Post on 17-Sep-2018
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[1] John MacBeath, Denis Meuret, Michael Schratz: Praktischer Leitfaden zur Selbstevaluation. Brüssel: Europäische Kommission, 1997, S. 7.
Prof. Dr. Michael Schratz
Lehrerbildung in der Kultur lernseitiger
Annäherungen an Vielfalt und Einzigartigkeit
Workshop
Kooperationstag mit
den Partnerschulen der
Universität Regensburg
2. Oktober 2012
Es ist die längste Distanz …
… von der Formulierung
von Kompetenzen im
Lehrplan bis dahin, was
bei den Schülerinnen und
Schülern im Unterricht
ankommt.
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„Ich muss die Kreativität von jedem einzelnen
Musiker haben, auch dort, wo er von meiner
Meinung abweicht. Ich habe 80 oder 100 Musiker
vor mir, und jeder hat eine eigene Auffassung.
Ich muss das kanalisieren und in eine Richtung
bringen. Aber aufzwingen im diktatorischen Sinn
hat überhaupt keinen Sinn.“
Nikolaus Harnoncourt, Dirigent
„Jede Idee entsteht im Dialog.“
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„Du unterrichtest einen für dich äußerst interessanten
Stoff. Du hast dich gründlich auf diese Stunde vorbereitet,
viel Literatur gelesen und dir viele Gedanken gemacht,
wie der Stoff am besten behandelt wird.
Nun stehst du vor der Klasse, hast gerade erklärt, wie
wichtig dieser Stoff ist - für das Verständnis des Faches,
für das weitere Leben und überhaupt.
Anschauungsmaterial liegt vorbereitet auf dem
Lehrerpult. Der Overhead-Projektor ist eingeschaltet und
du beginnst mit einem kurzen Einführungsvortrag.
Da bemerkst du, dass einige Schüler miteinander leise
sprechen, andere schauen desinteressiert zum Fenster
hinaus und ...
Du sprichst die Schüler auf ihr Verhalten an und
betonst dabei nochmals die Wichtigkeit und die
Bedeutung des gerade angesprochenen Stoffes ...
Du sprichst den Schüler auf die Zeitung an und betonst
dabei nochmals die Wichtigkeit und die Bedeutung des
gerade angesprochenen Stoffes.
Da antwortet der Schüler: „Das sagen immer alle
Lehrer, dass gerade dieser Stoff für uns so wichtig ist. In
Wirklichkeit hat dieser Scheiss für uns überhaupt keine
Bedeutung – für mich wenigstens lerne ich diesen
Blödsinn nur, weil er bei der Prüfung kommen kann.“
(Schulstufe: 7. Klasse AHS)
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Person Persönliche Dimension
Gruppe Soziale Dimension
Können Anwendungsdimension
Wissen Wissensdimension
Verstehen Erkenntnisdimension
(Schratz/Weiser 2002)
lernen Wissen zu erwerben
lernen zusammen zu leben
lernen zu leben
lernen zu handeln
lernen zu verstehen
Erkenntnisdimension
Schratz/Weiser 2002
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Eine
lernende
Schule
„ ... ist eine Organisation, in der die Menschen kontinuierlich
die Fähigkeit entfalten, ihre wahren Ziele zu verwirklichen,
in denen neue Denkformen gefördert und gemeinsame
Hoffnungen freigesetzt werden und in denen Menschen lernen,
miteinander zu lernen.“
Peter Senge
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Der Verstand der Gänse
aus: Michael Schratz:
Qualität sichern – Schulprogramme entwickeln.
Seelze: Kallmeyer, 2003, S. 108
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“Ein System kann nur sehen,
was es sehen kann,
es kann nicht sehen,
was es nicht sehen kann.
Es kann auch nicht sehen,
dass es nicht sehen kann,
was es nicht sehen kann.”
(Niklas Luhmann)
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Quelle Varianzanteil
Schüler/in 50%
Familie 5-10%
Peers 5-10%
Schule 5-10%
Lehrer/in und Unterricht 30%
Bedeutung unterschiedlicher Quellen für
erfolgreiches Lernen in der Schule
Der gleiche Lehrer
unterrichtet alle gleichaltrigen Schüler/innen
im gleichen Tempo
mit dem gleichen Material
im gleichen Raum
mit den gleichen Methoden
und dem gleichen Ziel.
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Lehrer/in: INITIATION
Schüler/in: REAKTION
Lehrer/in:
RICHTIG FALSCH
1, 2, 3 …
Grundmuster von Unterricht
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Teufelskreis
Problemlösung aus
der Vergangenheit
Problem
der
Gegenwart
Misserfolg
Intensivierung
der
Anstrengung
angewendet auf
führt zu
und löst aus
verschärft
verschärft
Problemstellung
• Unterricht vs. teaching and learning
• „Kriterien für guten Unterricht“ vs. Kriterien für erfolgreiches Lernen
• „Den Schüler dort abholen, wo er gerade steht.“
• „Schülerorientiert arbeiten.“
• Effektivierung von didaktischen Kompetenzen der Lehrpersonen.
Mythos: Lernen ist das Ergebnis von Lehren
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Why can‘t they1 change?
„This requires an openness … and a willingness to seek
a better alternative to what the teacher is currently doing
by evaluating the effects of the change on student
learning. Adopting any innovations means discontinuing
the use of familiar learning.“ (p. 252)
1 teachers, policy makers, teachers educators and
oftentimes parents
What works?
„If the teacher‘s lense can be changed to seeing learning through
the eyes of students, this would be an excellent beginning. This
involves teachers seeking countering evidence as to the
effectiveness of their teaching, looking for errors in their thinking and
knowledge, seeing how students build on prior knowledge and
conceptions of learning, asking whether there is sufficient challenge
and engagement in the learning, and understanding
the strategies students are using when learning and
confronting difficulties.“ (p. 252-253)
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good practice
best practice
Kritische Instabilität
Kreative Störung
Prozess der Neuorientierung
Entwicklung von next practice
Musterwechsel
Kreativer Musterwechsel und “next practice”
bewusste Kompetenz
bewusste Inkompetenz
unbewusste Inkompetenz
unbewusste Kompetenz
Vom unbewussten zum bewussten Lernen
kompetent
bewusst
inkompetent
unbewusst
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tun
verstehen
kompetent
inkompetent
bewusst unbewusst
Von der „unbewussten Inkompetenz“ zur „bewussten Kompetenz“
unbewusste Inkompetenz
bewusste Kompetenz
tun
verstehen
kompetent
inkompetent
bewusst unbewusst
bewusste Kompetenz
unbewusste Inkompetenz
Von der „unbewussten Inkompetenz“ zur „bewussten Kompetenz“
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Woher wissen wir,
Schülerinnen und Schüler lernen
WAS
WIE ?
„The trouble with learnin‘ is
that it‘s always about somethin‘
that you don‘t know.“
(Dennis the Menace)
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Teaching is impossible.
(Lee Shulman 1983)
Teaching as a subversive activity.
(Postman & Weingartner 1969)
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„Lernen ist das Persönlichste auf der Welt.
Es ist so eigen wie ein Gesicht
oder wie ein Fingerabdruck.
Noch individueller als das Liebesleben.“
Heinz von Foerster (1999)
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Individuen
INDIVIDUALISIERUNG
Persönlichkeiten
PERSONALISIERUNG
Lehrplan Lebensplan
Lernfragen Lebensfragen
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„Schülerinnen und Schüler sollen dort abgeholt werden, wo sie
sind. Diese Parole geistert schon seit einiger Zeit durch die
didaktische Landschaft. Sie findet viel Zustimmung, sind mit ihr
doch Reformenthusiasmus, Schülernähe, Empathie und
pädagogischer Einsatz verbunden. Sehen wir einmal davon ab,
dass es auch etwas Bedrohliches hat, genau zu wissen, wo
jemand anderes steht, wenn dieser uns seinen Ort nicht
preisgeben kann oder will, so bleibt doch die Frage, ob es
überhaupt möglich ist, den Schüler an der Stätte seiner
Erfahrungen zu empfangen.“
Käte Meyer-Drawe
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DEM LERNEN AUF DER SPUR …
Übersicht der drei Feldphasen (Untersuchungszeitraum 2009/2010)
Forschungsprojekt
„Personale Bildungsprozesse in heterogenen Gruppen“
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Vignette
• eine „dichte Beschreibung“ (Geertz, 1991)
der primären, protokollierten Erfahrungen im
Feld
• prägnante, trächtige „Anekdoten gelebter
Erfahrung“ (van Manen, 1990)
• eine kurze Erzählung eines tatsächlichen
Ereignisses, welches an sich nicht sonderlich
bedeutsam, doch geeignet ist, große
Bedeutung anzunehmen (Arrighetti, 2007)
„Klangkörper des Lernens“
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Lehrer sind wie …
sie denken immer nur
an die Methoden!
zwei Seiten einer Münze
LEHRSEITS - LERNSEITS
wie
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lehrseits lernseits
von Unterricht
2 Seiten einer Medaille
Die Aufgabe für die
SchülerInnen steht im
Mittelpunkt.
Die SchülerInnen sind in
ihr Lernen verstrickt.
Aufmerksamkeit auf
gelingender Umsetzung
von Planung.
Aufmerksamkeit auf
entstehender Zukunft.
lehrseits lernseits
von Unterricht
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Modus des Lehrens
“lehrseits”
Was unterrichte ich?
(Inhalte)
Unterrichten
WAS?
WIE? Wie unterrichten ich?
(Methoden)
Modus des Lernens
“lernseits”
Was wissen/verstehen/können
die SchülerInnen?
Welche wirkmächtigen Erfahrungen
machen die SchülerInnen?
îm
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Serena, S. 33
Wissensaudit
Wir wissen, was wir wissen.
Wir wissen nicht, was wir wissen.
Wir wissen, was wir nicht
wissen.
Wir wissen nicht, was wir nicht
wissen.
Lernen der Schülerinnen und Schüler
Wissen Nicht-Wissen
Wissen
Nicht-Wissen
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Didaktik vom Lernen aus denken
und
Lehren „in den Dienst" des Lernens nehmen.
(Lothar Klingberg 1997)
LERNEN
Wir nennen das Lehren im Unterschied
zu anderen Verständigungsarten …
… einführende Verständigung
(Günther Buck 1989)
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Didaktik vom Lernen aus denken
und
Lehren „in den Dienst" des Lernens nehmen.
(Lothar Klingberg 1997)
LERNEN
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Wir nennen das Lehren im Unterschied
zu anderen Verständigungsarten …
… einführende Verständigung
(Günther Buck 1989)
Lernen ist Erfahrung, in der eine Person von der Welt (jemand, etwas) in Anspruch genommen wird, darauf als etwas respondiert und in der Welt wirkmächtig wird. Forschungsgruppe „Personale Bildungsprozesse in heterogenen Gruppen“
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„Beim Lehren ‚legen wir das Gelingen des eigenen Tuns in fremde Hand‘
(Waldenfels 2009). Erst im Lernen wird unserem Handeln Erfolg bescheinigt.
Wir sind deshalb weder nur Ingenieure noch lediglich Animateure. Wir holen
niemanden ab, wo er steht. Diesem irreführenden Bild muss ein anderes
gegenübergestellt werden. Als Lehrende bereiten wir einen Boden, auf dem
wir den Lernenden, sie uns und sie sich untereinander begegnen können. Die
Resonanzfunktion des gemeinsamen Handelns und Sprechens gründet darin,
dass es Antworten ermöglicht, die es selbst nicht parat hat. Ohne Macht wird
es auch bei einem responsiven Verständnis des Lernens und Lehrens nicht
gehen; denn als Unterrichtende lenken wir die Blicke, wecken wir das
Begehren nach Wissen.“
Käte Meyer-Drawe
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Wie lernen Systeme?
Wie lernt das Kollegium?
Wie lernen SchülerInnen?
Leadership for Learning
Wie lernen Systeme?
Wie lernt das Kollegium?
Wie lernen SchülerInnen?
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Systeme lernen
Lehrer/innen lernen
Schüler/innen lernen
Lernen der S/S
Lernen der L/L etc.
Lernen des Systems
3 entscheidende Ebenen des Lernens
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„Es sind die Lehrerinnen und Lehrer, die schlussendlich
die Welt von Schule und Unterricht verändern werden,
indem sie sie verstehen.“
Lawrence Stenhouse