber wieder an den soeben erst verlassenen Platz
zurück. Nachdem ich weder Blunts15 und auch keine Spinnen16 auf meinen Pfeilen montiert hatte,
musste ich also auf den Kopf des Tieres zielen. Auf 45m den Kopf eines Kaninchens zu treffen ist
ein äußerst ambitionierter Plan der mir, mit einigem Glück, auch gelang. Der Hoppler überschlug
sich und verschwand im hohen Gras. Der Pfeil traf in einer Staubwolke hinter dem Nager auf dem
Boden auf. Ich legte schnell den Bogen zur Seite und rannte mit Höchstgeschwindigkeit an den
Platz des Überfalls. Das Kaninchen hatte eine Wunde am Kopf, ein Auge war blutunterlaufen und
der Nager drehte sich im Kreis. Ich
versuchte das orientierungslose Tier
zu greifen, dieser hüpfte aber mit
weiten Sätzen, hackenschlagende, aus
meiner Reichweite. Mit einem
Hechtsprung versuchte ich nun des
Flüchtigen habhaft zu werden, riss ihm
aber nur ein paar Haare aus dem
Rücken. Was ich auch an körperlichem
Einsatz brachte, im letzten Moment
entzog er sich meinem Zugriff. Welch
lächerliches Bild das wohl abgegeben
haben muss. Ein erwachsener Mann
mit grau meliertem Vollbart und dem
Knabenalter klar entwachsen, gehüllt
in Tarnkleidung und mit einem Tarnschleicher auf dem Kopf wirft sich im Hechtsprung längs auf
den Boden, erhebt sich schwerfällig, läuft ein paar Schritte nur um sich mit grotesken
Verrenkungen wieder hinter einem kleinen Nagetier in den Staub zu werfen. Ich hoffte inbrünstig
das mich niemand in bei dieser „Performance alá Jerry Lewis“ beobachtete. Nachdem mich tags
darauf aber einige Einwohner mit einem süffisanten Lächeln begrüßten bin ich mir in diesem
Punkt nicht sehr sicher.
Nach einer mir endlos erscheinenden Zeitspanne, die in Wirklichkeit nicht mehr als eine Minute
betragen haben kann, schlüpfte nun mein Kaninchen unter das lange, niedergedrückte Gras und
spielte toter Hase, was es in wenigen Sekunden auch war. Es gelang mir den Flüchtling mit beiden
Händen zu greifen. Mit dem Knauf des Taschenmessers beendete ich, durch einem Schlag auf den
Schädel, das irdische Dasein dieser Kreatur. Welche Ironie! Auf eines der größten Wildschafe der
Welt konnte ich auf fünf Meter keinen Schuss anbringen und dieses winzige Kaninchen habe ich
15 stumpfe Spitzen die das Tier „ausknocken“ 16 Klauen aus Draht die am Pfeilschaft befestigt werden um ein Durchschießen der Beute zu verhindern. Das Tier kann mit
dem in ihm steckenden Pfeil nicht mehr in den Bau zurück
Abbildung 12: Vielleicht nicht die von Max erwartete Trophäe mit
seinem Bogen, aber ein genialer Schuss!
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 17
auf 45m in Scharfschützenmanier mit einem Kopfschuss ausgeschalten! Das war definitiv mein
persönlicher Präzisionsrekord bei der Jagd mit Pfeil und Bogen! Auch hatte ich vorher noch nie
ein Tier mit einer Übungsspitze erlegt.
Nachdem ich noch ein wenig auf Kaninchen gepirscht war und zwei davon auf je 41 und 36m
knapp verfehlte beendete ich meinen Jagdtag und kehrte in mein Hotel zurück. Die warme
Dusche und einen Hierbero hatte ich mir an diesem Tag mehr als redlich verdient. Ich schätze die
an diesem Tag gemachten Höhenmeter17 auf etwa 800.
Endlich Erfolg! Aber wie?
Leise, jedes Geräusch vermeidend, vorsichtig Fuß vor Fuß setzend, schlichen Cristobal und ich
einen steinigen Hang hinauf. Wir hielten uns knapp unter dem Kamm des schräg verlaufenden
Rückens um die Herde Arrui, die auf der anderen Hangseite unter uns im Lee eines ¨ piñes¨, eines
Felsabbruches Schutz gesucht hatten, nicht zu alarmieren. Cristobal, der wie immer im
affenartigen Tempo, scheinbar schwerelos zwischen den Felsbrocken durch manövrierte, hielt kurz
an um mit mir die Angriffstaktik zu besprechen und mir etwas Zeit zu geben wieder zu Atem zu
kommen. Die Tiere waren von Jasinto, einem stillen, bescheidenem Wildhüter entdeckt worden
und dieser hatte uns die Position per Funk durchgegeben. So hatten wir die Möglichkeit mit dem
Wagen auf einen höherliegenden Gipfel zu fahren und unseren Überfall von oben herab zu
starten. Die Tiere in der Gegend waren, aufgrund des Jagddrucks in der letzten Woche der
Jagdsaison, nun in permanenter Alarmbereitschaft. Es war nun mehr eine Sache von sehr viel
Glück und unglaublicher Kondition, gepaart mit jahrelanger Erfahrung der Jagd auf diese Spezies
in den Bergen um auf Bogendistanz an diese edlen Tiere heranzukommen. Einen sauberen Schuss
zu setzen war beinahe ausgeschlossen da der Wind oft in Orkanstärke über die Hänge brüllte.
Den Bogen sicher ins Ziel zu halten war nicht möglich und der abgeschossene Pfeil würde nach
wenigen Metern völlig aus der Flugbahn getrieben werden.
So eine Herde hat sehr viele, extrem leistungsfähige Augen. Aus diesen Gründen und dem
Umstand, dass die Jagdsaison für diese Spezies am folgenden Tage zu Ende gehen würde, hatte
ich mich entschieden diesen Tag mit dem Gewehr zu jagen. Cristobal hat mir seine Waffe
überlassen. Ein System K98 mit einem Voere-Lauf aus Österreich! Dazu ein variables Zielfernrohr
mir unbekannter Produktion. Cristobal ließ es sich nicht nehmen den Patronengurt aus Leder, in
dem in bester Cowboymanier die Patronen einzeln eingeschoben waren, selbst zu tragen.
Eigentlich wollte ich zumindest einen Übungsschuss aus der Waffe abgeben, diesen guten Vorsatz
17 gezählt nur in eine Richtung, nämlich nach oben!
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 18
entkräftete der dem Jagdfieber anheim gefallene Cristobal mit den Worten „el rifle tira bien, no te
preocupes!“18
Wir berieten nun den letzten Zug an die nächste Geländekante, die noch gute 100m von uns
entfernt war. Wir mussten dabei noch auf einem Hang hinunterqueren um auf der
gegenüberliegenden Seite direkt an der Kante Stellung zu nehmen. Cristobal riet mir die Waffe
gleich hier zu entsichern da er befürchtete die Tiere könnten das Klicken der Sicherung
wahrnehmen. Widerwillig folgte ich seinem Rat und weiter ging es. Plötzlich wurde Cristobal sehr
nervös und begann, wild gestikulierend, auf den Gegenhang zuzulaufen. Ich versuchte ihm zu
folgen und kam dabei deutlich in die anaerobe Phase. Mein Jagdführer hatte sich bereits bei
einem Felsvorsprung niedergelassen und winkte mir aufgeregt zu ohne seinen Blick vom
Gegenhang zu lassen. Dort angekommen brachte ich mich in Stellung und sah durch das
Zielfernrohr acht Stück ihren Weg den extrem steilen, schuttbedeckten Hang nach oben bahnen.
Die Entfernung betrug irgendwo zwischen 180 und 220m. Genau konnte ich das nicht sagen und
ich hatte auch keine Zeit mit dem Entfernungsmesser meine Schätzung zu bestätigen Die Tiere
hatten uns bemerkt und versuchten so schnell wie irgend möglich den ungeschützten Gegenhang
zu verlassen. Ich stützte meinen linken Ellbogen auf einem Felsen, kauerte mich auf dem
abfallenden, losen Untergrund so gut wie möglich hinter die Waffe und nahm eines der stärkeren
Tiere ins Visier. Just in dem Moment, in dem ich den Abzug durchzog, fuhr eine Windböe in
meine Seite und drückte meinen Arm mit der aufgelegten Waffen nach rechts. Der Schuss ging
etwa einen halben Meter neben das
Tier. Eine Staubwolke zeugte von
meinem Unvermögen. Eine Mischung
aus Wut, Scham und Verzweiflung
durchflutete meinen Kopf und die
Arme wurden mir schwach. Schnell
repetierte ich die leere Patronenhülse
aus der Kammer und schob mit dem
Verschluss eine neue hinein. Cristobal
flehte mich an die Waffe auf den
Felsen aufzulegen aber es war aber
keine Zeit meine Schussposition zu
ändern. So nahm ich nun das letzte
Tier der Herde ins Visier und drückte, bevor es den anderen über die Geländekante folgen konnte,
ab. Hinter dem Tier stob abermals eine Staubwolke auf. Dieses zeichnete19 in keiner Weise und
entschwand über die Kante des Gegenhanges. Beschämt und verärgert repetierte ich die nächste
18 „Das Gewehr schießt gut, mach dir keine Sorgen!“ 19 Damit wird in der Jägersprache die Reaktion des Wildes bei Beschuss beschrieben
Abbildung 13: Mein Mähnenschaf
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 19
Patrone ins Lager und sicherte die Waffe. Cristobal war schon aufgesprungen und rannte der
Kante entlang in die Richtung, in die unsere Beute verschwunden war. Mich selbst geißelnd raffte
ich mich auf und folgte ihm. Etwa 150m weiter hatte er sich an einer Felskannte hingekauert und
winkte mich aufgeregt zu ihm hin. Völlig außer Atem kam ich bei ihm an und erblickte ein gutes
Stück auf einem langgezogenen, mit Sträuchern und losen Felsbrocken durchsetztem und nicht
sehr steilem Hang verhoffend20. Das Tier stand in perfekter Position direkt vor einem mannshohen
Felsbrocken und äugte zu uns zurück. Ich suchte nach einer guten Schussposition, fand auch die
Möglichkeit das Gewehr auf einem Felsen aufzulegen, brachte meinen Atem unter Kontrolle und
erfasste meinen Haltepunkt durch das 4-fache Zielfernrohr. Cristobal wies mich noch an etwas
höher anzuhalten da er die Entfernung auf 170m schätzte. Ich zog in voller Konzentration durch.
Alles was mir die Waffe für meine meisterhafte
Bedienung gab war ein verächtliches Klicken. Ich
konnte es nicht glauben! Vorsichtig öffnete ich,
ohne eine Sicherheitszeit zu beachten, die Kammer
gerade so weit, dass die Patrone nicht ausgeworfen
wurde. Das Projektil steckte in der Hülse. Die
Patrone schien in Ordnung zu sein. Ich wollte keine
Zeit verlieren und durch das Klingeln der am Boden
aufschlagenden Patrone das Tier nicht aufschrecken.
So lud ich sie noch einmal leise in die Kammer und
wiederholte meine Schussvorbereitung. Das
Mähnenschaf hatte seine Position nicht verändert
und blickte immer noch zu uns herüber. Zu diesem
Zeitpunkt versuchte ich nicht zu ergründen warum
sich das Tier nicht in Sicherheit brachte. Ich war nur
dankbar dass sich nun doch noch eine Möglichkeit
für mich ergab nicht ganz als ausländischer Vollidiot
mit großer Klappe dazustehen. Hatte ich doch damit geprahlt mit dem Gewehr, durch meine
Ausbildung zum Scharfschützenlehrer beim österreichischen Bundesheer, mindestens so firm in
Punkto Bedienung und Treffsicherheit sei wie mit dem Bogen. Während mir diese Gedanken
durch den Kopf schossen kontrollierte ich wie im Trance meinen Atem, beachtete die Verkantung
des Zielfernrohres, zielte hoch etwas über das Blatt 21 und konzentrierte mich darauf den
Zeigefinger der rechten Hand kontinuierlich und bestimmt nach hinten zu ziehen.
20 Bezeichnung für das Stehenbleiben eines ziehenden oder äsenden Wildes um verdächtige Bewegungen oder Geräusche
in der Umgebung zu orten 21 Teil am Wildkörper in der Region der Schulter auf den der Jäger zielt um die vitale Zone zu treffen.
Abbildung 14: Cristobal beim Bergen des Arrui
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 20
Der Schuss brach mit donnerndem Hall. Das Mähnenschaf brach im selben Moment zusammen
und blieb ohne eine weitere Bewegung am Fuß des Felsens liegen. Ich konnte meine Erleichterung
nicht unterdrücken und umarmte Cristobal dessen Gesicht durch das breiteste Grinsen, das ich je
bei ihm gesehen habe, in zwei Hälften geteilt war. Wir blieben noch fünf Minuten in unserer
Position und ich hatte Gelegenheit die Entfernung zu messen. Genau 123m auf einer Höhe von
865m über dem Meer. Nun machten wir uns auf den Weg zu meiner Beute. Das Stück war ein
kapitales Weibchen und sie hatte je zwei
Einschuss- und zwei Ausschusslöcher! Der erste
Schuss war von schräg unten in der linken
Flanke eingetreten und hatte auf der Gegenseite,
etwas höher, einen Teil des kleinen Gescheides22
nach außen gedrängt. Dieses stammte von
meinem insgesamt zweiten abgegebenen Schuss
auf das letzte Tier der Herde. Der andere Schuss
war auf der rechten Seite knapp über dem Blatt
eingedrungen und auf der gegenüberliegenden
Seite genau aus dem Blatt ausgetreten. Exakt der
Punkt, den ich anvisiert hatte da ich meinte das
Projektil würde aufgrund der falsch geschätzten
Entfernung noch weiter fallen. Beide Projektile,
Teilmantelgeschosse, haben äußerlich kaum
einen Schaden hinterlassen. Kein Knochen war
getroffen worden und die vier Löcher waren
nicht größer als der Durchmesser eines kleinen
Fingers, eben genau 8mm. Überglücklich
begannen wir nun zu fachsimpeln, welcher
Schuss wann wie und wodurch beeinflusst,
wohin gegangen war. Im Grunde sind alle Jäger
echte Wissenschaftler oder Kriminologen, die
jedes jagdliche Erlebnis bis in Detail sezieren.
Cristobal erzählte mir nun auch das Jasinto ihn
über Funk verständigt hatte, weil die Tiere einen von uns bei der Annäherung gesehen haben
mussten. Das Leittier war plötzlich nervös hochgeworden, nachdem es angestrengt in unsere
Richtung gesichert hatte. Es ist absolut faszinierend mit welch scharfen Sinnen, ich bin beinahe
versucht zu sagen Vorahnungen, Wildtiere ausgestattet sind.
22 In der Jägersprache der Verdauungstrakt ohne Magen, der als großes Gescheide bezeichnet wird.
Abbildung 15: Erschöpft, erlöst und glücklich!
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 21
Schnell ein paar Fotos gemacht und ich begann das Tier auszuweiden. Nach getaner Arbeit
schleppten wir das Schaf den Berghang hinab.
Wir schleiften den schwere Boviden 23 an den
Hörnern über Felsen und Büsche. Diese
respektlose Behandlung, genauso wie der
Umstand dass es kein richtiges Schaf war, störte
diese Kreatur nun nicht mehr im Geringsten.
Nachdem wir es auf diese Weise nicht mehr als
300m weit gebracht hatten entschieden wir uns
es an Ort und Stelle zu zerteilen und nur die
Keulen und Blätter 24 sowie die besten
Fleischstücke und das Haupt mit der Trophäe ins
Tal zu tragen. Wir riefen Salva und Jasinto, die
mit einem Rucksack und Plastiksäcken zu uns
aufstiegen. Salva hatte auch seinen jungen
Schweißhund mitgebracht und ließ ihn auf der
Schleiffährte vom Anschuss bis zum toten Körper
der Kreatur suchen. Der kleine Jagdhund war
ganz aus dem Häuschen als er das Tier erreichte.
Nach ein paar weiteren Fotos zerteilten wir den
Körper und lösten die brauchbaren Stücke aus,
verpackten sie in die mitgebrachten Säcke und
machten uns auf den steinigen Weg ins Tal. Dort
angekommen wurde sofort das Maß der
Hornlänge genommen. Salva war ganz aufgeregt
und Cristobal klopfte mir wieder anerkennend
auf die Schulter. Mit 49cm war es dass größte weibliche Stück, dass in den letzten 20 Jahren in
diesem Gebiet erlegt wurde. So manches Männchen kommt nicht auf diese Maße!
Bei einem typischen Mittagessen in einem kleinen Dorf wurde nun der Jagderfolg gefeiert und ich
freute mich auf den folgenden Tag, an dem ich frei hatte um mit meiner Frau eine
Erkundungsfahrt in die Region zu machen.
23 Bovidae sind Hornträger oder Rinderartige aus der Familie der wiederkäuenden Paarhufer. Zu dieser gehören neben
den Schafen und Ziegen auch die Rinder und Antilopen. Im Gegensatz zu den Cerviden werfen die Vertreter dieser Familie
ihre Hörner (bei den Cerviden sind es Geweihe aus Knochenmasse) nicht im Jahreszyklus ab. 24 Hintere und vordere Beine mit Schultern
Abbildung 16: Abtransport des zerlegten Tieres ins Tal
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 22
Show Down mit Macky Messer
¨Heute ist Schweinetag!¨ So, oder ähnlich, begrüßte ich diesen Morgen. Für den heutigen Sonntag
war der übliche „montero“ mit Hunden auf Wildschweine angesagt. Wie schon gewohnt traf ich
mich mit etwa 25 anderen Jägern in einem Gasthaus in ¨Muro¨. So wird Muro de Alcoi kurz
gerufen. Alles hier wird aus praktischen Gründen möglichst abgekürzt. Bei einem deftigen
Frühstück wurde die Aufstellung der Jäger besprochen. Die Älteren bekamen die Möglichkeit
weiter unten am Berg, natürlich war es wieder ein Berg, Aufstellung zu nehmen und die Jüngeren
bekamen ihre Positionen per Los zugeteilt. Cristobal hatte mich eingeladen mit ihm und den
Hunden zu gehen. Bei unseren Gebirgsjagden auf Arrui in den Tagen davor meinte er das ich die
Kondition und Schnelligkeit hätte mit den Hunden zu
gehen. Ich willigte ein ohne zu wissen was ¨mit den
Hunden gehen¨ überhaupt bedeutet. Kurz vor Beginn
meinte Cristobal noch das ich besser meinen Bogen
im Auto lassen sollte da er mich sicher nur stören
würde. Völlig verdattert willigte ich ein und war dann
ganz schweigsam als mir Cristobal einen Saufänger,
selbst aus LKW Blattfedern und Hirschhorn gefertigt,
stolz überreichte. Seine Frau, die ebenfalls mit
gekommen war, meinte nur ich sollte auf meine
Beine und alles was dazwischen hängt aufpassen da
die Schweine genau in dieser Gegend mit Ihren
Waffen fuhrwerken wenn sie gehetzt oder in die
Enge getrieben werden. Wir beide stellten uns in
diesem Moment detailreich die gleich Szene vor aber
ihr lustvolles Lächeln war absolut konträr zu meinem
gequältem! Der sicher ernst gemeinte Rat mich
einem, von den Hunden fixiertem Schwein nur von
hinten zu nähern und mich rittlings auf dieses zu setzen wenn ich den tödlichen Stoß mit dem
Saufänger anbringen sollte, machte mich dann endgültig zum schweigsamen Mönch. Rund um
mich strahlten mich die Jagdkollegen an und nickten mir aufmunternd zu.
Ich folgte also in meinem kleinen Skoda Cristobals Isuzu und einem weiteren Zugfahrzeug die
jeweils einen grün gestrichenen Anhänger mit der Aufschrift ¨animales vivos¨ hinter sich herzogen,
vom Gasthaus zum Jagdgebiet. Am Fuße eines einzelnstehenden, mit Sträuchern bewachsenen
und stark zerklüfteten Berges hielten wir an und die Hundemeute wurde aus den Anhängern
gelassen. Die meisten der Hunde sind weiß oder zumindest sehr hell. Die Größe variiert zwischen
einem Cockerspaniel und einem großen Labrador. Cristobal setzte sich also an der Spitze und mit
Abbildung 17: Cristobal mit den Hunden
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 23
lauten Pfiffen und Schreien setzte er sich in Bewegung. Die Hundemeute folgte ihm aufgeregt. Ich
schnappte mir einen zufällig daliegenden Bambusstock als Gehhilfe und eilte hinter der Meute
den Berg hinan. Natürlich gab es auch dort keine Wege. Meine ganze Ausrüstung, allem voran
meine sündhaft teuren Stiefel der Marke Adidas, die für Sondereinsatzkräfte der Polizei und von
Antiterroreinheiten konzipiert wurden, hatten in diesem gnadenlosen Gelände sehr gelitten. Teile
der Sohle hatten sich bereits abgelöst und ich hegte die Sorge nur mehr mit Fetzen an den Füßen
wieder im Tal anzukommen. Eigentlich wollte ich die Stiefel der Sondereinsatzkräfte nutzen um
mich möglichst lautlos an meine Beutetiere heranzuschleichen. Um einer möglichen
Aufschlagszahlung wegen Übergepäck beim Fliegen zu entgehen ließ ich meine geliebten
Bergschuhe, die zwar sehr robust aber wegen der steifen Vibramsohle auch sehr laut sind, zu
Hause. Aufgrund des enormen Tempos waren diese Gedanken aber sehr schnell verflogen, meine
gesamte Aufmerksamkeit richtete sich nun darauf einerseits halbwegs unverletzt durch die
scharfkantigen Steinböden mit dem üblichen, stacheligen Bewuchs voranzukommen und
anderseits den Anschluss an die Meute nicht zu verlieren. Immer wieder machten wir kurze
Beobachtungshalte von nicht mehr als 20 Sekunden. Unterhalb des Gipfelgrates und entlang von
steilen Felsabbrüchen weit über uns waren die Jäger aufgereiht, die ich in ihren Signalwesten als
kleine Punkte ausmachen konnte. Wir waren gegen 11 Uhr gestartet. Nachdem wir mehrere
Stunden die Berghänge rauf und runter gestolpert waren bekamen die Hunde nun gegen 14 Uhr
etwas in den Wind. Wir befanden uns auf einer sogenannten „senda“, einem Wildsteig der entlang
einer schmalen Stufe am Berg verlief. Zu unserer Linken befand sich dichtes, mannshohes,
undurchdringliches Dickicht und zu unserer Rechten war eine Felsstufe die ein wenig mehr als drei
Meter abfiel um dann ebenfalls wieder im stacheligen Unterholz zu verschwinden. Ungefähr 50m
vor uns befand sich eine Kuppe mit einer darauffolgenden Senke, die wir von unserem
Standpunkt aus nicht einsehen konnten. Ich lauschte angespannt dem ¨Geläut der Meute.25¨. Es
entfernte sich von uns und kam plötzlich wieder auf uns zu. Ich bemerkte die Hundemeute über
die Kuppe vor uns direkt auf uns zukommen. In Bruchteilen von Sekunden begann mein Körper
Adrenalin in meine Adern zu pumpen. Meinem Mund entfuhr ein heiseres ¨ vienen por aqua!¨
¨Sie kommen hierher¨. Vor uns stand, mitten auf dem schmalen, maximal einen Meter breiten
Steig, ein winzig kleines Bäumchen dessen Stamm nicht mehr als 5cm im Durchmesser an seiner
dicksten Stelle maß. Wir drapierten uns dahinter wobei Cristobal rechts von mir seine ¨garotte¨,
den Wanderstock mit dickem Knauf in Schlagstellung brachte und ich den gut 40cm langen
Saufänger in die linke Hand nahm. In angespannter Stellung erwarteten wir was uns die Hunde
zutrieben. Wir hatten noch nicht gesehen welches Tier und wie groß es war, jedenfalls wurde es
von gut und gerne 15 Hunden verfolgt. Plötzlich tauchte, keine 10m vor uns, ein kleines Schwein
aus der Senke auf und raste im sprichwörtlichen Schweinsgalopp auf uns zu. Mein Blick verengte
sich, ich nahm um mich herum nichts mehr wahr und fokussierte nur noch das Schwein. Mit
einem Höllentempo jagte der Halbwüchsige nun direkt auf uns beide zu. Die Hunde waren dem
25 der winselnde Belllaut den ausgebildete Jagdhunde abgeben wenn sie auf Sicht hinter einer Beute herjagen.
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 24
Tier eng auf den Fersen. Im letzten Moment schwenkte der ¨guarro26¨ nach rechts und versuchte
so an meiner linken Seite vorbeizukommen. Ich stieß meinen Saufänger nach vorne und spürte
den Widerstand des Fleisches. Das Schwein wurde etwas von seiner Bahn abgedrängt. Durch den
Schwung wurde mir der Saufänger beinahe aus der Hand gerissen und da war der Schwarzkittel
auch schon an mir vorbeigeprescht. Nun hetzten die Hunde links und rechts an uns vorbei. Ich
blickte auf das Blatt meiner Stichwaffe und bemerkte frisches Blut. Die Blankwaffe war, von der
Spitze an, etwa 10cm mit Schweiß27
bedeckt. Wir wirbelten beide herum
und sahen wie die Hunde das
stolpernde Schwein in einer Dickung,
knapp hinter uns, zu Fall brachten
und nun im Kreis an ihm zerrten. Ich
eilte die 20m zu dem Ort, schob die
Hunde vorsichtig zur Seite und
beendete das Leiden des Tieres mit
einem beherzten Stich in die
Kammer 28 . Völlig aufgeregt und
zitternd brauchte ich eine Minute um
mich wieder zu sammeln. Cristobal
kam um mich zu beglückwünschen. Er
klopfte mir anerkennend auf die Schulter und zündete sich eine Zigarette an.
Weiter ging es, die unwirtlichen und schroffen Hänge entlang, unter dornigem Gestrüpp hindurch.
Etwa 20 Wildschweine entkamen durch einen engen ¨barranko¨, eine Schlucht nach oben hin und
zwei wurden angeschweißt, waren aber ebenfalls nicht mehr aufzufinden. Gegen drei Uhr
nachmittags versammelten wir uns alle bei den Fahrzeugen. Ich war erschöpft, schweißgebadet
und voller Kratzer auf Händen und Armen; aber glücklich! Als Einziger hatte ich eine Beute
vorzuweisen, und auf welch spektakuläre Art und Weise!
26 Eigentlich die Bezeichnung für ein Hausschwein, in der Region wird damit aber auch das Wildschwein, das eigentlich
Jabalí heißt, benannt. Natürlich ist es, wie international üblich auch die Bezeichnung für einen Dreckfinken, eine
schmuddelige Person. 27 Mit Schweiß bezeichnet der Jäger das Blut der von ihm bejagten Wildtiere 28 Jagdliche Bezeichnung des Brustraumes, der die vitalen Organe wie Herz, Lunge und Leber beinhaltet.
Abbildung 18: Wildschwein mit Saufänger
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 25
Zu starker Wind für die Sau
Montag, Für diesen Tag hatten wir uns mit Cristobal zu einer Führung in der ¨finca¨, einem
Anwesen in den Bergen von Penágila, verabredet. Nach etwa 20 Minuten Fahrzeit trafen meine
Frau und ich sowie Cristobal am Steuer vor dem riesigen, massiven Eisentor an. Per Zahlencode
kam das schwere Tor, das mich stark
an Jurrasic Park erinnerte, in
Bewegung und gab uns den Weg in
das Innere frei. Das Anwesen hat ein
Ausmaß von 1060ha auf dem es
unterteilte Bereiche für Hochwild und
Niederwild gibt. Weiters mehrere
künstlich angelegte Seen und Teiche
für Enten. Durch ein ausgeklügeltes
System mit Zäunen, Korridoren,
Gitterrosten und Toren mit
herabhängenden Gummistreifen kann
man bequem die gesamte Ranch
befahren ohne einmal aus dem
Wagen steigen zu müssen um ein Tor
zu öffnen. Den in der Ranch gefangenen Tieren sind so aber die anderen Sektoren verwehrt. Bei
Bedarf wird die erforderliche Anzahl der tierischen Bewohner der Finca durch diese Korridore dem
zahlenden Jagdgast vor die Flinte oder Büchse getrieben und so ein Jagderfolg auf kapitales Wild
sehr wahrscheinlich gemacht.
Erst fuhren wir zum Herrenhaus, das
im Herzen des Anwesens gelegen ist.
Jede Menge Wild zeigte sich uns auf
dem Weg dorthin. Natürlich darf auf
so einem Anwesen ein Reitstall nicht
fehlen. Das Gebäude ist absolut
beeindruckend und so wie alles auf
dem Anwesen erst vor kurzem neu
renoviert worden. Weiter ging es ans
andere Ende des Areals zum Jagdhaus,
einem sehr geschmackvoll renovierten
Langhaus mit Kaminsaal und Trophäen.
Das Gebäude ist äußerst
Abbildung 20: Trophäensaal des Jagdhauses
Abbildung 19: Das Jagdhaus
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 26
geschmackvoll, mit alten, originalen Teilen, restauriert und bietet eine sensationelle Umgebung für
jagdliche Veranstaltungen. Laut Cristobal hat dem begüterten Besitzer der finca der Kauf um die
20 Millionen Euro und die Restauration nochmals den gleichen Betrag gekostet. Auch ohne die
Bücher zu prüfen glaubte ich ihm diese unglaubliche Summe im Anblick dieser Superlativen. Ich
beschloss dafür den Eigner aus tief empfundenen Mitleid in eines meiner Abendgebete mit
einzuschließen. Wir waren völlig beeindruckt von diesem sensationellen Anwesen, das sich über
mehrere Täler und Bergrücken in einer wirklich filmreifen Umgebung erstreckt. Nachdem wir einen
weiteren, kleinen Teil des Besitzes abgefahren hatten und noch so einiges an Wild beobachten
konnten, fuhren wir gegen Mittag wieder beim großen Eingangstor hinaus um uns in der
nächstgelegenen Dorfschenke einen ¨bocadillo¨ zu gönnen.
Pünktlich wie ein Uhrmacher holte mich Salva um 15:30 Uhr aus unserem Häuschen ab um mit
mir einen Abendansitz in seinem ¨coto29¨ in der Gegend zwischen Benimarful und Planes zu
machen. An eisernen Absperrtoren vorbei ging es nun einen Schotterweg steil hinauf auf einen
Bergrücken, von dem aus wir eine beinahe schon kitschige Aussicht auf das darunterliegende Tal
mit Sonnenuntergang hatten. Salva wies mich in den Treestand 30 ein, auf dem ich dann
dreieinhalb Stunden ansaß. An diesem Stand kann man sehr gut erkennen welch ein ausgebuffter
Profi Salva ist. Es passte einfach alles perfekt. Der Stand hat Deckung wo er sie braucht und
Schussfeld wo es nötig ist. Der Mond ist im Rücken und man muss nicht über den Kirrplatz an
den Stand herantreten. Es ist möglich über viele Steine an diesen ¨heranzuschweben¨ um so
wenig wie möglich Duftmarken zu hinterlassen. Trotz der kurzen Schussdistanz von nur 10m ist
man trotzdem gut gedeckt. Es gibt mehrere Wildwechsel zur Kirrstelle in der Baumgruppe, in der
sich das Wild durch genügend Deckung auch sicher fühlt. Leider zeigte sich auch die
Prophezeiung von Salva als richtig, das Wild bei den vorherrschenden Windverhältnissen nicht
kommen würde. Seiner Erfahrung nach nähert sich das Wild bei starkem Wind nicht an da es
immer erst eine komplette Runde um den Futterplatz macht und so den ansitzenden Jäger
mindestens einmal in den Wind bekommt. Von Wind zu sprechen war übrigens etwas
untertrieben, Es peitschten wieder starke Böen über die ¨Sierra¨ und schüttelten mich ordentlich
auf meinem verknorpelten Baum durch. Der kalte, schneidende Wind bei diesmal nicht mehr als
sechs Grad Celsius machte mir den Aufenthalt auf dem Baum nicht besonders angenehm. Nach
unverrichteten Dingen fuhren wir dann gegen 20:30 Uhr in dunkler Nacht wieder gegen Benilloba.
29 Spanisch: Das Jagdrevier 30 Eine, meist nur temporäre, Jagdeinrichtung in Form eines spartanischen Sitzes am Stamm eines Baumes in einer Höhe
von fünf bis zehn Metern
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 27
Wenn das Schaf nicht will dann eben mit meiner Frau!
Wieder ging es, wie schon einige Male vorher, in die Gegend von Beniaia. Bei Anbruch des
Morgens gelangte ich mit Jasinto, dem naturverbundenen ¨ Indianer¨ dort an. Der schweigsame
etwa Mitfünfziger mit grauem Haar bekam diesen Namen wegen seiner Detailverliebtheit bei der
Spurensuche. Er konnte niemals widerstehen gefundene Kotklümpchen, die Losung, zwischen
Zeigefinger und Daumen genüsslich zu zerrollen um auf diese Weise das Alter des Kots zu
bestimmen. Manchmal, wenn er sich unbeobachtet fühlte, streifte er die zerquetschte Masse dann
auf seinen Ärmel um, wie er sagte, eine perfekte Geruchstarnung zu haben. Ich hege aber den
Verdacht dass er einfach großen
Gefallen am Duft der kleinen
Kotbohnen hat. So stiegen wir also
auf seinen bevorzugten Aussichtsberg
und glasten 31 die Umgebung
sorgfältig in Rastern ab. Weit oben,
am Ende eines Tales, knapp unter
einem Kamm, entdeckten wir vier
Mufflons, diese zu erreichen war uns
aber zu anstrengend da die Gehzeit
dorthin mindestens zwei Stunden
betragen hätte und wir nicht sicher
sein konnten dass die Tiere dann
immer noch auf dem Standort wären.
Außerdem sahen wir keine
vernünftige Möglichkeit uns in dem völlig offenen, mit losem Geröll bedeckten Gelände, an die
Tiere heranzukommen. So durchsuchten wir, von den Rändern herab, die Schluchten des Gebietes.
Leider ohne den gewünschten Erfolg.
Ich packte also die Gelegenheit beim Schopf in unser schönes Miethaus nach Benilloba
zurückzukehren um mit meiner Frau eine touristische Fahrt nach Alicante zu machen.
Alicante oder Alacant, wie es in der Landessprache Valencian genannt wird, ist eine Stadt mit etwa
350.000 Einwohnern. An der Costa Blanca gelegen ist dieser historische, früher stark umkämpfte
Ort, klimatisch sehr begünstigt. Wir ersparten uns, nachdem wir die ¨wienerische Fahrweise¨ der
Einheimischen schonungslos erfahren hatten, eine Besichtigung mit dem Auto und suchten uns
ehest möglich einen Parkplatz. Zu Fuß erreichten wir den Lift der uns in Windeseile auf 100m über
den Meeresspiegel, in das Herz der Festungsanlage Santa Barbara katapultierte. Eine
31 Das Absuchen des Jagdgebietes mit einem Fernglas, auch Feldstecher oder Binokular genannt.
Abbildung 21: Jasinto, der stille Indianer
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 28
atemberaubende Aussicht über die
ganze Stadt, das Umland, den Hafen
mit seinen Yachten und die weißen
Badestrände bei völliger Ruhe, es
waren kaum Touristen anwesend,
entschädigte uns für die
durchgestandenen Ängste im
selbstmörderischen Verkehr. Wir
ließen unsere Seelen baumeln. Nach
mehren Stunden trabten wir, ständig
die fremde, exotische Umgebung mit
den Augen verzehrend, in die Stadt
hinunter zu unserem Vehikel mit
tschechischem Ursprung, das die
Geschichte des Automobils wesentlich mit bestimmt hatte. Wir fuhren dann nach Alcoi um
Einkäufe in einem ¨Centro Comercial¨32 zu erledigen.
Ausgetrickst, von Schafen!
Ziemlich erschlagen und mit schweren Gliedern fand ich mich gegen halbsieben Uhr morgens vor
der Ponderosa ein um Jasinto für den morgendlichen Pirschgang zu treffen. Ohne
lebensrettenden Kaffee, die Bar
öffnete an diesem Tag später,
schleppte ich mich bei starkem Wind
eine halbe Stunde später auf unseren
Aussichtsberg um die Bewegungen
des Wildes an diesem Morgen
auszuspähen. Nichts! Auch unser
kräftezehrender Pirschgang am Fuße
des Canyons brachte kein anderes
Ergebnis. Völlig kaputt schleppte ich
mich zum Wagen hoch. Jasinto wollte
aber noch nicht aufgeben und den
Canyon von einer anderen, erhöhten
Position weiter oben nochmals
überblicken. Ich ließ mich
32 International eher als „Shopping Center“ bekannt.
Abbildung 22: Der Hafen von Alicante von der Burg aus gesehen
Abbildung 23: Blick von unserem Aussichtsberg in den Canyon
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 29
breitschlagen und wenige Minuten darauf rumpelten wir im Land Rover auf die erhöhte Stelle. Ich
übte mich im ¨powernapping33¨ während Jasinto die Gegend ausspähte. Gerade als ich in meinen
Träumen auf Schaumwolken durch die Prärie ritt rüttelte Jasinto aufgeregt an der Wagentür. Er
hatte die Herde der Mufflons ausgemacht! Ich folgte ihm, tief geduckt, an die Vorderseite des
höchsten Hanges. Auf 400m
Entfernung, tief unter uns im Canyon,
just dort wo wir noch vor einer
Stunde unseren Rundgang gemacht
hatten, grasten friedlich vier weibliche
Tiere mit einem Jungen. Nachdem wir
über eine halbe Stunde die
Möglichkeiten zur Annäherung
ausgeglast hatten begannen wir mit
dem Rückzug vom Vorderhang um
über links, verdeckt durch einen
Kamm, den Abstieg zu beginnen.
Äußerst vorsichtig näherten wir uns
dem kleinen Wäldchen von hinten,
den Wind im Gesicht, in dem wir die
Tiere noch vor unserem Abstieg gesehen hatten. Kein Lebenszeichen! Wir bewegten uns völlig
lautlos, einen Fuß vorsichtig vor den anderen setzend, auf das kleine Wäldchen am Grund des
Canyons an um enttäuscht festzustellen, dass sich die Tiere bereits sprichwörtlich ¨über alle
Berge¨ gemacht hatten. Verflucht! Da stand ich nun vor dem steilen, zerklüfteten Hang und
blickte hinauf wo 150 Höhenmeter über mir unser Wagen wartete. Die schlauen Tiere mussten
uns bemerkt haben als wir uns eine Stunde davor vom Vorderhang unserer Beobachtungsstellung
zurückgezogen hatten und waren wahrscheinlich in die Gegenrichtung entwichen. Völlig erledigt
erreichten wir also eine Ewigkeit später den Wagen. Ich fiel sogleich in einen kurzen, oft
unterbrochenen Schlaf auf dem Beifahrersitz, den ich dann vor dem Kamin in unserem Haus
fortsetzte.
Am Abend raffte ich mich auf in den Olivenhain hinter dem Dorf Benilloba zu gehen um noch ein
wenig der ¨Sau¨ zu passen. Das Unterfangen gab ich aber nach Einbruch der Dunkelheit wegen
starken Windes auf.
33 Im modernen Leben vor allem in den USA und Japan etablierter Form des Kurzschlafes außerhalb der eigenen vier
Wände um Kraft für die Herausforderungen des Arbeitslebens zu tanken.
Abbildung 24: und nun umgekehrt; Blick vom Canyon auf unseren
Aussichtsberg
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 30
Wettbewerb im Stinken
¨Same time, same station!¨ Wieder fanden wir uns auf der Spitze unseres Beobachtungsberges,
diesmal aber sehr zuversichtlich. Der starke, tosende und schneidende Wind war einem lauen
Lüftchen gewichen und die Temperaturen waren bereits sehr angenehm. In mir war ich ziemlich
sicher heute Jagdglück zu haben. Gleich nach Ankunft auf dem Berggipfel machte Jasinto die
kleine Herde der weiblichen Tiere 300m Luftlinie und 100m unter unserer Höhenschichtlinie auf
dem Gegenhang des Canyons mit seinen teilweise senkrecht abfallenden Schluchten aus. Wir
warteten bis sie sich niedergetan hatten. Jasinto blieb, verdeckt durch einen vom Wind arg
gebeutelten Busch auf der Bergkuppe zurück während ich mich über den Rückhang in
Gegenrichtung zu einer Stelle am Canyon bewegte, an der ein Abstieg möglich war. Es ist schon
ein ziemlich anstrengender Balanceakt mit dem schweren Bogen in einer Hand, die andere im Fels
nach Griffen suchend, den Abstieg ohne Lärm zu bewerkstelligen. Jede Menge losen Gerölls,
spitze, scharfkantige Kalksteine und dornige, laut knackende Büsche versuchten das zu verhindern.
Schon bald ran mir der Schweiß in Strömen von der Stirn. Endlich, am Talgrund angekommen,
pirschte ich langsam den Verlauf des ¨lechos¨, dem Bachgrund aus Kies und Geröll, tief unten in
der Schlucht entlang bis zu dem vorher eingeprägten Punkt an dem ich am Gegenhang
hinaufsteigen musste um sichtgedeckt auf Höhe der Mufflons zu kommen. Von dort waren es
noch etwa 100m horizontal bis zum Ruheplatz der Tiere. Wie ein Indianer, jeden Schritt genau
abwägend und immer wieder das Vorfeld prüfend, stieg ich den steilen Hang nach oben. Ebenso
versuchte ich mit Jasinto auf der Bergspitze Sichtkontakt aufzunehmen, dieser sah mich aber
nicht. Auf der richtigen Höhe, mein Orientierungspunkt war ein zuvor ausgespähter Baum mit
schrägen Stamm, bewegte ich mich nun geduckt, alle Sinne aufs Äußerste geschärft, auf die noch
unsichtbaren Tiere zu. Nach nur wenigen Schritten erstarrte ich jedes Mal um mit meinen Blicken
die Gegend wie ein Radar zu scannen. Als ich mich etwa 20m nach vorne bewegt hatte bemerkte
ich auf dem Geröllfeld vor mir, das sich auf einem stark zu mir abgewinkelten Hang in meiner
Blickrichtung befand, das Leittier der Herde genau in meine Richtung sichernd. Das Tier wusste
wahrscheinlich nicht genau was sich dort, 80m vor ihm, auf die tierische Gemeinschaft zubewegte,
wollte das aber ziemlich sicher auch nicht bis ins letzte Detail wissen. Der Vertreter der
wiederkäuenden Wildschafe blieb dort stehen bis sich der Rest der kleinen Herde hinter ihm das
Geröllfeld hinauf aus dem Gefahrenbereich heraus gebracht hatte um dann, mir einen letzten,
schadenfrohen und mitleidigen Blick zuwerfend, behände ebenfalls den steilen Hang hinauf über
den Kamm meinem Blickfeld zu entschwinden. Mehr als eine Stunde schweißtreibender und
gefährlicher, mit akrobatischen Balanceakten gewürzter, Annäherung auf Art der Indianer umsonst!
Ich hatte in diesem Moment wieder einmal größte Hochachtung vor den Sinnesleistungen und
sicher auch der Intuition dieser schlauen Tiere. Mit einem Gewehr wäre ich höchstwahrscheinlich
jeden Tag mehrfach zum Erfolg gekommen, mit dem Bogen ist das aber in freier Wildbahn eine
ganz andere Sache! Auch wenn das die Jagdbehörden in Österreich nicht gerne hören. Ein
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 31
Funkgerät zur Verständigung zwischen einem Beobachtungsposten und dem Jäger, der das Wild
anpirscht, ist besonders bei der Bergjagd von unschätzbarem Wert. An diesem Tag hatten wir
leider keine dabei, meine Chancen die Herde erfolgreich anzupirschen wäre aber sicher um
einiges höher gewesen d Jasinto von seiner gedeckten Stellung auf der Bergkuppe die Herde die
ganze Zeit im Anblick hatte, mich aber scheinbar nicht sehen konnte und sich daher Sorgen
machte. Er stand auch einige male aus seiner Deckung auf um über die Felsklippen nach unten
nach mir zu sehen. Möglicherweise hat auch diese Bewegung zur Beunruhigung beigetragen.
Geistig war ich bereits wieder beim anstrengenden, höhenmeterintensiven Rückweg, winkte kurz
Jasinto und stolperte durch das Bachbett zurück in Richtung Traverse, auf der ich in den Canyon
gestiegen war. Ich versuchte die Stelle im Bachbett wieder zu finden, an der ich den zuvor beim
Pirschen gefundenen Schädel eines Arrui zurückgelassen hatte, meine Konzentration galt also
mehr dem Bachbett als meiner Umgebung über mir. Ich bin nicht sicher ob es einfach Zufall oder
eben jener oft beschworene sechste Sinn war, der mich nach hinten auf den Hang über mir
blicken ließ.
Dort stand auf einer
Schussentfernung von guten 40m ein
imposanter Arruiwidder mit langem,
wallenden, orangefarbenen
Vorschlaghaar und einer mächtigen
Auslage. Das stolze Berberschaf
betrachtete mich von oben herab.
Sicher hatte es mich schon über
geraumen Zeitraum beobachtet. Kurz
trafen sich unsere Blicke. Innerlich
wurde ich beinahe zerrissen da sich
das Tier wunderbar präsentierte, die
Saison nun aber vorbei war und ein
Abschuss dadurch illegal. Der
„Macho“ drehte sich um und
entschwand ohne große Eile meinem Blickfeld. Wahrscheinlich war er von der Schonzeit in
Kenntnis gesetzt worden. Ich stand noch eine Weile mit offenem Mund dort unten und ließ den
Anblick auf mich wirken. Dieses Bild habe ich jetzt, diese Zeilen schreibend, immer noch plastisch
vor mir und werde es wohl noch einige Zeit so in meinen Erinnerungen behalten.
Nach dem schweißtreibenden Aufstieg über die imposante Wand traf ich Jasinto beim Auto
wartend. Nun hatte ich wirklich keine Lust mehr und wir fuhren wieder nach Hause.
Abbildung 25: Sonnenuntergang im Regen von der Coto Salvas aus
gesehen
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 32
Am Abend traf ich mich mit Salva in Benimarful, einem weiteren dieser kleinen, sich auf
Berghängen oder Anhöhen schmiegenden, eng aneinander gebauten Dörfer um in seinem Coto
wieder auf Wildschwein anzusitzen. Auch dieser Abend war leider nicht von Erfolg gekrönt. Ein
Tier verhoffte einige Zeit außerhalb der kleinen Waldinsel, in der ich auf dem Treestand ansaß,
ging dann aber mit einem Blasen ab. Ich schreibe das dem Gestank zu, den ich zu diesem
Zeitpunkt unbestritten verströmt haben muss. Ich hatte die gleiche Kleidung wie bei der Pirsch,
die gleichen Lederschuhe und vor allem dasselbe Release an meinem Handgelenk. Den Duft des
letztgenannten konnte sogar ich intensiv in mein Riechorgan aufsteigen spüren. Zumindest diesen
Wettstreit hatte ich für mich entschieden. Das Tier konnte nicht gegen mich ¨ anstinken¨ und ich
war unbestritten der größte ¨guarro¨ am Platz. Ob ich darauf stolz sein kann muss ich aber erst
noch entscheiden! Bei zukünftigen Jagden werde ich streng zwischen der Kleidung für die
schweißtreibende Pirsch und der Kleidung für den Ansitz unterscheiden. Wahrscheinlich sind für
den Ansitz auch Gummistiefel zweckmäßiger als Lederschuhe, die sicher nach deren Besitzer
riechen. Beim Bogenjagdkurs hatte ich einen erfahrenen Jäger aus der Umgebung von Wien in
der Gruppe, der sicher das eine oder andere Stück auf unkonventionelle Weise zur Strecke
gebracht hatte. Dieser „alte“ Jäger riet mir meine Kleidung für den Ansitz drei Tage zuvor in einen
Plastiksack,.gemeinsam mit Erde und Blättern aus der Region, luftdicht zu verschließen und ich bin
mehr als geneigt nun diesem Rat zu folgen!
Abbildung 26: Selbstfotografie beim Ansitz am
Treestand
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 33
Faktor 10
Szenenwechsel. Ein kleines Bistro, verschneite Landschaft, kleines Dorf an einer Landstraße im
Nirgendwo. Vor dem schmucklosen Lokal stehen verschmutzte und schon etwas mitgenommene
Geländefahrzeuge. Etwa 15 Jäger beim Frühstück. Es wird gefeixt, die neu Eintreffenden werden
überschwänglich begrüßt und es wird bei einem herzhaften Frühstück über Ausrüstung und Jagd
gefachsimpelt. Das könnte sich ebenso irgendwo in Österreich so abspielen. Aber halt, nein, nicht
genau so. Unter den traditionellen Büchsenjägern befinden sich ebenso viele Bogenjäger in
Camokleidung und es gibt absolut keinen Klassendünkel. Beide Gruppen befinden sich auf der
gleichen Ebene, jeder akzeptiert den Anderen egal welches Jagdgerät er verwendet. Bis zu diesem
Zeitpunkt wird es wohl leider noch einige Jahre in meiner, an Traditionen so reichen Heimat
dauern!
Wir befanden uns kurz
vor der ¨Sierra de la
Madera¨, einem
wunderbaren,
naturbelassenem
Jagdgebiet mit mehren
tausend Hektar in der es
Zonen für Bogenjäger
und auch solche für
Büchsenjäger gibt. Ich
war absolut beeindruckt
von der Schönheit dieser
wunderbaren Landschaft
und mir blieb schier die
Spucke weg als ich mich,
ein paar Stunden später,
auf der Pirsch auf einem Hang in etwa 1400 Höhenmetern befand. Immer wieder schafft es unsere
liebe Mutter Erde mir diesen Zauber ins Herz und in die Lunge zu pflanzen wenn ich mich in einer
phantastischen Landschaft, wie eben dieser, bewege. Der Boden war übersäht mit Fährten und
Losungen verschiedenster Wildtiere, allen voran Schalenwild der Gattung ¨gamo¨, dem Dammwild,
und ¨ciervo¨ dem Rotwild. Dazwischen immer wieder die unverkennbaren Abdrücke von Mufflons.
Langsam bewegte ich mich auf diesem Hang voran, bekomme aber trotzdem kein Tier in den
Anblick. Das hatte sicher mit der Tageszeit wie auch mit dem besonderen klimatischen Umstand
des immer wieder aufkommenden Eisregens zu tun.
Abbildung 27: Die atemberaubende Landschaft der Sierra de la madera
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 34
Eine kurze Aufwärmphase in der Hütte am offenen Feuer bereitete mich für den Ansitz auf dem
Treestand in einem anderen Teil des Waldes vor. Mit dem Wagen wurde ich dort hin gebracht
und konnte dabei einige Gruppen weiblicher Damkahltiere in ihrem dunklen Winterkleid
beobachten. Gerade als wir zum Treestand an der Salzlecke aufstiegen, schrecken wir einen
kleinen Sprung von fünf Tieren davon auf. Der Ansitz befand sich auf einer Kiefer in etwa zehn
Metern Höhe. Von dort konnte ich auf den Hang in einer Schussentfernung von 16 bis 28 Metern
die Salzlecke einsehen. Einen Harness34 hatte ich nicht dabei. Dafür aber trage ich immer einen
Kletterkarabiner mit mir. Mit diesem sichere ich mich an dem Kletterseil, das zum Aufziehen des
Bogens und der Ausrüstung fix an diesem Baum montiert ist. Es war Punkt 16:00 Uhr und ich saß
völlig bewegungslos, den Bogen mit dem Pfeil schussbereit auf meinem Schoß liegend und ein
Buch35 lesend auf dem Stand. 20:38 Uhr! Gleiche Stellung. Das Buch hatte ich bereits gegen 18:30
Uhr weggepackt und ich zitterte nun am ganzen Leib. Es war seit beinahe eineinhalb Stunden
dunkel und es hatte sich kein Lebewesen in meinem Schußbereich gezeigt. Trotz des vorher klar
festgestellten Wildreichtums und der Schüsse aus Büchsen, die ich über einen geraumen Zeitraum
von den anderen Jägern gehört hatte, hat sich keines dieser scheuen und intelligenten Waldtiere
zu mir verirrt. Ob verirrt der richtige Ausdruck ist? Ich weiß es nicht. Ich bin beinahe versucht zu
glauben dass die Beobachtung des einen Kahltierrudels, das ich von der Salzlecke aufgeschreckt
hatte, in irgendeiner Art und Weise auch an andere weiter gegeben wurde.
Der Fahrer des Wagens, Juancho, einer
der Pächter dieses ¨coto¨, international
erfolgreicher Wettkampfschütze und
erfolgreicher Bogenjäger, holte mich
steifgefroren und schlotternd von
meinem Sitzplatz in luftigen Höhen
um mich in die Bar im Tal zu fahren
wo die anderen schon seit geraumer
Zeit ihre Jagderfolge mit der Büchse
feierten. Ich war in keiner Weise sauer
oder neidisch auf den Erfolg der
anderen. Ich dachte in diesem
Moment an die Worte von Ernst Blajs,
erfahrener Büchsen- und Bogenjäger
aus Kärnten und zudem der Präsident der Bogenjägervereinigung BFA in Österreich. Laut Ernst ist
der Faktor Büchse zu Bogen die Zahl 10. Zehn mal langsamer ist das Geschoss, zehn mal schwerer
das Geschoss. Zehn mal kürzer die Schussdistanz, zehn mal schwieriger die Art zu jagen und
34 Englische Bezeichnung für eine Körpergurt, der den Jäger bei einem Fall von seinem Stand auffängt 35 Beim Ansitz ist ein gutes Buch nur durch einen guten Anblick zu ersetzen!
Abbildung 28: Typischer Bewuchs in der Sierra de la madera
Jagdbericht Spanien
© 2014 Christian Heinz, MBA
Seite 35
daher zehnmal größer die Chance als ¨Schneider36¨ nach hause zu gehen. Nachdem der Faktor
Bogen zu Büchse 10 beträgt sollte logischerweise die Vorbereitung auf die Bogenjagd ebenfalls
um ein vielfaches ernster genommen werden als bei der Jagd mit der Feuerwaffe. Das beginnt
bereits beim intensiven Training mit dem Jagdgerät und dem Studium der Beutetiere. Trotzdem
war ich glücklich über die tollen Jagderlebnisse, die ich hier beschreiben konnte und noch
glücklicher über das Wissen, in den letzten Tagen sehr viel gelernt zu haben. Zu gerne wäre ich
noch bei der lustigen, spanischen ¨manada 37¨ geblieben. Meine Frau wartete aber im 44km
entfernten Hotel auf mich und der darauffolgende Tag sollte bereits sehr früh mit der Heimfahrt
beginnen, Schweren Herzens verabschiedete ich mich von den wunderbaren Menschen, die mich
so selbstverständlich in ihre Mitte aufgenommen hatten und trat die Heimreise im Schneeregen
an.
36 Als Schneider wird ein Jäger bezeichnet der ohne Beute nach hause (oder ins Wirtshaus) kommt. Daher hat sich die
Kunst der Ausrede warum man nicht erfolgreich bei der Jagd war, extrem gesteigert! 37 Spanisch: die Herde, der Haufen Leute, das Rudel