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QUEM-Materialien
73
Kompetenzentwicklung durch Induzierung kognitiver Konflikte
mittels Internet und Multimedia in der Weiterbildung
- Forschungsbericht -
Berlin 2006
Impressum Das Material „Kompetenzentwicklung durch Induzierung kognitiver Konflikte mittels Internet und Multimedia in der Weiterbildung“ entstand im Rahmen des For-schungs- und Entwicklungsprogramms „Lernkultur Kompetenzentwicklung“. Das Pro-gramm wird gefördert aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sowie aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds. Die Verantwortung für den Inhalt tragen die Autoren. Projektnehmer: Universität Koblenz-Landau Institut für Psychologie
Projektleitung: Prof. Dr. Elisabeth Sander Andreas Hohenstein Projektbetreuung: Reiner Matiaske Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft Betriebliche
Weiterbildungsforschung e. V./ Projekt Qualifikations-Entwicklungs-Management Storkower Straße 158, 10407 Berlin
Alle Rechte beim Herausgeber.
4
Inhaltsverzeichnis
1 Kompetenzentwicklung....................................................................................................9
2 Konfliktinduzierung und Konstruktivismus in der lerntheoretischen
Auseinandersetzung.......................................................................................................13
2.1 Piagets Theorie der geistigen Entwicklung ...........................................................13
2.1.1 Piagets genetischer Strukturalismus..........................................................14
2.1.2 Piaget und der Konstruktivismus ................................................................14
2.1.3 Piagets Äquilibrationsmodell .......................................................................16
2.2 Epistemische Neugier und Konflikt bei Berlyne ...................................................19
2.2.1 Konfliktquellen und Konflikttypen................................................................19
2.2.2 Konfliktlösung oder -verdrängung? ............................................................20
2.2.3 Entdeckendes Lernen und Konfliktinduzierung ........................................21
2.3 Seilers Theorie des kognitiven Konflikts................................................................22
2.3.1 Induzierung kognitiver Konflikte - subjektive Voraussetzungen............22
2.3.2 Induzierung kognitiver Konflikte durch geeignete
Lernmethoden 23
2.4 Die neopiagetsche Theorie von Case....................................................................24
2.4.1 Die remediale Unterrichtsstrategie von Case...........................................27
3 Conceptual Change.........................................................................................................28
3.1 Conceptual Change aus kognitivistischer Perspektive .......................................28
3.1.1 Conceptual Change als Modifikation mentaler Modelle: Der
Rahmentheorieansatz von Vosniadou.......................................................28
3.1.2 Conceptual Change als Überwindung von
Kategorisierungsfehlern: der Kategorisierungsansatz von Chi .............29
3.2 Bewertung kognitivistischer Conceptual-Change-Ansätze aus
situationistischer Perspektive ..................................................................................29
3.2.1 Die Verdinglichung ........................................................................................30
3.2.2 Der vernachlässigte Kontext .......................................................................30
3.2.3 Die Wissensdiagnostik .................................................................................31
3.2.4 Die Fokussierung auf initiales Lernen........................................................31
3.2.5 Der kognitive Bias 32
5
4 Conceptual Change situationistisch ..........................................................................32
4.1 Conceptual Change als Resultat von Kontextualisierung: der Kontext-
Ansatz von Caravita und Halldén...........................................................................32
5 Kooperativen Lernens....................................................................................................33
5.1 Soziogenetische Auseinandersetzung mit dem kooperativen Lernen .............34
5.2 Kooperatives Lernen durch kognitive Elaborationen...........................................36
5.3 Soziokulturelle und situierte Ansätze des kooperativen Lernens......................37
5.4 Kooperatives Lernen durch den argumentativen Diskurs ..................................39
5.5 Kollektive Informationsverarbeitung als Form des kooperativen
Lernens .......................................................................................................................40
6 Situiert-konstruktivistisches Lernen in konfliktinduzierenden
Prozessen als Bestandteil einer lebensbegleitenden Lernkultur .......................41
6.1 Lernen und Entwicklung als Konstruktionsprozess .............................................41
6.2 Gestaltungsprinzipien situierter Lernprozesse .....................................................42
7 Gestaltung von Lernumgebungen auf der Grundlage situierten
Lernens...............................................................................................................................43
7.1 Grundformen von Lernumgebungen......................................................................44
7.1.1 Systemvermittelnde Lernumgebungen......................................................44
7.1.2 Problemorientierte Lernumgebungen........................................................44
7.1.3 Adaptive Lernumgebungen .........................................................................45
7.2 Lernumgebungen zum situierten Lernen ..............................................................45
7.2.1 Situierte Lernumgebung: Der Anchored-Instruction-Ansatz ..................45
7.2.2 Situierte Lernumgebung: Der Cognitive-Apprenticeship-
Ansatz 46
7.2.3 Situierte Lernumgebung: Die Cognitive-Flexibility-Theorie ....................48
8 Lernen im Netz und mit Multimedia – Entwicklungen und
Handlungsfelder...............................................................................................................50
8.1 Lernen im Netz und mit Multimedia – Entwicklungen der kürzeren
Vergangenheit und der Stand heute ......................................................................50
8.2 Handlungsfelder für die erfolgreiche Implementierung von Ansätzen
zum Lernen im Netz und mit Multimedia in Unternehmungen...........................52
6
8.2.1 Organisation und Organisationsentwicklung ............................................52
8.2.2 Menschen im Unternehmen........................................................................53
8.2.3 Integration einer E-Learning-Infrastruktur in die bestehende
IT-Landschaft 54
8.3 Lernen im Netz und mit Multimedia – Zukünftige Entwicklungen .....................54
8.4 Konfliktinduziertes Lernen im Netz und mit Multimedia – Zentrale
Anforderungen für die Kompetenzentwicklung ....................................................55
9 Das Lernprogramm „Projektmanagement“ der memoray GmbH.......................57
9.1 Das Lernprogramm „Projektmanagement“ der memoray GmbH......................57
9.1.1 Das Thema Projektmanagement und die Zielgruppe..............................57
9.1.2 Die Inhalte des Lernprogramms .................................................................58
10 Konfliktinduzierende Variante des Lernprogramms
„Projektmanagement“ ....................................................................................................60
10.1 Gestalterische Konzeption der konfliktinduzierenden Moduls
„Projektplanung“ ........................................................................................................60
10.2 Förderung aktiv-entdeckenden-konstruierenden Lernens (indirekte
Konfliktinduzierung) ..................................................................................................60
10.2.1 Fazit für das konfliktinduzierende Lernmodul ...........................................60
10.3 Berücksichtigung von fehlerhaften Strategien (direkte
Konfliktinduzierung) ..................................................................................................61
10.3.1 Fazit für das konfliktinduzierende Lernmodul ...........................................61
10.4 Gestuftes Hilfesystem zur Unterstützung bei der Auflösung von
Konflikten....................................................................................................................61
10.4.1 Fazit für das konfliktinduzierende Lernmodul ...........................................62
11 Vorstudie „Phase Einzelversuche“.............................................................................63
11.1 Fragestellungen und Hypothesen in der„Phase Einzelversuche“ .....................63
11.2 Untersuchungsablauf und -durchführung ..............................................................64
12 Beobachtung und Analyse der kognitiver Konstruktionsprozess bei
den Einzelversuchen.......................................................................................................65
12.1 Methode des lauten Denkens .................................................................................66
12.1.1 Methodische Probleme ................................................................................66
7
12.1.2 Erfassung der Akzeptanz und Lernzufriedenheit.....................................68
12.2 Inhaltsanalyse ............................................................................................................68
12.3 Kategoriensystem mit adäquaten Indikatoren für die Beobachtung
kognitiver Konflikte nach Draschoff ........................................................................69
12.3.1 Hauptkategorie: Lern-Kategorien ...............................................................69
12.3.2 Hauptkategorie: Emotionen [E]...................................................................75
12.3.3 Hauptkategorie: Mimik [M]...........................................................................75
12.3.4 Hauptkategorie: Gestik [G] ..........................................................................76
12.3.5 Hauptkategorie: Sonstige Kategorien........................................................76
12.4 Ganzheitliche Erfassung der Lernwege und -prozesse - Beobachtung ...........77
12.5 Methoden zur Datenauswertung ............................................................................78
12.5.1 Inhaltsanalyse 78
13 Hypothesen und Ergebnisse ........................................................................................81
13.1 Hypothese 1: Kognitive Konflikte im Vergleich beider
Programmvarianten..................................................................................................81
13.2 Hypothese 2: Emotionen im Vergleich beider Programmvarianten..................83
13.3 Hypothese 3: Lernverhalten im Vergleich beider
Programmvarianten ............................................................................................84
13.4 Hypothese 4: Lernerfolg im Vergleich beider
Programmvarianten ............................................................................................86
13.5 Hypothese 5: Lernerfolg im Vergleich beider Lernformen..................................87
13.6 Hypothese 6: Lernerfolg in Abhängigkeit von
Prüfungsängstlichkeit.........................................................................................87
13.7 Hypothese 7: Lernerfolg in Abhängigkeit von
Selbstwirksamkeit................................................................................................88
14 Zusammenfassung der Ergebnisse und Fazit .........................................................89
14.1 Zusammenfassung der Ergebnisse der Lernprozessanalyse ...........................89
14.2 Zusammenfassung der Ergebnisse der Lernerfolgsmessung ...........................89
14.3 Fazit zur Kompetenzentwicklung durch Induzierung kognitiver Konflikte
mittels Internet und Multimedia in der Weiterbildung ..........................................90
8
15 Literatur ..............................................................................................................................92
9
1 Kompetenzentwicklung
Seit Mitte der 90er ließ sich auch in Deutschland nicht mehr übersehen,
„daß die Innovationsfähigkeit der Betriebe als Voraussetzung für die Sicherung des Wirtschaftstandortes Deutschland entscheidend von der Kompetenzentwicklung und dem Qualifikationspotential der Be-schäftigten, von dynamischen Lernstrukturen, integrativen Lerninhal-ten, effektiven Lernstrukturen in den Unternehmen und kombinierten Lernorten abhängt“ (Hoffmann 1997, S. 14)
Der Zuwachs an Wissen steigt exponential an. Um mit dem steigenden Wissen
Schritt zu halten ist ein Paradigmenwechsel nötig.
Es zählt nicht mehr so sehr das einmal erworbene Wissen, sondern entscheidend
ist die Fähigkeit, sich immer vertiefteres, aber auch immer wieder neues Wissen
erwerben und vor allem anwenden zu können.
Damit Menschen ihr Wissen in der sich stetig verändernden Umwelt aber zur An-
wendung bringen können, reicht die Fokussierung auf das eigentliche Wissen und
die Qualifikationen nicht aus. Vielmehr muss das Augenmerk darauf gelenkt wer-
den, die Handlungsfähigkeit von Menschen in offenen und komplexen Situationen
zu erkennen und zu fördern. In diesem Zusammenhang kommt der Einbeziehung
von Kompetenzen und Erfahrungen eine entscheidende Bedeutung zu.
Es wird zunehmend deutlich, dass das Konzept der beruflichen Kompetenzent-
wicklung einen massiven Einschnitt bei den qualitativ neuen Anforderungen an die
Handlungsfähigkeit der Beschäftigten und damit an die Weiterbildung darstellt.
So sind Kompetenz und Kompetenzmanangement derzeit äußerst populäre Beg-
riffe modernen Personalmanagements. Konkrete Definitionsversuche für den Beg-
riff „Kompetenz“ sind viele gemacht worden. Nachfolgend soll die Definition von
Erpenbeck (Erpenbeck, Heyse & Max, 1999a) leitend werden, der in seiner Beg-
riffsbeschreibung zunächst von Handlungen ausgeht, die ein Mensch in persönli-
chen und beruflichen Zusammenhängen bewältigen können muss. Es sind dies:
• Geistige Handlungen (Problemlösungsprozesse, kreative Denkprozesse,
Wertungsprozesse).
• Instrumentelle Handlungen (Manuelle Verrichtungen, Arbeitstätigkeiten,
Produktionsaufgaben).
10
• Kommunikative Handlungen (Gespräche, Verkaufstätigkeiten, Selbstdar-
stellungen).
• Reflexive Handlungen (Selbsteinschätzungen, Selbstveränderungen,
neue Selbstkonzeptbildungen).
• Handlungsgesamtheiten (z.B. gesamte Handlungsspektren kreativer Mit-
arbeiter).
Für die Bewältigung dieser Aufgaben durch eine adäquate Handlungskompetenz
stehen dem einzelnen Dispositionen zur Verfügung, d.h. innere Voraussetzungen:
Anlagen, Fähigkeiten, Bereitschaften. Als Kompetenzen bezeichnet Erpenbeck
(Erpenbeck, Heyse & Max, 1999a) dann diejenigen Dispositionen, die es einer
Person ermöglichen, die genannten Handlungen selbstorganisiert auszuführen.
Kompetenzen sind demnach „Selbstorganisationsdispositionen des Individuums
(S. 157).
„Mit dem Begriff der beruflichen Handlungskompetenz wird (...) die Integration kognitiver, emotional-motivationaler, volitiver und sozialer Aspekte menschlichen Handelns in Arbeitssituationen durch Weiter-bildung angezielt und bewusst vermittelt. Zur Beschreibung des Komplexes gewünschter Eigenschaften, Fähigkeiten und Fertigkei-ten hat sich unter pragmatischem Gesichtspunkt die Einteilung in vier Kompetenzbereiche eingebürgert:
Fachkompetenz
Methodenkompetenz
Sozialkompetenz
Personale Kompetenz,
integriert zu beruflicher Handlungskompetenz. (Erpenbeck & Heyse 1996, S. 18).
Erpenbeck (Erpenbeck & Heyse, 1996, Erpenbeck, Heyse & Max, 1999a; Erpen-
beck, 2003) beschreibt die obigen vier Kompetenzbereiche wie folgt:
• Fachlich-methodische Kompetenzen, d.h. als „die Dispositionen einer
Person, bei der Lösung von sachlich-gegenständlichen Problemen, geis-
11
tig und psychisch selbstorganisiert zu handeln, d.h. mit fachlichen und
instrumentellen Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten kreativ Prob-
leme zu lösen, Wissen sinnorientiert einzuordnen und zu bewerten; das
schließt Dispositionen ein, Tätigkeiten, Aufgaben und Lösungen metho-
disch selbstorganisiert zu gestalten, sowie die Methoden selbst kreativ
weiterzuentwickeln.“
• Aktivitäts- und umsetzungsorientierte Kompetenzen, d.h. als „die
Dispositionen, aktiv und gesamtheitlich selbstorganisiert zu handeln und
dieses Handeln auf die Umsetzung von Absichten, Vorhaben und Plänen
zu richten – entweder für sich selbst oder auch für andere und mit
anderen, im Team, im Unternehmen, in der Organisation. Diese
Dispositionen erfassen damit das Vermögen, die eigenen Emotionen,
Motivationen, Fähigkeiten und Erfahrungen und alle anderen
Kompetenzen – personale, fachlich-methodische und sozial-
kommunikative – in die eigenen Willensantriebe zu integrieren und
Handlungen erfolgreich zu realisieren.“ • Sozialkompetenzen, d.h. als „die Dispositionen, kommunikativ und ko-
operativ selbstorganisiert zu handeln, d.h. sich mit anderen kreativ aus-
einander- und zusammenzusetzen, sich gruppen- und beziehungsorien-
tiert zu verhalten, um neue Pläne und Ziele zu entwickeln.“
• Personale Kompetenzen, d.h. als die Dispositionen, reflexiv selbstorga-
nisiert zu handeln, d.h. sich selbst einzuschätzen, produktive Einstellun-
gen, Werthaltungen, Motive und Selbstbilder zu entwickeln, eigene Be-
gabungen, Motivationen, Leistungsvorsätze zu entfalten und sich im
Rahmen der Arbeit und außerhalb kreativ zu entwickeln und zu lernen.
Mit leichten Variationen sind die benannten Grundkompetenzen inzwischen von
den meisten Kompetenzforschern anerkannt (Erpenbeck & von Rosenstiel, 2003).
Natürlich hängen alle benannten Grundkompetenzen eng zusammen. Ihnen lässt
sich eine Fülle von Kombinationen der Grundkompetenzen zuordnen, wobei die
Kompetenzkombinationen mit vielen gängigen Beschreibungstermini für Kompe-
tenzen belegt werden können (Erpenbeck, Heyse & Max, 2000).
Vielfach wird die Frage gestellt, ob diese Kompetenzen auch erlernbar, trainierbar
sind, ob es also so etwas wie „Kompetenzentwicklung“ tatsächlich geben kann.
Dass dem tatsächlich so ist, dass Menschen also durch gezielte Trainings ihre
Kompetenzen entwickeln können, das ergibt sich schon aus der gegebenen Be-
schreibung der Kompetenzen selbst: um sich in den Bedingungen der immer
12
komplexer und chaotischer werdenden Gegenwartswelt handelnd zurechtzufin-
den, können Menschen immer weniger auf schon vorhandenes statisches Wissen
zurückgreifen, sondern müssen auf der Grundlage ihrer erworbenen
Selbstorganisationsdispositionen handeln. Durch dieses Handeln erwerben sie
sich neue Kompetenzen, die in ihre bisherige Dispositionsmatrix eingebaut werden
und so zur Bewältigung wieder neuer Aufgaben helfen. Kompetenzen weisen so
immer eine Entwicklungsdynamik auf, die an verschiedenen Punkten auch
gemessen werden kann (Erpenbeck & v. Rosenstiel, 2003, XVIIIf).
Das Lernen von Kompetenzen ist eng mit der Aneignung, der Interiorisation von
Werten verknüpft. Werden Emotionen und Motivationen auf der Basis von Werten
zum Antrieb des eigenen Handeln können diese Werte entscheidungs- und hand-
lungsleitende Funktionen bekommen (vgl. auch Erpenbeck & Weinberg 1993).
Der Interiorisationsprozess von Werten geht einher mit kognitiver Dissonanz, zur
Labilisierung und Instabilität des inneren Zustandes durch Ungewissheit, zu einem
inneren Widerspruch. Der ausgelöste emotionale Spannungszustand ist die ent-
scheidende Voraussetzung jeder Interiorisation.
Werden die Dissonanz und Labilisierung durch erfolgreiches Handeln beseitigt,
werden die Werte fest im Schema des Individuums verankert, sie werden interiori-
siert. (Ciompi, 1982).
Solche Prozesse des Kompetenzerwerbs können nicht in traditionellen Lernfor-
men (allein) geleistet werden. Auf der Suche nach neuen Formen des Wissenser-
werbs tritt die Frage in den Mittelpunkt, wie Arbeiten und Lernen miteinander ver-
bunden werden können. Für ein solches Lernen führt Pätzold (2004) drei wesentli-
che Argumente an:
• Das steigende Bewusstsein für die Notwendigkeit eines lebenslangen
Lernens, das nicht an Schule oder andere Institutionen gebunden sein
kann;
• Die wachsende Erkenntnis, dass „Lernen nach konstruktivistischen Vor-
stellungen als aktiver, selbstgesteuerter, konstruktiver und kooperativer
Prozess zu verstehen ist“ (ebd., 162) und
• Die Notwendigkeit, gleichzeitig kostengünstige und passgenaue Weiter-
bildungsformen zu finden.
13
2 Konfliktinduzierung und Konstruktivismus in der lerntheoreti-
schen Auseinandersetzung
Bereits in der griechischen Antike hat Sokrates (um 470-399 v. Chr.) eine Methode
angewandt, in der er in Gesprächen das bisherige Wissen seines Gesprächspart-
ners erschütterte. Der Gesprächspartner erkannte sein Nichtwissen und erst der
daraus resultierende Konflikt erweckte bei ihm die Neugierde und das Bedürfnis,
in den Gesprächen mit Sokrates diesen Konflikt durch entsprechenden Erkennt-
nisgewinn aufzulösen. Dabei ging Sokrates davon aus, dass der Wissenszuwachs
nicht von ihm ausgehen könne, sondern vielmehr aus der inneren Auseinander-
setzung seines Gesprächspartners heraus sich entwickeln müsse. Ihm, Sokrates,
käme lediglich eine Helferrolle zu.
Somit finden sich zentrale Ideen des Konstruktivismus bereits bei Sokrates (vgl.
Glasersfeld, 1991). In der weiteren historischen Entwicklung wurden verschiedene
Richtungen der pädagogischen Forschung von konstruktivistischen Grundannah-
men geprägt (Stork, 1995).
Der lerntheoretische Konstruktivismus beschreibt den Lernprozess als aktiven
Konstruktionsprozess des Lernenden. Auf der Basis der eigenen Erfahrungen ges-
taltet der Lernende seinen Lern- und Verständnisprozess. Der Lehrende begleitet
diesen Prozess durch individuell dosierte Unterstützung. Wissen kann demnach
nicht wie ein feststehendes Produkt vom Lehrenden zum Lernenden vermittelt
werden (Stork, 1995). Glasersfeld (1991) resümiert:
This may serve to remind us - especially when we act as teachers - that new concepts and new knowledge cannot simply be passed to another person by talk, because each must abstract meanings, con-cepts, and knowledge from his or her own experience. This ... does mean that we can never rely on language to "convey" knowledge as though it were something like food that can be handed from one to another. (S. XIV; vgl. Reusser & Reusser-Weyeneth, 1994, S. 16f.)
2.1 Piagets Theorie der geistigen Entwicklung
Die erkenntnis- und die lerntheoretische Ausrichtung der konstruktivistischen For-
schung wurde entscheidend von dem genetischen Strukturalismus beeinflusst.
Piaget, als Begründer des genetischen Strukturalismus, verbindet er „sein philo-
sophisch-erkenntnistheoretisches Hauptinteresse mit seiner biologischen Grund-
14
orientierung und seiner psychologischen Vorgehensweise" (Fatke, 1983, S. 14).
In Piagets späteren Arbeiten ist eine "Verschiebung vom epistemologischen zum
psychologischen Konstruktivismus" zu beobachten (Hoppe-Graff und Edelstein,
1993, S. 12). Piaget widmet sich darin verstärkt den kognitiven Prozessen real
existierender Individuen.
2.1.1 Piagets genetischer Strukturalismus
Das vor allem auf Skinner (z.B. Skinner, 1953/1973, 1954) zurückgehende beha-
vioristische Verständnis des Lernens wurde von einer kognitiv geprägten Ausei-
nandersetzung mit Lern- und Entwicklungsvorgängen abgelöst.
Piaget geht in seinem genetischen Strukturalismus davon aus, dass die menschli-
che Kognition kein bloßes Abbild der Umwelt darstellt, sondern auf kognitiven
Strukturen basiert, die nach und nach vom Individuum aufgebaut werden (Piaget,
1970/1983). Die kognitiven Strukturen dienen als Aktions- und Denkwerkzeuge.
Sie sind sensomotorischer oder kognitiv-rationaler Art und umfassen Reflexhand-
lungen, komplexe Wahrnehmungs- und Handlungsschemata, Begriffe, Vorstellun-
gen, Operationen und Strategien, die jederzeit reaktualisiert werden können (Sei-
ler, 1998). Piaget beschreibt in seinem genetischen Strukturalismus erstmals Kog-
nitionen als biologische Funktionen der Selbstregulierung zum Zwecke der Adap-
tion an Umweltbedingungen statt als Ausdruck einer universellen Vernunft (Piaget,
1970/1983).
Piaget erschütterte mit seiner Erkenntnistheorie nicht nur das exogene Modell der
behavioristischen Entwicklung, sondern auch das endogene Modell der Reifungs-
theorie. Die drei traditionellen Faktoren Reifung, Erfahrung und soziale Umwelt
reichen nach Piaget (1970/1983) nicht aus, um Entwicklung zu erklären. Vielmehr
führen erst die Interaktionen zwischen den beiden Polen Individuum und Umwelt,
in denen das Individuum seine kognitiven Strukturen konstruiert, zu einem ent-
sprechenden Erkenntnisgewinn.
2.1.2 Piaget und der Konstruktivismus
Piaget gilt weithin als Begründer der konstruktivistisch orientierten Psychologie
(Dinter, 1998; Edelstein & Hoppe-Graff, 1993; Glasersfeld, 1991, 1994; Schul-
meister, 1996; Seiler, 1994). Auch Piaget selbst verstand seine Theorie als kon-
struktivistisch (Fatke, 1983; Seiler, 1994):
15
Our aim was ... to establish what we have called a constructivist the-ory of knowledge. The essential problem of a theory of knowledge is how is new knowledge constructed. Our more recent work ... pro-vides still clearer arguments in favour of a constructivist theory and its explanation of the elaboration of new concepts and operations. (Piaget, 1980, p. 3)
Piaget war zweifellos der Pionier der konstruktivistisch orientierten Kognitionsforschung dieses Jahrhunderts. Sein Ansatz war unkon-ventionell, als er ihn entwickelte, und auch in unseren Tagen steht er gegen die allgemein vertretenen Ansichten. (Glasersfeld, 1994, S. 18)
[Piagets] epistemologische Theorie der Kognition ... bildet zugleich die psychologisch-philosophische Grundlage für den Konstruktivis-mus. (Schulmeister, 1996, S. 65)
Für Piaget waren soziale Einflüsse und anderer Umweltbedingungen wichtige Fak-
toren bei der Konstruktion im Rahmen der Erkenntnisentwicklung (Seiler, 1994;
1998).
Hoppe-Graff und Edelstein (1993), Vertreter einer konstruktivistischen Entwick-
lungspsychologie, beobachten heute eine wachsende Konvergenz und Integration
verschiedener Theorieansätze, die den Kerngedanken der interaktiven Konstrukti-
on - wenngleich nicht andere Annahmen des piagetschen Entwicklungsmodells
übernehmen:
Piaget hat die Idee des interaktiven Konstruktivismus schon zu einer Zeit vertreten (z.B. Piaget, 1975b/1936), als in der Psychologie nur das exogene Modell des Behaviorismus und das endogene Modell der Reifungstheorie (vertreten z.B. durch Gesell) akzeptiert wurden. Lange Zeit ist der genetische Strukturalismus der Genfer Schule mit dieser Position isoliert geblieben. In letzter Zeit jedoch beobachten wir, dass Vertreter sehr unterschiedlicher Ansätze unabhängig von-einander der Auffassung von Entwicklung als interaktiver Konstruk-tion zustimmen. Das gilt für Autoren, die aus der Entwicklungsbiolo-gie kommen (Oyama, 1985; Gottlieb, 1985), ebenso wie für Vertreter der Systemperspektive (Fogel & Thelen, 1987; Thelen & Ulrich, 1991). (Hoppe-Graff & Edelstein, 1993, S. 11)
Bei den neueren kognitionspsychologisch und informationstheoretisch orientierten
Ansätzen spielt eine Konstruktionstätigkeit die zentrale Rolle, bei der der Lernende
seinen kognitiven Entwicklungsprozess aktiv gestaltet und die Struktur der äuße-
16
ren Wirklichkeit eine entscheidende Determinante des Konstruktionsergebnisses
ist (Hoppe-Graff & Edelstein, 1993).
2.1.3 Piagets Äquilibrationsmodell
Bereits in seiner Assimilationstheorie beschreibt Piaget (1936/1969) das Äquilibra-
tionsmodell und entwickelt es in seinen späteren Arbeiten weiter (Piaget,
1975/1976; vgl. Hoppe-Graff, 1993b; Hoppe-Graff & Edelstein, 1993). Piaget be-
schreibt den Mechanismus der Äquilibration mit den Worten Störung (mit dem
Begriff Konflikt gleichzusetzen), Regulierung und Kompensation.
2.1.3.1 Assimilation und Akkomodation
Im Zentrum des Äquilibrationsmodells steht der kognitive Gleichgewichtszustand.
Erreicht wird dieser kognitive Gleichgewichtszustand durch zwei Grundprozesse:
der Assimilation und der Akkomodation.
Bei der Assimilation strebt das Individuum den kognitiven Gleichgewichtszustand
an, in dem er äußere Elemente, Gegenstände oder Ereignisse in seine existieren-
den sensomotorischen oder begrifflichen Schemata bzw. die kognitiven Strukturen
integriert. Durch die Assimilation kann das Individuum somit auch in einer unbe-
kannten, aber ähnlichen Situation auf Verhaltensoptionen zurückgreifen (Glasers-
feld, 1994, S. 32), die auf bereits vorhandenen kognitiven Strukturen basieren, die
"gelernt oder erworben [wurden,] ... durch Verbindung und Veränderung schon be-
stehender Strukturen. Neue kognitive Strukturen setzen also immer schon andere,
frühere und einfachere voraus" (S. 127).
Neben der Integration von äußeren Elementen, werden bei der reziproken Assimi-
lation durch eine Umorganisation und Neukoordination der bestehenden Elemente
und Schemata kognitive Strukturen verändert.
Aber nicht alle Herausforderungen kann das Individuum durch stetig wachsende
Assimilationsschemata meistern. Es gibt Situation und Umweltbedingungen, in
denen die Assimilation für einen adäquaten kognitiven Entwicklungsprozess nicht
ausreicht. Die Schemata selbst müssen auf der Basis der zuvor erfolgten Assimi-
lationsprozesse verändert werden. Es kommt zur Akkomodation.
Durch den situationsadäquaten Wechsel von Assimilation und Akkomodation, mit
den Möglichkeiten Integration und struktureller Differenzierung, kann das Indivi-
duum im Rahmen seiner kognitiven Entwicklung die jeweils angestrebten kogniti-
17
ven Gleichgewichtszustände erreichen.
In dem Äquilibrationsmodell unterscheidet Piaget (1975/1976) drei miteinander
verknüpfte Formen der Äquilibration:
1. Das offensichtlichste Gleichgewicht, das aus den Interaktionen zwischen dem
Menschen und den Objekten oder Ereignissen folgt, ist das "zwischen der As-
similation der Gegenstände an Aktionsschemata und der Akkomodation dieser
Aktionsschemata an die Gegenstände" (S. 16).
2. Aus den Interaktionen zwischen den Schemata bzw. Untersystemen, die koor-
diniert werden müssen, sodass sie sich zueinander logisch verhalten, entsteht
die zweite Form des Gleichgewichts.
3. Darüber hinaus gibt es ein übergeordnetes Gleichgewicht zwischen der Ganz-
heit und ihren Teilen. Es entsteht aus der hierarchischen Ordnung zwischen
den Differenzierungen der Schemata und ihrer Integration in das übergeordne-
te System.
2.1.3.2 Äquilibration: Kognitiver Konflikt, Regulierung und Kompensation
Der in dem Äquilibrationsmodell beschriebene Zustand des kognitiven Ungleich-
gewichts ist Auslöser für die darauf folgende kognitive Entwicklung durch Assimila-
tion oder Akkomodation:
Aufbauend auf Piagets Konfliktbetrachtung skizziert Montada (1987) vier Grund-
formen der Konfliktentstehung: "Konflikte zwischen zwei Assimilationsschemata,
Widerlegen eines Urteils durch ein empirisches Ereignis, Ungleichgewicht durch
fehlschlagende Assimilationsversuche [und] Ungleichgewicht durch Problemstel-
lung und Frage" (S. 455).
Das Ungleichgewicht, als Störung oder auch Konflikt, ist "in erster Linie [ein] moti-
vierende[r] Faktor" (Piaget, 1975/1976, S. 19). Dabei wird ein vorläufiger Gleich-
gewichtszustand durch eine Störung erschüttert: "Eine Störung ist ... ein Hindernis,
das eine Assimilation in Schach hält, zum Beispiel ein Faktum, das einer Meinung
widerspricht, oder eine Situation, die verhindert, ans Ziel zu kommen" (Piaget,
1975/1976, S. 172). Eine Bedingung für die Wirksamkeit als Störung liegt darin,
dass sich das Subjekt der Misserfolge oder Irrtümer bewusst wird (Piaget,
1975/1976, S. 26).
Der nach Piaget in allen Phasen der kognitiven Entwicklung auftretende kognitive
Konflikt wäre damit eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für
18
kognitiven Fortschritt. Die Ungleichgewichte bzw. die Äquilibrationen, die durch die
Ungleichgewichte ausgelöst werden, stellen nach Piaget die wesentlichen An-
triebskräfte der kognitiven Entwicklung dar: Die "Fruchtbarkeit [der Ungleichge-
wichte] ist proportional zu der Möglichkeit, sie zu überwinden, mit anderen Worten:
aus ihnen herauszukommen" (S. 20).
Persönlichkeits- und situationsbedingte Faktoren beeinflussen die Wahrnehmung
und Reaktion auf eine Störung bzw. einen Konflikt. Nicht immer lösen Konflikte
eine konfliktlösende Reaktion aus.
Wird ein Individuum aber durch einen solchen Konflikt motiviert, diesen Ungleich-
gewichtszustand zu beseitigen, kann das Individuum diese kompensieren, in dem
es sich „als Antwort auf eine Störung bemüht, die positiven und negativen Merk-
male der Situation zu koordinieren" (Piaget, 1975/1976, S. 173). Dabei kann die
Kompensation unterschiedlich erfolgen:
• Der störende Faktor kann beseitigt (oder umgangen) werden oder
• das aktuelle Schema kann durch Differenzierung bzw. Modifizierung an
den störenden Gegenstand akkomodiert werden.
Jedes Individuum kann sein Verhalten, welches nicht zum Ziel führt, abändern.
Diese Regulierung (Piaget, 1975/1976, S. 25) kann zu einer Korrektur oder zu ei-
ner Verstärkung führen. Eine Korrektur löst eine der beiden zuvor beschriebenen
Kompensationsformen aus. Damit ist die Regulierung Voraussetzung für die Reä-
quilibration.
Die Regulierungen und Kompensationen wirken gleichzeitig konservierend und
konstruktiv (Draschoff, 2000):
„Konservierend: Der ursprüngliche Zustand bleibt erhalten und wird gleichzeitig stabilisiert bzw. bereichert, z.B. indem die Erklärungs-kraft oder der Wirkungsbereich eines Schemas durch Ausschluss von Elementen und Eigenschaften präzisiert wird.
Konstruktiv: Durch Akkomodationen (majorierende Äquilibrationen), die sich aus den Kompensationen ergeben, werden neue Erkennt-nisse hervorgebracht.“ (S. 17)
Dieser Äquilibrationsprozess von Konflikt, Regulierung und Kompensation beglei-
tet den Menschen bei dessen lebenslanger kognitiven Entwicklung.
19
2.2 Epistemische Neugier und Konflikt bei Berlyne
Berlyne (1960/1974, 1965/1981) verfolgt einen motivationstheoretischen Ansatz
bei der Erforschung von höheren kognitiven Prozessen, wie dem problemlösenden
Lernen. Dabei spielen die Begriffe Konflikt, epistemische Neugier und exploratives
Verhalten eine zentrale Rolle.
Berlyne sieht "im kognitiven Konflikt - als einer Art von Ungleichgewicht einen sehr
bedeutsamen Antrieb, eine wesentliche Motivation für das Verhalten und damit
implizit auch für jede Entwicklung" (Steiner, 1981, S. 20). Der kognitive Konflikt
initialisiert exploratives Verhalten und die Suche nach Erkenntnisgewinn. Er ist
gleichsam die treibende Kraft beim Denkprozess (vgl. Seiler, 1980).
Entscheidend für die stimulierende Wirkung des Konflikts ist, dass das Individuum
den induzierten Konflikt als positive Herausforderung mit einem optimalen. ange-
nehmen Erregungsgrad und nicht als negative Bedrohung sieht.
2.2.1 Konfliktquellen und Konflikttypen
Ähnlich wie bei Piagets Äquilibrationsmodell geht Berlyne davon aus, dass Konflik-
te sowohl zwischen äußeren und inneren Elementen als auch nur zwischen inne-
ren Elementen auftreten können. Die Konfliktquellen können im Individuum oder
außerhalb des Individuums liegen. Nach Berlyne behavioristischer Auffassung
entsteht eine Konfliktsituation entweder, wenn
• neu hereinkommende Information mit der im System bereits vorliegen-
den Information unvereinbar ist,
• dem System einander widersprechende Informationen gleichzeitig oder
zeitversetzt zugeführt werden oder
• im System bereits vorliegende, untereinander inkompatible Informationen
abgerufen und verarbeitet werden (Seiler, 1980).
Die konflikterzeugenden Merkmale einer Situation, die kollative Reizvariablen, lö-
sen bei dem Individuum Ungewissheit aufgrund von komplexen oder undurch-
schaubaren, widersprüchlichen oder fehlenden Informationen aus.
Die Stärke der resultierenden Konflikte wird durch die Anzahl der konkurrierenden
Annahmen bzw. Reaktionen, die Ähnlichkeit ihrer Stärkegrade und die absoluten
Stärkegrade der miteinander in Konflikt liegenden Reaktionen sowie dem Grad der
Unvereinbarkeit der konkurrierenden Alternativen determiniert (vgl. Seiler, 1980).
Berlyne (1960/1974; vgl. Seiler, 1980) unterscheidet die daraus resultierenden
20
Konfliktformen nach
• Zweifel,
• Perplexität,
• Widersprüchlichkeit,
• gedankliche Inkongruenz,
• Verwirrung und
• Irrelevanz.
Den grundlegenden Annahmen der motivationstheoretischen Ansätze folgend
schreibt Berlyne der Motivation eine zentrale Rolle bei der Entwicklung kognitiver
Strukturen und des menschlichen Verhaltens zu. So geht Berlyne davon aus, dass
extrinsische und intrinsische Motivationsfaktoren regulierend auf das im zentralen
Nervensystem angesiedelte physiologische Erregungsniveau wirken. Bei dem
Versuch die Konfliktsituationen aufzulösen, wirken die Erregungschwankungen
verstärkend und regen weitere (Denk-)Tätigkeiten des Individuums an. Konflikt
bzw. die Konfliktstärke korrelieren daher mit korrespondierenden Reaktionen auf
der physiologischen Ebene (Herzfrequenz, Blutdruck, Gefäßweite, etc.) (Seiler,
1980).
2.2.2 Konfliktlösung oder -verdrängung?
Nach Berlyne (nach Draschoff, 2000, S. 25) kann das Individuum auf vier ver-
schiedene Arten versuchen, den bestehenden Konflikt aufzulösen:
• Aussöhnung: Die konkurrierenden Alternativen werden durch neue In-
formation miteinander in Einklang gebracht bzw. weniger inkompatibel
gemacht. Diese Versöhnung durch die neue Information kann zur Rück-
nahme der Aktivierung und zur Erleichterung führen.
• Überlagerung: Eine neue stärkere Reaktionstendenz überlagert die mit-
einander in Konflikt stehenden, keine Lösung hervorbringenden Reaktio-
nen.
• Desegalisierung: Eine (oder mehrere) der Alternativen werden durch wei-
tere Informationen oder auch andere Einflussfaktoren verstärkt und "ge-
winnen" so den Wettstreit der Alternativen.
• Unterdrückung: Ein Konflikt ist latent vorhanden, bewirkt aber keine ge-
dankliche Erregung. Gedanken an den Konflikt zwischen den Alternati-
ven werden unterdrückt oder vermieden.
Viele Faktoren können nach Berlyne zur Meidung bzw. Unterdrückung des latent
vorhandenen Konflikts beitragen. Nicht nur rationale und logische Faktoren, son-
21
dern auch soziale und emotionale Motive beeinflussen das menschliche Verhal-
ten. Nach Berlyne werden Konflikte dann häufig verdrängt, wenn die Reizmuster
"mit den etablierten Überzeugungen oder Gedanken einer bestimmten Person
nicht übereinstimmen dürfen" (1960/1974, S. 358). Die Wahrscheinlichkeit der
Konfliktverdrängung steigt mit entsprechende Persönlichkeitsstruktur und Erfah-
rungen früherer erfolgloser Konfliktlösungsversuche.
2.2.3 Entdeckendes Lernen und Konfliktinduzierung
In neuartigen, komplexen und vieldeutigen Reizsituationen, in denen induzierte
Konflikte als positive Herausforderung empfunden werden, entstehen bei dem In-
dividuum Neugier sowie exploratives und epistemisches Verhalten.
Berlyne schlägt vor, derartige Reizsituationen zu schaffen, in denen Erwartungen
und zuwiderlaufende Reize induziert werden. Die hieraus resultierende Konfliktsi-
tuation ist besonders stimulierend, wenn der Reiz nicht absolut, sondern relativ
neu ist, also etwas Bekanntem einerseits ähnelt und sich andererseits doch davon
unterscheidet (Seiler, 1980).
Berlyne (1965/1981) beschreibt fünf, an die Konfliktformen angelehnte, Entde-
ckungsmethoden, "mit deren Hilfe epistemische Neugier durch begrifflichen Kon-
flikt ausgelöst und anschließend zur Verstärkung schulischen Lernens reduziert
werden kann" (S. 229):
• Überraschung,
• Zweifel,
• Verwirrung,
• Verblüffung und
• Widerspruch.
Die Entdeckungsmethoden lassen sich durch zwei zusammenwirkende Aspekte
charakterisieren: Motiviert durch die kollativen Reizvariablen als intrinsische Moti-
vationsfaktoren begeben sich die Lernenden in einen Prozess des selbständigen
und erforschenden Lernens (vgl. auch Neber, 1981).
Berlyne (1965/1981) postuliert, dass entdeckendes Lernen qualitative Vorteile hat:
Zu diesen Vorteilen zählen:
• Das bessere Behalten neuen Materials,
• die größere Verständnistiefe,
• die ausgeprägtere Fähigkeit zu Transfer und Anpassung an neue Situa-
tionen und
22
• die Effizienz der Problemlösungsversuche
Der eigentliche Ansatz des Entdeckenden Lernens geht auf Brauner (1961) zu-
rück. Dabei ging Brauner davon aus, dass die kognitive Entwicklung durch indu-
zierte kognitive Konflikte zwischen den von ihm unterschiedenen Repräsentati-
onsmethoden, der enaktiven, der ikonischen und der symbolischen Repräsentati-
on, angeregt werden kann (Tomis und Kingma, 1996).
Bruner (1961) formuliert vier Vorteile der Methode des Entdeckenden Lernens:
• Intellectual potency,
• intrinsic motives,
• learning the heuristics of discovery und
• conservation of memory.
2.3 Seilers Theorie des kognitiven Konflikts
Der Theorie des genetischen Strukturalismus folgend vertritt Seiler einen neopia-
getschen, konstruktivistischen Ansatz (1980, 1994, 1998).
So übernimmt auch bei Seiler (1980) das Individuum die aktive Rolle, seine Wirk-
lichkeit auf der Basis der bisherigen kognitiven Strukturen bzw. Schemata zu kon-
struieren. Durch Differenzierung und Integration werden sukzessive kognitive
Strukturen zu "umfassenderen, flexibleren, interferenzresistenteren und die Reali-
tät adäquater abbildenden Systemen" (S. 135) weiterentwickelt.
Das "Konstrukt eines aktivierenden Potentials, einer Strebung oder einer Ten-
denz", (S. 137) sichert, ähnlich wie bei Piaget, die Aufrechterhaltung des Konstruk-
tionsprozesses. Wie Berlyne geht auch Seiler von einer Kopplung der Motivations-
funktion mit dem Erregungsniveau im zentralen Nervensystem aus. Die kognitiven
Strukturen selbst besitzen motivationale und emotionale Qualitäten, womit ihre
besondere Kraft als Motor der Entwicklung zu erklären ist (Seiler, 1998).
2.3.1 Induzierung kognitiver Konflikte - subjektive Voraussetzungen
Seiler (1980) definiert den kognitiven Konflikt als "die Folge eines nicht oder nur
teilweise erfolgreichen Integrationsversuchs kognitiver Strukturen" (S. 126). Dabei
beschreibt er die jeweiligen kognitiven Strukturen eines Individuums "als Erwar-
tungen, Kriterien und Normen an neue Systembildungen herangetragen werden"
(S. 132). Besteht eine "optimale Diskrepanz", ein kognitiver Konflikt, zwischen ei-
ner bisherigen unzulänglichen Struktur des Individuums und der zur Erfassung
23
einer Situation adäquateren Struktur (vgl. Hunt, 1961, S. 267ff., 1965) werden
notwendige Veränderungen der kognitiven Strukturen unterstützt.
Da die Konfliktinduzierung und –bearbeitung von den spezifischen kognitiven
Strukturen und auch von persönlichkeitsspezifischen Eigenschaften jedes einzel-
nen abhängt, sind die konfliktauslösenden Variablen nicht allgemeingültig zu be-
schreiben. Würde eine genaue Analyse der Wissensdomäne und der kognitiven
Voraussetzungen der einzelnen Individuen vorgenommen, wäre es für eine Grup-
pe von Menschen mit vergleichbarem Wissensstand möglich, Hypothesen über
Konfliktinduzierende Variablen aufzustellen und zu testen (Seiler, 1980):
Für eine Gruppe von Individuen mit relativ vergleichbarem Lern- und Erfahrungshintergrund, die einem ähnlichen interkognitiven und ge-sellschaftlichen Austausch und Beeinflussungsprozess ausgesetzt waren, ließen sich wahrscheinlich Hypothesen darüber aufstellen und empirisch prüfen, was für diese Gruppe überraschend, komplex und neu erscheint. Gemessen und bestätigt werden diese Hypothe-sen am Nichtgelingen der kognitiven Verarbeitung, was einerseits aus der Sprache oder aus dem Verhalten, andererseits aus psycho-physischen Reaktionsweisen als Konfliktanzeichen (wie bei der Ori-entierungsreaktion) erschlossen werden muss. Wenn diese Hypo-thesen eine ausreichende Bestätigung finden, können sie dazu die-nen, bei Angehörigen dieser Gruppen und in vergleichbaren Situati-onen Konflikte zu erzeugen. (S. 141)
2.3.2 Induzierung kognitiver Konflikte durch geeignete Lernmethoden
Seiler (1980) empfiehlt ein methodisches Vorgehen, bei dem die Lernenden mög-
lichst viel ihrer individuellen kognitiven Strukturen und persönlichkeitsspezifischen
Eigenschaften einbringen können:
Die Anwendung bestimmter Lehr-Lern-Methoden kann die Entste-hung und aktive Bewältigung kognitiver Konflikte begünstigen. So hat der Lernende beim explorierenden oder entdeckenden Lernen teilweise selbst die Möglichkeit und auch die Verantwortung dafür, ihm angemessene Probleme bzw. Aufgaben auszuwählen. Die Ges-taltung von Anschauungskonflikten und die Hinführung des Lernen-den zu Problemen und zu offensichtlichen Widersprüchen sind ge-eignete Methoden, Konflikte zu induzieren, die dann einen intensiven Hinterfragungs- und Lernprozess in Gang setzen. (S. 144)
Seiler (1998) beschreibt die Prinzipien zur Gestaltung von Lernumgebungen wie
folgt:
24
• Positives Lernklima: Um spontane, ungezwungene, interessengeleitete
explorative Aktivitäten hervorzurufen, muss das physische und psychi-
sche Wohlbefinden der Lernenden gesichert sein. Dies setzt eine moti-
vierende räumliche Umgebung, freie Bewegungsmöglichkeiten, Gedan-
ken und Aktivitäten anregendes Unterrichtsmaterial und ausreichenden
sozialen Kontakt voraus.
• Anpassung an die Lernervoraussetzungen: Die angebotenen Lerninhalte
oder zu stimulierenden Lernaktivitäten müssen auf der Basis der kogniti-
ven Strukturen der Lernenden "erfassbar" bzw. "leistbar" sein, dürfen al-
so weder zu vertraut noch zu schwierig sein (Prinzip der optimalen Dis-
krepanz). Darüber hinaus müssen sie an die individuellen Interessen und
emotionalen Bedürfnisse der Lernenden angepasst sein.
• Breites und variables Lernangebot: Da die interindividuellen Unterschie-
de auch in Gruppen von Gleichaltrigen oft sehr groß sind, sollte das
Lernangebot breit und vielfältig sein und Spielraum für spontane Aktivitä-
ten und Interessen bieten.
• Indirekte und unspezifische Unterstützung: Indirekte, unspezifische Hilfe
und Hinweise und eine allgemein ermutigende Lernatmosphäre sind oft
effektiver als direkte Unterweisungen und Anordnungen.
Seiler befindet sich mit seinen empfohlenen Methoden der Induzierung von Kon-
flikten in Lehr-Lern-Situationen im Konsens mit der piagetschen Ausrichtung und
dem Ansatz von Berlyne.
2.4 Die neopiagetsche Theorie von Case
Auf der Basis von Piagets Arbeiten entwickelte Case (1985, 1987b, 1999) eine
Theorie der kognitiven Entwicklung. Zusätzlich integriert er Prinzipien und Begriffe
aus Informationsverarbeitungstheorien. Auch in den Theorien der Informationsver-
arbeitung, wie der Schematheorie, der Theorie der semantischen Netzwerke oder
des semantischen Gedächtnisses (z.B. Norman & Rumelhart, 1975; Rumelhart &
Ortony, 1977) wird davon ausgegangen, dass Schemata und kognitive Strukturen
die Kodierung, Interpretation und Integration neuer Informationen beeinflussen,
strukturieren oder verfeinern.
Case (1987b, nach Draschhoff, 2000 S, 40ff.) beschreibt in seiner Theorie die
kognitiven Grundfähigkeiten des Kindes, die Entwicklungsstadien, die es in seiner
Entwicklung durchläuft, und die Prozesse, die zu strukturellen Veränderungen füh-
ren:
25
• Kognitive Basisfähigkeiten: Auf der untersten Beschreibungsebene gibt
es zwei Kategorien mentaler Prozesse: Figurative Schemata repräsentie-
ren mentale Zustände bzw. wiederkehrende Reizmuster, operative
Schemata bzw. Operationen repräsentieren dagegen Transformationen
dieser Muster. Kinder sind von Geburt an grundsätzlich fähig, willentliche
Kontrolle über ihre kognitiven und affektiven Erfahrungen auszuüben.
Auf der Ebene dieser Kontrollstrukturen verfügt das Kind über Problem-
repräsentationen, Ziele und Strategien, mit denen es kognitive Zustände
in andere überführt.
• Strukturelle Aspekte der Entwicklung: Obwohl sich jede Kontrollstruktur
auf eine spezifische Problemsituation bezieht, unterliegen alle Kontroll-
strukturen denselben Transformationsformen und durchlaufen eine uni-
verselle Abfolge von Stadien: Die vier Hauptstadien der intellektuellen
Entwicklung sind die der sensomotorischen (1-18 Monate), interrelationa-
len (1,5-5 Jahre), dimensionalen (5-11 Jahre) und abstrakt-
dimensionalen bzw. vektorialen Operationen (11-19 Jahre). Jedes
Hauptstadium ist wiederum in drei Unterstadien unterteilbar, in denen u-
nifokale, bifokale und elaborierte Koordinierungen vorgenommen wer-
den. Im unifokalen Unterstadium werden zwei verschiedene Elemente in
ein qualitativ neuartiges Element integriert. Im bifokalen Unterstadium
werden zwei der neuartigen Elemente integriert. Im elaborierten Unter-
stadium wird schließlich die Relation zwischen diesen Elementen identi-
fiziert und explizit formuliert. Jedes Stadium basiert auf dem vorherigen
und entwickelt sich daraus durch Differenzierung und Koordinierung. Der
Übergang von einem Hauptstadium zum nächsten vollzieht sich durch
die hierarchische Koordination von Kontrollstrukturen, die während des
vorherigen Stadiums erworben wurden, sich aber in Form und Funktion
beträchtlich voneinander unterscheiden. Bedingung für den Stadienüber-
gang ist, dass etwas qualitativ Neuartiges entsteht. Die Veränderung ist
in jedem Fall grundsätzlicher Art und äußert sich im Erwerb einer Kon-
trollstruktur bzw. Fähigkeit, die sich qualitativ von den in die Konstruktion
dieser Struktur eingeflossenen Komponenten unterscheidet. Die neue
Kontrollstruktur kann wiederum als ein Element in neue Koordinationen
eingehen. Der Übergang von einem Unterstadium zum nächsten in einer
beliebigen Domäne vollzieht sich ebenfalls durch Koordination; allerdings
müssen die hier koordinierten Elemente nicht unterschiedlicher Form o-
der Funktion sein. Im Gegensatz zur Erreichung eines neuen Hauptsta-
26
diums bleibt in diesem Fall die generelle Natur der Fähigkeit gleich, das
Kind kann jedoch komplexere Situationen bewältigen. Was die Untersta-
dien unterscheidet, ist die Anzahl der repräsentierten und manipulierten
Elemente und die Art ihrer Organisation.
• Prozessuale Aspekte der Entwicklung: Bei der Beschreibung der Natur
der Prozesse, die den Übergang von einem Stadium zum anderen er-
möglichen, orientiert sich Case (1987b) wieder stark am Informations-
verarbeitungsparadigma. Er unterscheidet Mikroprozesse und Makropro-
zesse: Auf einer abstrakten Beschreibungsebene charakterisieren die
Prozesse schematische Suche, Evaluation, Reorganisation und Konsoli-
dierung den Informationsverarbeitungsprozess. Diese vier Mikroprozesse
sind nach Case formal erforderlich, um die Koordination zweier Struktu-
ren in eine Struktur höherer Ordnung erklären zu können: Ein Schema
muss gesucht werden, während das erste aktiv bleibt; die Nützlichkeit
oder Angemessenheit des gefundenen Schemas muss überprüft werden;
die beiden Schemata müssen reorganisiert (retagged) und zu einer funk-
tionierenden Einheit verfestigt (konsolidiert) werden. Auf der Ebene der
intellektuellen Aktivitäten ermöglichen diese Grundprozesse Exploration
und Problemlösung sowie Imitation und wechselseitige Regulierung.
Schulische und außerschulische Instruktion ist nach Case eine Form der
wechselseitigen Regulierung. Diese vier Hauptaktivitäten (Makroprozes-
se) garantieren per se die Konstruktion neuer Strukturen und damit das
stete Fortschreiten der kognitiven Entwicklung. Mit ansteigendem Intelli-
genzniveau - ab dem Ende des dimensionalen Stadiums und insbeson-
dere während des letzten, abstrakt-dimensionalen Stadiums - zeigt nach
Case aber die Bedeutung von Unterrichts- bzw. Lehrvorgängen ("instruc-
tion") für die weitere Entwicklung.
• Verarbeitungskapazität: Ein weiteres universales Merkmal der Entwick-
lung ist nach Case (1987b), dass die Fähigkeit des Kindes zur hierarchi-
schen Koordination bzw. Integration generell durch die Kapazität seines
Kurzzeitgedächtnisses beschränkt ist. Diese wächst mit den Teilstadien
von jeweils einem (vorläufiges Stadium) auf zuletzt vier (elaboriertes
Stadium) Elemente bzw. Ziele, die gleichzeitig berücksichtigt werden
können, an. Dieses Universal bietet auch eine Erklärungsmöglichkeit da-
für, dass die intellektuelle Entwicklung relativ langsam fortschreitet und in
einer großen Anzahl von Domänen parallel abläuft. Zu dieser Zunahme
an Verarbeitungskapazität bzw. wachsender operationaler Effizienz tra-
27
gen sowohl Übung bzw. Training in der betreffenden Klasse von Opera-
tionen (sensomotorisch, interrelational usw.) als auch Reifungsfaktoren
(neurologische Veränderungen) bei.
2.4.1 Die remediale Unterrichtsstrategie von Case
In der remedialen Strategie abstrahiert Case (1980) von der Art des zu lernenden
Konzeptes und von persönlichkeitsspezifischen Unterschieden, setzt aber eine
klare Definition der Aufgabe voraus (Sander, 1986).
Sander beschreibt, dass kognitive Lernschwierigkeiten häufig folgende Ursache
haben: Die Lernenden gehen begründbar an die Aufgabe mit einem vorgefassten
Begriff oder einer vorgefassten Strategie heran. Diese Herangehensweise ist aber
zu einfach und erschwert das Verstehen des richtigen Begriffes oder die Entde-
ckung der richtigen Strategie. (1986, S. 61)
Die mangelnde Auseinandersetzung mit der Herausforderung der Situation bzw.
Aufgabe führt dazu, dass der Lernende keinen kognitiven Konflikt verspürt und
vorschnell inadäquat handelt. Erst die Wahrnehmung der Lernschwierigkeit als
kognitiven Konflikt löst adäquate Denkprozesse und Lösungsverhalten aus.
Case (1980) führt als weitere Ursachen für Lernschwierigkeiten die zu hohe An-
forderung an das Arbeitsgedächtnis des Lernenden und mangelnde Übung in den
der Gesamtaufgabe zugrunde liegenden Operationen an.
Case postuliert im Rahmen der remedialen Strategie eine Zwei-Schritt-Prozedur,
die von den individuellen Lernvoraussetzungen des Lerners ausgeht und auf die
Induzierung eines kognitiven Konfliktes zielt:
• Zuerst seien die Denkfehler der Lernenden zu identifizieren.
• Im zweiten Schritt müssen die Schüler dazu gebracht werden, eine Folge
von Handlungen durchzuführen, die ihnen die Unangemessenheit ihrer
Strategie vor Augen führt und ihnen so die Möglichkeit gibt, eine ange-
messenere Strategie zu entwickeln" (Sander, 1986, S. 62).
Den Lernenden müssen Aufgaben gestellt werden, bei denen sie mit den bisheri-
gen Strategien nicht zum Ziel kommen können; es wird ein kognitiver Konflikt in-
duziert. Der Lernende muss, vom Lehrenden und geeigneten didaktischen Metho-
den dosiert unterstützt, darauf hin den Konflikt sowie die Ursache dafür erkennen
und eine adäquate Strategie entwickeln.
28
3 Conceptual Change
3.1 Conceptual Change aus kognitivistischer Perspektive
3.1.1 Conceptual Change als Modifikation mentaler Modelle: Der Rahmen-
theorieansatz von Vosniadou
Der Rahmentheorieansatz von Vosniadou (1994a, 1994b) bietet die Grundlage für
die Auseinandersetzung mit Veränderungen der Wissensstrukturen durch die Ver-
änderung mentaler Modelle.
Vosniadou geht davon aus, dass Konzepte in komplexe Strukturen eingebettet
sind, die die constraints für die Konzeptbildung beinhalten. Sie unterscheidet zwi-
schen domänenspezifischen Rahmentheorien und spezifischen Theorien.
Die Rahmentheorie berücksichtigt sowohl ontologische als auch epistemologische
Überzeugungen, auf deren Basis Beobachtungen und kulturell vermittelte Informa-
tionen interpretiert werden.
Da ontologische und epistemologische Überzeugungen die Grundlage unserer
Wissensbasis bilden, hat die Revision dieser Annahmen dramatische Konsequen-
zen für eine Vielzahl anderer, darauf aufbauender Annahmen. Deshalb sind sie
auch in hohem Maße resistent gegenüber Veränderungen (Mandl, 1993a).
Bei einer Nichtpassung der Rahmentheorie kann es aber bei der Informationsauf-
nahme und Interpretationen zu einem kognitiven Konflikt kommen, der aufgelöst
werden muss (Vosniadou & Brewer, 1992).
Nach Piaget (1970) lösen neue Informationen eine Assimilation aus. Dabei können
Inkonsistenzen entstehen, die das Individuum versucht, durch die Generierung
synthetischer mentaler Modelle aufzulösen. Diese mentalen Modelle führen häufig
zu Fehlkonzepten.
Durch die graduelle Modifikation mentaler Modelle entsteht nach Vosniadou Con-
ceptual Change. Die Veränderung der mentalen Modelle kann in zwei Ausprägun-
gen erfolgen Vosniadou (1999, 1994a, 1994b):
• Es kann eine Form der Anreicherung der existierenden kognitiven Struk-
turen durch neue Informationen stattfinden;
29
• Es kann aber auch zu einer Revision der Annahmen kommen, wenn die
neuen Informationen und die vorhandenen Strukturen und Annahmen in-
konsistent sind.
Das Wirksamwerden bestimmter ontologischer Überzeugungen, die Vosniadou
der Rahmentheorie zuordnet, könnte man auch als Resultat von (v.a. ontologi-
schen) Kategorisierungen verstehen, die weitere Annahmen nach sich ziehen.
3.1.2 Conceptual Change als Überwindung von Kategorisierungsfehlern:
der Kategorisierungsansatz von Chi
Chi (1992) unterscheidet drei verschiedene konstitutive ontologischer Kategorien:
Dinge, Prozesse und mentale Zustände.
Innerhalb dieser Kategorien werden verschiedenen Hierarchiestufen weitere, onto-
logisch verschiedene Subkategorien ausdifferenziert:
• Die Kategorie Dinge wird ausdifferenziert in die Subkategorien Artefakte
und Naturdinge. Die Subkategorie Naturdinge unterteilt sich in nichtle-
bendige und lebendige Dinge. Die lebendigen Dinge unterteilt Chi wie-
derum in Pflanzen und Tiere, die nichtlebendigen in feste Körper und
Flüssigkeiten.
• Die Kategorie Prozesse gliedert sich auf in Prozeduren, Ereignisse und
die sog. Constraint-based-Interaction-Subkategorie. Die letztere ist bei
der Entstehung von Fehlkonzepten besonders wichtig. Bei den Ereignis-
sen unterscheidet Chi intentionale und zufällige Ereignisse. Bei der
Constraint-based-Interaction-Subkategorie gib es die Differenzierung in
natürliche und künstliche Prozesse.
• Die Kategorie mentale Zustände wird unterteilt in emotionale und intenti-
onale Zustände subsumiert.
Der Conceptual Change findet statt, in dem ein Konzept, das ursprünglich einer
bestimmten ontologischen Kategorie zugeordnet wurde, unter einer anderen onto-
logischen Kategorie subsumiert wird (Chi, Slotta und DeLeeuw, 1994).
3.2 Bewertung kognitivistischer Conceptual-Change-Ansätze aus situatio-
nistischer Perspektive
Sowohl Vosniadou als auch Chi stellen zunächst das, was ihre Probanden nicht
können in den Mittelpunkt ihrer Forschung. Diese Defizitorientierung ist in sofern
30
normativ, als sie auf anerkannte objektive Kriterien bei der Bestimmung des Deltas
zwischen aktuellem und zu erreichendem Wissensstand referenziert und weniger
auf die eigenen Ressourcen des einzelnen Individuums.
Die neueren Arbeiten von Vosniadou (Vosniadou, 1999; Vosniadou, Ioannides,
Dimitrakopoulou & Papademetriou, 2001) und von Chi (Chi & Roscoe, 2001) mu-
ten deutlich "konstruktivistischer" an.
Den zentralen situationistischen Grundannahmen folgend (z.B. Pea, 1993; Salo-
mon, 1993) sind vor allem folgende Aspekte kritisch zu beleuchten:
Die Verdinglichung, der vernachlässigte Kontext, die Wissensdiagnostik, die Fo-
kussierung auf initiales Lernen in wohl strukturierten Domänen und der kognitive
Bias.
3.2.1 Die Verdinglichung
In den kognitivistischen Ansätzen zum Lehren und Lernen werden Repräsentatio-
nen von Wissen häufig über die Verdinglichung von Konstrukten beschrieben. Aus
situationistischer Perspektive (vgl. Clancey, 1993; Greeno, 1997; Lave, 1988) ist
die Beschreibung von Wissen als aus ontologischen Kategorien attribuierbare En-
titäten unangemessen.
3.2.2 Der vernachlässigte Kontext
Üblicherweise ist der wissenschaftliche Kontext in kognitivistischen Ansätzen der
einzige Bezugsrahmen für Konzepterwerb und die Anwendung von Konzepten.
Die dabei zu beobachtenden Fehlkonzepte bilden die Basis für die Analyse und
Beseitigung der Defizite.
Fehlkonzepte sind aus situationistischer Perspektive nicht deshalb problematisch,
weil sie aus wissenschaftlicher Sicht falsch sind. Probleme resultieren lediglich
aus der Anwendung dieser Konzepte außerhalb der Kontexte, in denen sie Funk-
tionalität beanspruchen können (Mandl, 1993b).
Insbesondere gibt es kaum Konsequenzen von Fehlkonzepten aus dem wissen-
schaftlichen Kontext für den Alltag (Caravita, 2001). Die mangelnde Transferier-
barkeit von Erkenntnissen zu Fehlkonzepten aus einem Kontextbereich in einen
anderen einerseits und die Fokussierung auf Kontextbereiche, in dem die Konzep-
te Lernender nicht funktionieren andererseits greift zu kurz. Vielmehr müssen die
Funktionalität und Dysfunktionalität von Konzepten in den jeweiligen Kontexten
31
untersucht werden. So gehen Smith, Di Sessa und Roschelle (1993) davon aus,
dass Fehlkonzepte, insbesondere die "hartnäckigsten", ihre Wurzeln in durchaus
produktivem Wissen in anderen Kontexten haben.
3.2.3 Die Wissensdiagnostik
Die Wissensdiagnostik in den kognitivistischen Ansätzen erfolgt höchst indivi-
duumzentriert. Interaktionen mit anderen Individuen oder Einbeziehung von Um-
weltressourcen spielen kaum eine Rolle. Wissenserwerb und –anwendung in
alltäglichen Situationen hingegen ist sehr komplex. Die Diagnostik
alltagsrelevanten Wissens erfordert dementsprechend authentische Methoden und
Verfahren, die auch Formen distribuierter Kognition und Intelligenz einbeziehen
(Pea, 1993; Salomon, 1993). Die ökologische Validität einer rein
individuumbezogenen Wissensdiagnostik ist daher sehr eingeschränkt.
Die Beziehung zwischen bestimmten Konzepten und der kognitiven Struktur, in die
sie eingebettet sind, ist aus situationistischer Sicht ist weitaus komplexer als es die
kognitivistisch orientierte Wissensdiagnostik vermuten lässt (Mandl, 1993a).
Selbst aus wissenschaftlicher Sicht inkompatible Repräsentationen können in ein
und derselben Person auf "friedliche" Weise koexistieren, ohne kognitive Konflikte
zu verursachen (Clement, 1982).
Ökologisch valide Wissensdiagnostik setzt voraus, dass Konzepte als komplexe
Cluster von zum Teil hierarchisch organisierten und miteinander vernetzten, zum
Teil aber auch parallel und kompartmentalisiert "existierenden" Einheiten verstan-
den werden (Mandl, 1993a).
3.2.4 Die Fokussierung auf initiales Lernen
Die Betonung initialen Lernens in frühen Phasen der kognitiven Entwicklung, fo-
kussiert auf separierte und wenig komplexe Teilgebiete ist für
entwicklungspsychologisch orientierte Ansätze (Vosniadou, 1994b)
selbstverständlich. Für die Betrachtung von Entwicklungsverläufen in der
gesamten Lebensphase greifen diese Ansätze zu kurz (Baltes, Staudinger &
Lindenberger, 1999). Hiefür wäre es notwendig, die Rahmentheorieansätze
gerade in Bezug auf komplexere Veränderungen von Wissensstrukturen in
späteren Entwicklungsphasen zu adaptieren. Dann könnten auch komplexere
Problemstellungen im Allgemeinen und insbesondere komplexere, weniger
strukturierte Domänen in den Blick genommen werden, wie sie in
alltagsrelevanten Situationen anzufinden sind (Mandl, ….).
32
3.2.5 Der kognitive Bias
Bei den älteren kognitivistischen Ansätzen zum Conceptual Change werden emo-
tionale, motivationale und einstellungsrelevante Aspekte meist ausgeblendet
(Pintrich, 1999; Pintrich, Marx & Boyle (1993).
In den eueren Forschungen finden auch nicht-kognitive Aspekte Berücksichtigung
(z. B Pintrich, 1999). So analysiert er den Einfluss von Zielorientierungen, von per-
sönlichen Interessen, Selbstwirksamkeit und Kontrollüberzeugungen auf Concep-
tual Change.
Der Einfluss verschiedener motivationaler und auch emotionaler Aspekte auf
Lernprozesse und resultierenden Conceptual Change wird natürlich in hohem Ma-
ße von der subjektiven Bedeutung und der Funktion und damit von den Konse-
quenzen abhängen, die das entsprechende Wissen in dem untersuchten Bereich
bzw. dessen Aktualisierung in einer bestimmten Situation für eine Person hat
(Mandl, 1993a).
4 Conceptual Change situationistisch
4.1 Conceptual Change als Resultat von Kontextualisierung: der Kontext-
Ansatz von Caravita und Halldén
Die in den kognitivistischen Ansätzen des Conceptual Change fehlende Kontextu-
alisierung stellen Caravita und Halldén (1990, 1993, 1994) in den Mittelpunkt ihres
hierarchischen Kontextmodells. Sie unterscheiden in dem Modell zwischen All-
tagskontext und wissenschaftlichem Kontext auf jeweils drei Abstraktionsebenen:
• Erste Abstraktionsebene:
Alttagskontext: Praxis
Wissenschaftlicher Kontext: Empirie
• Zweite Abstraktionsebene:
Alttagskontext: Interpretation einer Aufgabe auf der Basis von Common
sense-Annahmen und Handlungsnormen
Wissenschaftlicher Kontext: Interpretation einer Aufgabe durch theoreti-
sche Konzepte.
33
• Dritte Abstraktionsebene:
Alttagskontext: Annahmen machen einen wesentlichen Teil der Weltan-
schauungen und ideologischen Bindungen aus.
Wissenschaftlicher Kontext: Theoretische Konzepte in einen übergeord-
neten theoretischen Kontext eingebettet.
Die Unterscheidung zwischen Alltagskontext und Wissenschaftskontext ist eine
Frage der Situierung von Problemstellungen. Die Unterscheidung zwischen den
drei Hierarchieebenen ist hingegen mehr eine Frage des kognitiven Kontexts, der
die Ressourcen für die weitere Interpretation der Aufgabe bestimmt (vgl. Tiberg-
hien, 1994; Halldén, 1999).
Da die situative und kognitive Kontextualisierung von Individuen sehr unterschied-
lich beeinflusst sein können, gilt es die Kontextualisierung selbst in das methodi-
sche Design aufzunehmen. Halldén (1999) lässt zu diesem Zweck, die Probanden
ihre Aufgabenlösungen begründen bzw. verteidigen.
5 Kooperativen Lernens
In der lerntheoretischen Diskussion spielt das kooperative Lernen in vielen
Ansätzen eine zentrale Rolle. Ob die verschiedenen Ansätze nun vom
,,kooperativen Lernen'', ,,kollaboratives Lernen'' oder auch ,,Gruppenlernen''
sprechen, gemeinsam ist die Betrachtung des Lernens durch Interaktionsformen
bei denen die Mitglieder einer Gruppe gemeinsam und in wechselseitigem
Austausch Kenntnisse und Fertigkeiten erwerben. Dabei sind alle
Gruppenmitglieder gleichberechtigt am Lerngeschehen beteiligt und tragen
gemeinsam Verantwortung. (Cohen, 1994; in Hesse, Garsoffky und Hron, 1997;
Jaques, 1984, S.1).
Zahllose Forschungsarbeiten bestätigen die Effektivität kooperativer Lernformen in
authentisch-komplexen Lernprozessen (Bielaczyc, K. & Collins, A. ,1999, Collins,
1994; Astin, 1993; Cooper et al., 1990; Goodsell et al., 1992; Johnson et al., 1991;
McKeachie, 1986). Verglichen mit traditionellen Unterrichtsformen (z.B. direkte
Instruktion, Einzelarbeit, konkurrierende Bewertung) zeigen kooperativ Lernende
(Felder & Brent, 1994]
• bessere Unterrichtsleistungen
• eine höhere Ausdauer im Unterricht
34
• bessere kognitive Leistungen (schlussfolgerndes und kritisches Denken)
tieferes Verstehen
• mehr auf die Aufgabe bezogenes und weniger störendes Verhalten
• geringere Niveaus an Angst und Stress
• höhere intrinsische Lern- und Leistungs-Motivation
• höhere Fähigkeit eine Situation aus der Perspektive anderer zu beobach-
ten
• ein höheres Maß an positiven und unterstützenden Beziehungen
• positivere Einstellungen und mehr Selbstachtung.
Trotz unterschiedlicher theoretischer Grundlagen und praktischer Schwerpunkt-
setzungen besteht Einigkeit hinsichtlich der zentralen Merkmale kooperativen Ler-
nens (Johnson,. Johnson, & Smith, 1991; Felder & Brent, 1994; Felder, Mohr,
Dietz & Baker Ward,1994; Felder, Felder, Mauney, Hamrin & Dietz, 1994; Jaques,
1984, S. 1):
• Positive Wechselbeziehungen: Gemeinsam arbeiten die Gruppenmitglie-
der an der Zielerreichung. Individuelle Stärken und Schwächen, wirken
sich unmittelbar auf die Gesamtgruppe aus. Durch die kontinuierliche In-
teraktion im Lernprozess bearbeiten die Gruppenmitglieder die Themen
aus multiplen Perspektiven (Slavin, 1995).
• Individuelle Verantwortlichkeit: Jeder ist für seinen Beitrag zum Grup-
penergebnis verantwortlich.
• Hilfreiche Interaktion: In den Phasen des gemeinsamen Erarbeitens gibt
es verschiedene Möglichkeiten und Formen der Interaktion.
• Feedbackprozesse: Austausch und Feedback geben dem Einzelnen Ge-
legenheit, sein individuelles Verhalten, seine Sichtweisen und sein Ver-
ständnis zu reflektieren, zu korrigieren oder auch zu festigen.
• Angemessene Nutzung kooperativer Fähigkeiten: Lernende werden in ih-
ren kooperativen Fähigkeiten wie Kommunikations- und Konfliktverhal-
ten, unterstützt.
• Reflexion der Gruppenprozesse: In dem die Gruppenmitglieder regelmä-
ßig ihr Zusammenwirken im Hinblick auf die gemeinsame Zielerreichung
überprüfen, optimieren sie ihr metakognitives Wissen.
5.1 Soziogenetische Auseinandersetzung mit dem kooperativen Lernen
Die soziogenetische Auseinandersetzung mit dem kooperativen Lernen ist vor al-
lem durch Piagets konstruktivistischen Ansatz geprägt. In Piagets grundlegenden
35
Forschungen und den darauf aufbauenden neueren Arbeiten (Doise & Mugny,
1984; Piaget, 1985) wird gemeinsame Wissenskonstruktion als Interpretation der
gemachten Erfahrungen mit Objekten und Personen in der eigenen Umwelt auf
der Basis der konstruierten kognitiven Systeme untersucht (vgl. De Lisi & Gold-
beck, 1999).
Die notwendigen kognitiven Konstruktionsprozesse können durch die soziale In-
teraktion gefördert werden. So wird erforscht, inwieweit die soziale Interaktion
funktionalen Einfluss auf die kognitive Veränderung hat (z. B. Nastasi & Clements,
1992).
Piaget (1985) beschrieb Konstruktion als einen Prozess, in dem das Individuum
seine Erfahrungen reflektiert und organisiert, um einerseits seine Umwelt zu struk-
turieren und sich andererseits an diese Umwelt anzupassen. Der Begriff der Kon-
struktion bezieht sich zum einen auf die Veränderung kognitiver Systeme in der
Zeit, es geht also um die Entwicklung kognitiver Systeme. Diese Veränderung
kognitiver Systeme wird als Veränderung der Erkenntnisgrundlagen in den Ansät-
zen zum Conceptual Change aufgegriffen und weiterentwickelt (z. B. Vosniadou &
Brewer, 1994). Zum anderen bezog Piaget den Begriff der Konstruktion auf die
Anwendung bereits entwickelter kognitiver Systeme, um eine gegebene Situation
zu interpretieren.
Aufbauend auf Piagets Erkenntnissen geht die soziogenetische Auseinanderset-
zung mit dem Kooperativen Lernen davon aus, dass es immer dann zu Störungen
(Perturbationen) des individuellen kognitiven Gleichgewichts (Äquilibrium) kommt,
wenn kooperative Lernpartner aufeinander treffen, die unterschiedlicher Auffas-
sung sind.
In dem Bestreben das Äquilibrium wieder herzustellen, gibt es mehrer Optionen
(vgl. De Lisi & Goldbeck, 1999): Das Individuum
• sucht lokale Kohärenz mit der Folge veränderten oder vertieften Ver-
ständnisses;
• ignoriert Informationen, die den eigenen Annahmen oder Modellen wi-
dersprechen;
• nimmt einfach die Sicht des anderen an, ohne kognitive Veränderungen
zu vollziehen.
Die neueren, auf Piaget aufbauenden Forschungsansätze zum kooperativen Ler-
nen betonen vor allem die Funktion des sozio-kognitiven Konflikts (z. B. Doise &
Mugny, 1984). Die Veränderung individueller Wissensstrukturen wird durch das
36
Aufeinandertreffen gegensätzliche Auffassungen gefördert.
Doch Forschungsergebnisse zeigen auch, dass nicht der sozio-kognitive Konflikt
an sich positive Veränderungen bewirkt, sondern dass es vor allem auf die Art der
kooperativen Lösung des Konflikts ankommt (Nastasi & Clements, 1992).
Vor der Betrachtung der Lösungsstrategien werden soziale Konflikte, die nicht auf
die Aufgabe bzw. ihre Lösung bezogen sind (etwa aufgrund der Gruppendynamik)
und kognitive Konflikten, die auf gegensätzliche Ideen zur Aufgabe oder deren
Lösung bezogen sind unterschieden. Dieser Differenzierung entsprechend sollte
empirischen Befunden nach für einen optimalen Lernerfolg bei der Wahl der Lö-
sungsstrategien Rechnung getragen werden: Sozialen Konflikten ist demnach mit
sozialen Lösungsstrategien zu begegnen und kognitiven Konflikten mit kognitiven
Lösungsstrategien.
Der kognitive Konflikt der entsteht, wenn neue Information mit den eigenen kogni-
tiven Strukturen nicht kompatibel sind, wird auch in der Forschung zum Conceptu-
al Change als wichtiger Wirkmechanismus aufgefasst (Chinn & Brewer, 1993).
5.2 Kooperatives Lernen durch kognitive Elaborationen
Ansätze der kognitiven Elaboration (vgl. Cohen, 1994) gehen davon aus, dass
Wissensveränderung durch die Integration neuer Information in Vorwissensstruk-
turen entsteht. Kooperatives Lernen durch kognitive Elaboration unterstützt kom-
munikative Handlungen (z. B. King, 1999), die diese individuellen kognitiven Pro-
zesse des Lernens anregen und unterstützen (z. B. Webb & Farivar, 1999).
Theoretische Basis des kooperativen Lernens durch kognitive Elaboration sind
Erkenntnisse zu kognitiven Modellen der Informationsverarbeitung (z. B. Ander-
son, 1996; Newell & Simon, 1972). Zentraler kognitiver Prozess in diesen Model-
len ist die Elaboration. Elaborative Verarbeitung besteht in der Anreicherung ge-
gebenen Materials um zusätzliche Information (Anderson, 1996) und erhöht die
Integration neuer Informationen in bestehende Wissensstrukturen.
Durch spezifische kommunikative Handlungen und verschiedene Formen der so-
zialen Interaktion wird die kognitive Elaboration angeregt.
Als einen Typus spezifischer kommunikativer Handlungen identifizierte Teasley
(1997) Problemlöse-Dyaden. In diesen waren Aussagen, bei denen durch
Interpretation deutlich über die gegebene Information hinausgegangen wird,
häufiger als bei Individuen, die bei derselben Aufgabe zum lediglich lauten Denken
angehalten wurden. Dies führte sowohl bei individuellen als auch bei kooperativen
37
gehalten wurden. Dies führte sowohl bei individuellen als auch bei kooperativen
Lern-Settings zu einem besseren Lernerfolg. Die transaktive Diskussion wird als
eine weitere wichtige Kommunikationsform bei der Elaboration skizziert (Berkowitz
& Gibbs, 1983; De Lisi & Goldbeck, 1999). Teasley (1997) beschreibt in ihrem
Modell transaktive Diskussionsbeiträge als solche, bei denen der Lernpartner sein
Tun entweder dazu nutzt, den Gedanken des anderen weiterzuverarbeiten, oder
dazu, seine eigenen Gedanken klarer darzustellen. Ein starker positiver Zusam-
menhang von Lernerfolg in Problemlöseaufgaben und transaktiver Diskussion
konnte empirisch nachgewiesen werden.
Eine weitere kommunikative Handlung ist die Elizitation. Unterschiedliche aufga-
benbezogene Fragen können eine intensive Elaboration stimulieren. King (1999)
unterscheidet verschiedene Fragetypen: Zusammenfassungsfragen, Denkfragen,
Hinweisfragen und Metakognitionsfragen. In einem zu beachtenden Kontext füh-
ren aufgabenbezogene Fragen und ihre diskursive Beantwortung innerhalb koope-
rativer Lernprozesse zu besserem Lernerfolg bei Problemlöseaufgaben (King,
1989).
Neben der eigentlichen kommunikativen Handlung scheint auch die bloße Erwar-
tung späterer Kooperation von Bedeutung zu sein. Durch die Erwartung selbst
können kognitive Restrukturierungsprozesse ausgelöst werden (King, 1999). In-
wieweit die Kooperationserwartung und die dadurch ausgelösten kognitiven Pro-
zesse unmittelbar mit dem Lernerfolg zusammenhängen, oder ob weitere, nicht-
kognitive Faktoren, berücksichtigt werden müssen, ist Gegenstand verschiedener
Untersuchungen (z. B. Renkl, 1997b; van Boxtel, van der Linden & Kanselaar,
2000; Webb, Ender & Lewis, 1986).
Kommunikative Handlungen werden traditionell als menschliche Interaktionsform
untersucht. Im Zeitalter der Computerisierung werden verstärkt Computer-
Mensch-Kommunikationsszenarien untersucht. Im Rahmen von Mensch-
Computer-Kooperationsprozessen (z. B. Hoppe & Ploetzner, 1999) fungiert der
Computer meist als Experten- und Tutoringsystem (z. B. Person & Graesser,
1999). Dabei werden typische Dialogstrukturen des zwischenmenschlichen Tuto-
rings auf die Mensch-Computer-Kommunikation übertragen.
5.3 Soziokulturelle und situierte Ansätze des kooperativen Lernens
Für die meisten soziokulturellen und situierten Ansätze des kooperativen Lernens
bildet der kulturhistorische Ansatz von Wygotsky (1986) die Basis. In diesem An-
38
satz beschreibt Wygotsky, dass alle höheren psychischen Funktionen sozio-
kulturell vermittelt sind. In der jeweiligen spezifischen Umwelt erarbeiten sich Indi-
viduen in der Interaktion mit anderen die kulturellen Werkzeuge und Symbole die-
ser Umwelt (vgl. Hogan & Tudge, 1999).
Diskursprozesse und -strukturen werden in einem komplexen Zusammenspiel von
Externalisierung und Internalisierung zu einem Element der intraindividuellen Re-
gulationsprozesse.
Meist unterschiedlich kompetente Partner sozialer oder kultureller Gruppen kon-
struieren im gemeinsamen Diskurs Wissen external. Dabei unterstützen die kom-
petenteren Partner die weniger kompetenten Partner idealerweise in einer Zone
der nächsten Entwicklung (Wygotsky, 1986). In dieser Zone der nächsten Entwick-
lung können Lernende aufgrund der Unterstützung durch den sozialen und physi-
kalischen Kontext Aufgaben bearbeiten, die über ihren aktuellen Entwicklungs-
stand hinausgehen.
Die Internalisierung führt zu einer Veränderung bei dem Individuum und damit sei-
ne Zone der nächsten Entwicklung. Durch diese Veränderung wird idealerweise
auch die Externalisierungen der Lernpartner der Gruppe gefördert. Aus dieser
Perspektive lässt sich die gemeinsame Wissenskonstruktion definieren als eine
durch andere unterstützte individuelle Aneignung sozialer Konstruktionen.
Ansätze des situierten Lernens befassen sich auf dieser Basis mit der gemeinsa-
men Wissenskonstruktion. Im Fokus steht die Fragestellung, wie Wissen in Grup-
pen gemeinsam konstruiert und geteilt wird. In Learning Communities oder Com-
munities of Practice lernen Gruppen in komplexen konstruktivistischen Lernset-
tings (z. B. Brown et al., 1993; Gerstenmaier und Mandl, 2001; Greeno, 1998;
Hewitt & Scardamalia, 1998; Scardamalia & Bereiter, 1994).
Konstruktivistische Ansätze des situierten Lernens gehen von folgenden Kernan-
nahmen aus:
• Bestimmte Konzepte sind nicht richtig oder falsch, sondern nur mehr o-
der weniger funktional für unterschiedliche physikalische und soziale
Kontexte. Damit funktionales Wissen erworben werden kann, muss es in
der Interaktion mit dem sozialen und physikalischen Kontext konstruiert
werden (z. B. Collins, Brown & Newmann, 1989).
• Wissen ist nicht ausschließlich in den Köpfen der Lehrenden und Ler-
nenden repräsentiert, sondern kann auch im physikalischen und sozialen
Kontext distribuiert sein (Salomon, 1993). Daher ist die Aneignung von
39
Wissen durch das Individuum im Diskurs nicht gleichzusetzen mit der
Konstruktion von "in-the-head tools" (Perkins, 1993), d. h. von individuel-
len kognitiven Wissensstrukturen.
5.4 Kooperatives Lernen durch den argumentativen Diskurs
Die Forschung zum argumentativen Diskurs in der Sprachpsychologie und den
Sozialwissenschaften die längste Historie (z. B. Spranz-Fogasy, Hofer & Pi-
kowsky, 1992; Toulmin, 1958).
Aber auch in anderen der Wissenschaft wurde der argumentative Diskurs in unter-
schiedlichen Zusammenhängen untersucht.
So erforschten Kuhn, Shaw und Felton (1997) Entwicklung der argumentativen
Kompetenz bei Kindern und Erwachsenen aus der Perspektive der Entwicklungs-
psychologie.
Der Zusammenhang von logischem Denken bei Kindern oder Erwachsenen und
formal logischen Modellen bildet einen zentralen Forschungsschwerpunkt im pä-
dagogisch-psychologischen Bereich (z. B. Anderson, Chinn, Chang, Waggoner &
Yi, 1997; Means & Voss, 1996).
Im Rahmen der Lehr-Lernforschung steht die argumentative Kompetenz von Ler-
nenden im Mittelpunkt. Die Frage nach den förderlichen Faktoren für die Entwick-
lung dieser Kompetenz ist auch bei den Forschungen zum kooperativen Lernen
von besonderer Bedeutung (z. B. Suthers & Hundhausen, 2001; Leitao, 2000).
Die Auseinandersetzung mit dem argumentativen Diskurs beim kooperativen Ler-
nen erfolgt aus zwei Richtungen:
• Aus der ersten Perspektive wird die argumentative Kompetenz als Vor-
aussetzung für gemeinsame Wissenskonstruktion angesehen. Durch den
eigentlichen argumentativen Diskurs steigt in dieser Betrachtung die
Qualität des erworbenen Wissens, in dem die Lernenden miteinander E-
videnz und Gegenevidenz für die geäußerten Behauptungen und Über-
zeugungen und gewichten konkurrierende Thesen hinsichtlich der positi-
ven und negativen Evidenz suchen (Derry, 1999). Je nach Ergebnis ver-
ändern die Lerner ihre Wissensstrukturen dementsprechend.
In dem konkreten methodischen Vorgehen empfiehlt Leitao (2000) dass
als Basiseinheit des argumentativen Diskurses mindestens ein Argument
40
und ein Gegenargument analysiert werden und gemeinsam eine Antwort
auf das Gegenargument gefunden wird.
• Die zweite Perspektive beschreibt argumentative Kompetenz als Ziel der
gemeinsamen Wissenskonstruktion beim kooperativen Lernen. Dabei ist
die argumentative Kompetenz nicht isoliert, sondern vielmehr im Zu-
sammenhang mit den weiteren sozialen Kompetenzen (z. B. Christmann,
Mischo & Groeben, 2000).
Derry (1999) beschreibt den Erwerb von argumentativer Kompetenz als komple-
xen Prozess, in dem zwei Typen von Wissen unterschieden werden können, Wis-
sen über die Form und Wissen über die Inhalte der Argumente.
Das Verständnis der Bestandteile eines Argumentes und ihrer Relationen zuein-
ander ist das Wissen über die Form und das Verständnis der Evidenz von Argu-
menten kennzeichnet das Wissen über den Inhalt.
Insbesondere die Einschätzung der Evidenz von Argumenten und die schlussfol-
gernde Argumentation mit diesen Evidenzen fällt häufig auch Erwachsenen
schwer (z. B. Kuhn, 1991; Kuhn et al., 1997).
5.5 Kollektive Informationsverarbeitung als Form des kooperativen Ler-
nens
Grundannahme der Ansätze der kollektiven Informationsverarbeitung ist, dass die
Gruppe Merkmale der Informationsverarbeitung aufweist, die die beteiligten Indivi-
duen in dieser Form nicht zeigen. Die Gruppe als Ganzes ist dabei ein informati-
onsverarbeitendes System (z. B. Larson & Christensen, 1993).
Die verschiedenen Ansätze haben unterschiedliche Schwerpunkte: den Einfluss
von mentalen Modellen in Teams auf deren Koordination und Teamleistung Kli-
moski und Mohammed (1994); Entwicklung und Auswirkungen von überindividuel-
len Gedächtnissystemen (Wegner, 1987; Moreland, Argote & Krishnan, 1996);
nach den Charakteristika der Informationsnutzung bei Gruppenentscheidungen
(Stasser, 1999) oder auch nach Konsens- und Dissenseffekten in Entscheidungs-
situationen (z. B. Frey & Schulz-Hardt, 2000; Janis, 1982).
Im Rahmen von Ansätzen des kooperativen Lernens geht es vor allem um die A-
nalyse der gemeinsamen Wissenskonstruktion (Fischer & Mandl, 2001a; vgl. Sa-
lomon & Perkins, 1998).
Hinsz, Tindale und Vollrath (1997) definieren die Informationsverarbeitung auf
41
Gruppenebene folgendermaßen:
"We defined group-level information processing as the degree to which information, ideas, or cognitive processes are shared, and are being shared, among the group members and how this sharing of in-formation affects both individual- and group-level outcomes" (S. 53).
Hinsz, et al. (1997) unterschieden in einer Zusammenschau der Forschungser-
gebnis zwei Prozessrichtungen, die bei der Erklärung oder Vorhersage der Grup-
penleistung berücksichtigt werden müssen:
• Die Prozesse bei der Identifikation und Anwendung wichtiger Beiträge
(wie etwa Ressourcen, Skills, Wissen), die die einzelnen Mitglieder in der
Interaktion und bei der Aufgabenbearbeitung einbringen;
• die Prozesse, die über die Integration der verschiedenen Einzelbeiträge
zum Gruppenergebnis führen.
Im dem pädagogisch-psychologischen Bereich wird der Zusammenhang von ko-
operativem Lernen durch gemeinsame Wissenskonstruktion mit den beobachteten
individuellen Differenzen bei den Lernergebnissen untersucht (Fischer, Bruhn,
Gräsel & Mandl, 2002; Renkl, 1997b).
Insbesondere die Frage, wie beim gemeinsamen Problemlösen im Diskurs aus
individuellem Wissen geteiltes Wissen wird und wie die Konstruktion geteilten
Wissens mit individueller Veränderung verknüpft ist (Roschelle, 1996; Roschelle &
Teasley, 1995), bildet einen wichtigen Ansatzpunkt für die gleichwertige Berück-
sichtigung von Individuum und Gruppe.
6 Situiert-konstruktivistisches Lernen in konfliktinduzierenden
Prozessen als Bestandteil einer lebensbegleitenden Lernkul-
tur
6.1 Lernen und Entwicklung als Konstruktionsprozess
Erkenntnisgewinn basiert nach Piaget (1970/1983; 1999) auf Lernen durch Erfah-
rung. Der Lernprozess ist eine Integration von Umweltreizen mit der Entwicklung
der internen kognitiven Strukturen (1970/1983, S. 39).
In Abgrenzung zu behavioristischen Positionen setzt Lernen bei Piaget immer sub-
42
jektive Konstruktionen voraus. Die Strukturen werden in Interaktion mit der Umwelt
differenziert und weiter ausgebildet. "Lernen ist also nichts anderes als ein Ab-
schnitt in der kognitiven Entwicklung, der durch Erfahrung gebahnt oder vorange-
trieben wird" (1970/1983, S. 48). Wenn Lernen zu tiefem Verständnis führen soll,
sollte der Lernprozess und Analyse der Lernergebnisse durch den Lernenden
selbst gestaltet werden:
„Dagegen ruft Lernen unter externer Bekräftigung (indem man der Versuchsperson z.B. gestattet, die Ergebnisse zu beobachten, die sie eigentlich selbst hätte ableiten sollen, oder indem man sie ihr mündlich mitteilt) entweder sehr wenig Veränderung im logischen Denken hervor oder eine augenfällige momentane Veränderung oh-ne wirkliches Verständnis.“ (1970/1983, S. 48)
Hoppe-Graff (1993b) versteht Lernen als Aktivität , die jede "Form von Verände-
rungen kognitiver Fähigkeiten und Fertigkeiten in Folge von Erfahrungen" (S. 313)
umfasst.
Damit Lernprozesse zu nachhaltigem Lernerfolgen und Verhaltensänderungen
führen muss nach Piagets der Lernstoff in die kognitiven Strukturen des Indivi-
duums integriert (assimiliert) werden und zu Veränderungen in den kognitiven
Strukturen führen (vgl. auch Tomic & Kinma, 1996).
6.2 Gestaltungsprinzipien situierter Lernprozesse
Situierte Lernprozesse sollen so gestaltet werden, dass aktives Wissen erworben
werden kann, welches zur Lösung anstehender oder zukünftiger Probleme direkt
oder indirekt nutzbar ist. Auf jeden Fall müssen die Lernenden den potentiellen
Nutzen des erworbenen Wissens für reale Herausforderungen erkennen und ver-
stehen.
Situiertes Lernen fordert eine Balance zwischen Instruktion und Konstruktion.
Konstruktion beschreibt hierbei den Prozess aller aktiv-konstruktiven Leistungen
der Lernenden sowohl allein als auch in der Gruppe gemeint. Konstruktion um-
fasst somit Eigen- bzw. Gruppeninitiative, (kooperative) Selbststeuerung und
Selbstverantwortung. Dabei heißt „aktiv“ nicht unbedingt sichtbare Aktivität; auch
nicht unmittelbar beobachtbare kognitive und motivationale Aktivitäten sind in der
Konstruktion einbezogen. Mit dem Begriff der Instruktion sind die anleitenden und
unterstützenden Aktivitäten der Lehrenden gemeint, zu denen nicht nur kognitive,
sondern auch emotional- motivationale Maßnahmen gehören.
43
Für die Gestaltung von Lernumgebungen zum situierten Lernen lassen sich ver-
schiedene Grundprinzipien festhalten (vgl. z. B. Gerstenmaier & Mandl, 1995,
2001):
• Situiertes Lernen verlangt nach authentischen Kontexten:
So oft es geht, ist eine Lernumgebung so zu gestalten, dass sie den
Umgang mit realen Problemen und authentischen Situationen ermöglicht
und/oder anregt.
• Situiertes Lernen erfordert multiple Kontexte:
Um zu verhindern, dass situativ erworbenes Wissen auf einen bestimm-
ten Kontext fixiert bleibt, ist eine Lernumgebung möglichst so zu gestal-
ten, dass spezifische Inhalte in verschiedene Situationen eingebettet
werden können. Multiple Kontexte fördern einen flexiblen Umgang mit
dem Gelernten und unterstützen dessen Transfer.
• Situiertes Lernen macht soziale Lernkontexte notwendig:
Auch wenn Lernen auf den ersten Blick vor allem ein individueller Pro-
zess ist, spielen soziale Aspekte eine große Rolle. Bei der Gestaltung ei-
ner Lernumgebung sollten möglichst oft soziale Lernarrangements integ-
riert werden, um kooperatives Lernen und Problemlösen sowie Prozesse
zu fördern, die die Entwicklung einer Lern- und Praxisgemeinschaft för-
dern.
• Situiertes Lernen verlangt darüber hinaus auch nach einem instruktio-
nalen Kontext:
Die instruktionale Unterstützung seitens des Lehrenden in Form von Mo-
dellieren und Anleiten, Unterstützen und Beraten ist von großer Bedeu-
tung. Wo Anleitung und Unterstützung erforderlich sind, muss sie den
Lernenden gegeben und bei Bedarf ausgeblendet werden. Flexible Lern-
umgebungen stehen und fallen mit einer adaptiven Instruktion.
7 Gestaltung von Lernumgebungen auf der Grundlage situierten
Lernens
Das Arrangement von Methoden und Techniken, Lernmaterial und Medien ein-
schließlich des sozio-kulturellen Kontextes und der aktuellen Lernsituation lässt
sich unter dem Begriff Lernumgebung subsumieren.
Das besondere an diesen "Umgebungen" liegt somit in der Betonung und Auf-
merksamkeit, die sich auf das Lernen richtet: Im Blickpunkt stehen die Prozesse
44
des Lernens, zu deren Optimierung die Lernumgebung beitragen soll. Ziel ist es,
Lernaktivitäten beim Individuum zu bewirken, die Wissen aufbauen und verfügbar
machen.
Lernumgebungen können nach unterschiedlichen didaktischen Grundorientierun-
gen ausgerichtet werden.
7.1 Grundformen von Lernumgebungen
Traditionell werden drei Grundorientierungen angeführt, die dem Lehrenden unter-
schiedliche Prinzipien zur Förderung des Wissenserwerbs zur Verfügung stellen
(Mandl, 1993b).
Die Grundorientierungen unterscheiden sich vor allem in den zugrunde liegenden
Annahmen zum Lernen, aus denen dann entsprechende Leitlinien zur Gestaltung
von Lernumgebungen abgeleitet werden. Aus der Betrachtung heraus ergeben
sich drei Grundformen von Lernumgebungen:
• Systemvermittelnde Lernumgebungen
• Problemorientierte Lernumgebungen
• Adaptive Lernumgebungen.
7.1.1 Systemvermittelnde Lernumgebungen
Der Gestaltung von Systemvermittelnden Lernumgebungen liegt eine rezeptive
Auffassung von Lernen zugrunde. Die Lernenden sind hier weitgehend passiv; die
Lernumgebung vermittelt ihnen fertige Systeme an Wissensbeständen.
Es wird davon ausgegangen, dass das vorhandene Wissen eines Fachgebietes
eine spezifische Struktur hat und zu Instruktionszwecken entsprechend systema-
tisch organisiert werden kann. Die Lernenden erwerben vor allem Faktenwissen,
wobei sie von außen stark angeleitet und kontrolliert werden
7.1.2 Problemorientierte Lernumgebungen
Den problemorientierten Lernumgebungen liegt eine Ausrichtung nach explorati-
ven Konzepten zum Lernen zu Grunde. Die konstruktive mentale Aktivität des
Lernenden ist demnach notwendige Voraussetzung für jeden Wissenserwerb. Un-
ter Einbezug des Kontextes sind Lernende aktiv, erarbeiten sich selbst neue Inhal-
te und Fertigkeiten. Die Lernumgebung bietet lediglich geeignete Probleme an und
stellt "Werkzeuge" zur Problembearbeitung bereit.
45
7.1.3 Adaptive Lernumgebungen
Adaptive Lernumgebungen orientieren sich an Annahmen zur individuellen Wis-
senskonstruktion. Die Lernumgebung gewährt Freiraum für individuelle Wissens-
konstruktion, bietet gleichzeitig vielfältige Möglichkeiten gezielter Unterstützung
an.
Der Lehrende wird Berater und Prozessbegleiter. Die Komplexität der Inhalte wird
gewahrt, aber an den Wissensstand der Lernenden angepasst.
7.2 Lernumgebungen zum situierten Lernen
Die situierte Lernumgebung, als Kombination aus Forschungsergebnissen von
problemorientierten und adaptiven Lernumgebungen, soll dazu beitragen, das
Lernen zu erleichtern und zu verbessern. Ziel ist es, dem einzelnen Menschen
Lernaktivitäten zu ermöglichen, die Wissen aufbauen und verfügbar machen.
Bei der Gestaltung situativer Lernumgebungen wird die Auswahl von didaktischen
Grundorientierungen und Methoden an die aktuellen situativen Bedingungen, an
die Zielgruppe sowie an die Ziele und Inhalte des jeweiligen Lernprozesses ange-
passt. Die dafür geltenden Grundsätze sind:
• Es soll an komplexen, authentischen Problemen gelernt werden, die zu-
nächst noch einer eingehenden Problemdefinition bedürfen. Diese soll-
ten zudem interessant und intrinsisch motivierend sein.
• Ein zweiter Grundsatz betrifft die Artikulation und Reflektion des Gelern-
ten zur Abstrahierung des Wissens.
• Das Prinzip der multiplen Perspektiven besagt, dass Kenntnisse in ver-
schiedenen Kontexten und unter unterschiedlichen Zielsetzungen gelernt
und angewendet werden sollen, um so mit einer Vielzahl von Anwen-
dungsbedingungen verknüpft zu werden.
• Eine letzte Grundlage betrifft das Lernen im sozialen Austausch, d.h. ko-
operative Lernen und Arbeiten in Gruppen.
Die "Anchored-Instruction-Ansatz" gehört neben dem "Cognitive-Apprenticeship-
Ansatz" und der "Cognitive-Flexibility-Theorie" zu den drei bekanntesten Ansätzen
des situierten Lernens.
7.2.1 Situierte Lernumgebung: Der Anchored-Instruction-Ansatz
Dem Anchored-Instruction-Ansatz übernimmt aus dem Konstruktivismus die An-
46
nahme, dass es in der Struktur der Welten genügend Freiheitsgrade gibt, die es
den Menschen erlauben, ihre eigenen persönlichen Theorien über ihre Umwelten,
sich selbst und über die Theorien anderer anzustellen (Bransford et al., 1989;
Cognition and Technology Group at Vanderbilt, 1990, 1991).
Die Cognition and Technology Group at Vanderbilt (1991, 1992) beschreibt Wis-
sen als einen Prozess, in dem die eigenen Annahmen an anderen Personen und
deren Annahmen getestet werden. Gedankengebäude, die größtenteils miteinan-
der konsistent seien, würden von Gruppen erschaffen, die kontinuierlich die Be-
deutung von Beobachtungen, Daten, Hypothesen usw. aushandeln.
Hauptziel des Anchored-Instruction-Ansatzes ist es daher, die Lernenden zu er-
muntern, sozial akzeptable Systeme zu schaffen, mit denen sie ihre Annahmen
und Meinungsunterschiede entdecken können. In einer modernen Lernumgebung
sollen die Lernenden nicht mit Wissen gefüttert werden, sondern die Werkzeuge
erhalten, mit denen sie das Wissen selber auffinden und strukturieren können.
Dies bedeutet, dass komplexe Ankerreize gesetzt werden, die den Lernenden an-
regen, sich intensiv mit Problemen auseinanderzusetzen. Dies ist so wichtig, weil
die Schwierigkeiten, das Wissen anzuwenden schon in der Art des Wissenser-
werbs begründet liegen (vgl. z. B. Strittmatter & Niegemann, 2000).
7.2.2 Situierte Lernumgebung: Der Cognitive-Apprenticeship-Ansatz
Erwachsene Lerner scheinen eher passive Lerner zu sein, optionales Lernmaterial
wenig zu gebrauchen und auch Hilfesysteme kaum einzusetzen; unabhängig da-
von, ob sie Hilfe nötig haben oder darauf hingewiesen werden (BRUJIN 1995).
Der Cognitive-Apprenticeship-Ansatz setzt hier an. Er stellt eine präskriptive Me-
thode dar, die ein Gerüst zum Analysieren und Sequenzieren von Inhalten bietet,
und sie erarbeitet Strategien zum Lernen in verteilten und verschiedenen Umge-
bungen (Casey, 1996; Collins, Brown & Newmann, 1989). Wichtig ist dabei be-
sonders der Unterschied zwischen Verstehen und Wissen. Verstehen bedeutet
Aneignung und Bedeutungsübertragung und führt zu sinnstiftenden Aktivitäten
(Chee 1995). Besonders das Verstehen soll durch Cognitive-Apprenticeship-
Ansatz gefördert werden.
Da dieser Ansatz eine sehr gute methodische Basis für ein gestuftes Unterstüt-
zungskonzept bietet, soll hier eine detaillierte Darstellung der Strategien des
Cognitive-Apprenticeship-Ansatzes erfolgen. Die Ausführungen orientieren sich
47
weitgehend an denen von Casey (1996).
In vier Sektionen können 18 Strategien ausgemacht werden:
7.2.2.1 Sektion: Inhalt (content)
• domain knowledge – konkrete und abstrakte Darstellungen
• heuristic strategies – Regeln und Konzepte von Teilgebieten, die auch
ohne den Gesamtzusammenhang gültig sind
• control strategies – das Lernerverhalten wird beobachtet und beurteilt
und dementsprechend die Lernersteuerung ausgerichtet
• learning strategies – unterschiedliche Sichtweisen des Lernstoffs för-
dern ein individuelles Bild der Zusammenhänge
7.2.2.2 Sektion: Strategie (strategy)
• modeling – Experten erklären Zusammenhänge
• coaching – die Lernenden bekommen zu bestimmten Situationen Hin-
weise, die sie ihrer Lösung näher bringen
• scaffolding + fading – scaffolding bietet frühe Unterstützung bei dem
Erwerb des Grundwissens zu einem Thema, dies wird erreich durch mo-
deling und feedback, bei fortschreitendem Wissensstand werden die Hil-
festellungen reduziert oder ganz ausgeblendet (fading)
• articulation – Lernende sollen ihr erworbenes Wissen mitteilen, hier
werden Fehlvorstellungen offensichtlich, und die Lernenden ermitteln ih-
ren Wissensstand
• reflection – dadurch werden Lernende in die Lage versetzt, ihre Prob-
lemlöseprozesse mit denen von anderen Lernenden und Experten zu
vergleichen und ein eigenes kognitives Modell der eigenen Fähigkeiten
zu gewinnen
7.2.2.3 Sektion: Sequenz (sequence)
• increase complexity – das Erschließen der Inhalte soll von einfachen
zu komplexen Darstellungen erfolgen
• increasy diversity – horizontale Erweiterung des Wissens entlang einer
Erkenntnisebene soll gefördert werden. Inhalte sollen gemäß einem top-
down- Prinzip präsentiert werden, die vertikale Erschließung erfolgt vor
der horizontalen
48
7.2.2.4 Sektion: Soziologie (sociology)
• situated learning – eine realitätsnahe Umgebung ist erforderlich, damit
die Lerner verstehen warum sie lernen was sie lernen, da die Lerner
durch Handeln mehr lernen als durch Zuhören, da die Lerner ausprobie-
ren können, welche Strategien in gegebenen Situationen funktionieren
und welche nicht, und weiterhin lernen die Lerner problemlösendes Ver-
halten in unterschiedlichen Kontexten.
• simulation – hier sollen die Möglichkeiten des situated learning tatsäch-
lich zur Verfügung stehen, die Simulation ist realitätsnäher als das situ-
ierte Lernen
• culture of expert practice – die Kommunikation mit Experten ist wichtig,
damit die Lerner Expertenlösungen kennen lernen und die Experten die
Fehler in ihren Lösungen besser verstehen; Expertendiskussionen am
Computer zu simulieren ist zur Zeit kaum möglich, da die künstliche Intel-
ligenz dazu noch nicht ausreicht und kostspielige Expertensysteme nur
in Spezialbereichen zur Verfügung stehen, daher sind Diskussionen zwi-
schen den Lernenden (in Kleingruppen) und mit realen Experten vorzu-
sehen.
• intrinsic motivation – ob Innenmotivation durch Multimedia gesteigert
werden kann, ist fraglich, auch wenn die Verweildauer in der Umgebung
während der Benutzung ansteigt, ist damit nicht unbedingt von gesteiger-
ter Innenmotivation zu sprechen.
• exploiting cooperation – durch Kooperation mit realen Menschen kön-
nen neue Perspektiven eröffnet werden, das Wissen anderer kann ge-
nutzt werden, Wissen muss artikuliert werden und wird dadurch auch ge-
testet und gefestigt, durch das Offenlegen der Denkprozesse bei den
Lernenden werden fehlerhafte Konzepte eher erkannt.
7.2.3 Situierte Lernumgebung: Die Cognitive-Flexibility-Theorie
Die wachsende Komplexität bei zunehmender Lerntiefe sowie der Transfer des
in einem Thema Gelernten auf andere Sachverhalte und in die Praxis erfordern
authentische Lernumgebungen die dazu anregen das Gelernte auf andere Situati-
onen und Kontexte zu übertragen. Die Cognitive-Flexibility-Theorie (Spiro et al
1987, 1988; 1995) bietet den Rahmen dafür, dass Lernende ihr in einer Situation
erworbenes Wissen selbständig je nach Beschaffenheit der neuen Situation über-
tragen, umstrukturieren und anwenden können. Dabei nutzt Spiro die zentrale Me-
49
tapher der "criss-crossed landscape", also eine kreuz und quer zu durchschreiten-
de Landschaft. Die einzelnen Lernthemen werden behandelt, als bildeten sie eine
komplexe Landschaft. Die verschiedenen Regionen dieser Landschaft muss der
Lernende in verschiedene Richtungen durchstreifen, um ein Bild der Komplexität
mit wechselnden Kontexten und Perspektiven zu gewinnen. Eine solche Vorge-
hensweise erzeugt netzartig verknüpfte Wissensstrukturen, die ihrerseits eine grö-
ßere Flexibilität erlauben.
Ein Schlüsselkonzept der Cognitive-Flexibility-Theorie heißt Repetition ohne
Replikation. Das bedeutet, dass fallbezogene Information in verschiedenen Zu-
sammenhängen dargeboten wird. Dadurch soll auch erreicht werden, dass die
Information verschieden codiert wird und später auch in verschiedenen Kontexten
wieder zur Verfügung steht. Indem klar wird, auf wie vielfältige Weise Themen
miteinander verwoben sind, wird verhindert, dass ein Schema oder wenige Sche-
mata die anderen dominieren. Multiple Repräsentation soll eine "dreidimensionale
Sicht" vermitteln. Jedes Schema ist auf seine Weise richtig, da es einen eigenen
Blickwinkel vermittelt.
Zentrales methodisches Element der Cognitive-Flexibility-Theorie ist der Mini-
Case, ein aus einem größeren Kontext abgeleiteter Teil. Grund für diese Fragmen-
tierung ist die bessere Handhabbarkeit von Mini-Cases. In einem wenig struktu-
rierten Wissensgebiet ist abstraktes bzw. generalisiertes Konzeptwissen oft zu
sperrig, um der Variabilität von Merkmalsausprägungen und Ereignissen gerecht
zu werden.
Die aufbereiteten Mini-Cases stellen eine Art komprimierte Alltagserfahrung dar.
Sie sollen sozusagen im Zeitraffer individuelle Erfahrung simulieren, die zu sam-
meln im realen Leben viel länger dauern und viel mehr dem Zufall unterliegen
würde.
Auf diese Weise wird Komplexität transparent. Um sie zu begreifen, muss der
Fortgeschrittene nicht mehr die Übergeneralisierungen seines Anfängerstadiums
über Bord werfen. Es gibt diese Übergeneralisierungen nicht mehr, weil die In-
struktion im Rahmen der Cognitive-Flexibility-Theorie nicht vom Einfachen zum
Komplexen schreitet. Stattdessen bietet sie dem Anfänger "mundfertige" Aus-
schnitte aus einem komplexen Wissensgebiet. Es werden dem Lernenden ver-
schiedene Repräsentationen gegeben, die sich jedoch zunächst nur auf einen klei-
nen Bereich beziehen.
So wird der Lernende bereits von Anfang an mit der Tatsache vertraut gemacht,
50
dass jeder einzelne Fall komplex ist und sowohl Unterschiede zu und Gemein-
samkeiten mit anderen Fällen enthält. Der Prozess der differenzierten Wissens-
übertragung gewinnt also an Bedeutung - die Fähigkeit, von mehreren Fällen rele-
vante Informationen auf einen neuen Fall zu übertragen.
8 Lernen im Netz und mit Multimedia – Entwicklungen und
Handlungsfelder
Nachfolgend werden zentrale Entwicklungen im Bereich des Lernens im Netz und
mit Multimedia kurz skizziert, wichtige Handlungsfelder für eine erfolgreiche Imp-
lementierung beleuchtet sowie künftige Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt.
8.1 Lernen im Netz und mit Multimedia – Entwicklungen der kürzeren Ver-
gangenheit und der Stand heute
Die Frage, welche Medien und Methoden zur Gestaltung von Lernprozessen ein-
gesetzt werden sollen, ist nicht neu.
Bereits um 1800 entbrannte diese Diskussion infolge der massenweisen Verbrei-
tung von Büchern und Druckschriften. Bereits um 1900 entwickelte sich die neue
Lernform des Fernunterrichts. Dabei ist besonders interessant, „dass die Perspek-
tiven und Ansätze des Fernunterrichts zu Beginn des 20. Jahrhunderts große Teile
der Kosten-Nutzen-Diskussion um das E-Learning (Orts- und Zeitunabhängigkeit)
am Ende des Jahrhunderts bereits vorwegnehmen“ (Messerschmidt & Grebe,
2003).
Die Entwicklungen im 20. Jahrhundert bis heute lassen sich wie folgt zusammen-
fassen:
Seit den 60er Jahren gibt es Ansätze der Integration von Medien in die Prozesse
der betrieblichen Bildung. Die Zielsetzungen, theoretischen Fundierungen sowie
die Herangehensweisen in den Unternehmungen waren sehr unterschiedlich. Die
gemachten Erfahrungen ebenso. Man denke nur an die Auswirkungen der Erfah-
rungen mit der Programmierten Unterweisung der 70er Jahre, die zu einer lang-
andauernden Ablehnung jeglicher Lernprogramme in den Unternehmungen führte.
Bereits damals war von hybridem Lernen die Rede.
In den 80er Jahren führte in verschiedenen Unternehmungen die Euphorie beweg-
51
te Realbilder in Lernprogramme einbinden zu können, zu einer großen Investiti-
onsbereitschaft in die Entwicklung multimedialer Lernprogramme sowie die not-
wendigen Hard- und Softwareressourcen (z.B. Bildplattenspieler).
Ende der 80er Jahre wurden dann die ersten Selbstlernzentren gegründet.
Schwerpunkte bei diesen Ansätzen waren Überlegungen, an welchen Lernorten
zu welchen Lernzeiten die Mitarbeiter welche Lernprogramme lernen konnten bzw.
sollten.
Die Vereinfachung der Produktion, Speicherung und Einsatzanforderungen führte
Anfang der 90er Jahre zu einer Verbreitung von Computer-Based-Training-
Programmen in den Unternehmungen. Bestimmte Trainingsinhalte wurden
schwerpunktmäßig oder auch ausschließlich mit Lernprogrammen abgedeckt.
In dieser Zeit gab es in Deutschland auch die ersten Ansätze satellitengestützer
interaktiver Lernformen. Im Vordergrund standen die technischen Herausforde-
rungen der Satellitentechnologie und der terrestrischen Rückkanäle sowie die
Möglichkeit der weltweiten Verbreitung aktuellster Inhalte. Ansätze wie virtuelle
Klassenzimmer oder Business-TV entwickelten sich aus diesen Erfahrungen. Mul-
timedia wurde zum Schlagwort dieser Zeit.
Mitte der 90er Jahre wurden verstärkt multimediale Hardware und Kommuni-
kationsnetze in den Unternehmungen eingeführt. Es wurden Bildungsserver auf-
gebaut, die den Mitarbeitern einen permanenten Zugriff auf Datenbanken, gefüllt
mit unterschiedlichsten Web-Based-Training-Programmen, erlaubten. Lebenslan-
ges Lernen wurde zum Leitgedanken in Europa.
Heute ist das Internet die weltweite Plattform für elektronische Kommunikation und
Datenaustausch in den Unternehmungen. Somit steht den Unternehmungen eine
technische Infrastruktur zur Verfügung, die alle Voraussetzungen für die Medienin-
tegration in Lern- und Arbeitsprozesse bietet.
Die nächste Stufe der Mediennutzung, das Mobile-Learning ist bereits heute ein
Thema der angewandten Wissenschaft.
So unterschiedlich die technischen Möglichkeiten früherer und heutiger Ansätze
der Medienintegration in Lern- und Arbeitsprozesse auch sind, ihnen ist eines ge-
mein: Ausgeprägte Technikzentriertheit.
Die Akteure beim Blended-Learning, Personalentwickler, Trainer, Lerner, und un-
terstützenden Führungskräfte wurden und werden genauso häufig vernachlässigt
wie das organisationale Umfeld mit seinen Strukturen, Kulturen und Prozessen.
52
Dieser, momentan in den meisten Unternehmungen anzutreffende Stand des
technikzentierten Lernens im Netz und mit Multimedia führte allerorten zur Ernüch-
terung.
Die Notwendigkeit der systematischen Entwicklung einer neuen Unternehmens-
und Lernkultur wird oft unterschätzt wird. Aber genau dieser Prozess wird einen
wesentlich längeren Zeitraum in Anspruch nehmen als die Entwicklung jeglicher
technischen Lösung.
8.2 Handlungsfelder für die erfolgreiche Implementierung von Ansätzen
zum Lernen im Netz und mit Multimedia in Unternehmungen
In dem Institutionalisierungsprozess von Ansätzen zum Lernen im Netz und mit
Multimedia spielen die Handlungsfelder Organisation, Mensch und Technik eine
zentrale Rolle. Erst die systemische Betrachtung dieser Bereiche sichert die er-
folgreiche Umsetzung entsprechender Ansätze in Unternehmungen.
8.2.1 Organisation und Organisationsentwicklung
Sollen Ansätze des Lernens im Netz und mit Multimedia in Unternehmungen funk-
tionieren, so setzt dies eine unternehmensinterne Veränderungsbereitschaft be-
züglich der Organisation und Organisationsentwicklung voraus.
Blended-Learning als integrales Qualifizierungsinstrument der Aus- und Weiterbil-
dung in einem Unternehmen erfordert Adaptionen grundlegender Strukturen, Pro-
zesse und Lern- und Arbeitskulturen.
Diese Umstrukturierungsprozesse sind nicht nur auf die Bildungs- und Personal-
entwicklungsabteilungen beschränkt, sondern betreffen alle zentralen Unterneh-
mensbereiche, das Personalmarketing, das Controlling, die Organisationsentwick-
lung und die zentrale IT-Abteilung. Initiiert und getragen werden müssen diese
Veränderungen vom Top-Management sowie den Führungskräften auf allen Ebe-
nen. Gleichzeitig sind eben nicht nur die Spitzen der Hierarchie, sondern alle Mit-
arbeiter in diesen Prozess involviert.
Auf der Strukturebene müssen organisatorische Rahmenbedingungen geschaffen
werden, die dem Lernen den notwendigen Stellenwert und Freiraum gewährleis-
ten.
Auf der Prozessebene ist eine passgenaue Einführungsstrategie zu entwickeln,
53
die berücksichtigt, dass die zwangsläufigen Veränderungen bei der Organisations-
und Personalentwicklung positiv gestaltet werden. Für die Umsetzung einer solch
ganzheitlichen Einführungsstrategie sollten die Realisierungsschritte jeweils die
Komplexität der Arbeits- und Lernrealität der Beteiligten authentisch widerspie-
geln.
Neben den notwendigen Veränderungen von Organisationsstrukturen und -
prozessen hat die Lernkultur einer Organisation weitreichende Auswirkung auf die
Nachhaltigkeit von Ansätzen des Lernens im Netz und mit Multimedia.
Nur wenn dem Lernen ein wesentlicher Stellenwert am Unternehmenserfolg zuge-
schrieben und es als tragendes Element in das Unternehmensleitbild eingebunden
wird, wird Lernens im Netz und mit Multimedia von den Akteuren akzeptiert und
mit Leben gefüllt.
8.2.2 Menschen im Unternehmen
Veränderungen bedingen Unsicherheiten und Ängste, die sich als Hemmnisse für
sinnvollen Wandel verselbstständigen können und rechtzeitig in der Strategieent-
wicklung aufgegriffen werden müssen.
Die notwendige Akzeptanz für alles Neue und Ungewohnte im Zusammenhang mit
Blended-Learning lässt sich nur dann erzeugen, wenn die Menschen im Unter-
nehmen möglichst frühzeitig informiert und in die laufenden Entwicklungsprozesse
und Einsatzmodelle eingebunden werden.
Hierbei sind nicht nur die Trainer und die zukünftigen Lerner zu berücksichtigen,
sondern alle „Mitgestalter“, die aus ihrer jeweils spezifischen unternehmerischen
Funktion heraus am Implementierungsprozess von Ansätzen des Lernens im Netz
und mit Multimedia beteiligt sind.
Ein weiterer wesentlicher Erfolgsfaktor ist in der notwendigen Qualifizierung der
betroffenen Menschen zu sehen. Trainer und Vorgesetzte müssen auf ihre neuen
Aufgaben vorbereitet und entsprechend qualifiziert werden. Insbesondere die
Trainer müssen ein verändertes Verständnis ihrer Rolle als Lehrende entwickeln:
Ihre Hauptverantwortung liegt nicht mehr in der Vermittlung von Wissen, sondern
vielmehr in der Betreuung und Beratung der Lernenden.
Die mit der Integration moderner Medien in Arbeits- und Lernprozesse verbunde-
nen Schlüsselqualifikationen wie Medien– und Selbstlernkompetenz können nicht
als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Hier bedarf es gezielter Qualifizie-
54
rungsmaßnahmen und Coaching der Akteure.
Werden alle Menschen im Unternehmen mit der notwendigen Priorität motiviert
und qualifiziert, gibt erfolgreiches Lernen im Netz und mit Multimedia den Mitarbei-
tern die Option, ihre eigene (Mit-) Verantwortung für ihre Bildung wieder zu über-
nehmen.
8.2.3 Integration einer E-Learning-Infrastruktur in die bestehende IT-
Landschaft
Die technische Infrastruktur für das Lernen im Netz und mit Multimedia darf keine
Insellösung darstellen, sondern muss in die bestehende IT-Landschaft einer Un-
ternehmung integriert sein. Nur so ist gewährleistet, dass das Postulat der Ver-
schmelzung von Arbeits- und Lernprozessen auch eingelöst werden kann.
Die Infrastruktur - sei es in Form einer Lernplattform, eines Intra-/Extranets oder
eines ganzheitlichen Learning-Management-Systems - muss alle Prozesse des
Lernens, Wissensmanagements und Arbeitens unterstützen und integrieren. Dazu
gehören auch die Bereiche der Verwaltung und Betreuung der Lernenden sowie
des logistischen Services.
Die soft- und hardwaretechnische Infrastruktur sollte so aufgebaut sein, dass sie
den Leistungsanforderungen, den Geschäftszielen, der IT-Umgebung sowie der
Organisationskultur entspricht.
Um Kommunikations- und Kooperationsprozesse zu initiieren und durchzuführen,
müssen alle am Lernprozess Beteiligte (Lerner, Trainer, Führungskräfte etc.) je-
weils adäquate Werkzeuge nutzen können. Diese Werkzeuge unterstützen die
didaktische, administrative, transferorientierte Gestaltung der Prozesse.
8.3 Lernen im Netz und mit Multimedia – Zukünftige Entwicklungen
Lernformen und -prozesse entwickelten sich schon immer im adaptierten Wech-
selschritt zu den sich kontinuierlich verändernden Arbeitsprozessen in Unterneh-
men.
So werden sich auch die Formen des Lernens im Netz und mit Multimedia als eine
integrative Komponente der Lern- und Arbeitswelt weiter entwickeln.
Gerade die oft genannten Aspekte der Globalisierung, die immer schnelleren In-
novationszyklen sowie die Entwicklung zur wissensbasierten Dienstleistungsge-
55
sellschaft erfordern immer flexibler einsetzbare Lernformen. Diese Lernformen
sollten situiert und praxisnah Wissenserwerb und Anwendung fördern.
In der weiteren Entwicklung der Ansätze des Lernens im Netz und mit Multimedia
in den Unternehmungen wird es von entscheidender Bedeutung sein, wie be-
darfsgerecht die Nahtstellen zwischen den notwendigen internen Veränderungs-
prozessen und den externen Produkt- und Dienstleistungsangeboten sein werden.
Auf den Ebenen Unternehmen, Menschen und technische Infrastruktur müssen
konsequent Veränderungsprozesses initiiert und begleitet werden, damit künftige
Ansätze nicht das Schicksal vieler Bildungsinnovationen teilen und in dem Stadi-
um glänzender Pilotprojekte verharren.
Der Wunsch von Anwendern, „alles aus einer Hand“ zu bekommen darf nicht dazu
führen, dass sie auf dem Markt nur noch Produkte und Dienstleistungen vorfinden,
die auf einem minimalen einheitlichen Standard ausgelegt sind oder aufgrund stra-
tegischer Allianzen der Anbieter mit Ausschließlichkeitscharakter nicht neutral und
flexibel zugeschnitten werden können.
Vielmehr muss es den Anbietern gelingen dem „Full-Service-Gedanken so intelli-
gent nachzukommen, dass individuell spezifische Kundenbedarfe auch mit diffe-
renten Produkt- und Dienstleistungskombinationen begegnet werden können.
8.4 Konfliktinduziertes Lernen im Netz und mit Multimedia – Zentrale An-
forderungen für die Kompetenzentwicklung
Erpenbeck (2004) stellt bei der Analyse des Verhältnisses von E-Learning und
Formen der Kompetenzvermittlung fest, dass
Die Folgerungen für die Unterstützung von Kompetenzentwicklung durch E-Learning sind also klar und gravierend: Da zur Ausbildung von Kompetenzen die Interiorisation von Werten erforderlich wird, ist jedes entsprechende Verfahren auf seine Potenzen zur Labilisie-rung, Irritation, Dissonanzerzeugung usw. abzuklopfen. Das ist bei der Vermittlung von Fach- und Methodenkompetenzen von geringe-rem, bei der Vermittlung von personalen, aktivitätsbezogenen und sozial-kommunikativen Kompetenzen von entscheidendem Gewicht. Es ist also immer zu fragen: Wie und in welchem Maße können bil-dungs- und informationstechnologische Methoden wie das E-Learning generell zur Wertinteriorisation und damit insbesondere zur Entwicklung von Kompetenzen beitragen? (S. 17)
56
Insbesondere die Forderung der Labilisierung greift der Ansatz des konfliktindu-
zierten Lernens im Netz und mit Multimedia auf. Das Potenzial, kognitive – also
aus der Denktätigkeit des Lerners erzeugte –Konflikte, in denen Lernende auf-
grund der Interaktion mit ihrer Umwelt Störungen erleben und diese zu bewältigen
suchen, in situierten medienintegrierten Lernprozessen zu nutzen, ist aber erst in
Ansätzen erschlossen. Konfliktinduzierendes Lernen erfordert ein spezifisches
Lernarrangement. Hierbei stehen die Förderung aktiv-entdeckenden-
konstruierenden Lernens, die Berücksichtigung von fehlerhaften Strategien sowie
ein gestuftes Hilfesystem zur Unterstützung bei der Auflösung von Konflikten im
Fokus:
• Förderung aktiv-entdeckenden-konstruierenden Lernens (indirekte Kon-
fliktinduzierung)
Ein Lernprogramm kann nur dann Konflikte induzieren, wenn es den
Lerner mit Situationen und Aufgaben konfrontiert, die eine Herausforde-
rung darstellen und eine interaktive Problemlösung erfordern. Der Lerner
muss motiviert werden, aktiv und neugierig an die Lösung der Aufgabe
heranzugehen. Er muss angehalten werden, sein Wissen zu reflektieren
und in der Interaktion mit dem Lernprogramm zu erweitern und anzu-
wenden.
• Berücksichtigung von fehlerhaften Strategien (direkte Konfliktinduzie-
rung)
Ein zweites zentrales psychologisch-didaktisches Prinzip für konfliktindu-
zierende Lernumgebungen ist die Berücksichtigung bekannter Fehlan-
nahmen der Lerner. Die Anwendung dieser Fehlannahmen bei der Prob-
lemlösung führt zum Misserfolg, der unmittelbar einen Konflikt auslöst.
Durch das Erkennen dieses Misserfolges wird der Lerner angeregt, sich
intensiv mit der Problemlösung auseinander zu setzen und den Konflikt
aufzulösen.
• Gestuftes Hilfesystem zur Unterstützung bei der Auflösung von Konflik-
ten
57
Damit die erlebten kognitiven Konflikte nicht zur Orientierungslosigkeit,
zu Frustration oder gar Resignation führt, muss der Lerner in konfliktin-
duzierenden Lernarrangements auf ein Hilfesystem zurückgreifen kön-
nen. Dieses Hilfesystem muss so gestuft sein, dass es die minimal not-
wendige Unterstützung dem Lerner bietet. Dadurch wird der Lerner zur
Reflexion des eigenen Wissens und der aktiven Gestaltung der Problem-
lösung angeregt, gleichzeitig mit der Konfliktsituation aber nicht allein ge-
lassen. Über ein gestuftes Hilfesystem wird sichergestellt, dass der Ler-
ner die Aufgaben- bzw. Konfliktlösung auch erreichen kann. Denn an-
dernfalls würde der erhoffte Lerneffekt ausbleiben.
9 Das Lernprogramm „Projektmanagement“ der memoray
GmbH
Die memoray GmbH aus München ist ein marktführendes E-Learning Unterneh-
men erster Stunde mit einem Leistungsangebot mit den Schwerpunkten in den
drei Bereichen Contententwicklung, LMS-Implementierung und e-Learning-
Beratung.
9.1 Das Lernprogramm „Projektmanagement“ der memoray GmbH
Für dieses Projekt wurde aus der Serie der Prêt-à-porter-Lernprogramme von
memoray ein mit dem Lernprogramm „Projektmanagement“ ein Programm aus-
gewählt, welches vom Thema und der Zielgruppenansprache ein großes Einsatz-
feld hat.
9.1.1 Das Thema Projektmanagement und die Zielgruppe
Viele Aufgabenstellungen in Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen sind
heute so komplex, dass sie sich nur in Form von Projekten abwickeln lassen.
Kenntnisse im Projektmanagement sind da unerlässlich.
Strukturierte Organisation von Projektabläufen, fundierte Ressourcenplanung,
transparente Kosten- und Terminkontrolle, vorausschauendes Risikomanagement,
sicherer Umgang mit Änderungsanforderungen – dies sind nur einige der Anforde-
rungen an ein professionelles Projektmanagement.
58
Dieses WBT wendet sich an Personen, die bislang noch nicht oder nur wenig mit
Projektaufgaben befasst waren. Es legt Wert auf leicht auffindbare, in „verdauli-
chen Portionen“ aufbereitete Informationen.
Das WBT besteht aus in sich geschlossenen Lernmodulen (Grundlagen bzw. Ver-
tiefung) und kann durch weitere Module beliebig ergänzt werden. Die einzelnen
Module haben eine Lernzeit von 15-20 Minuten.
9.1.2 Die Inhalte des Lernprogramms
Das WBT „Projektmanagement“ vermittelt Grundkenntnisse zu Fragen wie: „Was
ist überhaupt ein Projekt? Warum scheitern Projekte eigentlich?“, stellt Ihnen die
einzelnen Projektphasen vor und zeigt auf, welche Voraussetzungen Projektma-
nagement an Ihre Organisation und an die Projektleitung selbst stellt.
Es folgt dabei der Methodik des PMI® (Project Management Institute) – in vielen
großen Organisationen werden schon seit Jahren weltweit Projekte nach diesem
international gültigen Standard abgewickelt.
Die Inhalte des Lernprogramms sind im Einzelnen:
• Projektdefinition und –organisation
Kennzeichen von Projekten, Aufgabenfelder im Projektmanagement,
• Projektinitiierung
Aufgabenanalyse, Zielbildungsprozess, Umfangsplanung, Projektauftrag
• Projektplanung
Projektstrukturierung, Ablaufplanung, Ressourcenplanung, Projektplan
• Berichte – Risiken – Dokumentation
Berichtswesen, Berichtsarten, Risikomanagement, Projektdokumentation
• Projektdurchführung und –steuerung
Projektstatus, Projektfortschritt, Meilenstein-Trendanalyse, Kontrollbe-
richte
• Beschaffung – Änderung – Nachforderung
Beschaffungsmanagement, Change Requests, Nachforderungsmana-
gement
• Projektabschluss
Projektabnahme, Projektabschlussgespräch, Projektmarketing, Auflö-
sung
• Voraussetzungen für Projektmanagement
Kompetenzen einer Projektleitung, Anforderungen an die Organisation
59
Abb. 1: Beispielseite aus dem Lernprogramm Projektmanagement der memoray GmbH. Kapitel Projektplanung, Seite Arbeitspakete.
60
10 Konfliktinduzierende Variante des Lernprogramms „Projekt-
management“
Das Lernprogramm „Projektmanagement“ der memoray wurde in dem Modul „Pro-
jektplanung“ neu konzeptioniert und programmiert.
10.1 Gestalterische Konzeption der konfliktinduzierenden Moduls „Projekt-
planung“
Wie in der Literaturübersicht1 ausführlich ausgeführt, erfordert konfliktinduzieren-
des Lernen ein Lernarrangement, welches nach komplexen psychologisch-
didaktischen Prinzipien aufgebaut ist. Zusammengefasst stehen hierbei die Förde-
rung aktiv-entdeckenden-konstruierenden Lernens, die Berücksichtigung von feh-
lerhaften Strategien sowie ein gestuftes Hilfesystem zur Unterstützung bei der Auf-
lösung von Konflikten im Fokus.
10.2 Förderung aktiv-entdeckenden-konstruierenden Lernens (indirekte
Konfliktinduzierung)
Ein Lernprogramm kann nur dann Konflikte induzieren, wenn es den Lerner mit
Situationen und Aufgaben konfrontiert, die eine Herausforderung darstellen und
eine interaktive Problemlösung erfordern. Der Lerner muss motiviert werden, aktiv
und neugierig an die Lösung der Aufgabe heranzugehen. Er muss angehalten
werden, sein Wissen zu reflektieren und in der Interaktion mit dem Lernprogramm
zu erweitern und anzuwenden.
Prinzipien des entdeckenden und selbsttätigen Lernens bilden damit den ersten
Baustein für ein konfliktinduzierendes Lernprogramm.
10.2.1 Fazit für das konfliktinduzierende Lernmodul
Das in dieser Untersuchung verwendete, stark auf rezeptives Lernen ausgelegte
Standard-Lernprogramm „Einführung in das Projektmanagement“ wurde daher in
1 Literaturübersicht (Bearbeitungsstand 27.12.2003) als Anlage zum 1. Zwischenbericht für den Projektzeit-
raum 01.07.-31.12.2003
61
einem Modul so verändert, dass der Lerner in einer situative Fallstudie zum Akteur
wird, der verschiedene Aufgaben im Rahmen der Projektplanung zu lösen hat. Der
Lernende muss sein Wissen von Anfang an reflektieren und in der interaktiven
Auseinandersetzung mit dem Lernprogramm zu aktiv einer Lösung finden. Dabei
wird er von einem gestuften Hilfesystem unterstütz.
10.3 Berücksichtigung von fehlerhaften Strategien
(direkte Konfliktinduzierung)
Ein zweites zentrales psychologisch-didaktisches Prinzip für konfliktinduzierende
Lernumgebungen ist die Berücksichtigung bekannter Fehlannahmen der Lerner.
Die Anwendung dieser Fehlannahmen bei der Problemlösung führt zum Misser-
folg, der unmittelbar einen Konflikt auslöst.
Durch das Erkennen dieses Misserfolges wird der Lerner angeregt, sich intensiv
mit der Problemlösung auseinander zu setzen und den Konflikt aufzulösen.
10.3.1 Fazit für das konfliktinduzierende Lernmodul
Bei dem vorliegenden veränderten Modul des Standard-Lernprogramms „Einfüh-
rung in das Projektmanagement“ wurden dem Lerner Lösungswege und Aus-
wahlmöglichkeiten angeboten, die zum Teil bekannte Fehlannahmen im Rahmen
der Planung von Projekten aufgegriffen. Der Lerner wir „verführt“ auf diese Fehl-
annahmen zurückzugreifen. Durch den konfliktauslösenden Misserfolg und die
anschließende Reflexion in dem gestuften Hilfesystem wird der Lerner zur alterna-
tiven Problemlösung angeregt und von dem Hilfesystem unterstützt.
10.4 Gestuftes Hilfesystem zur Unterstützung bei der Auflösung von Konflik-
ten
Damit die erlebten kognitiven Konflikte nicht zur Orientierungslosigkeit, zu Frustra-
tion oder gar Resignation führt muss der Lerner in konfliktinduzierenden Lernar-
rangements auf ein Hilfesystem zurückgreifen können.
Dieses Hilfesystem muss so gestuft sein, dass es die minimal notwendige Unter-
stützung dem Lerner bietet. Dadurch wird der Lerner zur Reflexion des eigenen
Wissens und der aktiven Gestaltung der Problemlösung angeregt, gleichzeitig mit
der Konfliktsituation aber nicht allein gelassen. Über ein gestuftes Hilfesystem wird
62
sichergestellt, dass der Lerner die Aufgaben- bzw. Konfliktlösung auch erreichen
kann. Denn andernfalls würde der erhoffte Lerneffekt ausbleiben.
10.4.1 Fazit für das konfliktinduzierende Lernmodul
Bei dem vorliegenden veränderten Modul des Lernprogramms „Projektmanage-
ment“ wurde ein gestuftes Hilfesystem integriert. Es beinhaltet drei Stufen:
10.4.1.1 Reflexion und Notizen
Bei der Stufe Reflexion wird der Lerner durch offene Fragen dazu angeregt, seine
Entscheidungen und sein Verhalten im Rahmen der Fallstudie zu reflektieren.
Die Notizfunktion gibt dem Lerner die Möglichkeit, Gedanken, Ideen und ihm wich-
tige Aspekte bei der Bearbeitung der Fallstudie zu notieren. Jederzeit kann der
Lerner auf die Notizen zugreifen und diese editieren.
10.4.1.2 Wissenspool
Hier sind Informationen und Hinweise hinterlegt, die dem Lerner bei der Lösung
der jeweiligen Aufgabe konkret helfen. Sachverhalte und Zusammenhänge sind
lösungsrelevant beschrieben.
10.4.1.3 Lösung
Erst wenn der Lerner, unterstützt von den anderen Komponenten des Hilfesys-
tems nicht zur richtigen Entscheidung bzw. Problemlösung kommt, kann er sich
hier die jeweiligen Lösungen anzeigen lassen.
63
Abb. 2: Beispielseite aus dem Lernprogramm Projektmanagement in der konfliktinduzieren-den-
Programmvariante Kapitel Projektplanung, Seite Arbeitspakete.
11 Vorstudie „Phase Einzelversuche“
In dieser Phase der Vorstudie wurden mit 10 Lernern in zwei Gruppen Einzelver-
suche durchgeführt, bei denen das gesamte Lernverhalten der Lerner aufgezeich-
net, inhaltsanalytisch ausgewertet und interpretiert wurde.
Um Hinweise auf die Art und Weise der kognitiven Auseinandersetzung des ein-
zelnen Lerners mit dem Lernmaterial zu gewinnen, wurde bei den Einzelversu-
chen die Methode des lauten Denkens eingesetzt und die gewonnenen Daten an-
schließend inhaltsanalytisch ausgewertet.
11.1 Fragestellungen und Hypothesen in der„Phase Einzelversuche“
Diese Phase der Vorstudie fokussiert auf die Fragestellung, ob das veränderte
Lernmodul zu einem veränderten Lernverhalten führt.
Es wird erwartet, dass das veränderte Lernmodul Konflikte bei dem Lerner indu-
ziert und ihn gleichzeitig in die Lage versetzt, durch ein gestuftes Hilfesystem un-
terstütz, diesen Konflikt und damit auch die jeweilige Aufgabenstellung selbständig
64
zu lösen. Daraus leiten sich die relevanten Hypothesen für diese Phase der Vor-
studie ab:
• Hypothese 1: Kognitive Konflikte im Vergleich beider Pro-grammvarianten Die Lerner, die mit der veränderten Lernprogrammvariante arbeiten, er-
leben mehr kognitive Konflikte als die Lerner der Kontrollgruppe.
Die Fragestellung der Art der Konfliktlösung wird explorativ untersucht.
• Hypothese 2: Emotionen im Vergleich beider Programm-varianten Die Lerner, die mit der veränderten Lernprogrammvariante arbeiten, zei-
gen ein emotional getönteres Lernverhalten als die Lerner der Kontroll-
gruppe.
• Hypothese 3: Lernverhalten im Vergleich beider Pro-grammvarianten Die Lerner, die mit der veränderten Lernprogrammvariante arbeiten, zei-
gen insgesamt ein aktiveres Lernverhalten als die Lerner der Kontroll-
gruppe.
11.2 Untersuchungsablauf und -durchführung
Die Einzelversuche wurden mit der geplanten Anzahl von 10 Lernern in dem Zeit-
raum vom 16.-17. Dezember 2004 durchgeführt. Es wurden zwei Gruppen á fünf
Lerner gebildet, je 3 Männer und zwei Frauen. Bei den Lernern handelt es sich um
Mitarbeiter des RAG Konzerns bzw. der RAG-Bildung, die keine Kenntnisse im
Thema Projektmanagement hatten.
Die Versuchsgruppe bearbeitete das veränderte Lernmodul, die Kontrollgruppe
das unveränderte Lernmodul„Projektplanung“ des Lernprogramms „Projektma-
nangement“.
Um die Versuchsbedingungen kontrollieren zu können, wurden die Einzelversuche
in einem Versuchsraum umgestalteten Konferenzzimmer bei der RAG-Bildung
durchgeführt.
Die Lerner erhielten zu Beginn der Sitzung nach der Begrüßung wurden kurz in
den Ablauf der Einzelversuche eingeführt und bekamen eine Erklärung und Anlei-
tung zur Methode des lauten Denkens.
65
Der Versuchsleiter startete nach der Einphasung der Lerner das Aufzeichnungs-
programm. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase wurden fast alle Probanden
mit dem lauten Denken vertraut. Dennoch musste der Versuchsleiter wiederholt
daran erinnern.
Wie bei der Untersuchung von Draschoff (2000) war „das "Redevolumen" der ein-
zelnen Lerner … sehr unterschiedlich; während einige Lerner sich sehr ungern,
kurz und leise äußerten, zeigten andere eine große Beredsamkeit (S. 228)“.
Durchschnittlich benötigten die Lerner mit dem unveränderten Lernmodul ca. 30
Minuten, die mit dem veränderten Lernmodul ca. 55 Minuten. Die Lernzeiten bei-
der Gruppen konnten nicht harmonisiert werden, da die Lerninhalte bei dem un-
veränderten Lernmodul eher einen Präsentationscharakter haben und somit von
den Lernern wesentlich schneller durchgearbeitet wurden. Das veränderte Lern-
modul regt die Lerner zu einer intensiveren, konfliktreicheren Auseinandersetzung
mit dem Lerninhalt an und animiert sie so zu einer längeren Beschäftigung. Die
unterschiedliche Bearbeitungszeit beider Gruppen ist bei der Datenauswertung zu
berücksichtigen.
Im Anschluss an die Bearbeitung der Lernmodule wurde mit den Lernern ein kur-
zes Leitfaden-Gespräch geführt. Die Gespräche wurden ebenfalls aufgezeichnet
und ausgewertet.
12 Beobachtung und Analyse der kognitiver Konstruktionspro-
zess bei den Einzelversuchen
Um kognitive Lernprozesse zu untersuchen bedarf es Methoden, die geeignet
sind, kognitive Konstruktionsprozesse zu erfassen und zu analysieren.
Prinzipiell können Strukturen als hypothetische Konstrukte aus dem Verhalten er-
schlossen werden (vgl. Montada, 1987).
Bei Lernprozessen mit einem medialen Baustein werden die kognitiven Konstruk-
tionsprozesse nicht durch die zwischenmenschliche Kommunikation beim Lernen
operationalisiert und beobachtbar, sondern entstehen vielmehr durch die Interakti-
on mit dem Computer. Daher gilt es Methoden anzuwenden, die in der Lage sind,
die Gedanken der Lerner während der Bearbeitung von Lernprogrammen festzu-
halten.
66
Der kontrollierte Einzelversuch in dem die kognitiven Konstruktionsprozesse ver-
bal geäußert werden und das gesamte Lernverhalten aufgezeichnet wird, scheint
eine adäquate Methode zur Erfassung und Analyse kognitiver Konstruktionspro-
zesse zu sein.
Draschoff (2000) stellt fest, dass die Methode des lauten Denkens gekoppelt mit
einer anschließenden, auf einem geeigneten Kategorienschema basierenden In-
haltsanalyse Verfahren sind, mithilfe derer eine systematische und objektive Er-
fassung und Auswertung des Entstehungsprozesses kognitiver Konflikte sicherge-
stellt werden kann.
Beide Methoden werden nachfolgend kurz dargestellt und vor dem Hintergrund
der durchzuführenden Einzelversuch
12.1 Methode des lauten Denkens
Die Methode des lauten Denkens hat eine lange Tradition in der Denkpsychologie
(vgl. z. B. Claparède, 1932/1969; Merz, 1969; Watson, 1921), insbesondere in
dem Forschungsbereich der Informationsverarbeitung (vgl. z. B. Duncker,
1935/1966; Lüer, 1973; Dörner, 1974)
Bei der Methode des lauten Denkens sind die Probanden gefordert, ihre jeweils
aktuellen Gedanken, Überlegungen, Wahrnehmungen, Zweifel, Handlungspläne,
etc. lautsprachlich zu äußern. Die Methode kann angewandt werden, um im Ver-
lauf eines Lern- und Lösungsprozesses Daten über die von einer Person durchge-
führten kognitiven Konstruktionsprozesse und den Verlauf der damit einhergehen-
den emotionalen Zustände zu erhalten.
12.1.1 Methodische Probleme
Die Methode des lauten Denkens wird in der wissenschaftlichen Auseinanderset-
zung kontrovers diskutiert.
Zusammenfassend werden immer wieder folgende Kritikpunkte:
• das Problem der Reaktivität der Methode, da das laute Denken Einfluss
auf den originären Denkprozess haben kann;
• die Gefährdung der Validität durch die erforderliche "Umwandlung" der
Gedanken in verbale Äußerungen;
• die Frage der Objektivität oder Verzerrung (die allerdings generell bei
Verbaldaten zu stellen ist);
67
• die Vollständigkeit der Daten: Man weiß letztlich nicht, wie viele und wel-
che Gedanken doch der Selbstzensur oder -korrektur oder der Vergess-
lichkeit der Probanden zum Opfer fallen oder zu unbewusst ablaufen, um
von der Versuchsperson überhaupt registriert zu werden.
Crutcher (1994) leitet aus seiner empirischen Auseinandersetzung mit den Vor-
und Nachteilen verbaler Methoden wie dem lauten Denken unmittelbare Durchfüh-
rungsempfehlungen ab:
• Versuchspersonen sollten aufgefordert werden, ihre Gedanken sofort im
Moment ihres Auftretens zu äußern und diese nicht zu analysieren, zu
erklären oder zu interpretieren.
• Ausnahmslos alle Gedanken sollten geäußert werden, ohne den Schwer-
punkt auf einen bestimmten Typ von Information zu legen.
• Insbesondere sollte der Versuchsleiter sich nicht dazu verleiten lassen,
die Probanden nach weiteren Informationen zu fragen, die sie selbst
nicht spontan äußerten.
• Die Verbalisierungsaufgabe sollte gegenüber der Problemlösungsaufga-
be als zweitrangig betrachtet werden.
• Die Versuchsperson hat idealerweise auch keine Kenntnis der For-
schungsfragen, die die Auswertung der Daten leiten.
• Der Versuchsleiter sollte während der Aufgabenbearbeitung im Hinter-
grund bleiben. Falls die Versuchsperson 15 bis 60 Sekunden lang nicht
gesprochen hat, kann sie mit einem neutralen Hinweis an die Verbalisie-
rung erinnert werden.
Zusammenfassend lassen die Forschungsergebnisse zur Methodik des lauten
Denkens den Schluss zu, dass diese Methodik zur Erforschung kognitiver Konflik-
te bei Beachtung der obigen Punkte geeignet ist.
Allerdings gilt es nach Draschoff (2000) bei der Interpretation der verbalen Daten
zu berücksichtigen, dass Konflikte in ihrer Vielschichtigkeit unterschiedlich gut zu
verbalisieren sind. Und es sollte beachtet werden, dass „die Lerner, bei denen
durch das Programm kognitive Konflikte induziert werden, durch die Aufgabe der
Verbalisierung vermutlich stärker in ihrer Problemlösungsfähigkeit beeinträchtigt
als die Lerner, bei denen das Lernprogramm keine kognitiven Konflikte erzeugt“
(S. 175).
68
12.1.2 Erfassung der Akzeptanz und Lernzufriedenheit
Unmittelbar nach der Bearbeitung des Lernprogramms wurden die Lerner noch
kurz mittels eines strukturierten Interviews befragt. Die Antworten zur Auswertung
und Interpretation der durch die Aufzeichnung des Lernverhaltens gewonnenen
Daten unterstützend hinzugezogen werden. Drei Bereiche wurden erfragt:
• Gefallen/Missfallen des Lernprogramms;
• Konflikterlebnis;
• Lernerfolg.
12.2 Inhaltsanalyse
Mit der Inhaltsanalyse werden Kommunikationsprozesse und –produkte analysiert.
Die Zuordnung der einzelnen Ereignisse zu einem zuvor auf die Fragestellungen
hin entwickeltes Kategoriensystem ermöglicht eine komplexitätsreduzierende Sys-
tematisierung und Analyse der Daten.
Die durch die Methode des lauten Denkens produzierten verbalen Daten können
dabei "emotionale und kognitive Befindlichkeiten, Verhaltensweisen oder Hand-
lungen" (Lamnek, 1989, S. 173) repräsentieren.
Draschoff (2000) konstatiert, das die Inhaltsanalyse ein geeignetes Vorgehen zur
Analyse kognitiver Konstruktionsprozesse ist:
…um aus Aufzeichnungen der mithilfe der Methode des lauten Den-kens verbalisierten Problemlösungsprozesse kognitive Konflikte und Muster des Lernverhaltens zu erschließen. Gegenüber der eher un-systematischen Interpretation von Einzelfällen kann diese Methode Objektivität, Reliabilität, Transparenz (im Sinne methodischer Nach-prüfbarkeit) und gleichzeitig Flexibilität garantieren. (S. 179)
Um mit Inhaltsanalysen diese gewünschten Zielsetzungen zu erreichen, müssen
Kategoriensysteme hohen Anforderungen genügen (vgl. z. B. Crutcher, 1994;
Groeben & Rustemeyer, 1995):
• Es sind die formal oder semantisch bestimmten Analyseeinheiten zu de-
finieren;
• das Kategoriensystem ist durch Definitionen, Beschreibungen und Bei-
spiele genau zu explizieren;
• die Passung zwischen Kategorienschema und Analyseeinheiten ist "in
Form einer Rückkopplungsschleife" kritisch zu überprüfen;
69
• gute Kategorienschemata sind einfach, verständlich und fokussieren se-
lektive Aspekte
Bei der Analyse der kognitiven Konstruktionsprozesse sollte der Kontext jeder Äu-
ßerung berücksichtigt werden. Bei dem Lernen mit dem Computer sind daher
auch die Computerinteraktionen aufzuzeichnen (Seiler, 1987).
Zur inhaltsanalytischen Auswertung der in den Einzelversuchen gewonnenen Da-
ten wurde auf das von Draschoff (2000) entwickelte Kategoriensystem zur Analyse
von kognitiven Konstruktionsprozesse in konfliktinduzierenden Lernarrangements
zurückgegriffen.
Dieses , leicht erweiterte und in der Betitelung veränderte Kategoriensystem bildet
die Basis für die hier durchgeführten Einzelversuche, denn „es wurde für einen
konkreten Anwendungszweck konstruiert und optimiert, ist aber prinzipiell auch
auf andere Anwendungsfälle übertragbar“ (Draschoff 2000, S. 215).
12.3 Kategoriensystem mit adäquaten Indikatoren für die Beobachtung kog-
nitiver Konflikte nach Draschoff
Bei der Entwicklung des problemadäquaten Kategoriensystems für die Lernpro-
zessanalyse in konfliktinduzierenden Lernarrangements bezog sich Draschoff auf
das von Glasersfeld (1994) beschriebene Zusammenspiel von Assimilation und
Akkomodation im Lernprozess in abstrahierter, strukturierter Form.
Draschoff (2000) stellt heraus, dass ein zu entwickelndes Kategoriensystem drei
verschiedenen Aspekte - Kognitionen, Handlungen und Emotionen - berücksichti-
gen muss, wenn kognitive Konflikte im Lern- bzw. Problemlösungsprozess identifi-
ziert und analysiert werden sollen.
Draschoff berücksichtigte Lern-Kategorien, d.h. Kategorien, die sich auf die Be-
schäftigung mit dem Inhalt bzw. das "Sachproblem" beziehen, emotionale Katego-
rien und sonstige Kategorien, die sich auf die Bewertung bzw. die Bedienung des
Programms beziehen.
Erweitert wurde das Kategriensystem für die vorliegende Untersuchung um die
Kategorien Mimik und Gestik.
12.3.1 Hauptkategorie: Lern-Kategorien
Die Kategorien W, V und P erfassen die Lerneraktivität bzw. die Problembearbei-
70
tung.
12.3.1.1 Inhaltswiedergabe, -wiederholung und nebensächliche Aktivitä-
ten [W]
Dieser Kategorie werden Äußerungen und Handlungen der Lerner zugeordnet, die
bezogen auf die Problembearbeitung keine wichtige Rolle spielen. Der Lerner
lässt keine eigenständigen kognitiven Lösungsansätze erkennen, er wiederholt nur
die dargestellten Inhalte oder äußert Nebensächlichkeiten. Es ist davon auszuge-
hen, dass bei Kodierungen in dieser Kategorie, wenn überhaupt, nur eine ober-
flächliche kognitive Auseinandersetzung mit den Lerninhalten stattgefunden hat,
die alleine schon durch das permanente Lesen und die ständige Konfrontationen
mit den Lerninhalten stattgefunden hat. Daher wir d diese Kategorie nicht gezielt
zur Beantwortung der Fragestellungen ausgewertet, sondert bildet eher eine Rest-
kategorie.
Einzelne, beobachtbare Äußerungen und Handlungen, die dieser Kategorie zuzu-
ordnen sind
• das stille oder laute Ablesen bzw. Sichten von Programminhalten (wobei
die Inhalte nicht oder nur geringfügig verändert werden);
• das Nachvollziehen oder Beschreiben der Bildschirmabläufe;
• Fragen und Anmerkungen zum lauten Denken;
• Wiederholungen;
• reine Programminteraktionen ("Durchklicken");
• unwichtige und versehentliche Aktionen, die sofort rückgängig gemacht
werden;
• die Beschäftigung mit dem Untersuchungsablauf und dem Sinn der Un-
tersuchung sowie sonstige Anmerkungen.
Beispiele:
• liest Aufgabentext vor
• „jetzt klicke ich weiter“
• „das schaue ich mir noch mal an“
12.3.1.2 Voraussetzungen, Verständnis und Zwischenschritte [V]
Äußerungen und Handlungen der Lerner, die Aufgabenverständnis, Verständnis
des präsentierten Lösungsweges sowie Ausführungen zu und Aktionen von Zwi-
schenschritten und Hilfsaktionen. Dazu gehören Zusammenfassungen der darge-
71
stellten Bildschirminhalte mit eigenen Worten und die Ergänzung um eigene Inter-
pretationen oder Begründungen.
Da der Lerner alternativ richtiges oder falsches Verständnis zeigen kann, wird die-
se Kategorie unterteilt in
• richtiges Verständnis, richtige Regelanwendung, richtiger Zwischenschritt
[Vr]
• Fehlinterpretation, falsche Regelanwendung, Flüchtigkeitsfehler [Vf]
Beispiele:
• „ja, das kann man nachvollziehen“
• „jetzt muss ich die Begriffe zuordnen“
• „hier ist jetzt dargestellt, was man alles bei der Planung berücksichtigen
muss“
12.3.1.3 Selbstständiger Problemlösungsschritt [P]
Zu dieser Kategorie werden für die Problemlösung zentrale Äußerungen und
Aktionen erfasst. Gemäß dem Beitrag zur Problemlösung werden drei Arten von
Problemlösungsschritten unterschieden:
• richtiger bzw. vernünftiger Problemlöseschritt [Pr]
• suboptimaler, umständlicher Problemlöseschritt [Ps]
• falscher Problemlöseschritt, Denkfehler ("großer" Fehler) [Pt]
Beispiele:
• „jetzt muss ich erst einmal die Oberkategorien bilden“
• „erst einmal muss die Kellerdecke gegossen werden“
• die Baufinanzierung wird der Rohbauplanung zugeordnet
12.3.1.4 Betonung des Verständnisses [BV]
In diese Kategorie fallen Äußerungen des Lerners die Bestätigungen und Beto-
nungen des eigenen Verstehens beinhalten, ohne dass zuvor ein Konflikt erkenn-
bar gewesen wäre. Der Lerner befindet sich in einem kognitiven Gleichgewicht.
Im einzelnen hebt der Lerner hervor, dass er
• nichts denken müsse (weil die Lösung klar sei), etwas gut verstanden
hat,
• etwas bereits zu kennen meint,
• etwas besonders einfach findet oder
72
• mit dem im Programm dargestellten Lösungsweg übereinstimmt.
Beispiele:
• "das ist vollkommen logisch"
• "im Prinzip habe ich mir das so auch gedacht"
• "gut, das habe ich dann auch verstanden"
12.3.1.5 Konfliktwahrnehmung [K]
Äußerungen und Aktionen die erkennen lassen, dass der Lerner eine der Prob-
lemlösung entgegenwirkende Störung wahrnimmt, werden dieser Kategorie zuge-
ordnet. Der Lerner befindet sich in einem Zustand des kognitiven Ungleichge-
wichts. Die Assimilation misslingt und der Lerner erlebt einen kognitiven Konflikt,
der ihm den Anstoß gibt, nach neuen Problemlösungen zu suchen, um den kogni-
tiven Gleichgewichtszustand wieder herzustellen. Dieser Konflikt wird entweder als
belastend oder als anregend erlebt und kann, muss aber nicht von emotionalen
Äußerungen begleitet sein.
Draschoff (2000) führt aus, dass „ein kognitiver Konflikt ist auf jeden Fall immer
subjektiv vorhanden [ist], d.h. in der Wahrnehmung des Individuums begründet
und nicht mit einem objektiv beschreibbaren Fehler des Lerners bei der Problem-
bearbeitung gleichzusetzen [ist]. Es können auch Konflikte entstehen, wenn objek-
tiv kein Fehler oder Problem vorliegt“ (S. 219).
Der Konflikt kann verschiedene Auslöser haben:
• dem eigenen Nichtwissen;
• dem Nichtverstehen einer Aufgabe, einer Lösung, Feststellung, Grafik
oder anderen Darstellung im Programm;
• Unsicherheit bzw. Zweifel darüber, ob eine Lösungsidee oder -aktion
richtig ist oder war;
• dem Erkennen der Nichtanwendbarkeit einer zunächst als geeignet an-
gesehenen Methode in einem konkreten Fall;
• dem Erkennen einer Diskrepanz oder eines Widerspruchs;
• dem Erkennen eines Misserfolgs.
Der Konflikt kann sich äußern durch:
• Emotionen
• Verneinungen,
• Äußerungen, die Unverständnis ausdrücken,
• Fragen,
73
• Anforderungen von Hilfe
• Wiederholungen von gestörten Aktionen
In den Einzelversuchen steht die Frage im Vordergrund, ob in der veränderten
Lernprogrammversion mehr Konflikte induziert werden als in der unveränderten
Version. Demzufolge fokussiert in dieser Phase der Vorstudie die Inhaltsanalyse
darauf, auftretende kognitive Konflikte überhaupt zu erfassen. Zur ersten Erfas-
sung von Konflikten empfiehlt Draschoff (2000):
Die Konflikte sollen auf dieser ersten Analyseebene unabhängig von der objektiven Konfliktquelle erfasst werden, also unabhängig davon, ob sie durch Denkfehler, falsche Problemlösungsschritte, falsche Regelanwendungen, Flüchtigkeitsfehler, Programmfehler oder Kom-binationen davon verursacht worden sind. Allerdings sollen Konflikte, die kurzfristig aufgrund von Bedienbesonderheiten auftreten, von der Versuchsperson nicht thematisiert werden oder von dem Versuchs-leiter durch Bedienhilfe schnell behoben werden und in keinerlei Zu-sammenhang mit inhaltlichen Fragestellungen stehen, von dieser Kategorie ausgenommen sein. (S. 220)
Beispiele:
• "tja"
• "da fehlt mir jetzt irgendwo was"
• "soll ich jetzt wirklich vorne anfangen mit der Planung?"
• "das passt nicht"
• "ach Gott"
• "was ist jetzt damit gemeint?"
• "das verstehe ich jetzt überhaupt nicht"
• "das kann jetzt aber nicht sein"
Wenn die Auswertung der Daten ergibt, dass die veränderte Programmversion
verstärkt Konflikte induziert, werden in der nächsten Phase der Vorstudie diese
Konflikte in einem weiteren Analyseschritt inhaltlich beschrieben und subkategori-
siert.
Die aufgetretenen Konflikte lassen sich dabei in vier Subkategorien aufteilen:
• Problemlösungskonflikte, Denkfehler, strategische Konflikte [KP]
• Konflikte aufgrund von fehlenden Wissensvoraussetzungen, Verständ-
nisschwierigkeiten und falscher Regelanwendung [KV]
• Konflikte aufgrund von Bedienungsproblemen und Programmschwächen
[KI]
74
• Sonstige Konflikte [KS]
12.3.1.6 Konfliktlösung [KL]
Entscheidend für kognitive Entwicklungsprozesse ist es, dass, ausgehend von der
Auslösefunktion des eigentlichen Konflikts, der Lerner danach strebt, das kognitive
Gleichgewicht wieder zu erlangen.
Folgende Art von Äußerungen und Aktionen kennzeichnen Konfliktlösungen:
• Bestätigung des eigenen Verständnisses nach vorhergegangenem Un-
verständnis;
• Erkennen von Erfolg nach einem vorausgegangenen Misserfolg;
• Erkennen von Ursachen für einen vorausgegangenen Misserfolg oder
vorausgegangene Störung;
• Reflektieren von Erfolg nach vorausgegangenem Misserfolg;
• Äußerung von Emotionen die unmittelbare Erleichterung oder aber die
Unzufriedenheit mit der vorherigen Unfähigkeit ausdrücken.
Neben den unmittelbar beobachtbaren Äußerungen und Aktionen zur Konfliktlö-
sung, die direkt dieser Kategorie zugeordnet werden gilt es auch die Kategorien zu
betrachten, die indirekt auf die Entwicklung einer Konfliktlösung schließen lassen.
Dazu gehören:
• richtiges Verständnis, richtige Regelanwendung, richtiger Zwischenschritt
[Vr]
• Fehlinterpretation, falsche Regelanwendung, Flüchtigkeitsfehler [Vf]
• richtiger bzw. vernünftiger Problemlöseschritt [Pr]
• suboptimaler, umständlicher Problemlöseschritt [Ps]
• falscher Problemlöseschritt, Denkfehler ("großer" Fehler) [Pt]
•
Beispiele:
• ach, jetzt hab ich's verstanden
• "gut, das habe ich dann auch verstanden, dass das so geht"
• „das habe ich dann erkannt"
• "ich Idiot, jetzt ist mir das klar"
In der dieser Phase der Vorstudie steht, wie auch bei der Konfliktinduzierung, im
Vordergrund, ob es zu Konfliktlösungen gekommen ist.
Erst in der zweiten Phase werden auch die Konfliktlösungen in ihrer Art beschrie-
ben und subkategorisiert. Hierbei werden folgende Subkategorien Verwendung
75
finden:
• Erfolgreiche Konfliktlösung durch eigenes Nachdenken [LN]
• Erfolgreiche Konfliktlösung nach Hilfeanforderung im Programm [UI]
• Erfolgreiche Konfliktlösung nach persönlicher Unterstützung [LP]
• Falsche Konfliktlösung [LF]
• Keine Konfliktlösung [LK]
12.3.2 Hauptkategorie: Emotionen [E]
Emotionale Äußerungen, die Gefühle und Stimmungen bei der Bearbeitung des
Lernprogramms wiedergeben fallen in diese Kategorie. Emotionale Äußerungen,
die als Reaktionen auf die Methode des lauten Denkens erfolgen werden nicht
berücksichtigt.
Bei dieser Kategorie muss berücksichtigt werden, dass das Entstehen und Zeigen
von Emotionen interpersonell sehr unterschiedlich sind und häufig von der emoti-
onalen Grundstimmung einer Person beeinflusst werden.
Zwei Arten von Emotionen werden bei der Erfassung unterschieden:
• positive Emotionen wie Zufriedenheit, Freude, Erleichterung, Gefallen
und Erfolgszuversicht [Ep]
• negative Emotionen wie Unzufriedenheit, Langeweile, Ärger, Aggressivi-
tät, Verlegenheit und Misserfolgsbefürchtung [En]
Beispiele:
• „Ja!“
• "das ist doch blöde"
• „geschafft“
• „das sieht doch schon mal nicht schlecht aus“
12.3.3 Hauptkategorie: Mimik [M]
In dieser Kategorie wird die während der Bearbeitung des Lernprogramms auftre-
tende Mimik erfasst.
Es werden zwei Subkategorien unterschieden:
• Unterstützende Mimik, die verbale Äußerungen und Aktionen verstärkt
[Mu];
• allgemeine, unspezifische Mimik, die in keinem Zusammenhang mit dem
Lernprozess zu stehen scheint [Ma]
76
Beispiele:
• Stirnrunzeln
• Lachen
• Wangen „aufplustern“
12.3.4 Hauptkategorie: Gestik [G]
In dieser Kategorie wird die während der Bearbeitung des Lernprogramms auftre-
tende Gestik erfasst.
Auch hier werden zwei Subkategorien unterschieden:
• Unterstützende Gestik, die verbale Äußerungen und Aktionen verstärkt
[Gu];
• allgemeine, unspezifische Mimik, die in keinem Zusammenhang mit dem
Lernprozess zu stehen scheint [Ga].
Beispiele:
• klopft mit den Fingern auf den Tisch
• zeigt mit den Fingern auf den Bildschirm
• fasst sich an die Nase
12.3.5 Hauptkategorie: Sonstige Kategorien
12.3.5.1 Programmbewertung [PO]
Positive oder negativ bewertende Äußerungen des Lerners bezüglich des Lern-
programms oder an einzelnen Programmelementen werden hier erfasst.
Es werden folgende zwei Subkategorien unterschieden:
• Programmgefallen, Lob [POp];
• Programmmissfallen, Kritik [POn].
Beispiele:
• "ist ein bisschen viel zu lesen"
• "das ist ein gutes Hilfsmittel"
• „das ist nicht gut erklärt“
12.3.5.2 Bedienungsprobleme ("Interaktionsprobleme") [IP]
Kommt es bei der Bearbeitung des Lernprogramms zu Bedienungsproblemen, die
77
nichts mit dem Lernprozess zu tun haben, werden sie in dieser Kategorie erfasst.
• Unsicherheiten bzw. Fragen zum Programmablauf, zur Navigation, zu
Eingabemöglichkeiten, etc.;
• Probleme mit der Bedienung, Programmfehler.
Beispiele:
• „muss ich jetzt hier klicken?“
• „wo ist denn jetzt die Lösung?“
• „wie komme ich jetzt weiter?“
12.4 Ganzheitliche Erfassung der Lernwege und -prozesse - Beobachtung
Um gemäß dem Stand der heutigen technischen Möglichkeiten eine möglichste
hohe Qualität und Sicherheit zu erreichen, wurde eine Kooperation mit Professor
Oppermann vom Fraunhofer-Instituts für angewandte Informationstechnik (FIT)
und dem dortigen Usability-Labor vereinbart. Das Fit stellte während der Einzel-
versuche sowohl ein mobiles Usability-Labor als auch einen versierten psycholo-
gischen Mitarbeiter zur Unterstützung.
Um die kognitiven Konstruktionsprozesse während der Bearbeitung des Lernpro-
gramms festzuhalten und anschließend analysieren zu können, wurde das gesam-
te Lernverhalten des Lerners aufgezeichnet.
Zum einen wurden bei der Aufzeichnung der Programminteraktion durch einen
Screenrecorder sämtliche Bearbeitungsschritte - Mausbewegungen, per Maus
ausgelöste Aktionen und Eingaben per Tastatur - und die Abläufe am Bildschirm,
also auch die zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Informati-
onen, Hilfemeldungen und Rückmeldungen des Programms, festgehalten und in
einem Filmdokument abgespeichert. Mit diesen Aufzeichnungen wird nicht nur die
Analyse der Daten aus der Methode des lauten Denkens unterstützt, sondern
auch der Versuch unternommen, die Denkprozesse möglichst vollständig zu er-
fassen, die vielleicht schwer oder gar nicht verbalisierbar sind und sich stattdessen
in Handlungen zeigen (vgl. Ginsburg & Opper, 1978, S. 153).
Außerdem wurden die Lerner mit einer digitalen Spezialkamera während der Pro-
grammbearbeitung aufgezeichnet. Realbild- und Audioaufzeichnungen wurden in
einem separaten Filmdokument abgelegt.
Hatte Draschoff aufgrund der zu dieser Zeit sehr aufwendigen technischen Reali-
sierung, so stellte sie dennoch fest, dass „der Einsatz von Videoaufnahmen der
78
Versuchspersonen im Rahmen qualitativer Folgeuntersuchungen interessant [wä-
re], um das emotionale Erleben im Zusammenhang mit kognitiven Konflikten nä-
her analysieren zu können. (S. 221).
12.5 Methoden zur Datenauswertung
Die Aufzeichnungen der zehn Einzelversuche haben eine „Laufdauer“ von ca. 10
Stunden mit über 11 Gigabyte Speicherplatz. Diese Rohdaten wurden mit dem
vorgestellten Kategoriensystem inhaltsanalytisch ausgewertet.
12.5.1 Inhaltsanalyse
Den Kern der Datenauswertungsphase bildet die zuvor beschriebene inhaltliche
Analyse nach dem von Draschoff entwickelten, leicht erweiterten, Kategoriensys-
tem.
Alle durch die Beobachtung gewonnenen Lernprozessdaten (Aufzeichnungen der
Computerinteraktion, der verbale Daten und der Realbilddaten) werden dieser In-
haltsanalyse unterzogen.
Das Usability-Labor des FIT ist mit einer speziellen Software für wissenschaftliche
Inhaltsanalysen ausgestattet, die eine synchrone Kodierung des Rohmaterials mit
vielen Funktionalitäten (Zeitleiste, Pausenfunktion, stufenloses Vor- und Rückspu-
len, Abspielen in reduzierter Geschwindigkeit, additives Kodieren bei mehrmali-
gem Abspielen, etc.) ermöglicht. Dafür wurden die Kategorien von Draschoff in
das System eingepflegt. Die Screenrecording-Aufzeichnungen sowie die Video-
und Audioaufnahmen wurden parallel auf zwei Monitoren abgespielt und synchron
kodiert. Zusätzlich konnten jederzeit Notizen gemacht werden (für Bemerkungen,
Beispiele, Interpretationen, etc.).
79
Abb. 3: Screenshot der speziellen Software für wissenschaftliche Inhaltsanalysen des FIT.
Der Zwischenschritt der Transkription des Rohmaterials in eine Textverarbei-
tungssoftware ist somit überflüssig.
Die Kodierung wurde abgespeichert und kann immer wieder mit den Filmen aufge-
rufen werden. Zusätzlich wurden die Daten in eine Microsoft-Exceldatei exportiert.
Diese Kodierungsdaten im Excel-Format bilden nun die Basis für die statistischen
Analysen.
12.5.1.1 Analyseeinheiten
Für die Auswertung des Rohmaterials wurde eine formale, zeitabhängige Eintei-
lung der Analyseeinheiten gewählt. Der Komplexität, der Verschachtelung und
Abgrenzungsschwierigkeiten der Denkprozesse sowie den möglichen interperso-
nalen Unterschieden im Umgang mit der Methode des lauten Denkens kann mit
einer formalen Analyseeinheit besser begegnet werden:
Die Anzahl der Manifestationen einer Kategorie sagt tatsächlich aus, wie oft und intensiv eine Lernkategorie, beispielsweise aktive Prob-lemlösungsschritte vs. gedankliche Wiederholungen bzw. -wiedergaben, bei einem Lerner zu verzeichnen ist. Die relative Häu-
80
figkeit einer Kategorie im Vergleich zu anderen Kategorien kann be-stimmt werden. (Draschoff, 2000, S. 215)
Mit der Software des Usability-Labors vom FIT wurde das gesamte Rohmaterial
sekundengenau kodiert.
12.5.1.2 Auswertung des Kategoriensystems
Für die Untersuchung der Hypothese 1 können die Kategorien Konfliktwahrneh-
mung (K) und Betonung des Verständnisses (BV) herangezogen werden. Die Ler-
ner mit der veränderten Programmvariante sollten eine höhere Anzahl Manifesta-
tionen der KKategorie und eine niedrigere Anzahl Manifestationen der BV-
Kategorie aufweisen.
Die Hypothese 2 kann mit der Kategorie Emotionen (E) untersucht werden. Die
Lerner mit der veränderten Programmvariante sollten häufiger getöntere Emotio-
nen zeigen.
Mit der Hypothese 3 soll das aktivere Lernverhalten untersucht werden. Die Kate-
gorie Selbstständiger Problemlösungsschritt (P) müsste bei den Lernern mit der
veränderten Programmvariante durch eine höhere Anzahl von Einheiten der P-
Kategorie auf aktiveres Lernverhalten schließen lassen.
Da die Bearbeitungszeiten aufgrund der unterschiedlichen konzeptionellen Gestal-
tung der Lernprogramme in der Versuchs- und in der Kontrollgruppe sehr differier-
ten müssen die relativen Häufigkeiten berechnet und bei der statistischen Analyse
die gezählten Einheiten pro festgelegter Zeitspanne (z.B. zehn Arbeitsminuten) als
Vergleichswerte gewählt werden.
12.5.1.3 Statistische Analysen
Die statistische Auswertung der Rohdaten der beobachteten Lernprozesse wurde
mit der Statistiksoftware SPSS für Windows durchgeführt werden.
Aufgrund der Zielsetzung der Einzelversuche und der niedrigen Teilnehmergröße
wurden vorwiegend deskriptive Auswertungen durchgeführt. Zusätzlich wurde zur
Überprüfung der Unterschiedshypothesen der verteilungsfreie U-Test von Mann
und Whitney (1947, nach Bortz & Lienert, 1998, S. 126) verwendet.
81
13 Hypothesen und Ergebnisse2
Mit den Hypothesen 1-3 wurde untersucht, ob das veränderte Lernmodul zu ei-
nem veränderten Lernverhalten führt. Es wird erwartet, dass das veränderte
Lernmodul Konflikte bei dem Lerner induziert und ihn gleichzeitig in die Lage ver-
setzt, durch ein gestuftes Hilfesystem unterstütz, diesen Konflikt und damit auch
die jeweilige Aufgabenstellung selbständig zu lösen. Daraus leiten sich die rele-
vanten Hypothesen für diese Phase. Das gesamte Lernverhalten der Lerner wurde
aufgezeichnet.
Um Hinweise auf die Art und Weise der kognitiven Auseinandersetzung des ein-
zelnen Lerners mit dem Lernmaterial zu gewinnen, wurde bei den Einzelversu-
chen die Methode des lauten Denkens eingesetzt und inhaltsanalytisch ausgewer-
tet.
13.1 Hypothese 1: Kognitive Konflikte im Vergleich beider Programmvarian-
ten
Die Lerner, die mit der veränderten Lernprogrammvariante arbeiten, erleben mehr
kognitive Konflikte als die Lerner der Kontrollgruppe. Die Fragestellung der Art der
Konfliktlösung wird explorativ untersucht.
Ergebnis:
Bei den Lernern mit der veränderten Programmvariante wurden eine signifikant
höhere Anzahl Manifestationen der Kategorie Konfliktwahrnehmung und signifi-
kant niedrigere Anzahl Manifestationen der Kategorie Betonung des Verständnis-
ses festgestellt (vgl. Tabelle 1).
Tabelle 1: Vergleich der beiden Programmvarianten bezüglich der Kategorien
"Konfliktwahrnehmung" und "Betonung des Verständnisses" (N=10)
V1 V2 U-Test
(n=5) (n=5)
Kategorie: Ma
Me-
dian Ma
Me-
dian U Z P
(SD) (SD)
2 Bei allen Tabellen sind signifikante Ergebnisse grün hinterlegt.
82
Konfliktwahrnehmung [K] 0,640 0,650 2,86 2,650 0 -2,619 0,008
(0,641)
(0,903
)
Betonung des Verständnisses
[BV] 4,910 4,720 1,35 0,620 5 -1,571 0,151
(3,432)
(1,062
)
83
13.2 Hypothese 2: Emotionen im Vergleich beider Programmvarianten
Die Lerner, die mit der veränderten Lernprogrammvariante arbeiten, zeigen ein
emotional getönteres Lernverhalten als die Lerner der Kontrollgruppe.
Ergebnis:
Lerner mit der veränderten Programmvariante zeigten häufiger getöntere Emotio-
nen (vgl. Tabelle 2).
Tabelle 2: Vergleich der beiden Programmvarianten bezüglich der Kategorien
"positive Emotionen" und "negative Emotionen" (N=10)
V1 V2 U-Test
(n=5) (n=5)
Kategorie: Ma
Me-
dian Ma
Me-
dian U Z P
(SD) (SD)
Emotionen positiv [Ep] 0,500 0,590 1,61 1,54 0 -2,619 0,008
(0,243)
(0,11
1)
Emotionen negativ [En] 0,464 0,000 0,402 0,240 7 -1,226 0,310
(0,464)
(0,17
2)
84
13.3 Hypothese 3: Lernverhalten im Vergleich beider Programmva-
rianten
Die Lerner, die mit der veränderten Lernprogrammvariante arbeiten, zeigen insge-
samt ein aktiveres Lernverhalten als die Lerner der Kontrollgruppe.
Ergebnis:
Die Kategorie Selbstständiger Problemlösungsschritt wies höhere Werte bei den
Lernern mit der veränderten Programmvariante auf als bei den Lernern der Kon-
trollgruppe (vgl. Tabelle 3).
Tabelle 3: Vergleich der beiden Programmvarianten bezüglich der Kategorien
"richtiger Problemlöseschritt", "suboptimaler Problemlöseschritt", "falscher Prob-
lemlöse schritt", "richtiges Verständnis", "Fehlinterpretation" und "Konfliktlösung"
(N=10)
V1 V2 U-Test
(n=5) (n=5)
Kategorie: Ma
Me-
dian Ma
Me-
dian U z P
(SD) (SD)
Richtiger Problemlöseschritt
[Pr] 0,24 0 2,73 2,78 0 -2,643 0,008
(0,148)
(0,268
)
suboptimaler Problemlöse-
schritt [Ps] 0,13 0 0,55 0,77 4 -1,894 0,095
(0,130)
(0,191
)
Falscher Problemlöseschritt
[Pf] 0,12 0 0,07 0 11 -0,386 0,841
(0,118)
(0,045
)
Richtiges Verständnis [Vr] 0,61 0,65 2,4 2,52 0 -2,619 0,008
(0,271)
(0,236
)
Fehlinterpretation [Vf] 0 0 0,04 0 10 -1 0,317
0 (0,038
)
85
)
Konfliktlösung [KL] 0,12 0 2,23 2,06 0 -2,694 0,008
(0,118)
(0,281
)
86
Mit den Hypothesen 4-7 wurden der Einfluss der Programmgestaltung und der
moderierende Einfluss von Lernermerkmalen auf den Lernerfolg untersucht. In
dieser Phase nahmen 120 Versuchspersonen in verschiedenen Gruppen teil. Die
Ergebnisse wurden deskriptiv und varianzanalytisch analysiert.
Tab. 4: Lernerfolg im Vergleich der relevanten Haupteinflüsse
und moderierenden Einflüsse spezifischer Lernermerkmale
Multifaktorielle Varianzanalyse
Faktor
Quadratsu
mme df
Mittel der
Quadrate F Sig.
Programmvariante 92,199 1 92,199 7,790 0,006
Lernform 60,460 1 60,460 5,108 0,026
Prüfungsängstlich-
keit 222,061 1 222,061 18,762 0,000
Selbstwirksamkeit 140,144 1 140,144 11,841 0,001
Die Haupteffekte und Interaktionseffekte werden mit den Hypothesen 4-5 unter-
sucht.
13.4 Hypothese 4: Lernerfolg im Vergleich beider Programmvarian-
ten
Die Lerner, die mit der veränderten Lernprogrammvariante arbeiten, haben in der
Lernerfolgskontrolle ein besseres Ergebnis als die Lerner, die mit der unveränder-
ten Programmvariante gearbeitet haben.
Ergebnis:
Der Einfluss der Programmversion ist hoch signifikant. Die Lerner, die mit der ver-
änderten Programmvariante erzielten bessere Lernerfolge als die Lerner mit der
unveränderten Programmvariante.
87
13.5 Hypothese 5: Lernerfolg im Vergleich beider Lernformen
Die Lerner, die im Team arbeiten erzielen bessere Lernerfolge als Einzellerner.
Ergebnis:
Die Lernform hat einen hoch signifikanten Einfluss auf den Lernerfolg. Die Lerner,
die im Team arbeiteten, erzielten bessere Lernerfolge als Einzellerner.
Hypothese 5a:
Zwischen den Variablen Lernform und Programmvariante ist eine Wechselwirkung
im Hinblick auf den Lernerfolg zu erwarten: Die Lernteams profitieren mehr von
der veränderten Programmvariante als Einzellerner.
Ergebnis:
Die Hypothese wurde nicht bestätigt. Bezogen auf die Wechselwirkung gibt es
keinen Unterschied zwischen Lernteams und Einzellerner.
Der moderierende Einfluss von Lernermerkmalen auf den Lernerfolg wird mir mit
den Hypothesen 6-7 untersucht.
13.6 Hypothese 6: Lernerfolg in Abhängigkeit von Prüfungsängst-
lichkeit
Lerner mit höherer Prüfungsängstlichkeit erreichen eine niedrige Punktzahl in der
Lernerfolgskontrolle als wenig ängstliche Lerner.
Tab. 5: Lernerfolg im Vergleich der Subskalen
des moderierenden Einflusses Prüfungsangst
Varianzanalyse
Faktor Quadratsumme df
Mittel der
Quadrate F Sig.
Aufgeregtheit 187,790 1 187,790 12,360 0,001
Besorgtheit 306,393 1 306,393 23,391 0,000
88
Interferenz 40,150 1 40,150 2,905 0,091
Mangel an Zuver-
sicht 221,006 1 221,096 16,565 0,000
Ergebnis:
Die Hypothese wird hochsignifikant bestätigt. Nicht-ängstliche Lerner erzielen mit
der veränderten Programmvariante bessere Lernerfolge als ängstliche Lerner.
Hypothese 6a:
Zwischen den Variablen Prüfungsängstlichkeit und Programmvariante ist eine
Wechselwirkung im Hinblick auf den Lernerfolg zu erwarten: Ängstliche Lerner
profitieren weniger von der veränderten Programmvariante als nicht-ängstliche
Lerner.
Ergebnis:
Bei den einzelnen Dimensionen sind Aufgeregtheit, Besorgtheit und Mangel an
Zuversicht hoch signifikant. Lerner mit hohen Ausprägungen erreichen weniger
Punkte als Lerner mit niedrigen Ausprägungen.
Bei der Dimension Interferenz bestehen keine signifikanten Unterschiede bezogen
auf den Lernerfolg.
13.7 Hypothese 7: Lernerfolg in Abhängigkeit von Selbstwirksam-
keit
Lerner mit höherer Selbstwirksamkeit erreichen eine höhere Punktzahl in der
Lernerfolgskontrolle als Lerner mit weniger Selbstwirksamkeit.
Ergebnis:
Die Hypothese wird hochsignifikant bestätigt.
Hypothese 7a:
Zwischen den Variablen Selbstwirksamkeit und Programmvariante ist eine Wech-
selwirkung im Hinblick auf den Lernerfolg zu erwarten: Selbstwirksame Lerner pro-
fitieren mehr von der veränderten Programmvariante als weniger selbstwirksame
Lerner.
89
Ergebnis:
Die Hypothese wird nicht bestätigt.
14 Zusammenfassung der Ergebnisse und Fazit
In der Empirie des Projektes wurden sowohl quantitativen als auch qualitativ-
explorativen Methoden angewandt. Es galt Unterschiede zwischen einer unverän-
derten Lernprogrammvariante und einer nach Maßgaben der konfliktinduzierenden
Lerntheorie veränderten Lernprogrammvariante zu untersuchen. Dazu wurden
eine Lernprozessanalyse und eine Überprüfung von Lernerfolgen durchgeführt.
14.1 Zusammenfassung der Ergebnisse der Lernprozessanalyse
Für die Lernprozessanalyse wurden die mithilfe der Methode des lauten Denkens
und computerunterstützten Videoaufzeichnungen gewonnenen ganzheitlichen Be-
obachtungsdaten inhaltsanalytisch auf der Basis eines geeigneten Kategoriensys-
tems ausgewertet.
Es bestätigte sich die Erwartung, dass die Arbeit mit dem neu gestalteten Lern-
programm ein allgemein aktiveres Problemlösungsverhalten und konfliktreichere
Lernprozesse bewirkt, die sich auch - im Vergleich mit der Kontrollgruppe - emoti-
onaler getönten Erleben der Aufgabenbearbeitung offenbaren. Die qualitative Ana-
lyse konnte zeigen, dass sowohl die induzierten als auch unerwartete Lernpro-
zessstörungen aufgrund der Interaktion mit der neuen Software auftreten und eine
eigenständige Problemlösungssuche anstoßen. Im Großen und Ganzen gelang es
den Lernern, mithilfe der im Programm zur Verfügung gestellten Hilfen ihre Kon-
flikte erfolgreich zu bewältigen. Insofern Konnte nachgewiesen werden, dass eine,
auf dem beschriebenen Maßnahmenbündel basierende, interaktive Programmges-
taltung geeignet ist, lebendiges, konflikthaltiges und einsichtiges Lernen hervorzu-
rufen bzw. aufgrund der Konfrontation mit eigenen Fehlannahmen strukturelle
Veränderungen zu bewirken.
14.2 Zusammenfassung der Ergebnisse der Lernerfolgsmessung
Im Gesamtvergleich zeigt sich die konfliktinduzierende Programmvariante der al-
ten Softwarevariante überlegen.
90
In Bezug auf die Überprüfung des Lernerfolgs ergibt sich eine Signifikanz mit Ef-
fekt zugunsten der neuen Lernprogrammvariante feststellen. Bei differenzierter
Betrachtung zeigt sich, dass nicht alle Lerner in gleichem Maße von der konfliktin-
duzierenden Lernumgebung profitieren können. Deutliche Unterschiede im Lerner-
folg zugunsten der neuen Lernprogrammvariante ergeben sich für die Gruppe der
Lerner, die weniger Prüfungsängstlichkeit und eine höhere Selbstwirksamkeitser-
wartung aufweisen.
14.3 Fazit zur Kompetenzentwicklung durch Induzierung kognitiver Konflikte
mittels Internet und Multimedia in der Weiterbildung
Auf dem heutigen Markt der Lernsoftware herrschen Lernprogramme vor, die sel-
ten die didaktischen Möglichkeiten des Medium Computer ausnutzen. Anwender
bezeichnen einen Großteil der Lernprogramme als „wenig interaktive Blätterma-
schinen“.
Lernprogramme, eingebettet in eine interaktive und rückmeldungsreiche Lernum-
gebung, die die Lerner zu selbstständigen Problemlösungsversuchen und aktiven
Wissenskonstruktionen anregen, sind eher selten.
Gerade bei einer derartigen Gestaltung von Lernprogrammen geben die Erkennt-
nisse aus kognitiven und konstruktivistischen Lerntheorien eine Fülle von Anre-
gungen.
Einige dieser Anregungen wurden in diesem Projekt aufgegriffen, umgesetzt und
deren Auswirkungen empirisch untersucht.
Die Ergebnisse des Projektes zeigen, dass durch die Induzierung kognitiver Kon-
flikte in der veränderten Lernprogrammvariante Lernverhalten und Lernerfolg ver-
ändert werden.
Doch ob die Veränderungen in die gewünschte Richtung gehen, hängt davon ab,
ob Lernermerkmale wie Prüfungsängstlichkeit und Selbstwirksamkeitserwartung
bei der Gestaltung der Lernumgebung Berücksichtigung finden.
Damit die Lerner, unabhängig ihrer spezifischen Merkmale. erfolgreich mit einem
konfliktinduzierenden Lernprogramm arbeiten können, ist die Gestaltung eines
gestuften Hilfesystems nach dem Prinzip der ,,minimalen Hilfe" von entscheiden-
der Bedeutung.
Damit die Bearbeitung von Lernprogrammen tatsächlich zu motiviertem und explo-
91
rativem Verhalten im Rahmen von konstruktivistischen Lernprozessen führt, muss
ein gestuftes Hilfesystem den Lernenden immer so viel Hilfe geben, wie benötigt
wird, damit diese gemäß ihrer individuellen Lernersituation sich den Lerngegens-
tand optimal erarbeiten, die entstandenen Konflikte meistern und Lernziele erfolg-
reich erreichen können.
92
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