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Lungenembolie
Komplikation in der Anästhesie
Ines Gutekunst Weiterbildung in Anästhesiepflege und Reanimation Departement Anästhesie - Universitätsspital Basel Kurs November 2006
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VORWORT
MOTIVATION
An meinen Einstieg in die tägliche Anästhesiepraxis kann ich mich noch gut erinnern.
Theoretisch sind wir in der Ausbildung früh auf verschiedene Komplikationen in der
Anästhesie aufmerksam gemacht worden und als Lernende hat man einen grossen
Respekt davor. Bin ich mir doch der Verantwortung voll bewusst und weiss, dass ich
für ein anderes Menschenleben grösste Sorge zu tragen habe.
Komplikationen während der Anästhesie sind vielseitig und unregelmässig
auftretend. Ich habe mich für das Thema „Lungenembolie, Komplikation in der
Anästhesie“ entschieden.
Vermutlich ist es nicht so leicht nachzuvollziehen, warum ich meine ganze
Aufmerksamkeit einem Thema widme, welches ich in der alltäglichen Anästhesie
Praxis noch nie erlebt habe. Aber ich finde das Thema spannend und interessant.
Zudem vermute ich, dass es in einer weniger akuten Form häufiger vorkommt, von
uns jedoch unbemerkt bleibt.
ZIEL
Ziel meiner Arbeit ist es aufzuzeigen, wie häufig klinisch relevante Lungenembolien
bei Patienten unter Allgemeinanästhesien auftreten und ob sich in den letzten
10 Jahren in Bezug auf die Inzidenz etwas geändert hat. Zudem wollte ich der Frage
nachgehen, in wieweit es neue Erkenntnisse zum Thema Prophylaxe und Therapie
in Bezug auf Lungenembolien in der Anästhesie gibt.
Mir ist klar, dass das Thema grundsätzlich ein medizinisches Thema ist. Trotzdem
sehe ich als Pflegende darin eine Herausforderung. Eine unserer Pflegeaufgaben ist
es, Gesundheit zu fördern und zu erhalten, gesundheitlichen Schäden vorzubeugen
und Menschen in der Behandlung und im Umgang mit Auswirkungen von
Krankheiten zu unterstützen.
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Bei der Bearbeitung des Themas möchte ich Theorie und Praxis miteinander
verknüpfen. Es ist mir wichtig, dieses vielschichtige und komplexe Thema
überschaubar aufzugliedern und in einer verständlichen Form wiederzugeben. Meine
Abschlussarbeit richtet sich in erster Linie an das Anästhesie-, Instrumentier- und
Lagerungsfachpersonal.
DANKSAGUNG
Ich danke Dr. Martin Siegemund, Oberarzt am Departement Anästhesie des
Universitätsspitals Basel, für die Durchsicht der Arbeit und die Unterstützung bei
fachlichen Fragen und Problemen.
Weiter gilt mein Dank Herrn Christoph Schori, Weiterbildungsleiter Anästhesiepflege
am Universitätsspital Basel für seine Tipps bezüglich Gestaltung der Arbeit.
Basel, Februar 2008
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INHALTSVERZEICHNIS
EINLEITUNG 1. Themenwahl 4
2. Aufbau und Methode 4
3. Eingrenzung des Themas 5
HAUPTTEIL 4. Der Atemweg – Anatomie und Physiologie 6
5. Der Lungenkreislauf – Anatomie und Physiologie 7
6. Die Thrombose – Ätiologie und Pathologie 8
7. Die Lungenembolie 10 7.1. Einleitung 10
7.2. Ätiologie und Pathogenese 10
7.3. Pathophysiologie 13
7.4. Symptome 14
8. Wie häufig treten intraoperative Lungenembolien auf? 16 8.1. Zahlen aus dem Universitätsspital Basel 16
9. Hat sich in den letzten 10 Jahren in Bezug auf die Inzidenz 18
der Lungenembolien in der Anästhesie etwas verändert?
10. Prophylaxe und Therapie 19 10.1. Medikamentöse Prophylaxe 19
10.2. Intermittierend komprimierende, pneumatische Strümpfe (IPC) 20
10.3. Intraoperatives Management bei Verdacht einer Lungenembolie 23
10.4. Postoperatives Management bei Verdacht einer Lungenembolie 24
10.5. Lungenembolie Diagnostik 24
SCHLUSSTEIL 11. Zusammenfassung 25
12. Literaturverzeichnis 27
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EINLEITUNG
1. THEMENWAHL
Sobald ich angefangen hatte, mich mit dem Thema auseinanderzusetzen, waren es
viele Fragen, die mich interessierten, aber drei Hauptrichtungen, die sich konkreter
abzeichneten.
Daher habe ich mich für folgende drei Fragestellungen entschieden.
• Wie häufig treten klinisch relevante Lungenembolien bei Patienten unter
Allgemeinanästhesien auf?
• Hat sich in den letzten 10 Jahren in Bezug auf die Inzidenz der Lungenembolien
in der Anästhesie etwas verändert?
• Gibt es neue Erkenntnisse zum Thema Prophylaxe und Therapie in Bezug auf
Lungenembolien in der Anästhesie?
2. AUFBAU UND METHODE
Zu Beginn werde ich mich den anatomischen und physiologischen Grundlagen des
Atemweges, speziell der Lunge, dem Lungenkreislauf und der Thrombose widmen.
Die Repetition erachte ich als sinnvoll, um anschliessend verschiedene
Zusammenhänge besser verstehen zu können.
Die Kernthematik wird einerseits die Lungenembolie sein. Anderseits die Bearbeitung
der beiden Fragen: Wie häufig treten klinisch relevante Lungenembolien bei
Patienten unter Allgemeinanästhesien auf? und hat sich in den letzten 10 Jahren in
Bezug auf die Inzidenz der Lungenembolien in der Anästhesie etwas verändert?
Die neuen Erkenntnisse zum Thema Prophylaxe und Therapie schliessen den
Hauptteil ab.
Den letzten Teil widme ich zusammenfassend den gemachten Erfahrungen bei der
Bearbeitung des Themas.
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Methodisch konzentrierte ich mich hauptsächlich auf Literaturrecherchen, d.h.
Verwendung von Fachbüchern und wissenschaftlichen Arbeiten / Forschungsstudien.
Artikel fand ich mit Hilfe der Datenbank „Pub Med“. Ich suchte mit den Begriffen:
Thrombose, Lungenembolie, Komplikationen in der Anästhesie, Anästhesienotfälle,
Beatmung und pulmonary embolism.
Zudem flossen Gespräche mit einem Experten immer wieder in die Bearbeitung der
Thematik ein.
3. EINGRENZUNG DES THEMAS
Mein Augenmerk lege ich bei dieser Arbeit auf erwachsene Patienten während einer
Allgemeinanästhesie.
Wie schon erwähnt ist das Thema so vielschichtig und gross, dass postoperative
Lungenembolien, Lungenembolien in der Geburtshilfe oder Lungenembolien bei
Regionalanästhesien primär nicht in meine Arbeit mit eingeschlossen werden.
Komplett ausklammern möchte ich es jedoch nicht, da sich die meisten Daten und
Publikationen auf postoperative Lungenembolien beschränken.
HAUPTTEIL
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4. DER ATEMWEG - ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE
Topographisch wird der Atemweg in einen oberen und einen unteren Part aufgeteilt.
- obere Atemwege: Nasenhöhle, Rachenraum, Kehlkopf
- untere Atemwege: Luftröhre, Bronchialsystem der Lunge
Funktionell werden die Atmungsorgane in Luftleitende und Respiratorische,
d.h. Gasaustauschende Abschnitte unterteilt:
- Luftleitende Abschnitte: Nasenhöhle, Kehlkopf, Luftröhre, Bronchien, Bronchiolen,
Bronchioli terminales
- Gasaustauschende Abschnitte: Bronchioli respiratorii, Alveolen
Ich möchte mich auf den Gasaustauschenden Abschnitt beschränken und auch hier
nur die Alveolen (Abbildung 1), in denen der eigentliche Austausch von Sauerstoff (O2)
und Kohlendioxid (CO2) stattfindet, beschreiben.
Abbildung 1
Schematische Darstellung eines
Bronchiolus terminalis
A: Alveolen
N: Nerv
M: zirkuläre Muskelschicht des Bronchiols
D: Schleimhautdrüse BT: Bronchiolus terminalis
PA: Äste der Pulmonalarterie
PV: Äste der Pulmonalvenen
BR: Bronchioli respiratorii
AS: Alveolarsepten
DA: Ductus alveolaris
Die Zahl der Alveolen wird auf ungefähr 300 Millionen und ihre Gesamtoberfläche auf
70 – 140 m2 geschätzt. Dies ist bei jedem Menschen abhängig von Geschlecht,
Körpergrösse, Alter und Konstitution.
Die Alveolen sind eng mit dem Kapillarsystem der Lunge verbunden. Beide
Basalmembranen sind zum grössten Teil miteinander verschmolzen. Das
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Alveolarepithel ist so dünn, dass CO2 und O2 von osmotischen Kräften getrieben
hindurch diffundieren können. Dies hängt vor allem von der Höhe der alveolären
Partialdrücke ab. Nur wenn Partialdruckgratienten zwischen Alveolen und dem Blut
bestehen, können die Atemgase diffundieren. Damit das Blut O2 aus den Alveolen
aufnehmen kann, muss also der alveoläre pO2 höher sein als der gemischtvenöse.
Umgekehrt kann CO2 aus dem Blut nur dann in die Alveolen abgegeben werden,
wenn der gemischtvenöse pCO2 höher ist als der alveoläre. Wichtigste Aufgabe der
alveolären Ventilation ist somit die Aufrechterhaltung physiologischer
Partialdruckdifferenzen.
5. DER LUNGENKREISLAUF - ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE
Als Lungenkreislauf wird der Teil des Blutkreislaufs bezeichnet, der das Blut vom
Herzen zur Lunge und wieder zurückführt.
Er ist in folgender Weise aufgebaut:
- Pumpe: rechter Ventrikel
- Verteilersystem: Arterien und Arteriolen
- Austauschsystem: Lungenkapillaren
- Sammelsystem: Venolen und Venen
Das sauerstoffarme Blut wird vom rechten Ventrikel über den Truncus pulmonalis
abgeführt. Dieser Stamm teilt sich in die rechte und linke Lungenarterie (Arteria
pulmonalis), die sich in der jeweiligen Lunge verzweigen. Dort erfolgt der
Gasaustausch, wie im Kapitel 4 beschrieben.
Das nun sauerstoffreiche Blut fliesst über mehrere Lungenvenen (Vena pulmonales)
wieder zurück zum Herzen, genauer zum linken Vorhof. Neben den Lungenarterien
wird die Lunge auch durch Bronchialarterien versorgt, welche die Lunge mit
sauerstoffreichem Blut aus Abgängen der Aorta versorgen.
Die wichtigste Aufgabe des Lungenkreislaufes ist der pulmonale Gasaustausch. Der
Lungenkreislauf wird auch als kleiner Kreislauf bezeichnet.
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Es gilt aber: Die pro Minute durch den Lungenkreislauf strömende Blutmenge
entspricht derjenigen im grossen Kreislauf.
6. DIE THROMBOSE - ÄTIOLOGIE UND PATHOLOGIE
Unter einer Thrombose versteht man den Verschluss eines Blutgefässes durch ein
Blutgerinnsel (Thrombus).
Thromben können sowohl im venösen als auch im arteriellen Teil des Blutkreislaufs
entstehen. Ein Thrombus kann das Gefäß als festsitzender Thrombus an seiner
Entstehungsstelle verstopfen, oder er kann sich lösen, vom Blutstrom mitgerissen
werden und an anderer Stelle Verstopfungen verursachen, die dort zum Ausfall der
Blutversorgung von Organen führen. Die von Thromben ausgelösten
Krankheitsbilder sind u.a. der Infarkt, die Thrombose oder in deren Folge die
Lungenembolie .
Von einer tiefen Venenthrombose (TVT) spricht man, sobald eine tief liegende und
direkt zum Herz führende große Vene betroffen ist.
Tiefe Venenthrombosen finden wir hauptsächlich im Bereich Beine und Becken,
dagegen sind die Arme und der Schultergürtel seltener betroffen.
Die Grundlage der Entstehung eines Thrombus ist das Zusammenwirken von drei
Faktoren, die nach ihrem Entdecker Virchow-Trias benannt wurde. Die drei Faktoren
sind:
• Veränderungen an der Gefäßwand
• langsamere Strömungsgeschwindigkeit des Blutes
• erhöhte Bereitschaft des Blutes zur Blutgerinnung, bzw. Veränderungen in der
Zusammensetzung des Blutes
Folgende Arten von Thromben gibt es:
• Weisser Thrombus = fibrinreicher Thrombus
• Roter Thrombus = Ec und Tc reicher Thrombus
• Plättchenthrombus = Thrombus der vorwiegend aus Tc besteht
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• Fibrinthrombus = Thrombus der nur aus Fibrin besteht.
• Phlebolith = auch Venenstein, ein verkalkter Venenthrombus
Detailliert werde ich die Ursachen und die Risikofaktoren im Kapitel Lungenembolie
beschreiben.
7. DIE LUNGENEMBOLIE
7.1. Einleitung
frische Embolie
verschieden alte Thrombosen
Abbildung 2 Kompleter Verschluss des Truncus Pulmonalis
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Eine Lungenembolie (meistens eine Lungenarterienembolie) entsteht durch den
plötzlichen, teilweisen oder vollständigen Verschluss einer Lungenarterie (siehe Abbildung 2).
Dazu kommt es, wenn sich ein oder mehrere Thrombus/Thromben ablösen und
durch das rechte Herz in die Lunge eingespült werden.
Aber nicht nur ein Thrombus kann eine Lungenembolie auslösen, auch wenn dies in
80% der Fall ist.
Wir unterscheiden folgende Embolien:
- Thromboembolie (Einschwemmen eines Blutgerinnsels)
- Fettembolie (Einschwemmen von Fetttröpfchen, z.B. nach grossen, offenen
Knochenbrüchen)
- Gas- bzw. Luftembolie (nach Injektion von Luft oder Gas)
- Tumorembolie (Verstopfung der Gefässe durch Tumorgewebe)
- Fruchtwasserembolie (Geburtskomplikation)
Laut Meissner & Niedermeyer (1995) 1 werden nur 29% der autoptisch gefundenen
LE auch klinisch diagnostiziert! Während die Prävalenz von LE bei hospitalisierten
Pat. in den letzten 20 Jahren durch die Intensivierung prophylaktischer Massnahmen
reduziert wurde, blieb die Häufigkeit der nicht diagnostizierten LE und deren Letalität
unverändert.
7.2. Ätiologie und Pathogenese Der Entstehungsort der Thrombose beeinflusst das embolische Risiko. 90% der LE
stammen aus dem Abflussgebiet der unteren Hohlvene.
- Oberschenkel 60%
- Beckenvenen 15-20%
- Unterschenkel < 1%
- Obere Extremitäten < 1%
- Rechter Vorhof < 1%
Zudem werden die verschiedenen Lungenabschnitte unterschiedlich häufig von LE
betroffen.
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Meissner & Niedermeyer (1995) 1 beschreiben ebenfalls die Häufigkeit einer LE in
den verschiedenen Lungenabschnitten. Die Emboluslokalisation bei 69 Pat. hat
folgende Zahlen ergeben. Dazu muss man aber sagen, dass bei 45 von 69 Pat. mehr
als ein Lappen befallen war.
Die Verteilung der Embolien über die verschiedenen Lungenlappen ist ein Zeichen
der Perfusionsunterschiede.
Rechte Lunge Linke Lunge
Oberlappen 16 17
Mittellappen 20 21
Unterlappen 42 37
Wie im Kapitel Thrombose schon beschrieben, beobachtete Virchow, dass eine
Thrombusentwicklung im frei strömenden Blut eine Rarität darstellt.
Die Koagulabilität wird posttraumatisch, postoperativ und postpartal zusätzlich durch
den Anstieg der Thrombozytenzahl mit vermehrter Thromboplastinfreisetzung erhöht.
Während eine geschlechtsspezifische Disposition für die Entwicklung von LE nicht
nachweisbar ist, kann ein Altersgipfel zwischen 50 und 65 Jahren, offenbar im
Zusammenhang mit anderen Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Tumor, statistisch
belegt werden.
Aus verschieden Quellen der Literatur ist ersichtlich, dass ein Herzinfarkt oder ein
Tumor nicht die einzigen Risikofaktoren sind.
Folgende vorbestehende Faktoren begünstigen die Entstehung einer LE:
- Art der Operation oder Trauma
- Thromboembolien in der Anamnese
- Gefässwandveränderungen
- Höheres Lebensalter
- Maligne Grunderkrankung
- Übergewicht
- Varikosis
- Längere Immobilisation
- Östrogenhaltige orale Kontrazeption
- Schwangerschaft und Wochenbett
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- Vorbestehende Herzerkrankungen
- Hyperkoagulopathie
- Rauchen
- Familiäre Vorbelastungen
- Infektionen
Bei der Art des Eingriffes gilt es nochmals zu unterscheiden:
Die Zahlen dazu sind sehr eindrücklich (Goldhill, 1997) 2
Häufigkeit TVT und letale Lungenembolie bei verschiedenen Risikogruppen TVT % Letale LE %
Allgemeinchirurgischer Eingriff 19-25 1
Orthopädischer Eingriff (Knie/Hüfte) 45-70 1-3
Urologischer Eingriff 25 -
Gynäkologischer Eingriff 7-45 1
Neurochirurgie 9-50 1,5-3
Polytrauma 20-40 1-4
Bei einer LE ist die Versorgung der dahinter liegenden Gefässe mit Blut nicht mehr
ausreichend oder gar nicht mehr gegeben. Dadurch ist die sauerstoffaustauschende
Fläche der Lunge reduziert. Bei grossen Lungenembolien kann es selten zum
Absterben von Lungengewebe kommen, man spricht dann von einem Lungeninfarkt.
Problematisch ist auch der Blutstau vor dem Verschluss, der zu einer mehr oder
weniger starken Druckerhöhung im Lungenkreislauf führt. Dadurch kommt es zur
Überbelastung des rechten Herzens, das gegen einen erhöhten Widerstand arbeiten
muss. Dies kann zum akuten Rechtsherzversagen führen und unbehandelt zum
Tode.
Das Ausmass der Katastrophe liegt natürlich dem Ort des Geschehens zu Grunde.
Von der Peripherie hin zu den grossen Lungenarterien wird der Schaden, denn eine
LE anrichtet immer grösser wie diese Illustration sehr deutlich zeigt.
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7.3. Pathophysiologie In der Literatur beschrieben, werden die Auswirkungen einer LE auf das Herz-
Kreislauf-System (Hämodynamik) bzw. die Lunge (Gasaustausch) von folgenden drei
Faktoren beeinflusst.
- Einerseits ist natürlich das Ausmass des Gefässverschlusses von entscheidender
Bedeutung.
- Anderseits ist die Frage zu klären, wo anatomisch gesehen hat die Embolie statt
gefunden.
- Und zuletzt ein sehr wichtiger Aspekt, der auf die Konstellation vorbestehender
Risikofaktoren aufmerksam macht.
Die letzten beiden oben erwähnten Faktoren wurden in den vorherigen Kapiteln
schon beschrieben. Zum Ausmass des Gefässverschlusses gibt es von Meissner &
Niedermeyer (1995) 1 interessante Zahlen.
Durch den mechanischen Verschluss kommt es zur Reduktion der
Querschnittsfläche des perfundierenden Lungengefässbettes. Diese kann in
Abhängigkeit vom Ausmass der Okklusion durch Rekrutierung vorher nicht
durchbluteter Gefässabschnitte teilweise kompensiert werden. So ist aus
experimentellen Untersuchungen bekannt, dass bei Lungengesunden erst eine
Verminderung der Kapillarquerschnittsfläche von mehr als 50% zu einem
signifikanten Anstieg des pulmonalarteriellen Mitteldruckes führt.
Abbildung 3 Lungenembolie
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Vorbestehende Erkrankungen wie Herzinsuffizienz, obstruktive oder restriktive
Ventilationsstörungen führen bereits zu einer deutlichen Abnahme der
pulmonalvaskulären Reservekapazität, so dass auch embolische Verschlüsse von
weniger als 50% letal verlaufen können.
„Aus hämodynamischer Sicht spielen bei der Lungenembolie weitaus mehr Faktoren
eine Rolle als die blosse Druckbelastung des rechten Ventrikels. Während in der
Frühphase einer Lungenembolie hämodynamische Veränderungen das
Krankheitsbild wesentlich beeinflussen, kennzeichnet die Interaktion verschiedener
humoraler Faktoren die postakute Phase. Die hämodynamischen Veränderungen bei
der akuten Lungenembolie sind seit Jahren bekannt und in ihrem
pathophysiologischen Ablauf verstanden. Hingegen sind die humoralen
Veränderungen und die Mechanismen, die letztlich bei einer Minderheit der Patienten
zur chronisch thromboembolischen pulmonalen Hypertonie führen, noch zum
grossen Teil spekulativ und in ihrem individuellen Beitrag zum Krankheitsbild unklar“
(Breuer, 2007, S.6) 3
7.4. Symptome
Eine akute LE tritt ohne vorherige Ankündigung auf. Folgende Symptome können
sich uns in der Phase zeigen:
• Plötzlich einsetzende Atemnot
• Atemabhängiger pleuritischer Schmerz
• Synkope
• Einseitige Beinschwellung
• Husten
• Tachypnoe
• Rasselgeräusche
• Tachycardie
• Hypotonie
Bei einem Patienten während einer Intubationsanästhesie fallen die verbal
geäusserten Beschwerden des Patienten bekanntlich weg. Auf dem Monitor zeigt
sich folgendes Bild:
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• Tachycardie
• Hypotonie
• etCO2 Abfall
• pO2 Sättigungsabfall
Je nach Ort und Umfang der LE kann sich der hämodynamische Zustand des
Patienten rapide verschlechtern und eine cardiopulmonale Reanimation wird nötig.
Nichtsdestotrotz sind die Symptome der LE unspezifisch und können auch bei
anderen Erkrankungen auftreten. Als Differenzialdiagnosen müssen wir an folgendes
denken:
• Myokardinfarkt
• Perikardtamponade
• Pneumonie
• Pleuritis
• Pneumothorax
• Asthamanfall
• Aortendissektion
Die Verdachtsdiagnose muss innerhalb der ersten Stunde bestätigt oder
ausgeschlossen werden.
Eine Lungenembolie ist potentiell immer lebensbedrohlich
und muss sofort behandelt werden.
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8. WIE HÄUFIG TRETEN INTRAOP. LUNGENEMBOLIEN AUF?
Bei meinen Recherchen hat sich schnell heraus kristallisiert, dass sich die meisten
Daten, Studien und wissenschaftlichen Texte ausschliesslich auf die perioperative LE
konzentrieren. Das ist natürlich nicht explizit das gewesen, was ich mir erhofft habe
zu finden, da ich mich in meiner Fragestellung besonders auf die intraoperativen LE
festgelegt hatte.
Gleichzeitig habe ich auch realisiert, dass sich mein Interesse zwar durchaus global
verteilt, ich im Kern aber die Zahlen und Daten unseres Hauses am spannendsten
gefunden hätte. Aber da es wie schon erwähnt global wenig Material zum Thema
gibt, ist es natürlich illusorisch zu glauben, ich könnte jetzt aus unserem Hause die
grossen Zahlen präsentieren.
8.1. Zahlen aus dem Universitätsspital Basel Doch so ganz ohne Zahlen, das konnte ich fast nicht glauben!
Mit der Unterstützung von Professor Mark Kaufmann, leitender Arzt an unserem
Departement Anästhesie, sind wir in der hiesigen Datenbank folgendermassen
fündig geworden.
Am USB gab es von 2003 – 2007 12 operierte Patienten, bei denen der Verdacht
einer TVT und/oder LE geäussert wurde. Entweder war im Anästhesieprotokoll etwas
von einem intraoperativen unerklärlichen SpO2 Abfall beschrieben oder der Patient
klagte im Aufwachraum über Atemnot. Durch die beschriebenen Äusserungen hat
das System diese Patienten herausgefiltert, denn in der Tat, wie in den vorherigen
Kapiteln beschrieben, weiss man heute, dass die Zahl der letal verlaufenden LE um
das Vielfache höher ist. Konkret möchte ich damit sagen, dass es mehr als
12 Patienten am USB in einem Zeitraum von 4 Jahren gegeben hat, die an einer LE
erkrankt sind. Die Daten lassen sich nur leider nicht eruieren.
Von den 12 Patienten kann ich zusammenfassend sagen:
8 Patienten waren unauffällig und der Verdacht einer TVT/LE hat sich nicht bestätigt.
2 Patienten wiesen lediglich in ihrer Anamnese eine LE auf.
2 Patienten erkrankten an einer LE, davon war bei einer Patientin der Verlauf letal.
Die beiden letzteren Patienten möchte ich kurz vorstellen.
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Patient A ist männlich, 75 jährig und bekam eine bds. Hüft Totalprothese in ITN Intubation und Anästhesieverlauf waren problemlos. Bei Op-Ende hustete der
Patient und es erfolgte ein SpO2 Abfall bis 80% (ca. 1 Min.). Nach Vertiefung der
Anästhesie und trachealem Absaugen erholte sich die pO2 Sättigung auf 98%. Bei
guter Spontanatmung folgte die Extubation. Anschliessend erneuter SpO2 Abfall auf
80% (ca. 30 Sec.). Bei klinisch suffizienter Eigenatmung und cardiopulmonal stabil,
werden im AWR und später auf der IMC immer wieder SpO2 Abfälle notiert.
Aus den Unterlagen ist ersichtlich, dass daraufhin folgende Schritte eingeleitet
wurden: O2 Gabe, Schmerztherapie, Labor, Röntgen Thorax, Spiral-CT,
Fragmingabe und Atemtherapie.
Eine LE rechts basal wurde diagnostiziert, therapiert und der Patient konnte
3 Wochen später die orthopädische Klinik verlassen.
In der Anamnese des Patienten kommen folgende Risikofaktoren zum Tragen:
- Art der Operation oder Trauma (orthopädischer Eingriff)
- Höheres Lebensalter
- Übergewicht
- Vorbestehende Herzerkrankungen
- Längere Immobilisation (vermutlich vor dem Eingriff, schmerzbedingt)
Patientin B ist weiblich, 54 jährig und bekam eine Laparatomie (Ovarial-Ca) Bei der verstorbenen Patientin kam es am 4. postoperativen Tag, nach einem bis zu
dem Zeitpunkt problemlosen Verlauf (inkl. Anästhesie und Operation), während
einer Mobilisation auf dem Gang zu einer Kreislaufschwäche, welche von den
klinischen Parametern als Synkope gedeutet wurde. Unter Trendelenburglagerung
erholte sich die Patientin zunehmend und war gut ansprechbar. Ca. 15 min. später
wurde die Patientin plötzlich zyanotisch, zeigte eine Schnappatmung, erbrach sich
und wies einen Herz/Kreislaufstillstand auf. Es wurde unmittelbar mit der
kardiopulmonalen Reanimation begonnen. Leider ohne Erfolg.
Der Verdacht auf eine fulminante zentrale LE geht aus den Unterlagen hervor.
In der Anamnese der Patientin kommen folgende Risikofaktoren zum Tragen:
- Art der Operation (Gynäkologischer Eingriff)
- Längere Immobilisation (vermutlich nach dem grossen Eingriff)
- Maligne Grunderkrankung
Ines Gutekunst Seite 19
An beiden Fallbespielen ist zu erkennen, dass Risikofaktoren wie im Kapitel 7.2.
beschrieben:
• Art der Operation oder Trauma
• Thromboembolien in der Anamnese
• Gefässwandveränderungen
• Höheres Lebensalter
• Maligne Grunderkrankung
• Übergewicht
• Varikosis
• Längere Immobilisation
• Östrogenhaltige orale Kontrazeption
• Schwangerschaft und Wochenbett
• Vorbestehende Herzerkrankungen
• Hyperkoagulopathie
• Rauchen
• Familiäre Vorbelastungen
• Infektionen
nie zu unterschätzen sind!
9. HAT SICH IN DEN LETZTEN 10 JAHREN IN BEZUG AUF DIE
INZIDENZ DER LUNGENEMBOLIE IN DER ANÄSTHESIE
ETWAS VERÄNDERT?
Ich nahm an, dass auch auf dem Gebiet der Embolien der medizinische Fortschritt
Einzug gehalten hat.
Bessere Medikamente (Bereich Prophylaxe), Anästhesieverfahren, Zunahme der
minimal invasiven Operationsmethoden, schnellere postoperative Mobilisationen.
Das sind doch klare Signale.
Ines Gutekunst Seite 20
Durch die besseren Bedingungen, wie eben beschrieben, hat man bessere
Möglichkeiten geschaffen. Trotzdem kann man klar sagen, es hat sich nichts
geändert.
Das liegt vor allem daran, dass unsere Patienten auf dem Operationstisch in den
letzten 10 Jahren viel älter und multimorbider geworden sind. Dazu kommt die
grosse Zunahme an malignen Grunderkrankungen und das zusammen ergibt heute
eine Situation, die vor 10 Jahren nicht anders war. Nur die Ursachen haben sich
verändert.
10. PROPHYLAXE UND THERAPIE
10.1. Medikamentöse Prophylaxe
Blickt man 10 Jahre zurück, kann man feststellen, dass man sich in regelmässigen
Abständen an ein neues Präparat gewöhnen musste. Immer wieder kamen neue
Antikoagulantien auf den Markt.
Man unterscheidet direkte Antikoagulantien, die direkt mit den Gerinnungsfaktoren
reagieren und indirekte Antikoagulantien, welche die Synthese der
Gerinnungsfaktoren hemmen.
Thrombozytenaggregationshemmer wie Acetylsalicylsäure (u.a. ASS, Aspirin®) und
Clopidogrel (u.a. Plavix®, Iscover®) werden umgangssprachlich auch als
Blutverdünner bezeichnet, sind aber im engeren Sinne keine Antikoagulantien. Sie
hemmen nicht die plasmatische Blutgerinnung, sondern die Eigenschaft der
Blutplättchen verklumpen zu können.
Heparin bindet als Co-Faktor an Antithrombin III, einem köpereigenen Hemmer der
plasmatischen Gerinnung, und verhindert damit den normalen Gerinnungsprozess.
So können Blutbestandteile nicht mehr zusammen kleben. Präventiv wird es vor
allem nach Operationen oder bei langer Bettlägerigkeit subcutan verabreicht.
Heparin gibt es in zwei Formen: fraktioniertes und unfraktioniertes Heparin.
Ines Gutekunst Seite 21
Unfraktioniertes Heparin wird auch hochmolekulares Heparin genannt. Es wirkt
schnell und wird hauptsächlich als Therapie bei TVT und LE als Infusion intravenös
verabreicht.
Fraktioniertes Heparin wird auch niedermolekulares Heparin genannt. Es wirkt
länger, zeigt eine geringere Blutungsgefahr und wird subcutan gespritzt.
Vertreter dieser Gruppe sind: Certoparin (Mono-Embolex®), Dalteparin (Fragmin®),
Enoxaparin (Clexane®), Nadroparin (Fraxiparin®,Fraxodi®), Reviparin (Clivarin®) und
Tinzaparin (innohep®).
Ein neueres und noch selten eingesetztes Präparat ist zum Beispiel Fondaparinux
(Arixtra®).
Der Standard bei uns im Hause sieht zurzeit folgendermassen aus:
Je nach Operation wird schon am Vorabend mit der Thromboseprophylaxe
begonnen.
Fragmine: Niedriges Thromboserisiko → 2500 IE
Hohes Thromboserisiko → 5000 IE
oder
Clexane: Niedriges Thromboserisiko → 20mg i.v.
Hohes Thromboserisiko → 40mg i.v.
Bei Adipositas oder starkem Untergewicht muss die Dosis angepasst werden.
10.2. Intermittierend komprimierende, pneumatische Strümpfe (IPC).
Am USB werden seit ca. 1 Jahr die IPC (intermittent pneumatic compression) Strümpfe von der Firma Kendall/Healthcare eingesetzt. Sie heissen Kendall SCDTM
(Sequential Compression Sleeves), sind oberschenkellang und werden bei uns in
Kombination mit den Antithrombosestrümpfen (ATS) verwendet. D.h. zuerst werden
die ATS angezogen und darüber die IPC in der passenden Grösse angelegt.
Eingesetzt werden die Strümpfe ab intraoperativ, in der Neurochirurgie und bei
chirurgischen Eingriffen in Steinschnittlage mit einer geplanten Operationsdauer
> 3 Stunden.
Ines Gutekunst Seite 22
Ottilia Rohrer hat ihre HöFa II Abschlussarbeit 2004 am WE`G in Aarau dem Thema:
Thromboseprophylaktischer Effekt intermittierend komprimierender, pneumatischer
Strümpfe (IPC): Eine systematische Literaturanalyse, gewidmet. 4
Sie schreibt in ihrer Arbeit (2004) 4 : „TVT stellen aufgrund der demographischen
Entwicklung sowie der kürzeren Hospitalisationsdauer in verschiedenen klinischen
Bereichen ein zunehmendes Problem dar, welches mit Folgerisiken behaftet ist.
Gegenwärtige Behandlungsrichtlinien basieren in erster Linie auf prophylaktische
Massnahmen. Neben medikamentösen Prophylaxen stehen physikalische
Massnahmen durch die Pflege im Vordergrund.“
„Vorneweg kann man schon sagen, dass in nahezu allen klinischen Bereichen die
IPC eine signifikante Reduktion der Thromboseentstehung belegen. Sie haben
wenige schädigende Nebenwirkungen und sind möglicherweise auch kosteneffizient.
Entscheidend für die Wirksamkeit von IPCs sind deren korrekte Anwendung und die
Compliance der Patienten.“
(Basierend auf 25 in den Datenbanken gefundenen Studien wird die Wirkung der IPC
analysiert).
Abbildung 4
Ines Gutekunst Seite 23
IPC Strümpfe bestehen aus verschiedenen Manschetten, die um die Unterschenkel
und teilweise um die Oberschenkel geschlossen werden. In regelmässigen
Abständen wird von distal beginnend ein definierter Druck in den Manschetten
erzeugt. Dies führt zu einer Erhöhung des venösen Rückflusses, reinigt die
Venenklappen und kann die Spitzengeschwindigkeit im venösen Blutbett um bis zu
200% erhöhen.
Die Strümpfe gibt es knie- oder oberschenkellang, zudem sind sie in drei
verschiedenen Grössen erhältlich.
Sie können komplementär oder alternativ zu Antithrombosestrümpfen (ATS)
eingesetzt werden. Die Kombination von IPC und ATS wird sehr empfohlen.
• Kompressionsstärke:
Muhe (1982) „mass mit einer RCT bei 25 Patienten im Alter von 41-81 Jahren die
venöse Strömungsgeschwindigkeit bei verschiedenen Kompressionsdrücken (34,6
mmHg, 64,2 mmHg, 92,5 mmHg) zwischen Fussrücken und Leiste. Anschliessend
wurde an 69 bettlägerigen Patienten überprüft, ob erhöhte Kompressionsdrücke die
Anzahl der TVT reduzieren. Die Dauer der IPC Behandlung umfasst bei jedem
Patienten die Zeit von der Anästhesie bis zum 5. postoperativen Tag. Die Patienten
erhielten die IPC dreimal täglich für je 10 Kompressionszyklen im Abstand von sechs
Stunden. Bei den IPC handelte es sich um oberschenkellange Systeme. Die Rate
von TVT lag bei Kompressionsdrücken von 90-102 mmHg bei 4,2%, bei Drücken von
35 mmHg bei 12% und bei der Heparin-Gruppe bei 15%“ (zitiert in Rohrer, 2004,
S.179).
Es bleibt daher unklar, warum fast einheitlich durchschnittliche Kompressionsdrücke
von 45 mmHg angewandt und von den meisten Firmen auch empfohlen werden.
Dies mit der Begründung, dass es den physiologischen Druckverhältnissen der
Venen entspricht und genüge.
Ich denke, höhere Kompressionsdrücke sind für die Patienten sehr unangenehm und
beeinträchtigen unter Umständen die arterielle Zirkulation.
• Kontraindikation:
Bei offenen Wunden, Gangränen der unteren Extremitäten sowie bestehenden TVT.
Bei Operationen am Bein mit einer komplikationslosen Naht besteht keine
Kontraindikation.
Ines Gutekunst Seite 24
• Anwendungsdauer:
Laut Rohrer (2004) 4 ist aus verschieden Studien ersichtlich, dass das Tragen der
IPC Strümpfe den grösstmöglichen Nutzen bringt, wenn präoperativ aber sicher
intraoperativ begonnen wird und man konsequent bis zur vollständigen Mobilisation
damit fortfährt. Zudem sollten sie dauernd getragen werden, ausser zur Körperpflege
und zur Mobilisation.
„Ferree und Wright (1993) 5 „untersuchten bei 185 Patienten nach posteriorer,
lumbaler Operation an der Wirbelsäule das Auftreten von TVT. 74 Patienten wurden
mit ATS behandelt, 111 Patienten bekamen zur Tromboseprohylaxe IPC und
zusätzlich ATS. Vier Patienten der ATS-Gruppe entwickelten Thrombosen. In der
IPC-Gruppe wurden keine Thrombosen entdeckt. Dieser Unterschied ist signifikant.“
Das ärztliche Neurochirurgenteam bei uns im Hause ist von der Wirkung bzw. dem
therapeutischen Nutzen der IPCs voll überzeugt.
10.3. Intraoperatives Management bei Verdacht einer Lungenembolie
Eine intraoperative akute LE ist für den Patienten eine lebensbedrohliche Situation.
Wie im Kapitel 7.4. beschrieben zeigt sich beim intubierten Patienten auf dem
Monitor folgendes Bild: Der Patient wird Tachycard und Hypoton, die SpO2 sinkt, der
etCO2 Wert sinkt. Je nach Ort und Umfang der LE kann sich der Zustand des
Patienten rapide verschlechtern und eine cardiopulmonale Reanimation wird nötig.
100% O2
Gabe
Kreislauf unterstützen
Chirurg muss OP beenden
Hilfe anfordern
Was ist zu tun?
Ines Gutekunst Seite 25
10.4. Postoperatives Management bei Verdacht einer Lungenembolie
• Immobilisation, Lagerung (Oberkörper hoch)
• O2 Gabe 6l/min.
• Monitoring (O2 Sättigung, Kreislaufparameter)
• Analgesie z.B. Morphin 10 mg i.v./s.c.
• Heparin-Bolus 5000-10 000 EI i.v.
• Diagnostik mittels CT oder Echokardiographie
• Gabe von Katecholamine
• Lyse / offene chirurgische Embolektomie / Katheterthrombektomie
10.5. Lungenembolie Diagnostik
Die Verdachtsdiagnose muss innerhalb der ersten Stunde bestätigt oder
ausgeschlossen werden.
Oft ist jedoch die Diagnose der LE schwierig. Symptome und klinische Zeichen sind
unspezifisch. Unbehandelt weist die Lungenembolie eine hohe Mortalität auf.
Bisher war man sich gewohnt, anhand von Anamnese, Klinik, EKG, Röntgenthorax
und Blutgasanalyse die Wahrscheinlichkeit einer Lungenembolie abzuschätzen.
Der Nachweis wurde mittels Lungenszintigraphie oder Pulmonalisangiographie
erbracht.
In den letzten Jahren haben neue diagnostische Instrumente Einzug in den
klinischen Alltag gehalten: Die Bestimmung der Fibrin-Abbauprodukte oder
D-Dimere (bei Patienten postoperativ und auf der Intensivstation nicht verwertbar),
die Duplexsonographie der Beinvenen und die Spiral-CT der Pulmonalarterien
(Cottier & Pippert, 2001) 6
Im Larsen/Anästhesie ist ein Stufenplan der Lungenembolie Diagnostik beschrieben:
Stufe 1: Klinische Untersuchung, EKG, Blutgasanalyse, Thorax-Röntgenbild, ZVD
Stufe 2: Lungenszintigraphie, transthorakale Echokardiographie
Stufe 3: Transösophageale Echokardiographie, CT, MRT, Pulmonalisdruckmessung
Stufe 4: Pulmonalisangiographie
Ines Gutekunst Seite 26
SCHLUSSTEIL
11. ZUSAMMENFASSUNG
Als ich begann, mich mit der Abschlussarbeit auseinander zu setzen - das Thema
hatte ich schon ausgesucht - konnte ich gar nicht verstehen, warum es relativ wenig
Literatur über die akute intraoperative Lungenembolie gibt. Wie schon im Kapitel 8
erwähnt, finden die meisten LE peri- und postoperativ statt. Grundsätzlich zu den
Risikofaktoren, die der Patient vor einer Operation mitbringt, ist trotz modernster
Medikamente und Anästhesieverfahren, der operative Eingriff selbst eine enorme
Belastung für den Körper und erhöht das Risiko auf eine LE um das Vielfache.
Zudem darf die Immobilität des Patienten nach einem chirurgischen Eingriff nicht
unterschätzt werden. Siehe Kapitel 8.1. Fallbeispiel Patient B.
Die ersten beiden Fragestellungen konnte ich leider nur bedingt beantworten, jedoch
bin ich bei den Recherchen auf viel Informationsmaterial rund um das Thema der
Lungenembolie gestossen, was für mich sehr interessant war. Dabei ist die vertiefte
Auseinandersetzung mit dem Thema aus meiner Sicht erreicht worden. Mein
primärer Fokus war die intraoperative Lungenembolie und im Rahmen des
vorgegeben Umfanges der Arbeit beschränkte ich mich auf das Wesentliche. In der
Arbeit nicht zum Tragen gekommen sind Fallbeispiele, die oft in Journals publiziert
worden sind. Sie wurden nicht erwähnt, weil mir einerseits die beiden hauseigenen
Fallbeispiele näher lagen, anderseits hätte es den Umfang der Arbeit um einiges
gesprengt.
Der Patient, den wir in der Vorbereitung erwarten, bekommt ein künstliches
Hüftgelenk. Wir haben im Anästhesieprotokoll gelesen, dass der Patient ein starker
Raucher ist, wir nehmen zur Kenntnis, dass derselbe Patient vor Jahren an einem
Karzinom operiert wurde. Wer von uns denkt sofort an das hohe Risiko einer LE?
Dabei würde der Patient von den 15 Risikofaktoren schon 4 erfüllen. Kämen dann
noch Übergewicht, höheres Lebensalter und eventuelle längere Immobilität dazu,
hätte der Patient fast 50% aller Risikofaktoren erfüllt.
Ines Gutekunst Seite 27
Das Risiko an einer Lungenembolie zu erkranken ist in den letzten 10 Jahren nicht
zurückgegangen. Wir haben zwar bessere Prophylaxemöglichkeiten,
Diagnosemethoden und Therapien, jedoch sind die Risikofaktoren, die jeder Patient
mitbringt, der eine mehr, der andere weniger, ein ganz entscheidender Punkt!
Eindrücklich war für mich die HöFa II Arbeit 4 von Ottilia Rohrer mit dem Thema:
Thromboseprophylaktischer Effekt intermittierend komprimierender, pneumatischer
Strümpfe (IPC).
Der therapeutische Nutzen der IPC ist bei korrekter Anwendung beeindruckend,
auch wenn noch nicht alle davon begeistert sind. Wir verwenden die pneumatischen
Strümpfe laut meinen Kenntnissen bis jetzt nur im Spital. Nicht so in den USA. Von
einer Bekannten, die vor 2 Jahren nach einer Operation, trotz ihrem hohen Alter
zwar schnell aus dem Spital entlassen wurde, jedoch zu Hause längere Zeit äusserst
eingeschränkt mobil war, weiss ich, dass sie ihre eigenen pneumatischen Strümpfe
bekam und diese nach einem vorgegebenen Fahrplan benutzte.
Wie am Anfang der Arbeit erwähnt, war mir klar, dass das Thema meiner
Abschlussarbeit ein medizinisches Thema ist. Mit der Arbeit 4 von Ottilia Rohrer
möchte ich den Kreis von Pflege und Medizin, Forschung aus ärztlicher und
pflegerischer Sicht schliessen.
Das Institut für Pflegewissenschaft an der Universität Basel hat 2003 eine Definition
von professioneller Pflege veröffentlicht.
Professionelle Pflege fördert und erhält Gesundheit, beugt gesundheitlichen
Schäden vor und unterstützt Menschen in der Behandlung und im Umgang mit
Auswirkungen von Krankheiten und deren Therapien. Dies mit dem Ziel, für betreute
Menschen die bestmöglichen Behandlungs- und Betreuungsergebnisse sowie die
bestmögliche Lebensqualität in allen Phasen des Lebens bis zum Tod zu erreichen.
Die pflegerische Herausforderung rund um die akute Lungenembolie in der
Anästhesie aus meiner Sicht könnte ich mit eigenen Worten nicht besser
beschreiben.
Ines Gutekunst Seite 28
12. LITERATURVERZEICHNIS
Auflistung der Studien ihrer Nennung im Text nach 1 Meissner, E. & Niedermeyer, J. (1995). Lungenembolie. In: Fabel, H. (Hrsg.),
Pneumologie. Urban & Schwarzenberg 2. Auflage. (343-358). 2 Goldhill, D.R. (1997). Postoperative Thrombose und Embolie. In: Taylor, T.H. &
Major, E. (Hrsg.), Risiken und Komplikationen in der Anästhesie. Lübeck: Gustav
Fischer Verlag. (284-294). 3 Breuer, H.-W. M. (2007). Pathophysiologie der Lungenembolie. Pneumologe, 4,
6 – 12. 4 Rohrer, O. (2006). Thromboseprophylaktischer Effekt intermittierend
komprimierender, pneumatischer Strümpfe (ICP): Eine systematische
Literaturanalyse. Pflege, 19, 175-187. 5 Ferree, B. A. & Wright, A. M. (1993). Deep venous thrombosis following posterior
lumbar spinal surgery. Spine, 8, 1079-1082. 6 Cottier, C. & Pippert, H. (2001). Wie diagnostiziert man eine Lungenembolie?
Schweiz Med Forum, Nr.27, 716-722.
Weitere Informationsquellen
Pschyrembel, W. (1982). Klinisches Wörterbuch. Berlin: Walter de Gryter.
254. Auflage.
Siegemund, M. (2007). Akute Lungenembolie. Powerpoint-Präsentation am USB
Larsen, R. (2006). Anästhesie. München: Urban & Fischer. 8.Auflage. S. 943-944.
http://nursing.unibas.ch/ins/deut/allg-infos/institut/institut.html
Ines Gutekunst Seite 29
http://www.pflegewiki.de
http://de.wikipedia.org/wiki/Portal:Medizin
Bildmaterial
Titelblatt: thromboembolus in distal main and proximal left pulmonary
arteries.
www.images.md
Abbildung 1: http://de.wikipedia.org/wiki/Lunge
Abbildung 2: www.images.md
Abbildung 3: W&B / Szczesny
Abbildung 4: SCD Strümpfe / Kendall Healthcare